Kataloge: Medien und Schreibweisen des Verzeichnens. Zur

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pen            Zeitschrift für Germanistik | Neue Folge XXXII (2022), Peter Lang, Bern | H. 1, S. 7–18

Kira Jürjens, Ulrike Vedder

Kataloge: Medien und Schreibweisen des Verzeichnens.
Zur Einführung

Drei Monate nach der Eröffnung der Londoner Great Exhibition am 1. Mai 1851 ergreift der
Weltausstellungskatalog selbst das Wort: „I am the Catalogue of the Great Exhibition. You
are the Public. I intend to have some private talk with you, and pour into your ear the story
of my early life.“1 In der von Charles Dickens herausgegebenen Wochenzeitschrift Household
Words erscheint The Catalogue’s Account of Itself, ein – anonym publizierter – Artikel von Henry
Morley. Darin tritt der Katalog als Sprechinstanz auf und erzählt seine zur Lebensgeschichte
stilisierte Entstehung.2 Er inszeniert sich dabei in generationeller Logik als Sohn zweier Eltern:
„father, the Exhibition“, dessen Namen er an die Nachwelt weitergeben werde, und „mother,
the Comittee“, die ihn unter Schmerzen geboren habe.3 Im Rahmen dieses autodiegetischen
It-Narrative – ein seit Mitte des 18. Jahrhunderts populäres Genre, in dem Dinge oder Tiere
in Ich-Form erzählen4 – macht der Katalog etwas für ihn eigentlich Untypisches, wie er
selbst reflektiert: Zu Beginn des Textes kündigt er an, sein „business habit“ einer knappen
Sprechweise („my manner of speaking is extremely terse“) abzulegen und das Publikum mit
einer Flut von Klatschgeschichten – einer „tide of gossip“ – zu versorgen.5 Dies wird geradezu
als Befreiungsakt von der Bindegewalt der katalogischen Form dargestellt, wenn er als sein
Ziel formuliert „to un-catalogue myself […] to loosen myself from the accustomed bondage
by which I am compelled to travel only on a certain path.“6
    Wenn sich Morleys Catalogue im Verlauf des Artikels nach eigener Einschätzung
,de-katalogisiert‘ („un-catalogue“), liefert er zugleich entscheidende Anhaltspunkte für
spezifische Merkmale des Katalogischen, dem das vorliegende Themenheft gewidmet ist.
Als personifiziertes Buch, das über seine Entstehung, seinen Nutzen und seinen Sprachstil
nachdenkt, steht dieser Catalogue exemplarisch für das hier verfolgte Interesse am Katalog
als Medium, als Ordnungs- und Findemittel sowie an katalogischen Schreibweisen im
Spannungsfeld von Information, Kommerz und literarischer Tradition.7 Dabei rücken die
folgenden Beiträge ganz unterschiedliche Katalogformate und literarische Katalogpassagen
vom Mittelalter bis in die Gegenwart in den Blick. Die Aufmerksamkeit gilt dem Katalog
in der Literatur ebenso wie dem Katalog als Literatur und auch den mit ihm verbundenen
Zugriffsmöglichkeiten auf Literatur.

1 Morley (1851, 519).
2 Isobel Armstrong geht in ihrer kulturgeschichtlichen Studie zum Glas im viktorianischen England ausführlich
  auf die mit dem Katalog verbundene Rhetorik der Londoner Weltausstellung als Ausdruck einer „anxiety of
  taxonomy“ ein. Vgl. Armstrong (2008, 192–198).
3 Morley (1851, 519).
4 Zur besonderen Popularität von It-Narratives in der Zeitschrift Household Words vgl. Farina (2009).
5 Morley (1851, 519).
6 Morley (1851, 519).
7 Vgl. Mainberger (2003, 5).

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I. Aufzählen und Erzählen. Morleys sprechender Weltausstellungskatalog warnt im
weiteren Verlauf des Artikels das Publikum davor, dass er als „confirmed business charac-
ter“ seine naturgemäße Rechenliebe („[f]ond of arithmetic by nature“) womöglich nicht
ganz ablegen kann.8 Mit Francis Walkingame und Augustus De Morgan macht er zwei
Mathematiker als ,seinen‘ Byron bzw. Wordsworth aus und bittet um Nachsicht, sollte er
sich eher auf arabische Ziffern als auf die unterhaltsameren arabischen Dingwelten der
Weltausstellung berufen:

        Should these facts peep out, and should my figures be Arabic, with less entertainment in them
        than some other Arabian things that might be mentioned, you must shrug your shoulders, and
        say, It’s his way; for, after all, what is he but a Catalogue?9

In seiner Rolle als Erzähler, der seine fiktive Lebensgeschichte in eine narrative Ordnung
bringt und zugleich seiner arithmetischen Natur als ,bloßer‘ Katalog verschrieben bleibt,
reflektiert und verkörpert der Weltausstellungskatalog die Spannung zwischen poetischem
Erzählen und pragmatischem Aufzählen.
    Diese Spannung ist auch für die literaturwissenschaftliche Auseinandersetzung mit
enumerativen Formen und Verfahren wie dem Katalog (von κ α τ α λ έ γε ι ν, aufzählen)10
grundlegend, der in der Forschung häufig als ,Grenzfall‘ von Text und Erzählen behandelt
wird.11 Moritz Baßler bestimmt den Katalog als die „tendenziell vollständige Anordnung
aller Lexeme eines gegebenen Paradigmas im Syntagma schlichter Reihung und damit wohl
die einfachste Textur überhaupt.“12 Seine einzige semantische Leistung sei „das Denotat,
die Aufzählung aller Elemente einer Klasse“, die „in der bloßen Nebenordnung unter einem
Begriff […] alle gleich viel und damit natürlich auch gleich wenig wert“ sind.13 Die „Kata-
logtextur“ sei mithin die „positivistischste Schreibweise par excellence“, deren „Potenz zu
literarischer Semiose […] gegen Null“ gehe.14 Was für den Weltausstellungskatalog gilt, der
nach eigener Aussage oft für einen Langweiler gehalten wird („I have been in the company
of a good many people who have audibly voted me a bore“),15 trifft offenbar umso mehr
auf den Katalog in der Literatur zu: Für die Rezeption heißt das, dass „der Leser, der den
Katalogbegriff erfaßt hat, […] den konkreten Katalogtext überschlagen [kann], ohne daß
ihm dabei – was den Inhalt betrifft – Wesentliches entgeht.“16
    Seiner ,poetischen Impotenz‘ zum Trotz ist der Katalog jedoch eng mit der epischen
Tradition verbunden und kann von den Waffen-, Schiffs- und Personenkatalogen der
Antike17 über das Spiel mit Katalogformen und -wissen in Mittelalter und Früher Neuzeit –

 8   Morley (1851, 519).
 9   Morley (1851, 519).
10   Asper (1998, 915).
11   Vgl. Ba ßler (1996, 135), von Contzen (2021).
12   Ba ßler (1996, 134).
13   Ba ßler (1996, 134).
14   Ba ßler (1996, 134).
15   Morley (1851, 522).
16   Ba ßler (1996, 136).
17   Zur Vielfalt des katalogischen Schreibens in der Antike auch über die Gattungsgrenzen des Epos hinaus vgl.
     die Beiträge im Sammelband von Laemmle, Scheidegger Laemmle, Wesselmann (2021).

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basierend auf den im rhetorischen System verankerten Katalogtopoi18 – bis hin zu den
katalogischen Schreibweisen der Moderne und der Gegenwart auf eine lange literarische
Erfolgsgeschichte zurückblicken. Dort wo aufgezählt wird, wird zwar kaum handlungs-
treibend erzählt, doch trotzdem oder gerade deshalb ist das Aufzählen für die Literatur von
großem Interesse. Von anderen aufzählenden Textsorten wie der Liste unterscheidet sich
der Katalog dabei vor allem in quantitativer Hinsicht: Während die einzelnen Elemente
der Liste relativ kurz sind, können die Einträge des Katalogs durchaus aus ganzen Sätzen
oder sogar kurzen Absätzen bestehen.19 Im Gegensatz zur potentiell ,unendlichen Liste‘20
vertritt der Katalog den Anspruch auf Vollständigkeit und Geschlossenheit.21
    Der Katalog als narrative Technik, als Schreibweise und als literarisches Motiv steht im
Zentrum des vorliegenden Themenhefts. Zugleich geht es darum, jenseits einer metaphori-
schen Vorstellung katalogischen Schreibens, die poetischen und narrativen Qualitäten und
Potenziale zu untersuchen, die mit dem realen und fiktionalen Katalog als „pragmatische[r]
Gebrauchsform“ (Fischer) verbunden sind. Monika Schmitz-Emans weist entsprechend
darauf hin, dass in begriffsgeschichtlicher Perspektive mit dem ,logos‘ des ,Katalogs‘ immer
auch sprachliche Zusammenhänge „im Sinne von Mitteilung, Wort, Rede, Erzählung“
angesprochen sind, so dass sie die Bilderkataloge von Dieter Wellershoff und Michel Butor
auch als „Minimalnarrative“ liest.
    Zwar gibt es durchaus lyrische Formen des katalogischen Schreibens, wie bspw. Helmut
Heißenbüttels Gedicht Katalog der Unbelehrbaren mit seiner formalen Kataloginszenierung
oder Matthias Göritz’ Gedicht Der Katalog der Vögel, das Olivier Messiaens musikalischen
Catalogue d’Oiseaux (und damit indirekt die Tradition der Tierkataloge)22 thematisiert. Doch
besteht eine besondere Verbindung – das legt nicht zuletzt die Ausrichtung der folgenden
Beiträge nahe – des Katalogs zur Prosa. Diese Verbindung lässt sich auch sprachgeschichtlich
verfolgen; so hat Sabine Mainberger darauf hingewiesen, dass mit dem Aufkommen einer
literarischen und wissenschaftlichen Prosa „das Adverb κ α τ α λ ο γ ά δ η ν zur Bezeichnung
für ,prosaisch‘“ wurde.23
    Dabei führt der epische Katalog der Antike sein Nachleben zunächst in den mittelalter-
lichen Katalogisierungen antiker Götternamen, wie sie Hans Jürgen Scheuer in seinem
Beitrag unabhängig von hergebrachten Gattungskonventionen „im Zusammenspiel von
Topik und Allegorie, von Wissen und Poetik“ untersucht. Seit der Frühen Neuzeit ist es

18 Sabine Mainberger bemerkt mit Blick auf die Zeit um 1800, in der „das rhetorische System seine Geltung
   verliert“: „Mit dem rhetorischen System verfallen die Katalogtopoi, die jahrhundertelang ihre Bedeutung in
   der epischen Tradition gehabt haben, aber auch andere aufzählende Formen, die sich aus der Topik und ihren
   Sets herleiten, lange Zeit alle möglichen Texte organisiert und auch wissenschaftliche Einteilungen bestimmt
   haben.“ Mainberger (2003, 14 f.).
19 Vgl. von Contzen (2021, 37), Belknap (2004, 2 f.).
20 Umberto Eco, der Aufzählung, Liste und Katalog begrifflich nicht trennscharf voneinander abgrenzt, unter-
   scheidet zwischen der potentiell unendlichen poetischen Liste und der endlichen praktischen Liste. Vgl. Eco
   (2011, 116).
21 Mainberger (2003, 5).
22 Zu Tierkatalogen vgl. Scheuer (2015).
23 Mainberger (2003, 5).

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dann, Markus Asper zufolge, vor allem der Prosaroman, „der als bürgerliche ,Epopoë‘ den
epischen Hang zum K[atalog]“ übernimmt.24
   Diese Assoziation von Katalog und Roman ist auch im 19. Jahrhundert noch wirksam,
wenn sich gerade die Autoren des Realismus den Vorwurf des Katalogisierens gefallen
lassen müssen. So unterstellt der dänische Dichter Hans Peter Holst seinem Kollegen Hans
Christian Andersen, dass er alles aufzeichne, aber nichts genieße, und „in beständiger
Furcht lebt, dass er möglicherweise das Eine oder Andere vergessen könnte, das nicht mit
in den Katalog (das heißt: in den Roman) kommt“.25 Auch Theodor Fontane sieht sich
– in den Wanderungen durch die Mark Brandenburg – gezwungen, „an drei Vierteln des
Vorhandenen vorüber zu gehen […], um diesem Aufsatze nicht über Gebühr einen kata-
logartigen Charakter zu geben“,26 soll heißen: nicht ins bloße Aufzählen und damit in die
Unlesbarkeit zu geraten. Effi Briests Vater kommentiert süffisant, ausgerechnet während
der Hochzeitsreise wolle sein Schwiegersohn Innstetten „bei der Gelegenheit jede Galerie
neu katalogisieren“27 – während der Roman Effi Briest genau das nicht tut, indem er keine
ausführlichen Museumsschilderungen liefert. Grundlegender noch wird in Fontanes
L’Adultera Kritik an der auf dem warenförmig konsumierten Katalog-Wissen gegründeten
bürgerlichen Gesellschaft geübt (Reisener).
   Während innerhalb des ästhetischen Systems des 19. Jahrhunderts die Ähnlichkeit zum
Katalog noch mit dem Vorwurf der Kunstlosigkeit verbunden ist, gewinnt der Katalog zu
Beginn des 20. Jahrhunderts zunehmend an Anerkennung. So macht Walter Benjamin mit
seiner Frage „Wann aber wird man soweit sein, Bücher wie Kataloge zu schreiben?“28 den
Katalog nicht mehr als Grenzfall des gelungenen Textes, sondern als dessen anspruchsvollen
Maßstab aus – wie auch Benjamins Schreibszene ohne ihre katalogisierten und katalogi-
sierenden Koordinaten undenkbar ist (Wizisla). Vor diesem Hintergrund erscheint es nur
konsequent, wenn Kataloge in zeitgenössischen Medienformaten, wie Leanne Shaptons
Fotobuch und fiktionaler Auktionskatalog29 oder Hellmuth Karaseks Video-Rezension30
des IKEA-Katalogs, als Romane lesbar werden. Angelegt ist eine solche – im spielerischen
Umgang mit der Poetik des pragmatischen Katalogs betriebene – Aufwertung bereits im
Umfeld des ersten Weltausstellungskatalogs, der in einem Artikel mit dem Titel Fifteen
Thousand Authors and their Book (1851) in Chambers’ Edinburgh Journal als „literary curio-
sity“ betrachtet wird.31 Von hier aus ist es zum Katalog als Erzähler seiner selbst in Henry
Morleys It-Narrative nicht weit.

II. Die Welt verzeichnen: Dokumentation, Repräsentation, Ordnung. Morleys sprechender
Catalogue der Weltausstellung ist sich seiner historischen Bedeutung und seiner Aufgabe
der Repräsentation und Dokumentation für die Nachwelt überaus bewusst: „There would

24   Vgl. Asper (1998, 918).
25   Brief vom 8.3.1841 von Hans Peter Holst an Christian Agerskov. Zitiert nach Müller-Wille (2017, 11).
26   Fontane (1994, 179 f.).
27   Fontane (1998, 47).
28   Benjamin (2009, Bd. 8, 32).
29   Shapton (2009), vgl. dazu Vedder (2012).
30   Karasek nennt den IKEA-Katalog einen „möblierte[n] Roman“, Karasek (2015).
31   [N. N.] (1851, 391).

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have been a visible blank in the world’s history if I had not been born.“32 Mit der sicht-
baren Leerstelle, die sein Fehlen zur Folge hätte, ist ein wichtiges Merkmal des Katalogs
angesprochen. Darauf weist auch Ernst Strouhal hin, der in Bezug auf den bibliothe-
karischen Zettelkatalog festhält, dieser sei eigentlich „unscheinbar“ und werde erst im
Fall seines Fehlens bemerkt.33 Der Weltausstellungskatalog steht paradigmatisch für einen
Katalog-Boom im 19. Jahrhundert, der eng mit den wissenschaftlichen Sammlungs-,
Konservierungs- und Klassifizierungsbestrebungen dieser Zeit verbunden ist.34
   Diese Ordnungsfunktion des Katalogs reicht bis zu seinen antiken Ursprüngen zurück,
der „Anspruch auf Vollständigkeit und klassifikatorische Darstellung“ klingt schon im
griechischen Verb κ α τ α λ έ γε ι ν an.35 So lassen sich auch die homerischen Kataloge, Lisa
Regazzoni zufolge, als eine „optimierte, wirksame Darstellungstechnik“ lesen, „um ein
Maximum an Informationen in möglichst wenigen Worten mitzuteilen.“36 Indem die „zu
besingende Welt auf einige fassbare Elemente“ reduziert wird, „gestaltet der Dichter sie
überschaubar“, während er zugleich durch die „Überfülle von Namen“ die Illusion der
„Vollständigkeit seiner Repräsentation“ schafft.37
   Diese Tendenz zur textökonomischen Verdichtung ist nicht nur dem poetischen,
sondern auch dem praktischen38 Katalog eigen und gewinnt besondere Anschaulichkeit im
Bibliothekskatalog (Fischer, Jaspers). Ein Bibliothekskatalog reduziert die unüberschau-
baren Textmassen gesammelter Büchermengen auf Autornamen, Titel- und Schlagworte
oder kurze Zusammenfassungen.39 Dabei wird, wie Alexander Starre in Bezug auf den
im 19. Jahrhundert entstandenen Katalog der American Library Association formuliert,
„Verknappung […] als professionelle Praxis des Wissensmanagements“ inszeniert.40 Lite-
rarisch zugespitzt findet sich diese Tendenz zur Verknappung in der Figur des Hofbiblio-
thekars in Robert Musils Roman Der Mann ohne Eigenschaften, der zugibt, niemals eines
der Bücher in der Bibliothek zu lesen: „Nie; mit Ausnahme der Kataloge.“41
   Den Versuch, das Wissen der ganzen Welt in Sammlungen darzustellen und verfügbar
zu machen, teilen die Bibliotheken mit den Wunderkammern der Frühen Neuzeit. Björn
Weyand zeigt in seinem Beitrag ausgehend vom Katalog der Gottorfer Wunderkammer,
dass dieser nicht nur vor Ort Orientierungshilfe und Klassifikationsarbeit leistet, sondern
sich auch an diejenigen richtet, die die Sammlung nicht im Original sehen können, und dass

32 Morley (1851, 519).
33 Strouhal (1999, 9).
34 Dass das Umfeld der Weltausstellungen des 19. Jahrhundert produktiv für Kataloge ist, erweist sich auch mit
   Blick auf die erste Auflage des Katalogs der American Library Association (ALA), der begleitend zur Weltaus-
   stellung 1893 in Chicago erschien. Vgl. Starre (2017, 232).
35 Mainberger (2003, 5).
36 Regazzoni (2008, 36).
37 Herv. i. O., Regazzoni (2008, 36).
38 Zu dieser Unterscheidung von poetischem und praktischem Katalog vgl. Eco (2011, 113).
39 Auch Morleys Catalogue ist das Ergebnis einer solchen Komprimierung, wenn die an die Aussteller in der ganzen
   Welt ausgesendeten und von diesen ausgefüllten Formulare in einem letzten Schritt vor dem Kompilierer landen
   „that he might condense each description into an average of about three lines, for the shilling, or ,Official
   Catalogue‘“. Morley (1851, 522).
40 Starre (2017, 234).
41 Musil (1981, 462). Vgl. dazu auch Wolf (2018, 213).

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er zugleich als „retrospektiver Katalog“ zu den der Sammlung zugrunde liegenden Reisen
gelesen werden kann. Katalog und Reiseliteratur erweisen sich vor diesem Hintergrund als
einander verwandte textuelle Phänomene der Welterkundung und -aneignung (Weyand).
Im Wunderkammer-Katalog ist damit bereits angelegt, was Monika Schmitz-Emans den
„repräsentierende[n] Grundzug“ des Katalogs nennt, der besonders evident im Museums-
oder Ausstellungskatalog werde.42 Kulturgeschichtlich ist die Durchsetzung dieser Kata-
logsorte eng mit der Französischen Revolution verbunden, in deren Folge es galt, mithilfe
von Katalogen und Inventaren einen Überblick über die konfiszierten Buchbestände,
Kunstgegenstände und Denkmale zu gewinnen,43 die der Nation in öffentlichen Biblio-
theken und Museen zugänglich gemacht werden sollten.44
   In seiner Beschränkung auf die Repräsentation hat der Katalog, so Monika Schmitz-
Emans, der Sammlung durchaus etwas voraus: „Er ist erstens leichter handhabbar und lässt
sich zweitens multiplizieren; er lässt sich zudem gemäß beliebigen Prinzipien und Intenti-
onen strukturieren.“45 Diese Vorteile der Repräsentation werden in der enzyklopädischen
Literatur des 19. Jahrhunderts auch auf der Inhaltsebene reflektiert, wenn zum Beispiel
Heinrich Drendorf in Adalbert Stifters Roman Der Nachsommer (1857) feststellt, dass be-
stimmte Pflanzen, „wie zum Beispiele Pilze oder Bäume“, sich zwar nicht wie Gräser und
Blumen in das Pflanzenbuch legen lassen, aber „in einer Zeichnung sehr wohl aufbewahrt
werden“ können.46 Doch mehr noch: Indem die schriftliche oder bildliche Darstellung der
Dinge im Katalog diese nicht vergegenwärtigt, sondern ,nur‘ repräsentiert, verbinden sich
gerade mit dem Katalog auch semiotische Fragen nach der Bedeutung und Verweisfunktion
seiner Zeichen. Dass literarische Kataloge mit den arbiträren Systemen alphabetischer und
numerischer Reihen nicht nur spielen, sondern diese auch selbstreflexiv ausbuchstabieren,
betont Peter Utz anhand des ABC „als Text ohne Autor, aber als Katalog par excellence, der
alle aufzählenden Ordnungen regieren kann“. In seiner Eigenschaft als Darstellungsmittel
gewinnt der Katalog mithin besonders für die an den Bedingungen und Möglichkeiten
von Darstellung interessierte Literatur des Realismus (Reisener zu Fontane) sowie für die
selbstreflexiven Verfahren der Moderne (Utz zu Robert Walser) und der Postmoderne
(Schmitz-Emans zu Butor und Wellershoff) an Bedeutung. Zugleich fordert der Katalog –
das wurde bereits an Morleys plauderndem Catalogue deutlich – gerade in seiner Eigenschaft
als streng geordnete, faktuale Textsorte mit Vollständigkeitsanspruch und Realitätsbezug
zur parodistischen Bearbeitung heraus (Fischer) und bietet sich für das Spiel mit der
Fiktion an (Schmitz-Emans).
   Dass die bildliche oder schriftliche Fixierung der beweglichen Dinge der Welt ganz eigene
Schwierigkeiten mit sich bringt, geht auch aus Morleys Catalogue hervor: Er thematisiert
das Auseinandertreten von Katalog und Ausstellung, wenn etwa katalogisierte Objekte in
der Ausstellung fehlen oder wenn im Gegensatz zu „the exact numerical order that had been

42 Schmitz-Emans (2019, 426).
43 Zur Abgrenzung von Sammlungskatalog und Denkmalinventar vgl. Noell (2020, 40).
44 Zur „Katalogisierung“ der nationalen Buchbestände als einer „revolutionäre[n] Notwendigkeit“ vgl. Petschar
   (1999, 17).
45 Schmitz-Emans (2019, 722).
46 Stifter (2008, 40).

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established in the Catalogue“47 im überfüllten Glaspalast ein desorientierendes Durchein-
ander herrscht. Der Text liest sich vor diesem Hintergrund auch als Verteidigungsrede des
zeitgenössisch vielkritisierten Weltausstellungskatalogs,48 der beim Publikum Verständnis
dafür zu gewinnen sucht, dass der räumliche und zeitliche Abstand zwischen den in der
Ausstellung präsentierten und den im Katalog repräsentierten Dingen zu Inkongruenzen
führt, die seine auf Ordnung und Vollständigkeit gegründete Autorität unterlaufen.49
   Auf diese Krise des Katalogs reagiert Morleys Text mit einer Tendenz zur Multiplikation
und Potenzierung, wie sie auch Hans Jürgen Scheuer in seinem Beitrag als Merkmal
der mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Götterkataloge beschreibt, die „aufgrund ihrer
hochgradigen Interpretationsbedürftigkeit weitere, konträre oder analoge Kataloge nach
sich“ ziehen. Auch Jan Fischer geht in seinem Beitrag in Bezug auf die frühneuzeitlichen
Bibliothekskataloge und ihre fiktionalen Bearbeitungen auf diese Tendenz ein, die er als
ein ,Wuchern‘ des Katalogs bezeichnet. Für die Londoner Weltausstellung 1851 heißt das,
dass es nicht nur einen Katalog, sondern eine ganze Liste an Katalogen gibt:

		     1. The Official Catalogue […] interleaved for notes […].
		     2. The Official Descriptive and Illustrated Catalogue […].
		     3. Synopsis of the Contents of the Great Exhibition, or Companion to the Official Catalogues […].
		     4. The Same in French […].
		     5. Plan of the Exhibition Building. […].
		     6. Saxon Section of the Exhibition Official Catalogue, separately with a priced list. […].
		     French and German Catalogues will be published as soon as they can be arranged […].50

Dass mit den zeitlichen Verzögerungen und räumlichen Verschiebungen, die der 1:1-Abbil-
dung zwischen dem Katalog und seinen Referenzobjekten im Wege stehen, ein grundsätz-
liches Problem angesprochen ist, reflektiert Anke Jaspers in ihrem Beitrag. Am Beispiel
von Autor*innenbibliotheken untersucht sie den epistemischen Mehrwert digitaler Katalog-
projekte, die jenseits von Vollständigkeits- und Endgültigkeitsvorstellungen dynamischere
Formate erproben und im Zugriff über materielle Gebrauchsspuren die konventionelle
Katalogordnung mit ihrer „Hierarchisierung von Themen, Textsorten bzw. Autor:innen
oder Werken“ aufheben (Jaspers).

III. Werbung, Waren und das Ende des Katalogs? Kataloge dienen nicht nur der Verwaltung
und Vermittlung von Wissen, sondern sind als Werbe- bzw. Versandkataloge unabding-
bares Medium kapitalistischer Warenökonomie, indem sie darauf zielen, die „Fremdheit
unserer Dingwelt zu einem besitzesfrohen Inventar aller Dinge“51 und damit konsumier-
bar zu machen. Dementsprechend sind auch im Katalog der Weltausstellung „Information

47 Morley (1851, 522).
48 Vgl. Armstrong (2008, 192–198).
49 Auf seinen Status als Autorität beruft sich Morleys Catalogue zu Beginn des Textes: „I shall begin by quoting
   from a high authority, namely myself; and when I say myself, I mean the Illustrated Catalogue.“ Morley (1851,
   520).
50 Royal Commission (1851, 2).
51 Adorno (1974, 639).

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oder/und Kommerz“52 gleichermaßen präsent: Während es sich bei der Great Exhibition
einerseits um ein enzyklopädisches Projekt handelt, das auf die synchronisierende Darstel-
lung der Welt in Form einer überwältigenden Menge an Realien setzt, geht es andererseits
um die wirtschaftsfördernde Inszenierung der zeitgenössischen Warenmassen und der ih-
nen zugrundeliegenden technischen und industriellen Möglichkeiten.53 Mit Blick auf sei-
ne Entstehungsgeschichte und multiple Autorschaft erscheint der Weltausstellungskatalog
geradezu als Materialisierung eines zunehmend vernetzten Weltmarktes. So beschreibt
Morleys Catalogue seine Herkunft aus einer Vielzahl von je nach Exponatskategorie
schwarzen, blauen, roten und gelben Formularen, die an die einzelnen Aussteller in der
ganzen Welt verschickt wurden, um mit ihren jeweiligen Exponatlisten – dank der globa-
len postalischen Zirkulation – schließlich in London zuverlässig versammelt zu werden:
„From the north and the south, from the east and the west, my fragments were brought
together in ships, and deposited by postmen at Hyde Park, in one party-coloured heap.“54
Der Katalog rückt also die ihm zugrundeliegenden Materialmengen und Medienbedin-
gungen im Spannungsfeld von Fragmentierung und Zentrierung, aber auch von Lokali-
sierung und Globalisierung in den Fokus.55
    Ähnlich bemisst sich auch in Émile Zolas Roman Au Bonheur des Dames (1883) der Er-
folg des titelgebenden Warenhauses in der Auflagenhöhe des hauseigenen Katalogs und im
Wert der weithin versandten Stoffproben: „[D]ie Zahl der verschickten Kataloge belief sich
auf vierhunderttausend; für mehr als hunderttausend Francs Stoffe wurden für die Muster
zerstückelt.“56 Die vom Erzähler exakt bezifferte Investition in den Katalog als Werbemittel
ist Teil der im Roman narrativ entfalteten modernen Marketing- und Verkaufsstrategien,
die zu diesem Zeitpunkt zwar nicht gänzlich neu sind – denkt man an Flauberts Madame
Bovary, die die Leere ihres Provinzlebens mit Hilfe von Pariser Magazinen und Katalogen
sowie teuren Bestellungen zu bekämpfen sucht –, aber enorm effektiviert. Das Phänomen
der Zerstreuung, das sich in Zolas Katalogen samt Stoffmustern materiell konkretisiert, ist
auch für das Medium des Auktionskatalogs entscheidend. Wenn bspw. Sammlungen zu
versteigern sind, „stellt der Katalog oft den ersten Überblick her […], während er zugleich als
gedrucktes Inventar auch die letzte Darstellung des Bestands bildet, bevor er an verschiede-
ne neue Besitzer verkauft wird.“57 Zugleich gehorcht die Ordnung von Auktionskatalogen
dem ökonomischen Kalkül, wenn etwa eine verkaufs- und wertoptimierende systematische
Verteilung der ‚Glanzstücke‘ über die Gesamtheit der Losnummern erfolgt.58

52 Vgl. Mainberger (2003, 5).
53 Vgl. Vedder (2018, 153).
54 Morley (1851, 520).
55 Die konstitutive Funktion des zentrierenden Sammlungsinventars macht Matthias Noell besonders für die
   Denkmalsammlung geltend, da diese im Unterschied zu einer real räumlich zusammengetragenen Sammlung
   „ohne das Inventar nicht vorhanden“ ist: „Das Denkmalinventar wird somit alleiniger und,imaginärer‘ Samm-
   lungsort.“ Noell (2020, 27).
56 Zola (2013, 505). Im frz. Original heißt es im Zusammenhang: „Maintenant, le Bonheur dépensait chaque année
   près de six cent mille francs en affiches, en annonces, en appels de toutes sortes; le nombre des catalogues envoyés
   allait à quatre cent mille, on déchiquetait plus de cent mille francs d’étoffes pour les échantillons.“ Zola (1964, 763).
57 Vedder (2012, 208).
58 Drinkuth (2003, 81).

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   Zurückführen lässt sich die buchförmige Warenpräsentation bis zu Messekatalogen
der Frühen Neuzeit. Solche Bezüge erkennt Jan Fischer auch in Johann Fischarts
Catalogus Catalogorum (1590), der in seinem Spiel mit der sowohl epistemischen als auch
kommerziellen Funktion des Kataloges nicht zuletzt als Kritik am Buchmarkt des späten
16. Jahrhunderts lesbar wird.
   Ein weiterer Vorläufer des modernen Warenhauskatalogs ist in den Musterbüchern des
17. und 18. Jahrhunderts zu sehen, die wiederum auf die – seit dem späten Mittelalter
überlieferte – Praxis aus dem Tuchhandel zurückgehen, den Bestellungen auch Muster
beizufügen.59 Wie der Warenhauskatalog des 19. Jahrhunderts stellt auch das Musterbuch
„ein besonderes Instrument der Kommunikation in der frühen Phase der Industrialisie-
rung“ dar, das neben seiner „Katalogfunktion“ die Aufgabe hat, die Corporate Identity eines
Unternehmens „darzustellen und zu vermitteln“.60 Umgekehrt ist der Katalog auch für die
Konsumierenden identitätsstiftend, wenn sich das Bürgertum des späten 19. Jahrhunderts
zur Darstellung seiner Klassenzugehörigkeit aus architektonischen Musterbüchern und
Sprichwort-Katalogen wie aus einem warenförmig organisierten Bildungs- und Geschmacks-
fundus bedienen kann,61 was wiederum von Autoren wie Fontane kritisch beobachtet und
ästhetisch reflektiert wird (Reisener).
   Auch die im 19. Jahrhundert aufkommenden warenförmigen Reisekataloge, in denen
„Komfort und Sehenswürdigkeiten als gleichwertige Bestandteile der Reise nebeneinander“
stehen, folgen dieser Logik, wie Björn Weyand mit vergleichendem Blick auf die Kataloge
und die enumerativen Schreibweisen von Reiseberichten seit der Frühen Neuzeit konsta-
tiert. Weyand zeigt dabei ein bereits um 1900 anzusetzendes literarisches Interesse für eine
katalogisch geprägte Waren- und Markenästhetik.62 Damit liefert er die Vorgeschichte zu
den Katalogen der Pop-Literatur vor allem der 1990er Jahre,63 die interessanterweise nach
Hans Magnus Enzensbergers Verdammung der Warenkataloge „des Versandhauses N.
in Frankfurt am Main“ als „kleinbürgerliche Hölle“64 – in Das Plebiszit der Verbraucher
(1960) – aufs Neue eine katalogisierte Waren- und Konsumästhetik mehr oder weniger
affirmativ inszenieren.
   Heute scheint die Zeit des gedruckten Versandhandel- und Warenhauskatalogs an ein
Ende gekommen zu sein. Im Dezember 2020 gibt der Möbelhersteller IKEA bekannt, dass
sein berühmter Katalog eingestellt wird, von dem es anekdotisch heißt, er sei „weltweit die
meistgelesene Publikation nach der Bibel“.65 Ein Vergleich, der seit Marx’ Überblendung
religiöser und warenkapitalistischer Terminologie kaum überrascht. Folglich erscheint
der weiterhin aufgelegte Katalog des Warenhauses Manufactum, der es mit Benjamin von
Stuckrad-Barres gleichnamigem Essay zu eigener literarischer Berühmtheit gebracht hat,66

59 Dascher (1984, 32).
60 Meissner (1984, 47 f.).
61 Vgl. dazu Utz (1984, 167–172), von Arburg (2008, 262).
62 Vgl. dazu auch Weyand (2013, 48 f.).
63 Ba ßler (2002).
64 Enzensberger (1966, 167 f.).
65 , zuletzt am 23.8.2021. Vgl. dazu auch der Beitrag von Björn Weyand in diesem Heft.
66 Stuckrad-Barre (1999, 147–153).

Peter Lang                                                          Zeitschrift für Germanistik, Neue Folge XXXII (2022)
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angesichts des um sich greifenden Katalogsterbens als ein ebenso nostalgischer Gegenstand
wie die in ihm vertriebenen Waren. Das poetische Potenzial dieser Waren und ihrer Be-
zeichnungen ebenso wie die Arbitrarität und Beweglichkeit der Kategorienbildung macht
Sabine Mainbergers Beitrag anschaulich. Darin bringt sie die klingenden Namen der
aktuellen Manufactum-Dinge mit der skizzenhaften Weltwahrnehmung samt Listenprin-
zip aus Sei Shōnagons Kopfkissenbuch (ca. 1000 n. Chr.) zusammen und generiert so einen
eigenwillig um-(nicht un-)geordneten Dingkatalog.
   Während die Relevanz gedruckter Kataloge für den Handel abnimmt, ist die von ka-
talogischen Formaten in ihrer epistemischen Funktionalität ausgehende ästhetische und
poetische Faszination ungebrochen: Sie verknüpfen das Versprechen enzyklopädischer
Ordnung mit ihrer grundlegenden Fähigkeit zur Darstellung, sie erweisen sich als narrative
Minimalstrukturen, die zu experimentellen und selbstreflexiven Bearbeitungen anregen,
und sie eröffnen ein weiterhin produktives Feld für die literatur- und kulturwissenschaftli-
che Forschung. Den Beiträger*innen, die diese Potentiale des Katalogischen im Folgenden
beleuchten, sei an dieser Stelle herzlich gedankt.

Literaturverzeichnis

Die mit einem „*“ gekennzeichneten Publikationen wurden uns von den Verlagen freundlicherweise
   für diesen Beitrag zur Verfügung gestellt.
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Anschrift der Verfasserinnen: Dr. Kira Jürjens und Prof. Dr. Ulrike Vedder, Humboldt-
Universität zu Berlin, Sprach- und literaturwissenschaftliche Fakultät, Institut für
deutsche Literatur, Unter den Linden 6, D–10999 Berlin, ,

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