ERLESENES ALTER(N) LITERATUR UND WORTKUNST FÜR ALLE - DAS KUBIA-MAGAZIN / 18
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DAS KUBIA-MAGAZIN / 18 INHALT 26 Mit vergnüglichem Knall Bayreuth feiert ein Lesefest für alle Annette Ziegert 29 Literatur für die Ohren Die Bucheckern aus Gelsenkirchen Susanne Lenz 03 32 ENTRÉE Ist einfach! Die inklusive Öffnung eines 05 kreativen Schreibworkshops FOYER Lothar Kittstein Don’t look back in Edinburgh Das Fachtreffen »Connect+« feiert die Kreativität 35 im Alter Kein Buch mit sieben Siegeln Monika Berntgen, Henni Pitak-Raftery, Jessica Höhn Das Literaturprojekt »LiES!« in Einfacher Sprache und Janine Hüsch Traudl Bünger 07 39 Erhellend: Kreativ Altern in Schottland ATELIER Ein Reiseblog Praxistipps // Lesetipps zum Titelthema // Miriam Haller, Sybille Kastner und Imke Nagel Veranstaltungen // Neuerscheinungen // Wettbewerbe und Förderprogramme 11 Neues von kubia 43 Veranstaltungen // Rückblicke // Lieblingsstück: Zoomer gegen Boomer Förderfonds Kultur & Alter // Weiterbildung // Veröffentlichung // Kulturkompetenz+ 44 GALERIE 15 Lesefutter per Medienboten SALON Ein Porträt der Hamburger Kulturgeragogin Erlesenes Alter(n) Christine R ißmann Literatur und Wortkunst in Geschichte und Kathrin Volkmer Gegenwart des geragogischen Diskurses Miriam Haller 47 Späte Blüte 17 Ein Gespräch mit der Theaterautorin Sylvia Dow Lebensbilder Zu den Fotografien der Selfiegrafen 50 Iris Wolf und Jörg Meier in diesem Heft LOUNGE Lesetipp: Die Tochter des Vercingetorix 21 Webtipp: Geschichten-App »A Story Before Bed« Die Grenzen der Entwicklung? Wie der Bildungsroman vom Altern erzählt 52 Heike Hartung IMPRESSUM kubia – Kompetenzzentrum für Kulturelle Bildung im A lter und Inklusion: w w w.ibk-kubia.de
E N T R É E // 03 ENTRÉE Liebe Leserinnen und Leser, das Leben will gelebt werden, aber eben auch gelesen und geschrieben. »Bücher sind – neben Pasta, Tomaten und Olivenöl – meine wichtigsten Lebensmittel«, bekannte der Verleger und Schriftsteller Michael Krüger. Dass dies sogar im buchstäblichen Sinne gilt, bestätigte 2016 eine medizinische Studie der Yale University: Die Lebenserwartung der Personen, die wöchentlich bis zu dreieinhalb Stunden lesen, liegt 17 Prozent höher als die Lebenserwartung jener, die weniger lesen. Gegenwärtig lehren uns die Erfahrungen mit der Pandemie, wie wertvoll das Lesen in sol chen Krisenzeiten ist. Also, nichts wie ran an die Lektüre unseres Hefts zum »erlesenen« Alter(n)! Die Kultur- und Bildungswissenschaftlerin Miriam Haller geht in ihrem Beitrag der Frage nach dem Erkenntnisgewinn literarischer Texte über das Alter(n) für die Kulturgeragogik nach. Sie erinnert an den Begründer der Geragogik in Deutschland, Otto Friedrich Bollnow, der in den 1960er Jahren seine Theorie Kultureller Bildung im Alter aus Literatur und Wortkunst ableitete. Wie heute im Bildungsroman das Altern erzählt wird, untersucht die Literaturwissenschaftlerin Heike Hartung: Sie entdeckt neben Erzählungen von Reifung und Entwicklung im Alter auch Gegenerzählungen, die den humanistischen Bildungsbegriff herausfordern. Um das Lesen zu feiern, wurde 2018 »Bayreuth blättert. Das Lesefest für alle!« erfunden: Erfah ren Sie im Gespräch mit dem Leitungsteam, Katharina Fink und Klaus Wührl-Struller, was den besonderen Charme dieses inklusiven Festivals ausmacht. In Gelsenkirchen bietet das Vorlese- Ensemble Die Bucheckern des Consol Theaters schon seit 13 Jahren Erlesenes für Klein und Groß. »Ist einfach«, meint Lothar Kittstein über seine Erfahrung als Leiter von inklusiven Schreibwerkstätten. Ihn begeistern die literarisch anspruchsvollen Texte, die dort entstehen. Wie Einfache Sprache auch professionelle Schriftstellerinnen und Schriftsteller zum literarisch ästhetischen Experiment anregt, zeigt eindrücklich der Sammelband »LiES!«. Im Foyer berichten wir von zwei Austauschprogrammen mit Schottland: kubia-Mitarbeite rinnen und weitere Kulturgeragoginnen aus Nordrhein-Westfalen erhielten wahrlich erhellende Einblicke ins Kreative Alter(n) auf den britischen Inseln. Auch in der Galerie treffen Sie auf eine Schottin: Erst mit 70 Jahren begann Sylvia Dow zu schreiben und wurde zu einer bekannten Theaterautorin, deren Stücke inzwischen international gespielt werden. Wie die Hamburger Bücherhallen gemeinsam mit Freiwilligen ältere Menschen zu Hause analog und digital mit Lesefutter versorgen, zeigt das Porträt der Kulturgeragogin Christine Rißmann und ihrer Medienboten. Für unsere Fotostrecke danken wir den Selfiegrafen Iris Wolf und Jörg Meier: Mit alltäglichen Dingen rufen sie große Erinnerungen wach und bannen Lebensgeschichten ins Bild. Große Leselust wünscht Ihnen das kubia-Team
F O Y E R // 05 FOYER DON’T LOOK BACK IN EDINBURGH DA S FACHTREFFEN »CONNECT+« FEIERT DIE KRE ATIVITÄT IM ALTER Von Monika Berntgen, Henni Pitak-Raftery, Jessica Höhn und Janine Hüsch Unter dem Motto »Don’t look back« veranstaltete Amateo, das Europäische Netzwerk für Kulturteilhabe, gemeinsam mit Voluntary Arts und Luminate vom 1. bis 3. Oktober 2019 das Fachtreffen »Connect+« im schottischen Edinburgh. Das vielseitige Programm gab den Expertinnen und Experten aus zahlreichen europäischen Ländern die Möglichkeit, sich intensiv zum Thema Kreativität im Alter auszutauschen. Zu einem Praxisworkshop waren auch die kubia-Mitarbeiterin Janine Hüsch – als Referentin – und zwei Seniorinnen des Leverkusener Theaterensembles Silberdisteln mit Leiterin Jessica Höhn eingeladen. »So eine Gelegenheit bekommen wir in unserem interessiert sind, etwas entgegenzusetzen: Ältere Leben nie wieder!« Mit großer Begeisterung hat Menschen haben auch eine Zukunft! ten die Spielerinnen Monika Berntgen und Henni Nicht zurückzuschauen, sondern den Blick in Pitak-Raftery des Seniorentheaterensembles Sil die Zukunft zu richten und zu demonstrieren, berdisteln die Einladung nach Edinburgh mit dass das Interesse an Neuem, Aktuellem und an ihrer Regisseurin Jessica Höhn angenommen. zeitgenössischen künstlerischen Formaten im fort Anfängliche Bedenken, ob die eigene Konstitu geschrittenen Alter nicht schwindet – darum ging tion oder die Englischkenntnisse reichen würden, es im Workshop, im Seminar, in den Diskussionen erwiesen sich schnell als unbegründet. Die Work und bei den Aufführungen. shopleitungen Janice Parker und Luke Pell waren auf die Bedürfnisse Älterer aus verschiedenen Län BEST-PRACTICE dern sehr gut vorbereitet. »Sie waren so aufmerk sam und einfühlsam mit uns«, berichtet Henni Das Seminar bot Fachleuten und Kulturschaffen Pitak-Raftery. »Sie haben uns innerhalb kürzester den Einblicke in Best-Practice-Beispiele kreati Zeit zu einer Gruppe werden lassen, obwohl wir ver partizipativer Arbeit mit älteren Menschen. alle ganz unterschiedliche Menschen waren«, er Janine Hüsch stellte in diesem Kontext die Arbeit gänzt Monika Berntgen. von kubia vor und diskutierte mit den interna tionalen Teilnehmerinnen und Teilnehmern die ALTER MIT ZUKUNFT Herausforderungen und Gelingensbedingungen eines inklusiven kulturgeragogischen Ansatzes. Gemeinsam mit Teilnehmenden aus Belgien, Die Weiterbildung Kulturgeragogik sowie allge Österreich, Slowenien, Tschechien und Deutsch mein der Wirkungsgrad von kubia als Kompe land setzten sie sich in tänzerischer und performa tenzzentrum für Kulturelle Bildung im Alter und tiver Weise mit Zukunftsperspektiven auseinander, Inklusion stießen bei den Zuhörerinnen und Zu um der verbreiteten Vorstellung, dass Menschen hörern auf großes Interesse. mit zunehmendem Alter nur an der Vergangenheit
06 // F O Y E R unterwegs, aber uns verband die Begeisterung für die künstlerische Arbeit mit Älteren.« Sie konnte Kontakte für Kooperationen knüpfen, sodass schon Pläne für gemeinsame Projekte entstanden sind. Ein erstes Treffen dazu hat bereits in Prag stattge funden. EPIC AWARDS Einen krönenden Abschluss des Aufenthalts in Edinburgh bot die Preisverleihung der Epic Awards, die jährlich an herausragende kreative, partizipative Projekte aus Großbritannien und der Republik Irland vergeben werden. In diesem Rah men wurde auch der beeindruckende Film über den Workshop, an dem die Silberdistel-Spiele rinnen teilgenommen hatten, gezeigt. »Dort sieht man sehr schön, wie respektvoll und wertschät zend unser Miteinander war«, unterstreicht Henni Pitak-Raftery. Der »Forget Me Notes«-Chor bei der Eröffnung von Connect+ in Edinburgh DIE SPRACHE DER KUNST Weiteren interessanten Input und wertvolle Im Zurück in Deutschland wurden die Heimkehre- pulse lieferten die Niederländerin Ingrid Smit mit rinnen schon von den anderen Spielerinnen der ihrem Vortrag über das Projekt »Long Live Arts« Silberdisteln erwartet. »Ich habe die Angst ver sowie Anne Gallacher, die die spannende Arbeit loren, dass man mich nicht versteht. Manchmal von Luminate, der schottischen Organisation für braucht es einfach keine Worte, um zu wissen, was Kreativität im Alter, erläuterte. der andere sagen will. Vor allem nicht, wenn man Moderiert wurde das Seminar von Sylvia Dow, zusammen Theater spielt«, beschreiben beide die die im Alter von 70 Jahren ihre Karriere als Thea einmalige Erfahrung. »Egal wie alt man ist, man terautorin begann (s. Interview S. 47ff.). Sie stellte kann immer noch neue Kontakte schließen«, so heraus, dass die Art und Weise, wie Ältere wahrge Monika Berntgen. »Und auf künstlerischer Ebene nommen werden, oft von Klischees bestimmt wird ist es sowieso leichter, Gemeinsamkeiten zu fin und hielt fest: »We are only young people who got den«, ergänzt ihre Mitspielerin. Monika Berntgen older!« und Henni Pitak-Raftery sind sich einig: »Das würden wir noch mal machen!« jh NEUE SEILSCHAFTEN Der Film zum Workshop ist hier zu sehen: Regisseurin Jessica Höhn nahm als Besucherin am www.ibk-kubia.de/connect Seminar teil und schwärmt von dem Austausch mit WEITERE INFORM ATIONEN: den internationalen Kolleginnen und Kollegen: www.amateo.org »Alle waren in sehr unterschiedlichen Kontexten
F O Y E R // 07 ERHELLEND: KREATIV ALTERN IN SCHOTTL AND EIN REISEBLOG Von Miriam Haller, Sybille Kastner und Imke Nagel Im Rahmen eines Austauschprogramms des British Council und Creative Scotland sind die kubia- Mitarbeiterinnen Imke Nagel und Miriam Haller gemeinsam mit Sybille Kastner vom Lehmbruck Museum Duisburg nach Schottland geflogen, um dort Beispiele guter Praxis kennenzulernen und in den fachlichen Austausch zu kommen. In ihrem Reiseblog schreiben sie über die Eindrücke ihrer Reise. »I hope it’s not bumpy!«, schrieb uns zwei Tage vor lerischen und kreativen Aktivitäten teilnehmen unserem Abflug nach Edinburgh Anne Gallacher. können, unabhängig von ihrem Hintergrund, ih Da kündigte sich Sturmtief Sabine bereits an. Aber rem Wohnort und ihren Lebensumständen. Ziel jetzt sitzen wir im Flugzeug. Der Flieger hebt mit ist vor allem, erklärt Anne Gallacher, die Leiterin etwas Verspätung ab: Wir sind »über den Wol von Luminate, strahlend, Luminate mit der Reali ken …« Als wir in Edinburgh landen, strahlt die sierung des Leitbilds überflüssig zu machen: Dann, Sonne. Eine halbe Stunde später schneit es. wenn alle älteren Menschen, die das möchten, in Warum um Himmels Willen trotzen wir den Schottland Zugang zu Kunst und Kultur haben. Naturgewalten, um nach Edinburgh zu fliegen? Luminate ist die A ntwort. Luminate bedeutet »Erhellen, Ausleuchten, Erk lären« und ist der Name von Schottlands Organisation für krea > tives A ltern, die 2012 ins Leben gerufen wurde. > Seitdem wirft Luminate den Scheinwerfer auf Projekte der Kulturellen Bildung im A lter in ganz Schottland, organisierte sieben Mal das gleichna mige Festival, bildet Netzwerke, berät, unterstützt und organisiert Austausch und Weiterbildungen. Zu Besuch in NRW im November 2019: Die schottische Delegation im Kölner Mediapark Die Arbeit von Luminate hat viele Parallelen zur Arbeit von kubia. Es bestehen schon lange Zeit Anne holt uns im Hotel ab: Ihr »warm welcome« Verbindungen zwischen beiden Organisationen. lässt uns den Schneesturm vergessen. Unser erster Durch den Austausch, der nicht zuletzt den zu Besuch gilt Creative Scotland, der NGO, deren befürchtenden Brexit-Konsequenzen vorbeugen Zuständigkeit die Verteilung von Fördermitteln soll, konnten diese Kontakte nun vertieft werden. für die Künste in Schottland ist. Dort werden wir von Milica Milosevic und Helen Trew empfan LEITSTERN: ZUGÄNGLICHKEIT gen, die uns die Rahmenbedingungen, kulturpo litischen Grundhaltungen und Zielsetzungen für Das Leitbild von Luminate ist, dass alle älteren die kulturelle Altersbildung und die Vielfalt der Menschen in Schottland an hochwertigen künst Kulturangebote für Ältere in Schottland erläutern.
08 // F O Y E R Mit von der Partie ist auch Simon Ritchie vom weben gemeinsam mit Luminate an einem weite Wohlfahrtsverband Age Scotland. ren Netz: Inspiriert vom australischen Pionierpro Als wichtige Themen benennen er und seine jekt von LGBTI+ »The Coming Back Out Ball« Kolleginnen von Creative Scotland Einsamkeit organisieren sie Socia l-Dance-Clubs für ältere und Armut im Alter. Alter verstehen sie als eines Lesben, Schwule, Bisexuelle, Nicht-Binäre, Trans von acht Inklusions- und Diversitätsmerkmalen, und Intersexuelle. Ziel ist es, geschützte Räume wobei Intersektionalität immer mitbedacht wird. zu eröffnen, in denen die Ä lteren in der LGBTI- Sie wollen keineswegs mehr von einer einzigen Community miteinander tanzen, sich aber auch großen Zielgruppe »der Alten« ausgehen – bei dem vernetzen und austauschen können. Gedanken schüttelt es die drei geradezu. In ihren Eine andere Form der Vernetzung entfacht das Ausführungen wird klar: Die Idee der bestmögli Projekt »The Flames« für Menschen ab 50 Jahren, chen Zugänglichkeit kultureller Angebote für Äl die für Performancekunst brennen. Sie werden tere ist der Leitstern, der den Weg weist. vom Künstler-Team Tricky Hats geschult und zu »Flammen« ausgebildet, die in ihren Performances NETZE WEBEN die Abenteuer des Alterns erkunden. In der National Portrait Gallery treffen wir auf Abends treffen wir Stephen Deazley, den Chorlei Janet Smyth und Meg Faragher von der Abteilung ter des Love Music Chors und Kirsty Walker vom Learning & Engagement der National Galleries of demenzfreundlichen Chornetzwerk Schottland. Scotland. Auch sie berichten von ihrer Netzwerk arbeit. Durch die Kooperation mit Pflegeheimen, Selbsthilfegruppen und dem Pflege- und Gesund heitssektor können sie »museale« Hemmschwellen für ältere Menschen mit Behinderung, Menschen > > mit Demenz und ihre Angehörigen abbauen. Dabei helfen ihnen auch – hört, hört! – die Arztpraxen. KUNST AUF REZEPT Miriam Haller, Sybille Kastner und Anne Gallacher mit »Kunst auf Rezept« ist in Schottland kein Werbe Love Music Chorleiter Stephen Deazley slogan. In Großbritannien gibt es seit 2019 soge nannte Social Prescriptions gegen Einsamkeit. Ein Das landesweite Netzwerk will sicherstellen, dass solches »soziales Rezept« aus der Arztpraxis kann Menschen mit Demenz und ihre Begleiterinnen Gymnastikstunden im Gemeindezentrum, aber und Begleiter die Möglichkeit haben, in einem eben auch künstlerische Aktivitäten und Muse- Chor in ihrer Nähe zu singen. Stephen und Kirsty umsbesuche »verordnen«. berichten uns über ihre Schulungsarbeit, die zur Selbstevaluation der Chöre anregen soll. In ihren Workshops steht neben der Methodenreflexion die Diskussion über Ethos, Philosophie und Haltung einer inklusiven Chorarbeit im Zentrum. > > Das schottische Nationaltheater, die australi sche Theatergruppe A ll The Queens Men, das Eden Court Theater und der Glasgow City Council Kaffeepause in den National Galleries of Scotland mit Meg Faragher und Janet Smyth
F O Y E R // 09 Freudig ergreifen wir nachmittags die Gelegen Pflegeheim. Gill White und James Winnett wur heit, in der Dancebase an der Probe der Tanzgrup den im Rahmen einer Luminate-Ausschreibung pe für Ältere PR IME mit Jack Webb teilzunehmen. für das dreijährige Programm ausgewählt. Die bei In den Übungen geht es darum, sich auf andere zu den haben einen maßgeschneiderten Ansatz ent stützen. Wie verlässlich hält mich der oder die an wickelt, um Bewohnerinnen und Bewohnern des dere? Und wie können wir uns wieder voneinander Pflegeheims Kunst als Möglichkeit zur Erkundung lösen? Berühren und Berührt-Werden. Im Grup ihrer Lebenswelt und zum spielerischen Experi pengespräch danach scheint Einsamkeit tatsächlich mentieren nahezubringen. kein Tabuthema zu sein. Ob das bereits ein Ergeb nis der engagierten Politik gegen Einsamkeit ist? BARRIEREFREI ZUR KUNST > > Weiter geht es zum Festival Theatre, wo uns Dawn Ir vine, die Partizipations-Koordinatorin der Capital Theatres, er wartet. Sie zeigt uns, wie Barrierefreiheit und Demenzfreundlichkeit auch in altehr würdigen Theaterhallen realisiert werden kubia-Bildungsreferentin Imke Nagel lauscht der Baumharfe, gespielt von James Winett. kann. Mit Fokusgruppen ermittelt Dawn den Ver änderungsbedarf. Den Expertinnen und Experten in eigener Sache verdanken wir es auch, dass wir Zwei Tage in der Woche arbeiten Gill und James für das Mittagessen im Theater keine ellenlange mit den Bewohnerinnen und Bewohnern künstle Speisekarte lesen müssen, sondern einfach auf ein risch zusammen und lassen sich dabei vor allem von Gericht in der Glasvitrine an der Theke zeigen der Natur inspirieren. Im Sommer 2020 wird der können. entstandene »Art Adventures Arts Trail« eröffnet, Auch Audrey Blake und Katie Poulter, beide eine permanente Ausstellung mit Skulpturen, Ge vom Scottish Opera Education Department für dichten und Kunstobjekten im anliegenden Wald, Menschen mit Demenz, schildern lebhaft, wie sie die für und von den Erskine-Bewohnerinnen und den Opernbesuch in Glasgow, Edinburgh und -Bewohnern geschaffen wurden. Wir dürfen den Aberdeen für Menschen mit Demenz so leicht wie Trail schon mal begehen und bestaunen. möglich gestalten. Sie rahmen die Opernauffüh rungen mit Projekten wie »Memory Spinners«, die VIELFÄLTIGE GESCHMACKSNUANCEN Menschen mit Demenz sowie ihre Angehörigen und Freunde in wöchentlichen Workshops ermu Beim Abendessen spinnen wir unsere Ideen mit tigen, gemeinsam Lieder zu kreieren und bei rau Stephen Deazley vom Love Music Chor und schenden Tee-Partys vorzutragen. Anne sowie ihrer Kollegin Kirsty Walker weiter. Stephen plant einen Tanzchor, inspiriert durch ARTISTS IN RESIDENCE den Tanzchor Wuppertal, den er beim Besuch der schottischen Delegation in Nordrhein-Westfalen Können die Älteren nicht zur Kunst kommen, dann im November kennengelernt hatte. Sybille Kastner kommt die Kunst zu ihnen. Durch die verschnei vom Lehmbruck Museum in Duisburg überlegt, te Landschaft fahren wir mit dem Zug Richtung ob ihre Einrichtung mit der National Gallery ein Glasgow zu den Artists in Residence im Erskine- Projekt auf die Beine stellen kann.
10 // F O Y E R Der Whisky, den wir uns zum Abschluss gön nen, hat ebenso viele Geschmacksnuancen wie un sere Reise: Das Erlebnis beginnt mit einer leichten > > Note von Wald und Holz – wir sind auf dem Art Adventures Arts Trail. Dann öffnen sich Marzi pan- und Vanille-Aromen – Memory Spinners und ein Regenbogen-Fest für Gaumen und Nase. Im Abgang wird es rauchig: Die Flames waren hier. Die Reise hat Freundschaften mit Schottland gefestigt, Wir sind erschöpft und gleichzeitig erfüllt von Ein so wie mit Luminate-Leiterin Anne Gallacher, und neu drücken und erhellenden Begegnungen, lassen die gestiftet. Tage auf der Zunge zergehen. Die Gedanken fliegen hoch, aber mit dem köst Wir haben Freundschaften geschlossen, die lichen schottischen Haggis, dem gefüllten Schafs dem Brexit trotzen werden. »Mission possible.« mh magen als Vorspeise, bleiben wir dennoch gut geerdet. Der Geschmack erinnert uns an Kölsche Der ausführliche Reiseblog findet sich unter Flönz. Die Whisky-Soße dazu ist himmlisch – das w w w.ibk-kubia.de/luminate probieren wir, zu Hause nachzukochen – und wie WEITERE INFORMATIONEN: wär’s wohl, den Haggis mal wie Himmel und Ääd w w w.luminatescotland.org mit Apfelmus zu kosten? 1 The Mower When I was young and miserable / a misfit and a rebel, / almost never out of trouble, / desperate to escape school, / time dawdled. / But now I'm older / and happier and want it to go slower, / time's an out-of-control mower / careering through the borders / decapitating all the flowers. // VICKI FEAVER (2015) 1
F O Y E R // 11 NEUES VON KUBIA VER ANSTALTUNGEN ALL IN – KOPRODUKTION UND KOOPERATION IN DEN TEILHABE STATT AUSGRENZUNG: DIVERSITÄT UND INKLUSIVEN DARSTELLENDEN KÜNSTEN INKLUSION IN DER KULTURELLEN ALTERSBILDUNG Internationales Symposium 5. Fachtag Kunst- und Kulturgeragogik 20. bis 22. Oktober 2020 // Alte Feuerwache // Köln 26. November 2020 // 9.30 bis 17.00 Uhr // Von Methoden der Koproduktion im inklusiven Tanz- A kademie Franz-Hitze-Haus Münster und Theatertraining über die Zusammenarbeit multi Wie fördert die Kunst- und Kulturgeragogik kulturelle professioneller Teams an barrierefreien Aufführungen Teilhabe für ältere Menschen, die aufgrund ihrer Her (aesthetics of access) bis hin zur Bedeutung von lokalen kunft, geringer Bildung oder Behinderung Diskriminie und internationalen Kooperationen: ALL IN widmet rung erleben? Wie bringt sie Menschen mit gegenseiti sich gelungener internationaler Praxis der inklusiven gen Vorbehalten miteinander ins Gespräch und wirkt so Darstellenden Künste. spaltenden Tendenzen in unserer Gesellschaft entgegen? Das Symposium, das bereits zum dritten Mal von Und wie kann kulturelle Altersbildung Zugänge für die kubia und Un-Label – Performing Arts Company, wachsende Gruppe von alten Menschen schaffen, die Köln, in Kooperation mit Sommerblut Kulturfestival von ökonomischer Armut betroffen sind? Mit welchen e. V. veranstaltet wird, wurde im Rahmen der Schutz partizipativen Methoden arbeitet eine diversitätssensible maßnahmen gegen das Coronavirus in den Oktober Kunst- und Kulturgeragogik? verschoben. Es widmet sich in diesem Jahr den Aspek Der Fachtag gibt Impulse aus der Wissenschaft, stellt ten Koproduktion und Kooperation. In Aufführungen, Ansätze aus der Praxis vor und bietet Raum, diese zu Workshops, Vorträgen, Gesprächsrunden und Slow diskutieren. Datings geben rund 20 Kulturschaffende der performa Neben Impulsen zu Eigensinn und Partizipation im tiven Künste aus ganz Deutschland und Europa Ein Alter (Prof. Dr. Mirko Sporket, FH Münster) und den blick in ihre Arbeit. Dabei sind u. a. Nickie Wildin, die Herausforderungen von Altersarmut für die Kulturge künstlerische Leiterin der Londoner Theaterkompanie ragogik (Dr. Esther Gajek, Uni Regensburg) wird der Graeae, die Regisseurin Amy Leach (Playhouse Theatre, Tag zahlreiche Einblicke in die Praxis einer partizipati Leeds) des britischen Theaterverbunds Ramps on the ven, inklusiven und diversitätssensiblen kulturellen Al Moon sowie die Mitarbeiterinnen des Berliner Koope tersbildung geben: Die Teilnehmenden können erleben, rationsprojekts »Making a Difference« zur Förderung wie Ältere selbst das Heft in die Hand nehmen und ge von Inklusion im Tanz, Anne Rieger und Noa Winter. meinsam Kunst erkunden, mit kreativen Beiträgen eine Gerahmt wird das Symposium von Aufführungen der Offene Bühne erobern oder in der Natur aus vielen klei Un-Label – Performing Arts Company. nen gehäkelten und gestrickten Einzelteilen ein Gesamt ANMELDUNG UND WEITERE INFORMATIONEN: kunstwerk schaffen. Sie begeben sich auf Expedition zur www.all-in-2020.de Inklusion mit älteren Schauspielerinnen und Schauspie lern mit Behinderung und Profis des Schauspiels Köln, lauschen Wald- und Wiesenkonzerten und stöbern in den Migrationsgeschichten der Frankfurter Bibliothek der Generationen. Eingeladen sind Kunst- und Kulturschaffende, In teressenten und Absolventinnen der Zertifikatskurse Kunst- und Kulturgeragogik und Musikgeragogik sowie Fachkräfte der Sozialen Arbeit, Altenhilfe und Pflege. WEITERE INFORMATIONEN: www.ibk-kubia.de/fachtagung
12 // F O Y E R RÜCKBLICKE FÖRDERFONDS KULTUR & ALTER TREFFEN: THEATER UND INKLUSION 14 PROJEKTFÖRDERUNGEN IN 2020 Barrierefreiheit in der Darstellenden Kunst Mit dem Förderfonds Kultur & Alter unterstützt das Im Juni 2019 hat Michèle Taylor, Director for Change Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes des britischen Theaterverbunds Ramps on the Moon, am Nordrhein-Westfalen auch 2020 Projekte, die zeitgemä Theater Oberhausen vorgestellt, wie sich sechs britische ße und innovative Formen der Kulturarbeit von und mit Theater gemeinsam auf den Weg zu Inklusion vor, auf älteren Menschen sowie im Generationendialog entwi und hinter der Bühne gemacht haben. In einem Work ckeln. Der Förderschwerpunkt 2020 lautet »Kulturteil shop mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nordrhein habe statt Ausgrenzung«. Von den 94 für das Jahr 2020 westfälischer Stadttheater hat Taylor konkrete Impulse eingereichten Projekten haben 14 Vorhaben eine Förde für deren Arbeitszusammenhänge gegeben. Motiviert rung erhalten: durch diesen Workshop entstand bei den teilnehmen SHE DANCE S (SIE TANZ T) den Theaterschaffenden der Wunsch eines Folgetreffens, Tanzperformance im öffentlichen Raum für Frauen das im November 2019 in einer Kooperation von kubia ab 60 mit der Choreografin Anna Anderegg // und dem Düsseldorfer Schauspielhaus stattfand und am KulturTeam, Detmold 9. März 2020 mit einem Treffen am FFT Düsseldorf K L A NGK UN STL ABOR fortgesetzt wurde. Ein weiteres Treffen mit Mitarbeiten Inklusive Vernissagen sowie Schulungstage im Rahmen den von Bespieltheatern und Gastspielhäusern in Koope des Klangkunstlabors für Menschen mit Demenz // ration mit dem Kultursekretariat NRW Gütersloh findet EarPort mit dem Regionalbüro Alter, Pflege und am 5. Oktober 2020 am Theater Gütersloh statt. Ziel Demenz Westliches Ruhrgebiet, Duisburg des Austauschs ist, gemeinsam Verbundmaßnahmen für Inklusion an Theatern in Nordrhein-Westfalen zu pla TRILOGIE DER SCHÖNEN FERIENZEIT NA H CA RLO GOLDONI nen. Interessegeleitet arbeiten die Teilnehmenden an den Partizipatives Theaterprojekt zu Massentourismus und Aspekten Barrierefreiheit von Bühnenproduktionen, in Reisen // Seniorentheater SeTA e. V., Düsseldorf klusiver Ensemblearbeit und Theaterpädagogik sowie an RITÜEL – RITUAL – RITZHUAL technischer, sprachlicher und baulicher Barrierefreiheit. Künstlerisches Begegnungsprojekt zur Vielfalt des Miteinanders // forum kunstverein e. V. und Consol MODELLPROJEK T KULTUR AMT KÖLN Theater, Gelsenkirchen Neuakzentuierung und Erweiterung UN TER W EG S – L EBEN, REISEN UND DEMENZ von Förderinstrumenten Theaterprojekt zu Herausforderungen für Reisende mit Seit 2019 berät kubia den Stelleninhaber des neu ge Demenz // Freudige Füße – Ensemble für Kunst und schaffenen Referats »Kultur als Akteur der Stadtge Demenschen, Havixbeck sellschaft – Kulturelle Teilhabe« im Kulturamt Köln, KIMA – KULTURPROGR A MM FÜR MENSCHEN IM ALTER Benjamin Thele, Förderinstrumente aus der Perspektive Zeitgemäße Formen der Altenkulturarbeit in der Region // von Inklusion bzw. Menschen mit Behinderung und Stadt Hemer (altersbedingter) Beeinträchtigung neu auszurichten. WENN AUS BILDERN EINE GE SCHICHTE WIRD – Im September 2019 hat das Kulturamt hierzu ein mehr TRICK FILMPROJEK T stufiges Bürgerbeteiligungsverfahren gestartet, zu dem Intergenerationelles Trickfilmprojekt mit Erzählerin ein Workshop zur Perspektive »persönliche Beeinträch Sabine Meyer und Trickfilmerin Bettina Selle // tigung/Behinderung« mit Kölner Kulturschaffenden Familienbildungsstätte Ibbenbüren sowie Vertreterinnen und Vertretern von Interessensver DA S A LTER(N) IN (MIT) ( VON?) DER KUNST bänden gehörte, der von kubia-Mitarbeiterin A nnette Symposium über das Alter(n) von Kreativschaffenden Ziegert geleitet wurde. Die Ergebnisse des Workshops und dessen Auswirkungen // sind in die Neukonzeption der Fördermaßnahmen des Angie Hiesl Produktion, Köln Kulturamts eingeflossen, die in einem zweiten Schritt E X PEDITION INK LUSION der Kölner Öffentlichkeit vorgestellt werden. Workshop und Performance zur Förderung inklusiver künstlerischer Koproduktionen // Katharina Weishaupt mit dem Schauspiel Köln DAMENGEDECK 2.0 – EIN RUNDGA NG IN DIE ZUKUNF T Intergenerationelles und performatives Forschungslabor zur gesellschaftlichen Teilhabe Älterer // Sommerblut Kulturfestival e. V., Köln
F O Y E R // 13 ALLEINSAM WEITERBILDUNG Interdisziplinäres Kunstprojekt zu Einsamkeit und Alleinsein // Werkhaus e. V., Krefeld ZERTIFIK ATSKURS KULTURGERAGOGIK FRÜHER – DORFPL ATZKULTUR AUF DEM L ANDE Start des 9. Kurses verschoben Erzählcafés zur Förderung dörflicher Erinnerungs September 2021 // FH Münster kultur // Akademie Erzählkultur in der Lippe Der Start des Zertifikatskurses »Kulturgeragogik« an Bildung eG, Lemgo der FH Münster musste in Folge der Corona-Pandemie WALD UND WIESEN KL ÄNGE verschoben werden. Kurs 9 beginnt nun im September Mobile Mitsingkonzerte für Ältere im ländlichen Raum // 2021. Im Zentrum der einjährigen berufsbegleitenden Wald und Wiesen Konzerte, Münster Weiterbildung stehen die Besonderheiten des kulturellen LESEDR AMA HEIMATEN – Lernens im Alter. Grundlagen für die Kulturgeragogik INTERKULTURELLE LESECAFÉS IM MÜNSTERL AND bilden Nachbardisziplinen wie Gerontologie, Gerago Lesedrama als theatrale Form für gemeinsames gik, Soziale Arbeit, Kulturpädagogik und -management. Lesevergnügen im Alter // Künstlerinitiative Fachkräfte der Sozialen Arbeit und Pflege, Kulturpäda Heimaten X, Telgte goginnen und -pädagogen sowie Künstlerinnen und Künstler können sich für das gemeinsame Angebot von NEUE KONZEPTLABORE ZUM kubia und der FH Münster ab sofort bewerben. FÖRDERFONDS KULTUR & ALTER KONTAKT UND WEITERE INFORMATIONEN: In den Konzeptlaboren werden ausführliche Informa FH Münster, Fachbereich Sozialwesen tionen zur Antragstellung beim Förderfonds Kultur & Referat Weiterbildung Alter für das Jahr 2021 gegeben und antragstaugliche Ramona Geßler Konzeptideen entwickelt. Antragsfrist für Projekte, die Telefon: 0251 836 57 71 2021 durchgeführt werden, ist der 21. September 2020. ramona.gessler@f h-muenster.de (S. auch Webinar, S. 14). www.kulturgeragogik.de Participation now! Mitwirkung und Teilhabe VERÖFFENTLICHUNG in der A ltenkulturarbeit 18. Juni 2020 // 10.00 bis 13.00 Uhr AGEING TROUBLE AUF KUBI-ONLINE Bezirksregierung Münster Subversion von Stereotypen des A lter(n)s und ihre Zunehmend möchten ältere Menschen in der Kulturar performative Neueinschreibung beit nicht nur als Rezipierende gesehen werden, sondern kubia-Mitarbeiterin Miriam Haller überträgt in ihrem ebenso ihre Erfahrungen und ihr Know-how einbrin Artikel Judith Butlers Geschlechter-Theorie auf die kul gen. Im Fokus dieses Konzeptlabors stehen Kulturange turelle Konstruktion des Alter(n)s und überprüft die bote, welche die Mitbestimmung von Älteren in hohem Tragweite eines Konzepts von »Ageing trouble« anhand Maße berücksichtigen. der Analyse von Altersstereotypen. Historisch betrach tet vermag die Literatur, Altersstereotype infrage zu Sind alle da? Entwicklung inklusiver Angebote stellen, ironisch zu zitieren und somit neue Altersbilder in Kunst und Kultur in den Diskurs einzuschreiben. In Kürze wird die Wis 20. August 2020 // 10.00 bis 13.00 Uhr sensplattform Kulturelle Bildung Online (kubi-online) Bleiberger Fabrik // Aachen vier weitere grundlagentheoretische Aufsätze der Kul Welche Bedingungen müssen erfüllt sein, damit Ältere tur- und Bildungswissenschaftlerin veröffentlichen. und hochaltrige Menschen mit Handicap künftig kul WEITERE INFORMATIONEN: turell teilhaben und ihre Fähigkeiten als Gewinn für www.kubi-online.de die kulturgeragogische Arbeit wahrgenommen werden? Das Konzeptlabor liefert Ideen zur Gestaltung inklusi ver Projekte. Die Konzeptlabore richten sich an freie Kulturschaffen de, an Mitarbeitende von Kulturinstitutionen sowie aus der Sozial-, Alten-, Bildungs-, Kinder- und Jugendarbeit. WEITERE INFORMATIONEN: Kathrin Volkmer Telefon: 0221 22 28 66 12 volkmer@ibk-kubia.de www.ibk-kubia.de/foerderfonds
14 // F O Y E R KULTURKOMPETENZ+ MITMACHEN! GENERATIONEN-WERKSTÄTTEN IN PR A XISWISSEN FÜR KULTURELLE BILDUNG SCHULE UND QUARTIER IM ALTER UND INKLUSION 30. Oktober 2020 // 10.00 bis 17.00 Uhr HALBJAHR 02 / 2020 Matthias-Claudius-Schule // Düsseldorf Leitung: Jörg-Thomas Alvermann In zwei Generationen-Werkstätten in Düsseldorfer Ganz WEBINARE tagsgrundschulen unterstützen Freiwillige jeden Alters Kinder bei der Umsetzung eigener Ideen und Projekte. FÖRDERFONDS KULTUR & ALTER: Der Workshop stellt Strategien zur Implementierung von TIPPS FÜR DIE ANTRAGSTELLUNG Generationen-Werkstätten in Schule, Nachbarschaft und 24. August 2020 // 14.00 bis 15.00 Uhr Quartier vor. Theoretische und praktische Grundlagen Online // Leitung: Kathrin Volkmer zur Förderung von Partizipation und Selbstorganisation Das Webinar macht es möglich, sich umfassend und un sowie Methoden zum Auf bau eines Unterstützernetz kompliziert über die Voraussetzungen zur Antragstellung werks werden vermittelt. beim Förderfonds Kultur & Alter zu informieren und CHOR DEMENTI: CHORARBEIT FÜR UND MIT beantwortet Ihre persönlichen Fragen. MENSCHEN MIT DEMENZ KULTURNETZWERK SILBERFILM: FILMKULTUR FÜR 17. November 2020 // 13.00 bis 20.00 Uhr MENSCHEN MIT DEMENZ Vokalmusikzentrum NRW und Wilhelm-Hansmann- 7. Oktober 2020 // 14.00 bis 15.00 Uhr Haus // Dortmund Online // Leitung: Sabine L. Distle Leitung: Jürgen Kleinschmidt, Tobias Schneider Das Kulturnetzwerk Silberfilm unterstützt die Medien Im Dortmunder Chor Dementi singen mehr als 50 arbeit für Menschen mit Demenz an verschiedenen Or Personen mit Demenz gemeinsam mit ihren Angehö ten. Im Webinar geht es um die Frage, wie ein alters- rigen und Freundinnen und Freunden. Wie Chorarbeit und demenzsensibles Filmangebot gestaltet werden gestaltet sein muss, damit Menschen mit Demenz Teil kann. Basierend auf seinen Erfahrungen stellt das Kul des Chors sein können, ist Thema dieses Workshops. turnetzwerk Strategien und Umsetzungsmöglichkeiten Nach einem Theorieteil folgt der Besuch einer Probe des für regionale filmkulturelle Teilhabe im A lter vor. Dementi-Chors. Abschließend bleibt Zeit, um gemein sam die Chorprobe zu reflektieren. MEDIENBOTEN: BÜRGERSCHAFTLICHES ENGAGEMENT WORKSHOPS IN BIBLIOTHEKEN KREATIVE ANGEBOTE FÜR MENSCHEN MIT DEMENZ 1. Dezember 2020 // 10.00 bis 17.00 Uhr MIT EINWANDERUNGSGESCHICHTE Stadt- und Landesbibliothek Dortmund 18. September 2020 // 10.00 bis 17.00 Uhr Leitung: Christine Rißmann Multikulturelles Forum e. V. // Düsseldorf Wie kann bürgerschaftliches Engagement helfen, Biblio Leitung: Fia Biba theken zu einem dritten Ort zu entwickeln, der alte Viele Menschen, die als Gastarbeiter und -arbeiterinnen Menschen anspricht und der Einsamkeit im Alter ent eingewandert sind, werden nun in Deutschland alt. Der gegenwirkt? Nach einem kurzen Blick auf das klassische Workshop zeigt, wie in kreativen Angeboten für Men Ehrenamt geht es im Workshop vor allem um das Erpro schen mit Demenz kulturelle Hintergründe Beachtung ben neuer Methoden, die Freiwillige von Anfang an in finden können. Dabei geht der Workshop auch auf die Gestaltung und Konzeption von neuen Angeboten grundsätzliche Gelingensbedingungen in der kreativen einbinden. Arbeit mit Menschen mit Demenz ein. ANMELDUNG UND WEITERE INFORMATIONEN: w w w.ibk-kubia.de/qualifizierung
S A L O N // 15 SALON ERLESENES ALTER(N) LITERATUR UND WORTKUNST IN GESCHICHTE UND GEGENWART DES GERAGOGISCHEN DISKURSES Von Miriam Haller Literarische Texte bergen ein Wissen ganz eigener Art über Bildungsprozesse im Alter. Otto Friedrich Bollnow, der Begründer der Geragogik in Deutschland, leitete die epistemologischen Grundlagen für seine Theorie Kultureller Bildung im Alter aus Literatur und Wortkunst ab. Welchen Erkenntnisgewinn haben literarische Texte über das Alter (n) heute für die aktuelle kulturgeragogische Theorie und Praxis ? Literatur und Geragogik? Da mag man vielleicht entwickelt. Da sich seit den 1950er Jahren in der zunächst an literarische Bildung im Alter den Literatur auch Erzählungen über Bildungsprozes ken, an den großen Buchmarkt und seine altern se im höheren Lebensalter häufen, wird in den de Leserschaft, an Lesezirkel und Literatursalons, Literaturwissenschaften inzwischen von einer an Schreibwerkstätten für ältere Menschen und neuen Gattung gesprochen: dem Reifungsroman. Lesepatenschaften von Älteren für die Jüngsten, an ein weites Feld literarischer und wortkünstle rischer Praxis mit ihren jeweiligen kulturgerago 1 gischen Bildungsangeboten. Hauptwörter zuletzt / Dabei droht in Vergessenheit zu geraten, wel che besondere Bedeutung literarische Texte für die allen voran: die Geduld / Entstehung der Geragogik als wissenschaftliche Der Verlust. Der Abschied. Die Trauer. / Disziplin hatten: Der Begründer des geragogischen Demut. / Diskurses in Deutschland, Otto Friedrich Bollnow Altern lernen / (1903–1991), leitete – jüngere Geragoginnen und Geragogen mögen lesen und staunen – seine Al wie Muttersprache / tersbildungstheorie nicht aus sozialwissenschaft das ABC des Verlernens // lich erhobenen Daten, sondern aus Literatur und ULLA HAHN (2004) Wortkunst ab! Wie nah sich der literarische und erziehungs wissenschaftliche Diskurs sind, liegt eigentlich 1 auf der Hand: In beiden stehen das Subjekt und seine Lern-, Bildungs- und Entwick lungsprozesse DISKURSSTIFTER DER GERAGOGIK im Zentrum. Insbesondere die literarischen Gat tungen des Bildungsromans und der Autobio Der Philosoph und Pädagoge Otto Friedrich Boll grafie haben seit dem 18. Jahrhundert einen von now führte 1962 den Begriff der Gerontagogik in der Pädagogik eigenständigen Bildungsdiskurs die Erziehungswissenschaft ein. Er konzipierte sie
16 // S A L O N analog zur Pädagogik und zur Andragogik (Er diese in Vergessenheit geratenen Grundlagen der wachsenenbildung) als erziehungswissenschaft Geragogik kann eine aktuelle kulturwissenschaft liche Subdisziplin. Sein Artikel über »Das hohe liche Altersbildungstheorie anknüpfen. Alter« (1962) gilt als Gründungstext der Gerago gik im deutschsprachigen Raum. Bollnow wird TOR ZUR LEBENSERFAHRUNG bis heute als »Pionier der Bildungsforschung im Bereich der älteren Erwachsenen« wertgeschätzt, Bollnow sah es als Aufgabe der Erziehungswis der »theoretisch die epistemologischen Grund senschaft an, ein Altersbild zu formulieren, auf lagen für die Bildung Älterer in der Erziehungs das hin das Bildungsverständnis einer professio wissenschaft« geschaffen habe (Kern 2018, S. 18). nalisierten geragogischen Praxis orientiert werden Seine erziehungs- und bildungsphilosophischen sollte. Anders als die heutige geragogische For Schriften werden in der allgemeinen Erziehungs schung, die sich zumeist auf Interviews, Beobach wissenschaft immer noch gelesen. Trotz dieser tungsprotokolle und Daten aus standardisierten anhaltenden Rezeption liegt bisher keine umfas Erhebungsverfahren stützt, suchte Bollnow dieses sende kritische Einordnung seiner Rolle im Natio Altersbild in der Literatur. In ihr sah er einen be nalsozialismus und seiner pädagogischen Schriften sonders geeigneten Zugang zur »allgemeinen Le in diesem Kontext vor. Auch im geragogischen benserfahrung«: In der Literatur verdichte sich die Diskurs steht eine Einordnung seines Werks und schöpferische Qualität von Sprache und mensch Wirkens aus, die über die Rezeption seines Aufsat lichen Lebensäußerungen (Bollnow 1962, S. 391). zes »Das hohe Alter« hinausgehen und sein Projekt Heute gilt es, den Wert von Literatur und einer geisteswissenschaftlichen anthropologischen Wortkunst als Gegenstand geragogischer For Gerontagogik innerhalb seines Gesamtwerks und schung und Theoriebildung wieder (neu) zu ent seiner Zeit analysieren müsste. Das ist im Rahmen decken. Dazu lässt sich an den Ansatz des Päda eines Aufsatzes nicht zu leisten. Was ich in der gebo gogen Hans-Christoph Koller »Bildung anders tenen Kürze aber in Erinnerung rufen möchte, ist denken« mit seiner »Einführung in die Theorie Bollnows geisteswissenschaftlicher Ansatz, der die transformatorischer Bildungsprozesse« (2013) an epistemologischen Grundlagen für eine Theorie knüpfen: Koller verweist darauf, dass in literari Kultureller Bildung im Alter aus der Auseinander schen Texten besonders »dichte Beschreibungen« setzung mit literarischen Texten entwickelt. An pädagogisch relevanter Sachverhalte vorliegen. Er konstatiert, dass auch der Wahrheitsgehalt auto 1 biografischer Erzählungen in Interviews nur be dingt überprüft werden kann und zumindest die Ich lebe mein Leben in wachsenden Ringen, / sogenannte realistische Literatur zwar eine fikti ve, aber doch potenziell mögliche Wirklichkeit die sich über die Dinge ziehn. / darstelle (ebd. 2012, S. 172). Ihm geht es aber Ich werde den letzten vielleicht nicht nicht darum, affirmativ ein Altersleitbild als Bil vollbringen, / dungsziel aus der Literatur abzuleiten, sondern aber versuchen will ich ihn. // das skeptische und problematisierende Potenzial der Literatur als Widerstand zu nutzen. Mit Lite R AINER MARIA RILKE (1899) ratur als kritischem Kontrast sollen wissenschaft 1 liche Bildungstheorien einer »grundlegenden Re vision unterzogen werden« (ebd.).
LEBENSBILDER ZU DEN FOTOGRAFIEN DER SELFIEGRAFEN IRIS WOLF UND JÖRG MEIER IN DIESEM HEFT Eine Kaffeetasse, ein Geburtstagskuchen, Knöpfe – gerade die kleinen, alltäglichen Dinge vermögen es, große Erinnerungen wachzurufen. Es sind Erinnerungen an die besonderen Momente eines langen Lebens: die kurze Kaffeepause während der Hausarbeit, das Gefühl, am Geburtstag Prinzessin zu sein oder die Glücksgefühle beim Nähen des neues Kleids. Mit Gegenständen als Fragmente der Erinnerungen arbeiten die Dortmunder Selfiegrafen in ihren Fotografien. Iris Wolf und Jörg Meier lassen ältere Besucherinnen der Tagespflege AWO Unna und des AWO-Seniorinnentreffs in Unna mit persönlichen Erinnerungstücken eigene »Lebensbilder« neu erzählen. Das Projekt wurde durch den Förderfonds Kultur & Alter unterstützt und in Kooperation mit der AWO Ruhr-Lippe-Ems durchgeführt. hb WEITERE INFORMATIONEN: www.selfiegrafen.de
18 // S A L O N ALTERSKRISEN ALS BILDUNGSANLASS 1 Bollnow hob als geragogisch vorbildhafte literari sche Gestalt die Figur des Gotthelf Fibel aus Jean Nur wer bereit zu Aufbruch ist und Reise, / Pauls (1763 –1825) Roman »Leben Fibels« (1812) Mag lähmender Gewöhnung sich entraffen. / hervor. Er las Fibel als Zeugnis dafür, wie erst im »Durchgang« durch die »hässlichen Auswir Es wird vielleicht auch noch die Todesstunde/ kungen der Alterskrisen« das Alter als Bildungs Uns neuen Räumen jung entgegensenden, / aufgabe bewältigt werden könne (Bollnow 1962, Des Lebens Ruf an uns wird niemals S. 396). Unter Alterskrisen verstand Bollnow den enden … / oftmals schwierigen Umgang mit körperlichen Abbauprozessen, Krankheiten, das Nachlassen Wohlan denn, Herz, nimm Abschied des Gedächtnisses sowie Prozesse der Erstarrung und gesunde! // und Verfestigung von Gewohnheiten. In solchen HERMANN HESSE (1941) Alterskrisen erkannte er jedoch auch ein besonde res Potenzial: Er sah sie als geradezu notwendigen Auslöser von Bildungsprozessen an, die im Falle 1 ihrer Bewältigung zum Bildungsziel der »geisti Diese Einsicht in die Bedeutung von Alterskri gen Verjüngung« führen können: »Wenn wir die sen als geragogischer Bildungsanlass droht heute sen Vorgang, in dem dem Menschen das Leben immer wieder durch die gerontologische Kritik also erstarrt und fest wird, als Altern und im ex an den sogenannten negativen Altersbildern ver tremen Fall als Vergreisung bezeichnen, dann er schattet zu werden. Dabei ist es für die Gerago gibt sich hier die Aufgabe für den Menschen, sich gik in Theorie und Praxis von großer Relevanz, diesem Prozeß (sic!) der Verfestigung entgegen die Relation von Altersbildung und Alterskrisen zustemmen und die ursprüngliche Lebendigkeit unter Berücksichtigung von Diversität und auch des Lebens in ausdrücklicher Anstrengung wie historisch unterschiedlichen Lebenslagen im Al derzugewinnen. Diese Aufgabe bezeichnen wir ter immer wieder neu zu denken. Hierfür lässt sinngemäß als Verjüngung.« (Ebd. 1965, S. 548). sich Bollnows Ansatz mit Bezug auf neuere bil Seine Theorie von Bildung als geistige Verjün dungstheoretische Ansätze – wie die Theorie gung leitet er aus Hermann Hesses (1877–1962) transformatorischer Bildung (vgl. Koller 2012) Erzählung »Die Morgenlandfahrt« (1932 / 1982) oder phänomenologischen Theorien, die auch die und Hesses berühmten Gedicht »Stufen« (1941) Negativität von Bildung im Alter berücksichti ab. Dabei betont er, dass die innere Verjüngung gen (vgl. Brinkmann 2006) – nach- und über nichts mit einer Flucht vor dem Alter zu tun habe, denken. sondern vielmehr als eine bewusste Bejahung des Alters zu begreifen sei. Eben ganz so, wie es Hesse TRANSFORMATORISCHE ALTERSBILDUNG (1941 / 1961, S. 199) in seinem Gedicht »Stufen« zum Ausdruck gebracht habe: Wenn Bollnow von Bildung und Erziehung äl terer Menschen spricht, dann ist bei ihm im mer auch ästhetische Erziehung gemeint. Lite ratur und Dichtung zeichnen sich aus Bollnows Sicht durch ihre Fähigkeit zur »Verjüngung der Sprache« aus und seien deshalb gleichzeitig das
S A L O N // 19 geeignete »Mittel zur Verjüngung des Menschen«: vernachlässigt die Einsicht, dass literarische Texte Die Künste seien »imstande, den Menschen aus geragogische Ambitionen auch kräftig irritieren seinem erstarrten und gedankenlos gewordenen und problematisieren können. Ein solch skepti Leben herauszureißen, ihn die Wirklichkeit neu sches Potenzial bietet im Hinblick auf Bollnows sehen zu lassen und zu neuer Auseinandersetzung Theorie der ästhetischen Erziehung als lebens zu zwingen« (Bollnow 1965, S. 555). Ebenso wie verändernde Begegnung mit dem Kunstwerk der Durchgang durch die Negativität der Al beispielsweise Philip Roths (1933 –2018) Roman terskrisen, ermöglicht nach Bollnow die Begeg »Der Ghost Writer« (1979 / 2004), der ebenjenes nung mit Kunst einschneidende Bildungsprozes Postulat des »Du musst Dein Leben ändern!« iro se, wie sie in Rainer Maria Rilkes (1875–1926) nisch zitiert: »Meiner Meinung nach würde selbst Gedicht über den »Archaïschen Torso Apollos« der ungeschlachteste Hunne den größten Teil des (1908 / 1955) zum Ausdruck kommen. Die exis Winters brauchen, die vereisten Wasserfälle und tenzielle Begegnung mit einem Kunstwerk er windgepeitschten Wälder dieser Berg wildnis zu zwinge manchmal geradezu eine Einsicht, die durchqueren, ehe er es schaffte, den offenen Rain den Schlusspunkt von Rilkes Gedicht bildet: von Lonoffs Heuwiesen zu erreichen, gegen die »Du musst dein Leben ändern«! (Ebd., S. 557) nach hinten hinausgehende Sturmtür des Hau Dieses Gedicht trete – so Bollnow – dem Men ses zu hämmern und hindurchzustürmen ins schen mit einem solchen »Absolutheitsanspruch Arbeitszimmer, die spitzenbewehrte Keule hoch entgegen, durch den er im innersten Kern seines über der kleinen Olivetti herumwirbeln zu las Wesens erschüttert wird« (Bollnow 1983, S. 61). sen und dem Schriftsteller, der dabei war, seine Auch wenn heute Bollnows anthropologische siebenundzwanzigste Fassung hinzutippen, mit Altersbildungstheorie allzu normativ, ahistorisch auf brüllender Stimme sein ›Du musst Dein Le und eurozentristisch erscheint, so erinnert sie ben ändern!‹ zuzuschreien. Doch selbst er könnte doch daran, dass Literatur und Wortkunst – wie den Mut verlieren (…).« (Ebd., S. 39) die Künste überhaupt – einen besonderen Er kenntnisgewinn für das gerontologische und ge AGEING TROUBLE ragogische Wissen beinhalten. Bollnows Ansatz, aus Literatur und Wortkunst Altersleitbilder für Auch die Schattenseiten und Zumutungen eines die geragogische Theorie und Praxis abzuleiten, geragogischen Leitbilds, das radikale Transforma tionen von Selbst- und Weltverhältnissen zur nor 1 mativen Richtschnur für Bildungsprozesse macht, lassen sich durch die Rezeption literarischer Dar Ein alter Mann ist stets ein König Lear! – / stellungen des Alters beleuchten. Literatur und Was Hand in Hand mitwirkte, stritt, / Wortkunst stellen geragogische Leitbilder, Alters bilder und Handlungsprinzipien immer wieder Ist längst vorbeigegangen; / skeptisch, problematisierend wie selbstkritisch und Was mit und an dir liebte, litt, / gleichzeitig anschaulich infrage. Dass der literari Hat sich woanders angehangen. / sche Diskurs – wie die Künste überhaupt – weit Die Jugend ist um ihretwillen hier, / über die bloße Einbettung gerontologischen und geragogischen Wissens hinausgeht, sich vielmehr Es wäre törig, zu verlangen: / widerständige, kreative und zukunftsweisende per Komm, ältele du mit mir. // formative Neueinschreibungen von Altersbildern im literarischen Diskurs besonders eindrücklich JOHA NN WOLFGA NG VON GOE THE (1827 ) 1
20 // S A L O N vollziehen, zeigen Text- und Diskursanalysen, DIE AUTORIN: die auch die diskursiven Strategien solcher Neu Dr.in Miriam Haller ist kulturwissenschaftliche Alterns und Bildungswissenschaftlerin, Lehrbeauftragte des einschreibungen berücksichtigen: Der neuere Arbeitsbereichs Interdisziplinäre Alternswissenschaft am literarische Diskurs ist voll mit Erzählungen von Fachbereich Erziehungswissenschaften der Goethe- »Ageing trouble« (Haller 2005), in denen A lters Universität Frankfurt am Main und arbeitet derzeit bei bildungsprozesse immer wieder aufs Neue anders kubia als wissenschaftliche Mitarbeiterin. erzählt werden, A ltersbilder und Bildungsnarra LITER ATUR: tive zitiert und gleichzeitig performativ neu ein Malte Brinkmann (2006): Leiblichkeit und Passivität – geschrieben werden. Es ist also im besten Sinne Überlegungen zur Negativität von Bildung im Alter. In: Vierteljahrsschrift für wissenschaftliche Pädagogik unzeitgemäß – das heißt mit anderen Worten: 82 (3), S. 288–304. an der Zeit! – den literarischen Diskurs über Bil Otto Friedrich Bollnow (1962): Das hohe Alter. dung im A lter wieder in seinem geragogischen In: Neue Sammlung 2 (5), S. 385–396. Wissen ernst zu nehmen und Bildung im A lter Otto Friedrich Bollnow (1965): Der neue Anfang und das Problem der Verjüngung. In: Neue Sammlung. neu zu (er-)lesen. Göttinger Blätter für Kultus und Erziehung 5, S. 542–555. 1 Otto Friedrich Bollnow (1983): Anthropologische Pädagogik. Bern und Stuttgart: Haupt. Miriam Haller (2005): »Unwürdige Greisinnen«. Die Greisin vom Luxembourg »Ageing trouble« im literarischen Text. In: Heike Hartung (Hrsg.): Alter und Geschlecht. Repräsen Sie schreitet wie ein ferner Vorfahr, / tationen, Geschichten und Theorien des Alter(n)s. Bielefeld: transcript, S. 45– 63. der in ihr spukt und schauen will, / Dominique Kern (2018): Theoretische Modelle für die durch Gärten, weil sich dort nichts ändert. / Bildung älterer Erwachsener: Eine kritische Analyse aus erziehungswissenschaftlicher Perspektive. In: Renate Schramek, Cornelia Kricheldorff, Bernhard Was ist, nimmt sie als Schatten wahr, / Schmidt-Hertha und Julia Steinfort-Diedenhofen (Hrsg.): Alter(n) – Lernen – Bildung. Ein Handbuch. was war, als Glanz, und lächelt still, / Stuttgart: Kohlhammer, S. 13–29. berührt arkane Türen, schlendert / Hans-Christoph Koller (2012): Bildung anders denken. Einführung in die Theorie transformatorischer mädchenhaft von hier nach dort, / Bildungsprozesse. Stuttgart: Kohlhammer. tänzelt, dreht sich, immerfort, / LITER ARISCHE TEXTE: Hermann Hesse (1941 / 1961): Stufen. In: Ders.: Stufen. bevor sie fällt. Und liegen bleibt. / Alte und neue Gedichte in Auswahl. Frankfurt a. M.: In sich gekrümmt, wie nie geboren. / Suhrkamp, S. 199. Hermann Hesse (1932 / 1982): Die Morgenlandfahrt. Ihr Blick jedoch fliegt auf / Eine Erzählung. Frankfurt a. M.: Suhrkamp. Jean Paul (1812 / 2000): Leben Fibels, des Verfassers der zu jeder Wolke, die vorübertreibt, / Bienrodischen Fibel. In: Norbert Miller (Hrsg.): Jean Paul: Sämtliche Werke I (6). Darmstadt: und zieht etwas herab, das weder / Wissenschaftliche Buchgesellschaft, S. 365 –562. Rainer Maria Rilke (1908 / 1955): Archaïscher Torso vorhanden ist, noch ganz verloren. // Apollos. In: Ders.: Sämtliche Werke. 1. Band, Frankfurt a. M.: Insel, S. 557. HELMUT KRAUSSER (2009) Philip Roth (1979 / 2004): Der Ghost Writer. Roman. Übers. Werner Peterich. Hamburg: Rowohlt. 1
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