Juristisches Update für Gesundheitsberufe - Dr. Michael Halmich LL.M. Jurist / Ethikberater im Gesundheitswesen Montag, den 3. Mai 2021 13.00 bis ...

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Juristisches Update für Gesundheitsberufe - Dr. Michael Halmich LL.M. Jurist / Ethikberater im Gesundheitswesen Montag, den 3. Mai 2021 13.00 bis ...
Juristisches Update
für Gesundheitsberufe

Dr. Michael Halmich LL.M.
Jurist / Ethikberater im Gesundheitswesen
Montag, den 3. Mai 2021 (13.00 bis 16.00 Uhr)
Juristisches Update für Gesundheitsberufe - Dr. Michael Halmich LL.M. Jurist / Ethikberater im Gesundheitswesen Montag, den 3. Mai 2021 13.00 bis ...
Übersicht

−   Update Berufsrecht
−   Entscheidungsfindung bei Therapie / Pflege
−   Vorsorge (v.a. Patientenverfügung)
−   Erwachsenenschutzrecht
−   Recht in der Palliative Care inkl. aktueller Diskussion zum
    erlaubten assistierten Suizid ab 2022

                                 www.gesundheitsrecht.at          2
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Wo finde ich das Berufsrecht
(auch der anderen)?
In den Berufsgesetzen (stets Bundesgesetze)

Link: www.ris.bka.gv.at

−   Arzt: Ärztegesetz (ÄrzteG)
−   Pflege (DGKP, PFA, PA): Gesundheits- und Krankenpflegegesetz (GuKG)
−   Sanitäter: Sanitätergesetz (SanG)
−   Hebamme: Hebammengesetz (HebG)
−   Physiotherapeut, Diätologe, Logopäde …: Medizinisch-technischer-Dienste-Gesetz (MTD-G)
−   Ordinationsassistent, Röntgenassistent …: Medizinische Assistenzberufe-Gesetz (MABG)
−   …

                                           www.gesundheitsrecht.at                           3
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Gesundheitsberufe
Vorbehaltsbereiche:
Jeder Gesundheitsberuf hat seinen eigenen Bereich, der von der Ausübung durch
Andere geschützt ist. Auch Bezeichnungsschutz!

Abgrenzung zu Sozialbetreuungs- und zu gewerblichen Berufen!

Sozialbetreuungsberufe: Diplom-Sozialbetreuer, Fach-Sozialbetreuer, Heimhilfe

Gewerbliche Berufe: Augenoptiker, Bandagisten, Orthopädietechniker, Mieder-
warenerzeuger, Fußpfleger, Hörgeräteakustiker, Kontaktlinsenoptiker, Kosmetiker
(hierzu zählt auch Piercen und Tätowieren), Lebens- und Sozialberater, Orthopädie-
schuhmacher, Zahntechniker, Humanenergetiker …

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Teamarbeit: Vertrauensgrundsatz
Gesundheitspersonal darf grundsätzlich davon ausgehen, dass alle Angehörigen von
Gesundheitsberufen (zB andere Ärzte, Pflegepersonal, Sanitäter) im Rahmen der ihnen
vom Berufsrecht zugewiesenen Tätigkeiten ihren Aufgaben gewachsen sind und
sorgfaltsgemäß handeln.

D.h. jeder hat seine Kompetenzen zu kennen und die Grenzen zu beachten!

Rückmeldung, wenn bei der Zusammenarbeit von einem Gesundheitsberuf gewisse
Tätigkeiten nicht durchgeführt werden dürfen.

In Grundzügen sollte man auch das Berufsrecht der „Schnittstellenberufe“ kennen
(Delegation? Welche Maßnahmen? Formalia? …)

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Teamarbeit: Vertrauensgrundsatz
Der Vertrauensgrundsatz bei der Teamarbeit gilt allerdings nicht, wenn
sorgfaltswidriges Handeln eines Kollegen eindeutig erkennbar ist oder aufgrund
konkreter Umstände nahe liegt.

Dann gelten Warn- und Eingriffspflichten.

Dies gilt sowohl horizontal (unter gleich Qualifizierten) als auch vertikal (bei
unterschiedlich Qualifizierten).

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Wichtige Abgrenzungen
Berufsrechtliches DÜRFEN
(= maximale Befugnisse anhand GuKG – kann auch durch Arzt-Anordnung nicht
ausgedehnt werden)

Alltägliches KÖNNEN / dienstrechtliches MÜSSEN im Beruf
(nicht alles jemals Gelernte muss im gesamten Berufsleben stets auch gekonnt
werden; jedoch das täglich Notwendige für den Berufsalltag muss beherrscht werden
=> Fortbildung!)

                                                                           Alltägliches Können /
                                                                           Dienstrechtliches Müssen

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                                                             Kompetenzüberschreitung kann Strafe / Haftung auslösen!
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Arzt
Arzt = Ausübung Medizin

§ 49 Abs. 2 und 3 ÄrzteG:
Der Arzt hat seinen Beruf persönlich und unmittelbar, erforderlichenfalls in Zusammenarbeit
mit anderen Ärzten und Vertretern einer anderen Wissenschaft oder eines anderen Berufes,
auszuüben. Zur Mithilfe kann er sich jedoch Hilfspersonen bedienen, wenn diese nach seinen
genauen Anordnungen und unter seiner ständigen Aufsicht handeln.

Der Arzt kann im Einzelfall an Angehörige anderer Gesundheitsberufe oder in Ausbildung zu
einem Gesundheitsberuf stehende Personen ärztliche Tätigkeiten übertragen, sofern diese vom
Tätigkeitsbereich des entsprechenden Gesundheitsberufes umfasst sind. Er trägt die
Verantwortung für die Anordnung. Die ärztliche Aufsicht entfällt, sofern die Regelungen der
entsprechenden Gesundheitsberufe bei der Durchführung übertragener ärztlicher Tätigkeiten
keine ärztliche Aufsicht vorsehen.
                                                ÜBERTRAGEN = DELEGATION

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Pflege
Drei Berufsgruppen innerhalb der Pflegeberufe

Kompetenzen:
DGKP: §§ 14-17 GuKG
(Pflegerische Kernkompetenzen, Kompetenz bei Notfällen, Kompetenzen bei medizinischer
Diagnostik und Therapie, Weiterverordnung von Medizinprodukten, Kompetenzen im
multiprofessionellen Versorgungsteam, Spezialisierungen)

PFA: § 83a GuKG
(Pflegemaßnahmen, Handeln in Notfällen, Mitwirkung bei Diagnostik und Therapie)

PA: § 83 GuKG
(Pflegemaßnahmen, Handeln in Notfällen, Mitwirkung bei Diagnostik und Therapie)

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Pflegemaßnahmen
DGKP: Gesamtverantwortung für den Pflegeprozess
Übertragung von Pflegemaßnahmen entsprechend dem Qualifikationsprofil an PA, PFA

PA: Durchführung nur nach Anordnung und unter Aufsicht von DGKP. Im extramuralen
Bereich haben Anordnungen schriftlich zu erfolgen. Aufsicht ≠ Draufsicht. Aufsicht
kann auch in Form einer begleitenden Kontrolle in regelmäßigen Intervallen erfolgen.

PFA: Eigenverantwortliche Durchführung nach Anordnung. Keine Aufsicht. Anordnung
hat im extramuralen Bereich schriftlich zu erfolgen.

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Med. Diagnostik / Therapie
Arzt: Anordnung (auch Verantwortung für korrekte Anordnung, grds. zuvor
Patientenkontakt, COVID)

DGKP: Kompetenzen lt. § 15 GuKG. Anordnung vom Arzt schriftlich/mündlich.
Durchführungsverantwortung selbst.

PFA: Kompetenzen lt. § 83/4 § 83a/2 GuKG.                    Anordnung vom Arzt/DGKP, stets
schriftlich. Durchführungsverantwortung selbst.

PA: Kompetenzen lt. § 83/4 GuKG. Anordnung vom Arzt/DGKP, stets schriftlich.
Durchführung nach Aufsicht, daher geteilte Verantwortung. Aufsicht aber möglich in
Kontrollintervalle.

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Medikation I
                                                                                              Alle drei im Notfall ohne Arzt-Anordnung:
                                                                                              Sauerstoff-Gabe!
                        DGKP: Diplomierte Gesundheits-
                        und Krankenpflegeperson
                        3 Jahre                                                PFA: Pflegefachassistenten                            PA: Pflegeassistenten
                        FH / GuKPS (bis 2023)                                  2 Jahre Qualifikationsprofil PFA                      1 Jahr Qualifikationsprofil PA
                        Spezialisierung: Anästhesie- / Intensivpflege          GuKPS                                                 GuKPS oder Lehrgänge

                        −   Verabreichung von Arzneimitteln,                   −   Verabreichung von lokal, transdermal              −   Verabreichung von lokal, transdermal
                            (einschließlich Zytostatika und Kontrastmitteln)       sowie über Gastrointestinal- und/oder                 sowie über Gastrointestinal- und/oder
Arzneimittelkompetenz

                                                                                   Respirationstrakt zu verabreichenden                  Respirationstrakt zu verabreichenden
                        −   Injektionen und Infusionen                             Arzneimitteln (in stabiler Pflegesituation)           Arzneimitteln (in stabiler Pflegesituation)

                        −   Legen / Wechsel periphervenöser                    −   Subkutane Insulininjektionen und                  −   Subkutane Insulininjektionen und
                            Verweilkanülen (einschließlich Aufrechter-             subkutane Injektionen von                             subkutane Injektionen von
                            haltung deren Durchgängigkeit, Entfernung)             blutgerinnungshemmenden Arzneimitteln                 blutgerinnungshemmenden Arzneimitteln
                        −   Verabreichung Blut / Blutbestandteile              −   Ab- und Anschluss laufender Infusionen
                                                                                   (bei liegendem periphervenösen Gefäßzugang;
                        −   Anpassung von Insulin-, Schmerz- und                   Aufrechterhaltung der Durchgängigkeit,
                            Antikoagulantientherapie nach SOP                      Entfernung; ausgenommen Zytostatika und
                                                                                   Transfusionen mit Vollblut / Blutbestandteilen)

                                                                                       www.gesundheitsrecht.at                                                              12
Medikation II

− DGKP / PFA und PA dürfen sowohl Dauer- als auch Einzelfallmedikamente verabreichen.
  (PFA / PA nur bei Personen in stabilen Pflegesituationen).
  Details zu den Einzelfallmedikamenten: Arzt muss vorgeben: Medikament – Applikationsform – Indikation (Verhalten, nicht
  Diagnose) – Dosis – max. Dosis pro 24h – Mindestzeiten zw. zwei Gaben – begleitende Qualitätsmaßnahmen –
  Wirksamkeitskontrolle …

− Da im Gesundheits- und Krankenpflegegesetz der Begriff „Arzneimittel“ nicht näher ausformuliert
  oder einschränkt wird, sind alle Arzneimittel delegierbar, die gefahrlos durch die jeweilige
  Pflegeperson verabreicht werden können; sohin etwa auch suchtmittelhaltige oder sedierend
  wirkende Arzneimittel.

− Es obliegt dem Arzt zu entscheiden, ob und in welchen Fällen die Verabreichung bestimmter
  Arzneimittel an die jeweiligen Pflegepersonen übertragbar sind.

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Notfallmaßnahmen
Notfallkompetenzen stets eigenverantwortlich durchzuführen.

Erste Kompetenz:
Erkennen und Einschätzen von Notfällen

und dann erst: Setzen entsprechender Maßnahmen
(Kompetenzen von DGKP/PFA/PA fokussieren auf Reanimation).

Weitere med. Maßnahmen nach Vorab-Anordnung erlaubt (zB Anordnung für den
Notfall im Bereich Epi-Anfall, Atemnot, Hypertensive Krise …)

                                  www.gesundheitsrecht.at              14
COVID-Testen
Mit Ende Februar wurden Erleichterungen in Bezug auf COVID-Tests im Parlament beschlossen. Aufgrund der aktuellen gesetzlichen Regelung dürfen folgende Berufsangehörige
Abstriche aus Nase und Rachen einschließlich Point-of-Care-Covid-19-Antigen-Tests zu diagnostischen Zwecken durchzuführen:
−     Apotheker
−     Ärzte
−     Gehobene med.-techn. Dienste (Physiotherapeut, Biomed. Analytiker, Radiologietechnologe, Diätologe, Ergotherapeut, Logopäde, Orthoptist)
−     Hebammen
−     Kardiotechniker
−     Masseure (med. Masseur, Heilmasseur)
−    Med. Assistenzberufe         (Desinfektionsassistent,   Gipsassistent,   Laborassistent,   Obduktionsassistent,   Operationsassistent,   Ordinationsassistent,   Röntgenassistent,
     Trainingstherapeut)
−     Gesundheits- und Krankenpflegepersonen (Dipl. Pflegeperson, Pflegefachassistent, Pflegeassistent)
−     Sanitäter (Rettungs- und Notfallsanitäter)
−     Zahnärzte
−     Zahnärztliche Assistenten
−     Personen, die ein naturwissenschaftliches oder veterinärmedizinisches Studium erfolgreich abgeschlossen haben (z.B. Biologie, Chemie, Pharmazie, Zahnmedizin)
−     Fach- und Diplomsozialbetreuer, Heimhelfer
−     Personen, die in Ausbildung zu einem Gesundheitsberuf sind

                                                                                                                                          Link

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COVID-Impfbefugnis
Ärzte (AAM, FA, Pensionisten, ausländische Ärzte, Turnusärzte, Medizinstudenten)

Dipl. Gesundheits- und Krankenpflegeperson (§ 15 GuKG – ärztl. Anordnug nötig, keine Aufsicht)

Sanitäter (RS, NFS / § 9 SanG):

                                          www.gesundheitsrecht.at                                16
COVID-Regeln allgemein
− COVID-19-Schutzmaßnahmenverordnung regelt die Vorgaben.
− Diese werden laufend angepasst.
− Regelungsbereiche:
    −   Allgemeine Ausgangsregeln
    −   Ort der beruflichen Tätigkeit
    −   Alten und Pflegeheime sowie stationäre Wohneinrichtungen der Behindertenhilfe
    −   Krankenanstalten und Kuranstalten und sonstige Orte, an denen Gesundheitsdienstleistungen erbracht werden
    −   Ausnahmen
    −   Testergebnisse …

=> Übersicht über aktuell geltende Verordnung (Link)
=> Übersicht bietet auch die Website vom Gesundheitsministerium (Link).

                                                  www.gesundheitsrecht.at                                           17
Gewaltschutzgesetz 2019
Hintergrund zum Gesetzesvorhaben:

− Ca. 35 Gesundheitsberufe in Österreich, Anzeige- und Meldepflichten teils sehr unterschiedlich
  oder gar nicht geregelt.
− Gesundheitsberufe sind aber oftmals erste Anlaufstelle nach Auftreten von Gewalt. Daher ist im
  Sinne eines funktionierenden Opferschutzes eine einheitliche Anzeigepflicht geboten.
− Vor der Novelle hatten Ärzte und Pflegberufe eine Anzeigepflicht im Berufsrecht.
− Diese Anzeigepflicht soll als Basis für alle Gesundheitsberufe gelten; zudem Ausdehnung und
  Vorsehen von Ausnahmen zur Anzeigepflicht, um im Einzelfall ein differenziertes Vorgehen zu
  ermöglichen.
− Gesetz trat mit 30.10.2019 in Kraft. Seither gelten die neuen Anzeigepflichten!

                                          www.gesundheitsrecht.at                             18
Gewaltschutzgesetz 2019
Welche Berufsgruppen haben nun eine Anzeigepflicht?

−   Ärzte
−   Pflegeberufe (DGKP, PFA, PA)
−   Hebammen
−   Kardiotechniker
−   MTD-Berufe (zB Physioth., Biomed. Analytiker, Radiologietechnologe, Diätologe, Ergoth., Logopäde, Orthopist)
−   Med. Assistenzberufe (Desinfektionsass., Gipsass., Laborass., Obduktionsass., Operationsass., Ordinationsass., Röntgenass.)
−   Med. Masseur, Heilmasseur
−   Sanitäter
−   Zahnärzte
−   Musiktherapeuten
−   Psychologen
−   Psychotherapeuten

                                                           www.gesundheitsrecht.at                                                19
Anzeigepflicht – Grundsatz
Die Gesundheitsberufe sind zur Anzeige an die Kriminalpolizei oder die Staatsanwaltschaft
verpflichtet, wenn sich in Ausübung der beruflichen Tätigkeit der begründete Verdacht ergibt, dass
durch eine gerichtlich strafbare Handlung

− der Tod, eine schwere Körperverletzung oder eine Vergewaltigung herbeigeführt wurde oder

− Kinder oder Jugendliche misshandelt, gequält, vernachlässigt oder sexuell missbraucht werden
  oder worden sind oder

− nicht handlungs- oder entscheidungsfähige oder wegen Gebrechlichkeit, Krankheit oder einer
  geistigen Behinderung wehrlose Volljährige misshandelt, gequält, vernachlässigt oder sexuell
  missbraucht werden oder worden sind.

                                         www.gesundheitsrecht.at                                20
Begründeter Verdacht?

Nach den Erläuterungen zum Gesetz liegt ein „begründeter Verdacht“ vor, wenn über die bloße
Vermutung hinausgehende, konkrete Anhaltspunkte für eine Gefährdung einer konkreten Person
vorliegen. Die Anhaltspunkte dazu können sich insbesondere aus den wahrgenommenen Tatsachen
und Schlüssen, die aus dem fachlichen Wissen und der Berufserfahrung gezogen werden, ergeben.

Dabei kann es sich u.a. um die Ergebnisse von Untersuchungen, Beobachtungen oder Inhalte von
Gesprächen handeln.

Allgemeine unsubstantiierte Vorwürfe, bloße Gerüchte oder Vermutungen stellen jedenfalls keinen
begründeten Verdacht dar.

                                        www.gesundheitsrecht.at                              21
Anzeigepflichtige Delikte
1) Bei allen Personen jeglichen Alters

Begründeter Verdacht auf gerichtlich strafbare Handlung und
− Tod (etwa tote Person im Rahmen eines Verkehrs-, Arbeits- oder Freizeitunfalls; tote Person nach Sturz mit
  Fremdverschuldensverdacht; totes Baby nach Hausgeburt; tote Person nach Substanzmissbrauch; Suizid mit
  Verdacht auf Mitwirkung anderer; Tötung auf Verlangen / Sterbehilfe; Tatbegehung stets fahrlässig und auch
  vorsätzlich möglich; §§ 75–80 StGB)
− Schwere Körperverletzung (= Betroffenheit eines wichtigen Organs oder die Folgen der Körperverletzung /
  Gesundheitsbeeinträchtigung dauern mehr als 24 Tage; Judikatur: Brüche großer Knochen, Verlust von Zähnen,
  Knochenabsprengung eines Halswirbels kleinsten Umfangs, Gehirnerschütterung mit Bewusstlosigkeit und
  retrograder Amnesie, Verlust der Zeugungsfähigkeit, Eröffnung großer Blutgefäße, Dickdarmperforation, bleibender
  Hirnschaden, anhaltende Lähmungserscheinungen …; Tatbegehung fahrlässig und auch vorsätzlich möglich; §§ 84–
  88 StGB).
− Vergewaltigung (Nötigung zur Vornahme oder Duldung des Beischlafes oder einer dem Beischlaf gleichzusetzenden
  geschlechtlichen Handlung mittels mit Gewalt, durch Entziehung der persönlichen Freiheit oder durch Drohung mit
  gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben; nur vorsätzliche Tatbegehung möglich; § 201 StGB).

                                                www.gesundheitsrecht.at                                         22
Anzeigepflichtige Delikte
2) Bei Kinder & Jugendliche (bis 18. Geburtstag) sowie wehrlose Erwachsene

Begründeter Verdacht auf gerichtlich strafbare Handlung und
Misshandlung ( = jede üble/unangenehme Behandlung einer Person, welche das körperliche Wohlbefinden beeinträchtigt,
auch wenn sie keine nachhaltige / feststellbare Verletzung hervorruft. Beispiele: Fußtritte, Ohrfeigen, Wegziehen eines
Beines, um jemanden zu Fall zu bringen, Umstoßen, Zu-Boden-Werfen, Jemanden gegen eine Mauer drücken, Unter-Wasser-
Wasser-Drücken; nur vorsätzliche Tatbegehung möglich; § 83 Abs. 2 StGB).
Quälen ( = Zufügen von länger andauernden / sich wiederholenden heftigen Schmerzen, Leiden oder Angstzustände; in der
Regel in Beschützerverhältnissen wie Obsorge oder Fürsorge/Betreuung; nur vorsätzliche Tatbegehung strafbar; § 92 StGB).
Vernachlässigen (= gröbliche Vernachlässigung der Fürsorge- / Obsorgepflicht und beträchtliche Schädigung der Gesundheit,
körperlicher oder geistiger Entwicklung; nur vorsätzliche Tatbegehung möglich; § 92 StGB).
Sexueller Missbrauch (bei Minderjährigen = Vornahme einer geschlechtlichen Handlung an oder vor einer unmündigen
Person [vor dem 14. Geburtstag]; ebenso Beischlaf; zudem Schutz von Personen vor dem 16. Geburtstag bei mangelnder
Reife und Personen vor dem 18. Geburtstag bei Ausnutzung einer Zwangslage bzw. geschlechtliche Handlung unmittelbar
gegen Entgelt; nur vorsätzliche Tatbegehung strafbar; §§ 206–207 sowie § 207b StGB; bei wehrlosen Erwachsenen =
Vornahme / Duldung des Beischlafes, eine dem Beischlaf gleichzusetzende Handlung oder eine geschlechtliche Handlung bei
wehrlosen, psychisch / kognitiv beeinträchtigten Erwachsenen unter Ausnutzung der Beeinträchtigung; nur vorsätzliche
Tatbegehung strafbar; § 205 StGB).

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Fallbeispiel „Veto gegen Anzeige“
Sie arbeiten in einer Pflegeeinrichtung. Eine Bewohnerin fährt regelmäßig übers Wochenende nach
Hause. Dies schon seit Jahren.

An einem Sonntag Abend wird die Bewohnerin von Angehörigen zurück gebracht. Auffällig war, dass
die Angehörigen es sehr eilig hatten und sie gleich wieder die Pflegeeinrichtung verlassen wollten.

Beim persönlichen Gespräch merken Sie, dass die Bewohnerin Verletzungen aufweist (Kratzspuren,
Rötung an der Hautoberfläche). Sie sprechen die Bewohnerin darauf an. Sie erklärt, dass es zu
Hause einen Streit gab und sie tätlich angegriffen wurde. Daher wollte sie sofort retour in die
Einrichtung. Sie wolle sich nun überlegen, zukünftig nicht mehr übers Wochenende nach Hause zu
fahren. Sie wolle aber der Familie keine Probleme bereiten. Es soll keine Anzeige geben.

Was machen Sie?

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Ausnahmen von der Anzeigepflicht
Eine Pflicht zur Anzeige besteht nicht, wenn
− die Anzeige dem ausdrücklichen Willen des volljährigen handlungs- oder entscheidungsfähigen
  Patienten widersprechen würde, sofern keine unmittelbare Gefahr für diesen oder eine andere
  Person besteht (Zusatz für Ärzte: und die klinisch-forensischen Spuren ärztlich gesichert sind)
  oder
− die Anzeige im konkreten Fall die berufliche Tätigkeit beeinträchtigen würde, deren Wirksamkeit
  eines persönlichen Vertrauensverhältnisses bedarf, sofern nicht eine unmittelbare Gefahr für
  diese oder eine andere Person besteht, oder
− das Gesundheitspersonal, das seine berufliche Tätigkeit im Dienstverhältnis ausübt, eine
  entsprechende Meldung an den Dienstgeber (= Spital, Pflegeeinrichtung etc.) erstattet hat und
  durch diesen eine Anzeige an die Kriminalpolizei oder die Staatsanwaltschaft erfolgt ist.

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Fallbeispiel „Kind als Opfer“
Sie arbeiten an einer Kinderabteilung des Spitals XY. Ein Kind kommt mit der Rettung, da es im
Turnunterricht vom Trampolin gefallen ist und sich den Fuß verletzt hat. Im Rahmen der
Untersuchung stellen Sie fest, dass das Kind untypische Brandverletzungen an den oberen
Extremitäten hat.

Sie bemerken, dass sich das Kind schämt und versucht, die Körperstellen zu verdecken. Sie haben
einen Verdacht, dass das Kind bewusst verletzt wurde.

Was machen Sie?

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Besonderheiten bei Minderjährigen
Die Anzeige kann unterbleiben, wenn sich der Verdacht gegen eine/n Angehörige/n richtet, sofern dies
das Wohl des Kindes oder Jugendlichen erfordert und eine Mitteilung an die Kinder- und
Jugendhilfeträger und gegebenenfalls eine Einbeziehung einer Kinderschutzeinrichtung an einer
Krankenanstalt erfolgt.

Definition von Angehörige lt. Gesetz:
Unter Angehörigen einer Person sind ihre Verwandten und Verschwägerten in gerader Linie, ihr Ehegatte
oder eingetragener Partner und die Geschwister des Ehegatten oder eingetragenen Partners, ihre
Geschwister und deren Ehegatten oder eingetragene Partner, Kinder und Enkel, die Geschwister ihrer
Eltern und Großeltern, ihre Vettern und Basen, der Vater oder die Mutter ihres Kindes, ihre Wahl- und
Pflegeeltern, ihre Wahl- und Pflegekinder, sowie Personen, über die ihnen die Obsorge zusteht oder unter
deren Obsorge sie stehen, zu verstehen (§ 72 StGB).

Personen, die miteinander in Lebensgemeinschaft leben, werden wie Angehörige behandelt, Kinder und
Enkel einer von ihnen werden wie Angehörige auch der anderen behandelt.

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Tipps für konkretes Vorgehen I
− Schärfen Sie die Sinne zum Erkennen von Gewalt.
− Bilden Sie sich diesbezüglich fachlich fort.
− Wahrnehmungen können sich ergeben aus:
    o   Anvertrauen
    o   Eigene Wahrnehmung bei Untersuchung
    o   Auffälligkeiten bei Bildgebung / Befunde
    o   Mitteilung des Verdachts von anderen Gesundheits-/Sozialberufen, An-/Zugehörigen etc.
− Schonendes Ansprechen gegenüber der betroffenen Person.
− Weitere Verdachtsabklärung – ist dieser begründet?
− Hinwirken auf gemeinsame Vorgehensweise mit potentiellem Opfer. Vertrauensarbeit!
− Einbezug Kinder-/Opfer-/Gewaltschutzgruppe im Spital, wenn möglich.

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Tipps für konkretes Vorgehen II
− Wichtig: Frühzeitiges Denken an forensische Spurensicherung!
− Projekt „MedPol“: standardisierter, gerichtstauglicher Dokumentationsbogen (nächste Folien)
  zudem Beweissicherungs-Sets

− Gewalt dauert aktuell noch an => sofortige Polizeibeiziehung.
− In der Regel ist Gesundheits-/Pflegeeinrichtung gesicherter Bereich. Ggf. Hospitalisierung zur
  Abklärung weiterer Verdachtsmomente und zur Gewährung von Sicherheit anbieten.
− Personal im Spital (zB Sozialarbeit) sollte über Opferschutzangebote in der Region Bescheid
  wissen und vermitteln.
− Anzeige wohl überlegt ansprechen und bei Vorliegen der Voraussetzungen umsetzen (bei
  nächster Polizeidienststelle). DOKUMENTATION!
− Bei NEIN der betroffenen Person zur Anzeige: Ergründen, warum das Nein besteht.

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Rahmen zur Entscheidungsfindung
bei Therapie und Pflege

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Indikation
Ist eine (evidenzbasierte) Bewertung
− der Vorteile (Nutzen) und
− Nachteile (Risiko, Belastung, Schaden)
− einer medizinischen / therapeutischen / pflegerischen Intervention   Fokus auf ATL´s kann
− in Hinblick auf ein bestimmtes Therapieziel                          helfen, konkrete Therapie-
                                                                       ziele einfacher zu
− für einen konkreten Patienten.                                       definieren.

Wirksamkeit ≠ Nutzen

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Rechtsrahmen zur Indikation
− Indizierte Maßnahmen, zu denen der aufgeklärte Patient (bzw. sein befugter Vertreter) die
  Einwilligung erteilt, dürfen begonnen bzw. fortgesetzt werden.
− Auf indizierte Maßnahmen, die nicht (mehr) vom Patientenwillen getragen sind, muss verzichtet
  werden bzw. müssen sie beendet werden.

− Auf nicht indizierte Maßnahmen darf verzichtet werden bzw. dürfen sie beendet werden, selbst
  wenn der Patient / der Vertreter sie wünscht.
− Auf kontraindizierte Maßnahmen muss verzichtet werden bzw. müssen diese beendet werden,
  selbst wenn der Patient / der Vertreter sie wünscht.

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Patientenwille
Grundsatz: Informierter Patient hat Zustimmung zu erteilen. Entscheidungsfähiger Patient kann
diese nur selbst erteilen. Keine Vertretung, keine Zwangsbehandlung, keine Freiheitsbeschränkung.

1.   Volle Entscheidungsfähigkeit wird gesetzlich vermutet ab 18. Geburtstag. Zustimmung /
     Ablehnung von Behandlungen bereits ab 14. Geburtstag möglich (darunter: altersadäquate
     Einbeziehung).

2.   Entscheidungsfähigkeit fragwürdig / nicht abschließend beurteilbar: nachweisliche Beiziehung
     von Unterstützerkreise (z.B. Angehörige, Vertrauenspersonen) und Befähigung zur eigenen
     Entscheidung.

3.   Keine Entscheidungsfähigkeit: Befugter Vertreter hat Entscheidung zu treffen. Vertreter hat
     Willenserforschungspflicht. So lange es keinen Vertreter gibt oder ein Zuwarten auf Eintreffen
     nicht vertretbar ist => Gefahr-im-Verzug-Kompetenz (indizierte Maßnahmen sind einzuleiten!)

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Patientenwille: Keine Anhaltspunkte?
Gibt es überhaupt keine Anhaltspunkte zum Patientenwillen, so kommt der Grundsatz zum Tragen:

− Im Zweifel ist bei nicht-entscheidungsfähigen Personen davon auszugehen, dass diese eine
  medizinisch indizierte Behandlung wünschen (§ 253 Abs. 1 ABGB).

− Indikation rückt somit ins Zentrum. Behandlungsteams (v.a. Ärzte) haben anhand der
  Indikationsbeurteilung das weitere Behandlungsprozedere (in Abstimmung mit den Vertretern)
  festzulegen.

− Nicht-indizierte / kontra-indizierte Maßnahmen sind zu unterlassen => Therapiezielwechsel!

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Checkliste: Vorgehen bei Behandlung
1.   Zeitkritischer Notfall
     (keine Aufklärung/Zustimmung erforderlich; indizierte Maßnahmen sind einzuleiten)

2.   Entscheidungsfähiger Patient entscheidet selbst (Zustimmung/Ablehnung; somit auch Reversrecht)

3.   Patient nicht entscheidungsfähig und verbindliche Patientenverfügung = Abgelehnte Maßnahmen
     haben zu unterbleiben. Keine Beiziehung / Befragung eines Vertreters vorgesehen.

4.   Patient nicht entscheidungsfähig => vorerst Versuch: Unterstützung in der Entscheidungsfindung.

5.   Patient bleibt nicht entscheidungsfähig => Vertreter beiziehen
     (Vertreter nicht zeitnah anwesend oder es gibt noch gar keinen => unaufschiebbare Behandlungen
     durchführen aufgrund der „Gefahr-im-Verzug-Kompetenz“; dies kann Tage bis Wochen dauern!)

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Differenzierungen
− Aktuelle Behandlungsentscheidung

− Vorausplanung:
    • Vorsorgevollmacht
    • Patientenverfügung
    • Vorausplanung auf Initiative des Gesundheitspersonals
      (z.B. Vorsorgedialog)

− Vertretung:
    • Obsorge
    • Vorsorgebevollmächtigter
    • Erwachsenenvertreter

                                                 www.gesundheitsrecht.at   36
Patientenverfügung
Eine Patientenverfügung ist eine Willenserklärung, mit der ein Patient eine medizinische
Behandlung ablehnt und die dann wirksam werden soll, wenn er im Zeitpunkt der Behandlung nicht
entscheidungsfähig ist.

Keine Relevanz, wenn Behandlungsentscheidung noch selbst getroffen werden kann!

Möglichkeit seit 2006 eröffnet.

Letzte Novelle des Patientenverfügungs-Gesetz (PatVG) per Jänner 2019.

Begleitstudie IERM 2014: Nur 4 % der öst. Bevölkerung nutzt dies!

                                         www.gesundheitsrecht.at                            37
Änderungen 2019 auf einen Blick
− Verbindliche Patientenverfügung = Geltung max. 8 Jahre

− Erwachsenenschutzverein als 4. Errichtungsstelle!

− Erneuerung lediglich durch ärztl. Aufklärung möglich.
  Jurist nicht zwingend!

− Speicherung in ELGA, Abfragen durch Gesundheitspersonal

− Für ausländische Patienten, die in Österreich behandelt werden, gilt immer österr.
  Patientenverfügungsrecht.

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Patientenverfügung
Ratgeber von ARGE PatientenwältInnen / Hospiz Österreich

Kostenfrei: www.patientenanwalt.com oder www.hospiz.at

                                        www.gesundheitsrecht.at   39
Patientenverfügung
Nur zur Ablehnung medizinischer Behandlungen.

Geltung: Wenn Person selbst nicht mehr entscheidungs-/äußerungsfähig ist.
Solange Entscheidungsfähigkeit des Patienten gegeben ist, hat die PatV keine Bedeutung!

Abgelehnte med. Maßnahmen in der Praxis:
− Ernährung mittels Sonde / Flüssigkeitsersatz (z.B. Infusion)
− Beatmungshilfen (Intubation, Maskenbeatmung, Tracheotomie)
− Wiederbelebung (HDM, auch Defibrillation)
− Antibiotische Therapie
− Chemotherapie
− Medikation zur Stärkung lebenswichtiger Organe
− Verabreichung von Blut/Blutbestandteilen
− Einsatz von Geräten zur Organunterstützung / -ersatz (z.B. Dialyse)

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Wer kann eine PatV errichten?
Jede Person, die entscheidungsfähig ist, nur höchstpersönlich!

Bestehen einer konkreten Erkrankung zum Errichtungszeitpunkt nicht Voraussetzung.

Ab dem 14. Lebensjahr möglich, aber mit Zustimmung obsorgeberechtigte Person(en).

Blick in die Praxis – wer macht üblicherweise eine PatV:
− Ältere Personen, die bestimmte Behandlungen in der letzten Lebensphase ablehnen.
− Bereits erkrankte Personen (z.B. Krebserkrankte, ALS-Patienten)
− Personen, die aus religiösen Gründen eine bestimmte Behandlung ablehnen (z.B. Zeugen
  Jehovas)

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Welche Arten gibt es?
Verbindliche PatV:
Strenge Errichtungsvorschriften (Arzt / Jurist). Bindet das Behandlungsteam in jedem Fall.
Dies auch dann, wenn Nichtbehandlung den sicheren Tod bedeuten würde.
Kein Vertreter ist beizuziehen. Auch keine Befragung von Vertretern, Angehörigen oder
Vertrauenspersonen nötig.

Sonstige PatV (nicht-verbindliche PatV):
Keine Formvorschriften. Je näher der „verbindlichen“, desto relevanter!
Sie ist für die Ermittlung des Pat.-Willens von Bedeutung (= „der Ermittlung des Pat.-Willens zu
Grunde zu legen“). Ist also eine Orientierungshilfe mit Interpretationsspielraum für das
Behandlungsteam als auch den/die gesetzlichen Vertreter.

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Patientenverfügung
Checkliste für verbindliche Patientenverfügung:

− Höchstpersönliche Errichtung
− Ärztliche Aufklärung (Arzt-Unterschrift?)
− Errichtung vor einem Rechtsanwalt / Notar / rechtskundigen Patientenvertreter / rechtskundigen
  Mitarbeiter eines Erwachsenenschutzvereins (Unterschrift?)
− Ablehnung bestimmter medizinischer Behandlungen
− Aktualität (Geltungsdauer grundsätzlich acht Jahre)

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Kosten
Keine einheitlich geregelten Kostensätze!

Arztleistung:
− Keine Kassenleistung (immer wieder in Kritik)
− Freie Honorarvereinbarung (Ärztekammer empfiehlt € 120 pro angefangener halben Stunde)

Juristenleistung:
− Anwalt / Notar: Freie Honorarvereinbarung (Öst. Rechtsanwälte: € 120 Pauschale)
− Patientenvertretungen: IdR kostenfrei (Anreise in Landeshauptstadt nötig)
− Erwachsenenschutzvereine (regional gut verstreut; bieten es derzeit aber noch nicht an; wahrscheinlich € 75)

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Erneuerung
Eine verbindliche Patientenverfügung verliert nach Ablauf von acht Jahren ab der Errichtung ihre
Verbindlichkeit, sofern der Patient nicht eine kürzere Frist bestimmt hat. Sie kann nach
entsprechender ärztlicher Aufklärung erneuert werden, wodurch die Frist von acht Jahren oder eine
vom Patienten kürzer bestimmte Frist neu zu laufen beginnt.

Klarstellung: Bei Erneuerung ist also Jurist nicht verpflichtend erneut aufzusuchen!

Zudem wichtiger Hinweis:
Eine Patientenverfügung verliert nicht ihre Verbindlichkeit, solange sie der Patient mangels
Entscheidungsfähigkeit nicht erneuern kann.

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Bedeutung im Notfall
Da die Beschäftigung mit einer Patientenverfügung Zeit in Anspruch nimmt, beinhaltet das
Patientenverfügungs-Gesetz eine Notfallsregelung. So hat die medizinische Notfallversorgung
Vorrang, sofern der mit der Suche nach (Beschäftigung mit) einer Patientenverfügung verbundene
Zeitaufwand das Leben oder die Gesundheit des Patienten ernstlich gefährdet (§ 12 PatVG).

Relevant für Rettungs-/Notarztdienst, Mitarbeiter in Ambulanzen von Spitälern.

Kann eine verbindliche Patientenverfügung zweifelsfrei ausgelegt werden, sind von den
Gesundheitsberufen (Arzt, Sanitäter, Pflegepersonen …) die abgelehnten Maßnahmen nicht
einzuleiten bzw. bereits begonnene Maßnahmen nicht mehr weiter fortzusetzen. Eine
entsprechende Dokumentation hat zu erfolgen.

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Erwachsenenschutz
Personen, die aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer vergleichbaren Beeinträchtigung
nicht entscheidungsfähig sind, unterliegen dem Erwachsenenschutzrecht.

                                                                 Erwachsene, die derartige Krankheiten /
                                                                 Beeinträchtigungen aufweisen, sind erst
                                                                 dann vom Erwachsenenschutzrecht
                                                                 erfasst, wenn sie dadurch in ihrer
                                                                 Entscheidungsfähigkeit eingeschränkt sind.
                                       www.gesundheitsrecht.at                                        47
Vertretungsmodelle

                                           ÖZVV: Österr. Zentrales
                                           Vertretungsverzeichnis;
                                           Quelle Graphik: Justizministerium

                                           Allgemeine Info zur
                                           Erwachsenenvertretung

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Vorsorgevollmacht
Schriftliche Festlegung, wer nach Verlust der Entscheidungsfähigkeit als befugter Vertreter handeln
darf. Inhaltliche Freiheit des Vollmachtgebers, welche Aufgaben übertragen werden.

Entscheidungsfähigkeit der betroffenen Person im Zeitpunkt der Errichtung.

Errichtung bei Erwachsenenschutzverein, Rechtsanwalt, Notar mit umfassender Beratung.
Läuft auf unbestimmte Zeit (kann also nicht ablaufen).

Bevollmächtigter: Jede geeignete erwachsene Person (z.B. Angehörige, Freuden, Nachbarn …)

Vollmacht kann später jederzeit abgeändert oder auch widerrufen werden.

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Vorsorgefall
Bloße Errichtung und Registrierung einer Vorsorgevollmacht löst noch keine Vertretungsbefugnis
aus.

Aktivierung der Vollmacht (= Vorsorgefall ist eingetreten):
− Hier geht der Bevollmächtigte mit der Vollmacht und einer ärztl. Bestätigung, dass die Person die
  Entscheidungsfähigkeit nicht mehr hat, zur Errichtungsstelle und lässt sich die Aktivierung der
  Vollmacht bestätigen.
− Es folgt eine Eintragung im ÖZVV.
− Vertretung ist ab nun rechtlich erlaubt. Die Registrierungsbestätigung ist bei der Vertretung
  vorzuweisen.
− Für Detailfragen zum Umfang ist ein Blick in die Vollmacht nötig.

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Gewählte Erwachsenenvertretung
− Person mit eingeschränkter psychischer / kognitiver Beeinträchtigung kann mit sofortiger Wirkung
  selbst einen Vertreter auswählen und festlegen.
− Die Notwendigkeit ist gegeben, wenn die Person nicht mehr all ihre Angelegenheiten für sich selbst
  besorgen kann.
− Voraussetzung: geminderte Entscheidungsfähigkeit.
− Bei Notar, Rechtsanwalt, Erwachsenenschutzverein.
− Vereinbarung über Befugnisse wird geschlossen.
− Wirksamkeit: sofort. Läuft auf unbestimmte Zeit.

Kosten beim Erwachsenenschutzverein:
€ 50 für Errichtung der Vereinbarung
€ 10 für Registrierung ÖZVV
€ 25 für Hausbesuch

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Gesetzliche Erwachsenenvertretung
− Ohne Zutun der Person, die es betrifft. Setzt funktionierende Familienverhältnisse voraus.
− Früher: automatische „Vertretungsbefugnis nächster Angehöriger“
− Geltung: 3 Jahre / muss erneuter werden!

Voraussetzungen:
Vertretung durch einen oder mehrere nächste Angehörige möglich, wenn
− sie eigene Angelegenheiten aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer vergleichbaren Beeinträchtigung ihrer
  Entscheidungsfähigkeit nicht ohne Gefahr eines Nachteils für sich selbst besorgen kann,
− sie dafür keinen Vertreter hat,
− einen solchen nicht mehr wählen kann oder will und
− dieser Vertretung nicht vorab widersprochen hat.

Nächste Angehörige sind die Eltern und Großeltern, volljährige Kinder und Enkelkinder, Geschwister, Nichten und Neffen der
volljährigen Person, ihr Ehegatte oder eingetragener Partner und ihr Lebensgefährte, wenn dieser mit ihr seit mindestens drei
Jahren im gemeinsamen Haushalt lebt, sowie die von der volljährigen Person in einer Erwachsenenvertreter-Verfügung
bezeichnete Person.

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Gesetzliche Erwachsenenvertretung
Angelegenheiten:

− Vertretung in Verwaltungsverfahren und verwaltungsgerichtlichen Verfahren,
− Vertretung in gerichtlichen Verfahren,
− Verwaltung von Einkünften, Vermögen und Verbindlichkeiten,
− Abschluss von Rechtsgeschäften zur Deckung des Pflege- und Betreuungsbedarfs,
− Entscheidung über medizinische Behandlungen und Abschluss von damit im Zusammenhang
  stehenden Verträgen,
− Änderung des Wohnortes und Abschluss von Heimverträgen,
− Vertretung in personenrechtlichen Angelegenheiten.

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Gerichtliche Erwachsenenvertretung
Keine an-/zugehörige Person vorhanden oder in der Lage, die Vertretung zu übernehmen.
Keine funktionierenden Familienverhältnisse.
Vertretung erfordert besondere Rechtskenntnisse.

Gericht setzt Vertreter und Umfang der Vertretungsbefugnis fest.
Ehemals Sachwalterschaft.

Ohne Vertreter muss „Gefahr eines Nachteils“ drohen!
Andere Vertretungsmodelle sind nicht möglich.

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Gerichtliche Erwachsenenvertretung
Keine Vertreterbestellung für „alle Angelegenheiten“.
Vielmehr muss Vertretungsrahmen konkret vom Richter umschrieben werden.

Bestellungsverfahren:
− Bezirksgericht zuständig. Anregung von allen Personen möglich.
− Auftrag an Erwachsenenschutzverein bzgl. näherer Abklärung („Clearing“).
− Bei Empfehlung: Verfahrensfortführung mit Abhaltung eines Gerichtsverfahrens.
− Rechtsbeistand / einstweiliger Erwachsenenvertreter
− Sachverständigengutachten optional (Psychiater, Neurologe, Pflegeperson, Psychologen, Heilpädagogen …)
− Bestellungsbeschluss (Gerichtsentscheidung, Rechtsmittelmöglichkeiten)

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Welche Therapieziele gibt es?
Vitales Therapieziel:
Stabilisierung vitaler Körperfunktionen, um daran anschließend ein weiterführendes Therapieziel entwickeln zu
können (z.B. im Rettungs-/Notarztdienst, in der Notambulanz).

Kuratives Therapieziel:
Vollständige Wiederherstellung der Gesundheit durch Heilung.

Erhaltendes Therapieziel:
Prävention einer Verschlechterung, bestmöglicher Erhalt vitaler Funktionen und funktionaler Fähigkeiten, allerdings
ohne relevante Chance auf Verbesserung / Heilung (z.B. Patient nach Schädel-Hirn-Trauma und Wachkoma).

Palliatives Therapieziel:
Symptomorientierte Behandlung; v.a. am Lebensende, ohne dieses zu verzögern; im Fokus: höchstmögliche
Lebensqualität.

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Therapiezielwechsel
− Kuratives, also auf Heilung ausgerichtetes Therapieziel nicht (mehr) erreichbar!
− Wechsel in ein palliatives Setting. Lebensqualität im Fokus. Symptomkontrolle. Linderung Leid.
− Palliativer Ansatz bedeutet nicht Behandlungsstopp, sondern andere Form der Behandlung!

Eine konkrete Behandlung ist nicht (mehr) indiziert, wenn
− der Sterbeprozess unaufhaltsam eingetreten ist und durch weitere medizinische Interventionen nur
  in die Länge gezogen würde,
− sie (auch in nicht terminalen Fällen) aus medizinischer Sicht aussichtslos oder nicht (mehr)
  erfolgsversprechend ist oder
− mit ihr eine Belastung des Patienten verbunden wäre, die den aus der Behandlung zu erwartenden
  Vorteil überwiegt.
  Kopetzki, iFamZ 2007

                                          www.gesundheitsrecht.at                                  57
Strafrechtliche Grenzen
Verboten:          Sterbehilfe (Mord), Töten auf Verlangen, Mitwirkung am Selbstmord (Suizid)

§ 75 StGB (Mord):
Wer einen anderen tötet, ist mit Freiheitsstrafe von zehn bis zu zwanzig Jahren oder mit lebenslanger
Freiheitsstrafe zu bestrafen.

§ 77 StGB (Tötung auf Verlangen):
Wer einen anderen auf dessen ernstliches und eindringliches Verlangen tötet, ist mit Freiheitsstrafe von
sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu bestrafen.

§ 78 StGB (Mitwirkung am Selbstmord):
Wer einen anderen dazu verleitet, sich selbst zu töten, oder ihm dazu Hilfe leistet, ist mit Freiheitsstrafe
von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu bestrafen.

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Recht in der Palliative Care
− Therapieverzicht (Pat.-Wunsch) oder

− Therapiezieländerung             Nichteinleitung / Abbruch von (Kurativ-)Behandlungen bei
                                   fehlender Indikation (Sterben zulassen, Schicksal freien Lauf
                                   lassen; DNR/AND …)
                                   Therapie im Rahmen „palliative care“ (symptomorientiert!)

                                   Bei Sterbenen: Auch hochdosierte Med. zur Linderung schwerster
                                   Schmerzen / Qualen erlaubt, auch wenn dadurch der Tod früher
                                   eintritt (§ 49a ÄrzteG)

                                   Worst-Case-Szenarien vorausdenken und vorausplanen (Welche
                                   Notfälle können in Zukunft auftreten? Was ist dann zu tun?)
                                   Sonderfall: palliative Sedierung!
                                   (Weixler et al, Leitlinie zur Palliativen Sedierungstherapie in Wien Med Wochenschr,
                                   2016 - Link) Link Langversion

                                            www.gesundheitsrecht.at                                                       59
DNR / AND / CTC

DNR
= do not resuscitate (= Nichtdurchführung mechanischer, medikamentöser und elektrischer
Reanimationsmaßnahmen)

AND
= allow natural death (= Erlauben eines natürlichen Ablebens, nicht-indizierte Maßnahmen
unterbleiben, Linderung Leid, palliative Begleitung, Lebensqualität im Fokus)

CTC
= Comfort Terminal Care (= interdisziplinäre Palliative Care; Symptomlinderung, worst-case-
Szenarien vorausdenken und Maßnahmen planen => z.B. Einzelfallmedikamente)

                                      www.gesundheitsrecht.at                            60
Beistand bei Sterbenden
§ 49a Ärztegesetz (seit März 2019 in Geltung nach „Salzburg-Urteil“: Hochdosierte Morphingabe und terminale Extubation bei Aussichtslosigkeit weiterer
intensivmedizinischer Maßnahmen; LG Salzburg 39 Hv 15/16x, OLG Linz 9 Bs 23/16w).

(1) Der Arzt hat Sterbenden, die von ihm in Behandlung übernommen wurden, unter Wahrung ihrer
Würde beizustehen.

(2) Im Sinne des Abs. 1 ist es bei Sterbenden insbesondere auch zulässig, im Rahmen palliativmedizinischer
Indikationen Maßnahmen zu setzen, deren Nutzen zur Linderung schwerster Schmerzen und Qualen im
Verhältnis zum Risiko einer Beschleunigung des Verlusts vitaler Lebensfunktionen überwiegt.

Einfach ausgedrückt: Bei Sterbenden hochdosierte Medikamente zur Linderung schwerster Schmerzen /
Qualen erlaubt, auch wenn dadurch der Tod (als Nebenwirkung) früher eintritt. Medikamente sind
symptomorientiert hochzutitrieren.
                                                                  www.gesundheitsrecht.at                                                                61
Ärzte / Pflegepersonen in Palliative Care
Therapiebegrenzungen / -adaptierungen liegen in der ärztlichen Verantwortung (Kuration /
Palliation).

Bei entsprechender Anordnung auch für das Pflegepersonal (DGKP, PFA, PA) bindend.

Praxis – vorausschauende Planung:
Einzelfallmedikamente
Beiziehung „Hausarzt“
Beiziehung mobiles Palliativteam
Bedingungen für KH-Einweisung / DNR-Order
Indikation für Beiziehung Rettung/Notarzt

                                            www.gesundheitsrecht.at                   62
Einzelfallmedikamente

Medikamentöse Palliation /
Rechtliches zu den Einzelfall-
gaben durch Pflegepersonal (DGKP)
PFA, PA nur in stabilen Pflegesituationen

Aus Buch: M. Halmich, Recht in der Palliative Care (2019) - Link

                                                                   www.gesundheitsrecht.at   63
Palliative Sedierung
Weixler et al, Leitlinie zur Palliativen Sedierungstherapie in Wien Med Wochenschr, 2016 – Link
Link Langversion

− Nach dieser Leitlinie wird die therapeutische (oder palliative) Sedierung im palliativmedizinischen
  Kontext als der überwachte Einsatz von Medikamenten verstanden, mit dem Ziel einer
  verminderten oder aufgehobenen Bewusstseinslage (Bewusstlosigkeit), um die Symptomlast in
  anderweitig therapierefraktären Situationen in einer für Patienten, Angehörige und Mitarbeiter
  ethisch akzeptablen Weise zu reduzieren.
− Leichte Sedierung oder Milde Sedierung: Ein veränderter Zustand des Wachbewusstseins, der es
  dem Sedierten möglich macht, verbal zu kommunizieren (Arzt, nach § 15 GuKG auch Pflegeperson).
− Tiefe Sedierung: Ein veränderter Zustand des Wachbewusstseins, der es dem Sedierten nicht
  möglich macht, verbal zu kommunizieren (Arzt).

                                          www.gesundheitsrecht.at                                 64
Antrag beim VfGH

Vier Antragsteller – darunter zwei schwer Kranke – hielten das Verbot der aktiven Sterbehilfe und das
Verbot der Mitwirkung am Suizid hierzulande aus mehreren Gründen für verfassungswidrig und haben
bereits 2019 beim Verfassungsgerichtshof die Aufhebung dieser beiden Bestimmungen des
Strafgesetzbuches (§§ 77 und 78) beantragt.

Durch diese Rechtslage würden leidende Menschen gezwungen, entweder entwürdigende Verhältnisse zu
erdulden oder – unter Strafandrohung für Helfer – Sterbehilfe im Ausland in Anspruch zu nehmen.

                                                      Wer waren die Antragsteller?

                                            www.gesundheitsrecht.at                                     65
VfGH am 11.12.2020
Entscheidungsgründe:

− Es ist verfassungswidrig, jede Art der Hilfe zur Selbsttötung ausnahmslos zu verbieten.
− Straftatbestand der „Hilfeleistung zum Selbstmord“ verstößt gegen Recht auf Selbstbestimmung.
− Das Recht auf freie Selbstbestimmung umfasst das Recht auf die Gestaltung des Lebens ebenso wie das Recht auf ein
  menschenwürdiges Sterben. Das Recht auf freie Selbstbestimmung umfasst auch das Recht des Suizidwilligen, die Hilfe
  eines dazu bereiten Dritten in Anspruch zu nehmen.
− Beruht die Entscheidung zur Selbsttötung auf der freien Selbstbestimmung des Betroffenen, so ist dies vom Gesetzgeber
  zu respektieren.
− Der VfGH übersieht nicht, dass die freie Selbstbestimmung auch durch vielfältige soziale und ökonomische Umstände
  beeinflusst wird. Dementsprechend hat der Gesetzgeber zur Verhinderung von Missbrauch Maßnahmen vorzusehen,
  damit die betroffene Person ihre Entscheidung zur Selbsttötung nicht unter dem Einfluss Dritter fasst.
− Die Wortfolge „oder ihm dazu Hilfe leistet“ in § 78 des Strafgesetzbuches ist verfassungswidrig. Die Aufhebung tritt mit
  Ablauf des 31. Dezember 2021 in Kraft.
− Jemand anderen zur Selbsttötung zu verleiten, bleibt strafbar. Ebenso die Tötung auf Verlangen.   => Erkenntnis in voller Länge
                                                     www.gesundheitsrecht.at                                             66
VfGH am 11.12.2020

                                    Die Aufhebung tritt (automatisch) mit Ablauf
                                    des 31. Dezember 2021 in Kraft.

                 www.gesundheitsrecht.at                                           67
Wie geht es nun weiter?
1.   Regierung / Parlament bleibt 2021 untätig: Passus „oder ihm dazu Hilfe leistet“ fällt weg.
     Suizidbeihilfe wäre dann erlaubt ohne gesetzlicher Regelung.

2.   Regierung / Parlament wird 2021 tätig und erlässt Regelung (wahrscheinliche Variante):

     −   Missbrauchsschutz?
     −   Schutz vulnerabler Gruppen?
     −   Wer sind die befugten „Dritten“, die künftig unterstützen dürfen?
     −   Einbezug von Ärzten? Einbezug anderer Gesundheitsberufe (zB Pflegeberufe)?
     −   Erfordernisse zur Feststellung der Entscheidungsfähigkeit? Bindung an Volljährigkeit? Doppelte Prüfung?
     −   Bindung an „unheilbaren, zum Tode führenden Krankheit mit begrenzter Lebenserwartung“?
     −   Nur somatische Erkrankung oder auch psychische Erkrankung?
     −   Mindestzeit zwischen Aufklärung und Umsetzung?
     −   Anforderungen an die Aufklärung? An die Beratung?
     −   Entgeltlichkeit der Gutachtenserstellung?
     −   Werbung?

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Aktuelle Umfrage ÖGHL

                                           => Umfrageergebnisse im Detail

                 www.gesundheitsrecht.at                                    69
=> Umfrageergebnisse im Detail

www.gesundheitsrecht.at                            70
=> Umfrageergebnisse im Detail

www.gesundheitsrecht.at                            71
Sterbehilfe / Suizidbeihilfe
ab 2022 in Österreich

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                                                                 Seit März erhältlich!
                                                                 => Link

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Dr. iur. Michael Halmich LL.M.

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