JAHRE DEUTSCHE EINHEIT - zeitbild 20 Mit Kopiervorlagen für den handlungsorientierten Unterricht

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JAHRE DEUTSCHE EINHEIT - zeitbild 20 Mit Kopiervorlagen für den handlungsorientierten Unterricht
zeitbild
                                                                        Jahrgang 52
                                                                   September 2010
                         W I S S E N

20 JAHRE DEUTSCHE EINHEIT
     Mit Kopiervorlagen für den handlungsorientierten Unterricht
JAHRE DEUTSCHE EINHEIT - zeitbild 20 Mit Kopiervorlagen für den handlungsorientierten Unterricht
Inhalt
DAS JAHR 1989                                   DIE MAUER FÄLLT...
                                                                                        „Wenn wir zu spät kommen, bestraft uns das
                                                                                        Leben sofort“ – dieser Ausspruch des sow-
                                                                                        jetischen Parteichefs Michail Gorbatschow
                                                                                        ist im Oktober 1989 in aller Munde. Binnen
                                                            Teil 1                      kurzer Zeit bewahrheitet er sich – erst an
                                                                                        der Herrschaft der SED, schließlich an der
                                                            Die Mauer fällt ................................................4
                                                                                        DDR selbst und 1991 an der Sowjetunion.
                                                            ... und ein System bricht zusammen ....5
                                                                                        Während Zehntausende aus dem Osten
                                                            Wegbereiter der Einheit ...........................7
                                                            Vollendung der Einheit      Deutschlands
                                                                                             ...............................9 in den Westen flüchten, gehen
                                                                                        daheim in der
                                                            Der Neuanfang ............................................    12 DDR Hunderttausende auf die
                                                                                        Straße.
                                                            Die wirtschaftliche Entwicklung

                                                                                        E
                                                                                                         rmutigt fühlt sich die Bürgerbewegung durch die Entwick-
                                                            im Überblick ..................................................16
                                                                                                      lung in den anderen Staaten des Warschauer Pakts: durch
                                                            Die innere Einheit ......................................20
                                                                                                   den Sieg der freien Gewerkschaft Solidarno                     in Polen,
                                                                                       die    Öffnung           der
                                                              Deutschland in Europa ............................22      ungarisch-österreichischen Grenze    und durch  die
                                                                                       Reformpolitik Gorbatschows in der Sowjetunion.
                                                              ... und in der Welt ......................................23
                                                                                       Anfangs, im September 1989, versuchen Polizei und Staatssicher-
                                                                                       heit noch, die Proteste gewaltsam zu unterbinden. Immer wieder
                                                                                       gibt es Festnahmen. Doch als am 9. Oktober in Leipzig vor den
                                                              Teil 2                   Augen der Weltöffentlichkeit 70.000 Menschen demonstrieren,
                                                                                       ist der Bann gebrochen. Von nun an ist klar, dass die Herrschaft
                                                              Kopiervorlagen für den   der SED ihrem Ende entgegengeht. Eine wichtige Rolle spielen die
                                                                                       Kirchen. Schon in den 70er- und frühen 80er-Jahren boten sie Frie-
                                                              handlungsorientiertendens-   Unterricht              .....24
                                                                                                    und Umweltgruppen               Unterschlupf und Raum für Diskus-
    Ein kleiner „Mauerspecht“ bei der Arbeit. Wie das junge Mädchen sionen. 1989 sind die Friedensgebete in den Kirchen regelmäßig
          begannen kurz nach dem Mauerfall zahlreiche Menschen, die Ausgangspunkt der Demonstrationen, die von Mal zu Mal größere
       Mauer zu zerkleinern und sich als Souvenir ein Stück Geschichte
                                                                         zu sichern. Dimensionen annehmen.
                                                                                       Am 18. Oktober tritt SED-Generalsekretär Erich Honecker zurück,
                                            e n
                                   oldat rren in
                                                                                       doch die Proteste gegen das Regime gehen weiter. Die Menschen
                            n z s
                     i Gre                sta                                          protestieren gegen staatliche Bevormundung und Bespitzelung,
               w  e                u n d            .
            Z
                   f   P o sten         r e p ublik                                    gegen Umweltzerstörung und sozialistische Misswirtschaft. Am 4.
                                      s
          en au ng Bunde jetzt?“, en.
                                                                                                                                             November demonstrieren
  s t e h
                   tu                du             hweig
          Rich denkst
                                                                                                                                             Hunderttausende auf dem
                                               S  c
               o r an           i n e  das           n k st.“
                                                                                                                                             Berliner       Alexanderplatz,
           “ W          der   e             du d t e                                                                                         drei Tage  später  treten die
                i c h t              u c h
             br               na                  etz
   unter ran, wora ich dich j
                                                                                                                                             Regierung    der   DDR    und

        “Da nn muss en!“
                                                                                                                                             das SED-Politbüro zurück.

              “Da verhaft
                                                                                                                                             Am 9. November 1989 ist
                                                                                                                                             es soweit: Mit der Mauer
                                                                                                                                             in Berlin fällt das verhasste
                                             Friedensgottesdienst                                                                            Symbol der Teilung zwischen
                                          in der Nikolaikirche in
                                                                                                                                             Ost- und Westdeutschland –
                                         Leipzig. Die regelmäßi-
                                               gen Friedensgebete                                                                            und Millionen Ostdeutsche
                                           waren ab Herbst 1989                                                                              nutzen in den kommen-
                                          der Ausgangspunkt für                                                                              den Tagen und Wochen ihre
                                              die Montagsdemon-
                                                                                                                                             neue Freiheit nach 40 Jahren
                                             strationen gegen das
                                                      SED-Regime.                                                                            Abschottung.

   2    Zeitbild Wissen
JAHRE DEUTSCHE EINHEIT - zeitbild 20 Mit Kopiervorlagen für den handlungsorientierten Unterricht
Die Deutsche Einheit ist in unserer Geschichte
                            etwas Einzigartiges.
            Zum ersten Mal leben die Menschen in Deutschland
                      dauerhaft in Einheit, Freiheit und
         freundschaftlichen Beziehungen zu allen unseren Nachbarn
             in Europa und vielen Partnern auf der ganzen Welt
                 zusammen. Damit haben wir etwas Großes
                         geschafft und geschaffen.

             Die Einheit ist erreicht: In der Nacht zum 3. Oktober 1990 versammeln sich Hunderttausende vor dem
                  Reichstag in Berlin, der im Einigungsvertrag festgelegten neuen alten deutschen Hauptstadt,
              als kurz vor Mitternacht die schwarz-rot-goldene Fahne zum Zeichen der Einheit aufgezogen wird.
              Die Freiheitsglocke läutet. Um null Uhr ist die Deutsche Einheit erreicht, die Spaltung überwunden.
                      In ganz Deutschland wird dieses Ereignis mit Straßenfesten und Feuerwerk gefeiert.

D
                ie Bilanz der Deutschen Einheit ist             Folgen zählt allerdings auch ein überdurchschnitt-
                insgesamt positiv, auch wenn sich               licher Anstieg der Staatsverschuldung. Die Moder-
                nicht alle Träume erfüllt haben und             nisierung der Wirtschaft nach 40 Jahren zentraler
                noch vieles zu tun bleibt. Der völlige          Planwirtschaft und Abschottung vom Weltmarkt
                gesellschaftliche und wirtschaftliche           erweist sich als schwieriger und langwieriger Pro-
Umbruch hat von den Menschen im Osten eine                      zess. Doch die Menschen in den Neuen und den
enorme Bereitschaft zur Um- und Neuorientie-                    alten Ländern haben gemeinsam eine gewaltige
rung in allen Lebensbereichen verlangt. Die Men-                Aufbauleistung vollbracht. Ohne den Mut derer,
schen im Westen haben beeindruckende Solidar-                   die sich 1989 gegen die SED-Diktatur aufgelehnt
leistungen für den Aufbau Ost aufgebracht. Zu den               hatten, wäre das alles nicht möglich gewesen.
                                                                                                                    Zeitbild Wissen   3
JAHRE DEUTSCHE EINHEIT - zeitbild 20 Mit Kopiervorlagen für den handlungsorientierten Unterricht
DIE MAUER FALLT
DAS JAHR 1989

                                                                                      „Wenn wir zu spät kommen, bestraft uns
                                                                                      das Leben sofort.“ Dieser Ausspruch des
                                                                                      sowjetischen Staats- und Parteichefs Michail
                                                                                      Gorbatschow war im Oktober 1989 in aller
                                                                                      Munde. Binnen kurzer Zeit bewahrheitete
                                                                                      er sich – erst an der Herrschaft der SED,
                                                                                      schließlich an der DDR selbst und 1991 an
                                                                                      der Sowjetunion. Während Hunderttausende
                                                                                      aus dem Osten Deutschlands in den Westen
                                                                                      flüchteten, gingen daheim in der DDR Hun-
                                                                                      derttausende auf die Straße.

                                                                                      E
                                                                                              rmutigt fühlte sich die Bürgerbewegung durch die Ent-
                                                                                              wicklung in den anderen Staaten des Warschauer Pakts:
                                                                                              durch die erste halbfreie Wahl in Polen, die Öffnung der
                                                                                      ungarisch-österreichischen Grenze und durch die Reformpolitik
                                                                                      Gorbatschows in der Sowjetunion.
                                                                                      Anfangs, im September 1989, versuchten Polizei und Staats-
                                                                                      sicherheit noch, die Proteste gewaltsam zu unterbinden. Immer
                                                                                      wieder gab es Festnahmen. Doch als am 9. Oktober 70.000
                                                                                      Menschen – weit mehr als die Sicherheitskräfte erwar tet hat-
                                                                                      ten – demonstrierten, war der Bann gebrochen. Von nun an ging
                                                                                      die Herrschaft der SED ihrem Ende entgegen. Eine wichtige
                                                                                      Rolle spielten die Kirchen. Schon in den 70er- und frühen
                                                                                      80er-Jahren hatten sie Friedens- und Umweltgruppen Unter-
                 Ein kleiner „Mauerspecht“ bei der Arbeit. Wie das junge Mädchen      schlupf und Raum für Diskussionen geboten. 1989 waren die
                      beginnen kurz nach dem Mauerfall zahlreiche Menschen, die       Friedensgebete in den Kirchen regelmäßig Ausgangspunkt der
                   Mauer zu zerkleinern und sich als Souvenir ein Stück Geschichte
                                                                        zu sichern.   Demonstrationen, die von Mal zu Mal größere Dimensionen
                                                                                      annahmen.
                                                  en
                                      n z s oldat rren in                             Am 18. Oktober trat SED-Generalsekretär Erich Honecker
                                i Gre          d sta
                                                                                      zurück, doch die Proteste gegen das Regime gingen weiter.
                        Zwe osten un publik.                                          Die Menschen protestierten gegen staatliche Bevormundung und
                    h e n  auf P Bundesre zt?“,                                                                           Bespitzelung, gegen Umwelt-
                ste                                 t        .
                               tung           du je chweigen
                      Rich denkst
                                                                                                                          zerstörung und sozialisti-
                                                     S
                               an              das enkst.“                                                                sche Misswirtschaft. Am 4.
                       “Wor der eine                ud
                                              uch d jetzt
                                                                                                                          November demonstrierten
                       r b r icht      a n  a
                 unte ran, wor                     ich
                                                                                                                          Hunderttausende auf dem
                         a             u s s ich d                                                                        Berliner Alexanderplatz, drei
                    “ D            nm             n!“
                           “Dan verhafte
                                                                                                                          Tage später traten die
                                                                                                                          Regierung der DDR und das
                                                       Friedensgottes-                                                    SED-Politbüro zurück. Am
                                                dienst in der Nikolai-
                                                     kirche in Leipzig.
                                                                                                                          9. November 1989 war es
                                                    Die regelmäßigen                                                      so weit: Mit der Mauer in Ber-
                                                  Friedensgebete sind                                                     lin fiel das verhasste Symbol
                                                   ab Herbst 1989 der                                                     der Teilung – und Millionen
                                                   Ausgangspunkt für
                                                die Montagsdemons-
                                                                                                                          Ostdeutsche nutzten in
                                                  trationen gegen das                                                     den kommenden Tagen und
                                                          SED-Regime.                                                     Wochen ihre neue Freiheit.

                4    Zeitbild Wissen
JAHRE DEUTSCHE EINHEIT - zeitbild 20 Mit Kopiervorlagen für den handlungsorientierten Unterricht
Zahlen zur deutschen Teilung
 • Gesamtlänge der Berliner Mauer: 155 Kilometer
 • Länge der innerdeutschen Grenze: 1.378 Kilometer
 • Todesopfer an der Berliner Mauer und an der innerdeutschen Grenze: mehr als 1.000*
                                                                                 000*
 • Stasi-Unterlagen: 160 Kilometer Akten
 • Flucht- und Ausreisebewegung aus der SBZ/DDR in die Westzonen/Bundesrepublik  k
   Deutschland (1945–1990): 4.617.331, davon (illegale) Flüchtlinge: 3.148.547
 • Zahl der MfS-Mitarbeiter 1989: 91.000 hauptamtliche Mitarbeiter, 189.000 Inoffizielle
                                                                                 izielle Mitarbeiter
   (inkl. Auslandsgeheimdienst Hauptverwaltung Aufklärung)
 * Vorstudie von Prof. Dr. Detlef Schmiechen-Ackermann, Leibniz-Universität Hannover, Juli 2006. Über die genaue Anzahl der Todesopfer an der innerdeutschen Grenze zu den alten
   Bundesländern gibt es noch keine gesicherten Erkenntnisse.

  UND EIN SYSTEM
D           BRICHT
           ie wachsende politische und wirtschaftliche Unzufriedenheit
           führte zu einer Massenflucht der Menschen aus der DDR.
           Hunderttausende drängten unter Zurücklassung ihrer
gesamten Habe über die Grenzen oder flüchteten sich in die

            ZUSAMMEN
Botschaften der Bundesrepublik in Prag und Warschau, weil sie die
frustrierenden und hoffnungslosen Zustände, die leeren Versprechen
und die Reformunwilligkeit in der Heimat satt hatten. Sie verließen
die DDR wegen der fehlenden Meinungs- und Reisefreiheit, wegen
der Bespitzelung durch die Staatssicherheit, wegen Zensur und sys-                                             1989 stand die DDR am Rande des politischen
tematischer politischer Verfolgung und Unterdrückung. Und nicht
zuletzt wandten sich die Menschen von der DDR ab, weil den                                                     und wirtschaftlichen Bankrotts. Fehlende
Machtinhabern jede demokratische Legitimation durch freie Wahlen                                               Freiheiten und Menschenrechtsverletzungen
fehlte. Die Menschen liefen aber auch vor einem wirtschaftlichen
System davon, das die Lebenschancen einschränkte und die sozia-                                                standen neben Versorgungsengpässen bei
listischen Staaten des „Ostblocks“ an den Rand des Abgrundes
gewirtschaftet hatte.                                                                                          Gütern des täglichen Bedarfs auf der Tages-
Ostblock                                                                                                       ordnung. Dazu marode Städte, zerfallende
Als „Ostblock“ bezeichnete man nach dem Zweiten Weltkrieg die
kommunistischen Staaten, die im Militärverbund des War-
                                                                                                               Infrastruktur und eine teilweise
schauer Pakts und im Rat für Gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW)                                               zerstörte Umwelt.
zusammengeschlossen waren. Dies waren in Europa neben der
                                                                                                                                                                                        n?           “,
                                                                                                                                                                                 sweise
Sowjetunion, die das Bündnis beherrschte, die DDR, Polen, die
                                                                                                                                                                        ic h a u
                                                                                                                                                               Sie s
Tschechoslo-wakei, Ungarn und Bulgarien sowie mit Einschrän-
                                                                                                                                                        önnen                      t.
kungen auch Rumänien und Albanien.
                                                                                                                                          ü r g e r , k
                                                                                                                                                                  V o lk spolizis t
                                                                                                                                       “B                   der                   jetz
Ab Mitte der 80er-Jahre lockerte der neue Generalsekretär
der Kommunistischen Partei der Sowjetunion (KPdSU), Michail
Gorbatschow, im Zeichen von „Glasnost“ und „Perestroika“
(Transparenz und Umbau der Gesellschaft) die Zügel im Ostblock
und gestattete den Verbündeten mehr Freiheiten, aber damit auch
mehr Eigenverantwortlichkeit. Während Polen und Ungarn
vorangingen, versuchte die Führung der DDR, jedwede freiheit-
                                                                                                                   ‘‘                               fragt
                                                                                                                                                          , ka n n m
                                                                                                                                                 “Wieso n selber tun
                                                                                                                                                         scho
                                                                                                                                                                       a

                                                                                                                                           Bundeskanzlerin Angela Merkel:
                                                                                                                                                                         n das
                                                                                                                                                                                 ?“

liche Reformen zu verhindern. Nach dem Mauerfall beschleunig-
                                                                                                                             Die DDR war auf Unrecht gegründet.
te sich die friedliche Revolution in Mittel- und Osteuropa und
führte dazu, dass sich nach Polen und Ungarn und der damaligen
                                                                                                                                Es gab keine legale Opposition.
Tschechoslowakei schließlich auch Bulgarien und Rumänien von                                                                Es gab keine unabhängige Justiz. Es gab
ihren kommunistischen Diktaturen befreien konnten.                                                                                  keine kritischen Medien.
Der Vielvölkerstaat der Sowjetunion (Union der Sozialistischen                                                                Bevormundung, Unterdrückung von
Sowjet-Republiken – UdSSR) hörte Ende 1991 auf zu existieren.
                                                                                                                          Widerspruch, Überwachung und Bespitzelung
Zuvor hatten sich bereits Litauen, Georgien, Estland und Lettland
sowie Weißrussland, die Ukraine, Moldau, Kirgisien, Usbekistan,
                                                                                                                              waren ständig anwesende Begleiter
Tadschikistan, Armenien, Aserbaidschan, Turkmenistan, Kasach-                                                                  des täglichen Lebens. Hinter dem
stan und endlich auch die eigentliche Führungsmacht der Sowjet-                                                              Schießbefehl stand nichts anderes als
union, nämlich Russland, für unabhängig erklärt.                                                                                  pure Menschenverachtung.
                                                                                                                                                                                   Zeitbild Wissen   5
JAHRE DEUTSCHE EINHEIT - zeitbild 20 Mit Kopiervorlagen für den handlungsorientierten Unterricht
S                                        DER
              chon in einem frühe-                                                                  heit eingeholt. Als am 1. No-
              ren Gutachten hatte                                                                   vember 1989 der kurzzeitige
              Gerhard Schürer, der      OFFEN-                                                      Honecker-Nachfolger Egon
Vorsitzende der staatlichen
Plankommission         der   DDR,     BARUNGSEID                                                    Krenz zu seinem Antritts-
                                                                                                    besuch nach Moskau reiste,
darauf hingewiesen, dass die
                                         WAR                                                        hatte er niederschmetternde

                                     UNVERMEIDLICH
DDR auf dem Weg in eine                                                                             Erkenntnisse im Gepäck. Im
kritische wir tschaftliche Si-                                                                      Gespräch mit Gorbatschow
tuation sei. Einschneidende                                                                         legte er dar, wie es wirk-
Maßnahmen seien erforder-                                                                           lich um die DDR stand: Das
lich, vor allem radikale Schnitte bei den bisherigen staatlichen   Wachstum sei rückläufig, der Fünf-Jahres-Plan unerfüllbar.
Preisstützungen für Sozialleistungen. In erster Linie davon be-    Würde die Wahrheit ans Licht kommen, würde dies einen
troffen waren die Miet- und Energiepreise sowie Ausgaben           Schock auslösen; denn ohne neue Großkredite aus dem Wes-
für Bildung, Gesundheit, Kultur, Spor t und Erholung. Honecker     ten sei eine Senkung des Lebensniveaus in der DDR um 25 bis
reagier te so, wie er bis zum Ende der DDR ander thalb Jahre       30 Prozent zu erwar ten. Da die kompletten Expor terlöse der
später stets reagieren sollte: Er weiger te sich, die Tatsachen    DDR nicht einmal mehr für den           Schuldendienst      im
zur Kenntnis zu nehmen. Doch wenige Tage nach Honeckers            Westen reichten, war der staatliche      Offenbar ungseid
Rücktritt von allen Ämtern wurden seine Erben von der Wahr-        unvermeidlich.

                                     Die sieben Wunder der DDR

    Wunder      1:     IN DER DDR GIBT ES KEINE ARBEITSLOSIGKEIT.

    Wunder      2:     OBWOHL KEINER ARBEITSLOS IST, ARBEITET NUR DIE HÄLFTE.

    Wunder      3:     OBWOHL NUR DIE HÄLFTE ARBEITET, WIRD DAS PLAN-SOLL IMMER ERFÜLLT.

    Wunder      4:     OBWOHL DAS PLAN-SOLL IMMER ERFÜLLT WIRD, GIBT ES NICHTS ZU KAUFEN.

    Wunder      5:     OBWOHL ES NICHTS ZU KAUFEN GIBT, SIND ALLE GLÜCKLICH UND ZUFRIEDEN.

    Wunder      6:     OBWOHL ALLE ZUFRIEDEN SIND, GIBT ES REGELMÄSSIG DEMONSTRATIONEN.

    Wunder      7:     OBWOHL REGELMÄSSIG DEMONSTRIERT WIRD, WÄHLEN 99,9 PROZENT UNSERE
                       KANDIDATEN DER NATIONALEN FRONT.

6    Zeitbild Wissen
JAHRE DEUTSCHE EINHEIT - zeitbild 20 Mit Kopiervorlagen für den handlungsorientierten Unterricht
WEGBEREITER DER EINHEIT
    Bundeskanzler Helmut
    Kohl präsentierte bereits
       zweieinhalb Wochen
 nach dem Fall der Mauer
   sein „Zehn-Punkte-Pro-
gramm“ zur Überwindung
 der Teilung Deutschlands
und Europas, das frühzeitig
    einen Weg zur Wieder-
herstellung der Deutschen
    Einheit skizzierte. Durch
 eine kluge Politik, mit der
 er sich die Unterstützung
                                          Mehr als 100.000 Menschen jubeln Bundeskanzler Helmut Kohl (Mitte) im Februar 1990 bei
    der westlichen Verbün-                einer Wahlkampfveranstaltung der „Allianz für Deutschland“ in Erfurt zu.

     deten sicherte und die

                                                                         Punkte-
                                        10
 Kooperation der Sowjet-
    union erreichte, wurde
        Kohl zum „Kanzler
                der Einheit“.                                            Programm
Die Menschen wollen die rasche Einheit                                  Das Zehn-Punkte-Programm sah einen

S
                                                                        schrittweisen Prozess der Deutschen Einheit
        chon im November 1989 war aus der Parole „Wir sind
                                                                        vor. Er sollte mit humanitären Sofortmaß-
        das Volk“ der Ruf „Wir sind ein Volk“ geworden. Nicht im
                                                                        nahmen beginnen und über die Zwischen-
        Westen, sondern im Osten wurde zuerst deutlich und un-
überhörbar der Ruf nach der Wiedervereinigung laut.                     stufen einer „Vertragsgemeinschaft“
Am 18. März 1990 fanden die ersten freien Wahlen in der                 und „konföderativer Strukturen“ zur
Geschichte der DDR seit ihrer Gründung im Jahr 1949 statt. Bei          Wiedervereinigung Deutschlands führen.
einer Wahlbeteiligung von mehr als 93 Prozent brachten sie jenen        Der Prozess sollte in die gesamteuropäische
Parteien eine klare Mehrheit, die für eine rasche Wiedervereini-        Entwicklung eingebettet sein. Der Zeitplan
gung mit dem Westen Deutschlands eingetreten waren. Bereits             wurde bewusst offengelassen, um die not-
am 1. März hatte die aus dem Demokratischen Aufbruch (DA),              wendige Flexibilität zu behalten. Bundes-
der Deutschen Sozialen Union (DSU) und der CDU gebildete                kanzler Kohl rechnete aber mit einer Dauer
Allianz erklärt, sie wolle die Einheit durch Beitritt zur Bundesrepu-   des Prozesses von vier bis fünf Jahren.
blik Deutschland. Die „Allianz für Deutschland“ gewann die Wahl         Die Bedeutung von Kohls Zehn-Punkte-
überraschend klar. Die CDU, mit 40 Prozent der Wählerstimmen            Programm lag darin, dass es der politischen
stärkste Partei, stellte mit Lothar de Maizière den Ministerpräsi-      Diskussion in Deutschland, in Europa und
denten einer Koalition aus Allianz für Deutschland, SPD und Libera-     zwischen den beiden damaligen Weltmächten
len. Auch aus den Kommunalwahlen (6. Mai 1990) ging die CDU             USA und Sowjetunion schon zu einem frühen
als stärkste Partei hervor. Das Plebiszit für die Deutsche Einheit      Zeitpunkt eine Richtung und ein klares
ebnete den Weg zur raschen Wiedervereinigung. Tatsächlich war           Ziel vorgab; denn Kohl sprach öffentlich aus,
diese erste freie Volkskammerwahl zugleich auch die letzte, denn        was in diesem Moment die meisten Men-
die DDR würde es schon in naher Zukunft nicht mehr geben.               schen im Westen kaum zu denken wagten.

                                                                                                                    Zeitbild Wissen   7
JAHRE DEUTSCHE EINHEIT - zeitbild 20 Mit Kopiervorlagen für den handlungsorientierten Unterricht
B
                                ereits am 7. Februar 1990 hatte die Bundesregierung der DDR
                                eine Währungs- und Wirtschaftsunion in Aussicht gestellt. Auch
                                wenn sie ökonomische Risiken barg, ließ der fortschreitende DDR-

    Wirtschafts-
                      Zusammenbruch ein Hinauszögern dieser Entscheidung kaum zu.
    Währungs-,

    Sozialunion
                      In den folgenden Wochen fanden Vorgespräche zwischen den innerdeutschen
                      Kommissionen statt. Die eigentlichen Verhandlungen begannen aber erst
                      nach Bildung der demokratisch legitimierten DDR-Regierung. Wichtige Ver-
                      handlungsthemen waren der künftige Umtauschkurs, Eigentumsfragen, das
                      System der sozialen Sicherung und die Privatisierung der ostdeutschen
                      Betriebe. Besonderen Wert legte die ostdeutsche Seite auf die Gleichrangig-
                      keit von Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion, die Anschubfinanzierungen
                      im Sozialbereich in Milliardenhöhe einschloss.
                      Kontrovers war vor allem die Frage nach dem Kurs, zu dem die Mark der
                      DDR in DM umgetauscht werden sollte. Die Bundesbank, die eine allgemeine
                      Erschütterung der finanziellen und wirtschaftlichen Stabilität befürchtete,
                      warnte vor den Folgen einer allzu hohen Bewertung der ostdeutschen
    und

                      Währung und lehnte zunächst einen Umtauschkurs von 1:1 zugunsten eines
                      Umtausches von 2 :1 ab. Schließlich einigte man sich auf die Umstellung 1:1
                      für alle laufenden Zahlungen und nach Alter gestaffelten Sparbeträgen bis
                      zu 6.000 Mark. Darüber hinausgehende Beträge wurden 2 :1 umgestellt. Ins-
                      gesamt ergab sich damit ein Kurs von 1,8 :1.

                                   Einführung der Sozialen Marktwirtschaft
                                   Mit dem Inkrafttreten der Währungs-,
                                   Wirtschafts- und Sozialunion am 1. Juli 1990
                                   wurde die DDR-Währung auf DM umgestellt. Die
                                   DDR verlor ihre Souveränität in Finanzangelegen-
                                   heiten und übertrug die geldpolitische Verant-
                                   wortung der Bundesbank in Frankfurt am Main.
                                   Weiteres Kernstück des Vertrags war die Einfüh-
                                   rung der Sozialen Marktwirtschaft in der DDR. Die
                                   DDR verpflichtete sich, die Rahmenbedingungen
                                   für freie Preisbildung, die Abschaffung der staat-
                                   lichen Monopole, Entfaltung der Marktkräfte und
                                   der Privatinitiative und die Einführung der west-
                                   lichen Umweltschutz-Anforderungen zu schaffen.
                                   Arbeitsrechtsordnung und Sozialversicherungs-
                                                     systeme der Bundesrepublik
                                                     Deutschland wurden übernom-
                                                     men. Laut Vertrag erklärte sich
                                                     die Bundesrepublik bereit, der
                                                     DDR zweckgebundene Finanz-
                                                     zuweisungen zum Haushaltsaus-
                                                     gleich für das zweite Halbjahr
                                                     1990 in Höhe von 22 Milliarden
                                                     D-Mark und für 1991 in Höhe
                                                     von 35 Milliarden D-Mark
                                                     zu gewähren.

8   Zeitbild Wissen
JAHRE DEUTSCHE EINHEIT - zeitbild 20 Mit Kopiervorlagen für den handlungsorientierten Unterricht
VOLLENDUNG
DER EINHEIT
Während des Vereinigungsprozesses
arbeiteten die Politiker und Parlamente auf
beiden Seiten der noch bestehenden
innerdeutschen Grenze aufs Engste zusammen.
In einem politischen Kraftakt ohnegleichen
wurden die Rechtsgrundlagen für die
Vereinigung der beiden Staaten geschaffen.
Die erste frei gewählte Volkskammer
der DDR bewältigte in kurzer Zeit ein
riesiges Arbeitspensum: Sie verabschiedete
einschneidende Verfassungsänderungen und
                                                                          Von Berlin aus reisen am 1. September 1994 die letzten russischen Soldaten
beschloss die Wiedereinführung der 1952                                   zurück nach Moskau. Dazu hat sich die Sowjetunion im Zwei-plus-Vier-
                                                                          Vertrag verpflichtet. Mit dem Truppenabzug endet nach fast 50 Jahren die
von der SED abgeschafften Länder.                                         sowjetische bzw. russische Militärpräsenz in Deutschland.

A
          m 23. August 1990 beschloss die Volkskammer in einer            kammer verabschiedete Entschließung zur Anerkennung der
          nächtlichen Sondersitzung den Beitritt der DDR zur              Oder-Neiße-Linie als polnische Westgrenze sowie mehr tägige
          Bundesrepublik Deutschland nach Ar tikel 23 des                 Verhandlungen zwischen Bundeskanzler Kohl und dem sowje-
Grundgesetzes mit Wirkung zum 3. Oktober 1990.                            tischen Staatschef Gorbatschow Mitte Juli 1990 brachten den
Während die Menschen in Ost und West im Alltag bereits                    endgültigen Durchbruch. Die Sowjetunion stimmte einer Mit-
die Vereinigung praktizier ten, wurden mit dem am 31. August              gliedschaft des wiedervereinigten Deutschlands in der NATO
unterzeichneten Einigungsver trag zwischen der Bundesrepu-                zu und gab grünes Licht für den Abzug ihrer Truppen aus
blik Deutschland und der DDR die entscheidenden rechtlichen               dem Gebiet der DDR. Am 12. September 1990 wurde in
Rahmenbedingungen festgelegt. Am 20. September wurde der                  Moskau das Abschlussdokument der Zwei-plus-Vier-Gespräche
Einigungsvertrag von beiden Parlamenten mit Zweidrittelmehrheit           unterzeichnet.
verabschiedet. Vier Tage später verließ die DDR den Warschauer            Seit dem 3. Oktober 1990 sind Brandenburg, Mecklenburg-

                                ‘‘
Pakt. Am 2. Oktober löste sich die Volkskammer auf.
Parallel waren die letzten außenpolitischen Hindernisse aus
dem Weg geräumt worden. Eine von Bundestag und Volks-
                                                                          Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen Länder
                                                                          der Bundesrepublik Deutschland. Deutschland ist wieder ein
                                                                          vereintes und souveränes Land.

                                                 Helmut Kohl über ein Gespräch
                                             mit Michail Gorbatschow im Juni 1989:

                                     Wir saßen auf der Mauer unten am Rhein.
          Es war Mitternacht, eine wunderbare Sommernacht. Unten gingen die Bonner Liebespaare vorbei;
                sie haben ziemlich entgeistert festgestellt, wer da auf der Mauer sitzt und sind dann
                             weitergeschlendert. (...) Ich zeigte auf den Rhein und sagte:
                         ,Der Rhein fließt ins Meer. Sie können ihn stauen, doch dann tritt
                    das Wasser über die Ufer und zerstört sie. Aber es gelangt schließlich doch ins
                         Meer. So sicher, wie der Rhein ins Meer gelangt, so sicher kommt
                             die Deutsche Einheit – und übrigens auch die Europäische.
                                                     Quelle: „Welt am Sonntag“ vom 27.09.1992

                                                                                                                                  Zeitbild Wissen   9
JAHRE DEUTSCHE EINHEIT - zeitbild 20 Mit Kopiervorlagen für den handlungsorientierten Unterricht
Zwei-plus-Vier
                              Die Zwei-plus-Vier-Gespräche zwischen der DDR und der Bundesrepublik
                                       Deutschland sowie den Vier Mächten – den USA, der Sowjetunion,
                              Großbritannien und Frankreich – begannen im Mai 1990 und endeten mit
                             dem Zwei-plus-Vier-Vertrag über die abschließende Regelung in Bezug auf
                                        Deutschland im September 1990. Er regelte die außenpolitischen
                               Grundsatzfragen der deutschen Vereinigung und entsprach faktisch einer
                             abschließenden friedensvertraglichen Regelung zwischen Deutschland und
                                                 den früheren Kriegsalliierten. Der Vertrag beendete die
                            Vier-Mächte-Verantwortung in Bezug auf Berlin und Deutschland auf dem
                              Territorium der alten Bundesrepublik, der DDR und Berlins; Deutschland
                       erlangte die volle Souveränität über seine inneren und äußeren Angelegenheiten.
                                           Zugleich bestätigte Deutschland seinen Verzicht auf atomare,
                                      chemische und biologische Waffen und reduzierte die Bundeswehr
                                                                         von 500.000 auf 370.000 Mann.

                       Vier Mächte
                                                     U
                                                               nmittelbar nach dem Fall der Mauer hatten die Vier
                                                               Mächte ihre gemeinsame Verantwortung gegenüber
                                                               Deutschland betont. Die Reaktionen auf die sich abzeich-
                                                     nende Wiedervereinigung 1989/90 fielen in Paris, London, Moskau
                       Die Rolle

                                                     und Washington allerdings unterschiedlich aus. Wegen Bedenken
                                                     vor einem politisch und wirtschaftlich zu starken Deutschland im
                                                     Zentrum Europas akzeptierten Frankreich und vor allem Großbri-
                                                     tannien nur zögernd die Vereinigung der beiden deutschen
                                                     Staaten. Die Sowjetunion lehnte ursprünglich eine Vereinigung
                                                     kategorisch ab, bis im Februar 1990 der sowjetische Staats- und
                                                     Parteichef Michail Gorbatschow zum ersten Mal sein grundsätz-
                                                     liches Einverständnis zur Deutschen Einheit signalisierte und
                                                     wenige Monate später auch endgültig einer gesamtdeutschen
                       der

                                                     NATO-Mitgliedschaft zustimmte.
                                                     Die Regierung in Washington sprach sich von Anfang an uneinge-
                                                     schränkt für die Deutsche Einheit aus. Freiheit und Selbstbestim-
                                                     mung für alle Deutschen – das war das tragende Motiv von US-
                                                     Präsident George Bush sen., als er Helmut Kohl bei der deutschen
                                                     Wiedervereinigung 1989/90 entscheidend den Rücken stärkte.
                                                     So wie die großzügige Aufbauhilfe in der Nachkriegszeit den
                                                     wirtschaftlichen, politischen und moralischen Wiederaufstieg im
                                                     Westen Deutschlands und den Aufbau einer stabilen Demokratie
                                                     überhaupt erst möglich gemacht hatte, so war auch die Rolle der
                                                     USA beim Prozess der Wiedervereinigung von unschätzbarem
                                                     Wert. Auf diese Weise haben die Vereinigten Staaten von Amerika
                                                     in den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg entscheidend
                                                     zum glücklichen Verlauf der deutschen Geschichte beigetragen.

                                                     US-Präsident George Bush (links)
                                                     und der sowjetische Staatschef
                                                     Michail Gorbatschow bei einem
                                                     Gipfeltreffen vor der Mittel-
                                                     meerinsel Malta. Am Ende des
                                                     Treffens verkündet Gorbatschow
                                                     das Ende des Kalten Krieges
                                                     (Dezember 1989).

10   Zeitbild Wissen
Die Erblast der SED
Die völlige Umwandlung der zentral gelenkten sozialistischen Kommandowirtschaft der DDR war von
Beginn an ein beispielloses Unterfangen. Praktisch eine komplette    Volkswirtschaft musste
den Sprung vom    „VOLKSEIGENTUM” – also Staatseigentum – in die Soziale Marktwirtschaft und in
den internationalen Wettbewerb schaffen. Unter der SED war der Staat Arbeitgeber, Versicherer, Steuer-
                                                                                                                          Was würd
                                                                                                                                     e
behörde und Sozialinstitution – ein allgegenwärtiges Betreuungs- und zugleich Überwachungsinstrument. Die                 passieren
                                                                                                                                     ,
                                                                                                                       wenn die W
Wirtschaft wurde zentral von oben geplant und gelenkt. Der Absatz der Betriebe war garantiert, ein Qualitäts-
                                                                                                                   -kommunis       üste
                                                                                                                              tisch wär
wettbewerb fand nicht statt. Menschliche Arbeit war billig, die verdeckte Arbeitslosigkeit hoch.Technisch hoch-   Eine Zeit              e?
                                                                                                                            lang gar n
                                                                                                                    und dann           ichts
                                                                                                                              würde der
wertige Maschinen wurden wegen chronischer Devisenknappheit nur im Notfall gekauft. Die Folgen: schlechte
                                                                                                                       Sand kna
Produktivität und kaum Wettbewerbsfähigkeit auf den Weltmärkten.                                                                  pp
Die Einführung       der D-Mark in der damaligen DDR am             1. Juli 1990                                         werden.

durch die Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion deckte den maroden Zustand der DDR-Wirtschaft auf.
Es zeigte sich, dass der Standard und die Leistungsfähigkeit der               DDR-INDUSTRIE WEIT
ÜBERSCHÄTZT worden waren. Ausgerichtet auf die Erfordernisse und Direktiven des RGW-Binnen-
marktes, abgeschottet vom Weltmarkt mit seinem Know-how, seiner Konkurrenz, seinen Anreizen zur
Innovation, war die DDR-Wirtschaft, ebenso wie die der anderen sozialistischen Staaten, weit hinter
der internationalen Entwicklung zurückgeblieben. 1990/91 fiel der frühere Handel im geschlossenen
Schutzraum des RGW und mit der Sowjetunion weg, und mit der Weltmarktkonkurrenz
konnten die meisten DDR-Produkte nicht mithalten. Gleichzeitig bedeuteten die nunmehr in DM zu
zahlenden   Löhne und Gehälter, die überdies schnell stiegen, für die Betriebe
eine Kostenbelastung, der meist keine entsprechende Leistungskraft gegenüberstand.
Die Folgen waren ein massiver Rückgang der industriellen Produktion und ein schneller ANSTIEG DER
ARBEITSLOSIGKEIT. Auf dem Gipfelpunkt 1992 war nahezu ein Drittel der Erwerbsfähigen in den
Neuen Ländern entweder arbeitslos (rd. 15 Prozent) oder in einer arbeitsmarktpolitischen Maßnahme.
Dies alles waren Folgewirkungen von       vierzig Jahren verfehlter
Politik, wie sie so oder noch krasser seit 1990 überall in den ehemaligen Staaten des RGW zu ver-
zeichnen waren. Die Menschen in der DDR waren nicht weniger tüchtig als ihre Landsleute im Westen. Aber
die systembedingten Fehler der ZENTRALVERWALTUNGSWIRTSCHAFT – das Fehlen marktgebildeter
Preise als Knappheitsanzeiger, die Fehlsteuerung von Ressourcen, der im Planungsverfahren implizierte Anreiz
zur Aufstellung „weicher Pläne“, das Fehlen von Wettbewerbsdruck und Innovationsanreizen u. a. – und dazu
noch der Mangel an Investitionen machten viele ihrer Bemühungen zunichte und führten dazu, dass die DDR
an ihrem Ende auch wirtschaftlich vor dem   Kollaps stand.
Im Mittelpunkt des Aufbaus Ost standen daher seit 1990 die         Modernisierung und der
Neuaufbau einer konkurrenzfähigen Industrie. Hierzu war es nötig, die Rahmenbedingungen zu verbessern
– funktionierende Verwaltung, leistungsfähige Infrastruktur – und Investitionen und Neugründungen zu fördern.

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12   Zeitbild Wissen
Die Schlüsselfunktion bei der Umstrukturierung der ostdeutschen Wirtschaft kam zunächst der

                                                                                                                  Die Treuhand
       Treuhandanstalt zu. Dieser noch zu DDR-Zeiten gegründeten gigantischen Staatsholding „gehörte“

       zunächst fast alles – logische Folge der „volkseigenen“ Konstruktion während der vier Jahrzehnte

       SED-Herrschaft. Der Wert der DDR-Wirtschaft wurde jedoch von Anfang an weit überschätzt. Noch

       im Mai  1990 erwartete man einen Erlös von mehr als 600 Milliarden DM.Tatsächlich
       beendete die Treuhand ihre Arbeit mit einem Minus von rund 200 Milliarden DM.

       Über 6.500 Unternehmen wurden insgesamt bis zur Auflösung der Treuhand (Ende 1994)

       privatisiert, knapp 1.600 reprivatisiert und über 3.700 mussten geschlossen werden.

       Für den Erhalt von über 1,5 Millionen Arbeitsplätzen musste die Treuhand im Schnitt jeweils

       100.000 DM aufwenden; der Erhalt eines einzigen Arbeitsplatzes auf einer ostdeutschen
       Werft kostete durchschnittlich sogar ein Vielfaches. Von den über 200 Milliarden DM Gesamt-

       verbindlichkeiten der Treuhand zum 31. Dezember 1994 entfielen allein etwa 135

       Milliarden DM auf die Sanierung, Privatisierung und Stilllegung ostdeutscher Betriebe.

       Trotz Kritik an ihrer Arbeit ist es der Treuhand insgesamt gelungen, die Grundlagen einer konkurrenz-

       fähigen und zukunftsorientierten Industriestruktur in den Neuen Ländern zu schaffen.

Gemeinschaftswerk
                                                                                                                      bi
„Aufschwung Ost“                                                                                           d e r Trab enn er
                                                                                                       ht             W
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                                                                                      Wa              hw
          ls wichtige Aufgabe in der Zeit nach 1990 galt es, die
                                                                                                                    !
          notwendigen einschneidenden Maßnahmen für die
                                                                                         c h s t gesc ppt wird
                                                                                      Hö           schl e
                                                                                seine        abge
          Menschen in den Neuen Ländern erträglich zu gestalten.
Diese Zielsetzung mündete in das umfassende Aufbauprogramm
„Gemeinschaftswerk Aufschwung Ost”, dessen tragende Elemente
sich in den folgenden Jahren bewährten. Wirtschaftsförderung und
Infrastrukturerrichtung waren dabei von zentraler Bedeutung.                                                    Mit dem letzten
In den Jahren 1991 und 1992 wurden insgesamt 24,4 Milliarden                                                           „Trabbi“
DM eingesetzt, die zum einen schnellen Anschub- und Übergangs-                                                 in eine neue Zeit
                        finanzierungen dienten – unter anderem                                                  Auf ihn mussten viele
                              für verbesserte Absatzbedingungen                                       DDR-Bürger über zehn Jahre
                                 für ostdeutsche Produkte und für                                      warten. Geliebt und gehasst
                                                                                                    zugleich, begleitete der Trabbi
                                   den Einsatz eines arbeitsmarkt-
                                                                                                   das Leben in der DDR seit Ende
                                   politischen Instrumentariums                                       der 50er-Jahre wie kaum ein
                                   zur sozialen Abfederung des un-                                  anderes Produkt. Ursprünglich
                                  vermeidlichen Strukturumbruchs.                                         als ostdeutscher „Volks“-
                                                                                                      Wagen gefeiert, verwandelte
                                 Zum anderen führten sie zu einer
                                                                                                     sich der Zweitakter aufgrund
                                raschen Verbesserung der konkre-                                    mangelnder Innovationen bald
                                  ten Lebensverhältnisse in den                                     in ein Sinnbild für die stagnie-
                                   Bereichen Verkehr, Wohnungs-                                         rende DDR-Wirtschaft. Am
                                                                                                    30. April 1991 rollte der letzte
                                   und Städtebau, Infrastruktur,
                                                                                                  von insgesamt rund 3,1 Millionen
                                   Umweltschutz sowie im Hoch-                                     Trabbis vom Band – das defini-
                                schulbereich.                                                               tive Ende einer Epoche.

                                                                                                                   Zeitbild Wissen   13
Mit dem Solidarpakt kam es drei Jahre nach der Wieder-
     SOLIDARPAKT 1                                                                            vereinigung zu einer Neuordnung des bundesstaatlichen
                                                                                              Finanzausgleichs, die 1995 in Kraft trat. Danach wurden
                                                                                 die ostdeutschen Länder in den Länderfinanzausgleich einbezogen
                                                                                 und erhielten Transferleistungen in Höhe von insgesamt 105 Milliarden
                                                                                 Euro sowie zusätzliche überproportionale Fördermittel.
                                                                                 Zur Teilfinanzierung der hohen Leistungen des Bundes wurde ab
                                                                                 1995 ein Solidaritätszuschlag von 7,5 Prozent auf die Einkommen-
                                                                                 und Körperschaftsteuer eingeführt. Der Zuschlagsatz konnte ab
                                                                                 1998 auf nunmehr 5,5 Prozent gesenkt werden.

                                                                                                Der Solidarpakt II gilt seit dem 1. Januar 2005. Er löste
     SOLIDARPAKT II                                                                             den von 1995 bis 2004 geltenden Solidarpakt I ab. Bis
                                                                                                zum Jahr 2019 stehen insgesamt 156 Milliarden Euro
                                                                                 im Solidarpakt II bereit.
                                                                                  Mit dem Solidarpakt II verbindet sich die Erwartung, dass die ost-
                                                                                  deutschen Länder in den nächsten Jahren zunehmend auf eige-
                                                                                   nen Füßen stehen können und ab 2020 keinen teilungsbedingten
                                                                                    Nachholbedarf mehr geltend machen müssen. Im Zentrum der
                                                                                    Anstrengungen stehen
                                                                                     • die gezielte Förderung der Wirtschaft (Investitionszulage,
                                                                                      Investorenwerbung),
                                                                                       • Bildung, Innovation, Forschung und Entwicklung,
                                                                                       • Verkehr (Verkehrsprojekte Deutsche Einheit),
                                                                                        • Wohnungs- und Städtebau
                                                                                         (Städtebauförderung, Soziale Wohnraumförderung) und
                                                                                          • die weitere Beseitigung ökologischer Altlasten
                                                                                           (Standortsanierung).

                                                       ah   r 1990
                                       hn h o   f im J
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                                                                Hauptbahnhof
                                                            nach der Sanierung
                                                                  im Jahr 1998

WOHNEN: SANIERUNG DER BAUSUBSTANZ
UND DER INNENSTÄDTE
Viele historische Stadtkerne im Osten Deutschlands waren 1990 dem Verfall preisgegeben. Der größte Teil
der Bauten stammte aus der Zeit vor 1945; Wohnungen mit Ofenheizung waren die Regel. Im Neubaubereich
herrschten mangelhafte Billigprodukte vor. Inzwischen sind Millionen Wohnungen saniert und modernisiert
worden. Massive steuerliche Anreize auf der einen und besondere Wohngeldregelungen auf der anderen
Seite haben es ermöglicht, verfallende Häuser und Wohnungen instand zu setzen und zugleich die Mieten
bezahlbar zu halten. Zahlreiche historische Innenstädte wurden restauriert und erstrahlen in neuem Glanz.
Das Wohnen hat in Ostdeutschland eine völlig andere Qualität gewonnen.

14    Zeitbild Wissen
Der rekultivierte Silbersee im Jahr 1998

SANIERUNG UND AUSBAU DER INFRASTRUKTUR
1990 waren die Fernstraßen in Ostdeutschland sowie der Gleiskörper der Deutschen Reichsbahn stark sanierungs-
bedürftig. Völlig überaltert war auch das Wasserstraßensystem. Zwischen 1991 und 2009 wurden in die Schienen-
wege sowie die Bundesfern- und Bundeswasserstraßen der Neuen Bundesländer rund 75 Milliarden Euro investiert.
Knapp 200.000 Kilometer Straßen wurden und werden im Rahmen der Verkehrsprojekte Deutsche Einheit fertig
gestellt. Alle wichtigen Wirtschaftszentren wurden mit leistungsfähigen Strecken verbunden und die Neuen Bun-
desländer konnten in relativ kurzer Zeit in den Eurocity-, Intercity- und Interregioverkehr einbezogen werden.
Das war auch deshalb sehr wichtig, weil mit der Erweiterung der EU die bisherigen Nord-Süd-Verkehrsströme
durch neue Verkehrsbeziehungen in Ost-West-Richtung überlagert wurden. So sind auch die Neuen Länder zu
einer Drehscheibe des internationalen Handels und Verkehrs geworden.
Gleichzeitig fand eine Revolution auf dem Feld der Telekommunikation statt. Die Telefonleitungen und
-anschlüsse waren 1990 häufig nur wenig über Vorkriegsstandard – in der gesamten DDR gab es nur 1,8 Mil-
lionen Telefonanschlüsse und 22.000 Münztelefone. Dank hoher Investitionen ist hier in wenigen Jahren eines
der modernsten Telekommunikationsnetze der Welt entstanden.

Ostdeutschland ist von der weltweiten
Wirtschafts- und Finanzkrise nicht so stark
betroffen wie Westdeutschland, da die vielen
                                                          DIE KONJUNKTURPAKETE I UND II
kleinen und mittleren Unternehmen auf
veränder te Rahmenbedingungen flexibler
reagieren können und ihre Abhängigkeit vom
Export geringer ist.
Dennoch haben die von der Bundesregierung
beschlossenen beiden Konjunkturpakete in Höhe
von insgesamt 80 Milliarden Euro auch im Osten
Deutschlands mit dazu beigetragen, die Kon-
junktur zu stabilisieren und die Auswirkungen                                                               g von
                                                                                                 Einleitun am
der weltweiten Krise abzufedern. Ganz beson-                                                     Abwä  sse rn
                                                                                                             Silber-
ders profitieren die ostdeutschen Bundesländer                                                     Ufer des
                                                                                                     s A n fa ng der
von Zukunftsinvestitionen der Kommunen und                                                        see
                                                                                                          ig erjahre
Länder in die Bildung und in die Infrastruktur                                                    Neunz
sowie von der verstärkten Förderung der Investi-
tionen und der regionalen Wirtschaftsstruktur.

    HILFEN AUS BRÜSSEL FÜR DIE NEUEN BUNDESLÄNDER
Aus den EU-Strukturfonds erhalten die Neuen Länder von 2007 bis
2013 rund 15,1 Milliarden Euro an Fördergeldern. Dazu kommen
weitere Mittel für den Ausbau der Verkehrsinfrastruktur in Höhe
von 1,5 Milliarden Euro sowie 1,3 Milliarden Euro für wichtige arbeits-
marktpolitische und Ausbildungsmaßnahmen.
Darüber hinaus erhalten die Neuen Länder für ihre ländliche Ent-
wicklung Mittel in Höhe von 4,7 Milliarden Euro im Rahmen der
Gemeinsamen Agrarpolitik der EU.

                                                                                                      Zeitbild Wissen   15
DIE WIRTSCHAFTLICHE ENT
    Mit der Wiedervereinigung begann ein mühsamer wirtschaftlicher Aufholprozess.Trotzdem
              haben die Deutschen gemeinsam viel geschaffen in den letzten 20 Jahren.
 Investitionen in Verkehr und Telekommunikation, Infrastruktur und Arbeitsmarkt,Verwaltung und
 Justiz, Landwirtschaft und Gesundheitswesen, Bildung, Forschung und Technologie,Wohnungsbau
   und Kultur haben die ostdeutschen Bundesländer von Grund auf verändert und modernisiert.
    Besonders hervorzuheben sind auch die Leistungen für die ostdeutschen Rentnerinnen und
         Rentner sowie die umfassenden Anstrengungen zur Aufarbeitung der verheerenden
                                     ökologischen Altlasten.
                  Drei Phasen lassen
     sich im Rückblick unterscheiden:

                       Phase   1           1991 bis 1996
Die ersten Jahre nach der Wiedervereinigung brachten ein starkes
Wirtschaftswachstum in den Neuen Ländern. Das Bruttoinlands-
produkt (BIP) je Einwohner stieg von 42,8 Prozent im Jahr 1991                                                          Bruttoinlandsprodukt pro Erwerbstätiger
                                                                                                                                      West = 100 %

(Neue Länder ohne Berlin: 33,5 Prozent) auf 68,3 Prozent des             90 %

westdeutschen Niveaus im Jahr 1996. Mit Hilfe großer Finanz-
transfers wurden die marode Infrastruktur erneuert und zahlrei-                                                                                                       78,4                 78,7                 79,0
                                                                         80 %
                                                                                                                                                 74,8

che dringend renovierungsbedürftige Bauten instand gesetzt. Das                                                             73,6
                                                                                                                                                                                                  Neue Bundesländer
                                                                                                                                                                                                       mit Berlin
führte zu einem Boom im ostdeutschen Baugewerbe und in den               70 %
                                                                                                    67,1

damit verbundenen Industrie- und Dienstleistungsbereichen.
                                                                         60 %

                       Phase   2           1997 bis 2000
Das Auslaufen des Baubooms brachte den Aufholprozess vo-
rübergehend fast zum Erliegen. Die auf die Einwohnerzahl
                                                                         50 %

                                                                         40 %    1991
                                                                                      44,5

                                                                                             1992      1993   1994
                                                                                Quelle: Arbeitskreis VGR der Länder
                                                                                                                     1995   1996   1997   1998   1999   2000   2001   2002   2003   2004   2005   2006   2007   2008

bezogene Wirtschaftsleistung ging im Vergleich zu Westdeutsch-           BIP
land sogar wieder leicht zurück, auf 67,2 Prozent des westdeut-
schen Niveaus im Jahr 2000.

                                                                        S
                                                                                  eit 1991 ist das

                               3
                                                                                  Bruttoinlandsprodukt
                                                                                  (BIP) je Erwerbstätiger
                                                                                  in Ostdeutschland auf
                       Phase             2001 bis heute                 79 Prozent des Wertes in West-
Der wirtschaftliche Aufholprozess ist wieder in Gang gekommen, wenn
                                                                        deutschland gestiegen. Während
auch mit geringerem Tempo als zu Beginn der 90er-Jahre. Das BIP je
                                                                        das BIP in Westdeutschland
Einwohner ist in diesem Zeitraum auf 73 Prozent des westdeutschen
                                                                        zwischen 2006 und 2008 nur
Durchschnittsniveaus gestiegen. Gleichzeitig haben sich die Produkti-
                                                                        um 4,3 Prozent zunahm, stieg
vität (von 75 Prozent des westdeutschen Niveaus im Jahr 2000 auf
                                                                        es in Ostdeutschland um
81 Prozent im Jahr 2009) und die Selbstständigenquote (von 84 Pro-
                                                                        7,5 Prozent.
zent des westdeutschen Niveaus im Jahr 2000 auf 106 Prozent im Jahr
2009) signifikant erhöht. Besonders das verarbeitende Gewerbe ist in
den letzten Jahren dynamisch gewachsen, seit dem Jahr 2000 um fast
55 Prozent. Es kommt jetzt darauf an, die noch bestehende Differenz
in der Wirtschaftskraft weiter abzubauen.

16   Zeitbild Wissen
WICKLUNG IM ÜBERBLICK
                                                                                                                                              Wanderungen zwischen Ost- und Westdeutschland

                                                                                                                                                                                              943,4
                                                                                                                           1990–1993
                                                                                                                                                        272,9

                                                                                                                                                                         510,2
                                                                                                                           1994–1997
                                                                                                                                                                 390,8
 Arbeit
                                                                                                                                                                                 644,9
                                                                                                                           1998–2001
                                                       Arbeitslosen- und Erwerbstätigenquote
                                                                                                                                                                366,9
 80 %                                                                                          Alte Bundesländer
                                                                                                                   73,6
                                                                     70,9             70,4
                   69,8
  70 %                                          67,3
                                                                                                                                                                             615,7
                                                                                                                           2002–2005
                                                                                                                   70,3

                                                                                               Neue Bundesländer
 60 %
                   60,1                         61,1
                                                                     62,5
                                                                                       63,8
                                                                                                                                                                375,8
                  Erwerbstätige                                                                                                                                                          Personen in 1.000
 50 %
                                                                                                                                                                                            Zuzüge aus den Neuen Ländern
                                                                                                                                                                         531,1              in die alten Länder

 40 %                                                                                                                      2006–2009                                                        Fortzüge aus den alten Ländern
                                                                                                                                                                                            in die Neuen Länder
                                                                                                                                                               338,7
 30 %

                  Arbeitslose                                        18,8              20,1    Neue Bundesländer
 20 %                                           16,7
                                                                                                        13,1                Ost und West jeweils ohne Berlin
            10,3                                                                                                            Quelle: Statistisches Bundesamt
                                                10,1                                   9,4
                                                                     8,7                                6,4
  10 %      6,3

                                                                                               Alte Bundesländer

                                                                                                                           Abwanderung
         1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009
         Quelle: Bundesagentur für Arbeit, Statistisches Bundesamt

D                                                                                                                         Z
              ie positive Wirt-                                                                                                       wischen 1990 und 2009 sind über 3,2 Millionen
              schaftsentwicklung                                                                                                      Menschen aus den Neuen in die alten Länder gezogen,
              hat sich auch auf                                                                                                       während rund 1,7 Millionen die umgekehrte Richtung
              dem Arbeitsmarkt                                                                                                        wählten. Die Neuen Länder verloren in diesem Zeitraum
niedergeschlagen. Von 2005 bis                                                                                            per Saldo rund eineinhalb Millionen Einwohner durch Abwanderung.
August 2010 hat sich die Zahl                                                                                             Insbesondere junge Menschen verließen bisher ihre Heimat im Osten,
der Arbeitslosen in den Neuen                                                                                             darunter waren in den ersten Jahren nach der Wiedervereinigung
Ländern um gut 600.000 Perso-                                                                                             überdurchschnittlich häufig junge Frauen. Abgesehen von einem gering-
nen, von 19,0 auf 11,5 Prozent,                                                                                           fügigen Anstieg in den Jahren 2007/2008, nahm die Zahl der
verringert. Im Sommer 2010                                                                                                Menschen, die von Ost nach West abwanderten, seit 2001 konti-
sank die Arbeitslosigkeit erstmals                                                                                        nuierlich ab. Nach vorläufigen Schätzungen erreichte sie im
seit 1990/91 wieder unter die                                                                                             Jahr 2009 mit insgesamt 120.500 Zuzügen aus den Neuen in die
Grenze von einer Million.                                                                                                 alten Länder den tiefsten Wert seit der Wiedervereinigung.
Mit einer Erwerbstätigenquote
von über 68 Prozent liegen die
Neuen Länder noch nicht auf
dem westdeutschen Durch-
schnittsstand (71 Prozent), aber
schon über dem Durchschnitts-
wert der EU. Der weitere Abbau
der Arbeitslosigkeit bleibt eine
der zentralen Aufgaben.

                                                                                                                                                                                                    Zeitbild Wissen          17
Emissionen pro Einwohner

                                                                                                                              20
DIE WIRTSCHAFTLICHE ENTWICKLUNG IM ÜBERBLICK                                                                                                                              18,9                                              CO2
                                                                                                                                                                                                                              in Tonnen

                                                                                                                              15

                                                                                                                                                     11,2                                                                   11 ,2
                                                                                                                                                                                                           10 , 9
                                                                                                                              10

                                                                                                                               5

                                               Renten
                                                                                                                                                    West-                Ost-                               West-              Ost-
                                                                                                                                                 deutschland          deutschland                        deutschland        deutschland

                                                                                                                                                             1990                                                     1995

                                     Z
                                                  u den eindeutigen Gewinnern der Deutschen Einheit                                Quelle: Hentrich/Komar/Weisheimer (2000), Umweltschutz in den neuen Bundesländern

                                                  gehören die Rentnerinnen und Rentner in Ostdeutschland.
                                                  Die durchschnittlichen Renten* liegen dort sowohl bei den
                                                                                                                                                                                      Emissionen pro Einwohner
                                                  Männern mit ca. 1.069 Euro als auch bei den Frauen mit
                                     702 Euro über denjenigen in den alten Ländern mit ca. 990 Euro für                       300

                                     Männer und ca. 487 Euro für Frauen (Stand: 31. Dezember 2009).
                                                                                                                              250
                                                                                                                                                                            2 7 2,1                                           SO2
                                                                                                                                                                                                                            in Kilogramm
                                     Das hängt entscheidend mit den überwiegend geschlossenen Ver-
                                     sicherungsbiografien der Rentnerinnen und Rentner in Ost-
                                                                                                                              200
                                     deutschland zusammen, was vor allem bei den Frauen zu höheren
                                     Durchschnittsrenten führt.                                                               1 50
                                     Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass die Renten im Osten                                                                                                                      9 9,4

                                     häufig das einzige Einkommen im Alter sind. Ansprüche aus be-                             100
                                     trieblicher Altersversorgung, wie sie im Westen sehr verbreitet sind,
                                     bestehen bei der heutigen Rentnergeneration im Osten kaum.                                50                           1 3,9
                                     Dennoch: Wer in der DDR höchstens eine Mini-Rente in Ost-Mark                                                                                                              8,9

                                     zu erwarten gehabt hätte, steht heute ungleich besser da; immer-
                                     hin sind die Renten von 1990 bis heute in den Neuen Ländern im                                                      West-
                                                                                                                                                      deutschland
                                                                                                                                                                             Ost-
                                                                                                                                                                          deutschland
                                                                                                                                                                                                               West-
                                                                                                                                                                                                            deutschland
                                                                                                                                                                                                                                Ost-
                                                                                                                                                                                                                             deutschland

                                     Vergleich zu den alten Ländern um ein Vielfaches gestiegen.                                                                    1990                                               1995
                                                                                                                                        Quelle: Hentrich/Komar/Weisheimer (2000), Umweltschutz in den neuen Bundesländern
                                     *
                                      Die angeführten Zahlen beziehen sich auf den durchschnittlichen Rentenzahlbetrag,
                                     der sich von der Modellrechnung Standardrente unterscheidet.

                                                                            Entwicklung der Altersrente
                                                                                                                               Umwelt

                                                                                                                             O
                                               1 . 000 B                                                                                   b in der Landwirtschaft, in der Industrie oder in den
                                                                                                                                           Städten und Gemeinden: Zu den schlimmsten Erb-
                                                                                                                 826 B
                                                                                                                                           lasten der SED gehörte die dramatische
                                                800 B
                                                                                                                                           Belastung der Umwelt. 1990 waren nur drei Prozent
                                                                                                     697 B
                                                                                                                             der Wasserläufe und ein Prozent der stehenden Gewässer
                                                                   587 B                                                     ökologisch in Ordnung. Sauberes Trinkwasser war keine Selbstver-
                                                600 B
                                                                                                                             ständlichkeit. Milliarden Kubikmeter Industrieabwasser flossen zu
                                                                               492 B
                                                                                                                             95 Prozent ungeklärt in die Gewässer. Nur 36 Prozent der
                                                                                                                             Menschen hatten Anschlüsse an Kläranlagen.
                                                400 B
                                                                                                                             Dazu kamen weitere Probleme: die Sanierung der
                                                                            + 18,7 %                                         Braunkohlereviere, die Sanierung umfangreicher, durch den Uran-
                                                                                                                             abbau radioaktiv kontaminierter Flächen sowie der
                                                200 B
                                                                                                                             Rückbau und die Entsorgung der stillgelegten Kernkraftwerke
                                                                                          + 67,9 %                           sowjetischer Bauart. Heute sind auch in Ostdeutschland saubere
                                                    0B                                                                       Luft, saubere Böden, sauberes Trinkwasser und saubere Flüsse
                                                                 West-         Ost-                 West-         Ost-
                                                                                                                             selbstverständlich. Hohe Investitionen und gezielter
                                                              deutschland   deutschland          deutschland   deutschland   Technologietransfer haben alle alten „Dreckschleudern“ beseitigt,
                                                                                                                             und die Einführung umweltverträglicher
                                                                     1992                             2008                   Produktionsverfahren und der sparsamere Einsatz von Energie
                                         Quelle: Deutsche Rentenversicherung                                                 haben ihre Wirkung getan.

                                    18           Zeitbild Wissen
Lebenserwartung
                                               (in Jahren)
     85

     80

     75

     70
                                                              Frauen West
                                                              Frauen Ost

                                                              Männer West
                                                              Männer Ost
                                                                                                      Langlebige Gebrauchsgüter in ostdeutschen Haushalten

     65                                                                                          98,3 %
                                                                                                                                                      94,7 %
                                                                            100 %
                  2

                  4

                  5

                  6

                  7

                  8
                  3
                 0

                 1
                 4

                 5

                 6

                 7

                 8

                 9
                 3

               00

               00

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               00
               00
              99

              99

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              99

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                                                                             80 %
      20
      20

      20

      20

      20

      20

      20
      19

      19

      19

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      19

      19
      19

                                                                                                                              71,7 %
          Quelle: Statistisches Bundesamt

                                                                            60 %
                                                                                                                   49,2 %

  Gesundheit                                                                40 %                                                             35,9 %

                                                                                         20 %                                                                         1990
                                                                            20 %

W
                   ie sehr sich die                                                                                                                                   2008
                                                                                                                                                               Quelle: SOEPmonitor

                   gesundheitliche
                                                                                                                                                                   1984–2008

                   Situation in den                                                         Telefon                     PKW                 Waschmaschine/
                                                                                                                                           Waschvollautomat
                   Neuen Ländern
seit der Wiedervereinigung ver-
bessert hat, wird an der gestie-
genen Lebenserwartung sichtbar.
Sie ist seit 1990 bei Männern
um rund vier, bei Frauen um fast
fünf Jahre gestiegen und hat
sich damit dem westdeutschen
Durchschnitt stark angenähert.                                                                                                           d
Die ambulante ärztliche Versor-
                                                                                                                      s s t a nd a r
gung ist voll gewährleistet; die                                                             r     e
                                                                                               t ig / L e b e n                             n di
                                                                                                                                                  e
                                                                                       h w e         r                              e  ic he ds
                                                                                    Hoc sumgüte
                                                                                                                               e r r
technische Ausstattung der Arzt-                                                                                          hen           hlan      e
                                                                                                                   reic Deutsc ürmisch
praxen und der Krankenhäuser
                                                                                    Kon                b e
                                                                                                    Le m We
                                                                                                           n s b e
                                                                                                                    s t e n
                                                                                                                             de  r   s t
                                                                                                                                           ss i n
                                                                                                                                                    n
hat sich tiefgreifend verbessert.                                                               ehrm     i     as       twa        t, da        eue
                                                                                                                          at e g e f ü h r d i e N
                                                                                             mer         er d      So h                    “
Auch die Arzneimittelversorgung                                                       In imen Länd i veau. m dazu wohner ische                         lt
entspricht dem Niveau der                                                              Neu hnte N ngsboo pro Ein europä iches gi te
                                                                                         e w o     i e r u       k w          a n       h n l      h a l
                                                                                       g      oris                     hen         n; Ä        aus
alten Länder.                                                                                             n „P                                           ten,
                                                                                        Mot elatio inzwisc arbeite vaten H hlgerä
                                                                                              R                       n           i           ü          .
                                                                                        der er sich e hera der pr , Tiefk räten en
                                                                                               d           t                                   e           s
                                                                                         Län enwer tattung pielern elleng andsrei dern
                                                                                                z           s           S           w
                                                                                          Spit ie Aus DVD- Mikro er Ausl en Län
                                                                                                 d           d                                  u
                                                                                           f ür CD- un en und tistik d en Ne
                                                                                              i t          h i n       S t a      i n d
                                                                                            m           sc           r       hen
                                                                                                  lma          n de
                                                                                             Spü auc h i Mensc uc he.
                                                                                                                e
                                                                                              Und gen di er zu B
                                                                                                   a
                                                                                              sc hl er stärk
                                                                                               imm

                                                                                                                                                      Zeitbild Wissen          19
DIE INNERE
                                                           Z
                                                            Ziel der Politik ist es, bis zum Auslaufen des Solidarpaktes II im Jahr
                                                            2019 ein selbsttragendes Wachstum zu erreichen und möglichst

           EINHEIT
                                                            gleichwertige Lebensverhältnisse zu schaffen.
                                                            Ein Hauptproblem bleibt die weiterhin kritische Lage auf dem Ar-
                                                            beitsmarkt, die dazu führt, dass zu viele Menschen in den Westen
                                                            abwandern, um dort eine Beschäftigung zu finden. Gleichzeitig ist
                                                            die Überalterung der Gesellschaft mit all ihren Schwierigkeiten in
    Mit dem Aufbau demokratischer Strukturen,               den Neuen Bundesländern stärker als im Westen Deutschlands.
  einer unabhängigen Justiz, der Gewährleistung             Dazu kommen die Tiefe und die Schnelligkeit des Umbruchs in den
          der Grundrechte wie etwa Meinungs-,               Neuen Ländern: Im Alltagsleben vieler Ostdeutscher bleibt kaum
                                                            ein Stein auf dem anderen, was auch zu Orientierungsproblemen
 Rede- und Reisefreiheit in den Neuen Ländern               führt. Auch haben viele Menschen den Eindruck, dass ihre Lebens-
   wurden zentrale Forderungen der friedlichen              leistung, die sie unter den schwierigen Bedingungen der DDR
                                                            erbracht haben, nicht genügend gewürdigt wird.
                   Revolutionäre von 1989 erfüllt.          Das führt manchmal zu einer nachträglichen Idealisierung der
            Doch die Spuren von 40 Jahren SED-              DDR, die übersieht, wogegen die Menschen 1989/90 hauptsächlich
  Herrschaft in allen Bereichen des Lebens sind             demonstriert haben: eingeschränkte Freiheiten, Bespitzelung und

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                                                            politische Unterdrückung.
               tief; ihre Beseitigung dauert länger         Trotz noch zu lösender Probleme können die Menschen in Ost und
    als ursprünglich erhofft und beschränkt sich            West heute stolz auf das gemeinsam Erreichte sein. Großer Respekt
                                                            gilt dabei vor allem den Menschen in den Neuen Ländern, die mit
                  nicht nur auf Gesetzgebung und            viel Tatendrang und Mut die weitaus schwierigeren Herausforde-
    Verwaltung.Vielmehr bleibt es eine Heraus-              rungen einer gewaltigen Veränderung in allen Lebensbereichen
                                                            gemeistert haben. Gleichzeitig wäre ohne die Solidarität und die
  forderung für die ganze Gesellschaft, den Weg             massiven Hilfen der alten Länder die Modernisierung im Osten
     zu gleichwertigen Lebensverhältnissen und              sicherlich nicht so schnell und erfolgreich gelungen.
einem Miteinander, bei dem „Ost“ und „West“                 Die gemeinsame Erfahrung der vergangenen 20 Jahre hat die
                                                            Zusammengehörigkeit zwischen Ost und West verstärkt. Bei
keine entscheidende Rolle mehr spielen, Schritt             der „Jahrhundertflut“ entlang der Elbe in Sachsen und Sachsen-
           für Schritt gemeinsam weiterzugehen.             Anhalt im Jahr 2002 kommt Unterstützung aus ganz Deutschland:

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20   Zeitbild Wissen
Menschen aus Bayern helfen genauso mit wie Brandenburger oder
Berliner. Mehr als 500 Millionen Euro werden insgesamt gespendet.
                                                                          Wie sehen die Deutschen
Auch die Fußball-WM 2006 in Deutschland hat deutlich gezeigt:             die friedliche Revolution
Die Farben Schwarz-Rot-Gold sind das gemeinsame Symbol aller              und die Einheit?

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Deutschen.                                                                Für die Menschen in Ost und West war die Wiedervereinigung
Es ist ein neues Deutschland entstanden, das etwas anderes                mit großen Emotionen verbunden. In Umfragen gibt fast jeder
ist als nur die Fortsetzung der alten Bundesrepublik in                   zweite Deutsche an, dass ihm bei allem, was sich damals
größeren Grenzen: Schon heute ist die Ostsee das beliebteste              zutrug, irgendwann einmal die Tränen gekommen seien.
Urlaubsziel der Deutschen. Schon heute kommt weltweit jede                Heute wird die Wiedervereinigung von einer großen Mehrheit
sechste Solarzelle aus Ostdeutschland. Schon heute spielen bei den        der Deutschen als Erfolg gesehen. Auf die Frage „War die
Jugendlichen die Begriffe „Ossis“ und „Wessis“ keine Rolle mehr.          Wiedervereinigung für Deutschland alles in allem betrachtet
Es ist selbstverständlich, dass junge Menschen aus den Neuen              eher positiv oder eher negativ?“ gaben in einer Umfrage im
Ländern ihre Ausbildung an westdeutschen Einrichtungen absol-             Mai 2009 insgesamt 80 Prozent der Befragten (79 Prozent
vieren. Aber auch umgekehrt: Immer mehr westdeutsche Jugend-              in den alten, 85 Prozent in den Neuen Ländern) die Antwort
liche entscheiden sich für ein Studium im Osten.                          „positiv“. Nur 15 Prozent insgesamt (16 Prozent in den alten,
Um die Lebensbedingungen in den Neuen Ländern weiter zu                   neun Prozent in den Neuen Ländern) antworteten „negativ“.
verbessern, müssen vorhandene Unternehmen wachsen und neue                Auf die Frage „Haben sich die Hoffnungen/Erwartungen, die
Unternehmen in ganz neuen Industrien entstehen. Dies erfordert            Sie damals mit der Vereinigung verbunden haben, erfüllt oder
Erfindergeist und entsprechende Anstrengungen auf allen Stufen             nicht erfüllt?“ gaben 54 Prozent insgesamt (53 Prozent der
des Bildungssystems. Investitionen in die Bildung sind daher das Funda-   Westdeutschen, 60 Prozent der Ostdeutschen) die Antwort,
ment allen technischen, wirtschaftlichen und sozialen Fortschritts.       die Erwartungen hätten sich im Großen und Ganzen oder in
Sie waren entscheidend dort, wo der Aufbau Ost Erfolg hat, und            wichtigen Teilen erfüllt. Und im Jahr 2009 bezeichneten sich
sie werden künftig entscheidend sein, wenn es darum geht, die             in den Neuen Ländern 65 Prozent als „Gewinner“, 20 Prozent
wirtschaftsschwachen Regionen in ganz Deutschland zu stabilisieren        als „Verlierer der Einheit“ (Vergleich 2004: 54 zu 30 Prozent).
und fortzuentwickeln.                                                     Dem entsprechen auch die Zukunftserwartungen. „Sehen Sie
Dies hat eine kluge Förderpolitik bei der Vergabe von Finanz-             persönlich der Zukunft eher optimistisch oder eher pessi-
mitteln zu bedenken, wobei es nicht nur um den Technologiebereich         mistisch entgegen?“ beantworteten 64 Prozent insgesamt (65
und die entsprechende Qualifizierung der Menschen gehen kann,              Prozent im Westen, 62 Prozent in den östlichen Ländern) mit
sondern auch um die weitere Entwicklung kultur- und tourismus-            „eher optimistisch“, gegenüber rund einem Drittel, die eher
orientierter Regionen.                                                    pessimistisch waren.
                                                                                 Quelle: 20 Jahre nach dem Mauerfall. Eine Erhebung der TNS Infratest Politikforschung Berlin, Mai 2009.

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