JUBILÄUMSJAHR 2020: WIR ERINNERN AN 25 JAHRE SPSG, 30 JAHRE UNESCO-WELTERBE UND 75 JAHRE POTSDAMER KONFERENZ - PROGRAMM JANUAR - MÄRZ 2020

 
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JUBILÄUMSJAHR 2020: WIR ERINNERN AN 25 JAHRE SPSG, 30 JAHRE UNESCO-WELTERBE UND 75 JAHRE POTSDAMER KONFERENZ - PROGRAMM JANUAR - MÄRZ 2020
programm januar – märz 2020

Jubiläumsjahr 2020: Wir erinnern an 25 Jahre SPSG,
30 Jahre UNESCO-Welterbe und 75 Jahre Potsdamer Konferenz

                               In Kooperation mit
JUBILÄUMSJAHR 2020: WIR ERINNERN AN 25 JAHRE SPSG, 30 JAHRE UNESCO-WELTERBE UND 75 JAHRE POTSDAMER KONFERENZ - PROGRAMM JANUAR - MÄRZ 2020
2    weitblick

                                                                                                Foto: SPSG / Jürgen Hohmuth

»Daß gantze Eylandt mus ein paradis werden«, schwärmte Johann Moritz von Nassau 1664. Der
Berater des Großen Kurfürsten von Brandenburg in Fragen der Architektur und Gartengestaltung
empfahl Friedrich Wilhelm, auf der »Insel Potsdam« nahe Berlin eine weitere Schlossanlage zu
errichten. Nachfolgende Herrscher in Brandenburg-Preußen führten den Ausbau zu einer glanz-
vollen Residenzstadt fort. 1833 entwarf der Gartenkünstler Peter Joseph Lenné für Potsdam und
dessen hügel-, wald- und wasserreiche Umgebung einen »Verschönerungs-Plan«. Er schuf damit,
unterstützt von König Friedrich Wilhelm IV., eine weiträumige Kulturlandschaft mit Schlossbauten,
Parks und Gärten, Aussichtspunkten und Sichtbeziehungen – die Grundlagen für die heutige
Welterbestätte. Seit 1990 stehen die »Parks und Schlösser von Potsdam und Berlin« auf der UNESCO-
Liste des Natur- und Kulturerbes der Menschheit. 1995 wurden sie der neu gegründeten Stiftung
Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg (SPSG) anvertraut. Seit nunmehr 25 Jahren
betreut, pflegt und bewahrt die SPSG das gewachsene Gesamtkunstwerk: eine einzigartige Kultur-
landschaft so weit das Auge schweifen kann. Blick aus der Luft über Schloss und Park Babelsberg
auf die Glienicker Brücke. Rechts daneben ragen Bauten von Glienicke aus dem Grün. Im Hinter-
grund ist die Heilandskirche von Sacrow zu erahnen.
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Editorial           3
»Wer nichts verändern will,
wird auch das verlieren,
was er bewahren möchte.«
Gustav Heinemann
                                                             Schlösser und Gärten
                                                             in Zeiten des Wandels
                                                             Gastbeitrag zum 25-jährigen Bestehen der SPSG
                                                             von Dr. Ulrike Lorenz, Präsidentin der Klassik Stiftung Weimar

                                                             Wandel ist die Essenz der conditio humana. Denkmalschützer
                                                             sind sich der veränderlichen Natur der Welt besonders bewusst.
                                                             Sie müssen in unserem Zeitalter des postindustriellen Umbaus
                                                             und hoher Wohlstandsansprüche allzu oft vor unwiederbring-
                                                             lichen Verlusten warnen. Doch ist Veränderung immer auch als
                                                             Chance zu begreifen: die Chance, neu zu denken, anders zu
                                                             gestalten, Zukunft weitsichtig in den Blick zu nehmen. Aus meiner
                                                             eigenen Ankunftserfahrung im »Kosmos« der Klassik Stiftung Wei-
                                                             mar darf ich sagen, dass sich der Stiftung Preußischer Schlösser
                                                             und Gärten Berlin-Brandenburg mit Christoph Martin Vogtherr die
                                                             Chance eröffnet, eine Pionierrolle in der Vermittlung von Vergan-
                                          Foto: Candy Welz

                                                             genheit zu spielen.
                                                             Bau- und Park-Denkmale sind naturgemäß im Wandel. Geschichte
                                                             hinterlässt ihre Spuren. Als besondere Orte des königlich-dynasti-
                                                             schen Kunst- und Gestaltungswillens der Hohenzollern waren die
                                                             preußischen Schlösser und Gärten die längste Zeit ihrer Existenz
                                                             schlicht Baustellen. Doch die von der SPSG gepflegten 300 Ein-
                                                             zeldenkmale und 750 Hektar Parkanlagen erlebten auch eruptive

           inhalt
                                                             Transformationsprozesse, die dem brisanten Kontext Berlin als
                                                             Hauptstadt und Herrschersitz geschuldet sind, wo Veränderung
                                                             oft prägnanter und zerstörerischer gewütet hat als anderswo. Zu
                                                             nennen sind hier das Ende der Monarchie, die Folgen des Zweiten
                    04                                       Weltkriegs, die Teilung Deutschlands. Seit der Fusion der Potsda-
        Die Orte der Kunst waren                             mer und Berliner Schlösserverwaltung 1995 hat die SPSG mit ihrer
       auch Schauplätze der Macht
                                                             kontinuierlichen Aufbauarbeit viel erreicht. Doch stehen wir heute
                    06                                       vor neuen Herausforderungen. Seit etwa fünf Jahren wird sicht-
        Harmonisches Wechselspiel                            und spürbar, dass der menschengemachte Klimawandel Schäden
   von Landschaft, Bau- und Gartenkunst                      verursacht und Korrekturen erfordert, die unser aller Leben verän-
                    07                                       dern werden. Zusätzlich hat sich die Nutzung von Schlössern und
       »Es war eine Wahnsinnszeit«                           Parks durch Einheimische und Touristen stark intensiviert.
                    08                                       Die SPSG hat sich in kreativer Auseinandersetzung mit den Pro-
   Die fünf neuen Märkischen Schlösser                       blemen unserer Zeit neue strategische Ziele gesetzt. Das Sanie-
                                                             rungsprogramm ist dank der Sonderinvestition von 400 Millio-
                     10
                                                             nen Euro auf einem guten Weg. Anspruchsvoll gestaltet sich die
           Jedes Schloss erzählt
                                                             Vermittlungsaufgabe: Wie begeistern, bilden und erreichen wir
          seine eigene Geschichte
                                                             die kulturell und medial mannigfach geprägten Generationen der
                     12                                      Zukunft mit den Sachzeugen der Geschichte des Landes Preußen,
    Bühne frei für den groSSen Auftritt                      das seit 100 Jahren verschwunden ist? Die SPSG will ihre eigene
                    14                                       Geschichte aufarbeiten und sichtbar machen. Die Nachkriegszeit
       »Nichts gedeiht ohne Pflege«                          an der Nahtstelle von Ost und West schiebt sich in den Fokus.
                    16                                       So rückt der konfliktreiche Wandel in der politischen Bedeutung
      Masterplan: Erfolgsgeschichte                          der Schlösser in geteilten und wiedervereinigten Macht- und
            mit Fortsetzung                                  Repräsentationsverhältnissen im 20. Jahrhundert neben die
                     18                                      dynastische Geschichte des einstigen Herrschergeschlechts der
       Ein Freund, ein guter Freund                          Hohenzollern.
                                                             So wie auch die Klassik Stiftung Weimar ihre Zukunft in der Ge-
                     20                                      staltung einer Philosophie des Widerspruchs sucht, wird die SPSG
          PreuSSische Geschichte
                                                             Schlösser und Gärten nicht allein als harmonische Sammlungen
         lebendig im Heute erleben
                                                             exquisiter Kunstwerke vermitteln, sondern als aussagekräftige
                   22                                        Schauplätze einer spannungsgeladenen Geschichte in der Mitte
         Veranstaltungskalender                              Europas – von Menschen gemacht, die geherrscht und gelitten,
                   25                                        geirrt und gehofft haben. Eine menschliche Geschichte, die Be-
        Potsdamer Konferenz 1945 –                           wohner und Besucher des 21. Jahrhunderts zur kritischen Selbst-
         Die Neuordnung der Welt                             wahrnehmung und zum öffentlichen Handeln aktiviert.
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4            Thema

    Wird 2020 auch Thema unserer Stiftung sein:   Auszeichnung und Verpflichtung zugleich: Vor dem ge-           tung der Institution. So ließ der Bund 2006 die Situation der
       Schloss Charlottenburg und die Rolle       meinsamen Neuanfang der beiden Schlösserverwaltungen           großen musealen Einrichtungen in den neuen Bundesländern
     der modernen Kunst beim Wiederaufbau.        Potsdam (Ost) und Berlin (West) stand das »UNESCO-Güte-        in einem Blaubuch untersuchen. Unsere Stiftung wurde in
               Foto: Peter-Michael Baurs
                                                  siegel«. Am 12. Dezember 1990, ein Jahr nach dem Fall der      diesem Dokument als »die Nummer eins unter den kulturel-
                                                  Berliner Mauer und nur zwei Monate nach der Vereinigung        len Leuchttürmen« bezeichnet – ein großer Ansporn für die
                                                  der beiden deutschen Staaten, setzte das Welterbekomitee       weitere Arbeit.
                                                  der UNESCO die »Schlösser und Parks von Potsdam und            Dieses Jahr feiern wir den 30. Jahrestag der Eintragung in das
                                                  Berlin« auf die Liste des Welterbes der Menschheit. Mit Jah-   UNESCO-Welterbe und das 25-jährige Jubiläum unserer Stif-
                                                  resbeginn nahm dann 1995 die Stiftung Preußische Schlösser     tung, der SPSG – Gelegenheit für Rückschau und Ausblick.
                                                  und Gärten Berlin-Brandenburg die Arbeit auf. Der lange und    1995 kamen die Potsdamer und die West-Berliner Schlösser-
                                                  komplizierte Name zeigt, dass ihre Gründung eine Gemein-       verwaltungen zusammen, Vereinigung wurde zur gelebten
                                                  schaftsaufgabe vieler war. Zusammen kamen hier ein sich        Aufgabe. Ungewöhnlich war, dass die West-Organisation als
                                                  neu formierendes und ein neues Bundesland, und über ein        der kleinere Partner in der Stiftung aufging. Beide Seiten
                                                  Finanzierungsabkommen ist der Bund von Anfang an maß-          trafen sich in ihrer Leidenschaft für das künstlerische Erbe
                                                  geblich finanziell beteiligt. Das permanente Engagement        Preußens und wuchsen langsam zusammen. Inzwischen sind
                                                  des Bundes ist auch ein Zeichen für die nationale Bedeu-       die alten Trennlinien verblasst.
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Thema     5

             Die Orte der Kunst
                 waren auch
           Schauplätze der Macht
                                             Klimawandel, Digitalisierung und Debatten:
                                               Bei den Herausforderungen der Zukunft
                                             kann der Blick in die Vergangenheit helfen.

                                                                          von Christoph Martin Vogtherr

Die Gründung der Stiftung war ein Neuaufbruch. Es ging              Grundlegend wandelt sich auch die Gesellschaft in Europa.
um die Zusammenführung und bessere Präsentation der                 Wie alle Kultureinrichtungen wollen auch wir neue Sprachen,
Sammlungen. Nach und nach kamen die märkischen Schlös-              Programme und Partnerschaften entwickeln, um in Zukunft
ser hinzu, und durch Eigentumsübertragungen konnten alte,           unsere gesellschaftlich-kulturellen Aufgaben erfüllen zu
sinnvolle Zusammenhänge wiederhergestellt werden – etwa             können. Verändertes Wissen bei den Besucherinnen und Be-
als die Stiftung in Charlottenburg endlich neben dem Schloss        suchern erfordert neue Vermittlungsinhalte und Methoden.
auch den Schlosspark übernehmen konnte.                             Wir wollen die Schlösser und Gärten als Orte der Geschichte
Wie nur wenige andere historische Themen waren das                  und der Kunst präsentieren, in der Zukunft werden wir sie
Preußenbild und die Preußenforschung von der deutschen              stärker auch als Schauplätze der Macht darstellen. Ein zen-
Nachkriegssituation in Deutschland geprägt. Nach der Katas-         traler Baustein ist hierbei die digitale Vermittlung, so wie die
trophe der NS-Zeit und des Zweiten Weltkriegs konzentrier-          Digitalisierung unsere gesamte Arbeit transformieren wird.
ten sich beide Schlösserverwaltungen auf das künstlerische          Die Bedeutung der Schlösser und Gärten ist nicht nur natio-
Erbe Preußens und versuchten, es so politisch zu entgiften.         nal sondern europäisch. In ihnen wurde europäische Ge-
Ein Neuansatz auch für die Forschung zu Preußen und zum             schichte und manchmal Weltgeschichte geschrieben. Die
preußischen Hof war überfällig, und die Stiftung spielt hier        Schlösser, Anlagen und Sammlungen spiegeln den intensiven
inzwischen eine notwendige Rolle. Das neue Preußenbild ist          kulturellen Austausch quer durch Europa wie wenige andere
politischer, offener und nicht weniger kritisch. Preußen hat        Orte. Diese europäische Rolle werden wir in Zukunft noch
immer falsche Freunde und überschnelle Interpretationen             stärker in den Blick nehmen.
angezogen – die Stiftung wirkt hier durch fachliche Kompe-          Müssen wir im Tourismus global denken, so besinnen wir             Foto: SPSG / Annette Korol
tenz und neue kritische Ansätze korrigierend.                       uns gleichzeitig auf unsere regionale Aufgabe. Wir wollen
Einer der ersten großen Erfolge war die Restaurierung und           ein verlässlicher Partner vor Ort sein, mit einem Angebot, das
­Öffnung der märkischen Schlösser und Gärten, und immer             sich gerade auch an die Region richtet. Wie die ganze Gesell-
 noch stehen gewaltige Restaurierungsarbeiten an. Erst mit dem      schaft, muss die Stiftung sich wandeln und lernen; als kultu-
 Sonderinvestitionsprogramm kam die SPSG in die Lage, die           relle Einrichtung sollte sie dabei auch Orientierung geben.
 enormen denkmalpflegerischen Aufgaben zu bewältigen. Zu-           In diesem Jahr gibt es wieder viel zu sehen und zu erleben.        Prof. Dr. Christoph Martin Vogtherr
 nächst war dazu eine neue Infrastruktur zu schaffen. Mit dem       Wir laden Sie ein, den Fortschritt der Planungen und der Bau-      ist Generaldirektor der Stiftung Preu-
 neuen Wissenschafts- und Restaurierungszentrum, dem Zen-           arbeiten zu verfolgen. Als Ort der Weltgeschichte präsentiert      ßische Schlösser und Gärten Berlin-Bran-
 traldepot für Kulturgut in Potsdam und dem Research ­Center        sich das Schloss Cecilienhof mit der Ausstellung »Potsdamer        denburg. Er kennt die SPSG seit seinen
 Sanssouci für Wissen und Gesellschaft als Nukleus eines For-       Konferenz 1945 – Die Neuordnung der Welt«, wo wir dieses           beruflichen Anfängen als Wissenschaft-
 schungszentrums ist das inzwischen weitgehend gelungen.            Geschehen in seiner globalen Bedeutung darstellen werden.          licher Volontär und Sammlungskustos
 Von seinen europäischen Partnern wird die Stiftung dafür           In den Schlössern werden wir beginnen, an wichtige histo-          für die Malerei der romanischen Schulen.
 gelegentlich beneidet. In den nächsten Jahren wird unsere          rische Ereignisse zu erinnern, die dort stattgefunden haben.       Als Projektleiter bzw. Kurator betreute
 Stiftung in der glücklichen Lage sein, aus finanziellen Sonder-    Wir werden über diese neue Reihe berichten.                        er unter anderem die Ausstellungen
 mitteln unserer Zuwendungsgeber 400 Millionen Euro für den         Und am Ende des Jahres werden wir in Charlottenburg mit            »Friedrich Wilhelm II. und die Künste«
 Erhalt unserer Schlösser und Anlagen sowie für Neubauten zur       einer Ausstellung an die herausragende Rolle der modernen          (Potsdam, 1997), »Sophie Charlotte und
 Verbesserung des Besucherservice ausgeben zu können.               Kunst beim Wiederaufbau des Schlosses und an die oft hef-          ihr Schloss« (Berlin, 1999). Nach leiten-
 Bei vielen Fortschritten zeichnen sich auch große, neue            tigen Debatten erinnern, die Aufträge an zeitgenössische           den Positionen in London und Hamburg
 Aufgaben ab. Der Klimawandel bedroht unsere Gärten – d      ­ ie   Künstler begleiteten – darüber mehr im letzten sans, souci.        wurde Vogtherr am 1. November 2018
 Schäden sind schon jetzt dramatisch. Verschlimmert wird die        des Jahres. Auch 2020 wird uns der Blick zurück bei den            vom Stiftungsrat der SPSG zum General-
 Situation durch einen oft respektlosen Umgang Mancher mit          Herausforderungen der Zukunft helfen.                              direktor der SPSG ernannt. Sein neues
 den Anlagen. Viel Energie und Geld müssen jetzt in den nach-                                                                          Amt trat er am 7. Februar 2019 an.
 haltigen Schutz der Gärten fließen.
JUBILÄUMSJAHR 2020: WIR ERINNERN AN 25 JAHRE SPSG, 30 JAHRE UNESCO-WELTERBE UND 75 JAHRE POTSDAMER KONFERENZ - PROGRAMM JANUAR - MÄRZ 2020
6        wiedergewinnen

                    Harmonisches Wechselspiel
                        von Landschaft,
                      Bau- und Gartenkunst
                                                          Vor 25 Jahren begann für die
                                                       Potsdam-Berliner Kulturlandschaft
                                                               eine neue Blütezeit

                                                                         von Ortrun Egelkraut

Die »Schlösser und Parks von Potsdam und Berlin« sind          Kaum waren 1990 die Sperranlagen im ehemaligen Grenz­               »Außergewöhnliche Kunstschöpfung«:
die größte UNESCO-Welterbestätte in Deutschland. Vor 30        gebiet zum Teil durch die Grenztruppen selbst und zahlreiche          Das Marmorpalais am Heiligen See
Jahren in die Liste des Welterbes aufgenommen, 1992 und        Hilfskräfte beseitigt, machte sich die Potsdamer Gartenabtei-             im Neuen Garten Potsdam
                                                                                                                                      ist Teil des UNESCO-Welterbes.
1999 erweitert, erstreckt sich das Ensemble, von Sanssouci     lung an die Wiederherstellung der verwüsteten Gartenareale                    Foto: Hans Bach.
bis B
    ­ abelsberg und über den Neuen Garten samt Pfingstberg     im Park Babelsberg, im Neuen Garten und in Sacrow. Ur-
und Sacrow in Potsdam bis zu den Schloss- und Gartenanla-      sprüngliche Wegeführungen wurden ergraben, Bodenmodel-
gen von Glienicke und Pfaueninsel in Berlin.                   lierungen und Heckenstrukturen wiederher­gestellt, Sichten
Das Welterbekomitee würdigte vor allem die »außergewöhn-       geschnitten und neue Bäume gepflanzt. Bis die letzten Spu-
liche Kunstschöpfung«. Die bedeutendsten Baumeister und        ren der Zerstörungen verschwunden waren, dauerte es mehr
Gartenkünstler haben über die Jahrhunderte in kreativer        als zehn Jahre.
Adaption unterschiedlicher Baustile ein einzigartiges Ge-
­                                                              Bereits 1988 wurde die Generalsanierung des Marmorpalais
samtkunstwerk geschaffen, ein »Preußisches Arkadien«.          im Neuen Garten geplant, in dem bis zum Frühjahr 1989 das
Um diese harmonische Landschaftskomposition aus Architek-      Armeemuseum der DDR untergebracht war. Nun sollte der
tur und Gartenkunst sowie all die anderen heraus­ragenden      Sommerwohnsitz des Königs Friedrich Wilhelm II. wieder
Kulturgüter des königlich-preußischen Erbes zu pflegen, zu     zum Museumsschloss und zu einem Juwel des Frühklassizis-
bewahren und zu ergänzen, bei Bedarf zu restau­rieren oder     mus werden. 1997 wurden die ersten restaurierten Räume          Mit mehr als 500 festen Mitarbeitern, mit
wiederherzustellen, wissenschaftlich zu erforschen und         zugänglich, seit 2004 können alle prächtigen Innenräume         Volontären, Auszubildenden und Prak-
der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, wurde die »Stif-      besichtigt werden. Die komplette Sanierung einschließlich       tikanten sowie der Servicegesellschaft
tung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg        der Ufermauern und des Gartenumfelds war 2018, nach 30          Fridericus betreut die SPSG einzigartige
(SPSG)« gegründet. Am 1. Januar 1995 nahm die SPSG             Jahren abgeschlossen.                                           Zeugnisse der Kunst-, Kultur- und Archi-
unter Leitung des Generaldirektors Hans-Joachim Giersberg      Zwischen 1991 und 1996 wurde die Bildergalerie von Sans-        tekturgeschichte Brandenburg-Preußens.
in Potsdam ihre Arbeit auf.                                    souci restauriert. Dank der neuen Reisefreiheit und mit Hilfe   Dazu gehören in Potsdam, Brandenburg
»Die Unterschriften unter den Staatsvertrag waren nur noch     einer Spendenaktion der Freunde der Preußischen Schlösser       und Berlin rund 750 Hektar Parks und
eine Formalie«, erinnert sich die heutige Chef­restauratorin   und Gärten e.V. konnte in Italien der gelbe Marmor Giallo di    Gartenanlagen sowie 300 historische
Kathrin Lange, denn schon während der Vorbereitungen für       Siena erworben werden, der dem glanzvollen Saal Friedrichs      Bauwerke. Rund 30 Häuser sind je nach
die gemeinsame Institution hatte die praktische Arbeit unter   des Großen seine Raumwirkung zurückgab.                         Saison für Besucher geöffnet.
neuen Gegebenheiten begonnen. Hier nur drei Beispiele:
JUBILÄUMSJAHR 2020: WIR ERINNERN AN 25 JAHRE SPSG, 30 JAHRE UNESCO-WELTERBE UND 75 JAHRE POTSDAMER KONFERENZ - PROGRAMM JANUAR - MÄRZ 2020
fragen an         7

                                        Kathrin Lange:
                                  »Es war eine Wahnsinnszeit«
                                                                  Neugier, Freude und Mut waren in den 1990-er Jahren
                                                                   die Antriebskräfte für das gemeinsame »Handeln«

                                                                                  die Fragen stellte Ortrun Egelkraut

                                                                               Frau Lange, woran erinnern               Eine große Neugier am gegenseitigen Kennen-
                                                                               Sie sich vor allem, wenn                 lernen und eine riesige Freude prägten diese
                                                                               Sie an Ihre Anfangszeit bei              Zeit nach der Wende. Wir Potsdamer konnten
                                                                               der heutigen SPSG denken?                zum ersten Mal das Schloss Charlottenburg,
                                                                                                                        die Pfaueninsel, das Schloss Grunewald
                                                                                                                        besuchen. Und viele West-Berliner Kollegen
                                                                                                                        kannten die Potsdamer Schlösser nicht.
                                                                                                                        Das Besondere der 90-er Jahre aber war die
                                                                                                                        Wiedergewinnung zahlreicher ehemaliger
                                                                                                                        Schlösser, deren Entdeckung, Sanierung
                                                                                                                        und Restaurierung.

                                                                               Ein Höhepunkt war die Neu-               Verzweiflung, Mut und Vertrauen kamen hier
                                                                               schöpfung der Marmor-                    zusammen. Die zunehmende Verwitterung
                                                                               kopien für das Französische              zerstörte zusehends die Originale. Mit der
                                                                               Rondell an der Großen Fon-               Energie dieser »Wahnsinnszeit«, in der Stim-
                                                                               täne unterhalb von Schloss               mung des Aufbruchs und im gemeinsamen
                                                                               Sanssouci. Das Projekt,                  Willen konnte dieses Projekt realisiert wer-
                                                                               ausgeführt von mehreren                  den. Dabei gab es viel Unbekanntes. Die
                                                                               Bildhauern, dauerte 13 Jahre,            Marmorblöcke in Carrara in der richtigen
                                             Foto: Wolfgang Pfauder

                                                                               eine einmalige Meisterleis-              Qualität zu erwerben, die Bildhauer mit den
                                                                               tung?                                    höchst komplizierten Kopien zu betreuen,
                                                                                                                        aufwendige Transporte ohne Schäden zu
                                                                                                                        realisieren… Man war einfach bereit, dafür
                                                                                                                        die Verantwortung zu tragen, schwierige
                                                                                                                        Wege zu gehen, kreativ dem Ziel entgegen.
                                                                                                                        Wir haben gezeigt, dass es geht und wurden
                                                                                                                        letztendlich Vorbild für andere. Momentan
                                                                                                                        entstehen Marmorkopien für den Großen
                                                                                                                        Garten in Dresden.

                                                                               Seit 2017 befindet sich ein              Das ist etwas ganz Tolles, was in diesen 25
                                                                               großer Teil der Restaurie-               Jahren geglückt ist, ein Ort mit sehr guten
                                                                               rungsfachbereiche im WRZ,                Arbeitsbedingungen für höchste Qualität in
Kathrin lange
ist Chefrestauratorin der Stiftung Preu-
                                                                               dem neuen Wissenschafts-                 der Restaurierung und mit kurzen Wegen für
ßische Schlösser und Gärten Berlin-                                            und Restaurierungszentrum.               Forschung und fachübergreifende Zusam-
Brandenburg (SPSG). Nach ihrer Aus-
                                                                               Was ist das für eine Erfah-              menarbeit. Wir werden national und interna-
bildung zur Steinbildhauerin in Mecklen-
burg und zur Steinrestauratorin in den                                         rung?                                    tional als anerkanntes Kompetenzzentrum
Zentralen Restaurierungswerkstätten der                                                                                 in Fragen der Restaurierung wahrgenom-
Staatlichen Museen zu Berlin absolvierte
sie ein Fachhochschulstudium, das sie                                                                                   men, dieser fachliche Austausch macht
als Diplomrestauratorin für Kulturgut aus                                                                               allen Spaß. Das wollen wir gemeinsam wei-
Stein abschloss. 1991 begann sie bei der
damaligen Stiftung Schlösser und Gärten
                                                                                                                        terentwickeln. Stetig gibt es neue Anforde-
Potsdam-Sanssouci als Restauratorin                                                                                     rungen, ob bei der Erhaltung unserer Schlös-
für Skulpturen. 2006 wurde sie Leiterin                                                                                 ser und Parkanlagen mit ihren Kunstwerken,
des Fachbereichs. Seit 2017 leitet Kathrin
Lange die Abteilung Restaurierung der                                                                                   der musealen Präsentation, der präventiven
SPSG mit 58 Mitarbeiterinnen und Mit-                                                                                   Konservierung, dem Leihverkehr oder der Si-
arbeitern der dreizehn Fachbereiche
Restaurierung.
                                                                                                                        cherung der Baumaßnahmen. Restauratoren
                                                                                                                        sind immer dabei.
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8            Wiedergewinnen

    Schloss und Schlossgarten Caputh
1995 übernahm die SPSG das Schloss Caputh, da
war der luxuriöse Landsitz der Kurfürstin Dorothea
(1639–1689), zweite Frau des Großen Kurfürsten,
schon über 300 Jahre alt und schwer in seiner Substanz
geschädigt. Das mit über 7000 holländischen Fayence-
fliesen verkleidete Gewölbe im Untergeschoss war
sogar vom Einsturz bedroht. König Friedrich Wilhelm I.
hatte es um 1720 einbauen lassen, um es als kühlen
Speisesaal bei seinen Jagdausflügen zu nutzen. Nach
aufwendigen baulichen Sicherungsmaßnahmen und
sorgfältigen Restaurierungsarbeiten konnten 1998 die
ersten Schlossräume öffnen. Ein Jahr später war das
barocke Juwel wieder vollendet. Eine Foto- und Film-
dokumentation informiert neben dem Kassenraum
ausführlich über die verschiedenen Nutzungen und die
Rekonstruktion.

                                                                           Foto: Leo Seidel, 2013

Foto: SPSG, 1996

                     Foto: SPSG, vor 1963

    Schloss und Schlossgarten Paretz
Es waren die original erhaltenen Papiertapeten, die zur Wiederherstellung
von Schloss Paretz führten, einem Lieblingsschloss der Königin Luise. ­­­Die
Cornelsen Kulturstiftung machte das Angebot, den kostbaren Raum­­schmuck
aus der Zeit um 1800 restaurieren zu lassen, unter einer Bedingung: Sie
müssen an den Wänden im Schlossmuseum wieder öffentlich zu sehen sein!
Ab 1997 sorgte das Land Brandenburg für die Wiederherstellungsarbeiten
am Bau, fachlich betreut von Baudenkmalpflegern der SPSG. 2001 konnte die
Stiftung die ersten Räume im Schlossmuseum eröffnen, 2002 eine erste
­Dauerausstellung. Seither wurde diese mehrmals überarbeitet. 2006 kam ­
 in der Remise eine Ausstellung der Kutschen und Sänften hinzu. In diesem
 Jahr wird die Wiedererrichtung des Grottenbergs gefeiert.                                  Foto: Leo Seidel, 2013
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Wiedergewinnen              9

    Schloss und Lustgarten Rheinsberg
Die »Wiedererweckung« des Rheinsberger
Musenhofs begann 1991. Kurz nach dem Aus-
zug des Diabetiker-Sanatoriums der DDR öff-
neten 20 Schlossräume für eine museale Prä-
sentation bedeutender Kunstwerke aus der
Sammlung der preußischen Prinzen Friedrich
(II.) und Heinrich. Im selben Sommer feierte
die Kammeroper Schloss Rheinsberg ihre
erste Premiere im Heckentheater. Es folgten
in Etappen umfassende Sanierungen sämt-
licher baulichen und gärtnerischen Anlagen
des Ensembles und der Wiederaufbau des
Schlosstheaters. Im Schloss wurden unter
den Augen der Besucher weitere 36 Schloss-
räume restauriert und originale Raumdekora­
tionen aus der friderizianischen und der früh-
klassizistischen Zeit freigelegt. 2016, nach
25 Jahren, feierte Schloss Rheinsberg seine
Vollendung.

                                                  Foto: Leo Seidel, 2015

Die fünf »Neuen«
             Nach jahrzehntelanger Fremdnutzung zeigen sich
             die Märkischen Schlösser saniert und restauriert
                     wieder von ihrer schönsten Seite

                                          von Ortrun Egelkraut

   Schlossmuseum Oranienburg
Königin Beatrix der Niederlande ließ es sich nicht nehmen: Ihre Majestät eröffnete
1999 mit der Ausstellung »Onder den Oranje Boom« über »Niederländische Kunst
und Kultur im 17. und 18. Jahrhundert an deutschen Fürstenhöfen« auch das Schloss-
museum Oranienburg. Die Stadt war für die Sanierung des Gebäudes verantwortlich,
die SPSG für die erfolgreiche Ausstellung und die baudenkmalpflegerische Betreu-
ung. Bei weiteren Restaurierungen kamen Fragmente der einst prächtigen Raumde-
korationen zutage. Im »Preußenjahr 2001« öffneten – 300 Jahre nach der Selbstkrö-
nung Friedrichs I. zum König in Preußen – erste Räume der ständigen Ausstellung.
Nach und nach kehrten kostbare Gemälde, Gobelins, Möbel und Ausstattungsstücke
in die ehemaligen Paraderäume, Prunksäle und in die Königswohnung zurück. 2008
folgte mit der Wiedergewinnung des Silbergewölbes ein einzigartiges Glanzstück.

                                                                                     Foto: Wolfgang Pfauder, 2017

                                                                                        Schloss und Schlossgarten Königs Wusterhausen
                                                                                     Neun Jahre dauerte es, bis das Lieblingsschloss König
                                                                                     Friedrich Wilhelms I. (1688 – 1740) im Jahr 2000 als Schloss-
                                                                                     museum seine Türen öffnete. Jahrzehntelange Fremdnutzungen
                                                                                     bis 1991 hatten ihre Spuren hinterlassen. Vom Baugrund bis
                                                                                     zum Dach und zur charakteristischen Turmspitze waren um-
                                                                                     fassende Untersuchungen und Planungen nötig. 1996 konnte
                                                                                     mit kon­kreten Maßnahmen zur Stabilisierung der Konstruktion
                                                                                     und dem Erhalt vorgefundener Originalsubstanz begonnen
                                                                                     werden. Fragmente des früheren Fußbodens führten zu dessen
                                                                                     Rekonstruktion. Für die Ausstattung wurden rund 200 Gemälde
                                                                                     restauriert und Beispiele der Möbelkunst und des Kunsthand-
              Foto: Hans Bach, 2006                                                  werks ausgewählt.
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10   gestalten

                       Skulpturen, dekorative Malerei und edle Materialien:
                       Verbindungsgalerie zum Nordflügel im Marmorpalais.
                               Foto: Andreas Lechtape, Bildarchiv Marburg

                         Repräsentativ: Arbeitszimmer von Wilhelm Pieck
                                   im Schloss Schönhausen.
                                        Foto: Wolfgang Pfauder

                                 Porzellane auf dem Präsentiertisch
                       und illusionistisch gemalte Fayencevase an der Decke;
                        an der Wand: »Allianzbildnis« vom Dreikönigstreffen.
                                Porzellankammer im Schloss Caputh
                               Foto: Andreas Lechtape, Bildarchiv Marburg

                                 Für Schloss Glienicke erworben:
                      Elegante Sitzmöbelgarnitur von Karl Friedrich Schinkel.
                                        Foto: Wolfgang Pfauder

                              Klassizistischer Luxus: Schlafkammer
                           des Prinzen Heinrich im Schloss Rheinsberg.
                                            Foto: Leo Seidel

                                 Zum Luisenjahr 2010 restauriert:
                                 Schlafzimmer der Königin Luise.
                                        Foto: Wolfgang Pfauder

                 Jedes Schloss
                    erzählt
                  seine eigene
                   Geschichte
                       … und zusammen ergibt sich
                 ein stimmiges Bild der Kulturlandschaft
                         Brandenburg-Preußens

                                     von Ortrun Egelkraut
Gestalten               11

Caputh und Oranienburg: kurfürstlich-barocke Hof-          Als erste Herausforderung sollte der Kunsthistoriker      Er kannte auch jedes Stück in den Depots und wusste,­
kultur; Königs Wusterhausen: rustikaler Lebensstil         im Schloss Caputh die Porzellankammer einrichten.         in welchem Schloss es nun wieder zur Geltung kom-
des »Soldatenkönigs«; Rheinsberg: früh-friderizia-         »Meine einzige Orientierung war zunächst die präch-       men sollte. »Es wurden viele Möbel gerückt und Ge-
nisches Rokoko und früh-klassizistischer Musenhof.         tige Deckenmalerei mit der Darstellung unterschied-       mälde von einem Schloss in ein anderes getragen«,
Paretz: romantisch verklärtes Landleben der Königin        licher Porzellane.« Ähnliche Motive finden sich auf       erzählt Samuel Wittwer, der die »Jäger und Sammler«-
Luise. Die Rettung der Landsitze und Sommerresi-           den jetzt dort ausgestellten chinesischen und japa-       Aktivitäten seines Vorgängers auf Auktionen und im
denzen rund um Berlin und Potsdam führte für die           nischen Porzellanen aus dem 17. Jahrhundert wieder.       Kunsthandel fortsetzt. Mit Unterstützung großzügiger
1995 gegründete Stiftung Preußische Schlösser und                                                                    Geldgeber konnten beispielsweise eine von Schinkel
Gärten Berlin-Brandenburg auch zur Erweiterung                          Annäherung an die                            entworfene Sitzmöbelgarnitur für Schloss Glienicke
ihres Spektrums. Hans-Joachim Giersberg, langjäh-                   ursprüngliche Ausstattung                        sowie zwei silberne Prunkleuchter (Girandolen) für
riger Potsdamer Schlösserdirektor und ab 1995 erster                                                                 Schloss Charlottenburg erworben werden. Besonders
Generaldirektor der SPSG, wollte »den Schlössern           Inventare, historische Fotografien, Messbilder, Bau-      glücklich sind alle Beteiligten über die Rückgewin-
ihre eigene Identität wiedergeben und den Besuchern        pläne und Verwaltungsakten sind wichtige Quellen,         nung verschollener Kunstwerke. So fanden einmal
eine geschichtliche und kunstgeschichtliche Reise          um Geschichte und Ausstattung der einzelnen Häuser        auf einen Schlag zehn kostbare Gemälde aus Privat-
vom 16. bis zum 20. Jahrhundert ermöglichen«.              zu erforschen. Sie sind jedoch nicht vollständig erhal-   besitz, die nach 1945 zu den Kriegsverlusten zählten,
Dafür mussten die nach jahrzehntelanger Fremdnut-          ten. Wie Gemälde, Grafiken, Skulpturen und andere         den Weg zurück in die Bildergalerie.
zung leeren märkischen Häuser erst einmal einge-           Kunstobjekte der preußischen Schlösser gehören auch       In den 16 Jahren (2002 bis 2018), in denen Hartmut
richtet werden. Aber nicht nur sie. Auch Schlösser         Dokumente zu den Kriegsverlusten durch Zerstörung         Dorgerloh als zweiter Generaldirektor der SPSG die
in Berlin und Potsdam wurden restauriert, neu gestal-      oder die Beutekunsttransporte in die Sowjetunion.         Stiftung und ihr Wirken prägte, gab es neben Neu-
tet oder erstmals zugänglich gemacht. Das Berliner         Andererseits war es nun im vereinten Deutschland          einrichtungen etwa im Neuen Palais immer wieder
Schloss Glienicke, dicht an der Glienicker Brücke,         möglich, Objekte, die bei der deutschen Teilung zufäl-    andere Schwerpunktsetzungen in ständigen Ausstel-
zeigte 1995 mit einer Ausstellung zur »Potsdamer und       lig jeweils auf der anderen Seite der Grenze lagerten,    lungen wie der Präsentation altdeutscher und nieder-
Berliner Parklandschaft«, erstmals öffentlich auch die     an ihren angestammten Platz zurückzuführen. Auch          ländischer Malerei im Jagdschloss Grunewald. 2012
historischen Schlossräume. Auf der anderen Seite der       die Stiftung Preußischer Kulturbesitz gab Kunstwerke      wurde der Neue Pavillon von Charlottenburg nach lan-
Havel wurden im Schloss Cecilienhof zum 50. Jahres-        aus dem Besitz der Schlösser zurück. Ziel war immer,      ger Restaurierung als »Juwel der Schinkelzeit« wieder-
tag der Potsdamer Konferenz die kronprinzlichen            eine An­näherung an die ursprüngliche Ausstattung zu      eröffnet. Und bereits 2009 ging mit Schönhausen das
Privaträume eingerichtet und zum ersten Mal für            erreichen, die eine Epoche oder Persönlichkeit reprä-     nach fünfjähriger Sanierung komplett neu konzipierte
Besucher geöffnet.                                         sentiert.                                                 Schloss im Norden Berlins »ans Netz«.
Bereits 1990 begonnen hatte die Rückverwandlung            Mit großem Engagement setzte sich Burkhardt Göres,        20 Jahre nach dem Fall der Berliner Mauer hatte man
des Armeemuseums in das königliche Marmorpalais            Schlösserdirektor von 1996 bis zu seinem Ruhestand        einen anderen Blick auf die DDR-Zeit als unmittelbar
im Neuen Garten Potsdam. Die heutige Chefrestau-           2008, nicht nur für Neuerwerbungen zur Vervoll-           danach. So blieben in Schönhausen die Zeitschichten
ratorin Kathrin Lange war damals als Skulpturen­           ständigung der preußischen Raumkunstwerke ein.            verschiedener Nutzungen erhalten. Im Erdgeschoss
restauratorin an der Wiedereinrichtung beteiligt.                                                                    begegnen die Besucher Königin Elisabeth Christine in
Hinter ­den nüchtern gestalteten Ausstellungsräumen                                                                  ihren wiederhergestellten Privaträumen. Mehr als 50
die ursprünglichen Schlossräume »zu entdecken, ent-                                                                  Jahre verbrachte die Gemahlin Friedrichs des Großen
sprechend der historischen Fotos freizulegen, wieder-                                                                hier die Sommermonate. Im Obergeschoss kontras-
herzustellen und mit dem originalen Interieur auszu-                                                                 tiert der im Original erhaltene Rokoko-Festsaal mit
statten, war etwas ganz Besonderes. Alle arbeiteten                                                                  dem Arbeitszimmer von Wilhelm Pieck, dem ersten
zusammen am gemeinsamen Ziel. Und als am Ende                                                                        und einzigen Staatspräsidenten der DDR, und einem
die Möbel, Gemälde und Skulpturen an ihre ursprüng-                                                                  modernen Gästeappartement für hochrangige Staats-
lichen Standorte zurückkehrten und sich in ihrem                                                                     gäste. »Wir würden inzwischen auch mit Schloss
wiedergewonnenen Kontext entfalteten, war das ein                                                                    Rheinsberg anders umgehen und deutlich mehr von
emotionaler Moment für alle Beteiligten.«                                                                            den Spuren des DDR-Sanatoriums erhalten«, erklärt
Die »euphorische Aufbruchstimmung« erlebte auch                                                                      Samuel ­Wittwer. Aber Ausstellungen sind nicht für
Samuel Wittwer, seit 2008 Direktor der Schlösser                                                                     die Ewigkeit gemacht. »Sie sind auch Spiegelungen
und Sammlungen und unter anderem für Konzepte                                                                        unserer Gesellschaft und unseres Blicks auf die Ge-
und Ausstattungen aller Häuser der SPSG verantwort-                                                                  schichte. Und beides verändert sich.«
lich. 1999 kam er als Kustos für Porzellan zur Stiftung.
12       Gestalten

   Bühne frei
    für den
groSSen Auftritt
            Ausstellungen rücken die Arbeit
          hinter den Kulissen ins Rampenlicht

                             von Ortrun Egelkraut

               Friedrich der Große und seine Hunde aus bemaltem Papier,
                   gestaltet von der Künstlerin Isabelle de Borchgrave.
                                    Friederisiko, 2012
                               Foto: Andreas von Einsiedel

Die wichtigste Ausstellung der SPSG in den vergan-
genen 25 Jahren? Ganz klar: »Friederisiko«! Die Jubi­
läumsausstellung zum 300. Geburtstag Friedrichs des
Großen 2012 im Neuen Palais von Sanssouci lässt sich
am besten in Superlativen beschreiben – oder mit den
Worten des damaligen Ministerpräsidenten von Bran-
denburg, Matthias Platzeck, zur Eröffnung: »So etwas
hat die Region Berlin-Brandenburg noch nie gesehen.«
»Friederisko« war die größte, die teuerste, die auf-
wendigste Ausstellung der Stiftung. Fünf Jahre lang
dauerten Planungen und Vorbereitungen. Mit einem
großen Organisationsteam und in allen Abteilungen,
von den Schlössern und Sammlungen über Marketing
bis zum Besucherservice, wurde dafür gearbeitet.
Es gab Forschungsprojekte und internationale Kon-
ferenzen über die Person des Königs (1712 – 1786)              Besucherresonanz und Medienecho waren enorm               fünf Künstler und eine Künstlerin zu ­aktuellen Arbei-
und seine Zeit. Die Ergebnisse fanden Eingang in das           und überwiegend positiv bis jubelnd. Sie nannten die      ten im Freien inspirieren. Mit 350 Gemälden, Skulp-
Ausstellungskonzept und diverse Veröffentlichungen.            Schau groß, genial, zupackend, entschieden, radikal,      turen, Dokumenten und Erinnerungsstücken ließ die
Herausragende eigene Kunstschätze wurden restau-               klug, frech, mutig, innovativ und risikobereit.           Hauptausstellung im Neuen Flügel im Schloss Charlot-
riert, hochkarätige Leihgaben aus ganz Europa ge-              Im temporären Museumsshop am Neuen Palais gab             tenburg »Leben und Mythos der Königin« Revue pas-
wonnen. Zum Hauptexponat wurde das von Friedrich               es neben zwei schwergewichtigen Begleitbänden             sieren: Zur »Preußischen Madonna« und zur »Königin
in Architektur und Ausstattung geplante Neue Palais            und anderen Büchern zum Thema eine Vielzahl an            der Herzen« machte sie erst die Nachwelt.
erkoren. Große Bereiche im prunkvollsten Schloss des           Friedrich-Devotionalien, vom Kaffeebecher bis zum
Königs wurden dafür saniert und erstmals zugänglich            vergoldeten Hundenapf.                                    Könige, Künstler, Baumeister – und Frauen
gemacht.
»Friederisiko« war die meistbesuchte Ausstellung in                       Luise, Königin der Herzen                      Meist waren es »runde« Jubiläen, die in der SPSG
der Geschichte der SPSG. 350 000 Besucherinnen und                                                                       die Jahresthemen vorgaben und in großen kultur­
Besucher in den sechs Ausstellungsmonaten wandel-              Ein Publikumserfolg mit 270 000 Besuchern war zwei        historischen Ausstellungen, von Veranstaltungen be-
ten über insgesamt 1,5 Kilometer lange Pfade durch 72          Jahre zuvor auch die Ausstellungstrilogie zum 200.        gleitet, Herrscher beleuchteten, Künstlerbiografien
Räume und hielten sich durchschnittlich dreieinhalb            Todestag der Königin Luise (1776 – 1810) an ihren         aufblätterten und an Baumeister erinnerten. 1995, im
Stunden im Schloss auf. In zwölf Themen­bereichen              Lieblingsaufenthaltsorten. Die populärste Frau der        Jahr der Stiftungsgründung, war die erste Ausstellung
auf 6000 Quadratmetern, bestückt mit 500 aussa-                preußischen Geschichte und neben Friedrich dem            »Friedrich Wilhelm IV., Künstler und König" zum 200.
gekräftigen Objekten, kamen sie dem umstrittenen               Großen die herausragende Persönlichkeit der Hohen-        Geburtstag des Königs in der Neuen Orangerie im
und widersprüchlichen König nahe, der das Risiko               zollern-Dynastie wurde zur »Miss Preußen 2010« er-        Park von Sanssouci gewidmet. 1999 standen in Berlin
nicht scheute und die Berlin-Brandenburger Kultur-             klärt. Heute würde man sie vermutlich »Influencerin«      »Sophie Charlotte und ihr Schloss« im Mittelpunkt
landschaft entscheidend prägte. Beleuchtet wurden              nennen, denn vor allem die Mode um 1800 in Preu-          ­einer Ausstellung zur 300. Wiederkehr der Einwei-
sein Alltag, seine Freunde und Gegner, seine Vorlie-           ßen war stark vom Geschmack der Königin beeinflusst.       hung des damals noch Lietzenburg genannten Schlos-
ben und Abneigungen, sein Denken und Handeln,­                 »Die Kleider der Königin« waren als Teil des Ausstel-      ses Charlottenburg. 250 Jahre Bildergalerie von Sans-
seine Kriege und seine Liebe zu allen Formen der               lungsreigens im Schloss Paretz zu bewundern. Von der       souci waren 2013 Anlass, »Die Schönste der Welt«
Kunst.                                                         »Inselwelt der Königin« ließen sich auf der Pfaueninsel    weitgehend wieder so zu zeigen, wie sie Friedrich der
gestalten   13

                                                                                                          Glanzvolle Inszenierung:
                                                                                                Luise. Die Kleider der Königin. Paretz, 2010.
                                                                                                             Foto: Ulrich Schwarz
                                                                                                  Teure Geschenke: Frauensache, 2015.
                                                                                                             Foto: Daniel Lindner
                                                                                                 Freundschaften: Voltaire und Wilhelmine.
                                                                                                           Friederisiko, 2012.
                                                                                                               Foto: Leo Seidel
                                                                                                       Wer mit wem? Heiratspolitik.
                                                                                                           Friederisiko, 2010.
                                                                                                               Foto: Leo Seidel
                                                                                                         Das Ende der Monarchie:
                                                                                                         Kaiserdämmerung, 2018.
                                                                                                           Foto: Peter-Michael Baurs

Große eingerichtet hatte, im wirkungsvollen Zusam-       die ­Geschicke Brandenburgs, des Königreichs Preu-
menspiel von Baukunst, Malerei und Bildhauerkunst.       ßen und zuletzt des Deutschen Kaiserreichs. Und was
Ausstellungen mit biografischem Ansatz waren un-         machten ­
                                                         ­          ihre Ehefrauen, Mütter, Töchter, Schwe-
ter anderem »Prinz Carl. Beschützer des Schönen«         stern? Sie knüpften Netzwerke in Sachen Heirats­
im Schloss Glienicke (2001), »Prinz Heinrich von         politik, brachten Mitgift und Geschenke in die
Preußen. Ein Europäer in Rheinsberg" (2002) oder         ­Familie, nutzten ihre Spielräume am Hof und hatten
»Cecilie. Deutschlands letzte Kronprinzessin« im          gewichtigen Anteil an der politischen, kulturellen und
Marmorpalais (2004). »Ludwig Persius, Architekt           gesellschaftlichen Gestaltung Brandenburg-Preußens.
des Königs« (Friedrich Wilhelm IV.) wurde 2003 in         Sie wurden nur einfach von der Geschichtschreibung
»seinem« Schloss Babelsberg präsentiert. Dort folgte      »vergessen«. Um dies zu ändern, vollzog die Ausstel-
2017 »Pückler. Babelsberg« inmitten seiner frisch         lung »Frauensache. Wie Brandenburg Preußen wur-
­restaurierten gartenkünstlerischen Schöpfung.            de« im Theaterbau des Schlosses Charlottenburg den
 Weit in die Geschichte zurück blickte die Ausstellung    Perspektivwechsel und rückte erstmals die Leistun-
 »Cranach und die Kunst der Renaissance unter den         gen vieler Hohenzollernfrauen ins Blickfeld.
 Hohenzollern« 2009 im Neuen Flügel im Schloss            Auch das 20. Jahrhundert spiegelte sich in Ausstel-
 Charlottenburg. Sie zeigte, wie die Hohenzollern         lungen der SPSG. So zeigte 2016 im Schloss Schön-
 schon früh Politik und Religion, Kunst und Wissen-       hausen »Schlösser für den Staatsgast – Schönhausen
 schaft zur Selbstdarstellung miteinander verknüpften     und Augustusburg«, wie Staatsbesuche im geteilten
 und präsentierte nach mehrjähriger Forschung neue        Deutschland zelebriert wurden. Und 2018 erinnerten
 Erkenntnisse zur Malweise und Arbeitsorganisation        im Neuen Palais punktuelle Interventionen unter dem
 der überaus produktiven Cranach-Werkstatt.               Titel »Kaiserdämmerung« an das Ende der Monarchie
 2015 war es genau 600 Jahre her, dass die fränkischen    in Deutschland. In diesem Jahr geht es mit der Sonder-
 Hohenzollern mit der Mark Brandenburg belehnt            ausstellung im Schloss Cecilienhof zum 75. Jahrestag
 worden waren. Rund 500 Jahre lenkten und bestimm-        der Potsdamer Konferenz 1945 um nichts weniger als
 ten Kurfürsten, Könige und Kaiser dieser ­Dynastie       um »Die Neuordnung der Welt.«
14   bewahren

                      »Prospect des Königl. Lust-Schlosses und Gartens
                            Sans Soucy bei Potsdam«, um 1750,
                               geschaffen von Kupferstecher
                          Johann David Schleuen (der Ältere), 1763.
                                          Foto: SPSG
                        Hat seinen Platz im Figurenrondell im Parterre
                               von Sanssouci: Kriegsgott Mars,
                         Kopie nach François Gaspard Adam, 1764.
                                   Foto: Hans Christian Krass

                  Nichts
                  gedeiht
                ohne Pflege
                       Millionen Menschen
                     flanieren jährlich durch
                die Parks und Gärten der Stiftung
                       und erfreuen sich an
                    lebendigen Kunstwerken

                                 von Ortrun Egelkraut
bewahren                15

                                                                                                          Morgenstimmung im Nebel:
                                                                                                       Blick vom Schloss Charlottenhof
                                                                                                      zum Neuen Palais von Sanssouci;
                                                                                               die Säule im Wasserbecken krönt eine Büste der
                                                                                                           Kronprinzessin Elisabeth.
                                                                                                                Foto: Hans Bach
                                                                                                         Barocke Gartengestaltung:
                                                                                              Broderieparterre im Schlossgarten Charlottenburg.
                                                                                                             Foto: Wolfgang Pfauder

Von Zerstörungen durch die einstigen Grenzsperren          Zum Jubiläum »Friedrich300« im Jahr 2012 konn-                 lichen Führungen zu den »Exoten im Winterschlaf« ha-
bis zum Klimawandel heute: Die Gärtner und Garten-         ten die Strukturen eines Heckentheaters neben dem              ben sich zum Renner entwickelt. Rund 1000 ­Palmen,
denkmalpfleger der SPSG stehen seit 25 Jahren vor          ­Neuen Palais ergraben und dank großzügiger Unter-             Lorbeer- und Zitrusbäumchen überwintern in der
immer neuen Herausforderungen. Unermüdlich wid-             stützung durch die Freunde der Preußischen Schlös-            Pflanzenhalle des Orangerieschlosses von ­Sanssouci.
men sie sich ihrem Auftrag, durch kontinuierliche           ser und Gärten die Bühne rekonstruiert werden. Das            2014 lockte die Open-Air-Ausstellung »Paradiesapfel«
Pflege das »grüne« Welterbe in seiner überlieferten         Potsdamer Theater Poetenpack hat den romantischen             in den Park Sanssouci. An 19 Stationen gab das »natür-
Schönheit und ganzheitlichen Harmonie zu bewahren.          Ort inzwischen zu seiner sommerlichen Spielstätte er-         liche« Inventar – Pflanzen, Skulpturen, Architekturen
Die Parks und Gartenanlagen der SPSG umfassen               koren. Im Juli treten die Komödianten dort wieder auf.        – Auskunft über Landschaft, Inszenierung, Garten-
insgesamt knapp 750 Hektar, das ist mehr als dop-                                                                         kunst, Genuss und Ernte. Die alltägliche gärtnerische
pelt so groß wie das Tempelhofer Feld in Berlin. Trotz              Ausstellungen würdigen die                            Praxis war ebenso Thema wie Naturschutz und Klima-
eines spürbar großen Pflegedefizits ist es in den 25                Arbeit der Gartengestalter                            wandel. Die Auswirkungen des Klimawandels sind in
Jahren gelungen, nach und nach einzelne Bereiche                                                                          den Gärten der Stiftung deutlich zu erkennen. Weit
denkmalgerecht nach historischen Vorlagen wieder-          Mit diversen kleinen und großen Ausstellungen stell-           mehr als tausend Bäume, einige rund 200 Jahre alt,
herzustellen oder einfühlsam neu zu gestalten. Dies        te die SPSG immer wieder Aspekte der Gartenkunst               sind in den Parks Sanssouci, Babelsberg und Neuer
gilt unter anderem für die Parks und Gärten rund um        vor. 2001, zur Bundesgartenschau in Potsdam, stan-             Garten vom Absterben bedroht.
die märkischen Schlösser. Im Schlossgarten Charlot-        den »Die Potsdamer Parklandschaft und ihre Gärtner«            Bereits 2013 setzte sich die von der SPSG veranstal-
tenburg, im Jahr 2000, gleichzeitig mit dem Park am        im Mittelpunkt der Ausstellung »Nichts gedeiht ohne            tete internationale Konferenz »Historische Gärten im
Schloss Glienicke, von Berlin an die SPSG übergeben,       Pflege«. Die Schau im Orangerieschloss von Sans­souci          Klimawandel«, unterstützt von der Deutschen Bun-
kann man wie zu Zeiten der Königin Sophie Charlotte        blätterte mit historischen Plänen und Abbildungen              desstiftung Umwelt (DBU), mit diesem Thema aus-
durch das Broderieparterre flanieren und sich an den       die Entwicklung der Kulturlandschaft vom 17. bis ins           einander. Dem folgte ein interdisziplinäres Netzwerk
barocken Ornamenten erfreuen. Für die Parkgestal-          20. Jahrhundert auf, vom Lustgarten des Großen Kur-            von Denkmalpflegern, Natur- und Geisteswissen-
tung im 20. Jahrhundert steht der von einer ­Mauer         fürsten über die Verschönerungen durch Peter Joseph            schaftlern, die gemeinsam Handlungsstrategien für
umgebene moderne Garten am Berliner Schloss                Lenné und Hermann Fürst von Pückler-Muskau bis                 die Bewahrung der Potsdam-Berliner Kulturlandschaft
Schönhausen. Die Restaurierung ab 2009 gab ihm den         zur Aufnahme in die UNESCO-Welterbeliste 1990.                 entwickelten. 2017 wurde die Publikation veröffent-
Charme der 1950-er Jahre zurück.                           2004 würdigte die Ausstellung »Preußisch Grün« im              licht.
Im 18. Jahrhundert, unter Friedrich dem Großen,            Schloss Glienicke die Arbeit der weniger bekannten             Im November 2019 startete die SPSG, erneut in Zu-
diente der Park Sanssouci vor allem der Repräsen­          Hofgärtner und ebnete den Weg zum Hofgärtner-                  sammenarbeit mit der DBU, das Forschungsprojekt
tation. Blumenrabatten allein genügten nicht. Skulp-       Museum, das zwei Jahre später am gleichen Ort                  »Historische Gärten und Gesellschaft. Kultur – ­Natur
turen, Fontänen, sorgfältig angelegte Wege und             ­eröffnete. Dokumente und Objekte aus dem Besitz               – Verantwortung«. Bei der Auftaktveranstaltung ging
­Gartenarchitekturen wie die seit 2018 wieder strah-        der preußischen Hofgärtner illustrieren die Facetten          es um »Nutzung und Gestaltung – Wandel der Garten-
 lende marmorne Neptungrotte im östlichen Lustgar-          gärtnerischer Arbeit, vom Planzeichnen und Vermes-            kultur und Gesellschaft«, unter anderem mit der An-
 ten bezeugten Macht und Reichtum des Herrschers.           sen bis zur Blumenkultur.                                     regung zu einem neuen Nachdenken über den sorg-
 Gärten sollten zugleich auch nützlich sein. So förderte    »Preußisch Grün« wurde zum Titel einer Veranstal-             samen Umgang mit historischen Gärten. Dabei kann
 Friedrich der Große in seinem unmittelbaren Umfeld         tungsreihe, die mit Führungen, Festen und anderen             auch das vollständige Zitat von Peter Joseph ­Lenné
 den Obstanbau. Daran anknüpfend wurden in den              unterhaltsamen Formaten die unterschiedlichsten               helfen, dessen ersten Teil wir als Titel zu diesem
 vergangenen Jahren unterhalb der Neuen K     ­ ammern      Themen der Gartenkultur einem großen Publikum                 Beitrag wählten:
 wieder Kirschbäume und vor der Bildergalerie von           nahe brachte. Einzelne Veranstaltungen sind geblie-           »Nichts gedeiht ohne Pflege; und die vortrefflichsten
 Sanssouci Apfelbäume gepflanzt.                            ben: Das »Ausfahren der Orangerie« im Mai ist immer           Dinge verlieren durch unzweckmäßige (= respektlose)
                                                            ein Erlebnis für die ganze Familie. Und die winter-           Behandlung ihren Wert.«
16   Bewahren

                            Der Masterplan –
                         eine Erfolgsgeschichte
                             mit Fortsetzung
                                             Bis zum Jahr 2030 können 60 weitere
                                         vom Verfall bedrohte Bauwerke saniert werden.

                                                                             von Ortrun Egelkraut

                                                        Links:
                                                   In Würde gealtert:
                                                  Dachlandschaft des
                                                 Schlosses Cecilienhof.
                                                   Foto: Olaf Saphörster
                                                        Unten:
                                               Auferstanden aus Ruinen:
                                            Kolonnade am Neuen Palais und
                                               Detail mit Attikaskulptur.
                                                     Fotos: Leo Seidel
                                                        Rechts:
                                                 Funktionale Moderne:
                                             Neubau für das Wissenschafts-
                                              und Restaurierungszentrum.
                                                    Foto: Marcus Ebner

                Denkmalpflege und Barrierefreiheit, Nachhaltigkeit und Um-           In der neu geschaffenen Abteilung Architektur wurden in-
                weltschutz, Handwerk und Hightech, Erhalten und Erneuern:            terdisziplinär und abteilungsübergreifend Projektteams
                Die Themen sind so vielfältig wie die Herausforderungen an-          zusammengestellt. Zwischen 2008 und 2017 konnten ins-
                spruchsvoll. Jedes von der SPSG betreute Baudenkmal des 16.          gesamt 38 Bau- und Restaurierungsvorhaben sowie sechs
                bis 20. Jahrhunderts hat seine eigene Geschichte. Bausünden          Gartenprojekte abgeschlossen werden. Eines der Groß-
                aus der Entstehungszeit, natürlicher Alterungsprozess oder           projekte war das Ensemble am Neuen Palais von Sanssouci
                Vernachlässigung haben zum Teil schwere Beschädigungen               mit dem Wiederaufbau der durch eine Weltkriegsbombe
                verursacht. Eile war geboten, als nach der Wiedergewinnung           zerstörten Sandstein-Kolonnade und der Einrichtung eines
                der märkischen Schlösser die Potsdamer Schlossbauten auf             modernen Besucherzentrums im einfühlsam umgebauten
                ihren Zustand untersucht wurden. Mit den finanziellen Mit-           friderizianischen Südtorgebäude. Im Neuen Palais selbst,
                teln und personellen Kräften aus der Abteilung Baudenkmal-           Gästeschloss Friedrichs des Großen, wurden unter anderem
                pflege war der 2007 aufgestellte Masterplan für die anste-           das Sockelgeschoss abgedichtet, 172 Skulpturen auf dem
                henden Sanierungsarbeiten nicht zu realisieren. Hartmut              Umgang restauriert und mit dem Unteren Fürstenquartier
                Dorgerloh, Generaldirektor der SPSG von 2002 bis 2018,               eine ganze Raumflucht wiederhergestellt. Spektakulär ge-
                gelang es, die Politik für die brenzlige Situation zu sensibi-       staltete sich nach aufwendiger Untersuchung die Sanierung
                lisieren. 2008 war es so weit: Die Zuwendungsgeber – die             der Deckenbalkenkonstruktion zwischen dem Marmorsaal
                Länder Berlin und Brandenburg sowie der Bund – stellten für          und dem Grottensaal, um im Obergeschoss den kostbaren
                das Sonderinvestitionsprogramm (SIP 1) zur Rettung bedeu-            inkrustierten Marmorfußboden und das darunter liegende
                tender Denkmäler der Berliner und Potsdamer Schlösserland-           Deckengemälde nicht zu gefährden. Diese 250 Jahre alten
                schaft 155 Millionen Euro zur Verfügung.                             Raumkunstwerke wurden anschließend restauriert.
bewahren                17

                   Unten:
         Elegant unauffällig: Aufzug
         für Schloss Charlottenburg.
                 Foto: Leo Seidel
                Unten rechts:
      Gartenblicke: Schloss Babelsberg
       von außen und nach draußen.
                 Fotos: Leo Seidel,
        Krekeler Architekten Generalplaner
                Ganz unten:
     Nach der Restaurierung: Marmorsaal
      im Neuen Palais und Pflanzenhalle
     im Orangerieschloss von Sanssouci.
        Fotos: Wolfgang Pfauder, Leo Seidel

An anderen Schlössern ging es mit der Überarbeitung und         rierungszentrum (WRZ) am Rand des Parks Sanssouci bietet
Reparatur der Dächer, Fenster und Fassaden auch um energe-      ideale Arbeitsplätze für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
tische Hüllensanierung – und in allen Fällen um etwas mehr.     der Abteilungen Schlösser und Sammlungen sowie Restau-
Im Schloss Charlottenburg wurden technische Anlagen er-         rierung. Im Zentralen Kunstgutdepot (ZED) in der Nähe des
neuert und mit einem Aufzug erstmals Barrierefreiheit für       Hauptbahnhofs stehen Kunstgüter aus den diversen Samm-
das Obergeschoss geschaffen. Am Schloss Cecilienhof im          lungen der SPSG bei besten konservatorischen Bedingungen
Neuen Garten wurden nach der Schadstoffsanierung des            der Forschung zur Verfügung.
hölzernen Dachstuhls originale Dachziegel mit Ersatzmate-
rial so gemischt, dass die charakteristische Dachlandschaft     … und weiter mit SIP 2                                          Zwischen Welt und Erbe
ein würdevoll gealtertes Erscheinungsbild aufweist. Für die                                                                     10 Jahre Masterplan für die preußischen
Pflanzenhallen am Orangeriesschloss von Sanssouci wurden        Für die Fortsetzung des Sonderinvestitionsprogramms zur         Schlösser und Gärten
die historischen Eisengussfenster rekonstruiert, für Schloss    Rettung der preußischen Schlösser und Gärten (SIP 2) haben      Hrsg. Generaldirektion der Stiftung
Babelsberg sprossenlose Großverglasungen angefertigt. Zu-       der Bund und die Länder Brandenburg und Berlin 400 Milli-       Preußische Schlösser und Gärten Berlin-
dem erstrahlt die mit Laser gereinigte Sichtziegelfassade       onen Euro bis 2030 bewilligt. Die Römischen Bäder und das       Brandenburg (SPSG)
weithin sichtbar. Und zur Freude sommerlicher Parkbesucher      Schloss auf der Pfaueninsel stehen ganz oben auf der Liste      Bearbeiter: Ayhan Ayrilmaz
sind die Wasserspiele aus der Kaiserzeit wieder zu erleben.     mit 60 Projekten. Auch drei Neubauten sind dabei: je ein        und Volker Thiele
Die Teilsanierung des historischen Leitungsnetzes im Park       Besucherzentrum am Schloss Charlottenburg in Berlin und         272 Seiten, 310 Abbildungen, 29,95 Euro
lässt nun wieder Brunnen sprudeln und Bächlein plätschern.      an der Historischen Mühle in Potsdam sowie ein Skulpturen-      Michael Imhof Verlag, Petersberg
Das Sonderinvestitionsprogramm SIP 1 ermöglichte auch zwei      depot in Potsdam. Die Planungen für die ersten 25 Projekte      Erhältlich in den Museumsshops
eindrucksvolle Neubauprojekte. Das Wissenschafts- und Restau-   laufen bereits.
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