Jugend und Arbeit in Österreich - Berichtsjahr 2019/2020 - Bundesministerium für Arbeit
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Impressum Medieninhaber und Herausgeber: Bundesministerium für Arbeit, Familie und Jugend (BMAFJ) Untere Donaustraße 13-15, 1020 Wien Verlags- und Herstellungsort: Wien Autorinnen und Autoren: Ingrid Nagl, Valerie Bösch, Tanja Jandl-Gartner (Abteilung III/A/3) unter Mitarbeit von Kai Hartig, Renate Schirmbrand und Sonja Schmöckel (Abtei lung III/B/4a) Übersetzung: Eva Holzmair-Ronge Titelbild: ©istockphoto.com/Delphine Poggianti Wien, 2020 Alle Rechte vorbehalten: Jede kommerzielle Verwertung (auch auszugsweise) ist ohne schriftliche Zustimmung des Medieninhabers unzulässig. Dies gilt insbesondere für jede Art der Vervielfältigung, der Übersetzung, der Mikroverfilmung, der Wiedergabe in Fernsehen und Hörfunk, sowie für die Verbreitung und Einspeicherung in elektronische Medien wie z. B. Internet oder CD- Rom. Im Falle von Zitierungen im Zuge von wissenschaftlichen Arbeiten sind als Quellenangabe „BMAFJ“ sowie der Titel der Publikation und das Erscheinungsjahr anzugeben. Es wird darauf verwiesen, dass alle Angaben in dieser Publikation trotz sorgfältiger Bear beitung ohne Gewähr erfolgen und eine Haftung des BMAFJ und der Autorin/des Autors ausgeschlossen ist. Rechtausführungen stellen die unverbindliche Meinung der Auto rin/des Autors dar und können der Rechtsprechung der unabhängigen Gerichte keinesfalls vorgreifen. Bestellinfos: Kostenlos zu beziehen über das Broschürenservice des Sozialministeriums unter der Telefonnummer 01 711 00-86 2525 oder per E-Mail unter broschuerenser vice@sozialministerium.at. Jugend und Arbeit in Österreich 2 von 74
Inhalt Einleitung ..................................................................................................................... 4 1 Zahlen, Daten, Fakten .............................................................................................. 5 1.1 Demografische Entwicklung ................................................................................... 5 1.2 Bildungsstand ......................................................................................................... 8 1.3 Jugendbeschäftigung und -arbeitslosigkeit ............................................................. 9 1.4 Jugendliche nach Beendigung der Ausbildung: Bildungsbezogenes Erwerbskarrierenmonitoring....................................................................................... 17 1.5 Lehrlingsstatistik und Lehrstellenmarkt ................................................................ 18 2 Das österreichische Bildungs- und Ausbildungssystem .......................................... 23 2.1 Schule und Lehre .................................................................................................. 23 2.2 Tertiäre Bildung .................................................................................................... 29 2.3 Bildungs- und schulpolitische Schwerpunkte ........................................................ 33 3 Berufsbildung und Unterstützung am Übergang .................................................... 40 3.1 Berufs- und Bildungsinformation .......................................................................... 40 3.2 Die Lehre .............................................................................................................. 43 3.3 Übergangsmanagement Schule–Beruf.................................................................. 56 3.4 Angebote für bestimmte Zielgruppen ................................................................... 61 4 Aktivitäten der Europäischen Union ...................................................................... 67 4.1 Der Europäische Sozialfonds................................................................................. 67 4.2 Europäische Jugendgarantie ................................................................................. 68 4.3 ERASMUS+ ........................................................................................................... 69 Tabellenverzeichnis.................................................................................................... 70 Abbildungsverzeichnis ............................................................................................... 71 Abkürzungen .............................................................................................................. 72 Jugend und Arbeit in Österreich 3 von 74
Einleitung Die Angebote der österreichischen Arbeitsmarktpolitik unterstützen Jugendliche dabei, die für sie passende Ausbildung und einen adäquaten Arbeitsplatz zu finden. Sie reichen von Berufsberatung und Jugendcoaching über die überbetriebliche Berufsausbildung bis hin zu niederschwelligen Angeboten wie AusbildungsFit. Diese breit gefächerten Programme und Projekte werden laufend adaptiert und erweitert, um den Jugendlichen bessere Chancen zu ermöglichen, ihnen Qualifikationen und Kompetenzen zu vermitteln und eine individuellere Unterstützung zu bieten. So wurde 2013 das Jugendcoaching flächendeckend eingeführt, 2014 AusbildungsFit pilotiert. Die 2016 beschlossene Ausbildungspflicht ist ein besonders wichtiges Projekt. Mit der Umsetzung der AusBildung bis 18 schließt an die allgemeine Schulpflicht eine Ausbildungspflicht an, um Jugendliche über die allgemeine Schulpflicht hinaus zu qualifizieren und ihnen damit bessere Zukunftschancen zu ermöglichen. Aber auch für junge Erwachsene (19- bis 25-jährige) hat die Arbeitsmarktpolitik mit der Umset zung der Ausbildungsgarantie bis 25 reagiert und den Fokus auf Bildung und Ausbildung zwecks nachhaltiger Arbeitsmarktintegration gelegt. Ziel der Broschüre „Jugend und Arbeit in Österreich“ ist es, über Bildung, Ausbildung und Beschäftigung von Jugendlichen in Österreich zu informieren. Sie stellt insbesondere das breite arbeitsmarktpolitische Angebot für Jugendliche dar und beschreibt Neuerungen und Veränderungen. Wir danken allen, die an dieser Broschüre mitgewirkt und uns Informatio nen zur Verfügung gestellt haben und für ihre Unterstützung! Das erste Kapitel der Broschüre gibt einen Überblick über die demografische Situation sowie über Daten zu Bildung und Arbeit. Im zweiten Kapitel werden das österreichische Bildungs system und aktuelle Schwerpunkte im Bereich der Bildungspolitik beschrieben. Im dritten Teil „Berufsbildung und Unterstützung am Übergang“ werden zunächst die Angebote zur Berufsinformation sowie das Lehrsystem und hier insbesondere die Förderungen und neuen Entwicklungen dargestellt. Dann wird das Übergangsmanagement Schule-Berufe mit den arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen für Jugendliche und bestimmte Zielgruppen be schrieben. Das vierte Kapitel „Aktivitäten der Europäischen Union“ behandelt Initiativen und Programme, die von europäischer Ebene ausgehen. Jugend und Arbeit in Österreich 4 von 74
1 Zahlen, Daten, Fakten Bevölkerung, Bildungsstand, Beschäftigung: Dieses Kapitel gibt einen Einblick zur Entwick lung der Bevölkerung, zur Ausbildungs- und Arbeitsmarktsituation von Jugendlichen sowie zu Übergängen von Ausbildung zu Beruf. Dazu ziehen wir einerseits nationale Daten zu Be völkerung, Arbeitslosigkeit, Beschäftigung, Bildung und Lehrstellen heran. Andererseits ver wenden wir internationale Befragungsdaten, um die Situation Österreichs mit anderen Ländern im Vergleich darstellen zu können. 1.1 Demografische Entwicklung Am 1. Jänner 2020 lebten in Österreich 8.901.064 Menschen. Das bedeutet einen leichten Zuwachs um 0,5% gegenüber 2019. Im Jahr 2000 waren es noch 8 Mio. Personen. Rund 49,2% der Bevölkerung sind männlich und 50,1% weiblich. Der Anteil der unter 20-Jährigen ist im Jahr 2020 auf 19,3% weiter zurückgegangen (2000: 23,1%). 61,6% (2000: 61,5%) sind Personen im Erwerbsalter von 20 bis 64 Jahren. Der Anteil der Personen ab 65 Jahren be trägt 19% (2000: 15,4%).1 Gründe für die leichte Zunahme der Bevölkerung sind die Zuwan derung und auch die positive Geburtenbilanz. Im Jahr 2019 sind 40.613 Personen mehr nach Österreich zugezogen als das Land verlassen haben. Daher erhöhte sich die Netto-Zuwan derung gegenüber dem Vorjahr um rund 15%.2 Am 1. Jänner 2020 lebten insgesamt ca. 1,5 Mio. Menschen mit ausländischer Staatsange hörigkeit in Österreich. Das entspricht einem Anteil von 16,7% an der Gesamtbevölkerung Österreichs. Unter den nicht-österreichischen Staatsangehörigen stammte etwas mehr als die Hälfte (52,4%) aus anderen EU- und EFTA-Ländern. Den größten Anteil daran bilden mit 13,5% Personen aus Deutschland. 47,6% sind Drittstaatsangehörige, davon 17,3% Serbin nen und Serben und 16,% Türkinnen und Türken.3 Österreichs Bevölkerung wird in Zukunft stärker wachsen als zuletzt prognostiziert. Schon ab 2030 wird Österreich bei anhaltender Entwicklung ca. 9,2 Mio. Einwohner und Einwoh nerinnen haben. Bis zum Jahr 2080 wird die Bevölkerung in Österreich weiterhin wachsen, 1 Quelle: Statistik Austria, Tabelle Bevölkerung seit 1869 nach Geschlecht, breiten Altersgruppen und Staatsange hörigkeit 2 Quelle: Statistik Austria, Pressemitteilung: 12.272-112/20 3 Quelle: Statistik Austria, Pressemitteilung: 12.274-114/20 Jugend und Arbeit in Österreich 5 von 74
und zwar auf 9,9 Mio. Menschen. Parallel dazu wird sich die Altersstruktur deutlich hin zu den Älteren verschieben. Die Zahl der unter 20-jährigen wird zwar weiterhin steigen, aber deren Anteil an der Bevölkerung zurückgehen (von 19,4% im Jahr 2019 auf 18,6% bis 2080), während der Anteil der Bevölkerung im Alter von 65 und mehr Jahren von 18,8% im Jahr 2019 auf 29,3% im Jahr 2080 steigen wird4 (siehe Abbildung 1 auf Seite 6). Abbildung 1: Bevölkerung nach breiten Altersgruppen 1950 bis 2080 (mittlere Variante) Quelle: Statistik Austria, Bevölkerungsprognose 2018 Die Zahl der Lebendgeborenen lag in den 1980er und 90er Jahren bei durchschnittlich 90.000 pro Jahr, wobei Höchstwerte in den Jahren 1982 und 1992 erreicht wurden (siehe Abbildung 2 auf Seite 7). Seither ist kein einheitlicher Trend mehr erkennbar und die Zahl der Neugeborenen bewegt sich zwischen 70.000 bis 90.000 im Jahr. Die Geburtenbilanz fiel im Jahr 2019 mit +1.566 erneut positiv aus, etwas höher als im Vorjahr (2018: +1.560). 2019 wurden 84.952 Kinder geboren5. Die durchschnittliche Kinderzahl pro Frau (Gesamtfertili tätsrate) verringerte sich seit den 1980er Jahren von rund 1,5 auf rund 1,39 im Jahr 2009. 2019 lag die Rate bei 1,45 Kinder pro Frau. Zum Vergleich: Im Jahr 1963 hatte die Gesamt fertilitätsrate ein Nachkriegsmaximum von 2,82 erreicht und war somit fast doppelt so hoch 4 Quelle Statistik Austria, Tabelle: Vorausberechnete Bevölkerungsstruktur für Österreich 2018 bis 2100 laut Hauptszenario 5 Quelle: Statistik Austria, Pressemitteilung: 12.273-113/20 Jugend und Arbeit in Österreich 6 von 74
wie heute. Laut Prognose von Statistik Austria wird bis 2040 die durchschnittliche Kinder zahl pro Frau bei 1,55 stagnieren6, während die Lebenserwartung für Frauen wie Männer weiterhin steigen wird7. Abbildung 2: Geburten und Sterbefälle 1950 bis 2080 (mittlere Variante) Quelle: Statistik Austria, Bevölkerungsprognose 2018 Die Bevölkerungspyramide (siehe Abbildung 3 auf Seite 8) zeigt die Zusammensetzung der Bevölkerung in Österreich für die Jahre 2018, 2030 und 20608. 6 Quelle: Statistik Austria, Tabelle Österreich: Ausführliche Tabellen der Hauptvarianten (Schnellbericht) 7 Quelle: Statistik Austria, Tabelle Bevölkerungsstand- und Bevölkerungsstruktur 8 Quelle: Statistik Austria, Bevölkerungsstand 2018 Jugend und Arbeit in Österreich 7 von 74
Abbildung 3: Bevölkerungspyramide 2018, 2030 und 2060 Quelle: Statistik Austria 1.2 Bildungsstand Die Entwicklung des Bildungsstandes seit 1971 zeigt den Anstieg des Bildungsniveaus der österreichischen Bevölkerung. 1971 hatten 58% der österreichischen Wohnbevölkerung (zwischen 25 und 64 Jahren) maximal eine Pflichtschule als höchsten Bildungsabschluss. Im Jahr 2019 betrug dieser Anteil nur mehr ca. 14%. Deutliche Zuwächse gibt es auch bei allen weiterführenden Ausbildungen. Seit 1971 verdoppelte sich der Anteil der Personen mit BMS-Abschluss von 7,5% auf 13% im Jahr 2019 oder mit dem Abschluss einer höheren Schule von 6% auf 17%. 1971 hatten nur rund 3% der österreichischen Wohnbevölkerung einen Hochschulabschluss; im Jahr 2019 betrug der Anteil 20% (darin enthalten sind auch Jugend und Arbeit in Österreich 8 von 74
hochschulverwandte Lehranstalten); 37% der 25- bis 64-jährigen Wohnbevölkerung hatten im Jahr 2019 einen Lehrabschluss.9 Vor allem Frauen haben in den letzten Jahrzehnten beim Bildungsstand deutlich aufgeholt: 1971 hatten 70,4% aller Frauen im Alter von 25 bis 64 Jahren einen Pflichtschulabschluss und 1,3% einen Hochschulabschluss. Im Jahr 2019 hatten nur mehr 16% der Frauen im Alter von 25 bis 64 Jahren einen Pflichtschulabschluss (Männer: 11%). 28% hatten eine Lehre ab geschlossen (Männer: 46%), 16% eine BMS (M: 9%) und 18% (M:17%) eine Höhere Schule absolviert. 22% (M: 18%) haben eine Hochschule abgeschlossen. Unter den jüngeren Frauen (25 bis 34 Jahre) hatten 2019 bereits 31% einen Hochschulabschluss (M: 22%). Im EU Vergleich liegt Österreich bei Personen mit mindestens Sekundarabschluss II im vor deren Mittelfeld, bei Personen mit Tertiärabschluss im Mittelfeld: 2019 hatten in Österreich 87,3% der 20- bis 24-jährigen mindestens einen Sekundarabschluss II, während es im EU- 28-Durchschnitt 84% waren. Kroatien hatte mit 97,3% die höchste Quote, gefolgt von Grie chenland mit 94,5% und Irland. Den geringsten Anteil hatten Spanien mit 74%, Dänemark mit 75,6% und Deutschland mit 77,5%. Der Anteil der Personen mit Tertiärabschluss (ISCED 5–8) lag 2019 in Österreich bei 42,4%10. Der EU-28-Durchschnitt betrug 41,6%. In Zypern war der Anteil bei diesem Indikator mit 58,8% am höchsten, gefolgt von Litauen mit 57,8% und Luxemburg 56,2%. Am niedrigsten war er in Rumänien mit 25,8%, gefolgt von Italien mit 27,6%11. 1.3 Jugendbeschäftigung und -arbeitslosigkeit Im Zuge der Covid-19-Pandemie ist die Jugendarbeitslosigkeit angestiegen und die Jugend beschäftigung gesunken. In diesem Kapitel wird anhand internationaler und nationaler Da ten auf die Situation vor der Pandemie eingegangen, denn 2019 sind die letztverfügbaren Jahresdaten. Am Ende des jeweiligen Kapitels wird kurz die aktuelle Entwicklung anhand aktueller Monatsdaten beschrieben. 9 Quelle: Statistik Austria: Tabelle B1 Bevölkerung ab 15 Jahren nach höchster abgeschlossener Schulbildung - nati onale Gliederung, Alter und Geschlecht - Jahresdurchschnitt 2019, Prozentanteil: eigene Berechnungen des BMAFJ. 10 Berufsbildende höhere Schulen fallen unter ISCED 5. 11 Quelle: EUROSTAT Jugend und Arbeit in Österreich 9 von 74
1.3.1 Arbeitslosigkeit und Beschäftigung im internationalen Vergleich Die Beschäftigungsquote der Jugendlichen (15- bis 24-Jährigen) ist laut EUROSTAT im Jahr 2019 um 0,3 Prozentpunkte im Vergleich zum Vorjahr auf 51,6% (Männer: 53,8% +0,9 Pro zentpunkte, Frauen: 48,4%, -0,3 Prozentpunkte) gestiegen. Damit lag Österreich im europä ischen Vergleich auch im Jahr 2019 wieder an dritter Stelle hinter Dänemark mit 55,0% und den Niederlanden mit 65,3%. Der EU-28-Durchschnitt weist 2019 bei diesem Indikator 35,8% aus (siehe Abbildung 4 auf Seite 10)12. Abbildung 4: Beschäftigungsquote der 15- bis 24-Jährigen im internationalen Vergleich im Jahr 2019 80,0 65,3 70,0 55,0 51,6 50,9 60,0 50,3 48,5 44,6 43,9 41,2 50,0 39,7 35,8 33,3 32,9 32,4 31,8 31,7 40,0 29,7 28,7 28,5 28,0 28,0 27,7 26,6 24,9 24,7 22,3 21,8 30,0 18,5 14,6 20,0 10,0 0,0 Deutschland Finnland Belgien Schweden Bulgarien Irland Estland Lettland Luxemburg Niederlande EU 28 Großbritannien Spanien Italien Rumänien Österreich Slowenien Zypern Tschechische Republik Kroatien Malta Frankreich Portugal Slowakei Litauen Griechenland Dänemark Polen Ungarn Quelle: ELIS; EUROSTAT-Abfrage vom 6. Mai 2020; Anmerkung: Anteil der 15- bis 24-jährigen Erwerbstätigen an der entsprechenden Wohnbevölkerung im Jahresdurchschnitt 2019 Analytische Daten, wie z.B. der Arbeitskräfteumschlag zeigen, dass der Arbeitsmarkt für Ju gendliche von einer überdurchschnittlichen Dynamik gekennzeichnet ist. Der jährliche Ar beitskräfteumschlag dieser Altersgruppe beläuft sich auf rund 100%. 12 Quelle: EUROSTAT; Arbeitskräfteerhebung Jugend und Arbeit in Österreich 10 von 74
Im internationalen Vergleich der Arbeitslosenquoten der 15- bis 24-Jährigen lag Österreich im Jahr 2019 mit 8,5% - das bedeutet eine Abnahme der Arbeitslosigkeit um 0,9 Prozent punkte gegenüber dem Jahr 2018 (Männer: 9,2%, -0,2 Prozentpunkte; Frauen 7,8%, -1,6 Prozentpunkte) - an fünfter Stelle hinter Slowenien mit 8,1%, Niederlande mit 6,7%, Deutschland mit 5,8% und der Tschechischen Republik mit 5,6%. Der EU-28-Deutschnitt lag 2019 bei 14,3%. Die höchste Arbeitslosigkeit der unter 25-Jährigen weisen Griechenland mit 35,2%, Spanien mit 32,5% und Italien mit 29,2% auf (siehe Abbildung 5 auf Seite 11). Abbildung 5: Jugendarbeitslosenquoten im internationalen Vergleich im Jahr 2019 50 45 40 35,2 32,5 35 29,2 30 25 20,1 19,6 18,3 17,2 17,0 16,8 16,6 16,6 16,1 20 14,3 14,2 12,5 12,4 11,9 11,4 11,2 11,1 15 10,1 9,9 9,2 8,9 8,5 8,1 6,7 10 5,8 5,6 5 0 Deutschland Finnland Belgien Bulgarien Schweden Estland Lettland Irland Niederlande EU 28 Luxemburg Großbritannien Italien Spanien Tschechische Republik Rumänien Slowenien Österreich Zypern Kroatien Malta Slowakei Portugal Frankreich Litauen Griechenland Polen Dänemark Ungarn Quelle: ELIS; EUROSTAT-Abfrage vom 15. Mai 2020 Die Jugendarbeitslosenquote bezieht sich nur auf die Erwerbsbevölkerung, also auf jene Personen, die (potentiell) arbeiten (wollen). Damit werden zum Beispiel Personen, die aus verschiedensten Gründen keinen Job (mehr) suchen, nicht berücksichtigt. Da bei Jugendli chen dieser Anteil größer ist (z.B. aufgrund von Ausbildung), ist es aussagekräftiger, die ar beitslosen Jugendlichen im Verhältnis zur gleichaltrigen Gesamtbevölkerung zu betrachten. Im Jahr 2019 waren in der Tschechischen Republik 1,7%, in Slowenien 2,9% und in Deutschland 3% aller Jugendlichen von 15–24 Jahren arbeitslos. In Österreich waren es Jugend und Arbeit in Österreich 11 von 74
4,8% (Frauen: 4,1% und Männer 5,5%). Der EU-28-Durchschnitt lag 2019 bei 6%. Am höchs ten war ihr Anteil in Schweden mit 11,1%, gefolgt von Spanien mit 10,7%. Bei den jüngeren Jugendlichen im Alter von 15 bis 19 Jahre ist der Anteil der Arbeitslosen im Jahr 2019 in Schweden mit 12%, gefolgt von Finnland mit 9,2% am höchsten. Die Tschechische Republik hat den niedrigsten Anteil mit 1%, gefolgt von Polen mit 1,2%. Österreich hat im Jahr 2019 bei diesem Indikator einen Anteil von 3,9% (Frauen: 3%, Männer 4,7%), der EU 28-Durch schnitt: 3,7%. Bei den älteren Jugendlichen im Alter von 20 bis 24 Jahren ist der Anteil in Spanien mit 16,4% und in Griechenland mit 14,4% am höchsten und in der Tschechischen Republik mit 2,3% und Deutschland mit 3,8%, am niedrigsten. Österreich liegt mit 5,6% (Frauen: 5%, Männer: 6,2%) an achter Stelle. Der EU-28-Durchschnitt bei diesem Indikator lag 2019 bei 8,2%. Die Langzeitarbeitslosenquote der Jugendlichen (12 Monate und länger arbeitslos) im Al ter von 15 bis 24 Jahren ist im Jahr 2019 in Dänemark mit 0,5% am niedrigsten und in Grie chenland mit 19% am höchsten. Österreich liegt bei diesem Indikator mit 1,5% (Frauen: 1,4% und Männer: 1,6%) an siebenter Stelle. Die NEET-Quote (Not in Education, Employment or Training) zeigt den Anteil der Jugendli chen im Alter von 15 bis 24 Jahren, die keine Schule besuchen, keiner Arbeit nachgehen und sich nicht in non-formaler Ausbildung befinden an der Wohnbevölkerung (15 bis 24 Jahre) – ist also breiter gefasst als die Arbeitslosenquote. Dieser Indikator ist in den Niederlanden mit 4,3% am geringsten, gefolgt von Schweden mit 5,5% und Luxemburg mit 5,6%. Öster reich liegt 2019 mit einem Anteil der NEET von 7,1% (Frauen: 7,3% und Männer 7%) an achter Stelle. Der EU 28-Durchschnitt liegt bei 10,1% (Frauen: 10,4% und Männer 9,9%). Die höchste NEET-Quote verzeichnet Italien mit 18,1% (siehe Abbildung 6 auf Seite 13). Jugend und Arbeit in Österreich 12 von 74
Abbildung 6: NEET-Quote, 15 bis 24 Jahre, 2019 20 18,1 18 14,7 16 13,7 13,7 12,5 14 12,1 11,8 11,0 10,6 10,5 10,3 12 10,1 10,1 9,3 10 8,6 8,2 8,1 8,0 8,0 7,9 7,7 7,1 7,0 6,9 8 5,7 5,7 5,6 5,5 6 4,3 4 2 0 Deutschland Finnland Belgien Schweden Bulgarien Luxemburg Estland Lettland Irland Niederlande EU 28 Großbritannien Spanien Italien Tschechische Republik Rumänien Slowenien Österreich Zypern Kroatien Malta Portugal Slowakei Frankreich Litauen Griechenland Dänemark Polen Ungarn Quelle: EUROSTAT; Abfrage: 17. Juni 2020; die NEET-Quote ist der Anteil jener Jugendlichen, die sich weder in Ausbildung, noch in Beschäftigung oder Weiterbildung befinden. Nachdem sich die Lage am Arbeitsmarkt im EU-Durchschnitt in den letzten Jahren kontinu ierlich verbessert hat, ist die Arbeitslosenquote 2020 aufgrund der COVID-19-Pandemie und den damit verbundenen Maßnahmen gestiegen. Dies betrifft vor allem auch Jugendliche. Im September 2020 waren in der EU knapp 3 Millionen Jugendliche unter 25 arbeitslos (zum Vergleich September 2019: 2,7 Mio.). Damit lag die Jugendarbeitslosenquote im EU- Durchschnitt bei 17,1%, während sie im September 2019 noch bei 15,0% lag. Die Gesamt arbeitslosenquote stieg von 6,6% auf 7,5%. In Österreich ist die Jugendarbeitslosenquote von 9,0% auf 9,4% gestiegen und die Arbeitslosenquote insgesamt von 4,5% auf 5%.13 13 Die internationale Arbeitslosenquote bildet in der jetzigen Situation die Zahl der Arbeitslosen wahrscheinlich weniger genau ab, als normalerweise. Denn arbeitslos sind Personen, die laut Befragungsdaten innerhalb der letz ten vier Wochen aktiv nach Arbeit gesucht und in den nächsten zwei Wochen eine Arbeit beginnen können. Insbe sondere während des Lockdowns war die Möglichkeit zu Suchen und einen Job zu beginnen jedoch eingeschränkt, zum Beispiel auch wegen Kinderbetreuung. Quelle: EUROSTAT, Abfrage vom 30.10.2020 Jugend und Arbeit in Österreich 13 von 74
1.3.2 Jugendarbeitslosigkeit und -beschäftigung in Österreich Im Jahr 2019 ist der Bestand an unselbständiger Beschäftigung Jugendlicher (15 bis 24 Jahre) im Vergleich zum Vorjahr um -1% auf 447.461 Personen zurückgegangen (nationale Daten). Davon sind 134.492 im Alter von 15 bis 19 Jahre und 312.969 im Alter von 20 bis 24 Jahre. Sowohl bei der Altersgruppe der 15-bis 19-Jährigen gab es einen Rückgang von 0,5% als auch bei den 20- bis 24-Jährigen mit 1,2%. Die Arbeitslosigkeit der Jugendlichen im Alter von 15 bis 24 Jahren reduzierte sich 2019 um 6,7% (-2.174 Jugendliche) im Vergleich zum Vorjahr. Bei 15- bis 19-Jährigen ging sie um 7,3%, bei 20 bis 24-Jährigen um 6,6% zurück (siehe Abbildung 7 auf Seite 14). Geschlechts spezifisch differenziert reduzierte sich die Arbeitslosigkeit der männlichen Jugendlichen um 6,9% und die der weiblichen Jugendlichen um 6,4%. Im Vergleich dazu verringerte sich auch die Gesamtarbeitslosigkeit im Jahr 2019 um 3,5% bzw. -10.779 auf 301.328 vorgemerkte Personen.14 Abbildung 7: Arbeitslose Jugendliche von 15 bis 19 Jahren und von 20 bis 24 Jahren – 2012 bis 2019 50.000 45.000 8.115 8.106 7.533 8.228 40.000 8.415 6.064 35.000 5.188 30.000 4.812 25.000 38.587 37.041 36.625 20.000 34.516 31.880 31.693 27.256 25.458 15.000 10.000 5.000 0 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 arbeitslose Jugendliche 20 bis 24 Jahre arbeitslose Jugendliche 15 bis 19 Jahre 14 Nationale Administrativdaten/ELIS Jugend und Arbeit in Österreich 14 von 74
Quelle: AMS (nationale Daten); BALI-Abfrage: 18. Juni 2020 Die Registerarbeitslosenquote (d.h. nationale Definition) der Jugendlichen (15- bis 24-Jäh rigen) verringerte sich im Jahr 2019 im Vergleich zum Vorjahr um 0,4 Prozentpunkte auf 6,3%. Gemessen an der Arbeitslosenquote ist das durchschnittliche Arbeitslosigkeitsrisiko für Jugendliche zwar etwas höher als bei bereits länger am Arbeitsmarkt etablierten Grup pen, gleichzeitig ist jedoch bei den unter 25-Jährigen die durchschnittliche Dauer einer Ar beitslosigkeitsepisode deutlich geringer als in den anderen Altersgruppen. So hat 2019 die durchschnittliche Verweildauer, also die Dauer bis zum Abgang aus der Arbeitslosigkeit, bei jugendlichen Arbeitslosen 62 Tage (+1 Tag über dem Niveau von 2018) betragen, während der Gesamtdurchschnitt aller Arbeitsloser bei 121 Tagen (+4 Tage über dem Niveau des Vorjahres) lag15. Die Schulungsteilnahmen von unter 25-Jährigen verringerten sich im Jahr 2019 um 10,5% auf 26.366 Jugendliche im Vergleich zum Vorjahr (Jahresdurchschnittsbestand). Sie sind da mit etwas stärker zurückgegangen als die Zahl aller Schulungsteilnahmen, welche um 9,9% auf 61.959 sank. Die Schulungsteilnahmen von jungen Männern reduzierten sich 2019 um 13,2% und die der jungen Frauen um 6,7% gegenüber dem Vorjahr; siehe Abbildung 8 auf Seite 1616. Im Jahresdurchschnitt 2019 hatten 12.343 Jugendliche einem Ausbildungsver trag in einer Überbetrieblichen Lehrausbildung im Rahmen der Ausbildungsgarantie. 17 Von den 25.458 arbeitslosen Jugendlichen im Alter von 20 bis 24 Jahren hatten im Jahr 2019 43% maximal einen Pflichtschulabschluss, etwa 34% hatten eine Lehrausbildung, ca. 7% eine mittlere Ausbildung absolviert, ca. 16% verfügten über einen höheren oder akademi schen Bildungsabschluss (siehe auch Tabelle 1 auf Seite 16). Im Vergleich dazu hatten etwa 68% aller 20–24-Jährigen, von denen sich viele noch in Ausbildung befinden, max. Pflicht schulabschluss, ca. 28% einen Lehrabschluss, 9% eine mittlere Ausbildung und ca. 50% eine höhere Schule bzw. einen Tertiärabschluss absolviert18. 15 Nationale Administrativdaten/ELIS und BALI-Abfrage vom 18. Juni 2020. 16 Quelle: Nationale Administrativdaten/ELIS und BALI-Datenbankabfrage vom 18. Juni 2020. 17 Quelle: Nationale Administrativdaten/ELIS 18 Quelle: Statistik Austria, Mikrozensus-Arbeitskräfteerhebung 2019; Tabelle B 1 Bevölkerung ab 15 Jahren nach höchster abgeschlossener Schulbildung – nationale Gliederung, nach Alterskategorien und Geschlecht, Jahres durchschnitt 2019 Jugend und Arbeit in Österreich 15 von 74
Abbildung 8: Arbeitslose Jugendliche und Jugendliche in Schulungsmaßnahmen von 15 bis 24 Jahren – 2010 bis 2019 80.000 Jugendliche in Schulungsmaßnahmen arbeitslose Jugendliche 70.000 60.000 46.702 44.158 45.147 37.757 40.084 42.744 50.000 32.444 40.295 38.847 30.270 40.000 30.000 20.000 29.861 29.450 28.328 28.016 27.499 27.378 26.537 26.366 25.144 25.021 10.000 0 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 Quelle: AMS (nationale Daten); BALI-Abfrage: 22. Juli 2019 Tabelle 1: Arbeitslose Jugendliche (20 bis 24 Jahre) nach höchstem Bildungsabschluss 2012 bis 2019 Ausbildung 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 Pflichtschule 13.825 14.729 15.725 16.329 15.352 13.162 11.291 10.951 Lehre 11.951 13.066 13.391 14.422 13.416 11.491 9.751 8.758 Mittlere Ausbildung 2.235 2.275 2.416 2.442 2.323 2.012 1.768 1.669 Höhere Ausbildung 3.762 4.317 4.833 5.263 5.435 4.945 4.377 4.016 ungeklärt 108 129 135 131 99 82 69 64 Gesamt 31.880 34.516 37.041 38.587 36.625 31.693 27.256 25.458 Quelle: BMAFJ, AMS-DWH-Abfrage vom 18. Juni 2020; die höhere Ausbildung umfasst höhere Schulen und akade mische Ausbildung, da in dieser Altersgruppe viele Jugendliche ihr Studium noch nicht beendet haben. Jugend und Arbeit in Österreich 16 von 74
Im Jahr 2020 zeichnet sich, verursacht durch die COVID-19-Pandemie und -Maßnahmen eine negativere Entwicklung ab. So gab es im Oktober 2020 mit 35.000 Personen um 19,0% mehr arbeitslose Jugendliche als im Vorjahr und um 4,9% mehr Lehrstellensuchende. Ende Oktober waren 7.800 Personen lehrstellensuchend und 7.300 sofort verfügbare offene Lehrstellen beim AMS vorgemerkt bzw. beim AMS gemeldet. 1.4 Jugendliche nach Beendigung der Ausbildung: Bildungsbezogenes Erwerbskarrierenmonitoring19 Mit dem bildungsbezogenen Erwerbskarrierenmonitoring können die Erwerbskarrieren von Jugendlichen, die in den Jahren 2008-2016 die Schule, Ausbildung oder Universität beendet haben, analysiert werden. Nach einer Lehre wechseln Jugendliche besonders häufig in Beschäftigung, während nach Pflichtschule und AHS eher fortführende Bildungswege gewählt werden. Von den Jugendli chen, die im Schuljahr 2015/2016 eine Lehrausbildung abschlossen hatten, waren 18 Mo nate nach Abschluss 74% erwerbstätig, 5% in einer weiteren Ausbildung, 10% in AMS- Vormerkung und 11% hatten einen anderen Status. Von den BMS-Absolventen und BMS- Absolventinnen waren hingegen 43% in Beschäftigung, 41% in Ausbildung, 4% in AMS- Vormerkung und 11% hatten einen sonstigen Status. Bei den AHS-Maturanten und AHS- Maturantinnen absolviert der Großteil eine weitere Ausbildung: nur 6% waren 18 Monate nach Abschluss erwerbstätig, 82% in Ausbildung, 1% in AMS-Vormerkung und 11% hatten einen sonstigen Status. Die BHS-Absolventen und -Absolventinnen waren 18 Monate nach Abschluss zu 44% erwerbstätig, zu 47% in Ausbildung, 2% waren in AMS-Vormerkung und 8% hatten einen sonstigen Status. Innerhalb der ersten zwei Jahre nach Abschluss beginnen nur 2% der Pflichtschulabsolven ten und -absolventinnen und 11% der AHS-Absolventen und -Absolventinnen keine weitere Ausbildung. Nach einer BMS sind es 48% und nach einer BHS 47%. In den ersten beiden Jahren nach einer Lehre beginnen hingegen 91% keine weitere Ausbildung. Bei den Jugendlichen, die innerhalb der ersten zwei Jahre nach Abschluss keine weitere Ausbildung beginnen, ist das Arbeitslosigkeitsrisiko nach einer Pflichtschule besonders groß 19 Quelle: Statistik Austria; nach der Ausbildung …. Ergebnisse aus dem Bildungsbezogenen Erwerbskarrierenmoni toring (BibEr) im Auftrag von Sozialministerium und AMS für die Schuljahre 2008/2009 bis 2010/2011, Wien, Juni 2015 – eigene Aktualisierung der Daten für das Schuljahr 2014/2016; September 2020 Jugend und Arbeit in Österreich 17 von 74
und nach einer BHS und Universität am geringsten: 18 Monate nach Abschluss der Ausbil dung waren von den Pflichtschulabgängern bzw. Pflichtschulabgängerinnen 12% erwerbs tätig, 19% arbeitslos und 68% hatten einen sonstigen Status. Bei den Absolventen und Absolventinnen einer Lehre waren rund 79% erwerbstätig und 10% in AMS-Vormerkung, Bei den BMS-Absolventen und -Absolventinnen waren 76% in Beschäftigung und 7% in AMS-Vormerkung. Unter den AHS-, BHS- und Universitäts-Absolventen und Absolventinnen waren nur 2–3% vorgemerkt. Wobei nach einer AHS nur 36% erwerbstätig waren, nach ei ner BHS hingegen 84% und nach einer Hochschule 76%. Das Median-Einstiegseinkommen der ersten unselbständigen Erwerbstätigkeit (Vollzeit)20 lag nach Lehrabschluss und BHS brutto bei circa € 2.020 nach einer BMS bei € 1.990, nach einer AHS bei € 1.710 und nach einer Hochschule (Universität, Fachhochschule, Pädagogi sche Hochschule inkl. Doktorat) bei € 2.47021. Nach Geschlecht betrachtet lag das Einkom men der BMS-Absolventinnen bei € 1.770, während Absolventen rund € 2.130 verdienen; nach einer BHS verdienen Frauen im Durchschnitt € 1.810, Männer € 2.190. AHS- Absolventinnen verdienen rund € 1.580 und Absolventen € 1.840. Noch größer ist der Ein kommensunterschied nach einem Lehrabschluss, nach welchem Männer mit € 2.170 um 30% mehr verdienen als Frauen, welche im Durchschnitt € 1.670 verdienen. Nach einem Studium liegt das Medianeinkommen der Frauen bei € 2.350, bei Männern bei € 2.650. Die Unterschiede liegen nicht nur an der unterschiedlichen Gewichtung der Ausbildungsfelder, sondern auch innerhalb der Ausbildungsfelder gibt es große Unterschiede nach Geschlecht. 1.5 Lehrlingsstatistik und Lehrstellenmarkt22 In Österreich ist das System der Lehrausbildung ein zentraler Baustein für Berufsausbildung und Berufseinstieg. Mit Stichtag 31. Dezember 2019 gab es 109.111 Lehrlinge, die in 29.034 Ausbildungsbetrieben (inklusive Betriebe der Überbetrieblichen Lehrausbildung – ÜBA) ihre Ausbildung absolvierten. Zwei Drittel der Lehrlinge sind männlich und nur ein Drittel weib lich. Die Zahl der Lehrlinge ist im Jahr 2019 im Vergleich zum Vorjahr um 1.196 Personen oder 1,1% gestiegen. Von den 109.111 Lehrlingen wurden 7.422 Lehrlinge im Rahmen der ÜBA ausgebildet und 8.213 von den gesamten Lehrlingen im Jahr 2019 hatten einen Ausbil dungsplatz in der Berufsausbildung gemäß § 8b (6.625 in einer verlängerten Lehrausbildung 20 Einstiegseinkommen (brutto), von jenen Personen, die in den ersten zwei Jahren nach Abschluss keine weitere Ausbildung begonnen haben. 21 Für Universitätsabsolventinnen/-absolventen: Personen, die die Ausbildung unter 30 Jahren beendet haben, unabhängig davon, ob sie eine weitere Ausbildung absolvieren. 22 Quelle: Wirtschaftskammer Österreich; Lehrlingsstatistik 2019 Jugend und Arbeit in Österreich 18 von 74
und 1.588 in Teilqualifizierungen); 5.714 werden in Unternehmungen und 2.499 in Einrich tungen ausgebildet. In den letzten zehn Jahren ging die Zahl der Lehrlinge im ersten Lehrjahr kontinuierlich zu rück und lag 2019 nur mehr bei ca. 33.900 Lehrlingen (2010: ca. 39.800). Gegenüber dem Vorjahr ist die Zahl damit um 1,5% niedriger. Gleichzeitig gibt es auch weniger 15-Jährige. 2010 waren es noch rund 94.600, 2019 nur mehr 85.800. Die Lehrlingsquote, das ist der Anteil der Lehrlinge im 1. Lehrjahr an der Anzahl der 15-Jährigen, lag im Jahr 2019 bei 39,5%. Sie ist gegenüber dem Vorjahr um 0,5 Prozentpunkte gesunken) - siehe Abbildung 9 auf Seite 20. Der Anteil der Lehrlinge ohne österreichische Staatsbürgerschaft im 1. Lehrjahr betrug 2019 15,8%23, das bedeutet einen Rückgang gegenüber dem Jahr 2018 um 0,1 Pro zentpunkte. Sie sind damit in der dualen Ausbildung stark unterrepräsentiert. Betrachtet man die Vorbildung der Schüler und Schülerinnen in ersten Berufsschulklassen, so zeigt sich, dass die größte Gruppe zuvor eine Polytechnische Schule besucht hat, aber viele auch aus BMS und BHS wechseln: 29,2% der Lehrlinge (Berufsschüler/Berufsschülerin nen) haben im Schuljahr 2018/2019 zuvor eine Polytechnische Schule, 13,8% eine berufs bildende mittlere Schule, 12,7% eine berufsbildende höhere Schule, 0,8% eine Hauptschule und 13,1% eine Neue Mittelschule, 11,2% eine Berufsschule (z.B. im Falle von Wiederholen oder Lehrberufswechsel) sowie 6,6% eine AHS-Oberstufe und 0,8% eine AHS-Unterstufe be sucht. 6% haben bereits zuvor eine weiterführende Ausbildung absolviert, davon hat der Großteil eine BMS abgeschlossen24. 23 Quelle: Wirtschaftskammer Österreich; Stabsabteilung Statistik 24 Quelle: Statistik Austria, Schulstatistik, Tabelle „Vorbildung der Schülerinnen/Schüler in ersten Berufsschulklas sen 2018/2019“ Jugend und Arbeit in Österreich 19 von 74
Abbildung 9: Lehrlinge im 1. Lehrjahr und Lehrstellensuchende – 2010 bis 2019 Lehrlinge im 1. Lehrjahr Lehrstellensuchende 45.000 5.752 5.504 5.531 40.000 5.727 6.205 6.830 6.154 6.067 6.369 6.256 35.000 30.000 25.000 39.761 39.467 38.211 20.000 35.580 34.402 33.882 33.721 33.508 32.693 32.484 15.000 10.000 5.000 0 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 Quellen: Lehrlingsstatistik 2019 der Wirtschaftskammer Österreich und BALI-Abfrage vom 18. Juni 2020 (Bestand Lehrstellensuchende); Lehrlinge im ersten Lehrjahr jeweils zum Stichtag Ende Dezember des Jahres; Jahresdurch schnittsbestand der sofort verfügbaren Lehrstellensuchende ohne Einstellzusage Der Bestand an Lehrstellensuchenden stieg im Jahr 2019 im Vergleich zum Vorjahr um 10,1% auf 6.830 an, während sich auch die beim AMS gemeldeten offenen Lehrstellen um 14% auf 6.247 erhöhten. Die Nachfrage nach Lehrstellen hat im Jahresdurchschnitt 2019 das Angebot der Unternehmen um 583 überstiegen. Der Lehrstellenandrang, das ist das Verhältnis der beim AMS gemeldeten sofort verfügbaren Lehrstellensuchenden zu den so fort verfügbaren offenen Lehrstellen, hat im Jahresdurchschnitt 2019 1,1 betragen. Der Ein schaltgrad25des AMS bei Lehrstellen betrug 81,5% 26. Im Jahr 2019 wurden in der Sparte Gewerbe und Handwerk in 16.307 Lehrbetrieben 46.390 Lehrlinge (das sind 42,5% aller Lehrlinge; +1,4% gegenüber dem Vorjahr) ausgebildet. 16.446 (+4,4%) Personen bzw. 15,1% machten 2019 eine Lehrausbildung in einem der 1.224 25 Einschaltgrad des AMS (Lehrstellen) = Zugänge an offenen Lehrstellen dividiert durch alle aufgenommenen Lehr verhältnisse. Der Wert kann 100% überschreiten, wenn die Zahl der Zugänge an offenen Lehrstellen höher liegt als die Zahl der Aufnahmen von Lehrverhältnissen. 26 Quelle: Endel et.al, Lehrlingsausbildung: Angebot und Nachfrage 2020; Synthesis Forschung, März 2020 Jugend und Arbeit in Österreich 20 von 74
Lehrbetriebe in der Sparte Industrie und 15.283 (+2,2%) oder 14% in einem der 3.854 Lehr betriebe in der Sparte Handel (siehe Abbildung 10 auf Seite 21). Der größte Rückgang nach Sparte gegenüber dem Vorjahr erfolgte im Jahr 2019 bei der Überbetrieblichen Lehrausbil dung mit -10,6%. Die Sparte Bank und Versicherung hatte 2019 den stärksten Zuwachs mit +8,3%, gefolgt von der Sparte Information und Consulting mit +7,5% gegenüber dem Vor jahr. Die Entscheidung für einen Lehrberuf wird neben persönlichen Interessen und Fähigkeiten auch durch das Angebot an verfügbaren Lehrstellen und die Wirtschaftslage beeinflusst. In Österreich ist die Auswahl der Lehrberufe jedoch immer noch sehr traditionell geprägt. Von den weiblichen Lehrlingen im Jahr 2019 wählten 22,3% den Einzelhandel mit allen Schwer punkten, 10,6% Bürokauffrau und 8,5% Friseurin (Stylistin). Bei den männlichen Lehrlingen dominierten bei der Lehrberufswahl die Modulberufe Metalltechnik mit 13,3%, Elektrotech nik mit 12% und Kraftfahrzeugtechnik mit 10%. Im Jahr 2019 wurden 63% aller weiblichen Lehrlinge in den zehn häufigsten Lehrberufen ausgebildet. Bei den männlichen Lehrlingen ist die Streuung der Berufswahl ähnlich: 64% wurden in den zehn häufigsten Lehrberufen ausgebildet. Abbildung 10: Anteil der Lehrlinge nach Sparten in Prozent im Jahr 2019 6,8% 7,4% 2,3% 8,2% 42,5% 2,6% 1,1% 14,0% Gewerbe und Handwerk Industrie 15,1% Handel Bank und Versicherung Transport und Verkehr Tourismus und Freizeitwirtschaft Information und Consulting Sonstige Lehrberechtigte ÜBA Quelle: Lehrlingsstatistik 2019 der Wirtschaftskammer Österreich; Anmerkung: Sonstige Lehrberechtigte = Nicht der Kammer der gewerblichen Wirtschaft zugehörige Betriebe (z.B. Rechtsanwälte, Magistrate, etc.). Der Bereich "Sonstige Lehrberechtigte" wurde bis zum Jahr 2012 als "Nichtkammer" bezeichnet. ÜBA = Überbetriebliche Lehr ausbildung (Ausbildungseinrichtungen nach dem Berufsausbildungsgesetz, z.B. Überbetriebliche Lehrausbildung im Auftrag des AMS, selbständige Ausbildungseinrichtungen). Jugend und Arbeit in Österreich 21 von 74
1.5.1 Verbleib in Ausbildungsbetrieb und -branche27 Nach Ende der Lehre geht für einen Teil der jungen Frauen und Männer das Lehrverhältnis direkt in ein reguläres Beschäftigungsverhältnis über. 2014 waren mehr als ein Drittel (37%) aller ehemaligen Lehrlinge (Frauen: 32,3%, Männer: 39,5%) auch nach zwei Jahren noch in dem Unternehmen beschäftigt, in dem sie die Ausbildung absolviert hatten. Laut Prognose von Synthesis Forschung wird sich allerdings die Verbleibsquote im Ausbildungsbetrieb bis 2019 auf ca. 35% verringern. Von allen Personen, die ihre Lehrzeit auf einer vom AMS ge förderten Lehrstelle absolviert haben, sind nach zwei Jahren im Jahr 2014 noch 26,7% in ihrem Lehrbetrieb beschäftigt. Am höchsten ist bei den geförderten Lehrstellen die Ver bleibsquote der Mädchen mit Förderung in Lehrberufen mit geringem Frauenanteil (2014: 34,7%). Rund 43% der Lehrlinge waren zwei Jahre nach Erfüllung der Lehrzeit nicht mehr in ihrer Ausbildungsbranche beschäftigt. Etwas mehr als die Hälfte (56,5%) der jungen Facharbeiter bzw. Facharbeiterinnen (54,7% der Frauen und 57,5% der Männer) waren zwei Jahre nach Erfüllung der Lehrzeit noch – oder wieder – in der Branche, in der die Ausbildung absolviert wurde, beschäftigt. Die Verbleibsquote in der Ausbildungsbranche wird sich lt. Prognose von Synthesis Forschung bis 2019 auf 56,9% erhöhen. Die Verbleibsquote der Facharbeiter bzw. Fachbarbeiterinnen nach Branche, die durch AMS-geförderte Lehrstellen ihre Lehraus bildung absolviert haben, betrug im Jahr 2014 48,6%; der Anteil der Mädchen mit Förderung in Lehrberufen mit geringem Frauenanteil ist auch hier am höchsten (53,6%). 27 Quelle: Frick et.al; Lehrlingsausbildung: Angebot und Nachfrage, Entwicklung und Prognosen 2014 bis 2019; Synthesis Forschung, Juni 2015 (letztverfügbare Zahlen) Jugend und Arbeit in Österreich 22 von 74
2 Das österreichische Bildungs- und Ausbildungssystem Eine Vielzahl von Bildungs- und Ausbildungsmöglichkeiten mit unterschiedlichen Speziali sierungen prägen das Österreichische Bildungs- und Ausbildungssystem. Daher wird im Fol genden, unterlegt mit Zahlen zu den unterschiedlichen Typen, das Bildungssystem von Schule bis Tertiärbildung beschrieben. Das dritte Unterkapitel geht schließlich auf die schul politischen Schwerpunkte ein. 2.1 Schule und Lehre Abbildung 11 auf Seite 24 gibt einen Überblick über das österreichische Bildungssystem vom Kindergarten bis zur tertiären Bildung. Nach dem Kindergarten und der Volksschule gibt es eine immer größere Anzahl an Schul- und Ausbildungstypen mit unterschiedlichen Speziali sierungen. Die Zuständigkeit in der Gesetzgebung im Schulwesen und in der Vollziehung ist zwischen dem Bund und den Ländern aufgeteilt. Jugend und Arbeit in Österreich 23 von 74
Abbildung 11: Das österreichische Bildungssystem Quelle: Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung (BMBWF), August 2020 2.1.1 Bis zur Sekundarstufe I Die allgemeine Schulpflicht in Österreich dauert neun Jahre und beginnt im Alter von sechs Jahren. Zur vorschulischen Bildung können Kinder bis zum Schuleintritt eine elementare Bil dungseinrichtung (z.B. Kindergarten) besuchen. Im letzten Jahr ist der Besuch für Kinder, Jugend und Arbeit in Österreich 24 von 74
die bis zum 31. August des jeweiligen Jahres das fünfte Lebensjahr vollendet haben, im Aus maß von 20 Stunden an mindestens 4 Tagen pro Woche verpflichtend und beitragsfrei. Kin der, die die Schule vorzeitig besuchen, sind von der Besuchspflicht ausgenommen. Die Besuchspflicht kann auf Ansuchen auch im Rahmen der häuslichen Erziehung oder bei Ta gesmüttern und -vätern erfüllt werden. Dies setzt voraus, dass das Kind keiner Förderung in der Bildungssprache Deutsch bedarf und dass die Erfüllung der Bildungsaufgaben und der Werteerziehung gewährleistet ist. Die Betreuungsquote der Dreijährigen erhöhte sich seit 1995 von 45,3% auf mittlerweile 86,5%. Bei den Vierjährigen stieg im gleichen Zeitraum der Anteil von 80,4% auf 96,1% und bei den Fünfjährigen von 86,3% auf 98,5%28. Bei Kindern von 0 bis 2 Jahren stieg die Betreu ungsquote von 4,6% auf 30,1%29. Der Großteil der schulpflichtigen Kinder (mehr als 98%)30 besucht in der Primarstufe die vierjährige Volksschule. Die verbleibenden 2% besuchen Sonderschulen, sonstige allge meinbildende Schulen mit Organisationsstatut (wie z.B. Realschulen, Waldorf- oder Mont essori-Schulen) oder auch Schulen mit ausländischem Lehrplan. Für Kinder, die das Pflichtschulalter erreicht haben, die jedoch noch nicht "schulreif" für den Eintritt in die Volksschule sind, ist der Besuch eines Vorschuljahres bzw. der Vorschulstufe vorgesehen, um allmählich in das Schulleben hineinzuwachsen. Nach der Volksschule, in der Regel im Alter von zehn Jahren, treten die Kinder in die Sekun darstufe I über. Die Sekundarstufe I dauert vier Jahre. Bei der Wahl der Schule findet die erste Differenzierung in der Bildungslaufbahn der Kinder statt: In Allgemeinbildende Höhere Schulen (AHS-Unterstufe) oder Mittelschulen (MS siehe Punkt 2.3.6 auf Seite 38). Für die Aufnahme in eine AHS müssen die Kinder die vierte Klasse Volksschule mit guten oder sehr guten Noten in Deutsch/Lesen/Schreiben und Mathematik beenden oder eine Aufnahme prüfung absolvieren. Das Schulwahlverhalten zu Beginn der Sekundarstufe I ist von mehre ren Faktoren abhängig: Neben dem regionalen Bildungsangebot bzw. der Pendeldistanz zum bevorzugten Schultyp, spielen das soziale Umfeld und der sozioökonomische Hinter grund eine wichtige Rolle. 28 Quelle: Statistik Austria, Kindertagesheimstatistik 2019/2020, Quote inklusive der vorzeitig eingeschulten Kinder 29 Quote inklusive der Betreuung bei Tageseltern 30 Quelle: Statistik Austria, Bildung in Zahlen 2018/2019 Jugend und Arbeit in Österreich 25 von 74
2.1.2 Die Sekundarstufe II Nach Abschluss der Sekundarstufe I mit der achten Schulstufe beginnt die Sekundarstufe II. In der Sekundarstufe II gibt es die Polytechnischen Schulen (PTS; Dauer: 1 Jahr), allgemein bildende höhere Schulen (AHS Oberstufe; 4 Jahre), berufsbildende mittlere Schulen (BMS; 1 bis 4 Jahre) und berufsbildende höhere Schulen (BHS; 5 Jahre). Nach der neunten Schul stufe bzw. dem neunten Schuljahr ist die allgemeine Schulpflicht beendet und die Schüler und Schülerinnen können entweder weiterhin eine allgemeinbildende oder berufsbildende mittlere oder höhere Schule besuchen oder eine duale Ausbildung absolvieren. Die Polytechnische Schule (PTS) schließt an die achte Schulstufe an und dauert ein Jahr. Sie bietet Allgemeinbildung, Berufsorientierung und Berufsgrundbildung. Mit der Einführung der AusBildung bis 18 müssen alle Jugendlichen unter 18 nach Beendigung der allgemeinen Schulpflicht verbindlich eine weitere schulische oder berufliche (Aus-)Bildung absolvieren. Details dazu finden sich unter Punkt 3.3.1 auf Seite 56. Schüler und Schülerinnen, die nach der neunten oder etwaigem freiwilligen zehnten Schul stufe die 4. Klasse Mittelschule (und damit Sekundarstufe I) nicht erfolgreich abgeschlossen haben, dürfen in einem freiwilligen 10. bzw. 11. Schuljahr diese Schulen mit Zustimmung des Schulerhalters und mit Bewilligung der zuständigen Schulbehörde besuchen. Unter den selben Bedingungen sind Schüler und Schülerinnen, die eine (N)MS oder PTS im neunten Schuljahr der allgemeinen Schulpflicht als außerordentliche Schülerinnen und Schüler be endet haben, berechtigt, diese Schulen ein weiteres Jahr als ordentliche oder außerordent liche Schüler und Schülerinnen zu besuchen. Darüber hinaus wurde durch das Pädagogikpaket 2018 (BGBl. I Nr. 101/2018) der gesetzli che Rahmen geschaffen, dass Schülerinnen und Schüler, die ihre allgemeine Schulpflicht (9. Schulstufe) an mittleren und höheren Schulen negativ abgeschlossen haben, in Zukunft wie der die Möglichkeit eines freiwilligen 10. Schuljahres an Polytechnischen Schulen erhalten. Damit bekommen diese Schülerinnen und Schüler die Chance, sich auch nach der 9. Schul stufe vertiefend beruflich und bildungsmäßig (neu) zu orientieren und die Berufsgrundbil dungs- sowie Berufsorientierungsangebote der Polytechnischen Schule für sich zu nutzen. Diese Bestimmung ist mit September 2019 in Kraft getreten. Die allgemeinbildende höhere Schule (AHS) umfasst entweder Sekundarstufe I und II, also Unterstufe und Oberstufe, oder nur die Sekundarstufe II, die vier oder bei Sonderformen fünf Jahre dauert. Die AHS wird mit Matura (Reifeprüfung) abgeschlossen, die zum Studium an Universitäten, Fachhochschulen, Pädagogischen Hochschulen und Akademien berech tigt. Jugend und Arbeit in Österreich 26 von 74
Berufsbildende Schulen bieten ab der neunten Schulstufe eine Vielzahl von Ausbildungs möglichkeiten in Form von berufsbildenden höheren Schulen (BHS) oder berufsbildenden mittleren Schulen (BMS) an. Sie vermitteln neben einer fundierten Allgemeinbildung eine berufliche Erstausbildung mit unterschiedlicher Dauer und unterschiedlichen Niveaus ab der neunten Schulstufe. Zu den berufsbildenden Schulen gehören die Berufsschulen, technische, gewerbliche und kunstgewerbliche Schulen, kaufmännische Schulen, Schulen für wirtschaftliche Berufe, Tou rismusschulen, Schulen für Mode, Schulen für Kunst und Gestaltung, Schulen für Produkt management und Präsentation, Schulen für Sozialberufe, land- und forstwirtschaftliche Schulen, Bildungsanstalten für Elementarpädagogik und Bildungsanstalten für Sozialpäda gogik einschließlich deren Sonderformen. Sie können in verschiedenen Formen mit unter schiedlicher Dauer (1 – 5 Jahre) geführt werden: Die drei bzw. vierjährigen BMS-Angebote sind Vollzeitschulen mit verpflichtendem Praxi santeil (Pflichtpraktikum). Sie werden ab der 9. Schulstufe geführt und vermitteln eine ab geschlossene berufliche Erstausbildung. Absolventen und Absolventinnen einer BMS haben Zugang zur Berufsreifeprüfung, mit deren Abschluss ein allgemeiner Hochschulzugang er öffnet wird. Ferner ist der Abschluss einer mindestens dreijährigen berufsbildenden mittle ren Schule dem NQR 31Niveau 4 zugeordnet. Die 1- bzw. 2-jährigen BMS-Angebote sind Vollzeitschulen ab der 9. Schulstufe und dienen einer beruflichen Vorbildung. Die fünfjährigen BHS-Angebote sind Vollzeitschulen mit verpflichtendem Praxisanteil (Pflichtpraktikum). Sie werden ab der 9. Schulstufe geführt und schließen mit einer Reife- und Diplomprüfung ab. Absolventen und Absolventinnen einer BHS verfügen über eine Doppelqualifikation. Einerseits erwerben sie den allgemeinen Hochschulzugang und ande rerseits eine abgeschlossene berufliche Erstausbildung. Der Abschluss einer BHS ist dem NQR-Niveau 5 zugeordnet. Der 4. und 5. Jahrgang der BHS entspricht nach ISCED (Interna tionalen Vergleich von Bildungsabschlüssen) der Stufe 5; diese wird als "short-cycle tertiary education" bezeichnet. Damit stehen Kompetenzen, die an BHS erworben wurden, in direk tem Vergleich mit akademischen Angeboten. Alternativ zum weiterführenden Schulbesuch kann nach der Beendigung der allgemeinen Schulpflicht eine duale Ausbildung, die Lehre, absolviert werden. Sie kombiniert praktisches Training in einem Betrieb (80%) und die Ausbildung in einer Berufsschule (20%). Die Lehre ist eine formale Ausbildung, die mit einer Lehrabschlussprüfung abgeschlossen wird. Der 31 NQR = Nationaler Qualifikationsrahmen Jugend und Arbeit in Österreich 27 von 74
Abschluss einer Lehre ist dem NQR-Level 4 zugeordnet. Es gibt 215 anerkannte Lehrberufe in unterschiedlichsten Bereichen. 39,5% der Jugendlichen jedes Jahrgangs absolvieren nach Beendigung ihrer Schulpflicht eine Lehre32. Eine genauere Beschreibung des Übergangs von der Schule in den Beruf, des dualen Systems, der Überbetrieblichen Lehrausbildung etc. lie fern die Punkte 3.3 auf Seite 56, 3.2 auf Seite 43 und 3.3.4 auf Seite 59. Weiterführend kann nach der Lehre eine Bauhandwerker-, Meister- bzw. Werkmeisterschule besucht werden. Außerdem kann nach Lehrabschluss eine Studienberechtigungsprüfung oder Berufsreife prüfung absolviert werden, die zum Eintritt in das tertiäre Bildungssystem bzw. zu einem bestimmten Studiengang im tertiären Bildungssystem berechtigt. 2.1.3 Schülerinnen und Schüler nach Schultyp Im Schuljahr 2019/20 gab es 1.115.318 33 Schüler und Schülerinnen, 47,9% davon waren weiblich. Zu Beginn der Sekundarstufe I in der 5. Schulstufe besuchen 59,8% der Schüler und Schülerinnen eine (N)MS, 35,5% eine AHS-Unterstufe, 1,9% eine Sonderschule, 1,5% eine (N)MS an AHS und 1,2% Statutschulen. Von der AHS-Unterstufe wechseln über 90% der Schüler und Schülerinnen in eine AHS-Oberstufe (61%) oder BHS (31,9%). Von der (N)MS wechseln rund 42,4% in AHS oder BHS, davon der Großteil in BHS (33,7%).34 In der 9. Schulstufe, zu Beginn der Sekundarstufe II, sind 35,5% der Schüler und Schülerin nen in einer BHS, 28,4% in einer AHS, 16,3% in Polytechnischen Schulen und 16,1% in BMS, 2,4% in Sonderschulen und 0,6% in berufsbildenden Statutschulen. Über 60% der Schüler und Schülerinnen in der 9. Schulstufe befinden sich also in einer Schule, die mit einer Reife prüfung abgeschlossen wird. 1980 waren dies lediglich 40%. Der Frauenanteil ist bei den höheren Ausbildungsformen35 höher (Frauenanteil AHS-Unterstufe: 52,1%; AHS-Oberstufe: 58,2%, BHS: 53%, Berufsschulen: 33%, Polytechnische Schule: 35,9%)36. 32 Quelle: Lehrlingsstatistik 2019 der WKÖ (Anteil der Lehrlinge im 1. Lehrjahr an den 15-jährigen im Jahresdurch schnitt 2019). 33 inklusive Statutschulen mit eigenem Organisationsstatut 34 Bildungsübertritte vom Schuljahr 2017/18 auf Schuljahr 2018/19, Quelle: Statistik Austria 35 Grundlage: alle Schulstufen 36 Quelle: Statistik Austria, StatCube Jugend und Arbeit in Österreich 28 von 74
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