Für ein gesundes Leben - Kommt gut an - Deutschlands Gesundheitsforschung - Gesundheitsforschung-bmbf.de
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Vorwort Liebe Leserinnen, liebe Leser, bereits heute können wir viele Erkrankungen gut behan- In dieser Broschüre lesen Sie, wie langjährige Gesund- deln und heilen. Unsere Lebensqualität ist dadurch deut- heitsforschung und ihre Förderung dazu beitragen, lich gestiegen, ebenso wie unsere Lebenserwartung. Die Gesundheit zu schützen, Krankheiten zu heilen und Erfolge moderner Medizin verdanken wir vor allem einer Menschen zu helfen. Sie stellt Ihnen Beispiele vor, die starken Gesundheitsforschung. Ohne sie ist medizini- belegen, mit wie viel Herzblut und Engagement – und scher Fortschritt nicht möglich. Das Bundesministerium wie brillant – die Wissenschaftlerinnen und Wissen- für Bildung und Forschung schafft hierfür eine verlässli- schaftler forschen und ihre Ideen weiterverfolgen – zum che Basis. Mit unserer strategischen Förderung setzen wir Wohle von Patientinnen und Patienten. Das Spektrum wichtige Impulse, gehen aber auch aktuelle Herausforde- der Gesundheitsforschung ist enorm: Es reicht von neuen rungen an. Wir schaffen kooperative Strukturen, in denen Therapieoptionen im Kampf gegen Krebs über digitale Spitzenforscherinnen und -forscher interdisziplinär Unterstützungssysteme bei Herz-Kreislauf-Erkrankun- zusammenarbeiten. Dabei ist es uns besonders wich- gen bis hin zu Präventionsprogrammen, die uns unsere tig, dass wissenschaftliche Erkenntnisse den Menschen Selbstständigkeit im Alter erhalten. Ich wünsche Ihnen möglichst schnell helfen. Denn bis Forschungsideen zu viel Freude beim Lesen! marktfähigen Anwendungen oder neuen Therapieopti- onen führen, vergehen oft Jahre oder sogar Jahrzehnte. Diese Prozesse wollen wir beschleunigen. Dass dies möglich ist, zeigen uns eindrucksvoll die Erfolge Anja Karliczek im Kampf gegen das Coronavirus. Bereits zu Beginn der Pandemie gelang es Forschenden aus Deutschland, das Mitglied des Deutschen Bundestages Virus präzise nachzuweisen und seine Ausbreitung nach- Bundesministerin für Bildung und Forschung zuvollziehen. Schon elf Monate später starteten die ersten Impfungen. Das war möglich, weil die Gesundheitsfor- schung in Deutschland auf starken Strukturen basiert, die bereits vor Jahren aufgebaut und etabliert wurden.
KAPITEL 1 Inhaltsverzeichnis Starke Forschung braucht eine starke Basis 2 Forschungsförderung in der C orona-Pandemie 4 „Niemand war vorbereitet“ — Interview mit Özlem Türeci................................................................................................7 Warum Gesundheitsforschung? 8 Forschung an der Schwelle zur personalisierten Krebsmedizin.................................................................................... 12 Therapie- und Impfstoffforschung halten Keime in Schach.......................................................................................... 18 Gesundheit für Jung und Alt................................................................................................................................................... 22 Neue Daten, neue Technologien, neue Chancen 24 Genomforschung und Systemmedizin: Das große Ganze im Blick............................................................................... 30 Die NAKO Gesundheitsstudie................................................................................................................................................. 34 Was wirkt wirklich? Und was nicht? 36 Studien fördern, Menschen helfen........................................................................................................................................ 40 Grenzen überwinden, global vernetzen 42 Glossar 46 Impressum 49
2 KOMMT GUT AN — DEUTSCHLANDS GESUNDHEITSFORSCHUNG Starke Forschung braucht eine starke Basis Eine leistungsfähige Gesundheitsforschung ist die Grundlage für eine bestmögliche Gesundheitsversorgung der Menschen. Politik muss den strukturellen Rahmen dafür schaffen und die richtigen inhaltlichen Akzente setzen. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) ist dabei mit seiner strategischen und langfristigen Forschungs- förderung seit vielen Jahren ein verlässlicher Partner – in Deutschland, in Europa und weltweit. Das BMBF treibt den Aufbau, die Weiterentwicklung den Forschenden Veränderungsprozesse in der Wis- und den Betrieb von Forschungsinstitutionen und senschaft voran. In den vergangenen 15 Jahren hat das Forschungsinfrastrukturen voran und greift zugleich BMBF damit die Gesundheitsforschungslandschaft in wichtige Forschungsthemen gezielt über die Projekt- Deutschland wegweisend gestaltet. förderung auf. Seine vorausschauende und langfristig angelegte Förderstrategie legt dabei den Grundstein für Strukturelle Förderung zielt auf Kooperation eine erfolgreiche Translation. Wie wertvoll Deutsch- Hochdurchsatztechnologien und komplexe Daten lands leistungsfähige und inhaltlich breit aufgestellte sätze aus unterschiedlichsten Quellen prägen längst Forschungslandschaft ist, hat die COVID-19-Pandemie die Gesundheitsforschung des 21. Jahrhunderts. Damit eindrucksvoll gezeigt. Hier hat sich unser Land auch sie an allen Standorten gleichermaßen genutzt werden international große Verdienste erworben – etwa bei können, müssen zahlreiche Institutionen und Fach- der Entwicklung von diagnostischen Tests oder neuen richtungen kooperieren. Der Aufbau dieser Strukturen Impfstoffen. ist eine zentrale Komponente der Forschungsförde- rung. So verpflichtet die Medizininformatik-Initiative Politik als Mitgestalterin der Forschungslandschaft des BMBF die teilnehmenden Einrichtungen, gemein- Erfolgreiche Gesundheitsforschung „passiert“ aber sam Standards für die kooperative Forschung mit nicht von selbst. Kreative und kompetente Expertinnen patientenbezogenen Daten zu verabreden. Auch bei der und Experten sind die Grundvoraussetzung für wissen- translationsorientierten Erforschung von Volkskrank- schaftliche Höchstleistungen. Damit sie ihr Potenzial heiten durch die Deutschen Zentren der Gesundheits- entfalten können, brauchen sie optimale Rahmenbe- forschung treibt das BMBF gemeinsam mit den Sitzlän- dingungen. Diese herzustellen, ist Aufgabe der For- dern der jeweiligen Standorte kooperative Strukturen schungspolitik. voran. Die neue Struktur des Berliner Instituts für Gesundheitsforschung in der Charité (BIH) ermöglicht Die Forschungsförderung in der Gesund- eine besondere Form der Zusammenarbeit in der trans- lationalen Gesundheitsforschung. Durch seine Integra- heitsforschung ist eine Erfolgsgeschichte. tion in die Charité – Universitätsmedizin Berlin kann Wir haben heute schlagkräftige Forschungs- das BIH Translation nun dort vorantreiben, wo die enge netzwerke, die es mit Großforschungseinrich- Verzahnung von Grundlagenforschung, klinischer For- tungen anderer Länder aufnehmen können. schung und universitärer Krankenversorgung tagtäg- Und die digitale Vernetzung setzt enorme lich stattfindet. Diese Kooperation zwischen einer zu 90 Prozent bundesgeförderten Einrichtung der Gesund- kooperative Energien frei. Davon profitieren heitsforschung mit einem Universitätsklinikum ist für wir in der Pandemie und darüber hinaus. die translationale Forschung richtungsweisend. Zu- Prof. Dr. Heyo Kroemer, Vorstandsvorsitzender Charité – künftig kann sie auch für andere Querschnittsthemen Universitätsmedizin Berlin, Past-Präsident Medizinischer der universitären Forschung Vorbildfunktion haben. Fakultätentag 2012 bis 2019 Neue Forscherinnen und Forscher braucht das Land! Neben der strukturellen Weiterentwicklung der Dazu gehören insbesondere der Aufbau und die Weiter- Gesundheitsforschung ist die Nachwuchsförderung entwicklung von Infrastrukturen. Außerdem setzt sich eine Kernaufgabe des BMBF. Denn die Gesundheitsfor- das BMBF für eine innovationsfreundliche Ausgestal- schung in Deutschland soll für junge Wissenschaftle- tung des Rechtsrahmens ein und treibt im Dialog mit rinnen und Wissenschaftler so attraktiv bleiben, wie sie
STARKE FORSCHUNG BRAUCHT EINE STARKE BASIS 3 es derzeit ist – oder noch attraktiver werden. Dafür gilt Rasch auf Herausforderungen reagieren es, den Einstieg ins Forscherleben zu erleichtern, etwa Während die Struktur- und Nachwuchsförderung durch Netzwerke, die dem wissenschaftlichen Nach- meist langfristig angelegt sind, ist die Projektförderung wuchs den Zugang zu Fördermitteln erleichtern. ein Instrument für die rasche Reaktion auf Heraus- forderungen, deren Lösung kurz- oder mittelfristig Ich hatte Deutschland verlassen, weil neue Erkenntnisse erfordert. Dabei werden inhaltliche Förderschwerpunkte oftmals mit einer strukturellen die Möglichkeiten in meinem Fach, der Förderung kombiniert. Das bietet den Forschenden Infektiologie, damals sehr begrenzt waren. langfristige Perspektiven und stellt die Translation von Der Grund, warum ich 2013 aus den USA zu- Ergebnissen in die Gesundheitsversorgung sicher. Ein rückgekommen bin, waren unter anderem. die markantes Beispiel dafür ist die Forschungsförderung des BMBF in der Corona-Pandemie (Kapitel 2). neuen Strukturen, die hier aufgebaut wurden. Sie ermöglichen es mir heute, eine Forschung Ziele, Strategien und Erfolge der Forschungsförde- zu betreiben, die international sichtbar ist. rung und Gesundheitsforschung Der Schwerpunkt der vorliegenden Publikation ist ein Prof. Dr. Marylyn Addo, Leiterin der I nfektiologie, Universi- Überblick über die langfristig angelegte strategische tätsklinikum H amburg-Eppendorf (UKE), Impfstoffforscherin Förderung der Gesundheitsforschung. Sie zeigt, wie die Wissenschaft der Vielfalt der Menschen Rechnung Bei den Karrierewegen von Forscherinnen und For- trägt, um Volkskrankheiten gezielter zu bekämpfen und schern ist die Gleichstellung oft noch nicht erreicht. Das die Personalisierung der Medizin voranzutreiben, etwa betrifft – wie in anderen gesellschaftlichen Bereichen – in der Krebsforschung (Kapitel 3). Forschende nutzen Führungspositionen stärker als die „Arbeitsebene“. So ist dabei neue und zunehmend digitale Technologien, die nur jede sechste Professur der höchsten Besoldungsstufe akademische Forschungsinstitutionen und Unterneh- mit einer Frau besetzt. Das BMBF wird daher seine Nach- men oft gemeinsam entwickeln (Kapitel 4). Die patien- wuchsförderung, die oft längerfristig angelegt ist und tenorientierte Forschung untersucht die Wirksamkeit Frauen gezielte Förderoptionen bietet, in den nächsten und den Nutzen neuer Konzepte, Wirkstoffe oder Medi- Jahren weiter ausbauen. Spezielle Programme sollen es zinprodukte beim Menschen (Kapitel 5). Nicht erst seit forschenden Medizinerinnen und Medizinern darüber der Corona-Pandemie wissen wir, dass Forschende und hinaus ermöglichen, exzellente Forschungsarbeit künf- Forschungsförderer globale Gesundheitsprobleme, wie tig besser mit ihrer Tätigkeit als Ärztin oder Arzt in der zum Beispiel Infektionserkrankungen, nur in weltwei- Klinik zu vereinen. ter Kooperation lösen können (Kapitel 6). 3 230 700 Mio. rund mehr Mrd. als Euro Euro für die Erforschung und Bekämpfung von Volkskrank- heiten – von der Herz-Kreislauf- bis zur Krebsforschung Mio. Euro für die Medizininformatik-Initiative – als ein für die genomische Medizin und die Etablie- in den Deutschen Zentren der Gesundheitsforschung zentraler Baustein zur Digitalisierung der Medizin rung der Systemmedizin 230 645 70 fast Mio. Mio. rund Mio. Euro Euro Euro für klinische Studien und rund 235 für Herausforderungen der für die Erforschung ethi- Mio. für die Versorgungs- globalen Gesundheit und für scher, rechtlicher und forschung – für eine best- die Bekämpfung von Risiken, die sozialer Aspekte (ELSA) Euro mögliche und effiziente keine Ländergrenzen kennen* der modernen Medizin Gesundheitsversorgung * ohne Fördermittel zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie Fördermittel des BMBF für ausgewählte Maßnahmen des Gesundheitsforschungsprogramms von 2010 bis 2020 sowie für laufende Maßnahmen bis 2025 (Planzahlen). Die Fördermittel zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie sind auf Seite 6 separat dargestellt.
Forschungs förderung in der Corona-Pandemie Wie wichtig eine staatliche Förderung der Gesundheitsforschung sein kann, die langfristig angelegt und in der Lage ist, flexibel und zügig auf aktuelle Herausforderungen zu reagieren, wurde jedem durch die Corona-Pandemie vor Augen geführt. Von heute auf morgen waren diagnostische Tests erforderlich. Die Suche nach Behandlungen musste so schnell wie möglich starten. Und nahezu im Echtzeitbetrieb während des Pandemiemanagements galt es, das neue Virus zu verstehen, seine Ausbreitung abzuschätzen und darauf aufbauend möglichst effektive Eindämmungsmaßnahmen zu konzipieren – auf Bevölkerungsebene und auf Ebene besonders gefährdeter Personengruppen. Auch in Deutschland wurden die Menschen von der Infektiosität und Ausbreitungsgeschwindigkeit von SARS-CoV-2 überrascht. Das Land war aber nicht völlig unvorbereitet und konnte – auch dank kluger Förderentscheidungen im Bereich Gesundheitsforschung in den vergangenen Jahren – einen maßgeblichen Beitrag zum weltweiten Kampf gegen die Pandemie leisten. Das trifft insbesondere auf die Forschung zu Diagnoseverfahren sowie auf die Impfstoffentwicklung zu. Während der Pandemie- monate wurde dann mit neuen Förderprogrammen auf aktuelle Forschungsbedarfe reagiert. Dabei etablierte Strukturen werden der Gesundheitsforschung über die Pandemie hinaus zugutekommen.
Forschungsförderung in der C orona-Pandemie 5 Auf das Ausmaß der COVID-19-Pandemie war Deutschland genauso wenig vorbereitet wie andere Länder. Als aller- dings klar wurde, dass es sich bei der Epidemie in Wuhan, die sich dann auf den ganzen Globus ausbreitete, um einen Ausbruch von SARS-Coronaviren handelte, hatte Deutschland einen Startvorteil. Denn die Coronavirus-Forschung begann hierzulande nicht bei „null“, sondern konnte auf einen breiten Fundus an Wissen, Techniken und Strukturen aufsetzen, der über die Jahre erarbeitet wurde. Zoonosenforschung als Fundament für das Impfstofftechnologie und Testsysteme P andemiemanagement für die ganze Welt Eine wichtige Basis war dabei die Zoonosenforschung. Nicht nur bei der Diagnostik, auch bei der Entwick- Zoonosen sind Infektionserkrankungen des Men- lung von Impfstoffen leistet Deutschland einen schen, die ihren Ursprung im Tierreich haben. Im Jahr wichtigen Beitrag im Kampf gegen die Pandemie. So 2006 hat das BMBF mit dem Bundesministerium für startete das BMBF ein mit 750 Millionen Euro ausge- Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz stattetes Sonderprogramm zur Beschleunigung der und dem Bundesministerium für Gesundheit eine Impfstoffforschung und -Entwicklung in Deutschland. gemeinsame Forschungsvereinbarung zu Zoonosen Zudem stellte es der internationalen Impfstoff-Initia- abgestimmt. Später schloss sich auch das Bundesmi- tive Coalition for Epidemic Preparedness Innovations nisterium der Verteidigung an. In der Folge brachte (CEPI) in den Jahren 2020 und 2021 insgesamt zusätz- das BMBF mehrere Förderinitiativen auf den Weg, liche 350 Millionen Euro für die Impfstoffentwicklung darunter im Jahr 2007 den Förderschwerpunkt „Zoo- gegen SARS-CoV-2 zur Verfügung. Bei drei SARS-CoV- notische Infektionserkrankungen“ und im Anschluss 2-Impfstoffen war das BMBF im Rahmen von Förder- die „Nationale Forschungsplattform zu zoonotischen programmen engagiert. So wurde die Entwicklung des Infektionserkrankungen“ und das „Nationale For- mRNA-Impfstoffs CVnCoV des Tübinger Biotech-Un- schungsnetz zoonotische Infektionserkrankungen“. ternehmens CureVac sowohl über CEPI als auch über Nicht zuletzt als Reaktion auf die erste SARS-Epide- das Sonderprogramm gefördert. Und der Impfstoff mie in den Jahren 2002/2003 waren Coronaviren ein MVA-SARS-2-S, ein auf einem Impfvirus basierender zentrales Forschungsfeld der deutschen Zoonosenfor- Vektorimpfstoff, wurde im Rahmen des BMBF-geför- schung. Den Anfang machte der Verbund „Ökologie derten Deutschen Zentrums für Infektionsforschung und Pathogenese von SARS“, für den von 2007 bis (DZIF) zur Studienreife gebracht und anschließend 2014 insgesamt 5,6 Millionen Euro zur Verfügung mithilfe der IDT Biologika GmbH, die ebenfalls über gestellt wurden. An ihn schloss sich der Verbund das Sonderprogramm gefördert wurde, in die klinische „RAPID – Risikobewertung bei präpandemischen re Prüfung überführt (Seite 19). spiratorischen Infektionserkrankungen“ an, der unter Die bislang größte Erfolgsgeschichte der SARS-CoV- der Leitung von Prof. Dr. Christian Drosten von der 2-Impfstoffforschung „made in Germany“ ist der Charité Berlin seit 2017 mit rund 2,9 Millionen Euro Impfstoff BNT162b2, der von dem Mainzer Unter- gefördert wird. nehmen BioNTech entwickelt wurde und gemeinsam Neben SARS wurde in den vergangenen Jahren unter mit dem Pharmaunternehmen Pfizer vertrieben anderem das MERS-Coronavirus intensiv erforscht. wird. BNT162b2 war der erste in der EU zugelassene Wie SARS ist auch MERS bei Fledermäusen verbreitet. Impfstoff gegen SARS-CoV-2. Seit Dezember 2020 ist Anders als SARS nutzt es Kamele als Zwischenwirt, er in vielen Teilen der Welt im Rahmen der COVID- bevor es den Menschen infiziert. Letztlich hat die jah- 19-Impfprogramme im Einsatz. Das Unternehmen Bi- relange Forschung zu SARS und MERS dazu geführt, oNTech wurde vom BMBF unter anderem im Rahmen dass in Deutschland direkt nach Veröffentlichung der der Gründungsoffensive Biotechnologie (GO-Bio) und genetischen Sequenz von SARS-CoV-2 im Januar 2020 über das Sonderprogramm gefördert. ein leistungsfähiges Testverfahren zur Diagnose einer Aus dem GO-Bio-Förderprogramm sind noch weitere, Infektion entwickelt wurde. Das wiederum erlaubte innovative Unternehmen hervorgegangen, die zur es, sehr schnell zu erkennen, dass sich das neue SARS- Bekämpfung der COVID-19-Pandemie beitragen. So Virus im Rachen stark vermehrt und damit wesent- hat das Freiburger Start-up Spindiag ein innovatives, lich ansteckender ist als sein Vorgänger. voll automatisiertes und hochmobiles SARS-CoV-2
6 KOMMT GUT AN — DEUTSCHLANDS GESUNDHEITSFORSCHUNG Schnelltestsystem entwickelt, das eine sehr kosten- partnerschaften Drugs for Neglected Diseases günstige Vor-Ort-Diagnostik ermöglicht und auch für initiative (DNDi) und Global Antibiotic Research andere Infektionserkrankungen einsetzbar sein soll. and Development Partnership (GARDP) mit 20 Millionen Euro. Vielfältige Forschungsförderung im Kontext der Pandemiebekämpfung Corona-Forschung: Ein Turbo für die Vernet- Nach Beginn der Pandemie hat das BMBF in zung der Universitäten rascher Folge weitere Förderprogramme an- Auf nationaler Ebene hat die Pandemie dazu gestoßen, darunter ein mit 45 Millionen Euro beigetraten, bereits existierende Programme für ausgestattetes Sofortprogramm zur Entwicklung die Vernetzungen, der klinischen und transla von Medikamenten und zum besseren Verständ- tionalen Forschung zu beschleunigen und nis des Virus. Für die Stärkung der klinischen weiterzuentwickeln. So wurde bereits im April Entwicklung therapeutischer Ansätze gegen CO- 2020 das Netzwerk Universitätsmedizin (NUM) VID-19 stellt das BMBF ein Jahr nach Beginn der gegründet und der Aufbau mit einer Förderung ersten Forschungsarbeiten noch einmal mindes- von 150 Millionen Euro unterstützt. Es setzt unter tens 5 0 Millionen Euro zur Verfügung. Darüber anderem auf den Aktivitäten der BMBF-geför- hinaus beteiligt sich Deutschland an internati- derten Medizininformatik-Initiative auf und hat onalen Projekten wie der Medikamenten-Studie insgesamt 13 vordringliche COVID-19-bezogene Solidarity der WHO und der Initiative „Access Forschungst hemen definiert, zu denen seither to COVID-19 Tools Accelerator“ (ACT-A), die bundesweit und vernetzt geforscht wird. sich die Entwicklung, Produktion und weltweit Das NUM hat eine klare Perspektive über die gerechte Verteilung von Impfstoffen, Therapien COVID-19-Pandemie hinaus. Anfang Dezember und Diagnostika zum Ziel gesetzt hat. Das BMBF 2020 hat der Haushaltsausschuss des Deutschen unterstützt den ACT-A über seine Beiträge an Bundestages beschlossen, dass das Netzwerk ver- CEPI und mit 60 Millionen Euro an die Diagnos- stetigt und inhaltlich erweitert werden soll. Dafür tik-Produktentwicklungspartnerschaft FIND. werden für die Jahre 2022 bis 2024 insgesamt 240 Zusätzlich fördert das BMBF die Entwicklungs- Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Wichtige BMBF-Maßnahmen im Bereich Gesundheitsforschung zur Bewältigung der COVID-19-Pandemie 50 Mio. Euro für die Erforschung und Ent- wicklung von Therapeutika 20 Mio. Euro für Innovationen der Medizintechnik für Prävention, Infektions- schutz, Diagnostik, Therapie und Nachsorge 12 Mio. Euro für Computer-Modellie- rungen zur Unterstützung des Pandemiemanagements 390 Mio. Euro für den Auf- und Ausbau eines bundesweiten Netzwerks 750 Mio. Euro für ein Sonderprogramm zur Impf- stoffentwicklung und -produktion 80 Mio. Euro für Produktentwicklungs- partnerschaften, die weltweit Universitätsmedizin in Deutschland und z.B. neue Medikamente auch für 350 ärmere Länder zu erschwingli- Mio. chen Kosten produzieren können 45 zum besseren Mio. Verständnis des Virus und für die Euro Euro Entwicklung von zusätzlich für die internationale Medikamenten Impfstoffinitiative CEPI
Forschungsförderung in der C orona-Pandemie 7 „Niemand war vorbereitet“ Seit der COVID-19-Pandemie hat Deutschland mit der Mainzer Firma BioNTech einen neuen Biotech- Superstar. Zusammen mit ihrem Ehemann Ugur Sahin hat die Ärztin Özlem Türeci das Unternehmen gegründet. In einem Gespräch erklärt sie, wie aus Grundlagenforschung Therapien werden, die der Menschheit helfen. Vor ziemlich genau einem Jahr erreichten uns die ersten Meldungen über den COVID-19-Ausbruch in China. Wann war Ihnen klar, dass Ihr Unternehmen einen maßgebli- geholfen. Damals ging es konkret um einige der gerade chen Beitrag zur Bewältigung dieser Krise leisten kann? genannten Modifikationen im „Rückgrat“ der mRNA, Das war bereits im Januar 2020. Diese Entscheidung fiel, um sie pharmazeutisch zu optimieren. Ugur Sahin, der bevor die Epidemie von der WHO offiziell zu einer Pan- diesen Antrag gestellt hatte, setzte ein Hochdurchsatz- demie erklärt wurde. Wir haben uns früh entschlossen, Screening auf und erarbeitete mit unserem Team ein Großprojekt zu initiieren, um in sehr kurzer Zeit einen Modifikationen, mit denen man mRNA die jeweils Impfstoff zu entwickeln. Dieses haben wir „Lightspeed“, gewünschten Eigenschaften verleihen kann. Das war im also Lichtgeschwindigkeit, genannt. Wir sind Immunolo- Grunde die Start-up-Phase von BioNTech. Diese Vorar- gen oder besser gesagt Immuningenieure. Die Entwick- beiten haben dazu beigetragen, dass wir mRNA heute so lung einer präventiven Vakzine gegen ein neues Virus ist breit einsetzen – nicht nur in der Krebstherapie und der eindeutig eine immunologische Aufgabe. Und weil wir Infektionsprävention. Präklinisch haben wir auch den zuvor lange Jahre Immuntherapien gegen Krebs entwi- Einsatz bei entzündlichen Autoimmunerkrankungen ckelt haben, verstehen wir das Immunsystem in seiner wie Multiple Sklerose erschlossen. Tiefe. Das waren gute Voraussetzungen, um mit einem innovativen Ansatz zur Lösungsfindung beizutragen. Was würden Sie jungen Menschen, die sich durch Sie inspiriert fühlen, empfehlen? Sie haben das Unternehmen BioNTech 2008 mitgegrün- Es gibt mit Sicherheit verschiedene Wege, einen Beitrag det. Wie lange hatten Sie sich da schon mit der mRNA- dazu zu leisten, dass Wissenschaft ihrem nobelsten Ziel Technologie beschäftigt? folgen kann, Menschen zu helfen. Das Feld der biomedi- Wir hatten uns schon mehrere Jahre vor der BioNTech- zinischen Translation ist extrem interdisziplinär. Das se- Gründung mit der Technologie beschäftigt. Damals ha- hen wir auch bei uns – wir stellen Mediziner, Biologen, ben wir erkannt, dass wir die mRNA optimieren müssen, Informatiker, Biostatistiker, Chemiker und viele andere um sie pharmazeutisch als Wirkstoff nutzen zu können. ein. Was, glaube ich, wichtig ist: Wer zu einem Wanderer In diese Arbeit haben wir viele Jahre investiert und zwischen den Welten, zwischen Wissenschaft und An- sie ist einer der Gründe, warum wir unseren COVID- wendung werden will, und darum geht es letztlich, der 19-Impfstoff so schnell entwickeln konnten. Wir muss- muss zwei Dinge kombinieren – Mut und Demut. Um ten beispielsweise Modifikationen entwickeln, um die definierte Karrierewege zu verlassen, persönliche Risi- mRNA zu stabilisieren und sie vor dem allzu schnellen ken einzugehen und an einer wissenschaftlichen Vision Abbau in der Zelle zu schützen. Außerdem haben wir die festzuhalten, dafür braucht es Mut. Da ist es dann auch mRNA so verändert, dass die Zelle mehr Protein daraus gut, dass es Organisationen wie das BMBF gibt, die nicht herstellen kann. Und wir haben Verfahren entwickelt, nur Senior-Autoren, sondern auch junge Wissenschaft- mit denen wir die mRNA zielgerichtet in die antigen- lerinnen und Wissenschaftler unterstützen. Mut reicht präsentierenden Zellen einbringen können. aber nicht. Es geht auch darum einzusehen, dass eine einzelne Innovation nicht zum Ziel führt. Es müssen Wie wichtig war in dieser Phase die Förderung Expertisen und Menschen zusammengeführt werden, durch das BMBF? die gemeinschaftlich, mit unternehmerischem Geist In dieser frühen Phase, vor der Gründung des Unter- und nachhaltig dafür sorgen, dass Translation gelingt. nehmens, hat uns die GO-BIO Förderung des BMBF sehr Dafür braucht es Demut. Mit Ego allein geht das nicht.
Warum Gesundheits forschung? Menschen erkranken seit jeher an Infektionen, an bösartigen Tumoren, an Herz-Kreislauf-Erkrankun- gen, an neurologischen und psychiatrischen Leiden und an erblich bedingten Stoffwechselstörungen. Was sich ändert, ist die relative Bedeutung der einzelnen Erkrankungen. Jede Generation erlebt „ihre“ gesundheitlichen Herausforderungen, die sie bewältigen muss und die es zu erforschen gilt. Der demografische Wandel ist eine Kernherausforderung. Er führt zu mehr chronischen Erkrankun- gen, mehr Krebs und mehr Demenz. Hier gibt es viel Forschungsbedarf, um Menschen ein möglichst gesundes Altern zu ermöglichen. Eine zweite Herausforderung hat uns das Jahr 2020 sehr plastisch vor Augen geführt: Bevölkerungswachstum, Verstädterung und Globalisierung führen dazu, dass Infektionskrankheiten wieder wichtiger werden und dass sich „neue“ Erreger wie SARS-CoV-2 in nie gekannter Geschwindigkeit verbreiten können. Die Forschungsförderung des BMBF zielt auf inhaltliche und strukturelle Verbesserungen. Durch sie sollen neue Erkenntnisse möglichst rasch den Patientinnen und Patienten zugutekommen – als bessere Diagnostik, als neue Therapien oder auch als innovative Präventionskonzepte. Denn was sich verhindern lässt, muss nicht behandelt werden.
Warum Gesundheitsforschung? 9 Vernetzte Forschung für den Kampf gegen Volkskrankheiten Was haben Demenz, Diabetes, Bluthochdruck und chronisch-obstruktive Lungenerkrankung gemeinsam? Es sind nicht ansteckende „Volkskrankheiten“, die heute viel mehr Menschen betreffen als noch vor wenigen Jahrzehnten. Entsprechend großen Bedarf gibt es an besseren Versorgungskonzepten und wirksameren Therapien. Gesundheitsfor- schung zu Volkskrankheiten erfordert modernste Methoden und große Studien. Die Forschungsförderung des BMBF zielt deswegen auch auf die Etablierung kooperativer Strukturen – damit moderne Medizin schneller bei all jenen ankommt, die sie brauchen. Erkrankungen der Lunge und des Herz-Kreislauf-Sys- für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE), das tems, neurologische und psychiatrische Erkrankungen Deutsche Zentrum für Infektionsforschung (DZIF) und und Stoffwechselstörungen wie der Diabetes domi- das Deutsche Konsortium für Translationale Krebs- nieren in Industrienationen alle krankheitsbezogenen forschung (DKTK). Derzeit läuft der Aufbauprozess Statistiken. Das betrifft die Todesursachenstatistik, wo für zwei neue Deutsche Zentren der Gesundheitsfor- die Herz-Kreislauf-Erkrankungen auf Platz eins, die schung in den Bereichen Kinder- und Jugendgesund- Atemwegserkrankungen auf Platz drei und die neuro- heit beziehungsweise Psychische Gesundheit. logischen und psychiatrischen Erkrankungen auf Platz vier stehen. Es betrifft aber auch die Krankheitskos- tenstatistiken: So entfielen 2015 auf Herz-Kreislauf- Erkrankungen 13,7 Prozent aller Gesundheitskosten. Volkskrankheiten in Zahlen Es folgten neurologische und psychiatrische Erkran- kungen mit 13,1 Prozent. Erkrankungen der Atemwege hatten einen Anteil von 4,9 Prozent und Stoffwechsel erkrankungen wie Diabetes von 4,6 Prozent. Große Erkrankungen erfordern große Netzwerke Schätzungen zufolge wird 2050 jeder dritte Mensch in Laut WHO sind sieben von zehn Rund 60 Prozent aller vorzeiti- Deutschland 65 Jahre oder älter sein. Ende 2019 war es Todesfällen weltweit bedingt gen Todesfälle weltweit gehen nicht einmal jeder fünfte. Da viele Volkskrankheiten durch nicht übertragbare Er- auf kardiovaskuläre Erkrankun- auch altersabhängige Erkrankungen sind, wird der de- krankungen wie Herz-Kreislauf- gen zurück. In Deutschland Erkrankungen, Lungenerkran- sind 36 Prozent aller Todesfälle mografische Wandel dazu führen, dass die Bedeutung kungen, Krebs oder Diabetes. Folge dieser Erkrankungen. dieser Erkrankungen steigt. Deswegen hat das BMBF seit 2009 neue Forschungsstrukturen geschaffen, die speziell die Erforschung der großen Volkskrankheiten stärken, nämlich die Deutschen Zentren der Gesund- heitsforschung (DZG). Die DZG sind bundesweite Netzwerke von exzellenten universitären und nicht universitären Forschungs- einrichtungen, die sich auf bestimmte Erkrankungen oder Erkrankungsgruppen spezialisiert haben. Sie sind Rund einer von zwölf Menschen Die chronisch-obstruktive Lun- eine in dieser Art international einzigartige, dezentral in Deutschland leidet heute an generkrankung (COPD) betrifft einem Diabetes. 1980 war es weltweit über 200 Millionen strukturierte Antwort auf die Großforschungszentren, noch jeder zwanzigste, und 1960 Menschen und in Deutschland die es in weniger föderalistisch geprägten Ländern nicht einmal jeder hundertste. leidet etwa jeder zehnte wie Frankreich oder deutlich größeren Ländern wie Beim Typ-2-Diabetes gibt es eine Erwachsene über 40 Jahren an klare Altersabhängigkeit: Rund einer COPD. Schätzungsweise den USA und China gibt. Bisher wurden sechs DZG 25 Prozent der 70-Jährigen und entstehen dem deutschen etabliert, nämlich das Deutsche Zentrum für Diabetes- über 30 Prozent der 80-Jährigen Gesundheitswesen dadurch forschung (DZD), das Deutsche Zentrum für Herz- sind davon betroffen. Kosten in Höhe von rund zehn Kreislauf-Forschung (DZHK), das Deutsche Zentrum Milliarden Euro – pro Jahr. für Lungenforschung (DZL), das Deutsche Zentrum
10 KOMMT GUT AN — DEUTSCHLANDS GESUNDHEITSFORSCHUNG Digitale Plattformen, über die klinische Studien effi- zient und datenschutzkonform geplant und durch- KÖPFE UND KARRIEREN: NEUE THERAPIEN BEI VORHOFFLIMMERN GESUCHT! geführt werden können, sind ein weiteres wichtiges Standbein aller DZG. Patientinnen und Patienten Wie vernetzte, trans- profitieren davon unmittelbar, denn die DZG können lationale Forschung so auch größere klinische Studien selbst stemmen. Im im Kontext eines Rahmen des DZHK etwa haben seit Gründung über DZG konkret Themen 8.000 Patientinnen und Patienten an 19 klinischen voranbringen und auch Studien teilgenommen. Forschungskarrieren prägen kann, zeigt Patientinnen und Patienten erhalten in Deutsch- Prof. Dr. Tanja Zeller, Leiterin der Forschung Kardiologie am Univer- land sehr früh Zugang zu neuen Therapien, weil sitären Herzzentrum des Universitätsklinikums die DZG attraktive Partner für internationale Hamburg-Eppendorf (UKE). Sie hat am DZHK- Studien sind. In den USA wird mit Respekt und Standort Hamburg das Feld der Genomik und Anerkennung auf die Strukturen geblickt, die hier Systembiologie mit dem Fokus auf kardiovaskulä- re Erkrankungen etabliert und 2014 eine entspre- geschaffen wurden.“ chende DZHK-Professur übernommen. Zeller hat Prof. Dr. Susanne Herold, Medizinische Klinik II, im Rahmen einer BMBF-Nachwuchsförderung im Universitätsklinikum Gießen und Marburg symAtrial-Projekt des e:Med-Programms geneti- sche Veränderungen identifiziert, die bei Vor- Die deutsche Forschung zu Volkskrankheiten ist hofflimmern relevant sind. Die Hamburger sind international viel sichtbarer geworden. Ein Fokus aller dabei unter anderem auf das Stoffwechselprodukt DZG ist die translationale Forschung: Wissen aus der Acylcarnitin gestoßen, das störend auf den Herz- Grundlagenforschung soll möglichst schnell in der rhythmus wirkt. Es könnte einen neuen Ansatz- Versorgung ankommen. Wie das konkret aussieht, punkt für die Prävention oder die Behandlung zeigen beispielhaft zwei Projekte des DZHK. Unter der des Vorhofflimmerns bieten – eine Erkrankung, Leitung von Prof. Dr. Stefanie Dimmeler vom Insti- die als Folge des demografischen Wandels immer tut für kardiovaskuläre Regeneration der Universität häufiger wird und für die dringend Versorgungs- Frankfurt am Main wurden MicroRNA, also sehr kleine konzepte gesucht werden. Nukleinsäuren, erforscht. Nach vielen präklinischen Experimenten konnte kürzlich eine klinische Phase-I- Studie erfolgreich abgeschlossen werden. Jetzt soll die Schnellerer Zugang zu innovativer Versorgung MicroRNA-Therapie beim akuten Koronarsyndrom Die Finanzierung der DZG ist langfristig angelegt und und bei Herzschwäche neue therapeutische Horizonte erfolgt bei den bestehenden sechs Zentren zu 90 Pro- erschließen. zent durch den Bund. Die restlichen 10 Prozent tragen Ein zweites Beispiel, bei dem es gelungen ist, Grund- anteilig jene Bundesländer, in denen die DZG-Stand- lagenforschung an die Schwelle klinischer Studien zu orte liegen. Von 2009 bis 2016 förderten Bund und bringen, ist das „Herzpflaster“, eine Entwicklung, die von Länder den Aufbau der DZG mit über einer Milliarde Prof. Dr. Thomas Eschenhagen vom Universitätsklini- Euro. Aktuell werden jährlich rund 250 Millionen kum Hamburg-Eppendorf vor über 25 Jahren initiiert Euro bereitgestellt. Bei dieser Förderung handelt es wurde und nun in die Praxis überführt werden soll. Es sich nicht um eine Komplettförderung der Institutio- handelt sich um ein auf Basis von Stammzellen ent- nen, sondern um eine Förderung der vernetzten For- wickeltes Gewebeprodukt aus Herzmuskelzellen. Das schung. Das betrifft zum Beispiel gemeinsam genutzte Gewebepflaster wird auf geschädigte Bereiche des Herz- Biobanken. So wurde am DZL eine deutschlandweite muskels aufgenäht, zum Beispiel nach einem Herzin- Biobank für Lungenerkrankungen aufgebaut, die farkt. Dort führt es zur Bildung von neuem Herzgewebe. viele Millionen Bioproben organisatorisch-technisch Eine erste klinische Studie unter Leitung von Prof. Dr. zusammenführt, wobei die Proben selbst dezentral an Wolfram Zimmermann von der Universität Göttingen den unterschiedlichen Standorten lagern. soll jetzt im Rahmen des DZHK starten.
Warum Gesundheitsforschung? 11 Forschungsinfrastruktur im Kampf Translationale Forschung bringt Grundlagenwissen an die Patientinnen und Patienten. Beispiel Herz: BMBF-gefördert, wurden Stoffwechsel- gegen die Pandemie produkte beschrieben, die neue Therapieansätze bei Vorhofflimmern Im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie hat eröffnen. Und es wurde ein Herzpflaster entwickelt, das den Heilungspro- zess nach einem Herzinfarkt künftig verbessern könnte. sich gezeigt, dass die für die Volkskrankheiten auf- gebauten Netzwerkstrukturen sehr flexibel auf neue Forschungsbedarfe adaptierbar sind. Das betrifft nicht KÖPFE UND KARRIEREN: nur die Erforschung der Lunge und der SARS-CoV-2- „SPANNENDE ZEITEN bedingten Lungenentzündung, sondern auch individu- FÜR DIE WISSENSCHAFT“ elle Risikokonstellationen bei Diabetes sowie kardiovas- An der Universitäts kuläre und neuronale Manifestationen beziehungsweise. medizin Göttingen leitet Folgeerkrankungen der SARS-CoV-2-Infektion. Dr. Roberto Goya- Insbesondere das DZL und das DZIF, aber auch DZHK, Maldonado die Fach- DZNE und DZD steuerten im Frühjahr 2020 in kür- gruppe Systemische zester Zeit um und liefern jetzt wertvolle Beiträge Neurowissenschaften zur Grundlagenforschung, zur Diagnostik und zur und Bildgebung in Therapie. So wurde am DZD herausgefunden, dass der der Psychiatrie. Im lockdown-bedingte Stress nicht in ähnlichem Maße wie Rahmen einer BMBF- die Katastrophe von Tschernobyl oder das Erdbeben Nachwuchsförderung koordiniert er das PreNeSt- von Los Angeles zu einem Anstieg des Typ-1-Diabetes Projekt. Mithilfe von funktioneller Magnetreso- führte. Am DZHK konnte gezeigt werden, dass das nanztomografie und moderner Statistik-Software SARS-CoV-2-Virus Herzmuskelzellen direkt angreift. soll die transkraniale Magnetstimulation (TMS) Inwieweit das Virus auch zu Langzeitfolgen am Herzen stärker personalisiert werden, um Patientinnen und führt, wird jetzt untersucht. Außerdem wurden Projekte Patienten mit Depression effektiver behandeln zu zur Telemedizin bei zu Hause isolierten COVID-19-Pa- können. Mittlerweile haben die Göttinger in ihrem tientinnen und -Patienten sowie zu unterschiedlichen Forschungsprojekt an der Grenze von klinischer medikamentösen Therapien initiiert. Medizin, Big-Data-Forschung und Bildgebung rund 150 Betroffene untersucht und damit einen Daten- Ausblick satz zur Verfügung gestellt, den es weltweit in dieser Volkskrankheiten werden auch in den nächsten Jahren Qualität sonst nicht gibt. Das eröffnet viele Spielräu- einen wichtigen Schwerpunkt der BMBF-Förderung me, auch für den Einsatz von künstlicher Intelligenz. bilden. Dies spiegelt sich nicht zuletzt im 2018 veröffent- „Es sind spannende Zeiten für die Wissenschaft und lichten Rahmenprogramm Gesundheitsforschung der speziell für die translationale Forschung bei einer Bundesregierung wider. Der dort noch als Ziel definierte Volkskrankheit wie der Depression.“ Aufbau weiterer DZG nimmt durch den Aufbauprozess der beiden neuen Zentren konkrete Formen an.
12 KOMMT GUT AN — DEUTSCHLANDS GESUNDHEITSFORSCHUNG Forschung an der Schwelle zur personalisierten Krebsmedizin Krebs ist immer noch eine der größten Herausforderungen für die Medizin. Der Forschungsbedarf ist riesig. Das liegt zum einen daran, dass die Zahl der Krebserkrankungen steigt, was die Suche nach präventiven Strategien immer dring- licher macht. Gleichzeitig hat sich unser Verständnis von Krebs fundamental verändert. Das Ergebnis sind komplett neue Behandlungskonzepte – mit entsprechend hohem Bedarf an translationaler und klinischer Forschung. Für die Patientinnen und Patienten sind das gute Nachrichten. Denn es gibt berechtigte Hoffnung auf große therapeutische Fortschritte in den nächsten Jahren. Die Weltgesundheitsorganisation WHO geht davon aus, eine ungesunde Lebens- und Ernährungsweise und dass sich die Zahl der Krebserkrankungen weltweit in sich ändernde Umweltbedingungen, zum Beispiel eine den nächsten Jahren verdoppeln wird. Schon heute ge- stärkere UV-Belastung und Luftverschmutzung. Auch hören Krebserkrankungen in den höheren Lebensjahr- Infektionen können Krebs verursachen, beispielsweise zehnten zu den häufigsten Erkrankungen überhaupt. bestimmte Virusentzündungen der Leber. Rund 500.000 Menschen erkranken derzeit in Deutsch- land pro Jahr neu an einer Krebserkrankung – mehr als Krebsmedizin im Umbruch doppelt so viele wie bei Herzinfarkt oder Schlaganfall. Die klassische Krebstherapie kennt drei Säulen, näm- Bis 2030 dürfte diese Zahl auf rund 600.000 ansteigen. lich die Chirurgie, die Chemotherapie und die Strah- Hauptgrund dafür ist das steigende Durchschnittsal- lentherapie. Welche dieser Therapiekonzepte jeweils im ter. Es kommen aber noch andere Faktoren dazu, etwa Vordergrund stehen, hängt von der Art des Tumors und vom Tumorstadium ab. In den vergangenen Jahren hat Warum Krebsforschung? die Krebsforschung eine ganze Reihe von neuen Thera- pien hervorgebracht, die das traditionelle Säulensche- Bessere Behandlungen gesucht! ma erweitern. So sind die molekular gezielten Therapi- Krebs ist eine schwere, immer noch oft tödliche en keine Chemotherapien im traditionellen Sinne, weil Erkrankung. Mit einem Anteil von 25 Prozent sie nicht undifferenziert das Zellwachstum bremsen, sind Krebserkrankungen die zweithäufigste sondern ganz gezielt Mechanismen blockieren, die für Todesursache in Deutschland. den jeweiligen Tumor relevant sind. Hinzugekommen sind auch Immuntherapien, die helfen, das eigene Im- munsystem gegen den Tumor in Stellung zu bringen. Krebs lässt sich verhindern! Die vielen neuen Krebstherapien der vergangenen Etwa vier von zehn Krebserkrankungen sind Jahre spiegeln wider, dass sich unser Verständnis von komplett vermeidbar. Nur: Wie genau Präventi- Krebs stark verändert hat. Krebs wird heute nicht mehr onskonzepte aussehen müssen, um das auch zu so sehr als Organerkrankung gesehen, bei der sich die erreichen, ist noch weitgehend unklar. Zellen eines Organs unkontrolliert vermehren, sondern eher als molekular definierte und sehr individuel- le Systemerkrankung. Lungenkrebs ist nicht gleich Krebs ist teuer! Lungenkrebs und auch bei ein und derselben Person 2015 entfielen sechs Prozent aller Gesundheits- verändert sich im Laufe der Zeit die Molekularbiologie ausgaben in Deutschland auf bösartige Tumor der Krebserkrankung. Selbst innerhalb eines Tumors erkrankungen, und dieser Anteil steigt. sind die Krebszellen unterschiedlich. Und das indivi- duelle Immunsystem nimmt sehr starken Einfluss auf Entstehung und Verlauf einer Krebserkrankung. Insgesamt ist Krebs eine der komplexesten Erkran- Krebs ist individuell! kungen, die es gibt, und entsprechend herausfordernd Bei manchen Tumoren muss intensiv behandelt gestaltet sich die moderne Krebsforschung. Sie muss in werden, bei anderen reicht unter Umständen der Lage sein, schnell und zuverlässig die molekularen eine Überwachung. Wer wovon am meisten Eigenschaften eines Tumors zu analysieren. Sie muss profitiert, muss genau erforscht werden. immunologische Zusammenhänge aufdecken.
Warum Gesundheitsforschung? 13 Und sie muss, wenn es in Richtung Diagnose und der Gesundheitsforschung: Expertinnen und Experten Therapie geht, unterschiedliche Methoden und aus Onkologie, Pathologie, Radiologie, Nuklearmedi- Behandlungsansätze nutzen, da einer hochkomplexen zin, Molekularbiologie, Informatik, Statistik und an- Erkrankung nicht mit monodimensionalen Strategien deren Disziplinen müssen kooperieren. Das erfordert begegnet werden kann. Krebsforschung ist deswegen Forschungsinfrastrukturen, die solche Kooperations- auch eines der am stärksten interdisziplinären Felder szenarien unterstützen beziehungsweise ermöglichen. Nachgefragt Welche Krebsforschung brauchen wir? kenntnisse aus der Grund- Prof. Dr. Michael Baumann ist Vorstandsvorsitzender lagenforschung schneller des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) in in die Versorgung. Fort- Heidelberg und Sprecher des Deutschen Konsortiums schritte in der molekularen für Translationale Krebsforschung (DKTK). Diagnostik und Therapie kommen Patientinnen und Wie muss Krebsforschung gestaltet sein, damit Krebs- Patienten sehr früh zugute. kranke davon profitieren? Das alles ist auch Folge Prof. Dr. Michael Sie muss vor allem langfristig angelegt sein. Kurze strategischer Forschungs- Baumann Projektförderung reicht in vielen Fällen nicht, um neues förderung. Wissen zu generieren und dann zu prüfen, wie die Er- kenntnisse die Versorgung verbessern können. Krebs- Kann Krebsforschung auch Krebs verhindern? forschung muss außerdem der hohen Komplexität von Eindeutig ja. Für die Forschung, die zur Impfung gegen Krebserkrankungen Rechnung tragen. Dazu braucht es Gebärmutterhalskrebs führte, gab es ja sogar einen No- intelligente Netzwerkstrukturen, wie das im DKTK und belpreis für einen deutschen Forscher. Wir müssen hier auch im derzeit im Ausbau befindlichen NCT-Netzwerk allerdings deutlich mehr tun. 40 Prozent aller Krebser- umgesetzt wird. Die Alternative wären Megazentren, krankungen können durch Primärprävention vermie- wie wir sie aus China und den USA kennen. Das ist in den werden, aber das Entscheidende ist natürlich die Deutschland weder realistisch noch sinnvoll. Frage: Wie? Da gibt es noch sehr viel Forschungsbedarf, auch in der Grundlagenforschung, etwa zum genauen Deutschland investiert sehr viel Geld in die Krebsfor- Zusammenhang zwischen Ernährung oder Infektio- schung. Ist das gut angelegt? nen und Krebs. In translationalen Ansätzen müssen Absolut. Mit Strukturen wie dem DKTK und den NCT, konkrete Konzepte für gezielte Interventionen entwi- aber auch mit neuen Institutsgründungen zu Strah- ckelt und evaluiert werden. Da liegt noch eine Menge lentherapie und Krebsimmuntherapie, bringen wir Er- Arbeit vor uns.
14 KOMMT GUT AN — DEUTSCHLANDS GESUNDHEITSFORSCHUNG Strukturelle Weiterentwicklung der deutschen ∙ Das Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf und Krebsforschung das Institut für Radioonkologie – OncoRay forschen Das BMBF hat in den vergangenen zehn Jahren zusam- auf Weltniveau zu nuklearmedizinischen Krebsthe- men mit anderen Fördermittelgebern wie der Deut- rapien, Strahlentherapie und Protonentherapie sowie schen Krebshilfe und der Deutschen Forschungsge- zur Bildgebung. meinschaft die Krebsforschung nicht nur projektweise ∙ Die jüngste institutionelle Neugründung ist das gefördert, sondern strukturell und institutionell wei- Helmholtz-Institut für Translationale Onkologie terentwickelt. Dabei wurden seitens des BMBF insge- (HI-TRON), bei dem DKFZ und Universität Mainz samt mehr als 2,2 Milliarden Euro investiert. Kennzei- kooperieren. Es soll sich zu einer international füh- chen der meisten strukturellen Fördermaßnahmen im renden Plattform für individualisierte Krebsimmun- Bereich Krebsforschung ist, dass ganz gezielt kooperati- therapien entwickeln. ve Strukturen – Netzwerke, gemeinschaftliche Institute, übergreifende Forschungsplattformen – unterstützt werden, um die für die Krebsforschung erforderliche Forschung konkret: kritische Masse sowie Synergien bei der Nutzung der Krebsforschungsstandort Sachsen teils sehr aufwendigen technischen Infrastrukturen zu erreichen. Wie mit viel Engagement und einer Kaskade auf- einander abgestimmter Fördermaßnahmen ein ∙ Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist internationaler Leuchtturm der Krebsforschung die größte biomedizinische Forschungseinrichtung entsteht, zeigt der Forschungsstandort Sachsen. in Deutschland. Es ist Mitglied der Helmholtz-Ge- Im Jahr 2002 war das Universitätsklinikum Dresden meinschaft Deutscher Forschungszentren und ver- eine der ersten Kliniken, die ein auf leistungsfähigste fügt über ein Gesamtbudget von mehr als 280 Mil- Krebsversorgung zielendes Comprehensive Cancer lionen Euro jährlich, das zu 90 Prozent vom BMBF Center aufbaute. Daran anknüpfend wurde 2007 im getragen wird. Das DKFZ legt einen starken Fokus auf Rahmen der BMBF-Innovationsförderung „Unter- Grundlagenforschung und translationale Forschung. nehmen Region“ unter dem Namen OncoRay ein Es betreibt außerdem den Krebsinformationsdienst, Zentrum für Innovationskompetenz für medizinische an den sich Bürgerinnen und Bürger – Krebsbetroffe- Strahlenforschung in der Onkologie etabliert, das seit ne wie auch Angehörige – wenden können, wenn sie 2010 gemeinsam mit dem Heidelberger Institut für Beratungsbedarf zu Krebserkrankungen haben. Radioonkologie (HIRO) das National Center for Ra- ∙ In dem im Jahr 2011 gegründeten Deutschen Kon- diation Research in Oncology (NCRO) bildet. Damit sortium für Translationale Krebsforschung (DKTK), wurde Dresden auf der Landkarte der onkologischen einem von sechs bereits etablierten Deutschen Forschung deutlich sichtbar. Fördermaßnahmen Zentren der Gesundheitsforschung, bündeln mehr lockten viele junge Forschende an. Es entstand eine als zwanzig universitäre und außeruniversitäre For- „kritische Masse“, die dazu führte, dass sich For- schungseinrichtungen ihre Kräfte, um Erkenntnisse schungsschwerpunkte über die Strahlenonkologie aus der Grundlagenforschung zu Krebs rascher in hinaus bildeten. Diese Entwicklungen trugen auch die Versorgung zu bringen. Das DKTK hat ein Budget dazu bei, dass Dresden 2014/2015 ein Standort des von etwa 29 Millionen Euro pro Jahr. DKTK und im Jahr 2015 zum zweiten Standort des ∙ Das sich aktuell im Ausbau befindliche Nationale NCT wurde. Besonders hervorzuheben ist Dresdens Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) ver- Beitrag zur Weiterentwicklung der Protonentherapie: eint an verschiedenen Standorten Forschung und Eine neue Nachweismethode der Strahlenpositionie- Versorgung unter einem Dach, indem es sich als rung im Patienten während der Therapie wurde hier onkologisches Spitzenzentrum in Kooperation mit entwickelt und kommt weltweit zum ersten Mal zum dem DKFZ auf komplexe klinische Studien für die Einsatz. Sie erhöht die Präzision, schont damit das personalisierte Onkologie fokussiert. 2020 wurden zu umliegende gesunde Gewebe und verringert Kom- den zwei bestehenden Standorten in Heidelberg und plikationen. Auch die Erforschung von Biomarkern Dresden vier weitere Standorte ausgewählt, die 2021 für Strahlentherapie und Onkochirurgie bringt den gemeinsam eine vom BMBF geförderte Konzeptent- Sachsen international viel Anerkennung. wicklungsphase durchlaufen.
Warum Gesundheitsforschung? 15 Am OncoRay und NCT/UCC Dresden wird an einer Verbesserung der Strahlentherapie bei aggressiven Hirntumoren geforscht. Grundlage hierfür ist eine kombinierte PET/MRT-Bildgebung, die wichtige Informationen für eine verbesserte Therapie liefert. Versorgungsfortschritte an vielen Stellen durchsatzverfahren an vielen Stellen aus der Forschung Die institutionelle Weiterentwicklung der deutschen in die Routineversorgung zu überführen – eine der ganz Krebsforschungslandschaft hat dazu beigetragen, dass großen Erfolgsgeschichten der translationalen Krebs- Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zahlrei- forschung der vergangenen zehn Jahre. Das gilt konkret che Arbeitsgruppen etablieren konnten, die in ihren zum Beispiel bei Kindern mit schwer behandelbaren Bereichen international zu den führenden Forschungs- Krebserkrankungen oder mit Rückfällen. Es gilt aber akteuren gehören. Die deutsche Krebsforschung spielt auch bei einem häufigen Tumor wie dem Lungenkrebs. international in vielen Bereichen ganz oben mit. Das Auch bei der Krebsdiagnostik hat sich die Forschungs- kommt nicht zuletzt den Krebspatientinnen und förderung an vielen Stellen bewährt, etwa bei Patien- Krebspatienten zugute, die oft schon in einem sehr frü- tinnen und Patienten mit Rückfällen einer akuten lym- hen Stadium Zugang zu neuen und hochinnovativen phoblastischen Leukämie (ALL), einer Unterform des Versorgungskonzepten erhalten. Blutkrebses. Hier wird im Rahmen des von Dr. Cornelia Beispiele dafür gibt es sehr viele und sie können hier nur Eckert von der Charité Berlin koordinierten Verbund- angerissen werden. So ist es gelungen, die molekularge- projekts IRMA-4-ALL eine technologische Plattform netische Diagnostik von Tumoren mit modernen Hoch- entwickelt, mit der das Ansprechen auf unterschied- liche ALL-Behandlungen extrem präzise gemessen werden kann. Die Behandlung kann so viel indivi- dueller als bisher geplant werden. Nach vielen Jahren engagierter Forschung wird diese Diagnoseplattform jetzt zu einem kommerziellen Produkt weiterentwi- ckelt – das auch bei anderen Krebserkrankungen gute Dienste leisten wird. Mutationen Die Krebsversorgung schon erreicht — und zwar weltweit — hat das prostataspezifische Membran-An- tigen PSMA, das für die Diagnostik bei Prostatakrebs Wildtyp genutzt wird. PSMA wurde unter anderem im Rahmen einer DKTK-Verbundforschung zu einem Tracer für die Positronen-Emissions-Tomografie (PET) weiterent- wickelt. Das Molekül wird dazu schwach radioaktiv markiert. Wird es dem Patienten gespritzt, können auch kleinste Krebsherde sehr gut sichtbar gemacht werden. Damit aber nicht genug: PSMA kann auch für eine sehr gezielte Strahlentherapie genutzt werden. Die Beim nicht kleinzelligen Adenokarzinom der Lunge wurden zahlreiche Präzision der Bestrahlung, die das gesunde Gewebe genetische Veränderungen entdeckt, die für die Krebsbehandlung verschont, führt dazu, dass die Lebensqualität der relevant sind. Nur noch bei derzeit 37 Prozent der Tumore wird keine der bekannten relevanten Mutationen (Wildtyp) entdeckt. Deswegen ist die Patienten bei dieser Behandlung besser als bei vielen genetische Untersuchung bei diesem Krebs heute Standard. anderen Behandlungen ist.
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