Israel und die extreme Rechte in Europa: eine unheilige Allianz

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Israel und die extreme
Rechte in Europa:
eine unheilige Allianz

Ksenia Svetlova            Europas illiberale und rechtsextreme Parteien und
                           die israelische Regierung teilen die Werte des
                           Ethnonationalismus und hegen eine tiefe Aversion
                           gegen Geflüchtete und Menschenrechte. Sie gehen
                           eine immer engere Allianz ein.

Sie geben sich die Hand und statten einander freundschaft-    Premierminister Israels. Die Beziehungen zwischen Israel
liche Besuche ab; sie würdigen die Justiz und die liberalen   und der extremen Rechten in Europa scheinen heute en-
Werte herab und äußern ähnliche Ansichten; hauptsäch-         ger als jemals zuvor, trotz der offiziellen Politik des israeli-
lich jedoch teilen sie die Werte des Ethnonationalismus       schen Außenministeriums, viele der rechtsextremen Par-
und eine tiefe Abneigung gegen Geflüchtete, den Islam         teien in Europa zu meiden.
und die EU.                                                     Allein im letzten Jahr hat Premierminister Netanjahu sich
   Im letzten Jahrzehnt haben die rechtsextremen und -po-     mit dem ungarischen Premierminister Viktor Orbán ge-
pulistischen Parteien in Europa, von denen einige ihre Wur-   troffen, die Beziehungen zu der nationalistischen polni-
zeln in nationalsozialistischen und faschistischen Bewe-      schen Regierung gestärkt und Matteo Salvini, den um-
gungen der Vergangenheit haben, einen überraschenden          strittenen Chef der rechtsextremen Lega Nord, zu einem
Bettgenossen im Nahen Osten gefunden – die von Ben-           Besuch empfangen. Zugleich bringen seine Berater*innen
jamin Netanjahu (Likud) geführte israelische Regierung.       und Knesset-Abgeordnete seiner Partei ihre Unterstützung
   Am Anfang der Annäherung, vor etwa 20 Jahren, gab es       für die spanische Vox und für Marine Le Pen in Frankreich
noch geheime Treffen. Zu der Zeit galt die extreme Rechte     zum Ausdruck und trafen sich mit Heinz-Christian Stra-
in Europa als Paria und der Likud in Israel hatte noch rote   che, dem ehemaligen Chef der Freiheitlichen Partei Ös-
Linien, die er nicht überschritt. Die Parteien nahmen da-     terreichs (FPÖ).
mals erste Fühlung miteinander auf. Heute erlangt die ex-       Es gibt viele Gründe für die gegenseitige Anziehung zwi-
treme Rechte in Europa immer mehr Einfluss und Macht          schen Netanjahus Regierung und der extremen Rechten in
und Netanjahu ist mittlerweile der am längsten amtierende     Europa. Die extreme Rechte in Europa braucht Legitimität
und versucht, diese durch eine Verbindung mit Israel zu         Unterstützung für Israel pries. Im Jahr 2010 war der stell-
erlangen. Die israelische Rechte wiederum sucht europäi-        vertretende Minister für die Entwicklung des Negevs und
sche Verbündete, die ihre Ansichten in Bezug auf Geflüch-       Galiläas, Ayoob Kara (Likud), von der FPÖ nach Wien ein-
tete, Menschenrechte und Nationalismus teilen und Israel        geladen worden. Er hatte dort einen vielbeachteten Me-
vor Kritik der EU an der Situation in den besetzten paläs-      dienauftritt, bei dem er verkündete, dass Strache ein groß-
tinensischen Gebieten schützen.                                 artiger Partner im Kampf gegen den Terrorismus sei.
   Es gibt jedoch noch einen weiteren Aspekt in dieser un-         Als die FPÖ im Jahr 1999 Teil der Regierungskoalition
heiligen Allianz. Jetzt, da Ultra-Nationalismus in der globa-   wurde, reagierte Israel damals unter der Regierung von
len Politik an Zuspruch gewinnt und die extreme Rechte          Premierminister Ehud Barak (Arbeitspartei) noch schnell
immer mehr Wähler*innen an sich bindet, entwickelt sich         und entschlossen. Es rief seinen Botschafter aus Öster-
die taktische Zusammenarbeit zwischen Israel und der ex-        reich zurück und stufte seine Beziehungen mit Wien he-
tremen Rechten in Europa zu einem strategischen Bünd-           rab. In dieser Zeit war in Europa die Kritik an der Beteili-
nis mit regionalen und globalen Auswirkungen.                   gung der FPÖ an der Regierungskoalition in Österreich so
   Im Laufe der Jahre ist es der Opposition in Isra-            stark, dass sich die EU einige Monate von dem Land dis-
el, der Holocaust-Überlebende, Linke und professionel-          tanzierte. Es war damals unvorstellbar, dass sich irgend-
le Diplomat*innen angehören, nicht gelungen, die neue           ein israelische Politiker mit FPÖ-Chef Jörg Haider treffen
Ausrichtung der Europapolitik von Netanjahus Regierung          würde, der Konzentrationslager «Straflager» nannte und in
zu verhindern oder zu korrigieren. Es gibt nur wenig Kon-       hanebüchenen Äußerungen Teile der Nazi-Politik guthieß.
takte zwischen der israelischen Zivilgesellschaft und den          Just zu dieser Zeit begann sich alles zu ändern. Im Jahr
in Europa lebenden Juden und Jüdinnen und so wurde              2003 kam der italienische Postfaschist Gianfranco Fini zu-
der Aufschrei der israelischen Opposition auf der anderen       sammen mit Amos Luzzatto, dem Vorsitzenden der jüdi-
Seite des Mittelmeers nicht gehört. Die scharfe, oft het-       schen Gemeinde in Italien, zu einem offiziellen Besuch
zerische Kritik in der Knesset seitens der israelischen Re-     nach Israel. Fini war damals darum bemüht, das proble-
gierung und in den Medien an der EU hat es ermöglicht,          matische Image seiner Partei Alleanza Nazionale loszuwer-
den Feind des Feindes in einen Freund zu verwandeln. Das        den. 2004 kam er erneut nach Israel und traf sich mit Pre-
geschah wie folgt.                                              mierminister Ariel Scharon (damals Likud).
                                                                   Im Dezember 2010 reiste eine Delegation, bestehend aus
                                                                etwa 30 führenden Mitgliedern der Europäischen Allianz für
Von Gianfranco Fini über Matteo Salvini                         Freiheit, nach Tel Aviv. Darunter waren Geert Wilders aus
zu Heinz-Christian Strache                                      den Niederlanden, Filip Dewinter aus Belgien, Heinz-Chris-
                                                                tian Strache aus Österreich und Politiker*innen aus Partei-
Im Februar 2018 traf sich Jehuda Glick, damals noch ein         en, denen Holocaust-Leugner*innen, Neo-Faschist*innen
Knesset-Abgeordneter des Likud, mit dem österreichi-            und Antisemit*innen angehören. Sie waren vom Likud
schen Vizekanzler Heinz-Christian Strache, Chef der FPÖ,        eingeladen worden, um über «den Krieg gegen den Ter-
und der österreichischen Außenministerin Karin Kneissl. Er      ror» zu sprechen.
hatte sich zu diesem Schritt entschieden trotz der offiziel-       Im Jahr 2014 traf sich Ofir Akunis (Likud) mit einer De-
len Anweisung, keine Kontakte zu FPÖ-Funktionär*innen           legation der Partei Vlaams Belang (Flämische Interessen)
zu pflegen, die von keinem anderen als seinem Parteichef        unter der Führung von Filip Dewinter, obwohl diese Par-
und Premierminister, der damals auch Außenminister war,         tei vonseiten der israelischen Botschaft in Belgien sowie
nämlich Benjamin Netanjahu, erteilt worden war.                 auch der dortigen jüdischen Gemeinde boykottiert wird.
   Glick, eine schillernde Figur, der hauptsächlich für sein    Akunis veröffentliche Details dieses Treffens in den sozia-
Engagement für jüdisch-messianische Gruppen, die auf            len Medien und erwähnte, dass er sich gefreut habe, «wei-
dem Tempelberg beten wollen, bekannt ist, ignorierte auch       terhin ein Sprecher Israels zu sein, ohne sich zu entschul-
den Aufschrei der jüdischen Gemeinde in Österreich, die         digen oder zu winden.».2 Im Jahr 2017 gab ein weiterer
ihn drängte, das Treffen abzusagen. Sie schickte ihm Do-        Knesset-Abgeordneter des Likud, Oren Hazan, bekannt,
kumente, die belegen, dass die «Freiheitliche» Partei zu-       er unterstütze die Präsidentschaftskandidatur von Mari-
mindest an ihren Rändern offen antisemitisch ist und dass       ne Le Pen in Frankreich.
sie sich immer noch nicht von ihrer dunklen Vergangen-             Israels Regierung bemüht sich ebenfalls um enge Be-
heit gelöst hat.                                                ziehungen mit dem ungarischen Ministerpräsidenten Vik-
   Glick tat diese Informationen als irrelevant und mani-       tor Orbán. Während seines Besuchs in Budapest im Juli
puliert ab. Später verteidigte er seine Entscheidung und        2018 pries Netanjahu Orbán und nannte ihn einen wahren
schrieb in seinem privaten Twitter-Account: «Israel stellt      Freund Israels. Später wurde öffentlich, dass Netanjahus po-
die Welt auf den Kopf, um gegen den Boykott gegen Is-           litische Berater*innen Orbán bei seiner aggressiven politi-
rael zu kämpfen», und argumentiert, dass auch Produk-           schen Kampagne gegen den US-amerikanischen jüdischen
te aus «Judäa und Samaria» [das heißt der Westbank] un-         Philanthropen und Geschäftsmann George Soros geholfen
ter diesen Boykott fallen. «Zugleich boykottiert Israel eine    hatten. Selbst als Orbán Miklós Horthy, der (mit)verantwort-
Partei in Österreich, die von 25 Prozent der Wähler ge-         lich für antisemitische Gesetze und die Deportation von zir-
wählt wurde und die 40 Prozent der Minister in der Re-          ka 400.000 ungarischen Juden und Jüdinnen ins KZ war,
gierung stellt.»1 Glick war nicht der erste israelische Po-     als einen «außergewöhnlichen Staatsmann» bezeichnete,
litiker, der sich mit Strache traf und ihn für seine offene     legte das israelische Außenministerium keinen Protest ein.

2
Ein weiterer Staat der Visegrád-Gruppe3, mit dem Ne-          gab es bereits vereinzelte inoffizielle Kontakte mit diesen
tanjahu enge Beziehungen pflegte, ist Polen. Es kam erst        Randgruppen, aber während Avigdor Liebermans Amts-
dann zu Unstimmigkeiten in den neu geknüpften engen             zeit kam es zu einer völligen Kongruenz zwischen den po-
Beziehungen, als in Polen Anfang 2018 ein Gesetz verab-         litischen Interessen der Regierungskoalition und der Au-
schiedet wurde, das die Behauptung einer polnischen Be-         ßenpolitik», sagt Etzion.6
teiligung am Holocaust unter Strafte stellt.                       Weder Lieberman noch Netanjahu änderten die offiziel-
  Im Dezember 2018, 16 Jahre nach Finis erstem Besuch           le Linie des israelischen Außenministeriums in Bezug auf
in Israel, empfing Netanjahu aufs Herzlichste den damali-       neofaschistische und rechtsextreme politische Parteien
gen italienischen Innenminister und stellvertretenden Mi-       und Bewegungen in Europa. Inoffiziell allerdings arbeite-
nisterpräsidenten Matteo Salvini, der nicht bereit ist, den     ten sie intensiv daran, Verbindungen mit ihnen auf- und
Sieg über den Faschismus als Anlass zum Feiern zu sehen.        auszubauen. Während einige Knesset-Abgeordnete und
  Am Tag der Parlamentswahlen 2019 in Spanien tweete-           Minister*innen des Likud sich in den letzten Jahren ohne
te Eli Hazan, der Chef der Abteilung für Auswärtige An-         Zögern in die offenen Arme der rechtsextremen Parteien
gelegenheiten in Netanjahus Likud, dass er die rechtsext-       in Europa warfen und selbst der Premierminister sich um
reme Partei Vox unterstütze. (Später löschte er den Tweet       gute Beziehungen zur Visegrád-Gruppe bemühte, behielt
und entschuldigte sich für dessen Inhalt.) Erst im März         das israelische Außenministerium seine Zurückhaltung
2019 hatte Vox Fernando Paz als Kandidaten für die Par-         und seinen skeptischen Ansatz gegenüber einer Annähe-
lamentswahlen in der Stadt Albacete aufgestellt. Paz hat        rung an die extreme Rechte in Europa bei. Die Beamten
den Nürnberger Prozess gegen die Hauptkriegsverbre-             des Ministeriums wurden einige Male von Knesset-Abge-
cher als Farce bezeichnet; er stellt die akzeptierte histori-   ordneten des Likud, wie zum Beispiel Jehuda Glick, dafür
sche Darstellung des Holocausts offen infrage und pflegt        kritisiert, dass sie zu vorsichtig seien. Nach Glicks Ansicht
enge Beziehungen mit La Falange, einer faschistischen           schade dies israelischen Interessen.
und antisemitischen Partei. Die Knesset-Abgeordneten,              Nach den Wahlen in Österreich entschied sich das is-
Minister*innen und führenden Persönlichkeiten des Likud         raelische Außenministerium gegen eine Kontaktaufnah-
behaupten, dass sie lediglich eine realpolitische Strategie     me zur FPÖ und machte deutlich, was es von der FPÖ-
verfolgen, um Israels Interessen bestmöglich zu wahren.         Führung an Änderungen als Voraussetzung für normale
  Neben dem Likud ist die Lobby der Siedler*innen ein ge-       Beziehungen erwartet. Im April 2019 veröffentlichte das
wichtiger Akteur, der auf engere Beziehungen zwischen Is-       israelische Außenministerium eine Direktive, in der es
rael und der extremen Rechten in Europa drängt. Dies liegt      Minister*innen davon abriet, sich mit einem Mitglied ei-
daran, dass die rechtsextremen Parteien in Europa nicht         ner rechtsextremen schwedischen Partei zu treffen, das Is-
die Meinung des Mainstreams in der EU in Bezug auf die          rael mit einer Delegation europäischer und US-amerikani-
israelischen Siedlungen in der Westbank teilen. Während         scher Parlamentarier*innen besuchte. Die Justizministerin
eines Besuchs Israels und der israelischen Siedlungen im        Ajelet Schaked und die stellvertretende Außenministerin
Jahr 2017 verurteilte Heinz-Christian Strache die von der       Tzipi Hotovely sagten eine Zusammenkunft mit dem Jeru-
EU beschlossene Kennzeichnung von Waren aus den Sied-           salem Leaders Summit ab, weil Kristina Winberg, Abge-
lungen.4 Er sagte, dass seine FPÖ diesen Beschluss «nicht       ordnete der Schwedendemokraten im Europäischen Parla-
tolerieren kann».5 Das Treffen zwischen dem stellvertre-        ment, an diesem Treffen teilnehmen sollte. Zudem wurde
tenden Minister Ofir Akunis und den führenden Mitglie-          Winberg gebeten, nicht bei einem Briefing des stellver-
dern der Partei Vlaams Belang wurde von dem Vorsitzen-          tretenden Direktors des Außenministeriums, Jeremy Iss-
den des Regionalrats im Norden der besetzten Westbank,          acharoff, anwesend zu sein. Eine Sprecherin des Außen-
Gerschon Mesika, und seinem Stellvertreter Yossi Dagan          ministeriums sagte, dass man sich aufgrund der extremen
organisiert. Die beiden repräsentieren das «nationale La-       Ideologie und Ansichten von Winbergs Partei zu diesen
ger», das heißt die Lobby der Siedler*innen, im Likud.          Schritten entschlossen hätte. Zugleich nahm das israeli-
                                                                sche Außenministerium im Jahr 2018 auf Anordnung von
                                                                Netanjahu seine Kritik am Antisemitismus in Ungarn zu-
Richtungskämpfe innerhalb des                                   rück und wetterte stattdessen gegen George Soros.
israelischen Außenministeriums                                     Es gibt anscheinend einen offenen Konflikt zwischen pro-
                                                                fessionellen Diplomat*innen, die in der Regel sehr vorsich-
In den letzten Jahren war Benjamin Netanjahu auch Au-           tig in Bezug auf eine Annäherung an die extreme Rechte
ßenminister und gab so diesen wichtigen Posten nicht aus        in Europa sind, und Mitgliedern der israelischen Regie-
der Hand. Der vorhergehende Außenminister, Avigdor Lie-         rungskoalition, die engere Beziehungen zu diesen befür-
berman, Chef der rechten Partei «Unser Zuhause Israel»,         worten, falls damit wesentliche politische Vorteile für Is-
hatte eine Reihe von inoffiziellen Treffen mit führenden        rael einhergehen.
Mitgliedern der extremen Rechten in Europa, in denen er            In den letzten vier Jahren seiner Amtszeit als Außenminis-
die Möglichkeiten solcher Allianzen auslotete. Nach An-         ter unterstützte Netanjahu einerseits die Entscheidungen
gaben von Eran Etzion, ehemaliger stellvertretender Vor-        der Beamten seines Ministeriums, erlaubte aber zugleich
sitzender des Nationalen Sicherheitsrats und ehemaliger         Mitgliedern seiner Partei, die Lage auszuloten und sich
Vorsitzender der politischen Planungsabteilung des isra-        mit europäischen Rechtsextremist*innen zu treffen. Trotz
elischen Außenministeriums, begann die politische Neu-          der alarmierenden Zunahme von Antisemitismus in Euro-
orientierung bereits in Liebermans Amtszeit. «Auch vorher       pa und in den USA hat das israelische Außenministerium

                                                                                                                           3
kaum etwas unternommen, um gegen Hassreden und an-              verabschieden. Und es scheint in Europa immer schwie-
tisemitische Angriffe vonseiten der extremen Rechten zu         riger zu werden, den für eine bedeutsame Entscheidung
protestieren. Der Notlage der jüdischen Gemeinden und           in dieser Angelegenheit erforderlichen Konsens zu erzie-
Organisationen in Europa und Nordamerika schenkt es             len. Die von Brüssel häufig geäußerte Kritik an der israeli-
keine Beachtung.                                                schen Politik teilt die Führung der Visegrád-Gruppe nicht,
                                                                in wichtigen Fragen stimmt sie mit Israel überein, was etwa
                                                                den Umgang mit Geflüchteten oder Sicherheitsangelegen-
Kampfgenossen                                                   heiten betrifft. Wenn in der Vollversammlung der Verein-
                                                                ten Nationen Abstimmungen zum israelisch-palästinensi-
Während in den frühen 2000er Jahren die rechtsextremen          schen Konflikt anstehen, enthalten sich die Regierungen
Parteien in Europa geächtet wurden, sind sie im Jahr 2019       der Länder der Visegrád-Gruppe häufig oder blockieren
dabei, zum Mainstream in vielen Teilen des Kontinents zu        Beschlüsse, die sich gegen Israels offizielle Politik richten.
werden. Dies ist bereits in Ungarn, Österreich und Italien         Es lässt sich darüber diskutieren, ob diese Entwicklun-
der Fall. In vielen anderen europäischen Ländern ist es ih-     gen Israel letztendlich nützen oder schaden werden. Es ist
nen gelungen ist, in erheblichem Maße Unterstützung in          jedoch zweifellos so, dass die führende Regierungspar-
der Öffentlichkeit zu erlangen, auch wenn sie (noch) nicht      tei sowie ein beträchtlicher Teil der israelischen Bevölke-
die Regierung bilden oder an Regierungskoalitionen betei-       rung, der die EU-Haltung im israelisch-palästinensischen
ligt sind. Wie der in Israel regierende Likud sind viele die-   Konflikt kritisiert, davon überzeugt sind, dass eine Annä-
ser Parteien ethnozentrisch eingestellt, feindselig gegen-      herung an die extreme Rechte in Europa gut für Israel ist.
über Geflüchteten und äußerst kritisch gegenüber der EU.
   Nach Mitvim, dem «Israeli Institute for Regional Foreign
Policies» hat die Mehrheit der Israelis ein negatives Bild      Der große Umzug nach Jerusalem
von der EU. In einer von Mitvim in Auftrag gegebenen Um-
frage antworteten 55 Prozent der Befragten, dass sie die        Und dann gibt es da noch den Konflikt um den Umzug der
EU «eher als einen Feind» betrachten. Viele Menschen in         Botschaften nach Jerusalem. Bisher hat noch kein euro-
Israel sind sich nicht bewusst, dass die EU aufgrund des        päischer Staat beschlossen, den USA zu folgen und sei-
hohen Handelsvolumens Israels wichtigster Wirtschafts-          ne Botschaft nach Jerusalem zu verlegen. Es gibt jedoch
partner ist, und haben noch nie von wichtigen EU-Pro-           viele politische Parteien und Politiker*innen in der EU, die
grammen gehört, wie zum Beispiel Erasmus+ oder Ho-              beteuern, dass sie sich für eine solche Verlegung der offi-
rizon 2020, die das Bildungs- und Wissenschaftssystem           ziellen Vertretung ihres Landes einsetzen würden, falls sie
in Israel fördern. Hingegen wissen sie, dass die EU eine        in entsprechende Machtpositionen kämen. Heinz-Christi-
klare Position im israelisch-palästinensischen Konflikt ein-    an Strache war der erste, der Trumps Vorstoß befürworte-
nimmt und eine Zwei-Staaten-Lösung unterstützt, die von         te und beteuerte, dass er alles in seiner Macht Stehende
der israelischen Regierung seit etlichen Jahren abgelehnt       tun werde, um eine Verlegung der österreichischen Bot-
wird. Sie haben davon gehört, dass in der EU Waren aus          schaft nach Jerusalem in die Wege zu leiten. Im Mai 2018
den israelischen Siedlungen einer Kennzeichnungspflicht         gelang es Ungarn, der Tschechischen Republik und Rumä-
unterliegen und dass «Europa an den radikalen Islam und         nien, eine gemeinsame EU-Erklärung, mit der der Umzug
muslimische Flüchtlinge verloren ist».7                         der US-amerikanischen Botschaft nach Jerusalem verur-
   Die gegen die EU gerichtete Hetz-Rhetorik in der Knes-       teilt werden sollte, zu blockieren.
set und in den Medien hat Spuren im Bewusstsein der               Anfang 2019 nahm sich das israelische Außenministe-
Menschen hinterlassen. Sie resultierte in einer weit ver-       rium als Teil seines Jahresarbeitsplans vor, mindestens ei-
breiteten Ablehnung der EU und ihrer Politik. Zugleich wer-     nen EU-Staat dazu zu bekommen, seine Botschaft nach
den Akteure begrüßt, die anti-islamisch und pro-israelisch      Jerusalem zu verlegen. In der Zwischenzeit hat die Tsche-
erscheinen. Die Einstellung zum israelisch-palästinensi-        chische Republik eine elegante Lösung gefunden und be-
schen Konflikt und zu den israelischen Siedlungen wur-          schlossen, ein Tschechisches Kulturzentrum in Jerusalem
de zum Prüfstein im Umgang mit Parteien, Bewegungen             zu eröffnen. Ungarn folgte mit der Eröffnung eines Han-
und Politiker*innen in Europa. Jedwede Kritik an der isra-      delsbüros in der Stadt. Beide waren nicht zu einem offe-
elischen Politik im Gazastreifen und in der Westbank wird       nen Bruch mit den EU-Institutionen bereit. Vor Kurzem
sofort als Antisemitismus gebrandmarkt, während man bei         bestätigte Rumänien, dass es sich «weiterhin dem Ver-
denjenigen, die bereit sind, den israelischen Siedlungsbau      sprechen, seine Botschaft nach Jerusalem zu verlegen,
zu unterstützen, alle antisemitischen Äußerungen und so-        verpflichtet» fühlt.8 Somit ist das Thema noch nicht vom
gar die Leugnung des Holocaust durchgehen lässt.                Tisch. Bisher ist nur Guatemala den USA gefolgt und hat
   Israels Annäherung an die Visegrád-Gruppe war be-            seine Botschaft neu in Jerusalem eröffnet.
sonders erfolgreich, was das angestrebte Ergebnis an-
geht: Die EU soll daran gehindert werden, folgenschwere
Entscheidungen in Bezug auf die israelischen Siedlungen         Die Verbindung zu Trump
oder Menschenrechtsfragen in den besetzten palästinen-
sischen Gebieten zu treffen. In den letzten Jahren ist es       Da Netanjahu den Iran als Gefahrenherd Nummer eins
dem Außenministerrat der EU nicht gelungen, irgendei-           auf Israels nationale Agenda gesetzt hat, ist es nur fol-
ne bindende Entscheidung in Bezug auf Israel/Palästina zu       gerichtig, dass er in Europa um Unterstützer*innen für

4
seine Politik wirbt. Er sucht Partner, mit denen er gegen        verurteilen nach außen die Leugnung des Holocaust und
die EU, die trotz Donald Trumps Ausstieg im Jahr 2018            antisemitische Vorfälle. Ein gutes Beispiel für diese Stra-
immer noch am Atomabkommen (JCPOA) mit dem Iran                  tegie ist Heinz-Christian Strache in Österreich.
festhält, vorgehen kann. Hier befinden sich die Staaten              Die österreichische Tageszeitung Die Presse berichtete
der Visegrád-Gruppe in einer Zwickmühle: Sie könnten             im Jahr 2016, dass Strache mit seinem Besuch in Israel
Ärger in Teheran und Brüssel bekommen, wenn sie zu               beabsichtige, «sich in Israel koscher zu machen»,10 in der
eng mit Israel und den USA gegen den Iran zusammen-              Annahme, dass wenn der jüdische Staat ihn akzeptiere,
arbeiten. Nicht alle unterstützen Netanjahus und Trumps          Politiker*innen andernorts dies auch tun würden. Er spricht
Behauptung, wonach der Iran eine Gefahr für die globa-           sich auch für die Verlegung der österreichischen Botschaft
le Stabilität ist. Zum Beispiel unterhält Viktor Orbán gute      von Ramat Gan (bei Tel Aviv) nach Jerusalem aus und ist
Beziehungen mit Teheran und hat niemals das iranische            davon überzeugt, dass Israel berechtigt sei, Siedlungen
Regime offen kritisiert. Orbán war gegen die Sanktionen,         in der Westbank zu bauen. Wie viele andere rechtsextre-
die die USA und die Vereinten Nationen gegen Iran ver-           me Parteien in Europa, einschließlich der AfD in Deutsch-
hängten, und freute sich darüber, dass Iran diese «über-         land, gibt sich die FPÖ als philosemitisch und pro-israe-
lebt» hat. Der ungarische Wirtschaftsminister Mihály Var-        lisch, um ihre gegen Muslim*innen und Immigrant*innen
ga ging sogar noch einen Schritt weiter und erklärte seine       gerichtete Agenda zu verfolgen.
Unterstützung für die iranische Position während der Ver-            Nach dem Ausschluss von Repräsentant*innen der AfD
handlungen über das Atomabkommen. Israel prangerte               aus einer Delegation von Kommunalpolitiker*innen, die
verschiedene EU-Staaten wegen ihrer weiterbestehen-              nach Israel eingeladen waren, sagte Christin Thüne, Frak-
den Handelsbeziehungen zu Teheran an, wetterte aber              tionsvorsitzende der AfD im Stadtrat von Offenbach: «Die-
nie gegen Budapest.                                              se Entscheidung ist umso erstaunlicher, als sich die AfD
  Andere benutzen die Iran-Karte, um ihre eigenen Inte-          in der Vergangenheit konsequent für die Interessen des
ressen zu verfolgen, insbesondere um ihre Beziehungen            Staats Israel eingesetzt und sich dem steigenden Antise-
mit den USA auszubauen. Im Februar 2019 fand auf Initi-          mitismus, der nach Deutschland importiert wurde, wider-
ative der USA ein Anti-Terror-Gipfel in Warschau statt. Es       setzt hat.»11 Führende Mitglieder der AfD machen oft äu-
war im Grunde ein gegen den Iran gerichtetes Gipfeltref-         ßert irritierende Äußerungen zum Holocaust und zu den
fen, das den Deckmantel einer allgemeinen Anti-Terror-Ver-       Nazis, die sie als «Vogelschiss in der mehr als tausend-
anstaltung nutzte. Europäische Spitzenpolitiker*innen blie-      jährigen deutschen Geschichte» bewerten. Dennoch er-
ben dem Treffen fern, was hochrangige Teilnehmer*innen           hält die Partei Unterstützung von einigen deutschen Ju-
aus den USA dazu nutzten, um diese direkt anzugreifen.           den und Jüdinnen, insbesondere russischer Herkunft, weil
«Sie nennen dieses Programm ein ‹Vehikel für Sonderein-          diese in der Zuwanderung muslimischer Menschen eine
sätze›; wir nennen es einen unklugen Schritt, der nur den        Bedrohung für sich sehen.
Iran stärken, die EU schwächen und die Kluft zwischen                Die ultranationalistische Vox in Spanien, die eine multi-
Europa und Amerika weiter vergrößern wird», sagte der            kulturelle Gesellschaft und Einwanderung ablehnt, scheint
US-amerikanische Vizepräsident Mike Pence in Bezug auf           auch von Israel fasziniert zu sein, insbesondere von des-
den Mechanismus, den Europa verwendet, um den Han-               sen fragwürdiger Form der Demokratie sowie dem Kampf
del mit Iran weiterzuführen und damit das Atomabkom-             der Regierung gegen illegale Einwanderung. Vox glaubt,
men zu retten.9                                                  Israel sei die einzige Bastion des Lichts im Meer des ra-
   Polen entschied sich, das Gipfeltreffen auszurichten, trotz   dikalen Islam.
des Risikos, sowohl Brüssel als auch Teheran damit vor              Aber sind diese Parteien wirklich pro-israelisch? In einem
den Kopf zu stoßen. Stärker wog wohl die Hoffnung, sich          Interview mit der Zeitung Times of Israel kam der nieder-
die US-amerikanische Unterstützung im Fall von russi-            ländische Politikwissenschaftler Cas Mudde zu folgender
schen Vorstößen in der Region zu sichern. Mitte Mai 2019         Einschätzung: «Mit einigen auffälligen Ausnahmen […]
gelang den polnischen und US-amerikanischen Verteidi-            sind diese populistischen, rechtsradikalen Parteien nicht
gungsministern ein Durchbruch in den Verhandlungen               wirklich pro-israelisch und setzen sich in der Regel nicht
über die Anhebung der Anzahl der auf polnischem Territo-         für das umfassendere Ziel eines liberalen, demokratischen
rium stationierten US-Truppen. Die Entscheidung, sich mit        Israel ein. Israel wurde zum ‹cause célèbre› für anti-isla-
den USA und Israel gegen den Iran zu verbünden, stell-           mische Politiker auf der ganzen Welt. Die FPÖ hofft auch,
te sich für dieses europäische Land als ein erfolgreicher        dass eine pro-israelische Haltung ihr in Österreich dabei
Schachzug heraus.                                                helfen wird, normaler zu erscheinen, und sie von ihrem
                                                                 ‹braunen› Stigma befreit. Und letztlich erhofft sie sich Un-
                                                                 terstützung und Wählerstimmen von einigen österreichi-
Persilschein für die extreme Rechte                              schen Juden.»12
                                                                     Beziehungen zwischen Politiker*innen einer liberalen De-
Viele der rechtsextremen Parteien in Europa sprechen öf-         mokratie und solchen aus rechtsextremen ultranationalisti-
fentlich über ihre Sympathie für Israel, insbesondere für die    schen Bewegungen und Parteien sind in der Tat problema-
Politik der israelischen Regierung. Einige von ihnen, vor-       tisch. Es sollte jedoch nicht vergessen werden, dass sich
nehmlich diejenigen, die ihren Ursprung in der Nazi-Ver-         Israel in den letzten Jahren immer mehr in Richtung einer
gangenheit und im Antisemitismus haben, bemühen sich             illiberalen Demokratie entwickelt hat. Somit wird die ge-
deutlich, sich von dieser Vergangenheit zu distanzieren. Sie     meinsame Basis zwischen dem jüdischen Staat und seinen

                                                                                                                            5
rechtsextremen Freunden auf der ganzen Welt mit jedem          und simplifizierende Lösungen auf ihre Fahnen geschrie-
Tag, der vergeht, immer größer.                                ben haben, immer mehr an Einfluss gewinnen. Somit wird
                                                               Israels Romanze mit der extremen Rechten wohl nicht nur
                                                               andauern, sondern auch blühen und gedeihen. Einige der
Gegen den Strom                                                Parteien und Bewegungen, die eine Annäherung an Isra-
                                                               el suchen, werden in Zukunft als «koscher» geadelt wer-
Nicht alle in Israel freuen sich über diese neuen Verbin-      den, insbesondere, wenn sie Machtpositionen innehaben.
dungen. Der verstorbene israelische Präsident Schimon          Zugleich gibt es auch gegenläufige Tendenzen. Einer ist
Peres vermied es, sich mit führenden Mitgliedern euro-         der Umstand, dass noch keiner der europäischen Partner
päischer rechtsextremer Parteien zu treffen. Kürzlich sag-     sein Versprechen wahrgemacht hat, seine Botschaft nach
te Präsident Reuven Rivlin, dass sich Israel von der extre-    Jerusalem zu verlegen. Hinzu kommt, dass die Unterstüt-
men Rechten fernhalten sollte. Er umging es auch, sich mit     zung in Europa für Trumps Iran-Politik bestenfalls zurück-
Matteo Salvini sowie dem brasilianischen Präsidenten Jair      haltend ausfällt.
Bolsonaro zu treffen. Die Opposition in Israel hat vielfach       Ein weiterer Faktor, der die Beziehung zwischen israe-
ihre Ablehnung der zunehmenden und enger werdenden             lischer Regierung und europäischen Rechtsextremen be-
Beziehungen mit der extremen Rechten im Knesset-Aus-           lasten könnte, ist die beachtliche Zunahme von Antise-
schuss für Auswärtige Angelegenheiten und Verteidigung         mitismus. Obwohl israelische Politiker*innen wesentlich
zum Ausdruck gebracht. Verschiedene in der Knesset agie-       lieber den Antisemitismus in der radikalen Linken und un-
rende Lobbygruppen haben darauf hingewiesen, dass die-         ter Muslim*innen in Europa aufgreifen und kritisieren, lässt
se «neuen Freunde» für Antisemitismus, Leugnung des            sich das Problem traditioneller Formen des Antisemitis-
Holocaust, extremen Nationalismus und Xenophobie ste-          mus, die mit der hetzerischen Identitätspolitik der extre-
hen oder zumindest damit sympathisieren.                       men Rechten immer größere Ausmaße annimmt, kaum
  Für recht lange Zeit haben die jüdischen Gemeinden in        mehr leugnen. Wenn jüdische Gräber geschändet wer-
Europa zu der Annäherung zwischen Israel und rechts-           den und Tausende sich an Fackelzügen in europäischen
extremen Gruppen und Parteien aus ihren Ländern ge-            Städten beteiligen, wird es für die israelische Regierung
schwiegen. Sie meinten, dass die meisten der antisemiti-       schwierig, an ihrer Behauptung festzuhalten, die Rechts-
schen Verbrechen in Europa von der dortigen Linken und         extremen in Europa seien Israels beste Freunde. Ein gu-
den muslimischen Communities begangen werden. Füh-             tes Beispiel ist die komplizierte Situation in Polen, wo Ne-
rende Rabbiner und Mitglieder der jüdischen Gemeinden          tanjahu in eine «Geschichtsfalle» getappt ist und mit den
machen sich neuerdings jedoch Sorgen. «Es gibt einige          Grenzen seiner eigenen Realpolitik konfrontiert war.
Juden, die dazu neigen, für die extreme Rechte zu stim-           Trotz einiger gegenläufiger Entwicklungen wird die in die-
men, aber als Gott den Verstand verteilt hat, hat sich nicht   sem Beitrag beschriebene unheilige Allianz vorläufig Be-
jeder angestellt, um diesen zu bekommen. Ich habe ein          stand haben. Da auch in den nächsten Jahren eine rechte
Problem mit Menschen, die mit einer großen Kippa her-          Koalition Israels Außenpolitik bestimmen wird, ist davon
umlaufen, deren Großeltern Holocaust-Überlebende sind          auszugehen, dass bestimmte politischen Interessen wie
und die bereit sind, sich mit Menschen zusammenzuset-          das Scheitern jeglicher EU-Initiativen zur Beilegung des is-
zen, sie zu küssen und zu umarmen, die auf ihr Erbe des        raelisch-palästinensischen Konflikts oder gar eine grundle-
Völkermords und des Zweiten Weltkriegs sehr stolz sind»,       gende Änderung der diesbezüglichen EU-Politik sehr viel
sagte Rabbiner Pinchas Goldschmidt, Vorsitzender der Eu-       dominanter sein werden als moralische Erwägungen.
ropäischen Rabbinerkonferenz im Mai 2019.13 Er nannte
die AfD in Deutschland, die FPÖ in Österreich und Ras-            Übersetzt von Ursula Wokoeck Wollin
semblement National in Frankreich rechtsextreme Partei-
en, die nicht von europäischen Juden und Jüdinnen und             Ksenia Svetlova ist eine israelische
nicht von Israel unterstützt werden sollten.                      Journalistin und politische Analystin. Sie
                                                                  wurde in Russland geboren und wanderte
                                                                  als Schülerin mit ihrer Familie nach Israel
                                                                  aus. Svetlova hat an der Hebräischen
Aussichten                                                        Universität Jerusalem Nahoststudien und
                                                                  Publizistik studiert – ihr Spezialgebiet ist das
Es lässt sich wohl sicher voraussagen, dass die Bezie-            moderne Ägypten. Svetlova arbeitete beim
                                                                  israelischen Sender «Channel 9» als
hungen zwischen Israel und der extremen Rechten in Eu-            Nahost-Korrespondentin und politische
ropa in den nächsten Jahren noch enger zu werden dro-             Nahostexpertin. 2015 wurde sie als
hen. Überall in Europa erlebt der Rechtspopulismus einen          Kandidatin der Partei «Zionistische Union» in
Aufschwung, überall scheinen sich rechtsextreme Partei-           die Knesset gewählt. Sie war Mitglied des
                                                                  Ausschusses für Auswärtige Angelegenhei-
en außerordentlich großer Beliebtheit zu erfreuen und             ten und Verteidigung sowie des Ausschus-
ihre Führungsleute in Machtpositionen zu gelangen. Das            ses für Einwanderung und Absorption.
sieht man in den nationalen Parlamenten als auch im Eu-           Svetlova ist derzeit wissenschaftliche
ropäischen Parlament. Solange Einwanderung, die ange-             Mitarbeiterin am interdisziplinären Zentrum
                                                                  Herzliya. Sie ist verheiratet, hat drei Töchter
spannten Beziehungen zu Russland und wirtschaftliche
                                                                  und lebt mit ihrer Familie in Modi’in.
Stagnation weiterhin den Kontinent erschüttern, werden
diejenigen Kräfte, die sich besonders radikale Ideologien

6
8   Kahana, Ariel: Romania ‹remains committed
    Anmerkungen:                                         to relocating embassy to Jerusalem›, in:
                                                         Israel Hayom, 16.5.2019, unter: www.
1   Vgl. Lis, Jonathan: Israeli Lawmakers to
                                                         israelhayom.com/2019/05/16/
    Discuss Boycott of Austrian Far-right Cabinet
                                                         romania-remains-committed-to-relocating-
    Ministers, in: Haaretz, 19.2.2018, unter:
                                                         embassy-to-jerusalem/.
    www.haaretz.com/israel-news/
    israeli-lawmakers-to-discuss-boycott-of-aust-
                                                     9   https://www.bloomberg.com/news/
    rian-far-right-cabinet-min-1.5828684.
                                                         articles/2019-02-14/
                                                         pence-says-europe-pushing-u-s-away-by-ba-
2   https://www.haaretz.com/.
                                                         cking-iran-nuclear-deal.
    premium-likud-official-welcomes-anti-semi-
    tic-belgian-1.5341235.
                                                     10 https://www.jpost.com/Israel-News/
                                                        Politics-And-Diplomacy/
3   Die Visegrád-Gruppe, gelegentlich auch
                                                        Peres-refuses-to-meet-with-leader-of-far-
    Visegrád-Staaten genannt und unter der
                                                        right-Austrian-Freedom-Party-450996.
    Bezeichnung V4 bekannt, besteht aus den
    mitteleuropäischen Staaten Polen, Tschechi-
                                                     11 Garaev, Polina: German politician disinvited
    en, Slowakei und Ungarn. Sie besitzt keine
                                                        from trip to Israel due to AfD membership,
    formale oder institutionelle Struktur, sondern
                                                        in: i24New, 5.1.2019, unter: www.i24news.
    erscheint als «halboffizielles Binnenbündnis»
                                                        tv/en/news/international/
    in der EU und bemüht sich um den
                                                        europe/192538-190105-member-of-german-
    Austausch von Informationen sowie um die
                                                        far-right-afd-party-disinvited-from-trip-to-isra-
    Koordination politischer Positionen.
                                                        el-by-ngo
4   Dabei müssen Waren, die aus den israeli-
                                                     12 Ahren, Raphael: In Austria, rise of pro-Israel,
    schen Siedlungen in den besetzten Palästi-
                                                        far right faction forces Israel into corner, in:
    nensergebieten stammen, als solche
                                                        The Times of Israel, 11.10.2017, unter: www.
    gekennzeichnet werden und nicht als aus
                                                        timesofisrael.com/
    Israel stammende Produkte.
                                                        in-austria-rise-of-pro-israel-far-right-faction-
                                                        forces-israel-into-corner/.
5   https://www.i24news.tv/en/news/internatio-
    nal/
                                                     13 Sharon, Jeremy: Top European rabbi about
    europe/157739-171015-head-of-austria-s-far-
                                                        far-Right: Enemy of my enemy isn’t my
    right-has-neo-nazi-past-complex-history-
                                                        friend, in: The Jerusalem Post, 16.5.2019,
    with-israel.
                                                        unter: www.jpost.com/Diaspora/
                                                        Enemy-of-my-enemy-isnt-my-friend-says-
6   In einem von der Autorin mit ihm am 17. Mai
                                                        top-European-rabbi-of-far-Right-589775.
    2019 geführten Interview.

7   http://www.mitvim.org.il/images/Hebrew_re-
    port_-_2018_Israeli_Foreign_Policy_Index_of_
    the_Mitvim_Institute.pdf, S. 3 (Hebräisch).

                                                                                                            7
Glossar
Ariel Scharon                                   und Armeelager) im Mai 1994 der                  Staates Israel wurden. Nach dem Krieg von
                                                palästinensischen Autonomiebehörde               1948 stand die Westbank unter jordani-
— (1928–2014)                                   übergeben. Doch Israel kontrolliert bis          scher Kontrolle und wurde 1950 von
 war am Krieg von 1948 (1947–1949)              heute den Luftraum und die Küstengewäs-          Jordanien annektiert (was allerdings
 zunächst als Soldat, dann als Offizier         ser sowie die Grenzübergänge zu Israel.          international kaum anerkannt wurde). Im
 beteiligt; gründete 1953 auf Anweisung         Nach der Regierungsübernahme durch die           Krieg von 1967 eroberte Israel unter
 von David Ben-Gurion die Einheit 101, die      Hamas 2007 verschärfte Israel (in Zusam-         anderem auch die Westbank, deren
„Vergeltungsanschläge“ auf Ziele jenseits       menarbeit mit Ägypten) eine Reihe von            Besatzung bis heute fortbesteht.
 der israelischen Grenze durchführte            auferlegten Sanktionen und begann eine
                                                bis heute andauernde Abriegelung des
 (einschließlich des Massakers von Qibya in
                                                Gazastreifens, die den Zu- und Ausgang           Zweistaatenlösung
 der Westbank). Spielte eine zentrale Rolle
 in den Kriegen von 1956 und 1967, im           von Waren und Personen stark beschränkt          In der Debatte um die Lösung des
 sogenannten Abnutzungskrieg (1967–             und zu großer Not unter der Bevölkerung          israelisch-palästinensischen Konflikts
 1970) und im Krieg von 1973. Nach seinem       führte. Seit der vollständigen Abriegelung       bezeichnet der Begriff die Konzeption,
 Ausscheiden aus der Armee trat er dem          kam es zu mehreren bewaffneten Ausein-           wonach Israel die 1967 besetzten Gebiete
 Likud bei und hatte seit 1977 verschiedene     andersetzungen zwischen der israelischen         räumt und sich in seine international
 Ministerämter inne. In seiner Eigenschaft      Armee und Bewohner*innen des Gazastrei-          anerkannten Grenzen zurückzieht, während
 als Verteidigungsminister war er federfüh-     fen mit Tausenden von Toten, zum großen          im Gazastreifen und in der Westbank
 rend im ersten Libanonkrieg 1982. Die von      Teil palästinensische Zivilist*innen, und        (einschließlich Ost-Jerusalem) ein palästi-
 der israelischen Regierung eingesetzte         enormen Zerstörungen im Gazastreifen.            nensischer Staat entsteht. Diese Konzepti-
 Kahan-Kommission kam zu dem Ergebnis,                                                           on kann als eine revidierte Version des
 dass Scharon persönlich durch Unterlas-        Knesset                                          UNO-Teilungsplans von 1947 angesehen
 sung für das Massaker in Sabra und                                                              werden, die die historischen Entwicklun-
 Schatila verantwortlich sei. Er musste         (hebräisch für: Versammlung; nimmt Bezug         gen berücksichtigt. Es werden/wurden
 zurücktreten, übernahm aber eine Reihe         auf die Große Versammlung, das heißt             auch Varianten der Zweistaatenlösung
 weiterer Ministerposten. Während seiner        dem nach Überlieferung aus 120 Mitglie-          vertreten: So wird unter anderem von
 politischen Tätigkeit förderte Scharon         dern bestehenden Obersten Rat der                israelischer Seite oft die Teilung Jerusalems
 besonders die israelische Siedlungstätigkeit   jüdischen Gemeinden nach der Rückkehr            abgelehnt sowie die Räumung der
 in den besetzten palästinensischen             aus dem babylonischen Exil) bezeichnet           sogenannten Siedlungsblöcke, wobei
 Gebieten. 1999 wurde Scharon Likud-Chef,       das israelische Parlament in Jerusalem,          mitunter angeboten wird, andere Gebiete
 2000 war sein provokativer Besuch auf          dem 120 Abgeordnete angehören, die nach          Israels dem zu entstehenden palästinensi-
 dem Tempelberg/al-Haram al-Scharif ein         Verhältniswahlrecht mit einer Sperrklausel       schen Staat als Ersatz zu überlassen. Im
 Grund für den Ausbruch der Zweiten             von derzeit 3,25 Prozent gewählt werden,         Zusammenhang mit einem eventuellen
 Intifada. In den Jahren 2001 bis 2006 war      wobei sich Parteien oder Wahllisten zur          Landtausch wird von rechten israelischen
 er Premierminister. Angesichts des             Wahl stellen können. Eine Legislaturperio-       Politiker*innen zuweilen gefordert,
 Widerstands im Likud gegen seinen              de dauert in der Regel vier Jahre (siehe:        palästinensische Bürger*innen Israels
 Entflechtungsplan für den Gazastreifen         http://knesset.gov.il/main/eng/home.asp).        zusammen mit dem Land „abzutreten“.
 (2004) trat Scharon 2005 aus dem Likud
 aus und gründete Kadima. Im Januar 2006
 erlitt er einen Schlaganfall und fiel in ein
                                                Likud
 Koma, aus dem er nicht mehr aufwachte.         (hebräisch für: Vereinigung) entstand 1973
                                                als gemeinsame Wahlliste der von
                                                Menachem Begin geführten Cherut-Partei
Gazastreifen                                    und einer Reihe von rechten und liberalen
Mit rund 360 Quadratkilometern und einer        Bewegungen/Parteien in Reaktion auf die
Bevölkerung von fast 1,9 Millionen              gemeinsame Wahlliste von Arbeitspartei
Palästinenser*innen ist der Gazastreifen        und Mapam. Der Likud gewann die
eines der am dichtesten besiedelten             Wahlen 1977, womit die Mapai-Vorherr-
Gebiete der Welt. Er befindet sich an der       schaft zu Ende ging. 1988 lösten sich die
Mittelmeerküste und grenzt im Süden an          an der Wahlliste beteiligten Parteien auf
Ägypten und im Norden sowie Osten an            und der Likud wurde als Partei neu
Israel. Der Gazastreifen und die Westbank       konstituiert. Ihr derzeitiger Vorsitzender ist
sind die Gebiete des historischen Palästi-      Benjamin Netanjahu.
nas, die im Krieg von 1948 nicht Teil des
neu gegründeten Staates Israel wurden.
Nach 1948 befand sich der Gazastreifen, in
                                                Westbank
den sich viele palästinensische Flüchtlinge     Die Westbank, auf Deutsch auch Westjord-
gerettet hatten, unter ägyptischer Kontrolle.   anland genannt, ist ein fast 5.900 Quadrat-
Während des Krieges von 1956 eroberte           kilometer großes Gebiet, in dem heute um
die israelische Armee den Gazastreifen          die 2,8 Millionen Palästinenser*innen sowie
(und die Sinai-Halbinsel), musste allerdings    etwa 550.000 israelische Siedler*innen
aufgrund des internationalen Drucks             leben. Im Norden, Westen und Süden
wieder abziehen. Im Krieg von 1967              grenzt die Westbank (zu der auch Ost-Jeru-
eroberte Israel den Gazastreifen erneut. Im     salem gehört) an Israel und im Osten,
Zuge der Oslo-Abkommen wurde die                entlang des Jordan-Flusses, an Jordanien.
Verwaltung des Gazastreifens (mit               Die Westbank und der Gazastreifen sind
Ausnahme der bis zu deren Aufgabe in            die Gebiete von Palästina, die im Krieg von
2005 bestehenden israelischen Siedlungen        1948 nicht Teil des neu gegründeten

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