Jod, Folat/Folsäure und Schwangerschaft
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Bundesinstitut für Risikobewertung RATSCHLÄGE FÜR DIE ÄRZTLICHE PRAXIS Postfach 12 69 42 • 10609 Berlin Tel. +49 30 18412-0 • Fax +49 30 18412-4970 bfr@bfr.bund.de • www.bfr.bund.de Jod, Folat/Folsäure und Schwangerschaft Die Verbesserung und nachhaltige Sicherung der peri- gesunde Entwicklung von inneren Organen, Nervensys- konzeptionellen Versorgung mit Jod und Folat/Folsäure tem, Kreislauforganen und Muskulatur bei Kindern, so- von Frauen mit Kinderwunsch und in der Schwanger- gar schon vor der Geburt, notwendig. Fehlt das Spuren- schaft ist ein wichtiger Bestandteil der ärztlichen Bera- element über längere Zeit, produziert die Schilddrüse tung. Das Merkblatt soll zum einen über die Bedeutung zu wenig Hormone, sodass schwerwiegende gesund- und Möglichkeiten einer bedarfsgerechten Versorgung heitliche Störungen die Folge sein können. mit diesen beiden Mikronährstoffen informieren. Zum anderen wird aufgezeigt, wie Überschreitungen der als sicher erachteten Gesamttageszufuhrmengen an die- Empfehlungen für die tägliche Jodzufuhr sen lebensnotwendigen Nährstoffen vermieden werden können. Der Jodbedarf ist von verschiedenen Faktoren ab- hängig. Dazu gehören das Alter, Umweltbelastungen (Rauchen, Nitrat) sowie ein hoher Verzehr von pflanz- Was ist Jod und wofür wird es benötigt? lichen Lebensmitteln, welche strumigene (kropfbilden- de) Substanzen enthalten. Diese Faktoren erfordern Jod zählt zu den essenziellen Spurenelementen, die entsprechende Sicherheitszuschläge bei der Ablei- regelmäßig mit der Nahrung in geringen Mengen zuge- tung der Empfehlungen. Die Deutsche Gesellschaft für führt werden müssen, um eine Vielzahl von Körperfunk- Ernährung (DGE), der Arbeitskreis Jodmangel (AKJ) tionen aufrechtzuerhalten. Jod wird von der Schilddrüse und das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) zum Aufbau von Schilddrüsenhormonen benötigt. Die- empfehlen für Schwangere und Stillende in Deutsch- se Schilddrüsenhormone haben in unserem Organis- land eine tägliche Zufuhr von 230–260 µg Jod, um mus eine zentrale Aufgabe bei der Regulation wichtiger einer subklinischen, latenten Hypothyreose der Mutter Stoffwechselvorgänge und sind auch für Wachstum und und des Fetus bzw. Neugeborenen vorzubeugen. © Shutterstock Zur ärztlichen Beratung von Frauen mit Kinderwunsch sowie in der Schwangerschaft und Stillzeit gehört die Verbesserung und nachhaltige Sicherung der Versorgung mit Jod und Folat/Folsäure. 1
Ratschläge für die ärztliche Praxis: Jod, Folat/Folsäure und Schwangerschaft Alter Empfohlene Lebensmittelindustrie sowie bei der gewerblichen Her- Jodzufuhr (in μg/Tag) stellung von Brot, Backwaren, Wurst- und Fleischwaren lässt sich der Jodgehalt ursprünglich jodarmer Lebens- Säuglinge bis unter 4 Monate (Schätzwert) 40 mittel deutlich steigern. 4 bis unter 12 Monate 80 Zur universellen Jodsalzverwendung in der Nahrungsket- Kinder te gehört auch die Jodierung von Tierfutter. Dies erhöht 1 bis unter 4 Jahre 100 den Jodgehalt in tierischen Lebensmitteln wie zum Bei- 4 bis unter 7 Jahre 120 spiel Milch, die dadurch eine bedeutsame Jodquelle ist. 7 bis unter 10 Jahre 140 10 bis unter 13 Jahre 180 13 bis unter 15 Jahre 200 Im Durchschnitt erreichen Jugendliche und Erwachse- ne die Jodzufuhrempfehlung, wenn etwa 80 Prozent al- Jugendliche und ler Lebensmittel mit Jodsalz hergestellt werden und ein Erwachsene ähnlicher Verwendungsgrad von jodiertem Speisesalz im 15 bis unter 51 Jahre 200 Haushalt vorliegt. Während Jodsalz in privaten Haushal- 51 Jahre und älter 180 ten häufig verwendet wird, nutzt die Lebensmittelindust- Schwangere 230 rie relativ wenig jodiertes Salz (ca. 30 Prozent). Stillende 260 Zur individuellen Jodmangelprophylaxe stehen Jod- Quelle: DGE et al., 2013 tabletten sowie jodhaltige Nahrungsergänzungsmittel mit einer empfohlenen Tagesdosis von 100 µg zur Ver- fügung. Eine solche Maßnahme ist sinnvoll, wenn eine Ursachen des Jodmangels ausreichende Grundversorgung mit Jod über die Nah- rung durch den regelmäßigen Verzehr von Seefisch, Jodmangelerkrankungen gehören weltweit zu den häu- Milch und Milchprodukten sowie die konsequente Ver- figsten Nährstoffmangelerkrankungen. Wie viele Länder wendung von Jodsalz (z. B. in Bäckereien und Fleische- Europas gehört auch Deutschland aufgrund ungünsti- reien) nicht möglich ist. ger geologischer Bedingungen zu den Jodmangelge- bieten. Das bedeutet, dass Wasser und Böden nur in geringen Mengen Jod enthalten. Demzufolge sind auch Jodversorgung der deutschen Bevölkerung die tierischen und pflanzlichen Agrarprodukte arm an Jod. Seefisch und andere Meeresprodukte können Zur Beurteilung des Jodversorgungsstatus wird die jedoch aufgrund ihres hohen Jodgehalts bedeutend Jodausscheidung im Urin gemessen. Diese korreliert zur Jodversorgung beitragen. Milch und Milchproduk- eng mit der Jodzufuhr und kann deshalb als Maß für te sind ebenfalls gute Jodlieferanten. Ihr Jodgehalt die Jodversorgung herangezogen werden. Daten zur schwankt allerdings in Abhängigkeit von der Jahreszeit Jodurinausscheidung von Kindern und Jugendlichen und der Art der Tierfütterung. wurden im Rahmen der repräsentativen „Studie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutsch- land“ (KIGGS) in den Jahren 2003 bis 2006 erhoben. Maßnahmen zur Verbesserung der Die Daten weisen darauf hin, dass die durchschnittliche Jodversorgung Jodversorgung der Kinder und Jugendlichen gemäß den allgemeinen Kriterien der Weltgesundheitsorgani- Als Mittel der Wahl zur Verbesserung der altersgerech- sation im unteren optimalen Bereich lag: im Mittel bei ten Jodversorgung und Vermeidung von Jodmangel- 117 µg/l. Werte von 100–199 µg/l sprechen für eine op- krankheiten empfiehlt die Weltgesundheitsorganisation timale Jodversorgung. Neuere Ergebnisse der nicht re- die konsequente, dauerhafte und universelle Verwen- präsentativen DONALD (DOrtmund Nutritional and An- dung von Jodsalz in Privathaushalten, in der Lebens- thropometric Longitudinally Designed)-Studie weisen mittelherstellung und im Speisenangebot. Jodsalz jedoch darauf hin, dass die Jodversorgung der Kinder darf in Deutschland seit 1989 in allen Bereichen der rückläufig ist. Lebensmittelproduktion und -verarbeitung, in der Ge- meinschaftsverpflegung und Gastronomie sowie in Pri- Bei Erwachsenen wurden in den Jahren 2002 bis 2006 vathaushalten auf freiwilliger Basis verwendet werden. im Rahmen der nicht repräsentativen Gesundheitsstu- Darüber hinaus steht seit 1993 jodiertes Pökelsalz für die „Study of Health in Pomerania“ (SHIP-1) in Vorpom- die Wurst- und Fleischwarenherstellung zur Verfügung. mern Jodurinausscheidungen gemessen, die ebenfalls Durch die Verwendung von jodiertem Speisesalz in der auf eine durchschnittliche Jodversorgung im unteren 2
optimalen Bereich (110 µg/l) schließen lassen. Aktuelle Besondere Risikogruppen repräsentative Daten zur Jodversorgung Erwachsener werden derzeit in der „Studie zur Gesundheit Erwach- Eine besondere Bedeutung hat die ausreichende Jodver- sener in Deutschland“ (DEGS) erhoben. sorgung während der Schwangerschaft und Stillzeit, da in diesen Zeiten sowohl der Jodbedarf der Frau als auch der Die Folgen einer unzureichenden Jodversorgung sind des (ungeborenen) Kindes sichergestellt werden muss. bei älteren Menschen immer noch sichtbar. So zeig- te die bundesweite betriebsärztliche Papillon-Studie Schwangere ff (2004) an über 96.000 Erwerbstätigen, dass mehr Der erhöhte Jodbedarf in der Schwangerschaft hat als ein Drittel der Männer und Frauen über 45 Jahren mehrere Ursachen. Er ist unter anderem auf eine Stei- krankhafte Schilddrüsenveränderungen (Knoten, Kropf) gerung des mütterlichen Grundumsatzes, eine Vergrö- aufwiesen. Erfolge der Jodprophylaxe zeigten sich da- ßerung des Jodverteilungsraumes und eine vermehrte gegen deutlich bei unter 30-jährigen Erwerbstätigen, renale Elimination zurückzuführen. Zusätzlich steigt in- bei denen 85,3 Prozent ohne Befund waren. folge einer östrogenbedingten Vermehrung des Thyr- oxin-bindenden-Globulins (TBG) im Serum die Bin- Eine bessere Jodversorgung von Schwangeren und dungskapazität für Schilddrüsenhormone an, sodass Stillenden konnte in regionalen Studien in den letzten es über den Regelmechanismus zu einer vermehrten Jahren anhand der zunehmenden Jodurinausschei- Sekretion des Thyreoidea-stimulierenden-Hormons dung von Neugeborenen und des deutlichen Rück- (TSH) und dadurch zu einer Synthesesteigerung der gangs der Häufigkeit des angeborenen Kropfes fest- Schilddrüsenhormone um ca. 30–100 Prozent kom- gestellt werden. Die Höhe der Jodausscheidung bei men kann. Daneben beginnt die fetale Schilddrü- Neugeborenen war unter anderem von der Einnahme se etwa in der 12. Schwangerschaftswoche, selbst von Jodtabletten durch die Mutter in Schwangerschaft Hormone zu bilden. Das hierzu benötigte Jod muss und Stillzeit abhängig. Ein nicht-repräsentatives Monito- der fetale Organismus aus dem mütterlichen Jod- ring der Jodurinausscheidung Neugeborener in Berlin pool beziehen. Die mütterliche Schilddrüse muss im Jahre 2004 hat gezeigt, dass die Jodurinausschei- daher vermehrt Jod zur Verfügung stellen. Bei einer dung im Mittel zwar adäquat ist, aber dennoch ein Teil inadäquaten Jodversorgung kann der Jodverlust der der Neugeborenen einen latenten Jodmangel aufweist. Schwangeren zur Strumabildung und zur Hypothyro- Ein kleinerer Anteil weist jedoch auch eine Jodüberver- xinämie führen, da von der Schilddrüse bevorzugt das sorgung auf. jodärmere Trijodthyronin gebildet wird. Stillende und Säuglinge ff Auch in der Stillzeit ist der mütterliche Organismus auf eine erhöhte Jodzufuhr angewiesen. Die Ursachen liegen in der Aufrechterhaltung der eigenen Stoff- wechselaktivität und in der Sicherstellung einer aus- reichenden Jodversorgung des Säuglings über die Muttermilch. Ein Jodmangel der Mutter führt zu jodar- mer Frauenmilch, sodass ein mütterlicher Jodmangel an den gestillten Säugling weitergegeben wird. Frauen mit besonderer Ernährungsweise ff Eine unzureichende Jodversorgung kann verschie- dene Ursachen haben. So können Personengruppen mit einem speziellen Ernährungsverhalten zu wenig Jod aufnehmen (z. B. Veganer, die keinen Seefisch und auch keine Milchprodukte verzehren). © Shutterstock Frauen mit Kontrazeptiva-Einnahme ff Neben der unzureichenden alimentären Jodzufuhr kann ein Jodmangel bei Frauen im fortpflanzungs- fähigen Alter durch die jahrelange Verwendung oraler Kontrazeptiva verstärkt werden. Aufgrund Seefisch und andere Meeresprodukte können aufgrund ihres hohen Jodgehalts bedeutend zur Jodversorgung beitragen des östrogenbedingten TBG-Anstiegs steigt die und sollten daher regelmäßig verzehrt werden. Gesamtmenge an Schilddrüsenhormonen unter der 3
Ratschläge für die ärztliche Praxis: Jod, Folat/Folsäure und Schwangerschaft Einnahme von oralen Kontrazeptiva im Serum an. Durch Umbauvorgänge kann sich die Gewebestruktur Dies führt zu einer erhöhten Sekretionsleistung der der Schilddrüse verändern. Es können sich langfristig zum Schilddrüse und zum vermehrten Abbau der Schild- Beispiel funktionslose Areale entwickeln oder sogenannte drüsenhormone. Das freigesetzte Jod aus dem autonome Bezirke entstehen, die unkontrolliert und nicht Schilddrüsenhormonabbau geht zum überwiegen- bedarfsangepasst Schilddrüsenhormone abgeben und den Teil verloren. somit zur Schilddrüsenüberfunktion führen können. Raucherinnen ff Ein Kropf kann prinzipiell in jedem Lebensalter ent- Gefährdet sind auch Raucherinnen, insbesondere stehen. Meistens entwickelt er sich bereits vor dem bei bereits bestehender latenter Hypothyreose, da 20. Lebensjahr, besonders in der Pubertät. Häufig wird Thiocyanat (aus Rauch) den Jodidtransport in die in der Schwangerschaft ein bisher „verborgener“ Kropf Schilddrüse kompetitiv hemmt und damit den Jod- größer und dadurch bemerkbar, oder aber eine bereits bedarf indirekt erhöht. vorhandene Struma wächst. Der „Kropf“ ist aber nicht die einzige Jodmangelerschei- Folgen des Jodmangels für die Mutter nung. Wenig bekannt und daher nicht beachtet wird die Tatsache, dass auch Lern- und Konzentrationsschwierig- Die häufigste und bekannteste Folge des Jodmangels keiten und eine generelle Leistungsminderung auf einen ist die Entwicklung einer Struma (endemischer Kropf). Jodmangel zurückzuführen sein können, unabhängig von Mit der Einschränkung, dass auch in Jodmangelge- der Kropfgröße. Die Bedeutung des Jodmangels für die bieten spezielle strumafördernde Substanzen (in Nah- Entstehung dieser wenig auffälligen und unspezifischen rung, Wasser, Medikamenten) oder in den Erbanlagen Jodmangelerscheinungen ist schwer abzuschätzen. Ins- verankerte Jodverwertungsstörungen als Ursache für gesamt sind sie jedoch weit häufiger anzutreffen als das die Kropfentwicklung in Betracht kommen können, Vollbild einer erworbenen Schilddrüsenunterfunktion. stellt Jodmangel durch eine unzureichende Zufuhr die Letztere ist unter anderem durch folgende Beschwerden Hauptursache der endemischen Struma dar. gekennzeichnet: Konzentrationsschwäche, depressive Verstimmung, Obstipation, verminderte Kältetoleranz, Die Schilddrüsenvergrößerung ist als Kompensationsme- trockene und teigige Haut, Gewichtszunahme, verlang- chanismus zu verstehen, über den der Körper versucht, samte Reflexe. Die jodmangelbedingte Hypothyreose den Jod- und daraus resultierenden Schilddrüsenhor- kann auch Fertilitätsstörungen verursachen. monmangel durch eine Vermehrung des hormonprodu- zierenden Gewebes auszugleichen. Ab einer bestimmten Ausdehnung kann diese Schilddrüsenveränderung zu Gefährdung des Fetus und des Druck- und Kompressionserscheinungen, einem Enge- Neugeborenen durch Jodmangel gefühl sowie Atem- und Schluckbeschwerden führen. Jodmangel in der Schwangerschaft ist mit einer erhöh- ten Rate an Fehl- und Totgeburten sowie Fehlbildungen assoziiert. Die fetale Schilddrüsenfunktion, aber auch die frühkindliche Entwicklung des zentralen Nerven- systems sowie Körperwachstum und -reifung sind von einer ausreichenden Jodversorgung abhängig. Jodmangel des Fetus ist durch Jodmangel der Mutter bedingt. Insbesondere bei Schwangeren, die schon an einem Jodmangelkropf leiden, besteht die Gefahr, dass ihre Kinder von den Folgen eines Jodmangels betroffen sind, und zwar bereits im Mutterleib. Wird dem Unge- borenen nicht genügend Jod zur Verfügung gestellt, so kann sich dessen Schilddrüse vergrößern. Bereits eine geringe Vergrößerung der Schilddrüse kann unmittelbar © iStockphoto nach der Geburt zu Atemstörungen und Schluckbe- schwerden des Neugeborenen führen. Zusätzlich kön- nen durch mangelnde Hormonbildung das Wachstum, die Knochenreifung und die Gehirnentwicklung beein- Die häufigste und bekannteste Folge des Jodmangels ist die Entwicklung einer Struma. trächtigt werden. 4
Bei der Mutter kann ein Mangel an jodreicherem Thyr- Bei einer Jodanamnese sollten folgende Fragen oxin bereits bei geringgradigem Jodmangel und nor- beantwortet werden: maler Schilddrüsenfunktion auftreten. Da die mütterliche Schilddrüse unter diesen Bedingungen noch ausreichen- de Mengen des jodärmeren Trijodthyronin synthetisieren 1 Verwenden Sie im Haushalt/beim Kochen kann, besteht bei der Mutter ein euthyreoter Stoffwechsel, Jodsalz? und die fetale Hypothyroxinämie mit negativen Folgen für ja nein die Gehirnentwicklung des Kindes verläuft latent. So ist zum Beispiel der inzwischen nur noch selten auftretende Jodmangel-Kretinismus auf die durch Jodmangel ausge- 2 Trinken Sie regelmäßig Milch? löste Hypothyroxinämie zurückzuführen. Zumindest die ja nein geistigen Entwicklungsstörungen sind selbst bei frühzei- tigem Behandlungsbeginn nach der Geburt mit Schild- Wenn ja, wie viel trinken Sie pro Tag? drüsenhormonen in der Regel nicht mehr völlig rückbil- 1 Glas 2 Gläser ca. ½ Liter dungsfähig. In einer Studie konnte gezeigt werden, dass mehr als ½ Liter Kinder von Müttern, die während der Schwangerschaft eine leichte Schilddrüsenunterfunktion hatten, durch- schnittlich einen etwas geringeren Intelligenzquotienten 3 Wie oft essen Sie Seefisch? aufwiesen als Kinder von Müttern mit normaler Schild- 1–2 mal/Woche 1–2 mal/Monat drüsenfunktion und damit ausreichender Jodversorgung selten/nie des Kindes. Durch eine ausreichende Jodversorgung der Schwangeren lassen sich diese Folgen verhindern. 4 Verwendet Ihr Bäcker/Fleischer Jodsalz? Auch nach der Entbindung ist die geistige und körperliche ja nein nicht bekannt Entwicklung des Säuglings von einer normalen Schilddrü- senfunktion und einer ausreichenden Jodzufuhr der Mut- ter abhängig. Da die Jodkonzentration in der Frauenmilch 5 Nehmen Sie Folsäure-/Multi-/Vitaminpräparate vom Jodversorgungszustand der Mutter abhängig ist, bzw. Nahrungsergänzungsmittel mit Jod ein? wird ein Jodmangel der Mutter auch nach der Geburt auf ja nein den gestillten Säugling übertragen und kann zu geistigen und körperlichen Entwicklungsstörungen führen. Wenn ja, welche? ___________________________ Jodmangelprophylaxe in der Schwangerschaft und Stillzeit 6 Nehmen Sie Jodtabletten ein? ja nein Obwohl sich in den letzten Jahren die Jodaufnahme all- gemein verbessert hat, wird bei schwangeren Frauen Wenn ja, welche? häufig die wünschenswerte Zufuhr von 230 µg und bei ___________________________ stillenden Frauen von 260 µg pro Tag nicht erreicht. Die Verwendung von Jodsalz im Haushalt ist für das Errei- chen der Zufuhrempfehlungen keinesfalls ausreichend. 7 Nehmen Sie jodreiche Algen-/Tangpräparate zu sich? Auch künftig wird daher für Schwangere und Stillende ja nein eine individuelle Supplementierung mit Jodtabletten für notwendig erachtet. Auf Grund der Verbesserungen bei Wenn ja, welche? der Jodversorgung werden dafür allgemein nicht mehr ___________________________ 200 µg, sondern nur noch 100 (bis 150) µg Jod pro Tag empfohlen. Um jedoch mögliche Überschreitungen der als sicher erachteten Gesamttageszufuhr von 500 µg Jod (entsprechend einem Median der Jodurinausschei- dung von 300 µg/l) zu vermeiden, sollte vor der Empfeh- lung zur Supplementierung möglichst im ersten Trime- non der Schwangerschaft eine Jodanamnese erhoben Fragenkatalog Jodanamnese werden (siehe Fragenkatalog rechts). 5
Ratschläge für die ärztliche Praxis: Jod, Folat/Folsäure und Schwangerschaft Durch die Abklärung der Fragen kann eine gezielte Jodunverträglichkeiten, die allergischen Reaktionen äh- Empfehlung für eine optimale Jodversorgung durch neln, sind durch die vom Organismus benötigten phy- den Arzt gegeben werden und Mehrfach-Supple- siologischen Jodzufuhrmengen nicht zu erwarten. mentierungen aufgedeckt und vermieden werden. Zu beachten ist auch, dass verschiedene Kombinations- präparate, insbesondere mit 150–200 µg Jodid und Für eine nachhaltige Jodprophylaxe zur Sicher- 400 µg Folsäure, angeboten werden. Bei Einnahme stellung einer adäquaten Jodzufuhr bei Schwan- dieser Präparate darf kein zusätzliches Jod eingenom- geren und Stillenden sind folgende Maßnahmen men werden. wichtig: 1. Ausschließliche Verwendung von jodiertem Spei- Mit der Jodsupplementierung sollte möglichst schon sesalz oder jodiertem Kochsalzersatz im Haus- vor einer geplanten Schwangerschaft begonnen und halt. diese dann bis zum Ende der Stillzeit beibehalten wer- 2. Bevorzugung der unter Verwendung von jodier- den. Kinder, die nicht gestillt werden, erhalten über die tem Speisesalz hergestellten Lebensmittel, ins- in Deutschland angebotene Säuglingsnahrung genü- besondere Brot und Fleischwaren. gend Jod. 3. Regelmäßiger Verzehr von Seefisch und Milch. 4. Tägliche Supplementierung von 100 (bis 150) µg Jod (in Tablettenform) nach vorheriger Jodanam Risiken und Kontraindikationen der Jod nese. prophylaxe in Schwangerschaft und Stillzeit Durch die Jodprophylaxe einschließlich der empfohle- nen Jodsupplementierung soll sicher gestellt werden, dass der Zufuhrreferenzwert von 230 µg pro Tag für Schwangere und 260 µg pro Tag für Stillende erreicht wird. Als sichere Gesamttageszufuhr gilt für Deutsch- land eine Jodmenge von 500 µg. Eine Schilddrüsen- überfunktion bei latent vorhandener Schilddrüsenauto- nomie wird in der Regel erst durch unphysiologisch hohe Joddosen ausgelöst, die im Milligramm-Bereich liegen. Insbesondere getrocknete Algen- und Tangpräparate enthalten sehr hohe Mengen Jod und können – ebenso wie die Einnahme von mehreren jodhaltigen Nahrungs- ergänzungsmitteln – zur Überdosierung beitragen. Durch eine Jodanamnese kann eine mögliche Mehr- fach-Supplementierung vermieden werden. Damit wird auch verhindert, dass Säuglinge über die Muttermilch mehr Jod aufnehmen als empfohlen. Bei Verdacht auf eine bestehende Überfunktion oder Unterfunktion der Schilddrüse sollte vor jeder Form der Jodsupplementierung eine weiterführende Diagnostik erfolgen. Basierend auf diesen Untersuchungen kann die individuelle Dosierung abgestimmt und falls erfor- derlich, eine zusätzliche Therapie mit Schilddrüsen- hormonen (die in der Schwangerschaft nicht kontrain- diziert, sondern von großer Bedeutung sind) eingeleitet werden. Die einzige Kontraindikation für eine Jodgabe in Tablettenform (gilt nicht für Jodsalz) stellt eine im Fertilitätsalter relativ selten vorkommende ausgeprägte Überfunktion der Schilddrüse dar, die durch eine ange- messene Diagnostik ausgeschlossen werden kann und gegebenenfalls behandelt werden muss. 6
Folat/Folsäure und Schwangerschaft Was ist Folat und wofür wird es benötigt? Fehlbildung zur Welt kommt. In diesem Fall sollten Frau- en bei erneutem Kinderwunsch prophylaktisch 4 mg Fol- Folat zählt zu den wasserlöslichen B-Vitaminen. Während säure pro Tag einnehmen. Folate natürlicherweise in Lebensmitteln vorkommen, wird synthetisch hergestellte Folsäure in Nahrungsergän- Es gibt auch Hinweise darauf, dass die zusätzliche Fol- zungsmitteln, angereicherten Lebensmitteln oder zu the- säurezufuhr das Risiko vermindert, ein Kind mit ande- rapeutischen Zwecken in Arzneimitteln verwendet. ren Fehlbildungen, insbesondere Lippen-Kiefer-Gau- men-Spalten, zu bekommen. Das Vitamin spielt bei allen Zellteilungs- und Wachs- tumsprozessen eine Rolle. Ein Mangel äußert sich durch Blutarmut, Verdauungsstörungen und Veränderungen Folate in der Nahrung an den Schleimhäuten. Eine unzureichende Versorgung in der Schwangerschaft hat einen negativen Einfluss auf Folate kommen in tierischen und pflanzlichen Lebensmit- die Entwicklung des ungeborenen Kindes. Insbesonde- teln vor. Besonders reich an Folaten sind Leber, grüne re wurde gezeigt, dass eine erhöhte perikonzeptionelle Gemüse wie Spinat und Brokkoli, Hülsenfrüchte, Weizen- Zufuhr von Folsäure das Risiko für die Entstehung von keime, Hefe, Eigelb, Vollkorngetreideprodukte, Zitrus- Neuralrohrdefekten beim Kind reduziert. früchte und -säfte. Außerdem sind in Deutschland viele Lebensmittel wie z. B. Frühstückscerealien, Milchproduk- te und Fruchtsaftgetränke sowie ein Teil des jodierten Empfehlungen für die tägliche und fluoridierten Speisesalzes mit Folsäure angereichert. Folat-/Folsäurezufuhr Die für Schwangere und Stillende empfohlene tägliche Fo- Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung und die Fach- latzufuhr kann über die normale Ernährung nur bei geziel- gesellschaften in Österreich und der Schweiz (D-A-CH) ter Auswahl von folatreichen Lebensmitteln erreicht wer- empfehlen Jugendlichen und Erwachsenen eine tägli- den. Zur Prävention von Neuralrohrdefekten ist in jedem che Zufuhr von 300 µg Folatäquivalenten. Fall eine Supplementierung von Folsäure zu empfehlen. Mit dem Begriff Folatäquivalente wird der höheren Biover- fügbarkeit von Folsäure gegenüber Nahrungsfolat Rech- nung getragen. Entsprechend der international üblichen Definition für Folatäquivalente gilt: 1 µg Folatäquivalent = 1 µg Nahrungsfolat = 0,5 µg synthetische Folsäure. Schwangere und Stillende haben einen höheren Bedarf. Ihnen wird eine tägliche Zufuhr von 550 bzw. 450 µg Folat äquivalenten empfohlen. Frauen, die schwanger werden wollen oder könnten, wird darüber hinaus empfohlen, zur Prophylaxe von Neuralrohrdefekten 400 µg Folsäure pro Tag in Tablettenform einzunehmen. Die Einnahme soll- te mindestens vier Wochen vor einer Schwangerschaft begonnen und bis zum Ende des ersten Schwanger- schaftsdrittels fortgesetzt werden. Die Empfehlung wird damit begründet, dass in einer Reihe von Studien ein Zusammenhang zwischen der © Shutterstock Zufuhr von Folsäure und einem verringerten Risiko der Entstehung von Neuralrohrdefekten bei Neugeborenen beobachtet wurde. Dies gilt sowohl für die Primärprä- vention als auch zur Senkung des Wiederholungsrisikos. Das bedeutet: Hat eine Mutter bereits ein Kind mit einem Die Einnahme von Folsäuretabletten vor und in der frühen Neuralrohrdefekt geboren, besteht ein erhöhtes Risiko, Schwangerschaft kann das Risiko für die Entstehung von dass ein folgendes Kind ebenfalls mit einer derartigen Neuralrohrdefekten beim Kind senken. 7
Ratschläge für die ärztliche Praxis: Jod, Folat/Folsäure und Schwangerschaft Versorgungssituation in Deutschland Empfehlungen zur Deckung des Folatbedarfs vor Um die empfohlene Folataufnahme zu erreichen, ist und während der Schwangerschaft: eine abwechslungsreiche Ernährung und eine scho- 1. Folatreiche Ernährung (Gemüse, Früchte, Voll- nende Zubereitung der Lebensmittel notwendig. kornprodukte) 2. Frauen, die schwanger werden wollen oder Ergebnisse von Verzehrstudien deuten darauf hin, dass könnten, sollten zusätzlich zur normalen Ernäh- die Folatzufuhrempfehlungen im Median nicht ganz er- rung täglich 400 µg Folsäure als Supplement reicht werden. Da jedoch in Ernährungserhebungen der einnehmen, um das Risiko eines Neuralrohrde- Verzehr von angereicherten Lebensmitteln und die Ein- fektes beim Kind zu verringern. Die Supplemen- nahme von Nahrungsergänzungsmitteln im Allgemeinen tierung sollte vier Wochen vor der Konzeption nicht ausreichend berücksichtigt werden, sollten zur Be- beginnen und bis zum Ende der 12. Schwanger- urteilung der Folatversorgung zusätzlich die Serum-/Ery- schaftswoche fortgesetzt werden. throzytenkonzentrationen gemessen werden. 3. Frauen, die bereits mit einem Kind schwanger waren, das einen Neuralrohrdefekt hatte, sollten Bei der Serumfolatkonzentration gilt, dass ein Folat- über den gleichen Zeitraum täglich 4 mg Folsäu- spiegel unter 7 nmol/L (3 µg/l) als manifester und unter re einnehmen. 10 nmol/L (4,4 µg/l) als subklinischer Mangel angese- hen wird. Wird die Folatkonzentration in den Erythrozy- ten als Marker für die Folatspeicher im Körper betrach- tet, so zeigt ein Wert unter 340 nmol/L (150 µg/l) einen subklinischen Mangel an. Daten über die Folatversor- gung in Deutschland belegen eine sehr gute Versor- gung von Kindern und Jugendlichen. Für Erwachsene werden repräsentative Daten über die Folatversorgung aus der Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutsch- land (DEGS) des Robert Koch-Instituts erwartet. Ist eine Folsäuresupplementierung sicher? Die Erfahrungen aus Studien, in denen Folsäure vor und in der Schwangerschaft eingenommen wurde, zeigen, dass diese Einnahme sicher ist. Dies gilt normalerweise auch, wenn parallel dazu Lebensmittel verzehrt werden, die mit Folsäure angereichert sind. Zu beachten ist, dass bei hohen Zufuhrmengen von Fol- säure ein bestehender Vitamin-B12-Mangel „maskiert“ werden kann. Das bedeutet, dass die bei Vitamin-B12- und Folatmangel identischen hämatologischen Symp- tome durch die Folsäureaufnahme verbessert werden, während neurologische Symptome, die mit einem Vita- min-B12-Mangel einhergehen können, nicht verhindert, sondern möglicherweise sogar verstärkt werden kön- nen. Allerdings ist ein Vitamin-B12-Mangel bei Perso- nen unter 50 Jahren selten. Die Wirksamkeit von antiepileptischen Medikamenten (z. B. Phenobarbital, Phenytoin, Primidon) kann durch Folsäuresupplemente vermindert werden, sodass ge- gebenenfalls die Dosis angepasst werden muss. Berlin 2014/Nachdruck mit Genehmigung der Pressestelle des BfR erlaubt. 8
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