ISEK MÜNSTER 2030 Baustein B: Schlüsselpersonengespräche
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Anlage 3 B zur Vorlage V/0487/2021 Dezernat für Planung, Bau und Wirtschaft Integriertes Stadtentwicklungskonzept Münster 2030 ISEK MÜNSTER 2030 Baustein B: Schlüsselpersonengespräche
Impressum AUFTRAGGEBERIN Stadt Münster vertreten durch Dezernat für Planung, Bau und Wirtschaft Stadtbaurat Robin Denstorff Stadtplanungsamt Stabsstelle »Strategische Stadtentwicklung, Wissenschaftsstadt« Albersloher Weg 33 48155 Münster Ansprechpartner: Prof. Dr. Thomas Hauff, Marc Gottwald-Kobras Münster Marketing Wissenschaftsbüro, Projektbüro MünsterZukünfte 20 | 30 | 50 Klemensstraße 10 48143 Münster Ansprechpartner: Dr. Matthias Schmidt, Dominik Czeppel Weiterführende Informationen: www.stadt-muenster.de/zukuenfte und www.zukunft-muenster.de EXTERNES PLANUNGSTEAM scheuvens + wachten plus Friedenstraße 18 44139 Dortmund NetzwerkStadt GmbH Auf dem Hilf 50 58239 Schwerte M.Sc. Ronja Decker Dipl.-Ing. Daniela Gaspar M.Sc. Susann Hollbach B.A. Christoph Schökel Prof. Dr.-Ing. Klaus Selle Prof. Kunibert Wachten unter Mitwirkung von Dr. Sarah Ginski Münster/Dortmund/Schwerte, Juli 2018
Inhalt BAUSTEIN B – SCHLÜSSELPERSONENGESPRÄCHE Vorspann 4 Die Erarbeitung eines Integrierten Stadtentwicklungskonzeptes als kommunikativer Prozess im Rahmen der MünsterZukünfte 20 | 30 | 50 Prozessschema 6 Erste Assoziationen 9 Stärken, Qualitäten, Potenziale 11 Was zu erhalten und zu entwickeln ist Schwächen, Probleme, Risiken 14 Wo Veränderungsbedarf gesehen wird Die Bedeutung der Region für Münster – und die Bedeutung Münsters in der Region 22 Welche Bedeutung interkommunale Kooperation hat Rahmenbedingungen und Schwerpunkte zukünftiger Stadtentwicklung 28 Worauf es zukünftig ankommt Öffentlichkeitsbeteiligung in Münster: Erfahrungen und Folgerungen 38 Wie über Stadtentwicklung reden In Kürze: Zusammenfassung und erste Folgerungen 42 Die Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner 46 Der Interviewleitfaden 50
4 ISEK Münster 2030 | Baustein B: Schlüsselpersonengespräche Vorspann Die Erarbeitung eines Integrierten Stadtentwicklungskonzeptes als kommunikativer Prozess im Rahmen der MünsterZukünfte 20 | 30 | 50 Das Integrierte Stadtentwicklungskonzept (ISEK Münster 2030) ist Teil eines laufenden Prozesses, in dem sich die Stadt mit aktuellen und zukünftigen Aufgaben auseinander- setzt: Diese »MünsterZukünfte 20 | 30 | 50« umfassen mehrere, untereinander verbun- dene Arbeitsstränge (Abb. S. 6/7) – mit langfristigen Szenarien, Bürgerumfragen, inten- siven Dialogen in und mit der Stadtgesellschaft sowie der Erarbeitung eines Integrierten StadtentwicklungskonzeptesA. Mit diesem ISEK Münster 2030 soll ein Orientierungsrah- A Über die MünsterZukünfte 20 | 30 | 50 wird laufend im Internet berichtet: men für die Entwicklung der wachsenden Stadt Münster im nächsten Jahrzehnt geschaf- www.zukunft-muenster.de fen werden. Zugleich entsteht so eine entscheidende Voraussetzung für die zukünftige Inanspruchnahme von Städtebauförderungsmitteln. Und nicht zuletzt eine wichtige Be- dingung der konkreten Umsetzung der Nachhaltigkeitsstrategie Münster 2030. Die Erarbeitung dieses Konzeptes wird in einer fünfteiligen Berichterstattung dokumen- tiert. Sie umfasst: • Baustein A: Das ISEK in den MünsterZukünften – Einführung und Übersicht • Baustein B: Schlüsselpersonengespräche • Baustein C: Zehn Leitthemen für Münster • Baustein D: Die Stadtforenprozesse • Baustein E: Bilanz 2020: Räumliches Leitbild In dem hier vorliegenden Baustein B finden Sie eine zusammenfassende Auswertung der zahlreichen Gespräche mit einer Vielzahl an Akteuren zur Stadtentwicklung Münsters, welche als Basis für die weitere Erarbeitung dienten. Der gesamte Erarbeitungsprozess des ISEK und dessen Einbettung in die MünsteZukünf- te wurde in Baustein A bereits beschrieben. Der Prozess der MünsterZukünfte wurde von Anfang an kommunikativ angelegt. Das wird unter anderem dadurch deutlich, dass • viele gesellschaftliche Gruppen im Beirat der MünsterZukünfte mitwirkenB; B der Beirat setzt sich zu wesentlichen Teilen aus dem Beirat Münster Marketing • die strategische Steuerung durch eine Lenkungsgruppe erfolgt, der Mitglieder der und dem Beirat »Modellprojekt Global Ratsfraktionen sowie der Verwaltungsvorstand angehören; Nachhaltige Kommune« zusammen. Hinzu kommen Akteure aus dem Beirat • von Anfang an alle Ressorts der Stadtverwaltung, die zu einem ISEK beitragen, im Bürgerhaushalt, aus dem Stadtsportbund und dem Landwirtschaftlichen Kreisver- Rahmen von Leitungskonferenzen bzw. themenbezogenen Werkstätten aktiv einge- band. bunden sind. Darüber hinaus wird insbesondere die Stadtbevölkerung in den verschiedenen Teilpro- zessen auf vielfältige Weise intensiv einbezogen: • Die Vielfalt der über 300 Initiativen, die beim Aufruf »Gutes Morgen Münster« sicht- bar wurden, machte bereits deutlich, an wie vielen Stellen in der Stadtgesellschaft bereits an Münsters Zukunft gearbeitet wird. • Die durchgeführten Stadtteilspaziergänge (Herbst 2017 sowie Frühjahr und Sommer 2018) helfen zu verstehen, welche Aktivitäten und Anliegen bedeutsam sind. • Auch die eher langfristig angelegte und zunächst eher abstrakt erscheinende Arbeit an Zukunftsszenarien stößt mit 16.000 Teilnehmenden auf großes Interesse.
Vorspann 5 Die Arbeit am ISEK stützt sich in ihrer ersten Phase (bis zum Sommer 2018) neben der Kooperation mit den bereits erwähnten Begleitgremien vor allem auf intensive Gesprä- che mit dem Verwaltungsvorstand, Mitgliedern der Ratsfraktionen, der Wissenschaft und Wirtschaft sowie mit Gruppen der verschiedensten gesellschaftlichen Bereiche. Diese folgenden Schlüsselpersoneninterviews sollen sicherstellen, dass alle für die zu- künftige Entwicklung der Stadt bedeutsamen Gesichtspunkte möglichst frühzeitig erfasst und im weiteren Prozess der Stadtentwicklung berücksichtigt werden. Parallel zu den Interviews wurden im Rahmen der städtischen Bürgerumfrage 2018 eben- C Die Ergebnisse der Bürgerumfrage falls Aspekte der Stadtentwicklung angesprochen.C Diese liefert ein breites Fundament, können online eingesehen werden unter www.stadt-muenster.de/stadtentwick- um die Interviewergebnisse weiter zu qualifizieren. lung/kommunale-umfragen.html Mit dieser Kombination von breit angelegter Befragung und thematisch vertiefenden In- terviews entsteht ein zugleich fundiertes und tiefenscharfes Bild der in der Stadtgesell- schaft vertretenen Gesichtspunkte. Das ist – neben der parallelen Aufarbeitung der vielen Pläne, Programme und Beschlüsse, die bereits Situationsanalysen, Aufgabenbestimmun- gen und Aussagen über die zukünftige Entwicklung beinhalten – eine solide und aussa- gekräftige Grundlage der weiteren Arbeit. Im Folgenden wird eine Querschnittsauswertung der insgesamt 46 Gespräche vorge- nommen, die sowohl als Einzel- bzw. Gruppengespräch sowie im Workshopformat durch- geführt wurden. Zum Verständnis der Ergebnisse sind einige kurze methodische Hinweise notwendig: • Die (ein- bis zweistündigen) Interviews und ein Teil der Gruppengespräche wurden leitfadengestützt (s. Anhang) durchgeführt und anhand von Tonbandaufzeichnungen und schriftlichen Notizen intern dokumentiert. • In den Gremien kamen Kartenabfragen zum Einsatz, deren Ergebnisse noch in den Sitzungen zurückgemeldet wurden. Sie fließen auch in die Auswertung ein. • Zwei Fragen bildeten in beiden Fällen die Ausgangspunkte: Was macht Münster at- traktiv, welche Qualitäten Münsters sollen erhalten und gestärkt werden? Welche Probleme und Gefährdungen werden gesehen, wo besteht Handlungsbedarf? Dabei konnte in den Interviews naheliegenderweise ein höheres Maß an Tiefenschärfe er- reicht werden als in den Kartenabfragen. • Das gesamte Material wurde ausdrücklich nicht personenbezogen ausgewertet. Die An- onymisierung wurde von Anfang an zugesichert, um eine möglichst offene Gesprächs- führung zu ermöglichen. Lediglich bei den Interviews wurde jeweils abschließend um ein Statement gebeten, das personenbezogen wiedergegeben werden kann – um so auch zu dokumentieren, wer in der Interviewserie vertreten war. Ein solches Vorgehen ist – anders als im Rahmen der Bürgerumfrage (über 2.200 Teil- nehmende) – nicht darauf ausgerichtet, »Häufigkeiten« von Nennungen zu ermitteln oder Mehrheits- und Minderheitsmeinungen zu unterscheiden. Es geht allein darum, ein mög- lichst umfassendes Spektrum von Gesichtspunkten – quer durch alle Interessens- und ge- sellschaftlichen Gruppen – zu erfassen, um sicherzustellen, dass auch sie neben den im engeren Sinne fachlichen Aspekten frühzeitig in die Arbeit einfließen.
6 ISEK Münster 2030 | Baustein B: Schlüsselpersonengespräche SZENARIO- EINE SZENARIOANALYSE FÜR DIE ANALYSE / ZUKUNFTSHORIZONTE 2030 / 2050 BÜRGER- UMFRAGE BÜRGERUMFRAGE (2018) STADTENTWICKLUNGS- INTEGRIERTES KONZEPT GRUND- SCHLÜSSEL- ENTWICKLUNG DER ERÖRTERUNG DER LAGEN- PERSONEN- LEITTHEMEN LEITTHEMEN ERMITTLUNG GESPRÄCHE Dokumentation BAUSTEIN A: BAUSTEIN B: BAUSTEIN C: BAUSTEIN D: ISEK- »Einführung und »Schlüssel- »Zehn Leitthemen »Die Stadtforen- Übersicht« personengespräche« für Münster« prozesse« GUTES ZUKUNFTS- WETTBEWERB: ZUKUNFT. ZUHAUSE. MORGEN SPAZIERGÄNGE VIELFALT MACHEN MÜNSTER MÜNSTER Abbildung 1: Prozessschema zu den drei Strängen der MünsterZukünfte
Prozessschema 7 FÜR BAUSTEIN A,B,C,D Leistbares Baulandprogramm, SoBoMü, Stärkung Vergabe Erbbau- Wohnen recht, Konzeptvergabe, Neue urbane Stadtquartiere ... Stadtverträgliche Masterplan Mobilität 2035+, S-Bahn Münsterland, Velo- Mobilität routen, Radverkehrskonzept 2.0 ... Vielfalt und sozialer Integrierte Handlungskonzepte (u.a. Soziale Stadt) für Zusammenhalt Kinderhaus-Brüningheide, Coerde, Berg Fidel ... Facetten ökono- Gewerbeflächenentwicklungskonzept, Standortentwicklungs- mischer Stärke strategie, Zukunftsquartiere für Wohnen und Arbeiten ... Digitalisierung Smart City Allianz, Smarte Quartiere Oxford und York, findet Stadt Smart Parking, WDR-Neubau ... Münster und Umsetzung MONT, Partnerschaft Enschede, Münster- seine Nachbarn land-Strategie, Umsetzung stadtregionaler Kontrakt ... Vielfalt der zahlreiche Stadtteilentwicklungskonzepte, Ausbau Quar- Stadtteile tiersmanagement, Stärkung Ortsteilmitten u. Dritte Orte ... Urbane Wissenschaftsstadt der Zukunft: Internat. Ideenwerkstatt, Wissensquartiere Masterplanung, Konkretisierung von Bauvorhaben ... Innenstadt Integriertes Handlungskonzept Innenstadt, Entwicklungen: ist mehr ... Martiniviertel / Hörster Parkplatz, Hafen, Schlossareal ... Münstersche Integrierte Freiflächen- und Siedlungsstrategie, Stadt-Landschaft Landwirtschaftsbeauftragte(r) ... BAUSTEIN E: WEITERFÜHRENDE SCHRITTE ... »Bilanz 2020: Räumliches Leitbild« #STADTSACHE
Ausgangspunkte, Perspektiven, Schwerpunkte – Eine zusammenfassende Auswertung von Gesprächen zur Stadtentwicklung Münsters Etwa 60 Stunden Gespräche, mehr als 100 Seiten Protokolle und Zusammenstellungen von Aussagen – dieser Ertrag der Schlüsselpersonen-, Gruppen- und Gremiengespräche fließt direkt in die inhaltliche Arbeit ein und findet dort seinen Niederschlag. Um aber die Viel- falt der Gesichtspunkte, Positionen und Anregungen, die sich im Rahmen dieser Gespräche ergaben, auch Interessierten über den Kreis der Bearbeiterinnen und Bearbeiter hinaus zu- gänglich zu machen, haben wir eine zusammenfassende Auswertung versucht. Es liegt auf der Hand, dass hier nur Grundlinien der Gespräche wiedergegeben werden können. Dabei haben wir insbesondere jene Aspekte betont, die deutliche Bezüge zum Integrierten Stadtent- wicklungskonzept – seinen Inhalten, seiner Erarbeitung, aber auch seiner möglichen Wir- kungen – aufweisen. Grundsätzlich ist bei den hier wiedergegebenen Ergebnissen zu beachten, dass sie • ausschließlich die Gesichts- oder Standpunkte der Interviewten zum Ausdruck bringen und keine Bewertung durch das Bearbeiterteam beinhalten; • lediglich einen Ausschnitt aus den zahlreichen Basisinformationen darstellen, die in die spätere Zusammenfassung der Ausgangs- und Eckpunkte für das ISEK Münster 2030 einfließen. Abbildung 2: Brandwand in Münster, Achtermannstraße 10 (Cuba)
Erste Assoziationen 9 Erste Assoziationen Zu Beginn der Einzelgespräche stand – sozusagen zum Anwärmen – ein kleines As- soziations-»Spiel«. Wir begannen Sätze, die wir die Interviewten zu vervollständigen baten. Hier geben wir nur einige zusammenfassenden Ergebnisse wieder (in den nachfolgenden Darstellungen der Aussagen zu Stärken und Schwächen werden zen- trale Aspekte ausführlicher behandelt): »BESONDERS GUT AN MÜNSTER GEFÄLLT MIR…« • Grün: Durchweg hervorgehoben wurde die Nähe zu einem ländlich geprägten Umland und die enge Verzahnung von gebauter Stadt und Freiraum. • Überschaubarkeit: Münster habe die »richtige Größe« verfüge über die »Vorteile einer Großstadt ohne deren Nachteile«, sei in ihrer Struktur übersichtlich etc. • die Fahrradstadt. • Mischung von Alt und Neu / Tradition und Moderne: Diese Feststellung bezog sich sowohl auf die städtebauliche Situation wie die Bevölkerungszusammenset- zung. Letzteres wird noch auf andere Weise unterstrichen: »die Lebendigkeit der Stadt« – befeuert durch die Studierenden der Hochschulen (»die ewige Jugend«) und die lebendige Kulturszene. Auch der Hinweis auf den »Mix aus Universi- tät, Moderne und gleichzeitig westfälischem, ländlichem Flair« verweist in diese Richtung. • Stadtgesellschaft: Die Offenheit wurde hervorgehoben, das umfassende und viel- gestaltige bürgerschaftliche Engagement, die »breite Vereinsstruktur«, aber auch die »Mischung von vielen Nationen in dieser Stadt«. • Geschichte der Stadt: Sie lasse sich nicht nur baulich ablesen, sondern präge auch den »Geist der Stadt« (z.B. Westfälischer Frieden) und vermittele »Demut«. Ein Aspekt taucht hier schon auf, der mit der ihm innewohnenden Ambivalenz im Folgenden noch vertieft behandelt wird: Unstrittig ist die »hohe Lebensqualität« der Stadt. Aber während die einen es positiv finden, dass diese Qualität »für alle« da sei, bestreiten andere eben dies: Man müsse sich »Münster leisten können«. Und das könnten eben nicht alle. Womit bereits die Brücke zu negativen Aspekten geschlagen ist: »NICHT GUT GEFÄLLT MIR…« »…der Mangel an preiswertem Wohnraum«, »…die Probleme am Wohnungsmarkt«… so lauteten oft die spontanen ersten Reaktionen. Sie wurden oft durch zusätzliche As- pekte erweitert – etwa der Hinweis auf die »Aufteilung von arm und reich« und eine zunehmende »soziale Polarisierung«. Auch Folgen der Immobilienpreisentwicklung wurden benannt: Sie führe dazu, dass mehr Menschen im Umland Wohnungen suchen (müssten) – und das verschärfe wiederum die ohnehin vor allem durch das Pendeln verursachten Verkehrsprobleme.
10 ISEK Münster 2030 | Baustein B: Schlüsselpersonengespräche Ein ganz anderer Themenkomplex wurde hier auch schon assoziiert: »Die mit der Zufriedenheit verbundene Trägheit« und »Behäbigkeit«, eine gewisse »Selbstgefällig- keit« der Münsteraner, geringe Veränderungsbereitschaft (»ist nicht einmal gefühlt vorhanden«) und »fehlender Wagemut«. Um das Spektrum der Assoziationen zu komplettieren: Auch das Stadion von Preu- ßen Münster fand hier Erwähnung – und die Notwendigkeit, an der aktuellen Situa- tion etwas zu ändern. »WENN ICH MENSCHEN, DIE MÜNSTER NOCH NICHT KENNEN, ERKLÄREN WILL, AUS WELCHER STADT ICH KOMME, ERWÄHNE ICH ZUERST…« Für die Außendarstellung eignen sich anscheinend Hinweise auf die »alte Stadt« mit Prinzipalmarkt und Dom, auf die (überschaubare) Größe, den Aasee, das »viele schö- ne Grün«, die Promenade, das ländliche Umfeld, die »Fahrradstadt«, die Universität mit ihren Studierenden, kurzum »die Lebendigkeit« und die Lebensqualität dieser Stadt. Man könne darauf verweisen, dass sie besonders lebenswert sei – »noch vor Köln oder Düsseldorf«. Und ein Gesprächspartner ergänzte mit Blick auf den Wohlstand in dieser Stadt, dass man Menschen im Ausland Münster auch als »Zürich Westfalens« beschreiben könne. »ZUM STICHWORT STADTENTWICKLUNGSKONZEPT MÜNSTER FÄLLT MIR EIN…« Pause. Das war die häufigste Reaktion. Tatsächlich schien eine gewisse Ratlosigkeit zu herrschen. Zumal anscheinend das Integrierte Stadtentwicklungskonzept als Be- standteil der »MünsterZukünfte« nur wenigen geläufig zu sein schien. Nach einer gewissen Bedenkzeit folgten dann aber auch durchaus einige Statements. Zumeist waren es kritische: »Die Stadt hat keinen Plan für die nächsten 15 Jahre«. Es gäbe zwar viele Einzelprogramme und -pläne, aber die Zusammenhänge würden nicht klar: »Da muss Münster noch viel tun… Es gibt viel Papier, aber das Integrieren- de fehlt«. Ganz ähnlich: »Es ist ja schön, dass in Münster so viele Pläne und Konzepte erarbeitet werden. Aber man verliert völlig den Überblick, was wo steht – und wie das alles zusammenhängt. Das einmal alles zusammenfassen, das wäre ein großer Gewinn« Es sei, so wurde gelegentlich gemutmaßt, ein für Münster typisches Phänomen: »viele Pläne, wenig Handeln«. Noch deutlicher zugespitzt: »Man kann sich ganz gut hinter solchen Zukunftsprozessen verstecken. Nach dem Motto: ›Wir machen doch was!‹« Zum Attribut »Integriert« gab es noch zwei anders gelagerte Hinweise. Mit dem ers- ten wurde auf empfundene Probleme inhaltlicher Zusammenführung aufmerksam gemacht: »Wir haben hier ganz handfeste Probleme, die Verwaltung bei Großvorha- ben koordiniert zu bekommen.« Der zweite verwies auf räumliche Aspekte integrierten Handelns: Man solle nicht (wie anscheinend häufig) nur auf die innere Stadt schauen, sondern unbedingt die Stadtteile, vor allem deren Zentren, in einer zusammenhängenden Betrachtung be- rücksichtigen.
Stärken, Qualitäten, Potenziale 11 Abschließend seien zwei spontane Antworten, die völlig verschiedene Richtungen aufweisen, genannt. Sie lauten: »Super! Punkt.« Und: »…dass dafür [für die Stadtent- wicklung] keine Flächen zur Verfügung stehen«. In diesem Spannungsfeld könnte die Arbeit im ISEK angesiedelt sein: Ein integrie- rendes Konzept wäre gut (wenn nicht »super«) – aber gibt es auch die Ressourcen (dabei geht es sicher nicht nur um Flächen) zur Umsetzung? Stärken, Qualitäten, Potenziale Was zu erhalten und zu entwickeln ist Wer Impulse für die Weiterentwicklung einer Stadt geben will, muss wissen, in wel- che Richtung sie wirken sollen. Dabei ist es von großer Bedeutung, worin bereits besondere Qualitäten und Stärken einer Stadt gesehen werden (die man in jedem Fall erhalten und wo möglich, stärker nutzen oder weiter stärken will) und wo besondere Defizite oder mögliche Gefährdungen gesehen werden. Hier zunächst die besonde- ren Qualitäten und Stärken der Stadt aus der Sicht unserer Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner. VIELFALT DER BILDUNGSANGEBOTE UND IHRE BEDEUTUNG FÜR DIE STADT Beim Stichwort Bildung liegt zunächst die Nennung der Universität nahe. Aber in verschiedenen Interviews wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass man nicht nur sie in den Blick nehmen müsse. Es sei die Vielfalt der Bildungslandschaft – von den verschiedenen Hochschulen bis hin zu den (Fach-)Schulen –, die für Münster besonders kennzeichnend und prägend sei. Der Hochschullandschaft verdanke man nicht nur die Lebendigkeit der Stadt (»ge- sunde Altersstruktur«, »immer wieder kommen junge Leute«), sondern auch Im- pulse für die Wirtschaft: »Dank der Hochschulen gibt es sehr innovativ aufgestellte Unternehmen«. Hervorgehoben wurde ein hohes Maß an Integration der Hochschulen in Stadtge- sellschaft und Stadtleben (Public Lectures, 2.000 Eingetragene beim »Studium im Alter« an der Universität). Diese lokale Wissenschaftskommunikation könne man so- gar noch verstärken hieß es. Ein Gesprächspartner hatte dazu gleich drei Vorschläge:
12 ISEK Münster 2030 | Baustein B: Schlüsselpersonengespräche • »Warum proben z.B. die Studentinnen und Studenten der Musikhochschule nicht in der Öffentlichkeit? Wäre doch schön – eine Straße für die Blechbläser, die Waldhornallee, Flötisten im Park und Geigerinnen am Hafen…« • »Jeder Studierende, der die Stadt verlässt, sollte einen Vorschlag machen, was für die Stadt in Zukunft gut ist…« • »…und man muss auch überlegen, wie sich die Institute der Universität stärker in der Stadt zeigen können«. Drei Äußerungen fassen zusammen, was in vielen weiteren Antworten enthalten war: »Ohne Hochschulen wäre Münster eine Stadt mit toller Vergangenheit, aber ohne Zukunft« und: »Die Hochschule ist das Elixier für die Stadt«. Und nicht zuletzt: »Wissenschaft und Lebensart – das gilt noch immer, wenn es um die besonderen Stärken dieser Stadt geht«. LEBENSQUALITÄT: DIE STADT UND IHRE MENSCHEN Es verwundert nicht, dass die Frage nach den Stärken Münsters häufig mit »besonde- re Lebensqualität« beantwortet wird. Gemeint ist damit ein Bündel von Merkmalen – an erster Stelle oft die Überschaubarkeit der Stadt (»kurze Wege«, »angenehme Größe«, »übersichtlich und persönlich«, »groß und klein genug«) in räumlicher wie in sozialer Hinsicht (»Wir kennen uns hier alle«). Zur Lebensqualität gehört ganz wesentlich auch die Wahrnehmung Münsters als »grüne Stadt« (wie oben bereits bei den ersten Assoziationen deutlich wurde). Das fand in fast allen Gesprächen Erwäh- nung. »Grün« war eindeutig die am häufigsten genannte Farbe. Und Kultur spielt als prägendes Element der Lebensqualität eine wichtige positive Rolle. Hervorgehoben wurden sowohl das umfassende kulturelle Angebot sowie die Vielfalt der kulturellen Szenen (»das Stadttheater auf der einen Seite, Hawerkamp auf der anderen«). Aber auch die schon erwähnten städtebaulichen Qualitäten, das bau- lich und sozial gemeinte Nebeneinander von Alt und Neu, die in mehrfacher Hinsicht attraktive Innenstadt etc. wurden erneut angesprochen. Nicht zu vergessen: Münster als Fahrradhauptstadt. Man komme »überall ohne Auto hin« wurde hervorgehoben. Das Rad sei sogar »ein kulturstiftendes Element. An der Ampel entsteht schon mal ein netter Kontakt«. Auffallend aber war, dass zur Lebensqualität ganz wesentlich die Menschen in der Stadt selbst beizutragen scheinen. Das »soziale Klima« wurde mehrfach erwähnt, der offene Umgang mit Fremden, die Aufmerksamkeit für soziale Diskrepanzen (»Resili- enz auch in sozialer Hinsicht«) und die Tatsache, dass die Menschen in Münster »in der Lage sind, zwischen Geld und Wert zu unterscheiden«. Ganz wesentlich sei, dass es hier »Bürger-Stolz« (auf die Stadt) und »Liebe zur Stadt« gäbe. Man verstehe sich noch als Gemeinschaft, die Stadtgesellschaft sei nicht »durchparzelliert«, man könne hier »wirklich noch von einem Gemeinwesen« sprechen.
Stärken, Qualitäten, Potenziale 13 In einem Atemzug mit solchen Feststellungen wurde stets das besondere bürger- schaftliche Engagement, das große Interesse der Bürgerinnen und Bürger an den An- gelegenheiten ihrer Stadt und das Know-How, das zumal vom akademisch geschul- ten Bildungsbürgertum eingebracht werde. Eine derart »engagierte Bürgerschaft ist schon etwas Besonderes« wurde festgestellt und – mit einem Augenzwinkern – hin- zugefügt: »aber auch anstrengend«. Die vielen Facetten dieses Engagements werden durchweg sowohl als Stärke wie auch als Ressource bzw. Potenzial für zukünftige Entwicklungen angesehen. Als solche wünschbare Weiterentwicklung wurde insbesondere die Einbeziehung der Stadtteile und ihrer Bevölkerung – »auch Kinderhaus, Coerde, Berg Fidel« – gesehen. Es gelte, sie »mitzudenken und einzubeziehen«: »Nicht nur innerhalb des Promenadenrings denken«, hieß es. »Münster ist real größer«. Auch im Bereich von »Migration und Integration ist noch viel mehr möglich«. WACHSTUM ALS CHANCE Von einigen zweifelnden Stimmen abgesehen (»müssen wir denn wirklich – so stark – wachsen«?) wurde die aktuelle Dynamik in der Stadtentwicklung als Chance gese- hen – etwa »für eine menschen- und umweltverträgliche Entwicklung«. Allerdings, so wurde von anderer Seite mahnend hinzugefügt: »Es braucht jedoch eine sozial- verträgliche Entwicklung, die sich mit der vorhandenen Struktur vereinbaren lässt«. Gelänge dies, hätte Münster die Chance »Vorreiter zu sein für eine andere Stadtent- wicklung und den anderen Städten zu zeigen, dass es auch anders geht.« WIRTSCHAFT Die Wirtschaft der Stadt sei »gut aufgestellt«, hieß es. Sie sei stabil, ein »Tausend- füßler«, dem Strukturprobleme einzelner Branchen nicht allzuviel anhaben können. Einer solchen Sichtweise wurde aber durchaus auch widersprochen (dazu mehr unter »Schwächen«). Unwidersprochen blieb hingegen die Feststellung, dass der Einzel- handel (gemeint vor allem: In der Innenstadt) ein »großes Alleinstellungsmerkmal« sei. Einkaufen in Münster werde »als Erlebnis angesehen«. In allen Bereichen des wirtschaftlichen Lebens werden aber noch Potenziale – und Handlungsbedarf, der aus sich wandelnden Rahmenbedingungen resultiert (s.u.) – gesehen. Besonders eine Intensivierung der Vernetzung von Hochschulen und Wirtschaft sei anzustreben. Die Entwicklungen im Hafenbereich könnten zudem Impulsgeber für und Ausdruck von Konzepten modernen Arbeitens sein. Wenn das Gespräch auf Wirtschaftsthemen kam, wurde die Landwirtschaft, obwohl sie große Teile des Stadtgebietes Münster prägt, nur sehr selten erwähnt. Wenn doch, wurde deutlich, dass hier möglicherweise ein Umdenken erforderlich ist. So hieß es: »Die Münsteraner Kulturlandschaft funktioniert nur mit einer aktiven Landwirtschaft.« Und: »Die Landwirtschaft ist durchaus ein wichtiger Wirtschaftsfak-
14 ISEK Münster 2030 | Baustein B: Schlüsselpersonengespräche tor für Münster«. Bezogen auf das gesamte Münsterland sei »etwa jeder 8. Arbeitneh- mer direkt oder indirekt in der Landwirtschaft tätig«. Das werde aber vielfach nicht gesehen: »Spricht man mit der Politik über die Landwirtschaft, so geht es um Umwelt und ähnliches. Aspekte wie Ernährungssicherheit, Arbeitskraft und Wirtschaft spie- len keine Rolle. Die Landwirtschaft ist in Münster zu selbstverständlich, wir würden ja auch satt, selbst wenn es sie nicht gäbe.« Letztlich fehle es an einem »Diskurs mit der Landwirtschaft«.A A weitere Ausführungen wirtschaftlicher Themen folgen auf S. 20 Schwächen, Probleme, Risiken Wo Veränderungsbedarf gesehen wird Wie schon zuvor bei der Frage, was an Münster nicht gefalle, gab es auch hier häufig zunächst längere Denkpausen. Damit wird bereits erkennbar, was sich in der Fol- ge bei der Auseinandersetzung mit Problemen und Schwächen wieder zeigt: Von »wirklichen Problemen« mögen viele – zumal im Vergleich mit anderen Städten – bei Münster nicht sprechen. »Wir können uns glücklich schätzen, vor welchen Her- ausforderungen wir stehen, denn wir können hier wirklich gestalten. Wir haben die Ressourcen, wir haben das Know-how und wir haben auch das Geld dafür (…). Wir unterhalten uns hier manchmal über Probleme, wo andere Kommunen glücklich wä- ren, wenn sie diese Probleme hätten«. Dennoch wurden auch hier Aspekte benannt. Es handelt sich dabei fast durchgängig um Schattenseiten der zuvor genannten Stärken – und darum, dass diese negativen Aspekte nicht angemessen wahrgenommen würden: ÜBERHITZTER IMMOBILIENMARKT, MANGEL AN WOHNRAUM – PROBLEME MIT FOLGEN Die Stadt Münster ist sehr attraktiv, zieht viele Menschen an, die hier wohnen wollen. Das ist zweifellos eine Stärke. Aber sie hat sehr deutliche Schattenseiten. Der Nach- fragedruck lässt die Immobilienpreise steigen. Und da nicht nur Menschen die Stadt suchen, sondern auch Kapital, das den Immobilienmarkt als Anlagesphäre sucht, nach Münster strömt, hat sich in den letzten Jahren offensichtlich ein erheblicher Druck mit entsprechenden Folgen aufgebaut: Die Grundstückspreise seien, so hieß es, »in sechs Jahren um 60-70% gestiegen«. Selbst im Umland wirke sich das aus – so etwa in Telgte, wo sich die Bodenrichtwerte binnen 10 Jahren verdoppelt hätten. Die Folgen machen sich vor allem am Wohnungsmarkt bemerkbar: Inzwischen wür- den rund 10.000 Wohnungen fehlen, »davon etwa 5.000 Sozialwohnungen«, hieß es. Mieterinnen und Mieter müssen immer höhere Mieten zahlen, was die mit niedrigem
Schwächen, Probleme, Risiken 15 Einkommen besonders belaste: »Wer eine Wohnung hat, zieht nicht aus, wer keine hat, findet kaum bezahlbare«. Für niedrige Einkommensgruppen wirkt sich zudem das Auslaufen von Bindungen vormals öffentlich geförderter Wohnungen ebenso ne- gativ aus wie Umwandlungen von Miet- in Eigentumswohnungen. »Da geht sehr viel mehr verloren als neu gebaut wird«, wurde festgestellt und von anderer Seite ergänzt: »es findet nachweislich ein Abbau von Sozialwohnungen« statt. Die nahe liegende Folgerung, nicht nur mit großem Aufwand neu zu bauen, son- dern auch negative Entwicklungen im Bestand zu unterbinden oder zumindest zu verlangsamen, sei politisch nicht gewollt, hieß es. Das führt gelegentlich zu bitteren Formulierungen – etwa dass »›Stadt für alle‹ doch nur ein Lippenbekenntnis« sei. Außerdem wird darauf hingewiesen, dass manche Mietergruppen diskriminiert wür- den: »Hartz IV-Empfänger werden bei der Wohnungssuche oft stigmatisiert, ebenso wie Migranten. In einer Umfrage kam heraus: 56% der Deutschen mögen keine Mi- granten, 57% keine Hartz IV-Empfänger. Die Leute treffen auf viel Rassismus und Vorurteile und finden deshalb keine Wohnung«. Einigkeit besteht darin, dass man die am Wohnungsmarkt heraufziehenden Proble- me lange übersehen habe: »Ich wohne seit 30 Jahren in Münster, und es gab nie einen entspannten Wohnungsmarkt«… »Vor zehn Jahren hat man noch auf Schrumpfen gesetzt«, … »obwohl es schon warnende Hinweise gab«. Jetzt »läuft man der Musik nur noch hinterher«: »Wir haben vor zehn Jahren politisch nicht erkannt, was auf uns zukommt. Es gab falsche Prognosen, so dass wir nun nicht vorbereitet sind und nichts in der Hand haben außer dem Versprechen ›In den nächsten Jahren wird sich groß was tun‹«. Aber, auch das wurde betont, es »bringt jetzt nichts, wenn man ›hätte, hätte‹ sagt. Es kommt darauf an, jetzt das Notwendige zu tun«. Ob das (bereits) der Fall ist, wurde aber gelegentlich in Zweifel gezogen. Folgen der aktuellen Problemlage seien aber schon deutlich sichtbar und es bestünde die Gefahr, dass sie sich weiter verschärfen. So drohe eine weitere Konzentration einkommensschwacher Haushalte in wenigen Stadtteilen: »Wenn in Brüningheide vor 7 Jahren noch 200 Wohnungen leer standen, sind nun 1000 Leute auf der Warteliste. Und es ist egal, in welchem Zustand die Wohnungen sind, denn in Münster ist es total schwer, überhaupt eine Wohnung zu finden«. Zudem seien Gentrifizierungstendenzen in verschiedenen Stadtteilen zu beobachten (»Südviertel, Hansaviertel… das Kreuzviertel ist schon ›durch‹«) und mit ihnen die Gefahr der Verdrängung und Homogenisierung der Bevölkerungsstruktur (»das ist dann längst nicht mehr so bunt wie vorher«). Von großer Bedeutung sei auch die Tatsache, dass »viele Menschen außerhalb leben müssen, damit die Balance der Ausgaben zum Wohnen und Leben noch stimmt«: »Sie ziehen immer weiter aus der Stadt heraus, weil sie sich die Stadt nicht mehr
16 ISEK Münster 2030 | Baustein B: Schlüsselpersonengespräche leisten können.« Und: »Ich würde den Normalbürger – denjenigen, der ein Normal- einkommen hat – inzwischen in Teilen vor den Toren der Stadt sehen«. Diese Feststellung bezog sich vor allem auf diejenigen, die preiswerten Mietwohn- raum suchen. Aber es wurde auch darauf hingewiesen, dass Ähnliches für mittle- re Einkommensgruppen gilt, die Wohneigentum in Form von Einfamilienhäusern bilden wollen. Auch sie wichen in die Region aus, wo das Bauland für sie noch er- schwinglich sei. Dieses Ausweichen in die Region kann mehrere Folgen haben. Auf zwei wurden wir besonders hingewiesen: • »Das erzeugt immer mehr Verkehr. Und die Pendler verursachen schon jetzt die meisten Verkehrsprobleme«. • Der »Klebeeffekt« Münsters könne abreißen, wenn sich Menschen weiter ins Umland bewegten (»der Radius wird immer größer«) und sich dann langfristig auch nach Arbeitsplätzen umschauten: »Mitarbeiter, die einmal weggezogen sind, nehmen dann über kurz oder lang auch einen Job außerhalb von Münster an«. Dieser letzte Aspekt verweist auf eine Problematik, die schon jetzt sichtbar wird, sich aber weiter zu verschärfen scheint: Arbeitskräfte in den unteren Einkommensgrup- pen werden zum Engpassfaktor in vielen Bereichen. Denn: »Sie können sich diese Stadt einfach nicht mehr leisten«. Darüber klagen Wirtschaftsunternehmen ebenso wie Hochschulen und Kliniken. Gerade bei Arbeitskräften, »die möglichst nahe an ihrem Einsatzort wohnen« sollten, sei das besonders problematisch. »Ein Beispiel ist die Feuerwehr in Hiltrup, deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter früher in einem Umkreis von 500 Metern wohnten, um schnell zu den Einsätzen zu kommen. Inzwi- schen wohnen die in Rinkerode und haben viel zu lange Anfahrtswege«. Aber auch alle anderen, die nur mit großem Pendelaufwand in Münster arbeiten könnten, ließen sich zunehmend schwerer gewinnen. Verbunden mit dem ohnehin steigenden Fachkräftemangel bilde sich hier ein »negativer Standortfaktor« heraus. Zusammenfassend wurde das Problem so umrissen: »Das große Risiko ist, dass die- jenigen, die hier arbeiten, keine Chance haben, hier auch zu wohnen.« Auch Studierende seien immer stärker davon betroffen – verstärkten aber gleichzei- tig den Effekt der Mietpreissteigerung, da »diese Gruppe der Wohnungssuchenden generell bereit ist, pro Quadratmeter mehr Geld zu zahlen.« »Selbst für Juniorprofes- soren wird es zunehmend schwieriger, hieß es.« Inzwischen, so wurde berichtet, suchten Unternehmen Wohnungen für ihre Mitar- beiterinnen und Mitarbeiter – »auf der Jagd nach jungen Talenten«. Immobilienpreise können aber auch außerhalb des Wohnungssektors Probleme er- zeugen. In diesem Zusammenhang wurden etwa »Initiativen und Start-ups« ange- sprochen, »die noch etwas ›wackelig aufgestellt‹« (also wirtschaftlich noch nicht trag- fähig) sind. Die könnten sich vielfach Grundstücke oder Räume nicht leisten – und »entstehen gar nicht erst, oder wandern ab.«
Schwächen, Probleme, Risiken 17 Angesichts dieser Engpässe liegt die Folgerung nahe, dass in großem Umfang, neue Siedlungsflächen erschlossen und vorhandene nachverdichtet werden. Hier wird al- lerdings vor vorschnellem Handeln gewarnt: So seien die landwirtschaftlichen Flä- chen keine Verfügungsmasse, sondern Lebensgrundlage vieler Landwirte. Vor allem aber könne zusätzliche Flächeninanspruchnahme Umwelt-, Freiraum- und Freizeit- qualitäten gefährden – und Nachverdichtung die Wohnqualität an einzelnen Stand- orten beeinträchtigen. Der Umgang mit den sich hier eröffnenden Zielkonflikten sei also von besonderer Bedeutung für die zukünftige Stadtentwicklung. SOZIALE POLARISIERUNG? Oft waren es vor allem soziale Diskrepanzen, die »größer werdende Schere« zwischen Arm und Reich, der »starke soziale Kontrast«, die bei der Frage nach den Schwächen erwähnt, dann aber vor allem am Beispiel der Probleme am Wohnungsmarkt behan- delt wurden. Aber die soziale Lage der finanziell schwächer Gestellten wurde auch unabhängig von den Wohnungsproblemen thematisiert. So hieß es etwa: Man fühle sich in Münster auf einer »Insel der Glückseligen« – und die meisten könnten sich nicht vorstellen, dass es auch »Lagen jenseits des Prinzipalmarktes gibt, wo Menschen mit sieben Kindern in drei Zimmern leben«. »Es gibt viel Bedürftigkeit in Münster und es kann gut sein, dass sich das für die Menschen in Münster noch stigmatisierter anfühlt«. Allerdings sei das kein Thema, das öffentlich in der Stadt diskutiert werde, und nur wenig Beachtung finde. Mit Blick auf Migration und Integration (bzw. »migrationsgesellschaftlicher Öff- nung«) wurde auch festgestellt, dass es zwar auf der einen Seite erhebliches ehren- amtliches Engagement vieler Menschen gebe, aber das sei vor allem karitativer Art. Zugleich seien nach wie vor Diskriminierungen und auch Formen des Rassismus auf dem Arbeits- und Wohnungsmarkt zu beobachten. »Die Herausforderung besteht darin, nicht ›Wir und die Anderen‹, sondern ›Wir‹ zu denken – aber da sind wir noch nicht«. Wer die Situation für die Betroffenen verbessern wolle, müsse zudem bereits in Kitas und Grundschulen (»offene Ganztagsangebote«, »U3 Betreuung«) bei Kindern wie Eltern ansetzen. Hier gibt es offensichtlich intensive Bemühungen aber auch »noch viel Luft nach oben« (etwa Übergang Grundschule zu weiterbildenden Schulen).
Eine Seite Einseitigkeiten: Steile Thesen, deutliche Kritik, starke Meinungen In den Gesprächen ging es nicht immer ausgewogen und zurückhaltend zu. Das sollte es auch nicht. Gefragt waren offene Worte und klare Kanten. Einige dieser Äußerungen geben wir hier wieder. Zum Teil sind sie etwas verändert, um Rückschlüsse auf die Personen zu vermeiden. Aber das eigentlich Gemeinte blieb unverändert… »Münster? … »Durchsaturiert und akademisch…«, … »lauter Erdkundelehrer« … »Puppenstube« … »auf Prinzipalmarkt-Gemütlichkeit reduziert« … »closed« … »eingedickt« … »Insel der Glückseligen« … »müsste mal durchgelüftet werden«. »Man spiegelt sich im Aasee so lange und findet sich so schön, bis man selber rein fällt« »Grundsätzlich hätte die Stadt das Potenzial als lebendig, modern und vital wahrge- nommen zu werden« »Hier gibt es sehr viele, die nicht einmal glauben, dass es auch in Münster Menschen gibt, deren Lebensqualität davon abhängt, ob man zehn Euro mehr oder weniger hat«… »… ach, die wissen doch nicht, wie es außerhalb der eigenen Käseglocke zugeht« »Münster muss man sich leisten können« »Qualität hat ihren Preis« »Die sind doch stolz darauf, dass Münster teuer ist« »Wer sich Münster nicht leisten kann, muss halt weiter weg ziehen« »Die Frage, wo das Geld herkommen soll, das wir hier mit vollen Händen ausgeben, wird viel zu selten gestellt«. »Dass das Wohl einer Stadt von der Stärke ihrer Wirtschaft, abhängt, wird geflissent- lich übersehen«. »Wer glaubt, Wirtschaftsförderung nur in Quadratmetern denken zu können, hat nicht verstanden, auf was es heute ankommt«. »Man kann sich hinter einem Prozess wie ›MünsterZukünfte‹ ganz gut verstecken« »Immer nur Pläne, Pläne, Pläne… wie wäre es mal mit Handeln?«
Schwächen, Probleme, Risiken 19 INFRASTRUKTUR: ERREICHBARKEIT, INNERSTÄDTISCHE MOBILITÄT UND ÜBER- LASTETE EINRICHTUNGEN Die großräumige Einbindung Münsters wird, so wurde uns mehrfach mitgeteilt, als unzureichend eingeschätzt. Die Flughafensituation sei nicht gut (»wir treffen uns mit unseren internationalen Kooperanden inzwischen häufiger am Düsseldorfer Flugha- fen«), die ICE-Anbindung unzureichend und auch an manchen Straßenverbindun- gen fehle es. Als »Belastung im Alltag« wurde die städtische und regionale Verkehrssituation be- schrieben. Die Klagen bezogen sich dabei sowohl auf den Öffentlichen Nahverkehr wie auf die Situation des motorisierten Individualverkehrs (»zumindest in den Stoß- zeiten«). Dabei wurde die Meinung vertreten, dass dieses Mobilitätsproblem »weniger durch die Münsteraner Bürgerinnen und Bürger entsteht, sondern vor allem durch die Pendler, die rein und raus wollen. Das ist das eigentliche Mobilitätsproblem«. Auf letzteren bezogen wurde etwa festgestellt, dass die »Stadtstruktur nicht mehr Individualverkehr verträgt«. Zugleich aber wurde – mit Blick auf die Parkhäuser in der Innenstadt – von anderer Seite festgestellt, man dürfe »die Stadt nicht gegen Be- sucherverkehre abschließen«. Vor allem die Pendlerverkehre (s.o.) wurden allerdings als wesentliche Problemver- ursacher angesehen. Hierauf bezog sich auch die Konsequenz »Wir müssen den Ver- kehr umstellen«. Aber, so hieß es zugleich, auch die Angebote auf der Schiene und mit dem Bus seien schon voll »die Leute nehmen den ÖPNV schon in Anspruch. Aber es reicht nicht«. »Es ist einfach ein Ausbau nötig. Ein ÖPNV, der dem Wachstum nicht standhält«, werde, so hieß es u.a., zu einem »Risikofaktor in der Zukunft.« Hier sei inzwischen »vieles am Anschlag« – was auch auf sonstige Infrastrukturen (etwa bei Sportflächen und kulturellen Einrichtungen bezogen wurde). Zumal sei die Kinderbetreuung »nicht dementsprechend ausgebaut, dass Alleinerziehende dem Arbeitsmarkt flexibel gegenüber stehen können«. Ein besonderes Kapitel stellt der Radverkehr dar. Man ist allseits noch stolz darauf, einmal Radverkehrshauptstadt gewesen zu sein und schätzt weiterhin das Rad als wesentliches Verkehrsmittel. Aber, so hieß es, man habe sich »zu sehr auf den Lor- beeren ausgeruht« und nicht auf dem einmal eingeschlagenen Weg weiter gemacht. Die »Weiterentwicklung des Radverkehrs« sei »vernachlässigt worden«. Es reiche eben nicht »ein paar Straßen rot anzumalen«, sondern es bedürfe einer modernen Radverkehrsstrategie (»die sich auch an den Erfahrungen des Auslands« orientiere). Wesentlich sei auch, dass sich inzwischen mit E-Bikes, Pedelecs etc. der Radverkehr selbst sehr verändert habe, was neue Antworten notwendig mache. Zudem wurde auch auf Probleme hingewiesen, die mit dem starken Radverkehr ver- bunden seien. Zum Beispiel: • Hohe Geschwindigkeiten bringen für Kinder und Ältere »Unsicherheiten auf den Radwegen« mit sich. »Das Klima auf der Promenade ist im Laufe der Zeit hekti-
20 ISEK Münster 2030 | Baustein B: Schlüsselpersonengespräche scher, voller und schneller geworden«. • Die (fehlenden oder überlasteten) Abstellflächen für Fahrräder seien ein Problem und führten auch zu Gefahren für Fußgänger. • Verkehrsströme und ein antiquiertes Ampelsystem mit ungünstigen Verkehrs- flüssen seien ebenfalls Anlässe, beim Thema Radverkehr weiter zu kommen. WIRTSCHAFT Deutlich war die Klage zu vernehmen, dass die Wirtschaft in allen ihren Zweigen – von der Produktion über den Handel, die Dienstleistungen bis hin zum Handwerk – »ent- weder gleich übersehen oder gering geschätzt bzw. als selbstverständlich angesehen« werde: »Münster wirbt mit ›Wissenschaft und Lebensart‹. Der Begriff der Wirtschaft fehlt dabei«. Aber das Geld, das man für Wissenschaft und Lebensart ausgebe, so hieß es, »muss ja auch erst einmal verdient werden«. Das aber entgehe der »bürgerlichen Wahrnehmung« (oder »akademischen Orientierung«, wie es auch genannt wurde): »Ob es der Wirtschaft gut geht oder nicht, spielt keine Rolle, das Leben geht weiter – selbst wenn ein großes Unternehmen einmal wegfallen würde. Daher werden in Münster viele Entscheidungen ohne wirtschaftliche Betrachtung getroffen«. Auch bei der Bildung gelte die »akademische Ausbildung als Lebensglück«. Andere Berufswege sollten aber, so die Forderung »als gleichwertig angesehen« werden. Da- bei sei es gar nicht selbstverständlich, dass es der Wirtschaft in Münster weiterhin gut gehe. Im Gegensatz zur These vom »Tausendfüßler« wurde in diesem Zusam- menhang betont, dass Münster eher »monostrukturiert« sei: »Es gibt die Banken, Versicherungen – aber das ist nicht die gesamte Breite der Wirtschaft. Der Bereich der Chemie ist in der Wahrnehmung nicht verankert. Und der gesamte produzieren- de Bereich ist unterentwickelt«. Es mangele an einer »gespreizten Arbeitgebersze- ne«, um ausreichend stabil zu sein – und zum Beispiel auch, um »Absolventen der Hochschulen Arbeitsplätze anbieten« zu können. Zudem seien sich abzeichnende Entwicklungen – etwa die Digitalisierung und der Fachkräftemangel – Risikofakto- ren für die Wirtschaft, deren Bedeutung ebenfalls nicht angemessen wahrgenommen werde: »Wenn eine Versicherung einen Schnupfen kriegt, dann kriegen wir schnell eine Lungenentzündung«. Und: »Sollten die Versicherungen oder das Bankenwesen in eine wirtschaftliche Schieflage geraten, mit der Folge eines deutlichen Einnahme- verlustes, würde das für unsere Stadt große Probleme bringen können«. Derzeit sei man zudem auch technisch noch nicht gut für zukünftige Herausforderun- gen gerüstet: Nur 11% der Gewerbeflächen seien an ein Breitband-Netz angeschlos- sen. Was die Flächenreserven selbst betrifft, so sah man aktuell »die vorhandenen Flächen volllaufen« und mittelfristig durchaus Bedarf. Allerdings dürfe sich, so laute- te eine kritische Seitenbemerkung, Wirtschaftsförderung nicht darin erschöpfen, Flä- che bereitzustellen. Ein besonderes Augenmerk galt auch dem Einzelhandel. Dessen Strukturwandel trage möglicherweise sowohl zur Gefährdung der Versorgungslage in
Schwächen, Probleme, Risiken 21 den Stadtteilen wie auch zu einer Veränderung des Angebots in der Innenstadt (»nur noch exklusiv«) bei. »SELBSTKRITISCHE BEFINDLICHKEITEN« Bei all dem reflektierten die Interviewpartnerinnen und Interviewpartner, von denen viele einflussreiche Positionen besetzen, ihre Aussagen und auch ihre eigene Rolle kritisch: »Ich sehe mich in einem persönlichen und beruflichen Zwiespalt. Persönlich will ich auch nicht, dass sich etwas ändert, beruflich weiß ich aber, dass es sein muss«. So fasste einer unserer Gesprächspartner eine Situation zusammen, die kennzeich- nend zu sein scheint für weite Teile der Stadtgesellschaft. Sie sei »selbstgenügsam«, »saturiert« und sehe »keinen Veränderungsbedarf«, hieß es selbstkritisch: »Alles ist so schön, und das soll auch so bleiben«, laute die Maxime. Von der »Insel der Glück- seligen«, einer »Käseglocke«, in der man lebe, war die Rede und »fehlender frischer Wind« wurde beklagt. »Es fehlt an innovativen Ideen – und der gefühlten Notwendig- keit, danach zu suchen«. Letztlich müsse »die Stadt aufpassen, dass sie nicht in eine Saturiertheit und Selbstgefälligkeit verfällt«. Manche sahen das als Schattenseiten des Wohlstands und der »Akademisierung« an, die zu blinden Flecken in der Wahrneh- mung führten. So würden mögliche Strukturprobleme in der wirtschaftlichen Basis der Stadt ebensowenig beachtet wie die sozialen Probleme großer Gruppen. Hinsichtlich des letztgenannten Aspekts wird zwar festgestellt, dass es eine »gewisse Sensibilisierung« gegeben habe, aber die tatsächliche Situation vieler Menschen in der Stadt werde dennoch vielfach ignoriert. Das gelte nicht nur für Familien mit vie- len Kindern (und geringem Einkommen) oder alte Menschen, die unter Altersarmut leiden, sondern z.B. auch für alleinerziehende Frauen, die im Alltag – sei es im Beruf, sei es in den Stadträumen (beklagt wurde z.B. die Reduzierung nicht-kommerzieller Aufenthaltsmöglichkeiten in öffentlichen Räumen) – immer noch viele Hürden zu überwinden hätten. Erneut wurde auch das »Prinzipalmarkt- oder Promenadenden- ken« kritisiert. Oder, so ein etwas anderes Bild: »Entschieden wird auf dem Fahrrad auf dem Weg von Handorf zum Prinzipalmarkt«. Man müsse aber auch die (sehr verschiedenen) Stadtteile in den Blick nehmen und die Stadt als Ganzes betrachten. Die oben bereits erwähnte Kritik an »zu viel Plänen« (denen zu wenig Handeln ge- genüber stehe) bedarf noch einer ergänzenden Anmerkung: Auf unsere Frage nach wichtigen Planungen und Beschlüssen, die Ausgangspunkte weiteren Planens und Handelns sein sollten, erhielten wir zumeist keine oder nur auf eigene Handlungsfel- der begrenzte Hinweise. Es wird also zu prüfen sein, ob die vermeintliche Plan- und Programmflut tatsächlich existiert. Falls ja, wäre die Unkenntnis – bei gleichzeitiger Kritik – bedenkenswert. Denjenigen, denen an Veränderung gelegen ist, »fehlt es klar an politischer Füh- rung«. Man müsse »mutig sagen: Wir machen das jetzt – auch wenn ich nachher
22 ISEK Münster 2030 | Baustein B: Schlüsselpersonengespräche nicht wieder gewählt werde – daran fehlt es.« »Ein enger Kern hervorragend vernetz- ter Leute« präge das, »was in Münster geschieht«, wurde angemerkt. Weil dies »so closed« sei, müsse auch hier frischer Wind hinein. Hingegen kämen die, »die sich nicht artikulieren können, in der Stadt nicht vor. Sie werden auch nicht vertreten und sie haben keine Lobby«. Ein kritischer Seitenblick richtete sich auch auf die kommu- nale Finanzsituation: Einige hätten anscheinend den Eindruck, sie sei unerschöpf- lich. Aber das sei keinesfalls so. Wenn auch »in Zukunft kommunale Zielsetzungen selbstbestimmt umgesetzt werden sollen, dann darf Münster nicht in die Haushalts- sicherung kommen«. Das mache einen sorgfältigen Umgang mit den kommunalen Finanzen notwendig. Als Zusammenfassung können folgende Äußerungen angesehen werden: • »Andere wären froh, wenn sie die Probleme Münsters hätten« – womit zum Aus- druck gebracht wurde, dass vergleichbar große Städte schärfere Herausforderun- gen bei schlechterer Ausgangssituation zu bewältigen hätten. Aber: • Keinesfalls dürfe man sich »in westfälischer Gemütlichkeit einrichten«. In der Vergangenheit habe man auf diese Weise wichtige Herausforderungen, die durchaus absehbar gewesen seien, »verschlafen« und zu spät gehandelt. Nach vorne gewandt müsse das heißen: Ein großes Risiko bestehe darin, jetzt erkenn- bare Veränderungsbedarfe nicht rechtzeitig anzugehen. Die Bedeutung der Region für Münster – und die Bedeutung Münsters in der Region Welche Bedeutung interkommunale Kooperation hat Bei keinem Thema, das in den Interviews angesprochen wurde, herrschte so große Einigkeit wie bei diesem: »Die umliegenden Gemeinden sind unersetzbare Partner der Stadt«, »Nur im Schulterschluss mit dem Umland kann die zukünftige Entwick- lung erfolgreich gestaltet werden.« »Die Stadt kann nicht ohne die Region gedacht werden« – und die Region nicht ohne die Stadt. So und ähnlich lauteten viele An- merkungen zu diesem Thema. Konkreten Kooperationsbedarf sah man bei der regi- onalen Siedlungsflächenentwicklung – und zwar sowohl für Wohnen wie für Gewer- be. »Wenn innerstädtisch die Flächen nicht ausreichen, wird es darauf hinauslaufen müssen, regional zu denken und zu arbeiten«. Das müsse aber eng verknüpft werden mit Fragen der Mobilität. Genannt wurden vor allem der öffentliche Verkehr (»Bahn- anbindungen«) und Velorouten: »Man kann bei der Erreichbarkeit nicht nur auf das Auto setzen«. Weitere Kooperationsfelder werden auch in der regionalen Bildungsland- schaft gesehen.
Sie können auch lesen