ISEK MÜNSTER 2030 Baustein B: Schlüsselpersonengespräche

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ISEK MÜNSTER 2030 Baustein B: Schlüsselpersonengespräche
Anlage 3 B zur Vorlage V/0487/2021

                  Dezernat für Planung, Bau und Wirtschaft

                  Integriertes Stadtentwicklungskonzept
                  Münster 2030

ISEK MÜNSTER 2030
Baustein B:
Schlüsselpersonengespräche
ISEK MÜNSTER 2030 Baustein B: Schlüsselpersonengespräche
Impressum

AUFTRAGGEBERIN

Stadt Münster
vertreten durch
Dezernat für Planung, Bau und Wirtschaft
Stadtbaurat Robin Denstorff

Stadtplanungsamt
Stabsstelle »Strategische Stadtentwicklung, Wissenschaftsstadt«
Albersloher Weg 33
48155 Münster
Ansprechpartner: Prof. Dr. Thomas Hauff, Marc Gottwald-Kobras

Münster Marketing
Wissenschaftsbüro, Projektbüro MünsterZukünfte 20 | 30 | 50
Klemensstraße 10
48143 Münster
Ansprechpartner: Dr. Matthias Schmidt, Dominik Czeppel

Weiterführende Informationen: www.stadt-muenster.de/zukuenfte und
www.zukunft-muenster.de

EXTERNES PLANUNGSTEAM

scheuvens + wachten plus
Friedenstraße 18
44139 Dortmund

NetzwerkStadt GmbH
Auf dem Hilf 50
58239 Schwerte

M.Sc. Ronja Decker
Dipl.-Ing. Daniela Gaspar
M.Sc. Susann Hollbach
B.A. Christoph Schökel
Prof. Dr.-Ing. Klaus Selle
Prof. Kunibert Wachten
unter Mitwirkung von Dr. Sarah Ginski

Münster/Dortmund/Schwerte, Juli 2018
ISEK MÜNSTER 2030 Baustein B: Schlüsselpersonengespräche
Inhalt

BAUSTEIN B – SCHLÜSSELPERSONENGESPRÄCHE

Vorspann 									                                                      4
Die Erarbeitung eines Integrierten Stadtentwicklungskonzeptes als
kommunikativer Prozess im Rahmen der MünsterZukünfte 20 | 30 | 50

Prozessschema									                                                 6

Erste Assoziationen								                                            9

Stärken, Qualitäten, Potenziale							                                 11
Was zu erhalten und zu entwickeln ist

Schwächen, Probleme, Risiken							                                    14
Wo Veränderungsbedarf gesehen wird

Die Bedeutung der Region für Münster –
und die Bedeutung Münsters in der Region					                          22
Welche Bedeutung interkommunale Kooperation hat

Rahmenbedingungen und Schwerpunkte zukünftiger Stadtentwicklung        28
Worauf es zukünftig ankommt

Öffentlichkeitsbeteiligung in Münster: Erfahrungen und Folgerungen		   38
Wie über Stadtentwicklung reden

In Kürze: Zusammenfassung und erste Folgerungen				                    42

Die Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner				                     46

Der Interviewleitfaden								                                         50
ISEK MÜNSTER 2030 Baustein B: Schlüsselpersonengespräche
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Vorspann
Die Erarbeitung eines Integrierten Stadtentwicklungskonzeptes als
kommunikativer Prozess im Rahmen der MünsterZukünfte 20 | 30 | 50
Das Integrierte Stadtentwicklungskonzept (ISEK Münster 2030) ist Teil eines laufenden
Prozesses, in dem sich die Stadt mit aktuellen und zukünftigen Aufgaben auseinander-
setzt: Diese »MünsterZukünfte 20 | 30 | 50« umfassen mehrere, untereinander verbun-
dene Arbeitsstränge (Abb. S. 6/7) – mit langfristigen Szenarien, Bürgerumfragen, inten-
siven Dialogen in und mit der Stadtgesellschaft sowie der Erarbeitung eines Integrierten
StadtentwicklungskonzeptesA. Mit diesem ISEK Münster 2030 soll ein Orientierungsrah-             A
                                                                                                   Über die MünsterZukünfte 20 | 30 | 50
                                                                                                 wird laufend im Internet berichtet:
men für die Entwicklung der wachsenden Stadt Münster im nächsten Jahrzehnt geschaf-              www.zukunft-muenster.de
fen werden. Zugleich entsteht so eine entscheidende Voraussetzung für die zukünftige
Inanspruchnahme von Städtebauförderungsmitteln. Und nicht zuletzt eine wichtige Be-
dingung der konkreten Umsetzung der Nachhaltigkeitsstrategie Münster 2030.
Die Erarbeitung dieses Konzeptes wird in einer fünfteiligen Berichterstattung dokumen-
tiert. Sie umfasst:
•   Baustein A: Das ISEK in den MünsterZukünften – Einführung und Übersicht
•   Baustein B: Schlüsselpersonengespräche
•   Baustein C: Zehn Leitthemen für Münster
•   Baustein D: Die Stadtforenprozesse
•   Baustein E: Bilanz 2020: Räumliches Leitbild

In dem hier vorliegenden Baustein B finden Sie eine zusammenfassende Auswertung der
zahlreichen Gespräche mit einer Vielzahl an Akteuren zur Stadtentwicklung Münsters,
welche als Basis für die weitere Erarbeitung dienten.
Der gesamte Erarbeitungsprozess des ISEK und dessen Einbettung in die MünsteZukünf-
te wurde in Baustein A bereits beschrieben. Der Prozess der MünsterZukünfte wurde von
Anfang an kommunikativ angelegt. Das wird unter anderem dadurch deutlich, dass
•   viele gesellschaftliche Gruppen im Beirat der MünsterZukünfte mitwirkenB;                    B
                                                                                                   der Beirat setzt sich zu wesentlichen
                                                                                                 Teilen aus dem Beirat Münster Marketing
•   die strategische Steuerung durch eine Lenkungsgruppe erfolgt, der Mitglieder der             und dem Beirat »Modellprojekt Global
    Ratsfraktionen sowie der Verwaltungsvorstand angehören;                                      Nachhaltige Kommune« zusammen.
                                                                                                 Hinzu kommen Akteure aus dem Beirat
•   von Anfang an alle Ressorts der Stadtverwaltung, die zu einem ISEK beitragen, im             Bürgerhaushalt, aus dem Stadtsportbund
                                                                                                 und dem Landwirtschaftlichen Kreisver-
    Rahmen von Leitungskonferenzen bzw. themenbezogenen Werkstätten aktiv einge-                 band.
    bunden sind.

Darüber hinaus wird insbesondere die Stadtbevölkerung in den verschiedenen Teilpro-
zessen auf vielfältige Weise intensiv einbezogen:
•   Die Vielfalt der über 300 Initiativen, die beim Aufruf »Gutes Morgen Münster« sicht-
    bar wurden, machte bereits deutlich, an wie vielen Stellen in der Stadtgesellschaft
    bereits an Münsters Zukunft gearbeitet wird.
•   Die durchgeführten Stadtteilspaziergänge (Herbst 2017 sowie Frühjahr und Sommer
    2018) helfen zu verstehen, welche Aktivitäten und Anliegen bedeutsam sind.
•   Auch die eher langfristig angelegte und zunächst eher abstrakt erscheinende Arbeit
    an Zukunftsszenarien stößt mit 16.000 Teilnehmenden auf großes Interesse.
ISEK MÜNSTER 2030 Baustein B: Schlüsselpersonengespräche
Vorspann                                                                                5

                                        Die Arbeit am ISEK stützt sich in ihrer ersten Phase (bis zum Sommer 2018) neben der
                                        Kooperation mit den bereits erwähnten Begleitgremien vor allem auf intensive Gesprä-
                                        che mit dem Verwaltungsvorstand, Mitgliedern der Ratsfraktionen, der Wissenschaft und
                                        Wirtschaft sowie mit Gruppen der verschiedensten gesellschaftlichen Bereiche.
                                        Diese folgenden Schlüsselpersoneninterviews sollen sicherstellen, dass alle für die zu-
                                        künftige Entwicklung der Stadt bedeutsamen Gesichtspunkte möglichst frühzeitig erfasst
                                        und im weiteren Prozess der Stadtentwicklung berücksichtigt werden.
                                        Parallel zu den Interviews wurden im Rahmen der städtischen Bürgerumfrage 2018 eben-
   C
     Die Ergebnisse der Bürgerumfrage   falls Aspekte der Stadtentwicklung angesprochen.C Diese liefert ein breites Fundament,
können online eingesehen werden unter
  www.stadt-muenster.de/stadtentwick-   um die Interviewergebnisse weiter zu qualifizieren.
      lung/kommunale-umfragen.html      Mit dieser Kombination von breit angelegter Befragung und thematisch vertiefenden In-
                                        terviews entsteht ein zugleich fundiertes und tiefenscharfes Bild der in der Stadtgesell-
                                        schaft vertretenen Gesichtspunkte. Das ist – neben der parallelen Aufarbeitung der vielen
                                        Pläne, Programme und Beschlüsse, die bereits Situationsanalysen, Aufgabenbestimmun-
                                        gen und Aussagen über die zukünftige Entwicklung beinhalten – eine solide und aussa-
                                        gekräftige Grundlage der weiteren Arbeit.
                                        Im Folgenden wird eine Querschnittsauswertung der insgesamt 46 Gespräche vorge-
                                        nommen, die sowohl als Einzel- bzw. Gruppengespräch sowie im Workshopformat durch-
                                        geführt wurden.
                                        Zum Verständnis der Ergebnisse sind einige kurze methodische Hinweise notwendig:
                                        •   Die (ein- bis zweistündigen) Interviews und ein Teil der Gruppengespräche wurden
                                            leitfadengestützt (s. Anhang) durchgeführt und anhand von Tonbandaufzeichnungen
                                            und schriftlichen Notizen intern dokumentiert.
                                        •   In den Gremien kamen Kartenabfragen zum Einsatz, deren Ergebnisse noch in den
                                            Sitzungen zurückgemeldet wurden. Sie fließen auch in die Auswertung ein.
                                        •   Zwei Fragen bildeten in beiden Fällen die Ausgangspunkte: Was macht Münster at-
                                            traktiv, welche Qualitäten Münsters sollen erhalten und gestärkt werden? Welche
                                            Probleme und Gefährdungen werden gesehen, wo besteht Handlungsbedarf? Dabei
                                            konnte in den Interviews naheliegenderweise ein höheres Maß an Tiefenschärfe er-
                                            reicht werden als in den Kartenabfragen.
                                        •   Das gesamte Material wurde ausdrücklich nicht personenbezogen ausgewertet. Die An-
                                            onymisierung wurde von Anfang an zugesichert, um eine möglichst offene Gesprächs-
                                            führung zu ermöglichen. Lediglich bei den Interviews wurde jeweils abschließend um
                                            ein Statement gebeten, das personenbezogen wiedergegeben werden kann – um so
                                            auch zu dokumentieren, wer in der Interviewserie vertreten war.

                                        Ein solches Vorgehen ist – anders als im Rahmen der Bürgerumfrage (über 2.200 Teil-
                                        nehmende) – nicht darauf ausgerichtet, »Häufigkeiten« von Nennungen zu ermitteln oder
                                        Mehrheits- und Minderheitsmeinungen zu unterscheiden. Es geht allein darum, ein mög-
                                        lichst umfassendes Spektrum von Gesichtspunkten – quer durch alle Interessens- und ge-
                                        sellschaftlichen Gruppen – zu erfassen, um sicherzustellen, dass auch sie neben den im
                                        engeren Sinne fachlichen Aspekten frühzeitig in die Arbeit einfließen.
ISEK MÜNSTER 2030 Baustein B: Schlüsselpersonengespräche
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                SZENARIO-                                          EINE SZENARIOANALYSE FÜR DIE
                ANALYSE /                                          ZUKUNFTSHORIZONTE 2030 / 2050
                 BÜRGER-
                UMFRAGE                                            BÜRGERUMFRAGE (2018)
                 STADTENTWICKLUNGS-
                     INTEGRIERTES

                       KONZEPT

                                         GRUND-                 SCHLÜSSEL-              ENTWICKLUNG DER                 ERÖRTERUNG DER
                                         LAGEN-                 PERSONEN-                 LEITTHEMEN                      LEITTHEMEN
                                       ERMITTLUNG               GESPRÄCHE
Dokumentation

                                 BAUSTEIN A:                   BAUSTEIN B:                  BAUSTEIN C:                      BAUSTEIN D:
    ISEK-

                               »Einführung und                  »Schlüssel-               »Zehn Leitthemen                  »Die Stadtforen-
                                  Übersicht«                personengespräche«              für Münster«                      prozesse«

                 GUTES
                                              ZUKUNFTS-                          WETTBEWERB:                        ZUKUNFT. ZUHAUSE.
                MORGEN
                                            SPAZIERGÄNGE                       VIELFALT MACHEN                          MÜNSTER
                MÜNSTER

                                                                                                              Abbildung 1:
                                                                                                              Prozessschema zu den drei Strängen der
                                                                                                              MünsterZukünfte
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Prozessschema                                                                 7

                                                                      FÜR BAUSTEIN A,B,C,D

    Leistbares                     Baulandprogramm, SoBoMü, Stärkung Vergabe Erbbau-
    Wohnen                         recht, Konzeptvergabe, Neue urbane Stadtquartiere ...

    Stadtverträgliche              Masterplan Mobilität 2035+, S-Bahn Münsterland, Velo-
    Mobilität                      routen, Radverkehrskonzept 2.0 ...

    Vielfalt und sozialer          Integrierte Handlungskonzepte (u.a. Soziale Stadt) für
    Zusammenhalt                   Kinderhaus-Brüningheide, Coerde, Berg Fidel ...

    Facetten ökono-                Gewerbeflächenentwicklungskonzept, Standortentwicklungs-
    mischer Stärke                 strategie, Zukunftsquartiere für Wohnen und Arbeiten ...

    Digitalisierung                Smart City Allianz, Smarte Quartiere Oxford und York,
    findet Stadt                   Smart Parking, WDR-Neubau ...

    Münster und                    Umsetzung MONT, Partnerschaft Enschede, Münster-
    seine Nachbarn                 land-Strategie, Umsetzung stadtregionaler Kontrakt ...

    Vielfalt der                   zahlreiche Stadtteilentwicklungskonzepte, Ausbau Quar-
    Stadtteile                     tiersmanagement, Stärkung Ortsteilmitten u. Dritte Orte ...

    Urbane                         Wissenschaftsstadt der Zukunft: Internat. Ideenwerkstatt,
    Wissensquartiere               Masterplanung, Konkretisierung von Bauvorhaben ...

    Innenstadt                     Integriertes Handlungskonzept Innenstadt, Entwicklungen:
    ist mehr ...                   Martiniviertel / Hörster Parkplatz, Hafen, Schlossareal ...

    Münstersche                    Integrierte Freiflächen- und Siedlungsstrategie,
    Stadt-Landschaft               Landwirtschaftsbeauftragte(r) ...

      BAUSTEIN E:                  WEITERFÜHRENDE SCHRITTE ...
       »Bilanz 2020:
    Räumliches Leitbild«

#STADTSACHE
ISEK MÜNSTER 2030 Baustein B: Schlüsselpersonengespräche
Ausgangspunkte, Perspektiven, Schwerpunkte –
Eine zusammenfassende Auswertung von Gesprächen zur
Stadtentwicklung Münsters

Etwa 60 Stunden Gespräche, mehr als 100 Seiten Protokolle und Zusammenstellungen von
Aussagen – dieser Ertrag der Schlüsselpersonen-, Gruppen- und Gremiengespräche fließt
direkt in die inhaltliche Arbeit ein und findet dort seinen Niederschlag. Um aber die Viel-
falt der Gesichtspunkte, Positionen und Anregungen, die sich im Rahmen dieser Gespräche
ergaben, auch Interessierten über den Kreis der Bearbeiterinnen und Bearbeiter hinaus zu-
gänglich zu machen, haben wir eine zusammenfassende Auswertung versucht. Es liegt auf
der Hand, dass hier nur Grundlinien der Gespräche wiedergegeben werden können. Dabei
haben wir insbesondere jene Aspekte betont, die deutliche Bezüge zum Integrierten Stadtent-
wicklungskonzept – seinen Inhalten, seiner Erarbeitung, aber auch seiner möglichen Wir-
kungen – aufweisen.

Grundsätzlich ist bei den hier wiedergegebenen Ergebnissen zu beachten, dass sie
•   ausschließlich die Gesichts- oder Standpunkte der Interviewten zum Ausdruck bringen
    und keine Bewertung durch das Bearbeiterteam beinhalten;
•   lediglich einen Ausschnitt aus den zahlreichen Basisinformationen darstellen, die in die
    spätere Zusammenfassung der Ausgangs- und Eckpunkte für das ISEK Münster 2030
    einfließen.

                                                                                               Abbildung 2:
                                                                                               Brandwand in Münster,
                                                                                               Achtermannstraße 10 (Cuba)
ISEK MÜNSTER 2030 Baustein B: Schlüsselpersonengespräche
Erste Assoziationen                                                                   9

Erste Assoziationen

Zu Beginn der Einzelgespräche stand – sozusagen zum Anwärmen – ein kleines As-
soziations-»Spiel«. Wir begannen Sätze, die wir die Interviewten zu vervollständigen
baten. Hier geben wir nur einige zusammenfassenden Ergebnisse wieder (in den
nachfolgenden Darstellungen der Aussagen zu Stärken und Schwächen werden zen-
trale Aspekte ausführlicher behandelt):

»BESONDERS GUT AN MÜNSTER GEFÄLLT MIR…«

•   Grün: Durchweg hervorgehoben wurde die Nähe zu einem ländlich geprägten
    Umland und die enge Verzahnung von gebauter Stadt und Freiraum.
•   Überschaubarkeit: Münster habe die »richtige Größe« verfüge über die »Vorteile
    einer Großstadt ohne deren Nachteile«, sei in ihrer Struktur übersichtlich etc.
•   die Fahrradstadt.
•   Mischung von Alt und Neu / Tradition und Moderne: Diese Feststellung bezog
    sich sowohl auf die städtebauliche Situation wie die Bevölkerungszusammenset-
    zung. Letzteres wird noch auf andere Weise unterstrichen: »die Lebendigkeit der
    Stadt« – befeuert durch die Studierenden der Hochschulen (»die ewige Jugend«)
    und die lebendige Kulturszene. Auch der Hinweis auf den »Mix aus Universi-
    tät, Moderne und gleichzeitig westfälischem, ländlichem Flair« verweist in diese
    Richtung.
•   Stadtgesellschaft: Die Offenheit wurde hervorgehoben, das umfassende und viel-
    gestaltige bürgerschaftliche Engagement, die »breite Vereinsstruktur«, aber auch
    die »Mischung von vielen Nationen in dieser Stadt«.
•   Geschichte der Stadt: Sie lasse sich nicht nur baulich ablesen, sondern präge auch
    den »Geist der Stadt« (z.B. Westfälischer Frieden) und vermittele »Demut«.

Ein Aspekt taucht hier schon auf, der mit der ihm innewohnenden Ambivalenz im
Folgenden noch vertieft behandelt wird: Unstrittig ist die »hohe Lebensqualität« der
Stadt. Aber während die einen es positiv finden, dass diese Qualität »für alle« da sei,
bestreiten andere eben dies: Man müsse sich »Münster leisten können«. Und das
könnten eben nicht alle.
Womit bereits die Brücke zu negativen Aspekten geschlagen ist:

»NICHT GUT GEFÄLLT MIR…«

»…der Mangel an preiswertem Wohnraum«, »…die Probleme am Wohnungsmarkt«…
so lauteten oft die spontanen ersten Reaktionen. Sie wurden oft durch zusätzliche As-
pekte erweitert – etwa der Hinweis auf die »Aufteilung von arm und reich« und eine
zunehmende »soziale Polarisierung«.
Auch Folgen der Immobilienpreisentwicklung wurden benannt: Sie führe dazu, dass
mehr Menschen im Umland Wohnungen suchen (müssten) – und das verschärfe
wiederum die ohnehin vor allem durch das Pendeln verursachten Verkehrsprobleme.
ISEK MÜNSTER 2030 Baustein B: Schlüsselpersonengespräche
10                                 ISEK Münster 2030 | Baustein B: Schlüsselpersonengespräche

Ein ganz anderer Themenkomplex wurde hier auch schon assoziiert: »Die mit der
Zufriedenheit verbundene Trägheit« und »Behäbigkeit«, eine gewisse »Selbstgefällig-
keit« der Münsteraner, geringe Veränderungsbereitschaft (»ist nicht einmal gefühlt
vorhanden«) und »fehlender Wagemut«.
Um das Spektrum der Assoziationen zu komplettieren: Auch das Stadion von Preu-
ßen Münster fand hier Erwähnung – und die Notwendigkeit, an der aktuellen Situa-
tion etwas zu ändern.

»WENN ICH MENSCHEN, DIE MÜNSTER NOCH NICHT KENNEN, ERKLÄREN
WILL, AUS WELCHER STADT ICH KOMME, ERWÄHNE ICH ZUERST…«

Für die Außendarstellung eignen sich anscheinend Hinweise auf die »alte Stadt« mit
Prinzipalmarkt und Dom, auf die (überschaubare) Größe, den Aasee, das »viele schö-
ne Grün«, die Promenade, das ländliche Umfeld, die »Fahrradstadt«, die Universität
mit ihren Studierenden, kurzum »die Lebendigkeit« und die Lebensqualität dieser
Stadt. Man könne darauf verweisen, dass sie besonders lebenswert sei – »noch vor
Köln oder Düsseldorf«.
Und ein Gesprächspartner ergänzte mit Blick auf den Wohlstand in dieser Stadt, dass
man Menschen im Ausland Münster auch als »Zürich Westfalens« beschreiben könne.

»ZUM STICHWORT STADTENTWICKLUNGSKONZEPT MÜNSTER FÄLLT MIR EIN…«

Pause. Das war die häufigste Reaktion. Tatsächlich schien eine gewisse Ratlosigkeit
zu herrschen. Zumal anscheinend das Integrierte Stadtentwicklungskonzept als Be-
standteil der »MünsterZukünfte« nur wenigen geläufig zu sein schien.
Nach einer gewissen Bedenkzeit folgten dann aber auch durchaus einige Statements.
Zumeist waren es kritische: »Die Stadt hat keinen Plan für die nächsten 15 Jahre«.
Es gäbe zwar viele Einzelprogramme und -pläne, aber die Zusammenhänge würden
nicht klar: »Da muss Münster noch viel tun… Es gibt viel Papier, aber das Integrieren-
de fehlt«. Ganz ähnlich: »Es ist ja schön, dass in Münster so viele Pläne und Konzepte
erarbeitet werden. Aber man verliert völlig den Überblick, was wo steht – und wie
das alles zusammenhängt. Das einmal alles zusammenfassen, das wäre ein großer
Gewinn«
Es sei, so wurde gelegentlich gemutmaßt, ein für Münster typisches Phänomen: »viele
Pläne, wenig Handeln«. Noch deutlicher zugespitzt: »Man kann sich ganz gut hinter
solchen Zukunftsprozessen verstecken. Nach dem Motto: ›Wir machen doch was!‹«
Zum Attribut »Integriert« gab es noch zwei anders gelagerte Hinweise. Mit dem ers-
ten wurde auf empfundene Probleme inhaltlicher Zusammenführung aufmerksam
gemacht: »Wir haben hier ganz handfeste Probleme, die Verwaltung bei Großvorha-
ben koordiniert zu bekommen.«
Der zweite verwies auf räumliche Aspekte integrierten Handelns: Man solle nicht
(wie anscheinend häufig) nur auf die innere Stadt schauen, sondern unbedingt die
Stadtteile, vor allem deren Zentren, in einer zusammenhängenden Betrachtung be-
rücksichtigen.
Stärken, Qualitäten, Potenziale                                                   11

Abschließend seien zwei spontane Antworten, die völlig verschiedene Richtungen
aufweisen, genannt. Sie lauten: »Super! Punkt.« Und: »…dass dafür [für die Stadtent-
wicklung] keine Flächen zur Verfügung stehen«.
In diesem Spannungsfeld könnte die Arbeit im ISEK angesiedelt sein: Ein integrie-
rendes Konzept wäre gut (wenn nicht »super«) – aber gibt es auch die Ressourcen
(dabei geht es sicher nicht nur um Flächen) zur Umsetzung?

Stärken, Qualitäten, Potenziale
Was zu erhalten und zu entwickeln ist

Wer Impulse für die Weiterentwicklung einer Stadt geben will, muss wissen, in wel-
che Richtung sie wirken sollen. Dabei ist es von großer Bedeutung, worin bereits
besondere Qualitäten und Stärken einer Stadt gesehen werden (die man in jedem Fall
erhalten und wo möglich, stärker nutzen oder weiter stärken will) und wo besondere
Defizite oder mögliche Gefährdungen gesehen werden. Hier zunächst die besonde-
ren Qualitäten und Stärken der Stadt aus der Sicht unserer Gesprächspartnerinnen
und Gesprächspartner.

VIELFALT DER BILDUNGSANGEBOTE UND IHRE BEDEUTUNG FÜR DIE STADT

Beim Stichwort Bildung liegt zunächst die Nennung der Universität nahe. Aber in
verschiedenen Interviews wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass man nicht
nur sie in den Blick nehmen müsse. Es sei die Vielfalt der Bildungslandschaft – von
den verschiedenen Hochschulen bis hin zu den (Fach-)Schulen –, die für Münster
besonders kennzeichnend und prägend sei.
Der Hochschullandschaft verdanke man nicht nur die Lebendigkeit der Stadt (»ge-
sunde Altersstruktur«, »immer wieder kommen junge Leute«), sondern auch Im-
pulse für die Wirtschaft: »Dank der Hochschulen gibt es sehr innovativ aufgestellte
Unternehmen«.
Hervorgehoben wurde ein hohes Maß an Integration der Hochschulen in Stadtge-
sellschaft und Stadtleben (Public Lectures, 2.000 Eingetragene beim »Studium im
Alter« an der Universität). Diese lokale Wissenschaftskommunikation könne man so-
gar noch verstärken hieß es. Ein Gesprächspartner hatte dazu gleich drei Vorschläge:
12                                    ISEK Münster 2030 | Baustein B: Schlüsselpersonengespräche

•    »Warum proben z.B. die Studentinnen und Studenten der Musikhochschule
     nicht in der Öffentlichkeit? Wäre doch schön – eine Straße für die Blechbläser,
     die Waldhornallee, Flötisten im Park und Geigerinnen am Hafen…«
•    »Jeder Studierende, der die Stadt verlässt, sollte einen Vorschlag machen, was für
     die Stadt in Zukunft gut ist…«
•    »…und man muss auch überlegen, wie sich die Institute der Universität stärker in
     der Stadt zeigen können«.
Drei Äußerungen fassen zusammen, was in vielen weiteren Antworten enthalten
war: »Ohne Hochschulen wäre Münster eine Stadt mit toller Vergangenheit, aber
ohne Zukunft« und: »Die Hochschule ist das Elixier für die Stadt«.
Und nicht zuletzt: »Wissenschaft und Lebensart – das gilt noch immer, wenn es um
die besonderen Stärken dieser Stadt geht«.

LEBENSQUALITÄT: DIE STADT UND IHRE MENSCHEN

Es verwundert nicht, dass die Frage nach den Stärken Münsters häufig mit »besonde-
re Lebensqualität« beantwortet wird. Gemeint ist damit ein Bündel von Merkmalen
– an erster Stelle oft die Überschaubarkeit der Stadt (»kurze Wege«, »angenehme
Größe«, »übersichtlich und persönlich«, »groß und klein genug«) in räumlicher wie
in sozialer Hinsicht (»Wir kennen uns hier alle«). Zur Lebensqualität gehört ganz
wesentlich auch die Wahrnehmung Münsters als »grüne Stadt« (wie oben bereits bei
den ersten Assoziationen deutlich wurde). Das fand in fast allen Gesprächen Erwäh-
nung. »Grün« war eindeutig die am häufigsten genannte Farbe.
Und Kultur spielt als prägendes Element der Lebensqualität eine wichtige positive
Rolle. Hervorgehoben wurden sowohl das umfassende kulturelle Angebot sowie die
Vielfalt der kulturellen Szenen (»das Stadttheater auf der einen Seite, Hawerkamp auf
der anderen«). Aber auch die schon erwähnten städtebaulichen Qualitäten, das bau-
lich und sozial gemeinte Nebeneinander von Alt und Neu, die in mehrfacher Hinsicht
attraktive Innenstadt etc. wurden erneut angesprochen.
Nicht zu vergessen: Münster als Fahrradhauptstadt. Man komme »überall ohne Auto
hin« wurde hervorgehoben. Das Rad sei sogar »ein kulturstiftendes Element. An der
Ampel entsteht schon mal ein netter Kontakt«.

Auffallend aber war, dass zur Lebensqualität ganz wesentlich die Menschen in der
Stadt selbst beizutragen scheinen. Das »soziale Klima« wurde mehrfach erwähnt, der
offene Umgang mit Fremden, die Aufmerksamkeit für soziale Diskrepanzen (»Resili-
enz auch in sozialer Hinsicht«) und die Tatsache, dass die Menschen in Münster »in
der Lage sind, zwischen Geld und Wert zu unterscheiden«. Ganz wesentlich sei, dass
es hier »Bürger-Stolz« (auf die Stadt) und »Liebe zur Stadt« gäbe. Man verstehe sich
noch als Gemeinschaft, die Stadtgesellschaft sei nicht »durchparzelliert«, man könne
hier »wirklich noch von einem Gemeinwesen« sprechen.
Stärken, Qualitäten, Potenziale                                                     13

In einem Atemzug mit solchen Feststellungen wurde stets das besondere bürger-
schaftliche Engagement, das große Interesse der Bürgerinnen und Bürger an den An-
gelegenheiten ihrer Stadt und das Know-How, das zumal vom akademisch geschul-
ten Bildungsbürgertum eingebracht werde. Eine derart »engagierte Bürgerschaft ist
schon etwas Besonderes« wurde festgestellt und – mit einem Augenzwinkern – hin-
zugefügt: »aber auch anstrengend«.
Die vielen Facetten dieses Engagements werden durchweg sowohl als Stärke wie auch
als Ressource bzw. Potenzial für zukünftige Entwicklungen angesehen. Als solche
wünschbare Weiterentwicklung wurde insbesondere die Einbeziehung der Stadtteile
und ihrer Bevölkerung – »auch Kinderhaus, Coerde, Berg Fidel« – gesehen. Es gelte,
sie »mitzudenken und einzubeziehen«: »Nicht nur innerhalb des Promenadenrings
denken«, hieß es. »Münster ist real größer«. Auch im Bereich von »Migration und
Integration ist noch viel mehr möglich«.

WACHSTUM ALS CHANCE

Von einigen zweifelnden Stimmen abgesehen (»müssen wir denn wirklich – so stark
– wachsen«?) wurde die aktuelle Dynamik in der Stadtentwicklung als Chance gese-
hen – etwa »für eine menschen- und umweltverträgliche Entwicklung«. Allerdings,
so wurde von anderer Seite mahnend hinzugefügt: »Es braucht jedoch eine sozial-
verträgliche Entwicklung, die sich mit der vorhandenen Struktur vereinbaren lässt«.
Gelänge dies, hätte Münster die Chance »Vorreiter zu sein für eine andere Stadtent-
wicklung und den anderen Städten zu zeigen, dass es auch anders geht.«

WIRTSCHAFT

Die Wirtschaft der Stadt sei »gut aufgestellt«, hieß es. Sie sei stabil, ein »Tausend-
füßler«, dem Strukturprobleme einzelner Branchen nicht allzuviel anhaben können.
Einer solchen Sichtweise wurde aber durchaus auch widersprochen (dazu mehr unter
»Schwächen«). Unwidersprochen blieb hingegen die Feststellung, dass der Einzel-
handel (gemeint vor allem: In der Innenstadt) ein »großes Alleinstellungsmerkmal«
sei. Einkaufen in Münster werde »als Erlebnis angesehen«.

In allen Bereichen des wirtschaftlichen Lebens werden aber noch Potenziale – und
Handlungsbedarf, der aus sich wandelnden Rahmenbedingungen resultiert (s.u.)
– gesehen. Besonders eine Intensivierung der Vernetzung von Hochschulen und
Wirtschaft sei anzustreben. Die Entwicklungen im Hafenbereich könnten zudem
Impulsgeber für und Ausdruck von Konzepten modernen Arbeitens sein. Wenn das
Gespräch auf Wirtschaftsthemen kam, wurde die Landwirtschaft, obwohl sie große
Teile des Stadtgebietes Münster prägt, nur sehr selten erwähnt. Wenn doch, wurde
deutlich, dass hier möglicherweise ein Umdenken erforderlich ist.

So hieß es: »Die Münsteraner Kulturlandschaft funktioniert nur mit einer aktiven
Landwirtschaft.« Und: »Die Landwirtschaft ist durchaus ein wichtiger Wirtschaftsfak-
14                                 ISEK Münster 2030 | Baustein B: Schlüsselpersonengespräche

tor für Münster«. Bezogen auf das gesamte Münsterland sei »etwa jeder 8. Arbeitneh-
mer direkt oder indirekt in der Landwirtschaft tätig«. Das werde aber vielfach nicht
gesehen: »Spricht man mit der Politik über die Landwirtschaft, so geht es um Umwelt
und ähnliches. Aspekte wie Ernährungssicherheit, Arbeitskraft und Wirtschaft spie-
len keine Rolle. Die Landwirtschaft ist in Münster zu selbstverständlich, wir würden
ja auch satt, selbst wenn es sie nicht gäbe.« Letztlich fehle es an einem »Diskurs mit
der Landwirtschaft«.A                                                                           A
                                                                                                  weitere Ausführungen wirtschaftlicher
                                                                                                Themen folgen auf S. 20

Schwächen, Probleme, Risiken
Wo Veränderungsbedarf gesehen wird

Wie schon zuvor bei der Frage, was an Münster nicht gefalle, gab es auch hier häufig
zunächst längere Denkpausen. Damit wird bereits erkennbar, was sich in der Fol-
ge bei der Auseinandersetzung mit Problemen und Schwächen wieder zeigt: Von
»wirklichen Problemen« mögen viele – zumal im Vergleich mit anderen Städten –
bei Münster nicht sprechen. »Wir können uns glücklich schätzen, vor welchen Her-
ausforderungen wir stehen, denn wir können hier wirklich gestalten. Wir haben die
Ressourcen, wir haben das Know-how und wir haben auch das Geld dafür (…). Wir
unterhalten uns hier manchmal über Probleme, wo andere Kommunen glücklich wä-
ren, wenn sie diese Probleme hätten«.

Dennoch wurden auch hier Aspekte benannt. Es handelt sich dabei fast durchgängig
um Schattenseiten der zuvor genannten Stärken – und darum, dass diese negativen
Aspekte nicht angemessen wahrgenommen würden:

ÜBERHITZTER IMMOBILIENMARKT, MANGEL AN WOHNRAUM –
PROBLEME MIT FOLGEN

Die Stadt Münster ist sehr attraktiv, zieht viele Menschen an, die hier wohnen wollen.
Das ist zweifellos eine Stärke. Aber sie hat sehr deutliche Schattenseiten. Der Nach-
fragedruck lässt die Immobilienpreise steigen. Und da nicht nur Menschen die Stadt
suchen, sondern auch Kapital, das den Immobilienmarkt als Anlagesphäre sucht,
nach Münster strömt, hat sich in den letzten Jahren offensichtlich ein erheblicher
Druck mit entsprechenden Folgen aufgebaut: Die Grundstückspreise seien, so hieß
es, »in sechs Jahren um 60-70% gestiegen«. Selbst im Umland wirke sich das aus –
so etwa in Telgte, wo sich die Bodenrichtwerte binnen 10 Jahren verdoppelt hätten.

Die Folgen machen sich vor allem am Wohnungsmarkt bemerkbar: Inzwischen wür-
den rund 10.000 Wohnungen fehlen, »davon etwa 5.000 Sozialwohnungen«, hieß es.
Mieterinnen und Mieter müssen immer höhere Mieten zahlen, was die mit niedrigem
Schwächen, Probleme, Risiken                                                        15

Einkommen besonders belaste: »Wer eine Wohnung hat, zieht nicht aus, wer keine
hat, findet kaum bezahlbare«. Für niedrige Einkommensgruppen wirkt sich zudem
das Auslaufen von Bindungen vormals öffentlich geförderter Wohnungen ebenso ne-
gativ aus wie Umwandlungen von Miet- in Eigentumswohnungen. »Da geht sehr viel
mehr verloren als neu gebaut wird«, wurde festgestellt und von anderer Seite ergänzt:
»es findet nachweislich ein Abbau von Sozialwohnungen« statt.

Die nahe liegende Folgerung, nicht nur mit großem Aufwand neu zu bauen, son-
dern auch negative Entwicklungen im Bestand zu unterbinden oder zumindest zu
verlangsamen, sei politisch nicht gewollt, hieß es. Das führt gelegentlich zu bitteren
Formulierungen – etwa dass »›Stadt für alle‹ doch nur ein Lippenbekenntnis« sei.
Außerdem wird darauf hingewiesen, dass manche Mietergruppen diskriminiert wür-
den: »Hartz IV-Empfänger werden bei der Wohnungssuche oft stigmatisiert, ebenso
wie Migranten. In einer Umfrage kam heraus: 56% der Deutschen mögen keine Mi-
granten, 57% keine Hartz IV-Empfänger. Die Leute treffen auf viel Rassismus und
Vorurteile und finden deshalb keine Wohnung«.

Einigkeit besteht darin, dass man die am Wohnungsmarkt heraufziehenden Proble-
me lange übersehen habe: »Ich wohne seit 30 Jahren in Münster, und es gab nie einen
entspannten Wohnungsmarkt«… »Vor zehn Jahren hat man noch auf Schrumpfen
gesetzt«, … »obwohl es schon warnende Hinweise gab«. Jetzt »läuft man der Musik
nur noch hinterher«: »Wir haben vor zehn Jahren politisch nicht erkannt, was auf
uns zukommt. Es gab falsche Prognosen, so dass wir nun nicht vorbereitet sind und
nichts in der Hand haben außer dem Versprechen ›In den nächsten Jahren wird sich
groß was tun‹«.

Aber, auch das wurde betont, es »bringt jetzt nichts, wenn man ›hätte, hätte‹ sagt. Es
kommt darauf an, jetzt das Notwendige zu tun«. Ob das (bereits) der Fall ist, wurde
aber gelegentlich in Zweifel gezogen. Folgen der aktuellen Problemlage seien aber
schon deutlich sichtbar und es bestünde die Gefahr, dass sie sich weiter verschärfen.
So drohe eine weitere Konzentration einkommensschwacher Haushalte in wenigen
Stadtteilen: »Wenn in Brüningheide vor 7 Jahren noch 200 Wohnungen leer standen,
sind nun 1000 Leute auf der Warteliste. Und es ist egal, in welchem Zustand die
Wohnungen sind, denn in Münster ist es total schwer, überhaupt eine Wohnung zu
finden«.
Zudem seien Gentrifizierungstendenzen in verschiedenen Stadtteilen zu beobachten
(»Südviertel, Hansaviertel… das Kreuzviertel ist schon ›durch‹«) und mit ihnen die
Gefahr der Verdrängung und Homogenisierung der Bevölkerungsstruktur (»das ist
dann längst nicht mehr so bunt wie vorher«).
Von großer Bedeutung sei auch die Tatsache, dass »viele Menschen außerhalb leben
müssen, damit die Balance der Ausgaben zum Wohnen und Leben noch stimmt«:
»Sie ziehen immer weiter aus der Stadt heraus, weil sie sich die Stadt nicht mehr
16                                 ISEK Münster 2030 | Baustein B: Schlüsselpersonengespräche

leisten können.« Und: »Ich würde den Normalbürger – denjenigen, der ein Normal-
einkommen hat – inzwischen in Teilen vor den Toren der Stadt sehen«.
Diese Feststellung bezog sich vor allem auf diejenigen, die preiswerten Mietwohn-
raum suchen. Aber es wurde auch darauf hingewiesen, dass Ähnliches für mittle-
re Einkommensgruppen gilt, die Wohneigentum in Form von Einfamilienhäusern
bilden wollen. Auch sie wichen in die Region aus, wo das Bauland für sie noch er-
schwinglich sei.
Dieses Ausweichen in die Region kann mehrere Folgen haben. Auf zwei wurden wir
besonders hingewiesen:
•    »Das erzeugt immer mehr Verkehr. Und die Pendler verursachen schon jetzt die
     meisten Verkehrsprobleme«.
•    Der »Klebeeffekt« Münsters könne abreißen, wenn sich Menschen weiter ins
     Umland bewegten (»der Radius wird immer größer«) und sich dann langfristig
     auch nach Arbeitsplätzen umschauten: »Mitarbeiter, die einmal weggezogen sind,
     nehmen dann über kurz oder lang auch einen Job außerhalb von Münster an«.

Dieser letzte Aspekt verweist auf eine Problematik, die schon jetzt sichtbar wird, sich
aber weiter zu verschärfen scheint: Arbeitskräfte in den unteren Einkommensgrup-
pen werden zum Engpassfaktor in vielen Bereichen. Denn: »Sie können sich diese
Stadt einfach nicht mehr leisten«. Darüber klagen Wirtschaftsunternehmen ebenso
wie Hochschulen und Kliniken. Gerade bei Arbeitskräften, »die möglichst nahe an
ihrem Einsatzort wohnen« sollten, sei das besonders problematisch. »Ein Beispiel ist
die Feuerwehr in Hiltrup, deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter früher in einem
Umkreis von 500 Metern wohnten, um schnell zu den Einsätzen zu kommen. Inzwi-
schen wohnen die in Rinkerode und haben viel zu lange Anfahrtswege«.
Aber auch alle anderen, die nur mit großem Pendelaufwand in Münster arbeiten
könnten, ließen sich zunehmend schwerer gewinnen. Verbunden mit dem ohnehin
steigenden Fachkräftemangel bilde sich hier ein »negativer Standortfaktor« heraus.
Zusammenfassend wurde das Problem so umrissen: »Das große Risiko ist, dass die-
jenigen, die hier arbeiten, keine Chance haben, hier auch zu wohnen.«
Auch Studierende seien immer stärker davon betroffen – verstärkten aber gleichzei-
tig den Effekt der Mietpreissteigerung, da »diese Gruppe der Wohnungssuchenden
generell bereit ist, pro Quadratmeter mehr Geld zu zahlen.« »Selbst für Juniorprofes-
soren wird es zunehmend schwieriger, hieß es.«
Inzwischen, so wurde berichtet, suchten Unternehmen Wohnungen für ihre Mitar-
beiterinnen und Mitarbeiter – »auf der Jagd nach jungen Talenten«.

Immobilienpreise können aber auch außerhalb des Wohnungssektors Probleme er-
zeugen. In diesem Zusammenhang wurden etwa »Initiativen und Start-ups« ange-
sprochen, »die noch etwas ›wackelig aufgestellt‹« (also wirtschaftlich noch nicht trag-
fähig) sind. Die könnten sich vielfach Grundstücke oder Räume nicht leisten – und
»entstehen gar nicht erst, oder wandern ab.«
Schwächen, Probleme, Risiken                                                      17

Angesichts dieser Engpässe liegt die Folgerung nahe, dass in großem Umfang, neue
Siedlungsflächen erschlossen und vorhandene nachverdichtet werden. Hier wird al-
lerdings vor vorschnellem Handeln gewarnt: So seien die landwirtschaftlichen Flä-
chen keine Verfügungsmasse, sondern Lebensgrundlage vieler Landwirte. Vor allem
aber könne zusätzliche Flächeninanspruchnahme Umwelt-, Freiraum- und Freizeit-
qualitäten gefährden – und Nachverdichtung die Wohnqualität an einzelnen Stand-
orten beeinträchtigen. Der Umgang mit den sich hier eröffnenden Zielkonflikten sei
also von besonderer Bedeutung für die zukünftige Stadtentwicklung.

SOZIALE POLARISIERUNG?

Oft waren es vor allem soziale Diskrepanzen, die »größer werdende Schere« zwischen
Arm und Reich, der »starke soziale Kontrast«, die bei der Frage nach den Schwächen
erwähnt, dann aber vor allem am Beispiel der Probleme am Wohnungsmarkt behan-
delt wurden.
Aber die soziale Lage der finanziell schwächer Gestellten wurde auch unabhängig von
den Wohnungsproblemen thematisiert. So hieß es etwa: Man fühle sich in Münster
auf einer »Insel der Glückseligen« – und die meisten könnten sich nicht vorstellen,
dass es auch »Lagen jenseits des Prinzipalmarktes gibt, wo Menschen mit sieben
Kindern in drei Zimmern leben«. »Es gibt viel Bedürftigkeit in Münster und es kann
gut sein, dass sich das für die Menschen in Münster noch stigmatisierter anfühlt«.
Allerdings sei das kein Thema, das öffentlich in der Stadt diskutiert werde, und nur
wenig Beachtung finde.

Mit Blick auf Migration und Integration (bzw. »migrationsgesellschaftlicher Öff-
nung«) wurde auch festgestellt, dass es zwar auf der einen Seite erhebliches ehren-
amtliches Engagement vieler Menschen gebe, aber das sei vor allem karitativer Art.
Zugleich seien nach wie vor Diskriminierungen und auch Formen des Rassismus
auf dem Arbeits- und Wohnungsmarkt zu beobachten. »Die Herausforderung besteht
darin, nicht ›Wir und die Anderen‹, sondern ›Wir‹ zu denken – aber da sind wir noch
nicht«.
Wer die Situation für die Betroffenen verbessern wolle, müsse zudem bereits in Kitas
und Grundschulen (»offene Ganztagsangebote«, »U3 Betreuung«) bei Kindern wie
Eltern ansetzen. Hier gibt es offensichtlich intensive Bemühungen aber auch »noch
viel Luft nach oben« (etwa Übergang Grundschule zu weiterbildenden Schulen).
Eine Seite Einseitigkeiten:
Steile Thesen, deutliche Kritik, starke Meinungen

In den Gesprächen ging es nicht immer ausgewogen und zurückhaltend zu. Das sollte es
auch nicht. Gefragt waren offene Worte und klare Kanten. Einige dieser Äußerungen geben
wir hier wieder. Zum Teil sind sie etwas verändert, um Rückschlüsse auf die Personen zu
vermeiden. Aber das eigentlich Gemeinte blieb unverändert…

»Münster?
… »Durchsaturiert und akademisch…«,
… »lauter Erdkundelehrer«
… »Puppenstube«
… »auf Prinzipalmarkt-Gemütlichkeit reduziert«
… »closed«
… »eingedickt«
… »Insel der Glückseligen«
… »müsste mal durchgelüftet werden«.
»Man spiegelt sich im Aasee so lange und findet sich so schön, bis man selber rein fällt«

»Grundsätzlich hätte die Stadt das Potenzial als lebendig, modern und vital wahrge-
nommen zu werden«

»Hier gibt es sehr viele, die nicht einmal glauben, dass es auch in Münster Menschen
gibt, deren Lebensqualität davon abhängt, ob man zehn Euro mehr oder weniger
hat«…
»… ach, die wissen doch nicht, wie es außerhalb der eigenen Käseglocke zugeht«

»Münster muss man sich leisten können«
»Qualität hat ihren Preis«
»Die sind doch stolz darauf, dass Münster teuer ist«
»Wer sich Münster nicht leisten kann, muss halt weiter weg ziehen«

»Die Frage, wo das Geld herkommen soll, das wir hier mit vollen Händen ausgeben,
wird viel zu selten gestellt«.
»Dass das Wohl einer Stadt von der Stärke ihrer Wirtschaft, abhängt, wird geflissent-
lich übersehen«.
»Wer glaubt, Wirtschaftsförderung nur in Quadratmetern denken zu können, hat
nicht verstanden, auf was es heute ankommt«.

»Man kann sich hinter einem Prozess wie ›MünsterZukünfte‹ ganz gut verstecken«
»Immer nur Pläne, Pläne, Pläne… wie wäre es mal mit Handeln?«
Schwächen, Probleme, Risiken                                                        19

INFRASTRUKTUR: ERREICHBARKEIT, INNERSTÄDTISCHE MOBILITÄT UND ÜBER-
LASTETE EINRICHTUNGEN

Die großräumige Einbindung Münsters wird, so wurde uns mehrfach mitgeteilt, als
unzureichend eingeschätzt. Die Flughafensituation sei nicht gut (»wir treffen uns mit
unseren internationalen Kooperanden inzwischen häufiger am Düsseldorfer Flugha-
fen«), die ICE-Anbindung unzureichend und auch an manchen Straßenverbindun-
gen fehle es.
Als »Belastung im Alltag« wurde die städtische und regionale Verkehrssituation be-
schrieben. Die Klagen bezogen sich dabei sowohl auf den Öffentlichen Nahverkehr
wie auf die Situation des motorisierten Individualverkehrs (»zumindest in den Stoß-
zeiten«).
Dabei wurde die Meinung vertreten, dass dieses Mobilitätsproblem »weniger durch
die Münsteraner Bürgerinnen und Bürger entsteht, sondern vor allem durch die
Pendler, die rein und raus wollen. Das ist das eigentliche Mobilitätsproblem«.
Auf letzteren bezogen wurde etwa festgestellt, dass die »Stadtstruktur nicht mehr
Individualverkehr verträgt«. Zugleich aber wurde – mit Blick auf die Parkhäuser in
der Innenstadt – von anderer Seite festgestellt, man dürfe »die Stadt nicht gegen Be-
sucherverkehre abschließen«.
Vor allem die Pendlerverkehre (s.o.) wurden allerdings als wesentliche Problemver-
ursacher angesehen. Hierauf bezog sich auch die Konsequenz »Wir müssen den Ver-
kehr umstellen«. Aber, so hieß es zugleich, auch die Angebote auf der Schiene und
mit dem Bus seien schon voll »die Leute nehmen den ÖPNV schon in Anspruch.
Aber es reicht nicht«. »Es ist einfach ein Ausbau nötig. Ein ÖPNV, der dem Wachstum
nicht standhält«, werde, so hieß es u.a., zu einem »Risikofaktor in der Zukunft.«
Hier sei inzwischen »vieles am Anschlag« – was auch auf sonstige Infrastrukturen
(etwa bei Sportflächen und kulturellen Einrichtungen bezogen wurde). Zumal sei die
Kinderbetreuung »nicht dementsprechend ausgebaut, dass Alleinerziehende dem
Arbeitsmarkt flexibel gegenüber stehen können«.

Ein besonderes Kapitel stellt der Radverkehr dar. Man ist allseits noch stolz darauf,
einmal Radverkehrshauptstadt gewesen zu sein und schätzt weiterhin das Rad als
wesentliches Verkehrsmittel. Aber, so hieß es, man habe sich »zu sehr auf den Lor-
beeren ausgeruht« und nicht auf dem einmal eingeschlagenen Weg weiter gemacht.
Die »Weiterentwicklung des Radverkehrs« sei »vernachlässigt worden«. Es reiche
eben nicht »ein paar Straßen rot anzumalen«, sondern es bedürfe einer modernen
Radverkehrsstrategie (»die sich auch an den Erfahrungen des Auslands« orientiere).
Wesentlich sei auch, dass sich inzwischen mit E-Bikes, Pedelecs etc. der Radverkehr
selbst sehr verändert habe, was neue Antworten notwendig mache.
Zudem wurde auch auf Probleme hingewiesen, die mit dem starken Radverkehr ver-
bunden seien. Zum Beispiel:
•   Hohe Geschwindigkeiten bringen für Kinder und Ältere »Unsicherheiten auf den
    Radwegen« mit sich. »Das Klima auf der Promenade ist im Laufe der Zeit hekti-
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     scher, voller und schneller geworden«.
•    Die (fehlenden oder überlasteten) Abstellflächen für Fahrräder seien ein Problem
     und führten auch zu Gefahren für Fußgänger.
•    Verkehrsströme und ein antiquiertes Ampelsystem mit ungünstigen Verkehrs-
     flüssen seien ebenfalls Anlässe, beim Thema Radverkehr weiter zu kommen.

WIRTSCHAFT

Deutlich war die Klage zu vernehmen, dass die Wirtschaft in allen ihren Zweigen – von
der Produktion über den Handel, die Dienstleistungen bis hin zum Handwerk – »ent-
weder gleich übersehen oder gering geschätzt bzw. als selbstverständlich angesehen«
werde: »Münster wirbt mit ›Wissenschaft und Lebensart‹. Der Begriff der Wirtschaft
fehlt dabei«. Aber das Geld, das man für Wissenschaft und Lebensart ausgebe, so hieß
es, »muss ja auch erst einmal verdient werden«. Das aber entgehe der »bürgerlichen
Wahrnehmung« (oder »akademischen Orientierung«, wie es auch genannt wurde):
»Ob es der Wirtschaft gut geht oder nicht, spielt keine Rolle, das Leben geht weiter
– selbst wenn ein großes Unternehmen einmal wegfallen würde. Daher werden in
Münster viele Entscheidungen ohne wirtschaftliche Betrachtung getroffen«.

Auch bei der Bildung gelte die »akademische Ausbildung als Lebensglück«. Andere
Berufswege sollten aber, so die Forderung »als gleichwertig angesehen« werden. Da-
bei sei es gar nicht selbstverständlich, dass es der Wirtschaft in Münster weiterhin
gut gehe. Im Gegensatz zur These vom »Tausendfüßler« wurde in diesem Zusam-
menhang betont, dass Münster eher »monostrukturiert« sei: »Es gibt die Banken,
Versicherungen – aber das ist nicht die gesamte Breite der Wirtschaft. Der Bereich
der Chemie ist in der Wahrnehmung nicht verankert. Und der gesamte produzieren-
de Bereich ist unterentwickelt«. Es mangele an einer »gespreizten Arbeitgebersze-
ne«, um ausreichend stabil zu sein – und zum Beispiel auch, um »Absolventen der
Hochschulen Arbeitsplätze anbieten« zu können. Zudem seien sich abzeichnende
Entwicklungen – etwa die Digitalisierung und der Fachkräftemangel – Risikofakto-
ren für die Wirtschaft, deren Bedeutung ebenfalls nicht angemessen wahrgenommen
werde: »Wenn eine Versicherung einen Schnupfen kriegt, dann kriegen wir schnell
eine Lungenentzündung«. Und: »Sollten die Versicherungen oder das Bankenwesen
in eine wirtschaftliche Schieflage geraten, mit der Folge eines deutlichen Einnahme-
verlustes, würde das für unsere Stadt große Probleme bringen können«.

Derzeit sei man zudem auch technisch noch nicht gut für zukünftige Herausforderun-
gen gerüstet: Nur 11% der Gewerbeflächen seien an ein Breitband-Netz angeschlos-
sen. Was die Flächenreserven selbst betrifft, so sah man aktuell »die vorhandenen
Flächen volllaufen« und mittelfristig durchaus Bedarf. Allerdings dürfe sich, so laute-
te eine kritische Seitenbemerkung, Wirtschaftsförderung nicht darin erschöpfen, Flä-
che bereitzustellen. Ein besonderes Augenmerk galt auch dem Einzelhandel. Dessen
Strukturwandel trage möglicherweise sowohl zur Gefährdung der Versorgungslage in
Schwächen, Probleme, Risiken                                                           21

den Stadtteilen wie auch zu einer Veränderung des Angebots in der Innenstadt (»nur
noch exklusiv«) bei.

»SELBSTKRITISCHE BEFINDLICHKEITEN«

Bei all dem reflektierten die Interviewpartnerinnen und Interviewpartner, von denen
viele einflussreiche Positionen besetzen, ihre Aussagen und auch ihre eigene Rolle
kritisch: »Ich sehe mich in einem persönlichen und beruflichen Zwiespalt. Persönlich
will ich auch nicht, dass sich etwas ändert, beruflich weiß ich aber, dass es sein muss«.
So fasste einer unserer Gesprächspartner eine Situation zusammen, die kennzeich-
nend zu sein scheint für weite Teile der Stadtgesellschaft. Sie sei »selbstgenügsam«,
»saturiert« und sehe »keinen Veränderungsbedarf«, hieß es selbstkritisch: »Alles ist
so schön, und das soll auch so bleiben«, laute die Maxime. Von der »Insel der Glück-
seligen«, einer »Käseglocke«, in der man lebe, war die Rede und »fehlender frischer
Wind« wurde beklagt. »Es fehlt an innovativen Ideen – und der gefühlten Notwendig-
keit, danach zu suchen«. Letztlich müsse »die Stadt aufpassen, dass sie nicht in eine
Saturiertheit und Selbstgefälligkeit verfällt«. Manche sahen das als Schattenseiten des
Wohlstands und der »Akademisierung« an, die zu blinden Flecken in der Wahrneh-
mung führten. So würden mögliche Strukturprobleme in der wirtschaftlichen Basis
der Stadt ebensowenig beachtet wie die sozialen Probleme großer Gruppen.

Hinsichtlich des letztgenannten Aspekts wird zwar festgestellt, dass es eine »gewisse
Sensibilisierung« gegeben habe, aber die tatsächliche Situation vieler Menschen in
der Stadt werde dennoch vielfach ignoriert. Das gelte nicht nur für Familien mit vie-
len Kindern (und geringem Einkommen) oder alte Menschen, die unter Altersarmut
leiden, sondern z.B. auch für alleinerziehende Frauen, die im Alltag – sei es im Beruf,
sei es in den Stadträumen (beklagt wurde z.B. die Reduzierung nicht-kommerzieller
Aufenthaltsmöglichkeiten in öffentlichen Räumen) – immer noch viele Hürden zu
überwinden hätten. Erneut wurde auch das »Prinzipalmarkt- oder Promenadenden-
ken« kritisiert. Oder, so ein etwas anderes Bild: »Entschieden wird auf dem Fahrrad
auf dem Weg von Handorf zum Prinzipalmarkt«. Man müsse aber auch die (sehr
verschiedenen) Stadtteile in den Blick nehmen und die Stadt als Ganzes betrachten.

Die oben bereits erwähnte Kritik an »zu viel Plänen« (denen zu wenig Handeln ge-
genüber stehe) bedarf noch einer ergänzenden Anmerkung: Auf unsere Frage nach
wichtigen Planungen und Beschlüssen, die Ausgangspunkte weiteren Planens und
Handelns sein sollten, erhielten wir zumeist keine oder nur auf eigene Handlungsfel-
der begrenzte Hinweise. Es wird also zu prüfen sein, ob die vermeintliche Plan- und
Programmflut tatsächlich existiert. Falls ja, wäre die Unkenntnis – bei gleichzeitiger
Kritik – bedenkenswert.

Denjenigen, denen an Veränderung gelegen ist, »fehlt es klar an politischer Füh-
rung«. Man müsse »mutig sagen: Wir machen das jetzt – auch wenn ich nachher
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nicht wieder gewählt werde – daran fehlt es.« »Ein enger Kern hervorragend vernetz-
ter Leute« präge das, »was in Münster geschieht«, wurde angemerkt. Weil dies »so
closed« sei, müsse auch hier frischer Wind hinein. Hingegen kämen die, »die sich
nicht artikulieren können, in der Stadt nicht vor. Sie werden auch nicht vertreten und
sie haben keine Lobby«. Ein kritischer Seitenblick richtete sich auch auf die kommu-
nale Finanzsituation: Einige hätten anscheinend den Eindruck, sie sei unerschöpf-
lich. Aber das sei keinesfalls so. Wenn auch »in Zukunft kommunale Zielsetzungen
selbstbestimmt umgesetzt werden sollen, dann darf Münster nicht in die Haushalts-
sicherung kommen«. Das mache einen sorgfältigen Umgang mit den kommunalen
Finanzen notwendig.

Als Zusammenfassung können folgende Äußerungen angesehen werden:
•    »Andere wären froh, wenn sie die Probleme Münsters hätten« – womit zum Aus-
     druck gebracht wurde, dass vergleichbar große Städte schärfere Herausforderun-
     gen bei schlechterer Ausgangssituation zu bewältigen hätten. Aber:
•    Keinesfalls dürfe man sich »in westfälischer Gemütlichkeit einrichten«. In der
     Vergangenheit habe man auf diese Weise wichtige Herausforderungen, die
     durchaus absehbar gewesen seien, »verschlafen« und zu spät gehandelt. Nach
     vorne gewandt müsse das heißen: Ein großes Risiko bestehe darin, jetzt erkenn-
     bare Veränderungsbedarfe nicht rechtzeitig anzugehen.

Die Bedeutung der Region für Münster –
und die Bedeutung Münsters in der Region
Welche Bedeutung interkommunale Kooperation hat

Bei keinem Thema, das in den Interviews angesprochen wurde, herrschte so große
Einigkeit wie bei diesem: »Die umliegenden Gemeinden sind unersetzbare Partner
der Stadt«, »Nur im Schulterschluss mit dem Umland kann die zukünftige Entwick-
lung erfolgreich gestaltet werden.« »Die Stadt kann nicht ohne die Region gedacht
werden« – und die Region nicht ohne die Stadt. So und ähnlich lauteten viele An-
merkungen zu diesem Thema. Konkreten Kooperationsbedarf sah man bei der regi-
onalen Siedlungsflächenentwicklung – und zwar sowohl für Wohnen wie für Gewer-
be. »Wenn innerstädtisch die Flächen nicht ausreichen, wird es darauf hinauslaufen
müssen, regional zu denken und zu arbeiten«. Das müsse aber eng verknüpft werden
mit Fragen der Mobilität. Genannt wurden vor allem der öffentliche Verkehr (»Bahn-
anbindungen«) und Velorouten: »Man kann bei der Erreichbarkeit nicht nur auf das
Auto setzen«. Weitere Kooperationsfelder werden auch in der regionalen Bildungsland-
schaft gesehen.
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