JOURNAL Arbeitsschutz und Umwelt - REGIERUNGSPRÄSIDIUM DARMSTADT - Hessen.de
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REGIERUNGSPRÄSIDIUM DARMSTADT JOURNAL Arbeitsschutz und Umwelt DIE RP-ABTEILUNGEN IV UMWELT DARMSTADT, FRANKFURT UND WIESBADEN UND ABTEILUNG VI ARBEITSSCHUTZ August 2021
INHALT VORWORT 3 ARBEITSSCHUTZ Maske auf beim Spargelstechen? 4 Saisonarbeitskräfte in der Landwirtschaft unter Coronabedingungen IMMISSIONSSCHUTZ / Corona-Soforthilfe – Das Behördenleben in Zeiten des nicht vorherseh 6 PROJEKTGRUPPE IFSG baren Wandels durch die Corona-Pandemie Entschädigungsleistungen bei Verdienstausfall nach dem Infektions- 8 schutzgesetz (IfSG) – eine Herausforderung für die neue Projektgruppe des Regierungspräsidiums Darmstadt ABWASSER Behördliche Überwachung in Corona-Zeiten – Pandemiemaßnahmen in 11 Abwasserbetrieben ABFALLWIRTSCHAFT / Was haben verpackte Lebensmittelabfälle mit Gießkannen und 14 BODENSCHUTZ Plastiktüten zu tun? OBERFLÄCHENGEWÄSSER Warum dauert das so lange? 20 ABFALLWIRTSCHAFT / Digitalisierung im abfallrechtlichen Vollzug 24 ENTSORGUNGSWEGE IMMISSIONSSCHUTZ Werden bei Windenergieanlagen die Lärmrichtwerte eingehalten? 28 BODENSCHUTZ Thermische Boden- und Grundwassersanierung 30 UNSERE JOURNALE Bisherige Ausgaben – eine Übersicht 34 DIENSTSTELLEN UND 35 IMPRESSUM 2 REGIERUNGSPRÄSIDIUM DARMSTADT · JOURNAL ARBEITSSCHUTZ UND UMWELT · August 2021
VORWORT SEHR GEEHRTE DAMEN UND HERREN, die Sommerferien haben Halbzeit und nicht nur wegen Weitere Artikel gehen der Frage nach, was verpackte des durchwachsenen Wetters stellt sich das typische Lebensmittel mit Gießkannen und Plastiktüten zu tun Urlaubsgefühl nicht so richtig ein. In diesem Jahr haben oder warum Verwaltungsverfahren manchmal schwingt auch eine gehörige Portion Unsicherheit mit. etwas länger dauern. Der Beitrag zur Digitalisierung Denn unser aller (Arbeits-) Leben hat sich durch die im abfallrechtlichen Vollzug zeigt, dass das RP, seit Pandemie grundlegend geändert und der Weg zurück 2018 Digitale Modellbehörde, den Anforderungen an zur Normalität ist nicht immer einfach. eine moderne Verwaltung gerecht wird. So ist auch die neue Ausgabe unseres Journals für Die „Lärm-Lupe“ wird bei Windenergieanlagen an- Arbeitsschutz und Umwelt von Themen rund um die gesetzt, um neue Erkenntnisse aus Wissenschaft und Corona-Pandemie geprägt. Der erste Beitrag aus der Technik zu nutzen. Der Artikel über thermische Boden- neuen Abteilung VI Arbeitsschutz des RP Darmstadt und Grundwassersanierung mit der Vorstellung beschäftigt sich beispielsweise mit der Situation innovativer Sanierungsalternativen rundet die aktuelle von Saisonarbeitskräften in der Landwirtschaft Journal-Ausgabe ab. unter Corona-Bedingungen. Eine vom Hessischen Ministerium für Soziales und Integration koordinierte Ich wünsche Ihnen sommerliches Lesevergnügen, eine Aktion zielt auf die Überwachung landwirtschaftlicher entspannte Urlaubszeit und vor allem viel G esundheit Betriebe zum Schutz der Saisonarbeitskräfte gerade in diesen herausfordernden Zeiten. im Hinblick auf SARS-CoV-2 ab. Herzliche Grüße Die folgenden beiden Beiträge zeigen, wie sich die Pandemie ganz konkret auf die Arbeit des RPs mit zusätzlichen Aufgaben auswirkte. Rund 300 Ihre Brigitte Lindscheid Mitarbeiter*innen haben ihre Kolleg*innen des RP Regierungspräsidentin Kassel bei der Berechnung und Auszahlung der Corona-Soforthilfen unterstützt. Zudem wurde dem RP die hessenweite Berechnung der Entschädigungs leistungen nach dem Infektionsschutzgesetz mit bislang 104 000 Anträgen zugewiesen. Gleichzeitig bleiben die originären Aufgaben des RP Darmstadt bestehen. Corona führte zu besonderen Herausforderungen, wie der Bericht über die Pande- miemaßnahmen in Abwasserbetrieben zeigt. 3
SAISONARBEITSKRÄFTE IN DER LANDWIRTSCHAFT UNTER CORONABEDINGUNGEN MASKE AUF beim Spargelstechen? In Hessen hat die Erntesaison 2021 mit dem Spargelstechen begonnen. Auch dieses Jahr sorgt die Corona-Pandemie dafür, dass besondere Maßnahmen zu treffen sind, um die Saisonarbeitskräfte vor gegenseitiger Ansteckung mit COVID-19 zu schützen. Im vergangenen Jahr hatten die Arbeitsschutz den Arbeitsschutzausschüssen beim BMAS. Dabei dezernate des Regierungspräsidiums Darmstadt in waren nicht nur die Arbeitsplätze und Tätigkeiten der einer vom Hessischen Ministerium für Soziales und Saisonarbeitskräfte zu betrachten, sondern auch die Integration (HMSI) koordinierten S chwerpunktaktion Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften auf zusammen mit den beiden anderen hessischen Regie- den Höfen. Im Dezember 2020 wurde die Arbeits rungspräsidien und der Sozialversicherung für Land- stättenverordnung so geändert, dass seitdem bestimm- wirtschaft, Forsten und Gartenbau (SVLFG) insgesamt te Regelungen der Verordnung auch für Gemein- 133 landwirtschaftliche Betriebe und 32 Betriebe der schaftsunterkünfte außerhalb des Betriebes gelten. Weinwirtschaft überprüft, die insgesamt knapp 6 000 Saisonarbeitskräfte beschäftigen. In Einzelfällen wur- den auch die Finanzkontrolle Schwarzarbeit beim Zoll (Zuständigkeit für Schwarzarbeit und Mindestlohnge- setz) bzw. das zuständige Gesundheitsamt (Zuständig- keit für Infektionsschutzgesetz) eingebunden. Bei der Aktion ging es sowohl um die Beratung – hierzu war eine spezielle Handlungshilfe für die Landwirte erarbeitet worden – als auch um die Über- wachung der einschlägigen Regelungen. Besonders im Fokus standen die Einhaltung der Maßnahmen des SARS-CoV-2 Arbeitsschutzstandards des BMAS (Bundesministerium für Arbeit und Soziales) bzw. der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel, erarbeitet von 4
Im Rahmen der Aktion wurden die Be- triebe zunächst angeschrieben. Mit dem Anschreiben erhielten sie eine vom HMSI in Zusammenarbeit mit dem schleswig- holsteinischen Sozialministerium und der SVLFG erstellte Handlungshilfe zum Schutz von Ernte- und Saisonarbeitskräften vor SARS-CoV-2 sowie eine Checkliste, mit der die Umsetzung der Anforderungen abgefragt wurde. Gravierende Verstöße, bei denen Anordnungen mit Die ausgefüllte und zurückgesandte Checkliste mit Sofortvollzug erforderlich gewesen wären, gab es in zusätzlichen Belegen, u. a. Fotos, wurde von den keinem der untersuchten Betriebe. Dennoch werden Arbeitsschutzdezernaten bzw. der SVLFG geprüft. die Arbeitsschutzdezernate der neu gebildeten Bei fehlender Rücksendung, nicht aussagekräftigen Arbeitsschutzabteilung im Regierungspräsidium Unterlagen bzw. nicht plausiblen Angaben oder Darmstadt auch in diesem Jahr die landwirtschaft- anderen Unstimmigkeiten wurden Vor-Ort-Kontrollen lichen Betriebe mit Saisonarbeitskräften im Blick durchgeführt. Das war bei etwa einem Viertel aller behalten und allen Beschwerden von Beschäftigten angeschriebenen Betriebe der Fall. oder Dritten nachgehen, um ein ordnungsgemäßes Schutzniveau zu gewährleisten. Erfreulicherweise zeigte sich im Ergebnis der Aktion, dass mehr als 90 % der Betriebe im Wesentlichen die Dr. Holger Wode holger.wode@rpda.hessen.de Schutzvorschriften einhielten. Die vorgefundenen DEZERNAT VI 61 Mängel betrafen vor allem zu wenige Sanitäranlagen auf dem Feld, Probleme beim Tragen von Mund- Nasen-Schutz über einen längeren Zeitraum bei schwerer körperlicher Arbeit, wenn die Schutzab- stände nicht eingehalten werden konnten sowie zu wenige Waschmaschinen bzw. Wäschetrockner. 5
CORONA-SOFORTHILFE DAS BEHÖRDENLEBEN IN ZEITEN DES nicht vorher- sehbaren Wandels Es ist April 2020 und schnell wird auch im Regierungspräsidium Darmstadt klar, dass sich die Tätigkeit v ieler Mitarbeiter*innen im wahrsten Sinne des Wortes von heute auf morgen verändern wird. Die gewohnten Tätigkeiten der Naturwissenschaftler, Ingenieure aus Umwelt-, Bau-, Verfahrenstechnik und Bergbau sowie Verwaltungsfachwirte und Juristen müssen ruhen und es heißt „Anpacken“ in einem völlig neuen Themenge- biet, nämlich „Prüfung von Finanzen“ im Rahmen der Corona-Soforthilfe. Aber alles der Reihe nach: Das Corona-Soforthilfe- Zu beantragen war die Soforthilfe beim Regierungs- programm Hessen 2020 ermöglicht Selbstständigen, präsidium Kassel. Bei etwa 100 000 Anträgen hessen- Gewerbetreibenden, Freiberuflern und auch Unter- weit war schnell klar, dass diese Aufgabe nicht ohne nehmen mit bis zu 50 Mitarbeitenden, die durch die Unterstützung zu bewältigen sein würde. Daraufhin Corona-Pandemie in wirtschaftliche Engpässe geraten folgte eine Abfrage bei den Schwesterbehörden in sind, eine schnelle und unbürokratische Unterstützung Gießen und in Darmstadt, so dass letztlich insgesamt zu beantragen. Hierbei handelt es sich um einen ein- 700 Mitarbeiter*innen freiwillig bereit und froh waren, maligen, nicht rückzahlbaren staatlichen Zuschuss. Die ihren Beitrag in diesen sehr schwierigen Zeiten leisten Höhe des Zuschusses ist abhängig von der Höhe des zu können – sogar an Sonn- und Feiertagen und nicht Liquiditätsengpasses, welcher durch die Folgen der selten über einen „normalen“ Arbeitstag hinaus. Corona-Pandemie entstanden ist und der Anzahl der Mitarbeiter im Betrieb. In nur wenigen Wochen wurden zahlreichen Mit arbeiter*innen Zugänge in einem extra für die Erfas- sung und Bearbeitung von Anträgen geschaffenen Online-Fachverfahren eingerichtet sowie Schulungen durchgeführt, bis dann das ersehnte Startsignal zur Antragsbearbeitung ertönte. 6
Getreu den Vorgaben des Täglich mussten neue Herausforderungen bewältigt Hessischen Ministeriums der werden, wodurch sich bei der Antragsprüfung schon Finanzen (HMdF) sowie des bald ein vernünftiges Mittelmaß aus großzügiger Hessischen Ministeriums für Bewilligung und tiefgreifender Prüfung einstellte. Wirtschaft, Energie, Verkehr Möglicherweise ist das auch ein Grund dafür, dass die und Wohnen (HMWEVW) hessischen Staatsanwaltschaften „nur“ in gut 1 000 möglichst schnell, wohlwollend Betrugsfällen ermitteln. und unbürokratisch die be- antragte Soforthilfe zu prüfen, Mit dem Ende der Antragsbearbeitung gab es durch- stürzten sich die Mitarbeiter*innen weg eine positive Rückmeldung aus der Abteilung: Ja, gespannt und motiviert in die Antragsbe- es gab gerade zu Beginn Widrigkeiten und auch waren arbeitung. Vielmals funktionierte dies auch die Antragsteller teilweise uneinsichtig. Vor allem reibungslos, so dass zwischen Beantragung, die Meldungen von mehr als 1 000 potentiellen Be- Prüfung und Auszahlung keine 24 Stunden vergingen. trugsfällen hinterlassen einen bitteren Beigeschmack. Trotzdem überwiegt das positive Gefühl bei eben jener Allerdings häuften sich auch die zweifelhaften Fälle Berufsgruppe, welche die negativen Auswirkungen der aufgrund von unvollständigen und widersprüchlichen Pandemie – insbesondere wirtschaftlich betrachtet – Angaben, wodurch teils mehr Fragen aufgeworfen als glücklicherweise nicht so deutlich verspürt, vielen Antworten gefunden wurden. So waren die Vorgaben Bürgerinnen und Bürgern etwas Gutes getan zu haben. zu Beginn der Antragsbearbeitung noch recht knapp Die Bearbeitung hat Spaß gemacht! In kürzester Zeit gefasst, wurden jedoch dann zusehends umfangrei- wurde viel Neues erlernt und es wurden Einblicke cher. Unter den Mitarbeiter*innen bildete sich schon in eine Welt gewährt, die für eine Umweltabteilung bald ein dynamisches Soforthilfe-Netzwerk, in dem üblicherweise verschlossen bleibt. Und dann ist da man sich austauschte und unterstützte. noch dieses schöne Corona-Soforthilfe-Zusammenge- hörigkeitsgefühl entstanden, das die Kolleginnen und Nicht selten bestanden Zweifel an der Richtigkeit der Kollegen der unterschiedlichen Dezernate über die Flut Angaben. Solche Anträge erledigten sich oftmals von von Anträgen hinweg begleitet hat. selbst, da auf offenbar banale Nachforderungen keine Rückmeldungen mehr eingingen. Dazu passend ein Insgesamt wurden durch das Soforthilfe-Programm in exemplarischer Schriftwechsel in der Abteilung: Hessen knapp 953 Millionen Euro ausgezahlt. „…habt Ihr eigentlich mal einen Sterberegister- Marc Odrosek marc.odrosek@rpda.hessen.de abgleich gemacht bei Euren Soforthilfe-Anträgen? DEZERNAT IV/WI 43.2 Manch ein Antragsteller existiert nicht mehr…“ Sehr widersprüchliche Anträge wurden direkt an die Oberfinanzdirektion Frankfurt am Main abgegeben. 7
ENTSCHÄDIGUNGSLEISTUNGEN BEI VERDIENSTAUSFALL NACH DEM INFEKTIONSSCHUTZGESETZ (IFSG) Eine Herausforderung FÜR DIE NEUE PROJEKT- GRUPPE des RP Darmstadt Gerade noch aufgewärmt durch die Corona-Sofort Zunächst waren die Gesundheitsämter für solche hilfe-Sachbearbeitung sorgte das Infektionsschutzge- Angelegenheiten zuständig. Um diese jedoch für ihre setz (IfSG) gleich für die nächste große Herausfor- in Pandemiezeiten anderen sehr wichtigen Aufgaben derung beim Regierungspräsidium Darmstadt (RP). zu entlasten, wurde die Zuständigkeit für die Entschä- Viele Mitarbeiter*innen waren gern bereit, weiterhin in digungsleistungen nach dem IfSG dem Regierungs- Sachen „Bekämpfung des Corona-Virus bzw. dessen präsidium Darmstadt mit Wirkung zum 15. Mai 2020 Auswirkungen“ mitzuhelfen, um so die Folgen der übertragen. Die eigentliche Antragsbearbeitung Pandemie zu minimieren. Zweifelsohne war es den erfolgte dann rein elektronisch in einem Fachverfah- meisten Mitwirkenden bis dahin nicht bekannt, dass ren. Am 25. Juni 2020 fiel schließlich der Startschuss es überhaupt eine Entschädigungsleistung nach dem für die Antragserfassung. So begannen die damals Infektionsschutzgesetz gibt, aber trotzdem stellte man knapp 100 mitwirkenden Mitarbeiter*innen damit, sich auch dieser Aufgabe gerne. etwa 10 000 Anträge in Papierform, die bis zu diesem Zeitpunkt bereits eingegangenen waren, händisch in Im Einzelnen: Gemäß den §§ 56 bis 58 IfSG besteht das Fachverfahren zu überführen. Das lang ersehnte ein Anspruch auf Erstattung von Verdienstausfall, „Go!“ für die eigentliche Antrags- bzw. Sachbearbei- sofern Arbeitnehmer*innen oder Selbstständige tung erfolgte dann endlich am 28. Juli 2020. Klar ist entweder aufgrund einer Quarantäneanordnung oder es unangenehm, dass für Anträge mit Entschädi- durch einen Betreuungsengpass, weil z. B. die Kinder- gungsanspruch, die schon im März 2020 tagesstätte wegen Corona geschlossen ist, verhindert gestellt worden waren, die tatsächliche sind, ihrer Tätigkeit nachzukommen. Das bedeutet im Bearbeitung erst im August begann; Klartext, dass das Land auf Antrag vollständig oder freilich wurden sodann die Anträge nach zumindest anteilig den Verdienst bzw. Lohn für diesen Eingangsdatum abgearbeitet. Zeitraum übernimmt. 8
Damit startete nun die eigent- Feststellung, dass scheinbar ein lich heiße und interessante zunehmend in den Hintergrund Phase der Bearbeitung. Erste geratener zwischenmenschlicher Schulungen waren durchgeführt, und gesellschaftlicher Zusam- Handlungsanweisungen zur Bear- menhalt erfreulicherweise wieder beitung mit zunächst drei Seiten er- aufzuleben scheint. Solche Erfahrun- stellt, aus denen bis heute bereits mehr gen bereichern den Arbeitsalltag und als zehn Seiten geworden sind. Man setzte das Zusammengehörigkeitsgefühl in einer sich auseinander mit zahlreichen Verordnungen, herausfordernden Zeit. Quarantäneanordnungen, wann welches Land zum Risikogebiet erklärt wurde, Reise- und Gehaltsnach- Nachdem sich dann im September und Oktober des weisen, Steuererklärungen, Sozialversicherungs- letzten Jahres die Aufregung in der Sachbearbeitung beiträgen, Brutto- und Nettoverdienstausfällen und legte und schon fast von einer Art Routine zu sprechen sonstigen Zuschüssen, um am Ende den korrekten war, sorgten im November geänderte Verordnungen Erstattungsbetrag bescheiden zu können. für erneute Änderungen in den Prüfvorgaben. Genau- genommen zieht sich ein roter Faden bis heute durch – Auch nahm man sich gern die Zeit, am Service-Telefon Nichts ist so beständig wie der Wandel! Dies liegt hier rund ums Thema „Corona“ beratend und aufklärend jedoch in der Natur der Sache, zumal ständig neue tätig zu sein. Bei den Gesprächen Lösungen für neue Problemstellungen zu erarbeiten stellte sich vielmals schnell eine waren und sind. Verbundenheit, unabhängig vom Anliegen bzw. der Tätigkeit, Eine weitere verlässliche Variable war das bereits ange- beispielsweise als Arbeitgeber, sprochene Fachverfahren, in welchem die eigentliche Arbeitnehmer, Selbstständiger, Sachbearbeitung erfolgte und auch die Antragsteller Steuerberater oder aus Verbänden, ihre Anträge verfassten (https://ifsg-online.de); hier saß ein, man tauschte sich aus, erarbei- man sich sozusagen virtuell gegenüber, Antragsteller tete gemeinsam Lösungswege in und Sachbearbeiter. Die Antragsteller waren unzufrie- einer Thematik, die für alle neu war den, da sie manchmal im letzten Bearbeitungsschritt und bis heute ist. So einschneidend mit einer Fehlermeldung vom System getrennt wur- und negativ eine solche Pandemie den und somit alle Angaben noch einmal eingeben auch ist, so angenehm ist indes die mussten. 9
WEITERE INFORMATIONEN Hier finden Sie Downloads und weitere Informationen zum Thema Verdienstausfallentschädigung nach den §§ 56 ff. Infektionsschutzgesetz (IfSG): › https://rp-darmstadt.hessen.de/soziales/verdienstausfallentschädigung-nach-den-§§-56-ff- infektionsschutzgesetz-ifsg Im selben Moment riefen sie auch schon an und die Sachbearbeitenden konnten unmittelbar das Leid teilen, da es ihnen in diesem Moment nicht besser erging. Auch sie wurden von Fehlermeldungen und sehr langen Ladevorgängen der externen Plattform nicht verschont. Aber schnell herrschte wieder Einigkeit: „Gemeinsam schaffen wir das!“ Es bleibt zu konstatieren, dass alle Mitarbeiter*innen freiwillig und aus verschiedenen Fachgebieten, wie beispielsweise Naturwissenschaft und Verwaltung, mitwirkten, sich die Kenntnisse zur Sachbearbeitung in Kürze aneigneten und die eigentliche Arbeit parallel mit bewältigten oder an hilfsbereite Kolleg*innen übergaben. Im Januar wurde die Zahl der Mitwirkenden auf etwa 200 Personen angehoben, um dem immer größer werdenden Berg an Anträgen Herr zu werden. Bis Ende Juli 2021 sind ca. 104 000 Anträge hessenweit einge- gangen, 58 000 wurden bislang abschließend bearbeitet und es wurden insgesamt mehr als 46,3 Mio. Euro ausgezahlt. Es ist also noch viel abzuarbeiten, der Projektauftrag wurde bis Ende 2021 verlängert. Es bleibt spannend! Marc Odrosek marc.odrosek@rpda.hessen.de DEZERNAT IV/WI 43.2 10
BEHÖRDLICHE ÜBERWACHUNG IN CORONA-ZEITEN PANDEMIEMASSNAHMEN in Abwasserbetrieben Die Corona-Pandemie stellt uns alle vor große Herausforderungen. Die Überwachung von zur kritischen Infrastruktur gehörenden Abwasseranlagen durch das Dezernat IV/Wi 41.3 Abwasser, anlagenbezogener Gewässerschutz macht da keine Ausnahme. Eine wichtige Information aber vorweg: In abwasser Im Fokus stehen sogenannte Kategorie-I-Kontakte: technischen Anlagen gibt es nach momentanem kumulativ mindestens 15-minütige Begegnungen von Kenntnisstand kein erhöhtes berufsbedingtes Infek- Angesicht zu Angesicht mit einem Abstand von we- tionsrisiko mit SARS-CoV-2. Zwar lassen sich RNA- niger als 1,5 m oder ein Kontakt, bei dem Personen Fragmente des Virus im Abwasser nachweisen, diese mit einer hohen Wahrscheinlichkeit einer relevanten sind jedoch nicht infektiös. Die Übertragung über den Konzentration von Aerosolen ausgesetzt werden. Abwasserpfad ist somit als relativ unwahrscheinlich anzusehen. Trotz alledem ist es wichtig, dass abwassertechnische Betriebe Schutzmaßnahmen gegen die Gefährdung durch SARS-CoV-2 ergreifen. Laut der Bundesver- ordnung zur Bestimmung kritischer Infrastrukturen ist „die Beseitigung von Abwasser eine kritische Dienstleistung, deren Ausfall oder Beeinträchtigung zu erheblichen Versorgungsengpässen oder zu Gefährdungen der öffentlichen Sicherheit führen würde“. Daher sind Maßnahmen zu treffen, die den Anlagenbetrieb unter Pandemiebedingungen zuver- lässig aufrechterhalten und zusätzlich die Gesundheit der Beschäftigten schützen. Das Ansteckungsrisiko Kläranlage Flörsheim (© Mariusz Wojcik, Abwasserverband der Mitarbeitenden soll durch erhöhte Hygienean- Flörsheim) forderungen sowie Vermeidung und Reduzierung dienstlicher Sozialkontakte minimiert werden. 11
Damit auch im Aufsichtsbezirk des Regierungspräsi- Befragungen zu den bisher getroffenen Maßnah- diums (RP) Darmstadt, Abteilung Umwelt Wiesbaden men von Kläranlagen- und Kanalnetzbetreibern im der Betrieb der Abwasseranlagen ohne größere Zwi- Zuständigkeitsbereich des RP Darmstadt, Abteilung schenfälle gewährleistet bleibt, wurden in zahlreichen Umwelt Wiesbaden haben ergeben, dass die meisten Beratungsgesprächen die Betreiber unterstützt. Insbe- Betriebe ihr Personal in Gruppen aufteilen, die ent- sondere wurden folgende Maßnahmen empfohlen: weder zeitversetzt ihre Arbeit aufnehmen oder sich täglich bzw. wöchentlich abwechseln – eine große W eitgehende Kontaktreduzierung zwischen den Herausforderung auf Anlagen mit knapper Personal- Mitarbeitenden decke in Urlaubszeiten und bei Krankheitsfällen. Die › Homeoffice / Digitalisierung Idee mancher Betreiber, im Fall eines Ausbruchs auf Personal benachbarter Kläranlagen zurückzugreifen, › a bsolute Trennung des persönlichen Kontaktes gestaltet sich aufgrund der großen Bandbreite an zwischen einzelnen Arbeitsteams Anlagen und Abwasserzusammensetzungen als › Versetzter Arbeitsbeginn / Arbeitsende nicht realisierbar. Zudem wollen Betriebsleitungen Verstärkung der Hygienemaßnahmen kein Risiko der Ansteckung des eigenen Personals › Erhöhung Reinigungsintervalle eingehen. Kanalarbeiten werden häufig an externe Dienstleister vergeben, Verwaltungsangestellte ins › Bereitstellung von Handdesinfektionsmittel Homeoffice geschickt. Aber vor Ort blieben trotz der › Hygienepläne geltenden Maskenpflicht auf allen Verkehrsflächen und bei gemeinsamen Arbeiten auf engerem Raum Zudem wurden die Betreiber darauf hingewiesen, nicht alle Kläranlagen im Aufsichtsbezirk von Corona- dass Personen, die im Bereich der Abwasserentsor- Infektionen des Personals verschont. Vorsorglich gung arbeiten, einen Anspruch auf Notbetreuung in wurde in diesen Fällen die ganze Schicht unter Qua- Kindertagesstätten und Schulen haben. rantäne gestellt. Es gibt sogar manchen Betreiber, der im Falle eines Ausbruchs innerhalb des Betriebs (positiver Test ohne Symptome) sogar die Einrichtung einer Quarantänestation auf seiner Kläranlage plante. Arbeiten unter Quarantäne ist gemäß den vom Robert-Koch-Institut veröffentlichten „Optionen zum Management von Kontaktpersonen unter Personal der kritischen Infrastruktur bei Personalmangel“ in Ausnahmefällen unter strengen Auflagen möglich. Trotz der außergewöhnlichen Pandemiesituation im Jahr 2020 mit all ihren Herausforderungen wurden von den Betreibern Erweiterungen und Änderungen von Abwasseranlagen geplant. Im Vergleich zu den Vorjahren wurden durch 12
das zuständige Dezernat Abwasser, anlagenbezoge- sonal grundsätzlich nur im Freien, unter Einhaltung der ner Gewässerschutz auch nicht weniger Zulassungen Abstandsregelungen und mit FFP2-Maske erfolgte, erteilt. Die erforderlichen Abstimmungsgespräche wurden auch im Jahr 2020 alle notwendigen, gesetz- fanden aber pandemiebedingt hauptsächlich digital, lich vorgeschriebenen staatlichen Abwasserbeprobun- in Form von Videokonferenzen, statt. gen durchgeführt. Gleiches gilt für die Überwachung durch die Auf- Durch die frühzeitige Aufstellung von abgestuften sichtsbehörde. Die Anzahl der Überwachungsvor- Maßnahmenplänen sowie deren Umsetzung ist es im gänge hat sich verglichen mit dem Jahr 2019 nicht Aufsichtsbezirk der Abteilung IV Umwelt Wiesbaden wesentlich geändert, anders als die Durchführung. bisher nicht zu größeren Ausbrüchen auf Kläranlagen gekommen. In Zeiten steigender Infektionszahlen Die Überwachungen fanden ausschließlich im Freien werden die Pandemiemaßnahmen weiterhin auf die oder vom Schreibtisch aus statt, um dem erhöhten Probe gestellt. Gemeinsames oberstes Ziel bleibt es, Infektionsrisiko in Innenräumen zu entgehen. zu jedem Zeitpunkt die Lage im Griff zu haben und so der wichtigen Aufgabe der Abwasseranlagen als Die staatliche Einleitekontrolle der Abwasserbehand- kritische Infrastruktur kontinuierlich nachkommen zu lungsanlagen vor Ort durfte natürlich auch in Pan- können. demiezeiten nicht fehlen. Im besonderen Jahr 2020 konnte allerdings erst im Juli mit den Probenahmen Marcel Nick marcel.nick@rpda.hessen.de gestartet werden. Unter der Maßgabe, dass der Kon- DEZERNAT IV/WI 41.3 takt zwischen Probenehmenden und Kläranlagenper- Laborbus des RP Darmstadt, Abteilung Umwelt Wiesbaden (© RP Darmstadt) 13
VOM LOGISTIKZENTRUM AUF DEN ACKER WAS HABEN v erpackte Lebensmittelabfälle MIT G IESSKANNEN UND PLASTIKTÜTEN ZU TUN? Eine gemeinsame Entsorgung von verpackten und unverpackten Lebensmittelabfällen entspricht zurzeit noch immer dem Stand der Technik. Im folgenden Artikel werden der Umgang mit verpackten Lebensmittel- abfällen sowie die Auswirkungen auf unsere Umwelt dargestellt. Weiter wird berichtet, wie im Rahmen eines aktuellen Zulassungsverfahrens für ein Logistikzentrum eine Vorgehensweise festgelegt wurde, die mittel- fristig dazu beitragen kann, die bestehende Entsorgungssituation zu verbessern. Logistikzentren sind beliebt und schießen vielerorts wie Pilze aus dem Boden. Häufig werden dafür keine Brachflächen neu bebaut, sondern die Zentren entstehen auf der „grünen Wiese“. Dabei wird zum Teil wertvoller Ackerboden dem landwirtschaftlichen Produktionskreislauf auf unbestimmte Zeit entzogen. Aber auch auf andere Weise kommt der Bodenschutz – und in der Folge Immissionsschutz und Abfall – beim Bau von Logistikzentren ins Spiel. Dies wurde offensichtlich, als ein großer Lebensmitteldiscounter die Zulassung für den Neubau eines Logistikzentrums im Rhein-Main-Gebiet beantragte. Von dem neuen Zentrallager aus – das aktuell auf einer Fläche von 20 ha auf ehemals landwirtschaftlicher Fläche entsteht – sollen ca. 120 Filialen in der Umgebung mit Waren versorgt und deren Abfälle entsorgt werden. Im Rahmen der Entsorgung werden u. a. verpackte und un verpackte Lebensmittelabfälle von den einzelnen Filialen in das sogenannte Wertstofflager des Logistikzentrums gebracht, dort in Absetz- oder Press- containern zwischengelagert, um dann in Anlagen zur Energieerzeugung final verwertet zu werden. Um diese Verwertung von verpackten und unver- packten Lebensmitteln und ihre Auswirkungen auf unsere Umwelt wird es im Folgenden gehen (Stand des Artikels: April 2021). 14
Die Entsorgung von Lebensmittelabfällen in Biogas- anlagen besteht darin, dass zunächst verpackte und Von Kunststoffen in der Umwelt liest man immer unverpackte Lebensmittelabfälle entweder schon wieder, so kam es bei der energetischen Verwer- vermischt angeliefert werden oder sie bei getrennter tung von Lebensmittelabfällen im Jahr 2018 an Anlieferung vor dem Gärprozess gemischt werden. Es der Schlei in Schleswig-Holstein zu einer groß- folgt eine gemeinsame mechanische Zerkleinerung flächigen Verunreinigung mit Kunststoffpartikeln. dieser Abfälle. Die Grob- und Feinfraktionen (über- Unzureichend entpackte Lebensmittelabfälle, wiegend bestehend aus Holz und Kunststoff) werden die geschreddert als zusätzliches Gärsubstrat zur über Siebeinrichtungen vor dem Gärprozess entfernt. Energieerzeugung in den Faulturm der Kläran- Aus dem Gärprodukt werden vor dem Ausbringen lage gepumpt wurden, waren die Ursache. Über auf landwirtschaftliche Flächen in der Regel auch die das Abwasser gelangten die Plastikpartikel über Feinstfraktionen entfernt (siehe Ablaufschema in einer den Kläranlagenablauf in die Schlei. Die Arbeiten Biogasanlage). zur Beseitigung der Plastikteilchen dauern bis heute an. Absetzbehälter Trennmühle Hygienisierung Substrat Biogas Annahme Störstoffe Feinfraktion < 10 mm Feinfraktion < 10 mm Grobfraktion Kunststoffe Vorlage- behälter Nachgärbehälter Fermenter Strom Separation BHKW Gärproduktlager Abgabe an die Landwirtschaft Wärme Feinstfraktion > 1 mm Ablaufschema in einer Biogasanlage zur Behandlung verpackter Lebensmittelabfälle 15
Eine gemeinsame Diese Grenzwerte klingen auf den ersten Blick streng Behandlung verpackter – tatsächlich dürfen so aber bei einem Anfall von 4,2 und unverpackter Le- Millionen Tonnen Kompost und 3,4 Millionen Tonnen bensmittelabfälle entspricht flüssigen Gärresten jedes Jahr mehr als 14 000 Tonnen noch immer dem Stand der Kunststoffe über die Düngung mit Bioabfällen auf Technik. landwirtschaftlich und erwerbsgärtnerisch genutzten Flächen in Deutschland ausgebracht werden. Eine Trennung von Biomasse und darin enthaltenen Kunststoffantei- Um sich diese Menge besser vorstellen zu können, len, die im Wesentlichen aus den hilft es, sich die Masse als Gießkannen oder Plastik- zerkleinerten Lebensmittelverpackun- tüten vorzustellen. Dann entspräche die zulässige gen stammen, ist technisch sehr aufwän- Menge der Kunststoffabfälle rund 143 Millionen dig und wird bisher nur entsprechend der gesetzli- Plastiktüten oder 29 Millionen Gießkannen, die in chen Vorgaben bis zu einer Partikelgröße von größer Deutschland jährlich auf landwirtschaftlich und gärtne- 1 mm umgesetzt. Eine weitergehende Aufbereitung risch genutzten Flächen ausgebracht werden dürfen. und Abtrennung kleinerer Partikel wird voraussichtlich erst dann großtechnisch realisiert werden, wenn die rechtlichen Verpflichtungen dazu bestehen und der Stand der Technik angepasst wird. Im Jahr 2018 fielen 18,9 Millionen Tonnen Verpa- ckungsmaterialien1 in Deutschland an, davon entfielen allein 3,2 Millionen Tonnen auf Kunststoffverpackun- gen. Bei der Entsorgung von Lebensmittelabfällen kommt es über die Düngung mit Gärresten, Klär- schlämmen, Bioabfällen und Komposten zu gesetzlich erlaubten Einträgen von Kunststoffabfällen in Form von Kleinstpartikeln in die Umwelt. Nach der aktuell gültigen Düngemittelverordnung Hinzu kommt, dass Mikroplastik unter 1mm Sieb- (DüMV) sind 0,1 % Trockenmasse (TM) weiche, ver- durchgang derzeit legal in unbegrenzten Mengen formbare und 0,4 % TM harte Kunststoffpartikel in ausgebracht werden kann. Hierzu existieren bisher Komposten, Gärresten etc. bis 1 mm Siebdurchgang keine Grenzwerte in den Verordnungen. zulässig. In der gültigen Bioabfallverordnung (Bio- AbfV) sind die Grenzwerte höher. Sie erlaubt einen Solche konkreten Zahlen machen deutlich, dass Ein- Eintrag von 0,5 % TM für Kunststoffpartikel bis 2 mm träge von Plastikpartikeln in die Umwelt möglichst zu Siebdurchgang. vermeiden und zu reduzieren sind. Das Herangehen Quelle: Aufkommen und Verwertung von Verpackungsabfällen in Deutschland im Jahr 2018 – Abschlussbericht, Texte 166/2020 des Umweltbundesamtes 1 16
an dieses Thema sollte deshalb eine dauerhafte Aufgabe sein, sowohl für uns selbst als Käufer und ZUR VERDEUTLICHUNG: Bei einer Weichplastik Verbraucher, als auch für Hersteller, Vertreiber und menge von 2 900 t und einem Durchschnittsge- Entsorger von Lebensmitteln und damit auch für wicht von 20 g pro Plastiktüte ergibt sich eine Behörden. Eine Umsetzung scheitert derzeit allerdings erlaubte Gesamtmenge an Weichplastik von an den unzureichenden gesetzlichen Vorgaben. 143 000 000 Plastiktüten. Bei einer Hartplastik- menge von 11 500 t und einem angenommenen Im Rahmen des immissionsschutzrechtlichen Zu Gewicht von 400 g einer 10L-Gießkanne ergibt lassungsverfahrens für das Wertstofflager im ein sich eine erlaubte Gesamtmenge an Hartplastik gangs genannten neuen Logistikzentrum wurde von 29 000 000 Gießkannen. behördlicherseits die Trennung der verpackten und unverpackten Lebensmittelabfälle bereits an der An- fallstelle, d. h. in den Supermarkt-Filialen, angestrebt, E inführung eines Grenzwertes für Fremdstoffe nach um einen Verdünnungseffekt zu vermeiden, der eine der Entpackung spätere Abtrennung der Plastikpartikel erschwert. B eurteilung der Einhaltung des Grenzwertes für Ein solches Vorgehen wird aktuell auch in der neuen Fremdstoffe nach einer gleitenden 4-von-5- Handlungsempfehlung der LänderArbeitsGemein- Regelung2 schaft Abfall (LAGA) von Juni 2019 „Konzept für eine V erwertung der zuvor aufbereiteten Lebensmittelab- ordnungsgemäße und schadlose Verwertung von fälle in dafür geeigneten und zugelassenen Anlagen verpackten Lebensmittelabfällen“ gefordert. Das Kon- zept sieht vor, anders als die bisher gängige Praxis, Z usätzliche Fremdstoffabtrennung am Ende der verpackte und unverpackte Lebensmittelabfälle, biologischen Behandlung wenn möglich bereits an der Anfallstelle getrennt zu Behördliche Maßnahmen/Übergangsfristen erfassen und getrennt in der Entsorgungsanlage zu verarbeiten. Damit können die Anteile an Kunststoff Wegen der Anlagenbezogenheit im immissions- partikeln in der Umwelt deutlich reduziert werden. schutzrechtlichen Zulassungsverfahren konnten keine Festlegungen für die Trennung von verpackten und WESENTLICHE ECKPUNKTE DES LAGA-KONZEPTES unverpackten Lebensmitteln an der Anfallstelle der SIND: Lebensmittelabfälle, also in den einzelnen Super- marktfilialen, getroffen werden. Aus Gründen des Ar- G etrennterfassung der verpackten und unverpack- beitsschutzes und der Hygienevorschriften erscheint ten Lebensmittelabfälle an der Anfallstelle und es darüber hinaus aktuell unrealistisch, dass Lebens- Getrennthaltung in der Logistikkette mittelverpackungen manuell oder maschinell bereits O rdnungsgemäße Einstufung verpackter Lebens- in den einzelnen Filialen entfernt werden können. mittelabfälle (AVV-Nummern) S eparate Entpackung vor der Vermischung mit anderen Materialien 2 ird der Grenzwert für Fremdstoffe bei einer einzelnen Analyse nicht eingehalten, gilt er dennoch als eingehalten, wenn 4 Ergebnisse der letzten 5 W Überprüfungen den Grenzwert nicht überschreiten und kein Ergebnis den Grenzwert um 100 % übersteigt. 17
Unverpackte Bioabfälle Verpackte Lebensmittelabfälle (z.B. Küchen- und Sammlung/Erfassung Kantinenabfälle) Bodenbezogene Verwertung Entpackung/Fremdstoff- Vermischung abtrennung Aufbereitung Zerkleinerung Fremdstoffgehalt > 2 mm + maximal 0,5 % TM Organik Hygienisierung Fremdstoffe Fremdstoff- Prüfung abtrennung nach Biologische Vergärung (z.B. Siebung BioAbfV/ 0,5 mm) Behandlung DüMV Fremdstoffe LAGA Handlungsempfehlung „Konzept für eine ordnungsgemäße und schadlose Verwertung von verpackten Lebensmittelabfällen“, Juni 2019 Umso wichtiger war es deshalb, in der Genehmigung Solange in der nachfolgenden Biogasanlage die des Wertstofflagers einen Umgang mit den Lebens- beiden Stoffströme wieder gemeinsam behandelt mittelabfällen festzuschreiben, der einer möglichst werden, ist mit einer separaten Erfassung und Anlie- hochwertigen Aufbereitung nicht entgegensteht. ferung von verpackten und unverpackten Lebens- Für den konkreten Anlagenbetrieb bedeutet das mittelabfällen noch kein großer Fortschritt erzielt. Es zunächst, dass zwei Presscontainer in der Abfallan- sind damit jedoch die Voraussetzungen geschaffen lage eingesetzt werden müssen, einer für verpackte für eine verbesserte Abtrennung der Nicht-Biomasse und einer für unverpackte Lebensmittelabfälle. Der und Vermeidung eines Verdünnungseffektes, sobald Presscontainer mit verpackten Lebensmittelabfällen der rechtliche Rahmen (oder eine branchenweite soll dann zu einer Biogasanlage transportiert werden, verbindliche Selbstverpflichtung) eine gemeinsame die über die technische Ausrüstung zur Abtrennung Behandlung nicht mehr zulässt. der Verpackungen vor den biologischen Prozessen verfügt. Die unverpackten Lebensmittelabfälle können Ein weiterer Aspekt, der sich zurzeit problematisch ohne weitere Vorbehandlung in einer Biogasanlage auf die Entsorgung auswirkt, ist die ordnungsgemäße verwertet werden. abfallrechtliche Einstufung von Lebensmittelabfällen: Auf europäischer Ebene gibt es eine einheitliche 18
herkunftsbezogene Bezeichnung von Abfällen in Form von sechsstelligen Abfallschlüsseln nach der Abfall- AUSBLICK: In der EUWID Nr. 44/2020 war zu verzeichnis-Verordnung (AVV). Für Lebensmittelab- lesen, dass in Baden-Württemberg im Oktober fälle existiert bisher kein zutreffender Abfallschlüssel. 2020 eine Biogasanlage mit einer separaten Häufig verwendet wird der Abfallschlüssel 20 01 08 Aufbereitungslinie für verpackte Lebensmittel- (biologisch abbaubare Küchen- und Kantinenabfälle) abfälle in Betrieb genommen werden konnte. oder ein Abfallschlüssel aus dem AVV-Kapitel 02 Mit einer speziellen Technologie werden die (Abfälle aus […] der Herstellung und Verarbeitung von Lebensmittelabfälle entpackt und die Verpa- Nahrungsmitteln). Nach dem aktuellen LAGA-Konzept ckungsbestandteile gezielt ausgeschleust. sollen verpackte Lebensmittelabfälle aus dem Handel und von Großverbrauchern dem Abfallschlüssel Dadurch werden die organischen Abfälle für die 20 03 01 (gemischte Siedlungsabfälle) mit dem Text- anschließende Biogaserzeugung und landwirt- zusatz „verpackte Lebensmittelabfälle“ zugeordnet schaftliche Nutzung so aufbereitet, dass diese werden. Diese Bezeichnung ist unter Berücksichti- weitestgehend frei von Kunststoffen sind. gung der Herkunft momentan die zutreffendste. Das lässt hoffen, denn schließlich sind Nach der aktuellen Fassung der BioAbfV, die u. a. 29 Millionen Gießkannen einfach zu viel! beim Betrieb von Biogasanlagen relevant ist, sind Lebensmittelabfälle mit dem Abfallschlüssel 20 03 01 allerdings nicht für eine Verwertung nach der BioAbfV 01 08 mit dem Zusatz „verpackte Lebensmittelabfälle“ in einer Biogasanlage zugelassen. Denn die derzeitige verwendet werden darf, um eine Verwertung in Bio- Formulierung der AVV lässt unter diesem Abfallschlüs- gasanlagen zu ermöglichen. sel nur „getrennt erfasste Bioabfälle privater Haushalte und des Kleingewerbes (insbesondere der Biotonne)“ Nach dem Umweltskandal in Schleswig-Holstein (s. o.) zu. Verpackte Lebensmittelabfälle zählen nicht zu den wächst der Druck auf die Unternehmen und auf den getrennt erfassten Bioabfällen. Gesetzgeber, endlich Regelungen zu schaffen, die den Eintrag von Mikroplastik in die Umwelt weitestgehend Überwunden wird dieses Dilemma voraussichtlich verhindern. Das LAGA-Konzept, die Anpassung des erst, wenn in den zu berücksichtigenden Regelwerken Stands der Technik, die Novellierung der Rechtsvor- eine einheitliche Bezeichnung für Lebensmittelabfälle schriften und die behördliche Überwachung sind verwendet wird. geeignete Bausteine für eine weitere Reduzierung des Plastikeintrags in die Umwelt. Bis dahin müssen über Einzelfallentscheidungen mühsam individuelle Lösungen gefunden und Aus- Marion Peine marion.peine@rpda.hessen.de nahmen zugelassen werden. Im konkreten Fall war es DEZERNAT IV/DA 41.5 die Formulierung, dass bis zu einer abfallrechtlichen Änderung/Klarstellung insbesondere der AVV und Karin Taube karin.taube@rpda.hessen.de der BioAbfV übergangsweise der Abfallschlüssel 20 DEZERNAT IV/F 42.1 19
WARUM DAUERT DAS SO LANGE? EIN BEISPIEL WARUM VERWALTUNGS- ENTSCHEIDUNGEN manchmal etwas länger dauern Mit Inkrafttreten der Wasserrahmenrichtlinie im Jahr einmal ein Eingriff in ein bestehendes Recht ist, hat ein 2000 sind alle EU Staaten verpflichtet, ihre Gewässer (Wasser)rechtsinhaber auch ein Recht auf eine ordent- in einen guten Zustand zu bringen. Ein guter Zustand liche, fachlich fundierte Entscheidung von Seiten der bedingt unter anderem, dass Bäche und Flüsse für Behörde und die braucht manchmal Zeit: Fische möglichst durchgängig sein sollen. Querbau- werke, wie Wehre von Wasserkraftanlagen (WKA), Die betreffende Wehranlage einer ehemaligen Leder- verhindern diese Durchgängigkeit, sofern die Wehre fabrik, von der dieses Beispiel berichtet, besteht seit nicht fischfreundlich umgebaut werden. Kein Problem, Anfang des letzten Jahrhunderts. Der Mühlgraben könnte man denken, das kennt man doch, schon hun- bedient zwei Wasserrechte. Das Wasserrecht erlaubt es dert Mal gelesen, dann baut man das Wehr einfach den jeweiligen Eigentümern, das Wasser des Schwarz- um. Das ist ja kein Hexenwerk! bachs aufzustauen, über einen Mühlgraben weiter zu leiten und wieder in den Schwarzbach einzuleiten. Nun, das ist es auch nicht, aber einfach ist es des- halb noch lange nicht: Der Umbau eines Wehres an einer WKA ist fast immer auch mit einem Eingriff in ein bestehendes Wasserrecht verbunden, weil Wassermengen neu festgelegt werden müssen. Ein fischdurchgängiges Gewässer braucht nämlich nicht nur eine geeignete morphologische Ausbildung des Gewässerbettes – es braucht auch Wasser! Der fischfreundliche Umbau eines Wehres trifft den Be- treiber daher doppelt. Er muss meist seine nutzbare Wassermenge reduzieren und den Umbau (zumindest anteilig) finanzieren. Wer Rechte hat, hat auch Pflich- ten. Das ist klar. Aber, weil ein Eingriff in ein Recht nun Wehr (© IUS Weibel & Ness GmbH) 20
Die Betreiber der zur Wiederansiedlung des europäischen Lachses ist. beiden Mühlen (ehe- Die Umgestaltung des Wehrkörpers und der Gewäs- malige Lederfabrik und serbettsicherung kann aber erst dann beplant werden, Krebsmühle) wollen ihr wenn die zur Verfügung stehende Abflussmenge Wasserrecht weiter ausüben. bekannt ist. Die im aktuell noch gültigen Wasserrecht festgesetzte Mindestwas- serführung im Mutterbett des Schwarzbachs Übersichtskarte (Ausleitungsstrecke) liegt bei traurigen 20 l/s, obwohl Schwarzbach mit Mühlgraben das Gewässer normalerweise einen mittleren Abfluss und NSG von ca. 900 l/s an der Stelle hätte. Das Wasserhaushaltsgesetz verpflichtet das Regie- Wehr der Lederfabrik mit rungspräsidium Darmstadt, Abteilung Umwelt Wies- Wasserentnahme baden als obere Wasserbehörde (OWB) gemäß § 27 Wasserhaushaltsgesetz (WHG), oberirdische Gewäs- ser so zu bewirtschaften, dass ein guter ökologischer Zustand erreicht wird. Um dieses Ziel zu erreichen, muss unter anderem die sogenannte lineare Durchgängigkeit im Gewässer hergestellt (§ 34 WHG) und eine ausreichende Min- destwasserführung (§ 33 WHG) sichergestellt werden. Das Wehr verhindert, in seiner jetzigen Ausgestaltung, diese lineare Durchgängigkeit des Schwarzbachs. Da Mühlgraben rüber hinaus ist die aktuell festgelegte Mindestwasser- führung von 20 l/s gemäß Mindestabflusserlass vom 15. Januar 2018 für ein ökologisch intaktes Gewässer unzureichend. NSG Die unzureichende Mindestwassermenge wirkt Krebsmühlwiesen sich hier besonders negativ aus, da der Schwarz- bach zudem Teil des internationalen IKSR-Projektes Wiedereinleitung (Internationale Kommission zum Schutz des Rheins) 21
DAS IST SCHON KOMPLIZIERT GENUG, ABER ES ES IST DAHER ZU KLÄREN: WIRD NOCH „BESSER“: Südlich der Krebsmühle hat W ie viel Wasser braucht das Naturschutzgebiet, um sich entlang des Mühlgrabens zwischen dem anste- nicht geschädigt zu werden? henden Hang und dem Bahndamm ein Feuchtbiotop gebildet, das mutmaßlich vom Wasser des Mühlgra- Ist das Naturschutzgebiet überhaupt auf Wasser aus bens abhängig ist. dem Mühlgraben angewiesen? W ie viel Wasser benötigt der Bach als Die Festlegung einer neuen Mindestwasserregelung Lachsgewässer? nach dem geltenden Mindestabflusserlass würde Wie weit können die Kompromisse gehen? eine erhebliche Reduzierung des Wasserdargebots im Mühlgraben bedeuten. Das Feuchtbiotop ist per Um auf diese Fragen eine Antwort zu finden, wurden Verordnung unter dem Namen „Krebsmühlwiesen zunächst Abstimmungsgespräche geführt: mit der bei Hofheim“ als Naturschutzgebiet (NSG) geschützt. Oberen Naturschutzbehörde, der Oberen Fischerei Diese Verordnung verbietet u.a. die Veränderung des behörde, den jeweils örtlich zuständigen unteren Wasserhaushalts in dem Gebiet. Behörden, den Wasserkraftbetreibern und den Natur- schutzverbänden. Die Folgen einer reduzierten Wassermenge im Mühl- graben, also einer „Veränderung des Wasserhaus- Es wurde klar, dass ohne vertiefende vegetations- halts“ im NSG waren mit den vorliegenden Informa kundliche Untersuchungen des NSG und gewässer tionen zum damaligen Zeitpunkt nicht abschätzbar. ökologische Bewertung der Ausleitungsstrecke und Die Anwendung des Mindestabflusserlasses würde des Mühlgrabens keine fachlich fundierte Lösung für möglicherweise einen Verstoß gegen die NSG-Verord- diese komplexe Situation gefunden werden konnte, nung bedeuten. um die widerstreitenden gesetzlichen Interessen auf- zulösen. Eine externe Beratungsleistung zur Erstellung ALSO: eines Gutachtens durch ein geeignetes Büro war nötig. U m das Wehr umzubauen, muss die zur Verfügung Gegenstand des Gutachtens sollte die Ermittlung stehende Wassermenge bekannt sein, einer Mindestwasserregelung sein, die für die öko u m die Wassermenge festzulegen, muss der gesetz- logischen Belange der Ausleitungsstrecke (Mutterbett lich geregelte Mindestabfluss ermittelt werden, des Schwarzbachs) ausreichend ist und gleichzeitig d ieser neu ermittelte Mindestabfluss greift das Schutzziel des NSG Krebsmühlwiesen nicht ge- aber in das bestehende Wasserrecht ein fährdet. Das Gutachten streckt sich schon allein u nd kollidiert möglicherweise mit den wegen der Kartierungen vor Ort, die ja auch Vorgaben zum Schutz des Naturschutz- bestimmte Jahreszeiten abgreifen müssen, gebietes, durch das der Mühlgraben eine Weile hin. Es liegt aber mittlerweile vor der Wasserkraftanlage fließt. und ist allen Beteiligten zugestellt worden. 22
Im nächsten Schritt wird mit der im Gutachten vorge- für die erforderliche Umplanung des Wehres, damit schlagenen Restwassermenge für den Schwarzbach es wieder fischdurchgängig wird. Danach folgt das Verwaltungsverfahren zur Festlegung einer neuen die Genehmigung jener Planung durch die Obere Mindestabflussmenge durchgeführt und das Wasser- Wasserbehörde in einem weiteren wasserrechtlichen recht für die Mühlen neu geregelt werden. Verfahren. Danach könnte eigentlich mit dem Bau be- gonnen werden … falls die Wasserkraftbetreiber die Kosten alleine stemmen können. Falls nicht, können sie einen Antrag auf Förderung beim Land stellen. Hierfür müssen sie aber die Kommune ins Boot holen, die den Förderantrag zum Umbau des Wehres für die WKA-Betreiber stellen muss. Das kann aufgrund der Regularien der Förderrichtlinie der Wasserkraftbetrei- ber leider nicht selbst machen. Wenn die Kommune diesen Weg mitgeht und das Umweltministerium dem Förderantrag zustimmt und die WKA-Betreiber den Ei- genanteil stemmen können und das Geld zugewiesen wird, dann, ja dann kann endlich umgebaut werden. Es ist also nicht so, dass die Leute vom Regierungs präsidium untätig sind oder zu langsam, es wird einfach nur ordentlich gearbeitet, um die Belange der Natur, die ökologische Bewirtschaftung der Gewässer und gesetzliche Vorgaben in fairen Verwaltungsver- fahren unter einen Hut zu bringen. ALSO, WENN ES MAL WIEDER LÄNGER DAUERT… Michaela Tremper michaela.tremper@rpda.hessen.de DEZERNAT IV/WI 41.2 Chronik des Verfahrens Und jetzt kann das Wehr umgebaut werden? Nein, noch nicht ganz. Nach Abschluss des Wasserrechtsverfahrens kann dann endlich die Planung für den Umbau des Wehres durch den Betreiber in den Fokus genommen werden. Denn die neu geregelte Wassermenge ist Grundlage 23
ABFALLWIRTSCHAFT ENTSORGUNGSWEGE DIGITALISIERUNG im abfallrechtlichen Vollzug Digitaler Arbeitsvorrat, elektronische Signatur, sichere Kommunikationswege – Stichworte, die derzeit im Rahmen der Projekte im Zuge des Online-Zugangsgesetzes (OZG) die Runde machen. Für die rund 150 Be- arbeiterinnen und Bearbeiter in den Stoffstrom-Dezernaten der Umweltabteilungen der Regierungspräsidien (RP) gehört die digitale Vorgangsbearbeitung bereits seit mehr als einem Jahrzehnt zum gelebten Büroalltag. Seit über 10 Jahren gehört die elektronische Vor- war ein über dreieinhalb-jähriger Übergangszeit- gangsbearbeitung in den Abfalldezernaten zum All- raum, in dem die bisher auf Formularvordrucken tag. Mit Hilfe der Fachanwendung ASYS (Abfallüber- basierten Vorgänge auf die elektronische Abwicklung wachungssystem) werden in den Regierungspräsidien umgestellt wurden. Gießen, Kassel und Darmstadt unter anderem mehr als 10 000 Entsorgungsnachweise jährlich elektronisch LÄNDERARBEITSGRUPPE „GEMEINSAME bearbeitet und mehr als 200 000 Abfallbegleitscheine ABFALL-DV-SYSTEME“ elektronisch geprüft. Die Umweltministerien der Länder hatten sich schon Am ersten April 2010 trat die „Verordnung zur Ver- Ende der 90er-Jahre zu einem Länderverbund zu einfachung der abfallrechtlichen Überwachung“ in sammengeschlossen. Die Länderarbeitsgruppe Kraft, mit der der Grundstein für die Digitalisierung „Gemeinsame Abfall-DV-Systeme“ (LAG GADSYS) hat der abfallrechtlichen Vollzugspraxis gelegt wurde. es sich zur Aufgabe gemacht, Datenverarbeitungs Mit dieser Rechtsverordnung des Bundes wurden Ab- fallerzeuger, -beförderer und Entsorger verpflichtet, die Anträge zur Zulassung der Entsorgungswege für gefährliche Abfälle – die sogenannten Entsorgungs- nachweise – ausschließlich in elektronischer Form zu führen. Auch die Dokumentation der tatsächlich durchgeführten Abfalltransporte erfolgt seit diesem Zeitpunkt ausschließlich digital. Vorausgegangen 24
systeme (DV) für den Vollzug der abfallrechtlichen behörden ein elektronisches Postfach unterhalten. Vorschriften zu entwickeln und zu betreiben. Eines Die Kommunikation über dieses System erfolgt nach der wichtigsten DV-Verfahren ist das Behördensystem dem Prinzip der Ende-zu-Ende-Verschlüsselung; nur ASYS, das bundesweit in über 450 verschiedenen der designierte Empfänger der Nachricht kann diese Abfallbehörden von insgesamt mehr als 2 500 Anwen- entschlüsseln und lesen. derinnen und Anwendern eingesetzt wird. Außer dem Abfallüberwachungssystem ASYS betreibt die LAG GADSYS unterschiedliche Webportale, mit denen die betroffenen Unternehmen ihre Anträge erstellen und rechtssicher an die Behörden über tragen können. Neben dem Länder-eANV-Portal zur Erstellung von Entsorgungsnachweisen und Begleit scheinen gibt es das Anzeige- und Erlaubnisportal, mit dem die Beförderer von Abfällen ihrer gesetzlichen Anzeige- bzw. Erlaubnispflicht nachkommen können. Die Technischen Überwachungsorganisationen, die Unternehmen zum Entsorgungsfachbetrieb zertifizie- ren, stellen die Zertifikate über das Zertifiziererportal zur Verfügung. Aus diesen wird das bundesweite Fachbetrieberegister gespeist, das allen Interessierten offensteht, um nach geeigneten Entsorgungsmög- Zugang zu den Fachanwendungen der LAG GADSYS unter lichkeiten zu recherchieren. Das Fachbetrieberegister www.gadsys.de ist wie alle von der LAG GADSYS betriebenen Portale über die Website www.gadsys.de erreichbar. Das ZKS-System wird durch die LAG GADSYS in einem zertifizierten Rechenzentrum hochverfügbar Als Bindeglied zwischen all diesen Anwen- betrieben. dungen betreibt die LAG GADSYS eine Kommunikations-Infrastruktur, die sogenann- Eine bundeseinheitliche Datenschnittstelle stellt sicher, te Zentrale Koordinierungsstelle Abfall dass die nachweispflichtigen Unternehmen auch mit (ZKS). Die ZKS besteht im Wesentlichen kommerziellen Softwareprodukten an dem elektro- aus einer virtuellen Poststelle, in der nischen Verfahren teilnehmen können. Die Unter alle beteiligten Unternehmen nehmen können dabei die Systeme einsetzen, die eine und die Überwachungs- optimale Unterstützung ihrer Arbeitsprozesse bieten. 25
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