Italienische Alternative - Vulcan Air
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Motorflug Pilot Report Italienische Alternative Text + Fotos Patrick Holland-Moritz Muss es immer Cessna sein? Vulcanair hat mit seiner Einmot V1.0 einen robusten Schulterdecker in Metallbauweise zum attraktiven Preis im Programm. Ob die Italienerin der 172er Paroli bieten kann, darf sie im Probeflug unter Beweis stellen. 8 aerokurier 5/2020 aerokurier 5/2020 9
Daten Vulcanair V1.0 Hersteller Vulcanair, Casoria, Italien Vertrieb Allgemeines Marcus Lüer, multiprop.de Massen und Mengen Leermasse maximale Abflugmasse maximale Landemasse ab 738 kg 1155 kg 1100 kg E s dürfte nur wenige Piloten geben, die nicht in ir- gendeiner Form Bekanntschaft mit der Cessna 172 gemacht haben. Simple Flugeigenschaften gepaart mit der robusten Ganzmetallbauweise bescheren der betagten Lady bis heute, 64 Jahre und etliche Versionen nach dem Erstflug, eine treue Fangemeinde. Konkurrenten haben es da schwer, Paroli zu bieten – oder? Vulcanair aus Italien hat jedenfalls eine Alternative im Angebot. Ein Flugzeug aus der Feder von Konstrukteur Luigi Pascale, EASA- Bauart abgestrebter Schulterdecker Tankinhalt 190 l/137 kg zugelassen und seit 2016 in Produktion. Dennoch ist die Vulcanair in Ganzmetallbauweise Flugleistungen V1.0 hierzulande noch wetgehend unbekannt. Zeit also, die Italiene- Sitzplätze4 Zulassung EASA CS-23 Startrollstrecke 244 m rin bei einem Probeflug kennenzulernen. Lastvielfache+4,5 g / -1 g Startstrecke über 15-m-Hindernis326 m Eher zufällig bahnt sich mein Kontakt zur Vulcanair V1.0 an. In der Preis ab 285 600 Euro inkl. Steuer Landerollstrecke 190 m Flugzeugwerft in Bonn/Hangelar treffe ich im Sommer 2019 Markus bestes Steigen 1000 ft/min Antrieb Lüer, der hierzulande den Vertrieb für den Hersteller aus dem Süden bei 80 KIAS HerstellerLycoming Italiens managt. Als wir uns begegnen, begutachtet er gerade die V1.0 Reisegeschwindigkeit 128 KTAS ArtIO-360-M1A bei 75% in 6000 ft eines Kunden, die zur Wartung Station gemacht hat. Der abgestrebte Maximale Leistung bei 2700 U/min 180 PS/132 kW zul. Höchstgeschw. V NE 178 KIAS Ganzmetall-Schulterdecker erinnert an die vertraute 172er und besitzt Manövergeschw. VA 125 KIAS Propeller doch eine eigene Note. Vage erinnere mich an die AERO-Premiere der zul. Reisegeschw. V NO 128 KIAS Hersteller Hartzell oder Mühlbauer zul. Geschwindigkeit V FE 78 KIAS V1.0 im April 2014. Wir vereinbaren, uns so bald wie möglich für einen Art Zweiblatt, Constant-Speed o. starr mit ausgefahrenen Klappen Pilot Report zu treffen. Abmessungen Mindestgeschw. in 49 KIAS Im Februar 2020 ist es soweit, als die D-EJFC erneut nach Hangelar Länge 7,23 m Landekonfiguration VS0 kommt. Der Schulterdecker im blanken Aluminiumlook ist Baujahr Spannweite 10,00 m Dienstgipfelhöhe 14 700 ft Höhe 2,77 m 2016, das erste Serienflugzeug und die bislang einzige D-registrierte Reichweite (55%), 550 NM/1019 km Kabinenbreite 1,05 m FL 100, 45 min. Reserve Die V1.0 ist ein klassischer Schulterdecker V1.0. Stationiert ist die Fox-Charlie in Halle/Oppin. Markus erklärt die in Ganzmetallbauweise. Idee: „Vulcanair hat 2013 entschieden, neben seinen zweimotorigen Mustern auch ein Einsteigerflugzeug anzubieten.“ Preiswert und robust zugleich sollte dieses Flugzeug sein. Statt jedoch mehrere Million Eu- ro in eine Neuentwicklung zu stecken, haben sich die Italiener einer vorhandenen Konstruktion aus dem eigenen Haus bedient. Die Vul- canair V1.0 basiert auf der P.64/P.66 der Vulcanair-Vorgängerfirma Partenavia, einer Flugzeugfamilie, die 1965 ihren Erstflug hatte. Ziel- gruppe der Neuauflage sind vor allem Flugschulen: Laut Vulcanair liegen 20 Bestellungen liegen aus den USA vor, dazu kommen Kunden unter anderem aus China und Australien. Rund 30 V1.0 haben das Werk am Flughafen von Neapel bisher verlassen. An dieser Stelle sei auch der Preis verraten: Wettbewerbsfähige 240 000 Euro plus Steu- er kostet dieser Echo-Klasse-Flieger mit Platz für bis zu vier Insassen und aktueller Garmin-Avionik. Eine Konstruktion von Professor Luigi Pascale In der Werft ermöglicht die Fox-Charlie mit abenommener Cowling einen Blick auf ihre Details. „Bei der Größe ist sie zwischen zweisitzi- gen Cessna 152 und der viersitzigen 172 angesiedelt“, sagt Markus beim Rundgang. Vorne geht es zumindest gefühlt ein Stück enger als in der 172er zu. Auf dem Papier sind beide Cockpits rund einen Meter breit. Den subjektiven Unterschied begründet Markus mit unterschied- lichen Türen und Messungen. Die Rückbank bietet Platz für den Nach- Das Cockpit ist zwar kein Raumwunder, bietet aber ausreichend Platz für zwei. Vulcanair liefert die V1.0 mit einem modernen Avionikpaket aus. Robust gebaut ist die Mittelkonsole. Das Trimmrad sowie die Hebel wuchs, zwei Erwachsene möchte man dort aber nicht unterbringen, Herzstück ist das Garmin G500 TXi mit einem 10,6 Zoll großen Touchdisplay. für Gas, Propeller und Gemisch liegen gut in der Hand. auch wenn Vulcanair die V1.0 als Viersitzer bewirbt. Wo wir schon bei 10 aerokurier 5/2020 aerokurier 5/2020 11
Vergleichen sind: Bei der Spannweite misst die Cessna 172 mit 10,97 einen knappen Meter mehr als die Vulcanair mit 10,00 Metern. Auch ist die Amerikanerin einen knappen Meter länger: 7,23 zu 8,20 Meter. 1155 Kilogramm MTOW stehen bei der V1.0 rund 750 Kilogramm Leermasse gegenüber. Bei der Cessna 172 ist bei 1043 Kilogramm das Maximum erreicht, die Leermasse liegt aber je nach Variante bei 700 Kilogramm oder weniger. Vulcanair begrenzt die Landemasse auf 1100 Kilogramm, eine Folge der im Ursprungsmodell kleineren Tanks. Bei näherer Betrachtung zeigen sich die Vorteile der betagten Kon- struktion. Der 2017 verstorbene Luigi Pascale gilt als einer der ein- flussreichsten Konstrukteure der Allgemeinen Luftfahrt, der bereits in den 1960er Jahren wusste, wie man ein solides Flugzeug baut. Mit ihrem Stahlrohrgitterrahmen um das Cockpit bietet die V1.0 eine ver- gleichsweise hohe Crashsicherheit. Der hintere Rumpfbereich ist in Metallbauweise mit Spanten gebaut. „Die Zelle ist rundherum mit Korossionsschutz versehen“, betont Markus Lüer. Von der P.66 hat die V1.0 die eingeschränkt kunstflugtaugliche Struktur geerbt – erlaubt sind einfache Figuren wie etwa Lazy Eight. Als aerodynamische Be- sonderheit fällt das Pendelruder auf. Wo immer es geht, setzt Vulcanair auf Standardkomponenten. Räder und Scheibenbremsen kommen von Cleveland und das Pendelruder dreht über Torque-Tube-Lager von SKF. Das Hauptfahrwerk ist eine Blattfeder aus Stahl, das Bugrad hydraulisch gedämpft. Diese Basis haben die Vulcanair-Ingenieure modernisiert. Grundlage dafür ist die Zulassung der P.64B Oscar, er- gänzt um die Neuerungen mittels STC. Die EASA-Zulassung deckt VFR-Flüge bei Tag und Nacht sowie optional den IFR-Betrieb ab. Im Alltag bietet die V1.0 einige Annehmlichkeiten. Die dritte Tür auf der rechten Rumpfseite gewährt Zugang zur Rückbank. Das von au- ßen zugängliche Gepäckfach schluckt 40 Kilogramm und ist von innen über eine Klappe zu erreichen. Im Fußraum des Copiloten ist ein Loch Das Steuerung am Boden erfolgt über das angelenkte Bugrad. für eine Kamera vorgesehen. Wer möchte, kann die V1.0 mit einer Start- und Landeverhalten sind problemlos. Schleppkupplung ordern. Aus Gewichtsgründen sind die Türen aus Glasfaser statt aus Metall gefertigt und mit größeren Fensterflächen versehen. LED-Lampen sparen Strom und Gewicht. Beim Antrieb setzt Vulcanair auf den Einspritzermotor Lycoming IO-360-M1A mit 180 Beim Probeflug zeigt sich die V1.0 sehr agil Cockpits. Das Garmin-Kino kommt mir vom GTN750 bekannt vor. Der Pferdestärken (132 kW), dessen Kurbelwelle wahlweise einen starren Wie schlägt sich dieses Paket in der Praxis? Der Einstieg ist nicht ganz Avionikhersteller macht Piloten den Umstieg zwischen den Geräten MT-Propeller oder einen hydraulischen Constant-Speed-Propeller von so einfach wie in der Cessna 172 – gerne dürften die Türausschnitte einfach. Wie Cessna bevorzugt auch Vulcanair Steuerhörner statt Hartzell antreibt. Die auf 190 Liter vergrößerten Flügeltanks dürfen mit etwas großzügiger ausfallen. Einmal drin, sitzt es sich dann aber durch- Knüppel. Die Hebel von Gas, Propeller und Gemisch sowie das Trimm- bleifreiem UL91 oder konventionellem Avgas befüllt werden. Als her- aus komfortabel mit gerade noch genug Platz zum Nebenmann. Da rad auf der Mittelkonsole liegen gut in der Hand. Die Wölbklappen stellerunabhängige Option erwähnt der Lüer eine elektronische Zündung das Flugzeug einem Kunden gehört, begnüge ich mich mit dem rech- lassen sich über einen Kippschalter stufenlos elektrisch fahren. Prak- von ElectroAir, die es bereits für die P68 gibt. Diese verspricht besse- ten Sitz und überlasse Markus den Job des PIC. Kurzer Scan des tisch: Ablagen im Panel und in den Türen bieten Platz für iPad und Co. res Startverhalten, weniger Verbrauch und verbesserte Laufruhe. Das EASA STC für die V1.0 ist in Arbeit. Die umfangreichsten Neuerungen hält jedoch das Cockpit bereit. Während die von uns geflogene Fox-Charlie noch mit dem Garmin G500 ausgerüstet ist, greift Vulcanair zwischenzeitlich auf das neuere G500 TXi mit 10,6-Zoll-Touchdisplay zurück. Ergänzt wird es durch ein Garmin GTN650, der Motorüberwachung EDM 960 von J.P. Inst- ruments und dem Standby-Instrument SAM (Standy Attitude Module) von MidContinent. ADS-B out gehört ebenfalls dazu. In Planung ist ein Autopilot. Bei den Sitzen haben Kunden die Wahl zwischen sechs Lederfarben. Serienmäßig lassen sie nach vorn und hinten und gegen Aufpreis auch in der Höhe verstellen. Aktuelle Flugzeuge haben zudem USB-Ladebuchsen und zusätzliche Lemo-Stecker, beispielsweise für Der Lycoming IO-360-M1A mit Einspritzung leistet 180 Pferdestärken Das Gepäckfach darf mit 40 Kilogramm beladen werden. Die über die dritte Tür zugängliche Rückbank bietet Platz für den Nachwuchs, ist für Er- Bose-Headsets, an Bord. (132 kW) bei 2700 U/min. Er konsumiert auch unverbleites UL91. wachsene aber eher eng bemessen. Vorn geht es etwas enger als in der Cessna 172 zu. Praktisch sind die vielen Ablagen. 12 aerokurier 5/2020 aerokurier 5/2020 13
www.eisenschmidt.aero Firmengeschichte: Von Partenavia zu Vulcanair Seit 1996 gibt es Vulcanair, hervorgegangen aus dem 1957 von Luigi Pascale (1923 – 2017) gegründeten Flugzeughersteller Partenavia Construzioni Aeronautiche. Nachdem Partenavia durch mehrere Hände gegangen und 1998 in die Insolvenz gerutscht war, übernahm Vulcanair die Rechte an Produktion und Zulassungen. Der Firmengründer hatte zu diesem Zeitpunkt mit der Gründung von Tecnam längst neue Wege eingeschlagen. Heute ist Vulcanair mit 87 Mitar- beitern in einer 60 000 Quadratmeter großen Produktionshalle am Flughafen von Neapel ansässig, wo jährlich rund 20 V.10, 15 P.68 und zwei A-Viator entstehen. dyTo Die P68 hat sich in diversen Versionen unter anderem als Special-Mission-Platt- Rea Fly form und als Absetzflugzeug bewährt. Vulcanair unterteilt sich in die Bereiche Die Vulcanair V1.0 steuert sich direkt und bietet dabei klassenüb- # Entwicklung und Produktion, Wartung und Training. liche Flugleistungen. Anlassen. Der Tankwahlschalter hat keine Position „Both“. Die Avio- derlichen 2700 U/min. Rotieren bei 60 Knoten, dann geht es mit 75 Konfiguration zu probieren. 2450 U/min und 25 inHg entsprechen nik ermahnt bei mehr als fünf Gallonen Differenz zwischen den Flügel- bis 80 Knoten am Stau mit 1000 bis 1200 Fuß pro Minute Steigen in laut Markus rund 65 Leistung. In 2000 Fuß zeigt das Garmin 115 tanks zum Umschalten. Brandhan auf, Treibstoffpumpe ein, Gas öffnen, einer Linkskurve zum Rhein. Klappen rein, Prop und Leistung checken. Knoten IAS an. Mit 2550 U/min 75 Prozent Leistung an und der Nicht nur Pilotshop, auch kompetenter Gemisch reich, Gemisch arm, Anlasser betätigen. Der Einspritzer erwacht Auf den ersten Metern macht die V1.0 klar, dass sie ein direkteres Fahrtmesser klettert auf 125 Knoten. 2450 U/min und 26 inHg zum Leben und übermittelt seine Werte übers EDM-Display. Wir rollen Flugverhalten an den Tag legt als ihre Kollegin aus den USA. Wo die sind eine gute Konfiguration für den Reisesteigflug: Mit 90 Knoten zur Piste 29, Markus macht den Check, setzt zehn Grad Klappen und Cessna eher bedächtig auf Steuereingaben reagiert, vermittelt die am Stau geht es mit 700 Fuß pro Minute aufwärts. „Ordentlich los geht‘s. Der Hartzell-Propeller beißt sich in der kühlen Luft fest. Spürbar lebendiger als eine 172er mit 160 PS nimmt die V1.0 Fahrt Vulcanair ein lebendiges, aber keinesfalls nervöses Feedback. Der Schräglagenwechsel fühlt sich agil an, die Ruderabstimmung passt. geleant und ausgetrimmt verbraucht die V1.0 in 6000 Fuß 32 Liter pro Stunde bei 128 Knoten True Airspeed“, sagt der Pilot. Ansprechpartner auf und erreicht während des Startlaufs die für volle Neistung erfor- Wir folgen dem Rhein in Richtung Süden – ideal, um verschiedene Wie schaut es am unteren Ende des Geschwindigkeitsspektrums aus? Ohne Klappen kündigt sich der Stall bei knapp über 60 für die Allgemeine Luftfahrt. Knoten an. Mit vollen Klappen ertönt die Warnung bei angezeig- ten 55 Knoten. Laut Handbuch bleiben uns jetzt noch fünf Knoten Reserve. Nachdrücken, Klappen rein und weiter geht‘s. Auf dem Weg zurück nach Hangelar probiere ich einen Slip. Erlaubt ist Das ist unser Anspruch! dieser mit höchstens 15 Grad Klappen. Auch ohne Klappen geht es mit 1500 ft/min abwärts. Kurz vor dem Endanflug auf die 29 Hochwertige Produkte für Ihren Flugbedarf, fort- bittet Markus um die Controls – sicher ist sicher beim Kunden- schrittliches Schulungsmaterial für die Piloten- flugzeug. Mit 65 Knoten geht es runter zur 29. Der Wind ist ruhig, ausbildung & Luftfahrt-Experten mit Leidenschaft: die Landung sanft. 20 Knoten Crosswind sind erlaubt. Hier erwartet Sie qualifizierte Beratung mit um- Fazit: In einer Zeit, in der viele zertifizierte Viersitzer netto 500 000 fassender Expertise. US-Dollar und mehr kosten, macht Vulcanair seinen Kunden mit der V1.0 ein attraktives Angebot. Für rund 300 000 Euro inklusive Steuer erhalten diese ein solide gebautes Flugzeug, das sich für 140 Jahre Erfahrung – aber kein Piloten eignet, die nicht unbedingt einen vollwertigen Viersitzer bisschen von gestern! benötigen. Dahinter steht ein europäischer Hersteller, der mit der Das Pendelruder ist fliegerisch unauffällig. Das Fahrwerk wirkt stabil, Markus Lüer organisiert den Vertrieb für Vulcanair. In der V1.0 sieht er zwemotorigen P68-Familie nicht nur im Special-Mission-Geschäft allerdings liegt das Langegewicht 55 Kilogramm unter dem MTOW. vor allem für Flugschulen ein attraktives Angebot. international hoch angesehen ist. ae 14 aerokurier 5/2020 R. Eisenschmidt GmbH · Flugplatz 1 · 63329 Egelsbach info@eisenschmidt.aero · +49 6103/20 596-0
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