JAHRES 2017 BERICHT - ISAS

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JAHRES 2017 BERICHT - ISAS
Leibniz-Institut für Analytische
 Wissenschaften

JAHRES
   BERICHT
2017
JAHRES 2017 BERICHT - ISAS
VORWORT

                                                                     Liebe Leserinnen
                                                                     und Leser
                                                                                Das Jahr, über das wir in diesem Heft berichten, war eines mit
                                                                                besonderer Bedeutung für unser Institut. Alle sieben Jahre werden
                                                                                Leibniz-Einrichtungen evaluiert, und für uns war es im Dezember
                                                                                2017 soweit: Unsere Wissenschaft, unsere Infrastruktur, unser
                                                                                Konzept wurden von einer elfköpfigen Evaluierungskommission
                                                                                auf Herz und Nieren geprüft. Die Vorbereitungen haben das
                                                                                gesamte Jahr in Anspruch genommen, aber wir haben in dieser
                                                                                Zeit natürlich nicht unsere gewohnte Arbeit eingestellt: Auch 2017
                                                                                gab es am ISAS spannende Projekte und Ergebnisse, womöglich
                                                                                sogar mehr als vorher, weil in den vergangenen Jahren bei uns
                                                                                so viel Neues entstanden ist.

                                                                                Wir glauben, dass das ISAS nach dieser Neuausrichtung nun besser
                                                                                aufgestellt ist als jemals zuvor. Wir haben unsere Forschungsprog­
                                                                                ramme neu sortiert, Projekte überdacht und an die neuen Ideen
                                                                                ­angepasst und uns ein gemeinsames Ziel gegeben: neue Analytik für
                                                                                die Gesundheitsforschung, das ist unser Angebot. Was genau das
                                                                                bedeutet, können Sie auf den folgenden Seiten nachlesen. Neben dem
Herausgeber
                                                                                üblichen Bericht aus unseren Forschungsprojekten finden Sie
Leibniz-Institut für Analytische Wissenschaften – ISAS – e. V.
                                                                                diesmal außerdem ein Interview mit Christin Lorenz und Sebastian
Vorstand                                                                        Malchow aus der Arbeitsgruppe Standardisierung, die künftig eine
Prof. Dr. Albert Sickmann
                                                                                wichtige Brückenfunktion für den Transfer von ISAS-Technologien
Prof. Dr. Norbert Esser
Jürgen Bethke                                                                   in die klinische Anwendung innehaben wird. Dazu gibt es Mitarbei-
Amtsgericht Dortmund VR 1724                                                    terportraits, einen kurzen Jahresrückblick und ein wenig Statistik,
St.-Nr.: 317/5940/0866                                                          verpackt in hübsche Grafiken.
USt.-Id.-Nr.: DE 124913007

Postfach 101352, 44013 Dortmund
                                                                                Wir hoffen, dass auch der J­ ahresbericht 2017 Ihnen wieder eine
Bunsen-Kirchhoff-Straße 11, 44139 Dortmund                                      interessante und aufschlussreiche Lektüre bietet!
P +49 (0)231.1392 - 0
F +49 (0)231.1392 - 120                                                         Prof. Dr. Albert Sickmann
www.isas.de
info@isas.de

Design
www.laborb.de
JAHRES 2017 BERICHT - ISAS
INHALT

                                                                                                            ÜBER DAS ISAS                         62
                   HIGHLIGHTS 2017                            4                                             Unsere Mitarbeiter stellen sich vor   64
                   Jahresrückblick                            6                                             Organisation                          70
                   Unser Jahr in Zahlen                       8                                               Organigramm                         71
                   Immer gleich und doch niemals langweilig   10                                              Gremien                             72

                                                                   WISSENSCHAFT                                                                        AKTIVITÄTEN 2017         76

                                                                   UND FORSCHUNG                       20                                              Publikationen            78

                                                                   Das ISAS im Profil                  22                                              Vorträge                84

                                                                   Forschungsprogramm                                                                  Veranstaltungen         90
                                                                   Krankheitsmechanismen und Targets   26
                                                                                                                                                       Drittmittelprojekte     94
                                                                   Forschungsprogramm
                                                                                                                                                       Schutzrechte            96
                                                                   Biomarker                           36

Highlights 2017                                                                                                                                        Absolventen             100
                                                                   Forschungsprogramm
                                                                   Imaging                             44                                              Stipendien              102

                                                                   Forschungsprogramm                                                                  Preise                  102
Wissenschaft und Forschung
                                                                   BioGrenzflächen                     48
                                                                                                                                                       ISAS-Mitgliedschaften
                                                                   Strategiefonds                      58                                              in Fachverbänden        103
Über das ISAS                                                        Integrative Research              59                                              Fördermittelgeber       105
                                                                     Early Independence                60

Aktivitäten 2017
JAHRES 2017 BERICHT - ISAS
HIGHLIGHTS
    2017

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JAHRES-
    RÜCKBLICK                                                                                                                      Juni
                                                                                                                                   In Berlin findet die Lange Nacht
                                                                                                                                   der Wissenschaften statt. Zum
                                                                                                                                   ersten Mal öffnet das ISAS
                                                                                                                                                                                                              Oktober
                                                                                                                                                                                                                                                      November
                                                                                                                                                                                                                                                      Im Rahmen der Leibniz-Jahres-
                                                                                                                                                                                                                                                      tagung wird Albert Sickmann
                                                                                                                                   dabei seine eigenen Türen an der                                                                                   zum Sprecher der Sektion D der
                                                                                                                                    Schwarzschildstraße und lädt                                              Dr. Ayten Kalfe wird in die Global
                                                                                                                                                                                                                                                      Leibniz-Gemeinschaft gewählt. Er
                                                                                                                                   die Besucher zu Vorträgen und                                              Young Faculty aufgenommen: die
                                                                                                                                                                                                                                                      übernimmt das Amt am 1. Januar
                                                                                                                                    Experimenten ein.                                                         junge Wissenschaftlerin gehört
                                                                        April                                                                                                                                                                         2018 für zunächst zwei Jahre.
                                                                                                                                                                                                              zum fünften Jahrgang des For-
                                                                        Beim Girls‘ Day besuchen junge                             In Dortmund veranstaltet das                                               schernetzwerks. Die Global Young
                                                                                                                                                                                                                                                      Das ISAS beteiligt sich, wie fast
                                                                        Mädchen zwischen 12 und 15                                  ISAS das erste Neuromuskuläre                                             Faculty (GYF) bringt besonders
                                                                                                                                                                                                                                                      jedes Jahr, am Dortmunder
                                                                        Jahren das ISAS, wo sie einen Tag                           Symposium (NMS). Die Konferenz                                            herausragende Wissenschaftle-
                                                                                                                                                                                                                                                      Wissenschaftstag: Auf geführten
                                                                        lang in den Laborkittel schlüpfen                          dient vor allem auch als Fort-                                             rinnen und Wissenschaftler aus
                                                                                                                                                                                                                                                      Bustouren können interessierte
                                                                        und experimentieren dürfen.                                 bildungsveranstaltung für Ärzte                                           dem Ruhrgebiet zusammen, damit
                                                                                                                                                                                                                                                      Besucher an diesem Tag die
                                                                                                                                   und ist von der Ärztekammer                                                diese zwei Jahre lang gemeinsam
                                                                                                                                                                                                                                                      wissenschaftlichen Einrichtungen
                                                                        Anfang März findet in Potsdam                              entsprechend zertifiziert.         August                                  an verschiedenen interdisziplinä-
                                                                                                                                                                                                                                                      in der Stadt erkunden.
                     Februar                                            das Proteomics Forum statt, das                                                                                                       ren Themen arbeiten können.
                                                                                                                                                                      Das ISAS hat ein umweltfreund-
                                                                        Jahrestreffen der Mitglieder der                           Nur noch ein halbes Jahr bis zur   liches Elektroauto angeschafft.
                     Nach dem Gesamt-Design und                                                                                                                                                                                                       In einer Studie im Fachblatt PNAS
                                                                        DGPF. Das ISAS ist an der Organi-                          Evaluierung! Am ISAS Campus        Im August wird der schwarze             Das ISAS tritt als Aussteller auf
                     der Website räumt auch noch der                                                                                                                                                                                                  nehmen ISAS-Wissenschaftlerin-
                                                                        sation der Konferenz maßgeblich                            in Dortmund treffen sich die       e-Golf geliefert und gleich             der Karrieremesse ScieCon in
                     ISAS-Jahresbericht 2015 einen                                                                                                                                                                                                    nen und Wissenschaftler zusam-
                                                                        beteiligt.                                                 Wissenschaftlerinnen und           von den Mitarbeitern in Besitz          Berlin auf.
                     eigenen Designpreis ab. Der                                                                                                                                                                                                      men mit Kollegen aus den USA
                     Bericht erhält den renommierten                                                                               Wissenschaftler mit dem Wis-       genommen. Das Auto mit dem                                                      sowie aus Würzburg und Essen
                     iF Design Award 2017, eine der                                                                                senschaftlichen Beirat zu einer    unübersehbaren ISAS-Design wird                                                 einen wichtigen zellulären Signal-
                     wichtigsten internationalen                                                                                   Probeevaluierung.                  für Pendelfahrten zwischen den                                                  mechanismus unter die Lupe und
                     Design-Auszeichnungen.                                                                                                                           Dortmunder ISAS-Standorten und                                                  können damit teilweise klären,
                                                                                                                                                                      zur Universität Duisburg-Essen                                                  wie Konformationsänderungen
                                                                                                                                                                      verwendet.                                                                      in Proteinen auch über größere
                                                                                                                                                                                                                                                      Entfernungen funktionieren.

        JANUAR                            FEBRUAR                  MÄRZ                              APRIL                     MAI                            JUNI    JULI                     AUGUST    SEPTEMBER                        OKTOBER   NOVEMBER                        DEZEMBER

                                                                                                                                                                                                                 September
                                                                                                                                                                                                                Albert Sickmann vertritt Mitte
                                                                                                                                                                                                                September das ISAS beim beim
        Januar                                                                                                                                                                                                  »HUPO2017 Global Leadership Gala
                                                                                                                                                                                                                Dinner« in Dublin, wo er den ehe-
        Wissenschaftlerinnen und
                                                                                                                                                                                                                maligen US-Vizepräsidenten Joe
        Wissenschaftler vom ISAS,
                                                                                                                                                                                                                Biden trifft. Das Event wurde von
        vom John Walton Muscular
                                                                                                                                                                                                                der »Cancer Moonshot«-Initiative
        Dystrophy Research Centre
                                                                                                                                                                                                                unter der Schirmherrschaft von
        in Newcastle (UK) und vom
                                                                                                                                                                      Juli                                      Joe Biden angestoßen.                                  Dezember
        Friedrich-Baur-Institut in                                                                           Mai
        München haben ein neues                        März                                                                                                                                                                                                            Es ist soweit: Das ISAS stellt sich
                                                                                                                                                                      Der Juli steht ganz im Zeichen            Ebenfalls Mitte September findet
        Gen für eine Gruppe von erb-                   Im März treffen sich alle                             Zur weiteren Evaluierungsvorbe-                                                                                                                           der turnusmäßigen Evauierung
                                                                                                                                                                      der bevorstehenden Evaluierung:           am ISAS Campus in Dortmund ein
        lichen Muskelerkrankungen                       ISAS-Wissenschaftlerinnen und                        reitung treffen sich die ISAS-                                                                                                                            durch die Leibniz-Gemeinschaft
                                                                                                                                                                      Wissenschaftlerinnen und                  Hands-On-Workshop zum Thema
        (kongenitale Muskeldys-                         Wissenschaftler zum internen                         Wissenschaftlerinnen und                                                                                                                                  und empfängt Mitte Dezember die
                                                                                                                                                                      Wissenschaftler sowie die Stabs­          Multiple Reaction Monitoring
        trophiene, CMD) entdeckt.                      Ostersymposium, um die aktuelle                       Wissenschaftler bei einem Re-                                                                                                                             Evaluierungskommission am ISAS
                                                                                                                                                                      abteilungen arbeiten unter                (MRM) und Parallel Reaction
        Im Januar stellen sie ihre                      Forschungsstrategie gemeinsam                        treat in Bochum-Langendreer. Im                                                                                                                           Campus in Dortmund.
                                                                                                                                                                      Hochdruck an der Fertigstellung           Monitoring (PRM) für die Protein-
        Erkenntnisse im »American                      weiterzuentwickeln.                                   Mittelpunkt des Treffens stehen
                                                                                                                                                                      der Evaluierungsunterlage.                quantifizierung statt. In Berlin
        Journal for Human Genetics«                                                                          das Teambuilding und die lockere,
                                                                                                             verständliche Präsenta­tion von                                                                    beteiligt sich das ISAS an einem
        vor.
                                                                                                             Wissenschaft.                                                                                      deutsch-japanischen Workshop
                                                                                                                                                                                                                zum Thema »Advanced Materials
                                                                                                             Das ISAS tritt als Aussteller auf                                                                  Science«.
                                                                                                             der Karrieremesse bonding in
                                                                                                             Bochum auf.                                                                                        Im Düsseldorfer Landtag findet
                                                                                                                                                                                                                zum achten Mal »Leibniz im
                                                                                                                                                                                                                 Landtag« statt, organisiert von
                                                                                                                                                                                                                den Leibniz-Instituten in NRW.

←   6                                                         HIGHLIGHTS 2017                                                                                                                                      JAHRESBERICHT 2017                                                                        7
JAHRES 2017 BERICHT - ISAS
18
    UNSER JAHR
                                                                                                                                                                                                                                                                          11
                                                                                                                                                                                                                                      Wissenschaftliche                   Doktorarbeiten
                                                                                                                                                                                                                                      Abschlüsse                           Dazu gehörten elf

    IN ZAHLEN                                                                                      76
                                                                                                                                                                                                                                                                          ­abgeschlossene Doktorarbeiten...
                                                                                                                                                                                                                                      Im Jahr 2017 konnte das
                                                                                                                                                                                                                                      ISAS insgesamt 18 Abschlüsse
                                                                                                                                                                                                                                      verzeichnen.

                                                                                                   Publikationen
                                                                                                   wurden im Jahr 2017 am ISAS in ­referierten                                                                                        6                                   1
                                                                                                   ­Zeitschriften veröffentlicht. Ihr durchschnitt­
                                                                                                    licher Impact-Faktor lag bei 4,9.
                                                                                                                                                                                                                                      B.Sc., M.Sc., Diplom                Habilitation
                                                                                                                                                                                                                                      ... sowie sechs weitere Abschlüs-   ... und eine Habilitation.
                                                                                                                                                                                                                                      se wie Bachelor, Master oder
                                                                                                                                                                                                                                      Diplom...

        Mitarbeiter                      Mitarbeiter        Mitarbeiter
         ISAS City                      ISAS Campus         ISAS Berlin

            90
                                               86

                                                                 31

    207                                                     100
                                                                                                                                                                                     12,8 Mio. €
    Mitarbeiter an allen Standorten                         Nichtwissenschaft­liche
    hatte das ISAS am 31. Dezember 2017. Die 207 Personen   Mitarbeiter                                                                                                              Fördersumme für das ISAS
    verteilen sich auf alle drei Standorte: ISAS City und   Unter den 207 Personen sind 100
    ISAS Campus in Dortmund sowie ISAS Berlin.                                                                                                                                       Das ISAS erhielt von Bund und Ländern im
                                                            nichtwissenschaftliche Mitarbeite-
                                                                                                                                                                                     Jahr 2017 insgesamt 12,8 Millionen Euro an
                                                            rinnen und Mitarbeiter.
                                                                                                                                                                                     Zuwendungen zum Kernhaushalt. Zusätzlich
                                                                                                                                                                                     warb das Institut 1,9 Millionen Euro an Dritt-

                                                            107                                                                                                                      mitteln ein.

                                                            Wissenschaftliche
                                                            Mitarbeiter

                                                                                                                                                      116
                                                            Die restlichen 107 Personen sind die
                                                            Wissenschaftlerinnen und Wissen-
                                                            schaftler des ISAS.
                                                                                                                                                                                               66                                     23                                  9
                                                            41                                                                                        Vorträge                                  Eingeladene                           Kolloquien am ISAS                  Konferenzen
                                                            ISAS-Doktoranden
                                                                                                                                                      haben Wissenschaftlerinnen               ­Vorträge                              Im Jahr 2017 haben 23 externe       Die ISAS-Mitarbeiterinnen und
                                                                                                                                                      und Wissenschaftler des ISAS                                                    Wissenschaftlerinnen und Wis-       Mitarbeiter organisierten oder
                                                                                                                                                                                               Zu 66 von den 116 Vorträgen
                                                            Zu diesen 107 Wissenschaftlern                                                            insgesamt im Jahr 2017 auf                                                      senschaftler Kolloquien am ISAS     co-organisierten ins­gesamt neun
                                                                                                                                                                                               wurden die ISAS-Referenten
                                                            zählen auch 41 Doktorandinnen und                                                         Konferenzen und an anderen                                                      gehalten, davon 16 in Dortmund      wissenschaftliche Konferenzen im
                                                                                                                                                                                               eingeladen.
                                                            Doktoranden.                                                                              Institutionen gehalten.                                                         und 7 in Berlin.                    Jahr 2017.

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JAHRES 2017 BERICHT - ISAS
Die Arbeitsgruppe Standardisierung

    IMMER GLEICH UND DOCH   macht aus neu entwickelten
                            Messmethoden so genannte
                            standardisierte Verfahren, damit

    NIEMALS LANGWEILIG      die Messungen immer gleich und
                            zuverlässig ablaufen. Wir haben
                            die Gruppenleiterin und ihren
                            Qualitätsmanager gefragt, warum
                            diese Aufgabe so wichtig ist, dass
                            das Land NRW das Pilotprojekt
                            der Gruppe, die Entwicklung eines
                            standardisierten Assays für das
                            Blutplättchen-Proteom, mit 3,6
                            Millionen Euro fördert – und warum
                            sie beide so für ihre Arbeit brennen.
                            Auf den folgenden Seiten stellen
                            sich Christin Lorenz und Sebastian
                            Malchow im Doppelinterview
                            unseren Fragen.

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JAHRES 2017 BERICHT - ISAS
Christin Lorenz und Sebastian Malchow, Sie beide arbeiten am              Herr Malchow, Sie sind in Ihrer Position als Qualitäts­manager
                        ISAS daran, neue Analysemethoden zu standardisieren. Was                  sehr nah dran an der Laborarbeit. Wie sieht ein typischer
                        genau ist Ihre jeweilige Aufgabe?                                         ­Arbeitsablauf bei Ihnen aus?

                        Christin Lorenz: Ich bin seit Ende 2016 am ISAS beschäftigt, und ich      Malchow: Wir erhalten von unseren Kooperationspartnern aus
                        leite die Arbeitsgruppe Standardisierung.                                 Blutproben isolierte Blutplättchen. Die werden erst einmal in der
                                                                                                  Probenvorbereitung aufbereitet, das heißt, die Proteine in diesen
                        Sebastian Malchow: Ich bin seit Anfang 2013 am ISAS und aktuell in
                                                                                                  Proben werden durch eine Protease zerschnitten in kleinere ­Peptide.
                        der Position als Qualitätsmanager.
                                                                                                  Diese Peptide werden durch ein massenspektrometrisches Verfah-
                        Und womit genau beschäftigt sich Ihre Arbeitsgruppe?                      ren quantifiziert. Durch die Quantifizierung der Proteinbruchstücke
                                                                                                  kann man dann auf die Proteinkonzentrationen zurück­rechnen,
                        Malchow: Wir entwickeln neue analytische Verfahren, um Protein-
                                                                                                  was uns wiederum Informationen über die Proteine in den Blut-
                        konzentrationen in verschiedenen Proben, in diesem Fall natürlich
                                                                                                  plättchen liefert.
                        Blut, zu bestimmen und dadurch die Diagnostik zu ermöglichen.
                        ­Zunächst bauen wir ein akkreditierbares Prüflabor auf, um massen-
                        spektrometrische Analytik von Proteinen durchführen zu können.

                        Lorenz: Um eine hohe Qualität und Zuverlässigkeit unserer Analytik
                        zu gewährleisten, ist es essentiell, dass wir standardisierte Verfahren
                        anwenden.

         »Wir bauen ein akkreditierbares Prüflabor auf,
         um massen­spektrometrische Analytik von Proteinen
         durchführen zu können.«

                        Ihre Gruppe wird ja sogar vom Land NRW gefördert. Warum ist
                        Ihre Arbeit denn so wichtig für die Gesellschaft?

                        Lorenz: Die gesellschaftliche Relevanz unserer Arbeit lässt sich
                        eigentlich ganz einfach erklären, indem man sich die Todesstatis­
                        tiken in Deutschland anschaut: Etwa 40 Prozent aller Todesfälle bei
                        uns sind auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen zurückzuführen, zum
                        Beispiel auf Thrombose, Schlaganfall oder Herzinfarkt. Eine ent-
                        scheidende Rolle bei diesen Erkrankungen spielen Blutplättchen,
                        die so genannten Thrombozyten. Bei gesunden Menschen sorgen
                        Thrombozyten dafür, dass bei einer Gefäßverletzung, zum Beispiel
                        einer Schnittverletzung, die Wunde verschlossen wird. Entsteht
                        ein Ungleichgewicht von regulatorischen Prozessen in diesen Throm-
                        bozyten, dann kann es zu einer unkontrollierten Gerinnung im
                        Körper kommen; und dies kann letztendlich zur Entstehung von
                        Herzinfarkt, Schlaganfall oder auch Thrombose führen.

                        Genau an diesem Punkt setzt unser Verfahren an, wir wollen früh-
                        zeitig solche Veränderungen auf der Oberfläche und auch im Inne-
                        ren von Thrombozyten detektieren und messbar machen.

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JAHRES 2017 BERICHT - ISAS
Lorenz: Um zwischen gesunden und erkrankten Blutplättchen zu
                     unterscheiden, müssen wir zunächst diagnostische R
                                                                      ­ eferenzwerte
                     ermitteln. Dazu wenden wir unser Verfahren auf eine große
                     ­Patienten- und Kontrollkohorte von mindestens 1.000 Probanden
                     an, die es uns ermöglicht, diese Referenzwerte zu definieren.

                     Es ist sehr wahrscheinlich, dass sich die Proteinkomposition, aber
                     auch der Gehalt der Proteine in Blutplättchen aus unterschiedlichen
                     Bevölkerungsgruppen – zum Beispiel bei sehr jungen oder sehr
                     alten Personen und zwischen Männern und Frauen – sehr stark
                     unterscheiden. Deshalb ist es essentiell, zunächst diese Grenzwerte
                     zu definieren, damit wir unser Verfahren in der Klinik anwenden
                     können.

    »Um eine hohe Qualität und Zuverlässigkeit unserer Analytik
    zu gewährleisten, ist es essentiell, dass wir standardisierte
    Verfahren anwenden.«

                    Was bedeutet »Standardisierung« im Zusammenhang mit Ihrer
                    Arbeit denn eigentlich genau?

                    Malchow: Der Begriff »Standardisierung« an sich bedeutet erst
                     einmal nur, dass ein Verfahren immer nach den gleichen Maßstä-
                     ben oder in der gleichen Art und Weise durgeführt wird. Für uns
                     ist wichtig, dass eine externe Stelle, in diesem Fall die Deutsche
                    Akkreditierungsstelle [kurz DAkkS, Anmerkung der Redaktion], uns
                     bescheinigt, dass unsere Analytik von hoher Qualität ist und immer
                     dieselben und vor allem auch richtigen Werte liefert.

                    Lorenz: Letztendlich ermöglicht uns diese Akkreditierung den
                    Transfer unseres Verfahrens in die Anwendung, da sie die Akzep-
                     tanz der künftigen Kunden – zum Beispiel andere Forschungspart-
                     ner, verschiedene Kliniken oder auch Diagnostiklabore – erhöht.

                     Die Arbeitsgruppe Standardisierung fungiert damit auch als ein
                     Bindeglied zwischen Theorie und Praxis – nicht nur allgemein,
                     sondern auch innerhalb des ISAS. Wie sieht Ihre Zusammenar-
                     beit mit anderen Arbeitsgruppen aus?

                    Lorenz: Wir arbeiten sehr eng mit verschiedenen Arbeitsgruppen
                     zusammen. Hauptsächlich sind diese Arbeitsgruppen in den For-
                     schungsprogrammen Biomarker sowie Krankheitsmechanismen
                     und Targets angesiedelt. In diesen Forschungsprogrammen werden
                    viele Fragestellungen aus der Grundlagenforschung bearbeitet.

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JAHRES 2017 BERICHT - ISAS
Thrombozyten aggregieren,
                                                                                  um Wunden zu schließen.           »Mich interessieren am meisten die technischen und
                                                                                  Unkontrollierte Aggregation
                                                                                  kann zu Gefäßverschluss führen.   ­analytischen Komponenten der Arbeit. Ich interessiere
                  Aktivierender Stimulus
                  (z. B. Thrombin)
                                                                                                                     mich schon seit langer Zeit für Massenspekrometrie
                                                                                                                    und finde es toll, dass wir jetzt diese Verfahren auch
                                                                                                                    wirklich in die Anwendung bringen können.«

                                                                                                                                    Was hat Ihr Interesse an dieser Thematik geweckt?

                                                                                                                                    Lorenz: Was mich interessiert, ist vor allem die gesellschaftliche
                                                                                                                                    Relevanz der Fragestellung: Wie können wir Herz-Kreislauf-Erkran­
                                                                                                                                    kungen frühzeitig erkennen und somit einen Beitrag zu einer
                                                                                                                                    gesünderen Bevölkerung liefern? Zum andern interessiert mich die
                                                                                                                                    Nähe zur Anwendung, denn was wir in unserem Projekt machen,
                                                                                                                                    ist nicht nur reine Forschung. Natürlich beantworten wir auch eine
                                                                                                                                    Forschungsfrage, aber zum Großteil beschäftigt sich unsere Arbeit
                                                                                                                                    damit, wie wir den Transfer in die Klinik schaffen, um ein neues
                                                                                                                                    diagnostisches Verfahren zu etablieren.

                                                                                                                                    Malchow: Mich interessieren am meisten die technischen und ana-
                                                                                                                                    lytischen Komponenten der Arbeit. Ich interessiere mich schon seit
                                                                                                                                    langer Zeit für Massenspekrometrie und finde es toll, dass wir jetzt
                                                                                                                                    diese Verfahren auch wirklich in die Anwendung bringen können.

                                                                               Aktivierte Thrombozyten
                                                                               ändern ihre Form

         Im Blut zirkulierende
         Thrombozyten (inaktiv)

                                           Nach Abschluss einer Studie werden zum Beispiel Biomarker iden-
                                           tifiziert, die für eine bestimmte Erkrankung charakteristisch sind.
                                           Diese Biomarker können wir dann in einen massenspektrometrie-
                                           basierten Assay überführen, um ihn in der Routine anzuwenden.

                                           Malchow: Zurzeit arbeiten wir an der Quantifizierung von Proteinen
                                           aus Thrombozyten. Am Institut gibt es allerdings noch viele andere
                                           Forschungsgruppen, die sich mit anderen Geweben beschäftigen...

                                           Lorenz: Genau, Schwerpunkt unserer Arbeit ist bislang natürlich
                                           die Quantifizierung von Thrombozytenbiomarkern. Wir möchten
                                           aber auch unsere Analytik – und zwar unsere standardisierte
                                           Analytik mit hohen Anforderungen an Qualität und Zuverlässigkeit
                                           – den anderen Arbeitsgruppen zugänglich machen. Dazu treten wir
                                           häufig in Kontakt mit anderen Arbeitsgruppen, oder die Arbeits-
                                           gruppen mit uns. Wir tauschen uns über aktuelle Forschungsergeb-
                                           nisse aus, und interessante Biomarker können letztendlich dann
                                           von uns in einen entsprechenden Assay überführt werden.

←   16                                     HIGHLIGHTS 2017                                                                          JAHRESBERICHT 2017                                                     17
»Als Kind hatte ich natürlich noch keine Vorstellung
         davon, was Forschung bedeutet, aber mich haben
         schon immer die P ­ rozesse des Lebens interessiert.
         Wie entsteht was? Wie wachsen Blumen?
         Wie entstehen vielleicht auch Krankheiten?«

                         Wollten Sie denn schon als Kind Forscher oder Wissenschaftler
                         werden?

                         Lorenz: Als Kind hatte ich natürlich noch keine Vorstellung davon,
                         was Forschung eigentlich bedeutet, aber mich haben schon immer
                          die Prozesse des Lebens interessiert. Wie entsteht was? Wie wach-
                          sen Blumen? Wie entstehen vielleicht auch Krankheiten? Das hat
                         mich eigentlich immer motiviert, weiter Fragen zu stellen, wie alles
                         zusammenhängt. Und was mich jetzt auch an meiner Arbeit faszi-
                         niert, ist einfach die Anwendung von Wissen, das man sich durch
                         verschiede Forschungsfragen aneignet, um letztendlich einen Bei-
                         trag für die Medizin zu leisten.

                         Malchow: Ich habe mich schon immer für Natur und naturwissen­
                          schaftliche Themen interessiert, zum Beispiel wie die Materie gene-
                         rell und rundherum aufgebaut ist. Und das führte im Endeffekt zu
                         meiner Professionalisierung im Bereich der Analytik.

                         Welche Wünsche haben Sie für die Zukunft, sowohl bezogen auf
                          das ISAS als auch auf die gesamte Gesellschaft?

                         Lorenz: Ich wünsche mir für die Zukunft, dass unsere innovativen
                         Technologien – die ja nicht nur in unserer Arbeitsgruppe entstanden
                          sind, sondern auch in anderen Arbeitsgruppen des ISAS – in die
                         ­Anwendung transferiert werden und sich vor allem im Gesundheits-
                          sektor langfristig etablieren können.

                         Malchow: Für mich ist es ähnlich. Ich möchte die Arbeit der letzten
                         Jahre weiter professionalisieren und im Endeffekt dann zur Anwen-
                          dung bringen.

←   18                   HIGHLIGHTS 2017
WISSENSCHAFT
    UND
    FORSCHUNG

←
DAS ISAS
                                                                                                        4D-Analytik
                                                                                                                      Wir wollen möglichst parallel und zu jedem beliebigen Zeitpunkt
                                                                                                                      die Menge und Art eines untersuchten Stoffes sowie seine Lokali­

    IM PROFIL
                                                                                                                      sation bestimmen. Deshalb haben wir uns die Entwicklung und
                                                                                                                      Verfeinerung »vierdimensionaler« Analysemethoden zur Aufgabe
                                                                                                                      gemacht. Sie bilden die Basis für die umfassende Aufklärung
                                                                                                                      ­pathologischer Prozesse. Um herauszufinden, wann und wie die
                                                                                                                      »biologische Entscheidung« zwischen Gesundheit und Krankheit
                                                                                                                      fällt, brauchen wir analytische Verfahren, die simultan Informa­
                                                                                                                      tionen von verschiedenen Molekülklassen (etwa Proteinen, Lipiden
                                                                                                                      und Metaboliten) erfassen. Solche simultanen Verfahren werden
                                                                                                                      völlig neue Datentypen hervorbringen, die ihrerseits neue Strategien
                                                                                                                      bei der Auswertung erfordern.

                                                                                                                      Die Schwerpunktbereiche unserer Tätigkeit liegen in der Aufklärung
                                                                                                                      von Krankheitsmechanismen, der Entdeckung möglicher Medika-
                                                                                                                      menten-Targets und Biomarker sowie der Entwicklung von neuar­
                                                                                                                      tigen Abbildungs- und Detektionsverfahren für Biomoleküle.

                                                                                                        Leitziele
                                                                                                                      Die Leitziele des ISAS sind exzellente interdisziplinäre Forschung,
                                                                                                                      die Qualifizierung des wissenschaftlichen Nachwuchses sowie
                                                                                                                      der Transfer unserer Ergebnisse in Wissenschaft, Wirtschaft und
                                                                                                                      Öffentlichkeit.

                                                                                                                      Forschungsleistung
                                                                                                                      Als Indikatoren für die Forschungsleistung zieht das Institut seine
                                                                                     → Seite 76 ff.
                                                                                                                      Publikationen, insbesondere in referierten Fachzeitschriften, ebenso
                                                                                     Aktivitäten 2017
                                                                                                                      heran wie seine Präsenz durch wissenschaftliche Fachvorträge und
                                                                                                                      die Einwerbung neuer drittmittelgeförderter Projekte im inter­na­-
                                                                                                                      tio­nalen Wettbewerb. Bei der Auswahl der Wettbewerbe und Förder-
                                                                                                                      linien, in denen wir uns um Drittmittel bewerben, streben wir nach
                                                                                                                      bestmöglichen Synergien mit unseren langfristig verfolgten For-
                Das Leibniz-Institut für Analytische Wissenschaften – ISAS – e. V.                                    schungsprogrammen und stellen komplementäre Fragestellungen
                entwickelt schnelle, präzise und kostengünstige analytische Ver-                                      in den Vordergrund.
                fahren für die Gesundheitsforschung, um die Möglichkeiten zur
                Prävention, Frühdiagnostik und Therapie von Erkrankungen zu
                                                                                                                      Nachwuchsförderung
                verbessern. Durch eine Kombination von Fachwissen aus Chemie,
                Biologie, Physik und Informatik machen wir messbar, was heute                                         Zur Förderung unseres wissenschaftlichen Nachwuchses haben
                noch nicht gemessen werden kann. Dabei steht vor allem eine Frage                                     wir Programme etabliert, die alle Stufen der wissenschaftlichen
                im Vordergrund: Wieviel von welcher Substanz ist wann an                                              Laufbahn umfassen: von Angeboten für Bachelor- und Masterstu-
                ­welchem Ort?                                                                                         dierende über eine strukturierte Doktorandenausbildung bis hin

←   22          Wissenschaft und Forschung                                                                            JAHRESBERICHT 2017                                                    23
zu Weiterbildungsangeboten für Postdoktoranden und Nachwuchs­
         führungskräfte in der Wissenschaft. Zur Förderung der Karriere­
         chancen exzellenter Nachwuchswissenschaftler sind am Institut
         zudem Nachwuchsgruppen etabliert. Zusätzlich bietet das ISAS jun-
         gen Wissenschaftlern weitere Entwicklungsmöglichkeiten durch die
         Leitung von Forschungsprojekten. Die möglichst frühe Profilierung
         als Führungskraft soll insbesondere Nachwuchskräfte unterstützen,
         die eine spätere Berufslaufbahn in der Wissenschaft anstreben.

         Transfer und Service
         Unsere Transfer- und Serviceangebote reichen von Beratungs­ak­
         ti­vitäten für Wissenschaftler, Unternehmen, Medien und Politik
         über Auftragsforschung und -messungen bis hin zur Bereitstellung
         analytischer Standards. Patentgeschützte Innovationen stellt das
         Institut zur Lizensierung bereit, und es vermarktet sein Angebot mit
         Unterstützung externer Partner. Das ISAS fördert außerdem Aus-
         gründungsvorhaben seiner Mitarbeiter und macht seine Arbeiten
         einer breiten Öffentlichkeit zugänglich, indem es sich regelmäßig
         auf Fach- und Karrieremessen präsentiert, an öffentlichkeitswirk­
         samen Veranstaltungen wie zum Beispiel Wissensnächten oder dem
         bundesweiten Girls‘ Day teilnimmt, Forschungsergebnisse aktiv
         an die Medien kommuniziert und im Rahmen der jährlichen Ver-
         anstaltung »Leibniz im Landtag« einen regen Austausch zwischen
         Wissenschaft und Landespolitik organisiert.

         Kooperationen
         Ein weiterer wichtiger Faktor für die Umsetzung unserer Ziele ist
         die Interaktion mit Wissenschaftlern verschiedener Fachdisziplinen
         weltweit. Daher treibt das ISAS nicht nur den Ausbau seiner eigenen
         interdisziplinären Kompetenzen, sondern auch seine Vernetzung im
         nationalen und internationalen Wissenschaftsumfeld weiter v
                                                                   ­ oran.
         Von besonderer Bedeutung ist dabei die Zusammenarbeit mit den
         regional ansässigen Universitäten: der ­Technischen­­Universität Dort-
         mund, der Ruhr-Universität Bochum, der Univer­sität ­Duisburg-Essen
         und der Technischen Universität Berlin. Die nationale Vernetzung
         wird durch die Einbindung des ISAS in Netzwerke der ­Leibniz-
         Gemeinschaft, etwa die Forschungsver­bünde »Gesundheitstechno-
         logien« und »Wirkstoffe und Biotechnologie«, und in vom Bundes-
         ministerium für Bildung und Forschung geförderte Verbundvorhaben
         verstärkt. Internationale Partner unterstützen uns bei langfristigen
         Forschungs­vorhaben, etwa im »International Cardiovascular Disease
         Network« und in EU-geförderten Forschungskonsortien.

←   24   Wissenschaft und Forschung
Proteomweite Detektion

    KRANKHEITSMECHANISMEN
                                                                                                                   von Protein-Protein-Interaktionen
                                                                                                                   Dieses Projekt konzentriert sich auf die Untersuchung von Protein­
                                                                                 Arbeitsgruppe

    UND TARGETS
                                                                                 Structural Proteomics             strukturen und Protein-Interaktionsnetzwerken in ihrer natürlichen
                                                                                 Prof. Dr. Christoph Borchers      Umgebung in Zellen und Geweben (in vivo). Erkenntnisse zur Struk-
                                                                                 UVic Genome BC Proteomics
                                                                                 Centre, University of Victoria,   tur von Proteinen und Proteinkomplexen, die in vivo gewonnen
                                                                                 Kanada
                                                                                 christoph@proteincentre.com       wurden, ermöglichen die Identifizierung von Protein-Protein-Inter-
                                                                                 Prof. Dr. Albert Sickmann         aktionen, die wiederum entscheidend wichtig für die Aufklärung von
                                                                                 T: +49 (0)231 1392-100
                                                                                 albert.sickmann@isas.de           Krankheitsmechanismen sind. Dazu gehört auch die Bestimmung
                                                                                                                   von Interaktionsflächen als potenzielle Angriffpunkte für Medikamen-
                                                                                                                   te. Um allerdings solche Strukturstudien auf einem proteomweiten
                                                                                                                   Level durchzuführen, ist ein enormer Fortschritt im Bereich der ent-
                                                                                                                   sprechenden Structural-Proteomics-Techniken nötig, etwa bei Cross-
                                                                                                                   linking, Oberflächenmodifikation und HDX (Wasserstoff-Deuterium-
                                                                                                                   Austausch, hydrogen-deuterium exchange). Die Weiterentwicklung
                                                                                                                   solcher Techniken bis auf ein Level, auf dem sie für In-vivo-Protein-
                                                                                                                   strukturstudien eingesetzt werden können, passt gut in das Gesamt-
                                                                                                                   konzept des ISAS.

                                                                                                                   Das Projekt begann Anfang 2016 mit der Einrichtung der internatio-
                                                                                                                   nalen Arbeitsgruppe Structural Proteomics. Zunächst untersuchte
                                                                                                                   das Projektteam experimentelle Ansätze für proteomweite In-vivo-
                                                                                                                   Crosslinking-Analysen, wobei der Fokus auf der Optimierung von
                                                                                                                   Crosslinking-Reaktionen, Probenvorbereitung, Fraktionierung und
                                                                                                                   Datengewinnung lag. Der Ansatz wurde an Proben aus intakten
                                                                                                                   Bakterienzellen (Escherichia coli) und Hefemitochondrien getestet.
            Die Projekte im Forschungsprogramm Krankheits­mechanismen                                              Dabei zeigte sich, dass die Verdaumethoden in Lösung oder im Gel
            und Targets konzentrieren sich auf einen zentralen Aspekt der                                          komplementär sind; außerdem demonstrierte das Team die Wichtig-
            ­Gesundheitsforschung: die Untersuchung molekularer Mechanismen,                                       keit von Affinitätsanreicherung und Vorfraktionierung der verlinkten
            die in die Entstehung von Krankheiten involviert sind. Diese                                           Peptide mittels Kationenaustausch (strong cation exchange). In einem
            ­Arbeiten sind die Voraussetzung für eine erfolgreiche Behandlung                                      weiteren Schritt wurde ein Vergleich verschiedener Datenerfassungs-
            von Krankheiten, da neue Diagnose- und Therapiekonzepte auf                                            methoden durchgeführt, und die Wissenschaftler stellten einen
            der Identifizierung entsprechender Zielmoleküle beruhen.                                               Zusammenhang her zwischen Probenkomplexität und Arbeitszyk-
                                                                                                                   lus, sowohl bei datenunabhängigen als auch bei datenabhängigen
            Um ein detailliertes Bild von solchen molekularen Krankheitsmecha-
                                                                                                                   MS / MS-Methoden (basierend auf den isotopischen Signaturen der
            nismen zu gewinnen, wird in diesem Forschungsprogramm ein Multi-
                                                                                                                   crossverlinkten Peptide). Zudem wurden die Performance-Charak-
            methodenansatz genutzt, der Daten aus Proteomics, Lipidomics
                                                                                                                   teristiken der verwendeten Massenspektrometer bestimmt.
            und Metabolomics zu einem umfassenden Überblick über Pathome-
            chanismen integriert. Die so entstehenden Multiomics-Technologien                                      Im Jahr 2017 entwickelte das Projektteam einen kompletten experi-
            ­werden in enger Zusammenarbeit der Forschungsabteilungen                                              mentellen und rechnerischen Workflow für proteomweite In-vivo-
            und -gruppen am ISAS mit biochemischen, physiologischen, spek­-                                        Crosslinking-Analysen mittels isotopenmarkierter, über Affinität
            troskopischen und bildgebenden Verfahren kombiniert. Ein wich-                                         anreicherbarer und durch CID (collision-induced dissociation) spalt-
            tiger Schwerpunkt in diesem Programm sind kardio­vaskuläre                                             barer Crosslinking-Reagenzien. Diese Eigenschaften der Crosslinker
            Erkrankungen und die dahinter­stehenden Mechanismen, von der                                           ermöglichen eine optimierte Probenverarbeitung, Datenerhebung
            Herz­insuffizienz bis zur Thrombozyten­funktionsstörung.                                               und Datenanalyse. Isotopencodierung und auf Spaltung basierende

←   26      Wissenschaft und Forschung                                                                             JAHRESBERICHT 2017                                                   27
MS-Signaturen wurden als zusätzliches Feature dem Tool »Percola-                                          Photocrosslinkern begonnen, die an verschiedene Moleküle gekoppelt
                                tor« hinzugefügt, das auf maschinellem Lernen beruht und über-                                            werden können. Mit diesen Sonden sollen langfristig potenzielle
                                einstimmende Peptidspektren validiert. Dieses Feature konnte die                                          Wirkstoffe in einem proteomikbasierten Workflow analysiert wer-
                                Anzahl von zuverlässig identifizierten Crosslinks drastisch steigern.                                     den können.
                                Das Team erstellte außerdem einen vollständig automatisierten
                                Datenanalyse-Workflow und testete den Ansatz an intakten Hefe­mito-
                                                                                                                                          Multiomics: Ein systembiologischer Ansatz
                                chondrien. Dabei zeigte sich, dass mit der Methode proteomweit
                                                                                                                                          für die kardiovaskuläre Forschung
                                mehr als 600 Protein-Protein-Interaktionen verlässlich identifiziert
                                werden konnten. Der Ansatz ist leicht auf andere Modellsysteme                                            In den letzten Jahrzenten ist die Anzahl von verfügbaren Omics-
                                                                                                         Arbeitsgruppe Lipidomics
                                wie zum Beispiel Zellen übertragbar.                                                                      Analysen für unterschiedliche Moleküle stetig gestiegen. Die Metho-
                                                                                                         Dr. Robert Ahrends
                                                                                                         T: +49 (0)231 1392-4173          den wurden zu wichtigen Werkzeugen einer modernen Analytik
                                                                                                         robert.ahrends@isas.de
                                                                                                                                          und trugen wesentlich zur Aufklärung komplexer biologischer
                                Molekulare Werkzeuge für die Untersuchung
                                                                                                                                          Systeme bei. Wenn die Ergebnisse dieser Techniken jedoch einzeln
                                von Proteasen                                                            In Kooperation mit:
                                                                                                         Arbeitsgruppe Kardiovaskuläre
                                                                                                         Pharmakologie
                                                                                                                                          betrachtet werden, bleiben oft wichtige Beziehungen und kausale
                                In diesem Projekt entwickelt die Arbeitsgruppe Chemical Proteomics       Arbeitsgruppe Protein Dynamics   Zusammenhänge zwischen den Molekülklassen verborgen. Daher
                                                                                                         Arbeitsgruppe Miniaturisierung
    Arbeitsgruppe
    Chemical Proteomics         Werkzeuge, mit denen Proteine markiert werden können, um ihre                                             wird ein kombinierter Ansatz benötigt, der durch die Integration
    Prof. Dr. Steven Verhelst   Analyse zu ermöglichen oder zu vereinfachen. Dabei konzentrierte                                          der korrespondierenden Daten ein allumfassendes Bild von bio­lo­
    steven.verhelst@isas.de
                                sich die Gruppe bislang vor allem auf Rhomboid-Proteasen. Obwohl                                          gischen Prozessen wie crosstalk in und über Signaltransduktions-
                                deren Funktion in vielen Organismen noch unbekannt ist, scheinen                                          wegen hinweg gewinnen kann. Die Kombination von zwei oder
                                sie bei zahlreichen wichtigen biologischen Prozessen eine Rolle zu                                        mehr Omics-Methoden wird als Multiomics-Ansatz bezeichnet.
                                spielen, und es gibt bislang kaum selektive Inhibitoren und Sonden
                                                                                                                                          Die Analyseplattform SIMPLEX (simultaneous metabolite, protein,
                                für diese Enzymklasse. Daher hat die Gruppe bereits 2015 dieses
                                                                                                                                          lipid extraction), die in den vergangenen Jahren von der Arbeits-
                                Projekt initiiert, um entsprechende Tools zu entwickeln und zu unter-
                                                                                                                                          gruppe Lipidomics entwickelt und aufgebaut wurde, ist ein solcher
                                suchen. Im vergangenen Jahr konnte das Team die neu etablierte
                                                                                                                                          Multiomics-Ansatz: Sie kombiniert verschiedene Omics-Methoden
                                markerfreie Bestimmung der Substratspezifität mittels ChaFRAtip-
                                                                                                                                          für unterschiedliche Molekülklassen und wertet die Daten anschlie-
                                Methode – ChaFRAdic (charge-based fractional diagonal chromatog-
                                                                                                                                          ßend mit entsprechenden Algorithmen aus. Das Ziel ist eine schnelle,
                                raphy) in der Pipettenspitze – optimieren und verschiedene Sonden
                                                                                                                                          umfassende und effektive Analyse zellulärer Systeme und Gewebe,
                                auf Basis von nicht spaltbaren Peptiden erzeugen, die das aktive Zent-
                                                                                                                                          um die gegenseitigen Wechselwirkungen zwischen Lipiden, Prote­
                                rum der Protease binden, ohne vom Enzym verarbeitet zu werden.
                                                                                                                                          inen und Metaboliten nachvollziehen zu können. SIMPLEX wurde
                                So konnte bereits die Verwendung verschiedener Photocrosslinker
                                                                                                                                          ursprünglich für die Analyse von Zellkulturmodellen entwickelt,
                                implementiert werden; diese Crosslinker können Moleküle verbinden
                                                                                                                                          soll im Multiomics-Projekt aber an komplexe Gewebe wie das Herz
                                und durch Licht gespalten werden. Zudem fand die Gruppe eine
                                                                                                                                          angepasst werden. Das Projekt ist erst Anfang 2018 gestartet, greift
                                neue Spezifitätspräferenz von menschlichem Cathepsin G für Aspa-
                                                                                                                                          allerdings auf die umfangreichen Vorarbeiten im Projekt »Lipidom-
                                ragin in direkter Nachbarschaft der spaltbaren Bindung, die durch        → Seite 38
                                                                                                                                          analyse« aus den vergangenen Jahren zurück. So wurde der SIMPLEX-
                                den Einsatz synthetischer Substrate bestätigt werden konnten.            Projekt »Lipidomanalyse«
                                                                                                                                          Workflow bereits auf verschiedene Gewebetypen wie unterschied­
                                Künftig will das Projektteam sich verstärkt darauf konzentrieren,                                         liche Muskelgewebe und Herzmuskel ausgeweitet.
                                mit Hilfe der in der Gruppe entwickelten Methoden und Tools die
                                                                                                                                          In einem Teilprojekt von »Multiomics« geht es außerdem darum,
                                Bindungsstellen von Medikamenten oder Medikamentenkandidaten
                                                                                                                                          eine neue kombinierte Injektions- und Ionisierungstechnik zu
                                zu ihren Zielproteinen und Off-Targets zu identifizieren. Dieser
                                                                                                                                          entwickeln, um die Empfindlichkeit und Nachweisgrenze von
                                Ansatz ist direkt relevant für die Arzneimittelentwicklung und kann
                                                                                                                                          Lipiden zu verbessern sowie ein neues Fragmentierungswerkzeug
                                nicht nur dazu verwendet werden, den Wirkungsmechanismus von
                                                                                                                                          für intakte Proteine, Peptide und synthetisch modifizierte Peptide
                                Arzneimitteln und Naturstoffen zu identifizieren, sondern auch die
                                                                                                                                          bereitzustellen. Die Arbeiten für dieses Teilprojekt haben im März
                                Proteinpartner zu finden, durch die diese Moleküle ihre Funktion
                                                                                                                                          2017 begonnen, und das Projektteam konnte bereits erfolgreich ein
                                ausüben. Die ersten Arbeiten zu diesem neuen Projektansatz haben
                                                                                                                                          Nano-ESI (Elektrospray-Ionisierung) mit einem Plasmajet koppeln,
                                Ende 2017 mit der Synthese von Sondenbausteinen mit Diarizin-

←   28                          Wissenschaft und Forschung                                                                                JAHRESBERICHT 2017                                                   29
um so die Vorteile beider Methoden in einem Arbeitsschritt zu                                      Proteogenomics für neue Strategien zur Krebserkennung
         vereinen. In ersten Messungen mit einem Gesamtextrakt aus
                                                                                                            Im Jahr 2016 hat sich das ISAS mit einigen führenden Forschungs­
         Rinderleber konnten die Wissenschaftler zeigen, dass das nESI     Arbeitsgruppe Protein Dynamics
                                                                                                            instituten Nordamerikas zusammengeschlossen, um neue Strate­
         nur polare Moleküle ionisiert, während unpolare oder sehr         Prof. Dr. Albert Sickmann
                                                                           T: +49 (0)231 1392-100           gien für die Krebserkennung und -behandlung zu entwickeln. Zu
         schwach polare Moleküle mit dem Plasmajet nachionisiert werden    albert.sickmann@isas.de
                                                                                                            den Partnern zählen neben dem ISAS das US-amerikanische natio­
         können. So konnte zum Beispiel das zunächst sehr schwache
                                                                           In Kooperation mit:              nale Krebsinstitut NCI (National Cancer Institute) der NIH sowie
         Signal für Cholesterol durch die Nachionisierung massiv erhöht    Arbeitsgruppe Structural
                                                                           Proteomics
                                                                                                            die kanadischen Universitäten McGill in Montreal, UVic (University
         werden. Durch eine entsprechende Einstellung des Plasmajets
                                                                                                            of Victoria) in Victoria und UBC (University of British Columbia) in
         konnte das Projektteam auch erhöhte Signalwerte für verschie-
                                                                                                            Vancouver. Gemeinsam wollen die Kooperationspartner Projekte
         dene Lipidspezies erreichen. Im nächsten Schritt will das Team
                                                                                                            zur Kopplung von Proteom- und Genomanalysen durchführen, um
         das nESI durch ein Injektions­system ersetzen, das auf einem
                                                                                                            Daten zwischen Gen- und Proteinebene zu korrelieren, die Ursachen
         miniaturisierten Thermospray basiert. Ziel der Arbeiten ist es,
                                                                                                            der Erkrankung aufklären und neue Ansatzpunkte für Therapien
         neuartige informationsreiche Fragment-Ionen zu erzeugen, die
                                                                                                            aufzuzeigen. Die Zusammenarbeit ist eine von mehreren neu
         bislang nicht zuverlässig hergestellt werden konnten.
                                                                                                            entstandenen, weltweiten Kooperationen renommierter Forschungs-
                                                                                                            einrichtungen, Universitäten und Kliniken im Rahmen der »Cancer
                                                                                                            Moonshot«-Initiative der US-Regierung, die die Krebsforschung ent-
                                                                                                            scheidend voranbringen soll. Die Ergebnisse der Zusammenarbeit
                                                                                                            im Konsortium sollen umgehend international zugänglich gemacht
                                                                                                            werden, um die Krebsforschung global voranzutreiben.

                                                                                                            Das ISAS steuert zum »Cancer Moonshot« insbesondere seine Exper­-
                                                                                                            tise bei Untersuchungen im Bereich Proteinabbau und Signalweiter-
                                                                                                            leitung bei, die im Prozess der Krebsentstehung und -entwicklung
                                                                                                            von großer Bedeutung sind: In Tumorzellen häufen sich in der Regel
                                                                                                            Mutationen an, die das Expressionslevel von Proteinen verändern
                                                                                                            oder Abbau- und Modifikationsprozesse beeinflussen können. Für
                                                                                                            diese Modifikationen gibt es häufig keine antikörperbasierten Assays;
                                                                                                            stattdessen greift das ISAS auf massenspektrometrische Assays zurück,
                                                                                                            um diese Prozesse zu untersuchen.

                                                                                                            Das Proteogenomics-Projekt startete im Jahr 2016, die benötigten
                                                                                                            Technologien wurden jedoch bereits in den Vorjahren im Rahmen
                                                                                                            eines Vorläuferprojekts aufgebaut, das von 2014 bis 2017 im Leib-
                                                                                                            niz-Wettbewerb gefördert wurde (»(Reverse) Proteomics as novel
                                                                                                            tool for biodiversity research«). Im Jahr 2017 konnten bereits ver-
                                                                                                            schiedene Entwicklungen zur Annotation von Proteogenomics-­
                                                                                                            Datensätzen veröffentlicht werden. Die Grundidee liegt darin, Massen-
                                                                                                            spektren, die mit den verfügbaren Algorithmen nicht zugeordnet
                                                                                                            werden können, mit bereits identifizierten Spektren zu clustern
                                                                                                            und so einer bekannten Sequenz zuzuordnen. Ein weiterer Ansatz
                                                                                                            berücksichtigt Algorithmen zur De-novo-Sequenzierung von S
                                                                                                                                                                     ­ pekt-
                                                                                                            ren mit anschließender Annotation der zugrundeliegenden Genom­
                                                                                                            informationen. Mit dieser Strategie können neben Punktmu­ta-
                                                                                                            tionen auch Splicevarianten und falsche Exon-Intron-Zuordnungen
                                                                                                            ­beziehungsweise Startcodons aufgeklärt werden. So wird die Analyse
                                                                                                            der Daten zusätzlich validiert.

←   30   Wissenschaft und Forschung                                                                         JAHRESBERICHT 2017                                                     31
Das Projekt liefert zudem neue Methoden und Ansätze für weitere                                                  beeinflusst werden können, da das Peptid keinen negativen Einfluss
                                     Projekte innerhalb des ISAS, zum Beispiel Assays zur einfachen                                                   auf das Überleben der Herzmuskelzellen hat. Zudem wurden die
                                     und quantitativen Darstellung von Signalkaskaden. Diese ermög­                                                   molekularen Hintergründe der RKIP-Effekte weiter aufgeklärt und
                                     lichen die Analyse der Signalübertragung unter anderem im Herz,                                                  die Interaktion der G-Protein-gekoppelten Rezeptorkinase GRK2
                                     im Skelettmuskel sowie in Thrombozyten und Adipozyten, aber                                                      mit RKIP genauer definiert. Aus diesen Studien konnte in Zusammen-
                                     auch den direkten Zugriff auf die Daten vieler zentraler Signal­                                                 arbeit mit Wissenschaftlern der Universität Chicago und der Universität
                                     kaskaden bei Tumorerkrankungen und damit potenziell interes-                                                     Würzburg auch ein genereller Salzbrücken-Aktivierungsmechanis-
                                     santer Kandidaten für andere Erkrankungen.                                                                       mus abgeleitet werden, der zur Freilegung neuer Protein-Protein-
                                                                                                                                                      Interaktionsflächen führt. Die Expressionslevel von RKIP wurden in
                                                                                                                                                      verschiedenen Patientengruppen mit Herzinsuffizienz untersucht, um
                                     Molekulare Mechanismen der Herzinsuffizienz
                                                                                                                                                      einen Einblick in die Regulationsmechanismen von RKIP zu bekom-
                                     Herz-Kreislauf-Erkrankungen gehen mit einer hohen Mortalität und                                                 men. Für die weiteren Schritte im Projekt wurden ähnliche Sig-
    Arbeitsgruppe
    Kardiovaskuläre Pharmakologie    Morbidität einher. Die oft schweren und chronischen Krankheits-                                                  nalwege in anderen experimentellen kardiovaskulären Ansätzen
    Prof. Dr. Kristina Lorenz        verläufe belasten die Patienten, das Gesundheitssystem und letztlich                                             untersucht und so neue Regulationsmechanismen beta-adrenerger
    T: +49 (0)231 1392-103
    kristina.lorenz@isas.de          auch die Gesellschaft, da sie zu häufigen Krankheitsaus­fällen,                                                  Rezeptoren (β-AR) im Zusammenhang vor allem mit Arrhythmie
                                     Krankenhausaufenthalten und damit auch hohen Kosten führen.                                                      und Blutdruckregulation gefunden.
    In Kooperation mit:
    Arbeitsgruppe Miniaturisierung   Trotz aller pharmakologischen Fortschritte steigt die Zahl von Herz-
                                     Kreislauf-Patienten zudem nach wie vor an. Um diesem Trend
                                     effektiv entgegenzuwirken, müssen die molekularen Ursachen und
                                     Marker identifiziert werden, die es ermöglichen, eine Krankheit
                                     frühzeitig zu erkennen und effektiv in den Krankheitsprozess einzu­-
                                     greifen. Die Arbeitsgruppe Kardiovaskuläre Pharmakologie hat es
                                     sich deshalb zum Ziel gesetzt, die molekularen Schlüsselsignale
                                     bei der Entstehung und Kompensation von Herz-Kreislauf-Erkran-
                                     kungen zu identifizieren und zu charakterisieren; ein besonderer
                                     Fokus der Arbeiten liegt dabei auf der Herzinsuffizienz. Durch eine
                                     Kombination aus klassischen Methoden der Molekulargenetik                                                                                001 Herzinsuffizienz kann viele Ursachen haben. Ganz oben auf der
                                                                                                                                                                                  Liste der Verursacher steht allerdings, wie bei allen ­kardiovasku-
                                     und Biochemie mit am ISAS bereits etablierten Hochdurchsatzme-                                                                               lären Erkrankungen, das so genannte »tödliche Quartett«: Hoher
                                                                                                                                                                                  Blutdruck, starkes Übergewicht, Diabe­tes und hohe Blutfettwerte.
                                     thoden deckt die Gruppe die ganze Bandbreite der Analyse ab – von                                                                            Diese Faktoren wirken entweder direkt aufs Herz – wie zum Beispiel
                                                                                                                                                                                  der Blutdruck – oder schädigen die Gefäße durch Ablagerungen.
                                     der detaillierten Untersuchung einzelner Komponenten bis zur                                                                                 Das »tödliche Quartett« wird wiederum von einer ungesunden
                                                                                                                                                                                  Lebensweise begünstigt. Fast ­genauso schlecht für das Herz ist
                                     Betrachtung ganzer zellulärer Systeme.                                                                                                       aber auch übertriebener Gesundheitswahn, etwa zu viel Ehrgeiz
                                                                                                                                                                                  beim Sport: Wer zum Beispiel mit einem grippalen Infekt joggen
                                                                                                                   Diabe­tes                                                      geht, riskiert eine ­Myokarditis, eine Herzmuskelentzündung, die
                                     Das Projekt startete Anfang 2016 mit der Einrichtung der Arbeits-                                                                            das Herz i­m schlimmsten Fall auf Dauer schwächt. Und auch
                                                                                                                                                                                  Herzrhythmus­störungen oder schwere Vorerkran­kungen wie ein
                                     gruppe Kardiovaskuläre Pharmakologie. Zunächst führte das Projekt-       Hohe Blutfettwerte                                                  Herzinfarkt können eine Herzinsuffizienz verursachen.

                                     team einige Arbeiten fort, die Projektleiterin Kristina Lorenz und
                                     ihre ehemalige Gruppe an der Universiät Würzburg begonnen hatten:          Herzrhythmusstörungen

                                     So untersuchten die Wissenschaftler zwei extrazellulär regulierte
                                     Kinasen namens ERK 1 / 2, die adaptive und maladaptive Funktionen
                                     im Herzen übernehmen, und erforschte ein Protein namens RKIP               Herzinfarkt

                                     (Raf-Kinase-Inhibitorprotein) sowie dessen Effekte auf das Herz. Beide
                                     Fragestellungen wurden auch im Jahr 2017 weiter verfolgt: Im                  Starkes Übergewicht

                                     Rahmen der Arbeiten zu ERK 1 / 2 konnte das Projektteam ein Peptid
                                     charakterisieren, das selektiv mit einer Protein-Protein-Interaktion          Übertriebener Ehrgeiz beim Sport

                                     interferiert, die für die ERKThr188-Phosphorylierung notwendig
                                     und für das das pathologische Wachstum des Herzens verantwort-                                 Hoher Blutdruck

                                     lich ist. Diese Studie zeigt, dass einzelne Kinasefunktionen selektiv

←   32                               Wissenschaft und Forschung                                                                                       JAHRESBERICHT 2017                                                                           33
Weitere Teilvorhaben des Projekts sind im Verlauf des vergangenen                                      zellbiologische In-vitro- und In-vivo-Systeme zur Identifikation
                                    Jahres gestartet; dazu gehört etwa die Charakterisierung von ver-                                      pathophysiologischer Kaskaden. Die Kooperationen mit nationalen
                                    schiedenen Patientenentitäten mit Aortenklappenstenose, die der                                        und internationalen Partnern in Grundlagenforschung und
                                    Suche nach einem diagnostischen Biomarker dient und für die das                                        Klinik ermöglichten eine effiziente Ursachenforschung an diesen
                                    Team unter anderem mit der Universität Würzburg und am ISAS                                            seltenen Erkrankungen, deren Ergebnisse wiederum als Grund-
                                    mit der Arbeitsgruppe Protein Dynamics kooperiert. Mit Hilfe von                                       lage für therapeutische Interventionskonzepte dienen sollen. Das
                                    Laser-Mikrodissektion und LC-MS-Analysen wurden Aortenklappen                                          Projektteam testete unter anderem die Pathogenität möglicher
                                    aus verschiedenen Patientenentitäten untersucht und die ersten                                         »ungünstiger« (maladaptiver) Protein-Mutationen, zum Beispiel
                                    immunhistologischen Validierungen abgeschlossen. Zudem werden                                          die G56S-Mutation in Caveolin-3. Caveolin-3 ist ein Membran-
                                    zusammen mit den Arbeitsgruppen Standardisierung und Protein                                           protein, in dem Mutationen die sogenannte Caveolae-Funktion
                                    Dynamics quantitative und qualitative massenspektrometrische                                           und damit die Signaltransduktion in Muskelzellen stören können,
                                    Assays für Schlüsselsignalwege der Hypertrophie und Herzinsuffi­                                       was wiederum Rippling-Muskelerkrankung (rippling muscle
                                    zienz und auch neuromuskuläre Erkrankungen aufgebaut.                                                  disease, RMD), Muskeldystrophie, Lipodystrophie und kardiale
                                                                                                                                           Funktionsstörungen verursachen kann. Für die G56S-Mutation in
                                    In einem weiteren Teilprojekt dieses Vorhabens wollen die Wissen-
                                                                                                                                           Caveolin-3 wurde ein erhöhtes Risiko für myopathische Änderun-
                                    schaftler die Nutzung kalter atmosphärisher Plasmen (CAPs) bei der
                                                                                                                                           gen gezeigt. Außerdem gelang dem Team die Identifikation patho-
                                    Therapie von Herz-Kreislauf-Erkrankungen erforschen. Solche Plas-
                                                                                                                                           physiologischer Kaskaden, unter anderem beim Marinesco-Sjörgren-
                                    men wurden bislang vor allem auf dem Gebiet der Wundheilung,
                                                                                                                                           Syndrom, sowie die Identifikation krankheitsmodifizierender
                                    der Behandlung von infektiösen Hauterkrankungen, der Zahnheil-
                                                                                                                                           Faktoren wie zum Beispiel SIL1 als neuroprotektives Protein. Im
                                    kunde und der Anti-Krebs-Behandlung erprobt; sie könnten jedoch
                                                                                                                                           Jahr 2017 wurde zudem ein integratives Forschungsprojekt initiiert
                                    auch dazu dienen, die Nitritkonzentration im Blut durch eine Blut-
                                                                                                                                           (siehe Strategiefonds, Projekt »Integration von Proteomics und
                                    plasmabehandlung zu erhöhen und damit einen kardiovaskulären           → Seite 60
                                                                                                           Projekt »Integration von        Lipidomics zur Aufklärung abberanter Lipidmetabolismen und
                                    Risikofaktor zu verringern. Die Arbeiten zu diesem Teilprojekt haben   Proteomics und Lipidomics zur
                                                                                                                                           geeigneter Biomarker für neuromuskuläre Erkrankungen«), das
                                    Anfang 2017 begonnen; zunächst hat das Team in Zusammenarbeit          Aufklärung abberanter Lipid-
                                                                                                           metabolismen und geeigneter     klinische und internationale Kooperationen auf dem Gebiet der
                                    mit dem Institut für Pathophysiologie des Universitätsklinikums        Biomarker für neuromuskuläre
                                                                                                           Erkrankungen«                   neuromuskulären Erkrankungen stärken und die Weiterführung des
                                    Essen erste Versuche mit simulierten Herzinfarkten an isolierten
                                                                                                                                           Projekts »Pathologie neuromuskulärer Erkrankungen« auf Dritt-
                                    Rattenherzen durchgeführt, die erste vielversprechende Ergebnisse
                                                                                                                                           mittelbasis ermöglichen soll. In diesem Projekt wird ein Assay
                                    zeigten. In den kommenden Jahren sollen diese Untersuchungen
                                                                                                                                           entwickelt, der es gestatten soll, Biomarker für neuromuskuläre
                                    systematisch fortgesetzt und dabei auch das am besten geeignete
                                                                                                                                           Leiden gezielt in einem einzigen Tropfen getrockneten Blutes zu
                                    Plasma für die Behandlung von Blut gesucht werden.
                                                                                                                                           detektieren. Diese Arbeiten werden durch massenspektrometrische
                                                                                                                                           Screening-Analysen von Serumproben weiterer Patienten mit
                                    Pathologie neuromuskulärer Erkrankungen                                                                neuromuskulären Leiden unterstützt.

                                    Dieses Projekt konzentriert sich auf die Entschlüsselung der mole-
    Arbeitsgruppe
    Kardiovaskukäre Pharmakologie   kularen Ursachen von neuromuskulären Erkrankungen und
    Dr. Andreas Roos                nutzt dafür massenspektrometriebasierte Omics-Technologien. Da
    andreas.roos@isas.de
    Prof. Dr. Kristina Lorenz
                                    zahlreiche neuromuskuläre Erkrankungen wie zum Beispiel die
    T: +49 (0)231 1392-103          Duchenne-Muskeldystrophie (DMD) mit einer erhöhten Häufigkeit
    kristina.lorenz@isas.de
                                    kardialer Begleiterkrankungen einhergehen, sind auch gemein­
                                    same Therapieansätze bei kardiovaskulären und neuromuskulären
                                    Erkrankungen denkbar.

                                    Seit dem Jahr 2014 wurden in diesem Projekt proteomische Arbeits-
                                    verfahren aufgebaut und molekulargenetische Untersuchungen von
                                    Patientenproben zusammen mit klinischen Kooperationspartnern
                                    begonnen. Außerdem etablierte das Projektteam biochemische und

←   34                              Wissenschaft und Forschung                                                                             JAHRESBERICHT 2017                                                  35
Targeted und non-targeted Metabolomics

    BIOMARKER                                                                        Arbeitsgruppe
                                                                                     Grenzflächenprozesse
                                                                                     Dr. Roland Hergenröder
                                                                                     T +49 (0)231 1392-178
                                                                                                                   NMR-Spektroskopie (nuclear magnetic resonance) ist eine wichtige
                                                                                                                   und zukunftsweisende chemische Charakterisierungsmethode. Sie
                                                                                                                   eignet sich insbesondere für Metabolomstudien, da mit ihr eine Viel-
                                                                                     roland.hergenroeder@isas.de   zahl unterschiedlicher Molekülarten bestimmt werden kann. Die
                                                                                                                   Arbeitsgruppe Grenzflächenprozesse entwickelt und optimiert NMR-
                                                                                     In Kooperation mit:
                                                                                     Arbeitsgruppe Lipidomics
                                                                                                                   Methoden sowohl für zielgerichtete Ansätze (targeted metabolomics)
                                                                                                                   als auch für nicht gerichtete Ansätze (non-targeted metabolomics).
                                                                                                                   Gezielte Analysen von festgelegten Metaboliten-Sets können etwa
                                                                                                                   zur Frühdiagnose von Krankheiten oder zur Überwachung von Thera-
                                                                                                                   pieerfolgen nützlich sein, während nicht zielgerichtete Analysen
                                                                                                                   bei der Untersuchung biochemischer Netzwerke und unbekannter
                                                                                                                   Stoffwechselwege Anwendung finden.

                                                                                                                   In den vergangenen Jahren entwickelte das Projektteam unter
                                                                                                                   anderem einen Mikrostreifenleiterprobenkopf zur Durchführung
                                                                                                                   zeitaufgelöster NMR-Experimente an Zellkulturmodellen. Für die
                                                                                                                   Analyse von metabolischen Störungen, die durch exzessive Fett­
                                                                                                                   akkumulation in der Leber hervorgerufen werden, nutzten die
                                                                                                                   Wissenschaftler ein Mausmodell für die Fettlebererkrankung und
                                                                                                                   quantifizierten die Metabolite mittels HR-MAS-NMR (hochauflö­
                                                                                                                   sende Magic-Angle-Spinning-NMR).

                                                                                                                   2017 standen weitere Arbeiten im Bereich Non-targeted Metabolo-
                                                                                                                   mics im Vordergrund des Projekts. Unter anderem konnte das Team
                                                                                                                   anhand einer Metabolit- und Lipidquantifizierung zeigen, dass für
                                                                                                                   viele Metabolite die Unterschiede zwischen Tumoren größer sind
                                                                                                                   als die Unterschiede innerhalb eines Tumors, so dass die Analyse
            Die molekulare Grundlage von Krankheiten zu verstehen und zu
                                                                                                                   ­einiger weniger Proben eines Tumors ausreicht, um zu verlässlichen
            erklären, ist nur der erste Schritt, um Diagnostik- und Therapiekon-
                                                                                                                   Aussagen über das Tumormetabolom zu kommen. Außerdem ent-
            zepte zu verbessern. Eine weitere wichtige Herausforderung ist es,
                                                                                                                   wickelten die Wissenschaftler einen weiteren Probenkopf mit einem
            zuverlässige Marker zu finden, um unterschiedliche Krankheiten
                                                                                                                   Mikrostreifenleiter als Sender und Detektor, der über eine dreiecks-
            sicher zu identifizieren und zu unterscheiden. Wegen der enormen
                                                                                                                   förmige Erweiterung in seiner Struktur verfügt. Diese Struktur
            Menge an potenziellen Analyten in biologischen Systemen ist es
                                                                                                                   ­generiert wegen der Ortsabhängigkeit der Stromdichte ein linear mit
            zudem notwendig, höchst präzise Messmethoden im Bereich der
                                                                                                                   dem Ort veränderliches B1-Feld. Mit diesem Probenkopf wird ein
            Biomarkerforschung anzuwenden.
                                                                                                                   Bereich von Feldstärken abgedeckt, der das Zwölffache des nomina­
            Deswegen konzentrieren sich die Projekte im Forschungs­programm                                        len B1-Feldes abdeckt. Derzeit arbeitet das Projektteam unter anderem
            Biomarker sowohl auf die Identifikation und Validierung von Biomar-                                    an einer mikrofluidischen Vorrichtung zur Fixierung und Vitalisie-
            kern als auch auf die Detektion solcher Moleküle in einer komplex­en                                   ­rung von Sphäroiden sowie an Messungen der Konzentrationsver-
            bio­logischen Matrix. Die Ergebnisse dieser Forschung werden ergänzt                                   teilungen von Metaboliten in Sphäroiden aus HT29-Adenokarzinom-
            durch die ent­sprechenden Techniken, die in den Forschungs­­pro­gram­-                                 Kolonzellen mit dem neuentwickelten Probenkopf.
            men Imaging und Biogrenzflächen entwickelt werden, um zukünftig
            validierte Biomarker in kleinsten Probenvolumen und in Point-of-­
            Care-Situationen zu identifizieren.

←   36      Wissenschaft und Forschung                                                                             JAHRESBERICHT 2017                                                   37
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