KFW-KOMMUNALPANEL 2018 - KFW RESEARCH

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KFW-KOMMUNALPANEL 2018 - KFW RESEARCH
KfW Research

KfW-Kommunalpanel 2018
Impressum

Herausgeber
KfW Bankengruppe
Palmengartenstraße 5-9
60325 Frankfurt am Main
Telefon 069 7431-0
Telefax 069 7431-2944
www.kfw.de

Endredaktion
KfW Bankengruppe
Abteilung Volkswirtschaft
Dr. Stephan Brand
Dr. Johannes Steinbrecher
E-Mail: research@kfw.de

Inhaltliche Bearbeitung
Deutsches Institut für Urbanistik
Autoren:
Elisabeth Krone
Dr. Henrik Scheller

unter Mitarbeit von

Sabrina Schimmel
Dr. Stefan Schneider

ISSN 2191-4826

Copyright Titelbild
Quelle: Getty Images / Fotograf Westend61

Frankfurt am Main, Juni 2018
Inhalt

Zusammenfassung                                                     1

1.      Zum KfW-Kommunalpanel 2018                                  3

2.      Ausgangslage: Wachsende Infrastrukturbedarfe infolge
        demografischer und politischer Entwicklungen                5

2.1     Bevölkerungsentwicklung in Deutschland                      5
2.2     Politische Projekte und Planungsunsicherheiten              7

3.      Wahrgenommener Investitionsrückstand: demografische
        Mehrbedarfe und fehlende Kapazitäten als Treiber           11

3.1     Kommunale Investitionsrückstände in 2017                   11
3.2     Vertiefende Interviews zur Erklärung der gestiegenen
        Investitionsrückstände                                     14
3.3     Erwartungen zur Entwicklung der Investitionsrückstände     15

4.      Finanzlage und Investitionen: positive Gesamtschau bei
        ausgeprägten regionalen Ungleichgewichten                  17

4.1     Allgemeine Einnahmen- und Ausgabenentwicklung              17
4.2     Investitionsausgaben und Investitionsplanung               19
4.3     Finanzierungsinstrumente für Investitionen                 21

5.      Regionale Disparitäten beim Investitionsrückstand:
        leicht rückläufig, aber immer noch ausgeprägt              23

5.1     Regionale Ungleichheiten bei Investitionsrückständen und
        Investitionen                                              23
5.2     Deckung steigender Bedarfe durch adäquate
        Investitionsausgaben                                       25

6.      Fazit und Ausblick                                         27

Literatur                                                          29

Anhang 1: Schlaglichter aus den vertiefenden Interviews            33

Anhang 2: Methoden                                                 34
Abbildungen

Grafik 1:    Steigende Bevölkerung und steigende
             Geburtenzahlen in den vergangenen Jahren              5
Grafik 2:    Demografische Entwicklung erhöht Anzahl junger
             und ausländischer Einwohner                           6
Grafik 3:    Mehr Wanderung in Regionen mit positivem
             Wachstum in der Vergangenheit                         6
Grafik 4:    Wahrgenommener Investitionsrückstand der
             Kommunen 2017                                        12
Grafik 5:    Entwicklung der Investitionsrückstände in
             ausgewählten Bereichen                               13
Grafik 6:    Ausprägung der Investitionsrückstände in
             ausgewählten Infrastrukturbereichen                  14
Grafik 7:    In den Interviews genannte Gründe für nicht
             umgesetzte Investitionen                             15
Grafik 8:    Einfluss von Bau- und Planungskapazitäten auf die
             kommunale Investitionstätigkeit                      15
Grafik 9:    Erwartungen zur Entwicklung der
             Investitionsrückstände in ausgewählten Bereichen     16
Grafik 10:   Beurteilung der Gesamtfinanzsituation                17
Grafik 11:   Investitionsausgaben 2017 und Planung 2018 in
             ausgewählten Infrastrukturbereichen                  19
Grafik 12:   Demografiebedingte Anpassungsbedarfe in
             ausgewählten Infrastrukturbereichen                  20
Grafik 13:   Kommunen mit Haushaltsausgleich 2017 nach
             Einwohnergrößenklasse                                21
Grafik 14:   Anteil der Finanzierungsinstrumente für kommunale
             Investitionen 2017                                   22
Grafik 15:   Erwartungen zur Bedeutung der
             Investitionsfinanzierungsinstrumente                 22
Grafik 16:   Ungleichheit bei Rückstand und Investitionen stark
             ausgeprägt                                           24
Grafik 17:   Trotz leichter Verbesserung hohe Ungleichheit beim
             Investitionsrückstand                                24
Grafik 18:   Investitionen steigen in der Tendenz mit dem
             Rückstand, aber nicht überall                        25
Grafik 19:   Je höher die Rückstände, desto geringer die
             Investitionen                                        25
Zusammenfassung

Der erneute Anstieg der kommunalen Investitionsrück-      Nicht überraschend steigt der wahrgenommene Investi-
stände, den das KfW-Kommunalpanel 2018 aufzeigt,          tionsrückstand der Kommunen deshalb trotz der guten
verweist sowohl auf die Versäumnisse der Vergangen-       wirtschaftlichen Rahmenbedingungen im Jahr 2017 auf
heit als auch auf die aktuellen Herausforderungen der     knapp 159 Mrd. EUR. Der Anstieg betrifft dabei insbe-
Kommunen.                                                 sondere große Städte und Kommunen in Süddeutsch-
                                                          land und Nordrhein-Westfalen. Die Analysen im KfW-
Entgegen früherer Prognosen ist die Bevölkerung in        Kommunalpanel 2018 zeigen, dass ein hoher Investiti-
Deutschland gewachsen, weil mehr Menschen ein-            onsrückstand in prosperierenden Regionen eher als ein
wandern und die Geburtenzahlen steigen. Mehr Men-         Symptom wirtschaftlicher Stärke aufgefasst werden
schen in prosperierenden Regionen bedeuten für die        kann, während es in finanz- und strukturschwachen
Kommunen auch mehr Nachfrage nach Leistungen der          Regionen weiterhin ein Zeichen mangelnder Investiti-
Daseinsvorsorge. Dies gilt insbesondere für Schulen,      onsfähigkeit ist. Ein hoher Investitionsrückstand ist dort
die mit 30 % am Gesamtinvestitionsrückstand in die-       problematisch, wo die Investitionsmöglichkeiten fehlen
sem Jahr den größten Anteil ausmachen. Im Gegen-          und sich regionale Disparitäten noch zu verschärfen
satz dazu müssen in strukturschwachen Regionen je-        drohen. Das KfW-Kommunalpanel 2018 zeigt: Mit
doch oft nach wie vor Bevölkerungsverluste gemeistert     wachsendem Investitionsrückstand wird das Verhältnis
werden, was vielfach auf einen teuren Unterhalt oder      von Investitionen zu Rückstand tendenziell immer pro-
Rückbau bestehender Infrastruktur hinausläuft.            blematischer.

Zusätzlich erhöhen verschiedene politische Projekte       Die gute Nachricht ist, dass den Kommunen in Summe
und steigende Anforderungen an die Infrastruktur die      gegenwärtig mehr Mittel zur Verfügung stehen. In der
Investitionsrückstände. Dies gilt umso mehr, wenn in      Folge rechnen die befragten Kämmerer mit moderat
der Vergangenheit nicht ausreichend in Unterhalt und      steigenden Investitionsausgaben. Dabei werden diese
Instandsetzung investiert werden konnte und nun hohe      Ausgaben aktuell vor allem über Eigenmittel (40 %)
Folgekosten für die Modernisierung anfallen. Gerade       und Fördermittel (26 %) finanziert. Den Fördermitteln
bei Straßen werden 37 % des Investitionsrückstands        wird auch in Zukunft eine steigende Bedeutung beige-
von den befragten Kämmerern auf unterlassene In-          messen, was ebenso für die Bedeutung des Kommu-
standhaltung zurückgeführt. Bei den Schulen macht         nalkredits gilt, wo die Rahmenbedingungen von den
dies 26 % aus, dafür sind dort 23 % des Investitions-     meisten Kommunen als auskömmlich bewertet werden.
rückstands durch Ausbaunotwendigkeiten bedingt.           Diese guten Finanzierungsbedingungen wirken sich
                                                          auch auf die erwartete Entwicklung der Investitions-
Diese zunehmenden investiven Bedarfe werden seit          rückstände aus: Bei Schulen gehen beispielsweise
einigen Jahren durch gute ökonomische Rahmenbe-           immerhin 51 % von einem Rückgang aus. Einzig bei
dingungen begleitet. Vielfach steigen die Einnahmen       Straßen befürchtet ein größerer Teil von 37 % eine
schneller als die Ausgaben, sodass Haushaltsüber-         weitere Verschlechterung.
schüsse erwirtschaftet und Investitionen angepackt
werden können, die lange Zeit aufgeschoben wurden.        Das diesjährige Sonderthema „Investitionsrückstand
Allerdings gilt dies nicht für alle Kommunen, weil sich   und Investitionsplanung“ unterstreicht, dass die Investi-
die regionalen Disparitäten als ausgesprochen hart-       tionstätigkeit der Kommunen vor allem von der Haus-
näckig erweisen.                                          haltslage bestimmt wird. Dabei werden von den befrag-
                                                          ten Kämmereien verschiedene hemmende oder för-
Zudem erschweren Preis- und Kapazitätseffekte den         dernde Faktoren für die Investitionstätigkeit genannt.
Abbau der Investitionsrückstände. So sind allein die      Eine stärker regional differenzierte Betrachtung ist
Preise im Straßenbau letztes Jahr im Durchschnitt um      deshalb auch zur Formulierung passgenauerer Hand-
über 5 % gestiegen. Obwohl die finanziellen Mittel –      lungsempfehlungen für die Politik sinnvoll, die im Sinn
auch aufgrund von Investitionsfördermaßnahmen des         gleichwertiger Lebensverhältnisse an vielen Stell-
Bundes und der Länder – höhere Investitionen erlau-       schrauben gleichzeitig ansetzen müssen.
ben würden, mangelt es in vielen Kommunen an quali-
fiziertem Personal. Immer öfter finden sich auch keine
Bauunternehmen, die entsprechende Planungen um-
setzen.

                                                                                                              Seite 1
1. Zum KfW-Kommunalpanel 2018

Das KfW-Kommunalpanel hat einen festen Platz in der                         Um den Panelcharakter der Befragung zu bewahren,
kommunalpolitischen Debatte. Seit Beginn der Befra-                         wurde auch in diesem Jahr ein Großteil der Vorjahres-
gung 2009 dient es als Sachstandsanzeiger der wahr-                         fragen übernommen. Der Fragebogen wurde mit den
genommenen Investitionsrückstände, der getätigten In-                       kommunalen Spitzenverbänden, Vertretern von Kom-
vestitionen sowie der Finanzierungsbedingungen der                          munen und dem wissenschaftlichen Beirat des
                              1
Kommunen in Deutschland. Die vom Deutschen Insti-                           KfW-Kommunalpanels abgestimmt. Der Erhebung zur
tut für Urbanistik (Difu) im Auftrag der KfW Banken-                        Investitionstätigkeit sowie den Finanzierungsbedingun-
gruppe durchgeführte Studie basiert dabei auf einer                         gen der Landkreise, Städte und Gemeinden auf Basis
jährlichen Befragung der Kämmereien von Landkrei-                           von Selbstwahrnehmungen der kommunalen Finanz-
sen, Städten und Gemeinden. Die für alle Kommunen                           entscheider liegt eine Methodik zur Ermittlung kommu-
ab 2.000 Einwohnern in der Bundesrepublik hochge-                           naler Investitionsbedarfe zu Grunde, die 2008 in einer
rechneten Investitionsrückstände bewegten sich dabei                        Studie des Deutschen Instituts für Urbanistik entwickelt
                                                                                    3
in den vergangenen Jahren stets in einem Korridor                           wurde. Die Umfrageergebnisse werden in Bezug zu
                                    2
zwischen 100 und 140 Mrd. EUR.                                              öffentlich zugänglichen Datenbeständen – insbesonde-
                                                                            re aus der amtlichen Finanzstatistik – sowie den Er-
Auch die politische und mediale Rezeption lässt erken-                      gebnissen früherer Befragungen gesetzt.
nen, dass die Problematik kommunaler Investitions-
rückstände für die öffentliche Daseinsvorsorge von ei-                      Ausgangspunkt des KfW-Kommunalpanels 2018 bildet
ner breiten Öffentlichkeit wahrgenommen wird. Nicht                         eine Untersuchung der wesentlichen Bedarfstreiber für
umsonst wurde im Bundestagswahlkampf 2017 von                               die kommunalen Investitionen. Aus den nicht realisier-
nahezu allen im Bundestag vertretenen Parteien die                          baren Investitionsbedarfen erwachsen die Investitions-
Bedeutung der Kommunen im föderalen Mehrebenen-                             rückstände, denen die finanziellen Handlungsmöglich-
system prominent thematisiert. Nicht nur die entspre-                       keiten der Kommunen gegenübergestellt werden. Der
chenden Wahlprogramme, sondern auch der Koaliti-                            Betrachtung der Finanzlage sowie der Investitionsfi-
onsvertrag für die amtierende Bundesregierung enthält                       nanzierung der Kommunen folgt eine tiefer gehende
einen eigenen Maßnahmenkatalog zur Stärkung der                             Analyse der regionalen Unterschiede. Hierbei werden
Kommunen und ihrer Finanzausstattung. Mit der Ein-                          die ermittelten Investitionsrückstände ins Verhältnis zu
setzung einer Kommission „Gleichwertigkeit der Le-                          den tatsächlich getätigten Investitionen der Kommunen
bensverhältnisse“ soll diesem Themenkomplex in be-                          gesetzt, um zu veranschaulichen, welche Möglichkei-
sonderer Weise Rechnung getragen werden.                                    ten die Kommunen jeweils haben, die investitionspoliti-
                                                                            schen Versäumnisse der Vergangenheit wieder aufzu-
Vor diesem Hintergrund gilt es, auch die Analysen im                        holen.
Rahmen des KfW-Kommunalpanels neu auszurichten.
Denn die Frage, ob und in welcher Höhe es Investiti-                        Dabei können auch Erkenntnisse aus dem diesjährigen
onsrückstände auf kommunaler Ebene gibt, scheint                            Schwerpunktthema „Investitionsrückstand und Investi-
kaum strittig bzw. nicht zielführend. Im Sinn einer Ent-                    tionsplanung“ herangezogen werden: Im Fokus steht
wicklung konstruktiver Lösungsansätze braucht es                            das bessere Verständnis, um welche Arten von Rück-
vielmehr vertiefter Analysen zu den Ursachen, Wech-                         ständen es sich handelt sowie mit welchen Zielen und
selwirkungen und regionalen Ausprägungen kommuna-                           Strategien die Kommunen versuchen, diesen beizu-
ler Investitionsrückstände. Das KfW-Kommunalpanel                           kommen. Dabei werden auch hemmende und fördern-
2018 möchte hierzu einen Beitrag leisten: Stärker als                       de Faktoren der kommunalen Investitionstätigkeit iden-
bisher sind die Auswertungen darum auf die Ursachen                         tifiziert. Diese Ergebnisse finden sich nicht nur an ver-
und regionalen Disparitäten ausgerichtet.                                   schiedenen Stellen im vorliegenden KfW-Kommunal-
                                                                            panel 2018, sondern werden auch in weiteren Publika-
                                                                                                4
                                                                            tionen aufbereitet.
1
  Kommunen sind Gemeinden (kreisfreie Städte sowie kreisangehörige Städte
und Gemeinden) und Landkreise. Im Folgenden werden die Begriffe „Städte“
für kreisfreie Städte und „Gemeinden“ für kreisangehörige Städte und Ge-
meinden zur Abgrenzung des jeweiligen Bezugsobjekts verwendet.
2                                                                           3
 Ähnliche Erhebungen dieser Art kamen in den letzten Jahren zu vergleich-       Vgl. Reidenbach, M. 2008. Die Methodik wurde fortlaufend weiterentwickelt.
baren Näherungswerten bzw. nahmen direkten Bezug auf das KfW -Kom-
                                                                            4
munalpanel, siehe bspw. BMWi 2015.                                              Alle Publikationen sind unter www.kfw.de/research-kommunen zu finden.

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2. Ausgangslage: Wachsende Infrastrukturbedarfe infolge
demografischer und politischer Entwicklungen

    Das Bevölkerungswachstum der letzten Jahre ist         2.1 Bevölkerungsentwicklung in Deutschland
    Ausdruck wirtschaftlicher Stärke und hoher Lebens-     Lange Zeit wurde für Deutschland ein Bevölkerungs-
                                                                               6
    qualität in Deutschland.                               rückgang erwartet. Tatsächlich ging die Bevölkerung
                                                           in Deutschland zwischen 2002 und 2010 zurück. Seit
    Steigende Geburtenzahlen und die Zuwanderung           einigen Jahren hat sich dieser Trend allerdings umge-
    aus Europa und dem nicht-europäischen Ausland          kehrt (vgl. Grafik 1). Die Bevölkerung steigt seit dem
    führen zu steigenden Infrastrukturbedarfen – insbe-    Jahr 2011 kontinuierlich an, gleiches gilt für die Gebur-
    sondere bei den Bildungseinrichtungen.                 tenrate. Diese Entwicklung ist auch Ausdruck der wirt-
                                                           schaftlichen Stärke und der hohen Lebensqualität in
    Auch politische Maßnahmen zur Verbesserung be-         Deutschland. Gerade während der Krise im Euroraum
    stehender öffentlicher Leistungen und Angebote er-     seit 2010 bot der robuste deutsche Arbeitsmarkt aus-
    höhen die Investitionsbedarfe der Kommunen.            reichend Nachfrage und Bedarf für junge Fachkräfte,
                                                           insbesondere aus den krisengeplagten Ländern Süd-
    Darüber hinaus erschweren Kapazitätsengpässe           europas. Seit dem Jahr 2010 sind in der Folge über
    und die dynamische Bau- und Baulandpreisentwick-       3,5 Mio. Menschen mehr aus dem Ausland nach
    lung zusätzliche Investitionen.                        Deutschland zu- als weggezogen.

                                                           Grafik 1: Steigende Bevölkerung und steigende
Deutschland wächst. Dies gilt nicht nur für die Wirt-
                                                           Geburtenzahlen in den vergangenen Jahren
schaft und die Steuereinnahmen, sondern auch für die
                                                                                        105                                                   105
Bevölkerung. Für die Kommunen ist dies Chance und
Herausforderung zugleich. Die spürbare Zunahme an
Kindern und Jugendlichen sowie von Menschen mit

                                                                                                                                                    Geburten (2000=100)
                                                                                        103                                                   97
Migrationshintergrund wird in vielen Kommunen – nach
                                                               Bevölkerung (2000=100)

einem ohnehin schon hohen Auslastungsgrad in den
                                                                                        101                                                   89
vergangenen Jahren – einen Aus- bzw. Aufbau beste-
hender Infrastrukturen erforderlich machen, vor allem
                                                      5
im Bildungsbereich sowie im sozialen Wohnungsbau.                                       99                                                    81
Auch politisch diskutierte Großprojekte, wie der flä-
chendeckende Ausbau von Ganztagsschulen, die Digi-
                                                                                        97                                                    73
talisierung oder die Verkehrswende im Zusammenhang
mit dem „Diesel-Skandal“, begründen neue quantitative
und qualitative Ausbaubedarfe der kommunalen Infra-                                     95                                                    65
                                                                                              2000        2004     2008         2012   2016
strukturen.
                                                                                                     Bevölkerung     Geburten

Gleichzeitig bieten das robuste wirtschaftliche Umfeld,    Anmerkung: Der Sondereffekt durch den Zensus 2011, der zu einer
steigende Steuereinnahmen sowie das niedrige Zins-         deutlich niedrigeren Bevölkerungszahl im Jahr 2011 führte, wurde im
niveau bei gleichzeitig sinkender Verschuldung in der      Kettenindex der Bevölkerungsentwicklung bereinigt.
Mehrheit der Kommunen auch Spielräume für Investi-         Quelle: KfW-Kommunalpanel 2018, nach Angaben vom Statistischen
tionen. Mit Blick auf die regionalen Disparitäten stellt   Bundesamt 2018b, 2018c.
sich vor allem die Frage, in welchen Regionen zusätzli-
che Infrastrukturbedarfe besonders stark wachsen.
Und ob in diesen Regionen in der Folge auch eine an-
gemessene Investitionstätigkeit beobachtet werden
kann. Einen Schwerpunkt des KfW-Kommunalpanels
2018 bildet deshalb die Betrachtung regionaler Dispari-
                                                           6
                                                             So haben die früheren Bevölkerungsprognosen des Statistischen Bundes-
täten bei der Entwicklung von Investitionsrückständen      amtes beispielsweise 2006 noch einen Rückgang der Bevölkerung bis 2050
und Investitionen.                                         um 10 bis fast 17 % prognostiziert (vgl. Statistisches Bundesamt 2006). Die
                                                           aktualisierte Prognose auf Basis der 13. koordinierten Bevölkerungsvorausbe-
                                                           rechnung rechnet hingegen bis zum Jahr 2050 nur noch mit einem Rückgang
5
    Vgl. bspw. McKinsey&Company 2018, S. 6.                um 4 bis 7,5 % im Vergleich zu 2006 (vgl. Statistisches Bundesamt 2017b).

                                                                                                                                                      Seite 5
KfW-Kommunalpanel 2018

                                                                                                                                                                                                          8
Veränderte Bevölkerungsstruktur bringt neue                                                                                      ses – entwickelt hat (vgl. Grafik 3). Dazu zählen nicht
Infrastrukturbedarfe mit sich                                                                                                    nur die Großstädte und Metropolregionen um Mün-
Diese Entwicklung hat neben den direkten Mengen-                                                                                 chen, Frankfurt oder Berlin. Auch viele mittlere Städte,
effekten, beispielsweise durch zusätzliche Nachfrage                                                                             wie Potsdam, Münster oder Jena, und selbst Oberzen-
nach Wohnraum, Mobilitäts- oder Kulturangeboten,                                                                                 tren im ländlichen Raum, wie Eberswalde oder Schwä-
auch unmittelbare Auswirkung auf Struktur und Zu-                                                                                bisch Hall, haben inzwischen zunehmend „Wachstums-
sammensetzung der Bevölkerung (vgl. Grafik 2).                                                                                   schmerzen“, weil sie als so genannte „Schwarmstädte“
                                                                                                                                 vor allem auf jüngere Alterskohorten eine besondere
                                                                                                                                                             9
Steigende Geburtenraten führen zu einem höheren An-                                                                              Anziehungskraft ausüben.
teil junger Einwohner, für die entsprechende Bildungs-
angebote bereitgestellt werden müssen. Zuwanderung                                                                               Grafik 3: Mehr Wanderung in Regionen mit
aus dem Ausland führt wiederum zu einem höheren                                                                                  positivem Wachstum in der Vergangenheit
Anteil an Einwohnern, für die ggf. Integrationsangebote
                                                                                                                                                                         15 %
bereitzustellen sind.

                                                                                                                                     Bevölkerungsentwicklung 2000–2010
                                                                                                                                                                         10 %
Grafik 2: Demografische Entwicklung erhöht
Anzahl junger und ausländischer Einwohner                                                                                                                                 5%

                             1.400                                                          110                                                                           0%
                                                                                                  Junge Bevölkerung (2000=100)

                             1.200                                                          105
                                                                                                                                                                          -5 %
Wanderungssaldo in Tausend

                                                                                            100
                             1.000
                                                                                                                                                                         -10 %
                                                                                            95
                              800
                                                                                                                                                                         -15 %
                                                                                            90
                              600
                                                                                            85                                                                           -20 %
                              400
                                                                                            80                                                                           -25 %
                                                                                                                                                                              -5 %     0%      5%      10 %      15 %
                              200                                                           75
                                                                                                                                                                                     Wanderungssaldo 2011–2015
                                0                                                           70
                                     2000        2004           2008    2012         2016
                                                                                                                                 Anmerkung: Dargestellt ist die Veränderung der Bevölkerung auf
                                                                                                                                 Kreisebene im Zeitraum zwischen 2000 und 2010 im Verhältnis zum
                                     Wanderungssaldo                   Bevölkerung bis 6 Jahre                                   jeweiligen Wanderungssaldo der Jahre 2011 bis 2015 (in Prozent der
                                                                                                                                 Bevölkerung von 2010). Es zeigt sich ein klarer positiver Zusammen-
                                     Bevölkerung bis 25 Jahre
                                                                                                                                 hang: Regionen mit einer besseren demografischen Entwicklung
Quelle: KfW-Kommunalpanel 2018, nach Angaben vom Statistischen                                                                   zwischen 2000 und 2010 verzeichneten auch mehr Zuwanderung
Bundesamt 2017a, Statistisches Bundesamt 2018c.                                                                                  zwischen 2011 und 2015.

                                                                                                                                 Quelle: KfW-Kommunalpanel 2018, nach Angaben vom Statistischen
Führt man sich vor Augen, dass im Vergleich zu 2011
                                                                                                                                 Bundesamt 2018a, Statistisches Bundesamt 2018c.
im Jahr 2016 rd. 450.000 Kinder im Alter von bis zu
6 Jahren mehr in Deutschland lebten und allein die An-                                                                           Demografische Mehrbedarfe zwischen „Wach-
zahl der ausgestellten Teilnahmeberechtigungen für In-                                                                           stumsschmerzen“ und „Schrumpfungskosten“
tegrationskurse sich zwischen 2011 und 2016 auf fast                                                                             Für die Kommunen ist diese Bevölkerungsentwicklung
550.000 nahezu verfünffacht hat, wird deutlich, dass                                                                             zweischneidig: Auf der einen Seite gibt es Regionen,
das Bevölkerungswachstum auch mit großen infra-                                                                                  die in der Vergangenheit eher geschrumpft sind und
                                             7                                                                                   die Bevölkerungsrückgänge der letzten 25 Jahre häufig
strukturellen Herausforderungen einhergeht.
                                                                                                                                 nicht durch verstärkte Zuzüge in jüngerer Zeit kompen-
Bevölkerungsentwicklung regional sehr unter-                                                                                     sieren konnten. Zum Teil setzt sich der Einwohner-
schiedlich ausgeprägt                                                                                                            schwund sogar fort. Der demografische Druck auf die-
Allerdings wirken sich die jüngsten Wanderungs- und                                                                              sen Teil der Kommunen bleibt also bestehen – ein
Wachstumsbewegungen nicht auf alle Regionen                                                                                      kostspieliger Rück- und Umbau öffentlicher Infrastruk-
gleichermaßen aus. Tendenziell wachsen vor allem die                                                                             turen und / oder Remanenzkosten für den Unterhalt in-
Regionen weiter, deren Bevölkerung sich auch bereits
in der Vergangenheit positiv – im Sinn eines Zuwach-                                                                             8
                                                                                                                                  Dieser Befund wird auch durch eine langfristige Betrachtung auf Gemeinde-
                                                                                                                                 ebene gestützt (vgl. Brand, S. und J. Steinbrecher 2017a). Dieser Zusam-
                                                                                                                                 menhang scheint also auch jenseits der aktuellen Wanderungsbewegungen
                                                                                                                                 Gültigkeit zu besitzen.
7                                                                                                                                9
        Vgl. BAMF 2017.                                                                                                              Siehe dazu bspw. Vgl. GdW 2015.

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Ausgangslage

zwischen überdimensionierter Infrastrukturen sind oft                       Betracht ziehen: ungedeckte quantitative Mehrbedarfe,
           10
die Folge.                                                                  ungedeckte Mehrbedarfe aufgrund steigender Quali-
                                                                            tätsstandards sowie Kapazitäts- bzw. exogene Effekte.
Auf der anderen Seite steht inzwischen eine Vielzahl                        In den folgenden Kästen werden einige aktuelle Bei-
an Kommunen, die bereits in den vergangenen Jahren                          spiele für jeden dieser drei Erklärungsansätze skizziert.
auf ein spürbares Bevölkerungswachstum reagieren
mussten, das sich in den letzten fünf Jahren noch ein-
mal deutlich verschärft hat. Zwar handelt es sich bei                            Quantitative Mehrbedarfe der Kommunen auf-
                                                                                 grund der demografischen Entwicklung
diesen Regionen oft um wirtschaftsstarke Regionen.
                                                                                 (Auswahl)
Allerdings wachsen die infrastrukturellen Anpassungs-
und Erweiterungsbedarfe in dieser Gruppe der Kom-                                Beispiel 1: Steigende Schüler- und Kinderzahlen
                                                                                 Mit steigenden Geburtenraten und einem allgemei-
munen derzeit offenkundig so massiv, dass sie nur
                                                                                 nen Einwohnerzuwachs steigt naturgemäß auch der
schwer mit den Verpflichtungen zur nachhaltigen
Haushaltsführung in Einklang zu bringen sind. Viele                              Anteil von Kindern und Jugendlichen im betreuungs-
                                                                                 fähigen bzw. schulpflichtigen Alter. Ein Plus von
Kommunen haben versucht, diese steigenden Bedarfe
                                                                                 450.000 Kindern im Alter von bis zu 6 Jahren ent-
– gerade in den Bereichen Verkehr, Schulen und Kin-
derbetreuung – in den vergangenen Jahren ganz we-                                spricht – gemäß einer Hochrechnung der im Bil-
                                                                                 dungsfinanzbericht 2017 angesetzten durchschnittli-
sentlich über eine stärkere Auslastung bestehender In-
                                                                                 chen Pro-Kopf-Ausgaben für Kinder im Elementarbe-
frastrukturen aufzufangen. Diese Strategie hat zur Fol-
ge, dass eine Voll- bzw. sogar Überauslastung von In-                            reich von 9.300 EUR – einem gesamten Mehrbedarf
                                                                                 in Höhe von rund 4,18 Mrd. EUR.12 Andere Berech-
frastrukturen ihren vorzeitigen Verschleiß, höhere Be-
                                                                                 nungen gehen sogar von einer Bereitstellungspau-
lastungen für die Umwelt und zusätzliche Kosten für
die Nutzer zur Folge haben kann.
                                  11                                             schale in Höhe von bis zu 25.000 EUR pro Kitaplatz
                                                                                      13
                                                                                 aus.
Bevölkerungswachstum als „Tipping Point“
Die jüngsten Bevölkerungs- und Zuwanderungsent-                                  Beispiel 2: Wohnungsbau
                                                                                 Die Bundesregierung rechnet im Bereich Woh-
wicklungen scheinen hier mithin nur der letzte Tropfen
                                                                                 nungsbau allein für den städtischen Raum mit einem
gewesen zu sein, der das Fass zum Überlaufen brach-
te („Tipping Point“). Einmal an Kapazitätsgrenzen ge-                            Bedarf an 350.000 bis 400.000 Wohnungen pro Jahr
                                                                                            14
                                                                                 bis 2020. Fertiggestellt werden gegenwärtig aber
stoßen, lassen sich zusätzliche Bedarfe kaum mehr
                                                                                 nur zwischen 90.000 und 140.000 zusätzlichen
zeitnah abbauen. Gestiegene Investitionsrückstände
sind dann die Folge.                                                             Wohnungen pro Jahr. Um die angestrebten Ausbau-
                                                                                 ziele zu erreichen, wären insgesamt rund 27 Mrd.
                                                                                 EUR an Mehrausgaben erforderlich – wenn auch
2.2 Politische Projekte und Planungsunsicherhei-                                                                         15
ten                                                                              nicht allein von der öffentlichen Hand.
Die im diesjährigen KfW-Kommunalpanel zu beobach-
tende Veränderung der von den Kommunen wahrge-                              Diese Beispiele zielen vor allem auf einen quantitativen
nommenen Investitionsrückstände fallen in eine Zeit, in                     Ausbau der bereitgestellten Infrastrukturen. Nicht zu
der neu und kurzfristig wachsende Infrastrukturbedarfe                      vernachlässigen mit Blick auf die kommunalen Investi-
durch Kommunen gedeckt werden müssen, die zu-                               tionsrückstände sind jedoch auch Auswirkungen, die
nehmend unter Kapazitätsengpässen leiden.                                   aus einer politisch angestrebten Anhebung der Quali-
                                                                            tätsstandards von Leistungen und Infrastrukturen der
Erschwerend für die Kommunen kommt hinzu, dass                              öffentlichen Daseinsvorsorge resultieren – sei es z. B.
neben den demografischen Treibern auch politisch in-                        eine Ausweitung der Ganztagsbetreuung auf zusätzli-
duzierte Veränderungsprozesse Anpassungsbedarfe
                                                                            12
                                                                                 Vgl. Statistisches Bundesamt 2017c, S. 76 – eigene Berechnungen.
bei den kommunalen Infrastrukturen erfordern. In der
Summe lassen sich somit mindestens drei wesentliche                         13
                                                                                 Vgl. Schäfer, C. 2013.
Erklärungsansätze für stark steigende Rückstände in                         14
                                                                                 Vgl. z. B. Bundesregierung 2017.

10                                                                          15
  Es zeigt sich, dass die demografische Entwicklung gerade in schrumpfen-     Der städtische Wohnungsbau, der inzwischen vielfach von ausgelagerten
den Kommunen durch Kostenremanenzen und Rückbauerfordernisse erhebli-       Wohnungsbaugesellschaften ausgeführt wird, ist hier – neben privaten Akteu-
che Auswirkungen auf die öffentlichen Haushalte haben kann, während das     ren – zwar nur ein Träger. Allerdings trägt er aufgrund seines Daseinsvorsor-
Wachstum die Haushalte in der Tendenz nicht entlastet (vgl. Brand, S. und   geauftrags vor allem im mietgünstigen sozialen Wohnungsbau eine besonde-
J.Steinbrecher 2017b).                                                      re Verantwortung. Dem tragen die Kommunen durch entsprechende Mittel-
                                                                            und Subventionszuweisungen Rechnung, die sich durch spätere Steuermehr-
11
     Vgl. Reidenbach, M. u. a. 2008, S. 80–84.                              einnahmen zum Teil refinanzieren.

                                                                                                                                                    Seite 7
KfW-Kommunalpanel 2018

che Alterskohorten oder eine bessere Ausstattung von                              Darüber hinaus werden kommunale Investitionsrück-
                                     16
Schulen mit digitaler Infrastruktur.                                              stände auch durch exogene Einflussfaktoren getrieben,
                                                                                  die sich einer aktiven und unmittelbaren Gestaltung der
                                                                                  Städte und Gemeinden entziehen, aber erhebliche mo-
     Qualitative Mehrbedarfe der Kommunen auf-                                    netäre Folgen entfalten können.
     grund politischer Entscheidungen (Auswahl)
     Beispiel 1: Ganztagsbetreuung in Schulen
     Der Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung                                   Mehrbedarfe der Kommunen aufgrund exogener
     sieht die Schaffung eines Rechtsanspruchs auf                                     Rahmenbedingungen (Auswahl)
     Ganztagsbetreuung im Grundschulalter vor. Dafür                                   Beispiel 1: Steigende Baupreise
     werden nochmals 2 Mrd. EUR zur Verfügung ge-                                      Die hohe Auslastung des privaten Baugewerbes
     stellt. Um bis 2025 allein für 80 %der Schüler einen                              führt zunehmend dazu, dass die Kommunen oft
     Ganztagsschulplatz anbieten zu können, müssten                                    kaum noch geeignete Bau- und Handwerksfirmen
                                                                                               20
     jedoch rund 3,3 Mio. Plätze mit einem baulichen In-                               finden. Werden Angebote eingereicht, sind diese
     vestitionsvolumen von 15 Mrd. EUR geschaffen                                      oft deutlich teurer als in der Vergangenheit. So muss
              17
     werden.                                                                           deshalb beispielsweise in Nordrhein-Westfalen in-
                                                                                       zwischen jede dritte Ausschreibung aufgehoben und
     Beispiel 2: Luftreinhaltung und Verkehrswende                                     neu ausgeschrieben werden. Eine Bauherrenbefra-
     Im Zuge des „Diesel-Skandals“ 2017/2018 hat der                                   gung im Jahr 2017 ergab, dass die durchschnittlich
     Bund den Kommunen 1 Mrd. EUR für die kurzfristige                                 angebotenen Baupreise im Hochbau über alle Ge-
     Umsetzung von Maßnahmen zur CO2-Reduktion                                         werke rund 7 % höher lagen, als von den Auftragge-
                                                                                                                21
     sowie zur Qualitätsverbesserung der Luftreinheit zu-                              bern selbst budgetiert. Für Generalunternehmer-
     gesagt. Aber allein die Umrüstung der Busflotte einer                             leistungen sowie einzelne, technisch anspruchsvolle
     einzigen Großstadt mit 200.000 Einwohnern kostet                                  Bauleistungen lagen die Preise 13 % über den Er-
     bis zu 30 Mio. EUR. Damit würde allein nur für die                                wartungen. Vereinzelt berichten Kommunen sogar
     78 anderen Städte dieser Größenklasse insgesamt                                   von Angebotspreisen, die deutlich über der Eigen-
                                                                                                          22
     ein Investitionsbedarf von 2,3 Mrd. EUR entstehen.                                kalkulation lagen. Auch die Preise im Straßenbau
                                                                                                                                     23
     Um wirtschaftliche Schäden aufgrund von Fahrver-                                  sind im letzten Jahr um über 5 % gestiegen. Allein
     boten zu vermeiden, werden die Kommunen mithin                                    durch derartige Preissteigerungen dürfte auch der
     deutlich mehr Haushaltsmittel für einen deutlich grö-                             wahrgenommene Investitionsrückstand steigen. So
     ßeren Strauß an Maßnahmen aufwenden müssen.                                       hätte beispielsweise der vor zwei Jahren im
     Allein die im Zusammenhang mit den Fahrverboten                                   KfW-Kommunalpanel insgesamt ermittelte Investiti-
     diskutierte Gebührenbefreiung im ÖPNV hätte die                                   onsrückstand von 136 Mrd. EUR bei einer durch-
     Kommunen mit bis zu 13 Mrd. EUR pro Jahr bela-                                    schnittlich angenommenen Preissteigerung um 10 %
          18                                                                                                                             24
     stet. Daneben hat sich die neue Bundesregierung                                   heute einen „Gegenwert“ von fast 150 Mrd. EUR.
     zur Verkehrswende bekannt, indem sie z. B. mehr
     Finanzressourcen für Radwege zur Verfügung stel-
              19
     len will. Eine Anschubfinanzierung zur Neujustie-
     rung des „modal split“ dürfte auch Folgekosten für
     die Kommunen nach sich ziehen.

16
  Insbesondere im Vorfeld der verschiedenen Landtagswahlen sowie der
Bundestagswahl 2017 wurde eine Reihe solcher finanzwirksamen Projekte
von den Parteien diskutiert. Da das Thema „Einsetzung einer ‚Kommission
zur Wiederherstellung der Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse“ unter na-
hezu allen Parteien weit gehend unstrittig war, fand ein Teil dieser Vorschläge
Eingang in den Koalitionsvertrag der amtierenden Bundesregierung. Sie dürf-
                                                                                  20
ten deshalb erhebliche Auswirkungen auf die kommunale Investitionspolitik              Siehe bspw. BBSR 2018 oder Winkelkötter, S. 2018.
der kommenden Jahre entfalten und sich schon heute in den Erwartungen der
                                                                                  21
Kämmerer niederschlagen.                                                            Vgl. Drees&Sommer 2018, ähnlich auch McKinsey&Company 2018, S. 5,
                                                                                  etwas zurückhaltender: Hauptverband der Deutschen Bauindustrie 2018.
17
     Vgl. Klemm, K. und D. Zorn 2017.
                                                                                  22
                                                                                       Vgl. Winkelkötter, S. 2018.
18
     Vgl. Deutscher Städte und Gemeindebund 2018.
                                                                                  23
                                                                                       Vgl. Statistisches Bundesamt 2018f.
19
  So soll das Programm für den Bau von Radschnellwegen praxisnäher aus-
                                                                                  24
gestaltet und weitere innovative Projekte, die den Radverkehr in Deutschland        Darüber hinaus steigen auch die Baustoffpreise, vgl. hierzu bspw. Bundes-
verbessern, gefördert werden. Vgl. Bundesregierung 2018, S. 120.                  anstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe 2018.

Seite 8
Ausgangslage

     Beispiel 2: Begrenzte Planungskapazitäten                                zum Teil fremd veranlassten Mehrbedarfe haushalte-
     In den Hoch- und Tiefbauämtern der Kommunen                              risch eingeplant werden. Das haushalterische Vor-
     wurden in den vergangenen zwei Jahrzehnten Pla-                          sichtsprinzip mahnt zu einer behutsamen Haushalts-
     nungskapazitäten abgebaut bzw. in öffentliche Betei-                     führung – auch und gerade im investiven Bereich.
                                         25
     ligungsgesellschaften ausgelagert. Nicht selten                          Deshalb kann es passieren, dass bereits absehbare
     fehlen deshalb heute in vielen Kommunen qualifizier-                     infrastrukturelle Nachhol- und Ersatzbedarfe bis zur
     te Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die sowohl das                      verbindlichen Einstellung eines konkreten Haushaltsti-
     nötige Fördermittelmanagement als auch die konkre-                       tels für einzelne Investitionsvorhaben als Investitions-
     te Projektrealisierung einschließlich Planung, Baube-                    rückstände auflaufen. Diese Problematik verschärft
                                                       26
     treuung und Controlling bewerkstelligen können.                          sich, wenn es in den Kommunen bei wachsenden
     Zudem ist der Personalmarkt in diesem technischen                        Mehrbedarfen gleichzeitig an den notwendigen admini-
     Bereich inzwischen so eng, dass der öffentliche                          strativen Kapazitäten für die Bauplanung und -rea-
     Dienst mit seiner Tarifstruktur häufig nur schwer mit                    lisierung sowie das entsprechende Finanzierungsma-
                                             27
     der Privatwirtschaft konkurrieren kann.                                  nagement und Controlling mangelt. Die wahrgenom-
                                                                              menen Investitionsrückstände dürften dann in einem
                                                                              Zusammenspiel sowohl aus internen als auch exoge-
Diese Zusammenschau möglicher Treiber kommunaler
                                                                              nen Treibern aufwachsen.
Investitionsrückstände begründet erheblich Planungs-
unsicherheiten für Landkreise, Städte und Gemeinden.
Mit Blick auf die konkrete Haushaltsplanung stellt sich
für die Kämmereien die Frage, wie und wann solche,

25
     Vgl. Brand, S. und J. Steinbrecher 2016b.
26
     Schneider, S., Scheller, H. und B. Holbach-Grömig 2018.
27
  Vgl. Steinbrecher, J., Salg, J. und K. Starzetz 2018. Immer mehr Kommu-
nen sehen sich deshalb gezwungen, über gezieltes „Fördermittel-
Engineering“ bzw. eine systematische Kosten-Nutzen-Abwägung nur ausge-
wählte Maßnahmen mit dem höchsten finanziellen bzw. investitionspolitischen
Output zu beantragen.

                                                                                                                                Seite 9
3. Wahrgenommener Investitionsrückstand: demografische
Mehrbedarfe und fehlende Kapazitäten als Treiber

     Die jüngsten demografischen und politischen Ent-                             in Kommunen dieser Einwohnergrößenklasse zu ver-
     wicklungen spiegeln sich in einem spürbaren Anstieg                          zeichnen und dürfte dabei im Wesentlichen auf die
     des wahrgenommenen Investitionsrückstands der                                oben skizzierten demografischen Effekte zurückzufüh-
     Kommunen wieder.                                                             ren sein – zumal 38 % aller vom Umfragesample erfas-
                                                                                  sten Einwohner in diesem Städtetyp leben. Aber auch
     Der größte Teil des Anstiegs lässt sich im Schulbe-                          die Landkreise tragen mit 21 % in besonderer Weise
     reich und in den Städten mit über 50.000 Einwoh-                             zum Anstieg des Investitionsgesamtrückstands bei,
     nern verorten.                                                               was nicht zuletzt darin begründet sein dürfte, dass sie
                                                                                  für kostenträchtige Infrastrukturen von überörtlicher
     Vertiefende Interviews mit ausgewählten Kommunen                             Bedeutung zuständig sind. Auch regional lässt sich der
     verdeutlichen, dass in erster Linie unzureichende                            Anstieg des Investitionsrückstands gut verorten. Mit ei-
     Ressourcen bzw. Kapazitäten für den gestiegenen                              nem Anteil von 26,2 % lässt sich rund ein Viertel den
     Rückstand verantwortlich gemacht werden.                                     Kommunen in NRW zuschreiben.

     Für die Zukunft rechnet die Mehrheit der Kämmerer                            Tabelle 1: Beiträge ausgewählter Gruppen am
     mit einem Abbau des Investitionsrückstands. Dies                             Anstieg des Investitionsrückstands
     gilt insbesondere für die Bereiche mit den stärksten                         Einwohnergrößenklassen:
     Anstiegen im Jahr 2017.                                                                                                       Beitrag zum Anstieg
                                                                                  Städte / Gemeinden …
                                                                                  … 2.000 bis unter 5.000                                                 6%
3.1 Kommunale Investitionsrückstände 2017                                         … 5.000 bis unter 20.000                                              17 %
Erwartungsgemäß finden die Veränderungen der oben                                 … 20.000 bis unter 50.000                                              4%
skizzierten Rahmenbedingungen einschließlich der                                  … 50.000 und mehr                                                     51 %
damit verbundenen Unsicherheiten ihren Niederschlag                               Landkreise                                                            22 %
auch im diesjährigen KfW-Kommunalpanel. Der von                                   Regionen:                                        Beitrag zum Anstieg
den Kommunen wahrgenommene Investitionsrück-                                      Osten                                                          16 %
stand ist auf knapp 159 Mrd. EUR gestiegen. Damit                                 Norden                                                                16 %
bewegt er sich aber nach wie vor in dem auch von an-                              NRW                                                                   26 %
                                               28
deren Studien dieser Art ermittelten Korridor.                                    Süden                                                                 25 %
                                                                                  Süd-West                                                              17 %
Großstädte als Treiber des Investitionsrückstands                                 Bereiche:                                        Beitrag zum Anstieg
Bemerkenswert bei diesem Anstieg des Investitions-                                Schulen (inkl. Erwachsenenbild.)                               38 %
rückstands ist der Umstand, dass sich dieser über alle                            Öffentliche Verwaltungsgebäude                                        16 %
abgefragten Infrastrukturbereiche verteilt und sich die                           Straßen und Verkehrsinfrastr.                                         13 %
Relationen zwischen den Teilrückständen nahezu mit                                Kinderbetreuung                                                        9%
den Verhältnissen der Vorjahre decken. Eine auffällige
                                                                                  alle anderen                                                          25 %
Ausnahme bildet der Schulbereich.
                                                                                  Quelle: KfW-Kommunalpanel 2018, durchgeführt vom Difu von Au-
                                                                                  gust bis Oktober 2017
Ein Großteil des Anstiegs lässt sich dabei den Groß-
städten ab 50.000 Einwohnern zurechnen. Denn über                                 Etwas überraschend ist jedoch, dass rund ein Viertel
50 % des gewachsenen Infrastrukturnachholbedarfs ist                              des errechneten Anstiegs auch auf entsprechende An-
                                                                                  gaben der süddeutschen Kommunen aus Baden-
                                                                                                                                   29
28
   Stellvertretend: Expertenkommission „Stärkung von Investitionen in             Württemberg und Bayern zurückzuführen sind. Hier
Deutschland“ („Fratzscher-Kommission“) 2015. Dabei ist zu berücksichtigen,        zeigt sich vermutlich ein „Tipping Point“ unter umge-
dass diese älteren Studien weder die akuten Kapazitäts- und Preiseffekte der
letzten Monate, noch die Integrationskosten im Zuge der Flüchtlingskrise ein-
                                                                                  kehrten Vorzeichen: Schon in den vergangenen Jahren
gepreist haben. Der Anstieg fügt sich in eine generelle Entwicklung ein, die in   waren es die Kommunen dieser Region, die am stärk-
der Trendbetrachtung seit 2010 feststellbar ist und sicherlich auch einer ge-
                                                                                  sten investierten.
wachsenen politischen und medialen Sensibilität für das Thema geschuldet
ist. Selbst wenn diese Trendbetrachtung die Vermutung eines – zumindest in
Teilen – strategisch motivierten Antwortverhaltens nahelegen könnten, so er-
                                                                                  29
geben die Auswertungen zum Antwortverhalten selber keine auffälligen Ver-           Dies deckt sich mit den Ergebnissen anderer Studien, siehe z. B. Nitsche,
zerrungen, sondern erscheinen in Höhe und Verteilung plausibel.                   S. 2018.

                                                                                                                                                      Seite 11
KfW-Kommunalpanel 2018

Grafik 4: Wahrgenommener Investitionsrückstand der Kommunen 2017

                                                    Brand- und
                                                Katastrophenschutz        Sonstiges
                   Informationsinfrastruktur            7%                  2%                      Straßen und Verkehrs-
                             4%                     10,3 Mrd. EUR       3,3 Mrd. EUR                     infrastruktur
                                                                                                             24 %
                       5,3 Mrd. EUR
                                                                                                       38,6 Mrd. EUR
       Wohnungswirt-
          schaft                                                                                                            ÖPNV
           2%                                                                                                               0,3 %
       3,1 Mrd. EUR                                                                                                    0,4 Mrd. EUR

 Gesundheitsinfrastruktur
         1%
        1,9 Mrd. EUR                                                                                            Öff. Verwaltungsgebäude
                                                                                                                          11 %
                                                                 Insgesamt                                           17,8 Mrd. EUR
       Sportstätten, Bäder                                     158,8 Mrd. EUR
              5%
         8,3 Mrd. EUR                                                                                              Energieerzeugung
                                                                                                                    und -versorgung
                  Kultur                                                                                                  0%
                   3%
                                                                                                                    0,03 Mrd. EUR
             4,7 Mrd. EUR

           Kinderbetreuung                                                                                            Abfallwirtschaft
                 5%                                                                                                        0,2 %
           7,6 Mrd. EUR                                                                       Wasserver- und           0,3 Mrd. EUR
                              Schulen, Erwachsenen-                                            -entsorgung
                                     bildung                                                       6%
                                       30 %                                                   9,5 Mrd. EUR
                                    47,7 Mrd. EUR

Quelle: KfW-Kommunalpanel 2018, durchgeführt vom Difu von August bis Oktober 2017

Inzwischen scheinen hier die Kapazitätsengpässe so-                        Teilrückstand für den Bereich „Schulen und Erwachse-
wohl in den Verwaltungen als auch in der Bauwirtschaft                     nenbildung“ nur 18 %. Der Anteil an Kommunen, der in
dazu zu führen, dass die zusätzlich erforderlichen In-                     diesem Bereich einen „gravierenden“ oder „nennens-
vestitionen nur noch bedingt getätigt werden können.                       werten“ Rückstand ausmachte, stieg sogar von 43 %
                                                       30
Auch fallen hier die Preiseffekte besonders stark aus.                     im Jahr 2012 auf 58 % im laufenden Jahr.
In der Folge steigen die wahrgenommenen Investiti-
onsrückstände, denen jedoch nach wie vor vergleichs-                       Der Anstieg des Investitionsrückstands im Schulbe-
weise hohe Investitionsausgaben gegenüberstehen.                           reich ist dabei flächendeckend für alle Einwohngrößen-
Zudem lässt sich auch feststellen, dass die eher fi-                       klassen festzustellen und begründet eine Steigerung
nanzstärkeren Kommunen im Gegensatz zu den fi-                             von 32,8 auf 47,7 Mrd. EUR. Erklärungsfaktoren hierfür
nanzschwächeren Kommunen deutlich höhere Pro-                              dürften unter anderen die wieder an Fahrt gewonnene
Kopf-Investitionsrückstände bei den freiwilligen Aufga-                    Diskussion um einen weiteren Ausbau des Ganztags-
benbereichen, wie beispielsweise „Kultur“ oder „Sport-                     schulangebots für Kinder im Grundschulalter sowie
stätten und Bäder“, angeben.                                               über die in vielen Bundesländern strittige Frage einer
                                                                           Kostenteilung zwischen den einzelnen Bundesländern
Investitionsrückstände im Schulbereich flächen-                            und ihren Kommunen hinsichtlich der verpflichtenden
deckend gestiegen                                                          Bereitstellung eines inklusiven Bildungsangebots in
Eine auffällige Abweichung vom allgemeinen Muster                          Schulen und Kitas sein. Hinzu kommen juristische Un-
                                                                                        31
bildet der Bereich „Schulen einschließlich Erwachse-                       sicherheiten und der politische Druck, da Bildungs-
                                                                                                                                32
nenbildung“, der bereits in den Vorjahren den zweit-                       themen eine besondere öffentliche Relevanz haben.
höchsten Teilrückstand des Investitionsrückstands
ausmachte und in diesem Jahr maßgeblich zu seinem                          31
                                                                             So unterlagen beispielsweise die nordrhein-westfälischen Kommunen im
abermaligen Anstieg beitrug (vgl. Tabelle 1). Auch in                      Januar 2017 vor dem Verfassungsgerichtshof in einem Beschwerdeverfahren
der Längsschnittbetrachtung setzt sich damit ein konti-                    gegen das betreffende Schulrechtsänderungsgesetz, mit dem sie eine höhere
                                                                           Landesbeteiligung an den Inklusionskosten erstreiten wollten. Siehe Verfas-
nuierlicher Trend fort. Denn im Jahr 2012 betrug der                       sungsgerichtshof NRW: Az. VerfGH 8/15 vom 10. Januar 2017.

30                                                                         32
     Siehe hierzu z. B. LBS 2018.                                            Diesem Umstand wurde wohl nicht zuletzt auch im Rahmen der Reformver-
                                                                           handlungen zum Bund-Länder-Finanzausgleich im Frühjahr und Sommer

Seite 12
Wahrgenommener Investitionsrückstand

 Grafik 5: Entwicklung der Investitionsrückstände in ausgewählten Bereichen
 100 %

     90 %
                 26 29 25        26
            34              31                                                                                                                                33
     80 %                                                                         42                                                            41 43 41 39
                                                                   47 47 47 47
                                                         54   56                                                        54 52 53 53 52     55
     70 %                                     59 57 59                                 60                     60
                                      63 61                                                                        61
                                                                                            72 75        70
     60 %                                                                                           77

     50 %
                 58 55 59        57
                            53
     40 % 52
                                                                                  43                                                                          60
                                                                   44 42 43 41                                                                  54 52 54 54
     30 %                                                                                                                    39 39 39 38
                                                         37                                                             39
                                            33 36 33          36                                                                           43
     20 %                             31 32                                            36                     36   34
                                                                                            25           27
                                                                                                 22 21
     10 %
            14 15 16 16 16 17                                        11           15
                                          8 7 8 9             7 9         10 12                                              9
                                      6 7                                              4 4 3
                                                                                             2 3 4                 5 7 9 8 8               2 6 5 5
                                                                                                                                                   7 7
     0%
            2013

                                                              2015

                                                                                                                   2017
            2012

            2014
            2015
            2016
            2017

                                      2012
                                      2013
                                      2014
                                      2015
                                      2016
                                      2017

                                                              2012
                                                              2013
                                                              2014

                                                              2016
                                                              2017

                                                                                       2012
                                                                                       2013
                                                                                       2014
                                                                                       2015
                                                                                       2016
                                                                                       2017

                                                                                                                   2012
                                                                                                                   2013
                                                                                                                   2014
                                                                                                                   2015
                                                                                                                   2016

                                                                                                                                           2012
                                                                                                                                           2013
                                                                                                                                           2014
                                                                                                                                           2015
                                                                                                                                           2016
                                                                                                                                           2017
                 Straßen und              Öffentliche              Schulen (inkl.       Kinderbetreuung             Sportstätten und             Gesamt
                  Verkehrs-              Verwaltungs-              Erwachsenen-                                          Bäder
                 infrastruktur             gebäude                    bildung)

             gravierender Rückstand                nennenswerter Rückstand                  geringer / kein Rückstand

 Anmerkung: Angaben in dieser Grafik sind ungewichtet.

 Quelle: KfW-Kommunalpanel 2018, durchgeführt vom Difu von August bis Oktober 2017

Verkehrsinfrastruktur als Wahlkampfthema                                               Zusätzlich schätzten jeweils 10 bzw. 11 % der Kom-
Auch der Investitionsrückstand im Bereich „Straßen                                     munen den Rückstand als „gravierend“ ein. In beiden
und Verkehrsinfrastruktur“, der in den Vorjahren stets                                 Bundesländern lag der Bereich Straßen und Verkehrs-
den höchsten Teilrückstand ausmachte, ist im Jahr                                      infrastruktur damit deutlich vor den anderen abgefrag-
2017 gestiegen, er wird gegenwärtig auf 38,6 Mrd.                                      ten Bereichen. Demgegenüber maßen die Kommunen
EUR geschätzt (2016: 34,4 Mrd. EUR). Sein Anteil am                                    in der Mehrzahl der verbleibenden Bundesländer ande-
Anstieg des Gesamtrückstands fällt allerdings unter-                                   ren Infrastrukturbereichen eine höhere Priorität in der
durchschnittlich aus.                                                                  Wahrnehmung ihrer bestehenden Investitionsrückstän-
                                                                                       de bei.
Allerdings lässt sich feststellen, dass der Anteil derjeni-
gen Kommunen, die in diesem Infrastrukturbereich ei-                                   Dabei muss jedoch auch nach Einwohnergrößenklas-
nen „gravierenden Rückstand“ ausmachen, seit 2012                                      sen differenziert werden (vgl. dazu auch Tabellenan-
leicht, aber doch kontinuierlich angestiegen ist. Nicht                                hang): Während die Kleinstädte bis unter 5.000 sowie
umsonst avancierte das Thema Verkehrsbeeinträchti-                                     mit 5.000 bis unter 20.000 Einwohnern die im Durch-
gungen aufgrund maroder Straßen in den Landtags-                                       schnitt höchsten Pro-Kopf-Investitionsrückstände im
wahlkämpfen 2017 in Nordrhein-Westfalen und Nieder-                                    Bereich Straßen- und Verkehrsinfrastruktur angeben
sachsen zu einem zentralen Wahlkampfthema. So ga-                                      (684 bzw. 476 EUR), geben die Großstädte ab 50.000
ben 73 % der Kommunen in NRW und 60 % der Kom-                                         Einwohnern die im Durchschnitt höchsten Pro-Kopf-
munen in Niedersachsen an, dass in diesem Infrastruk-                                  Investitionsrückstände im Bereich Schulen und Er-
                                                       33
turbereich ein „nennenswerter Rückstand“ bestehe.                                      wachsenenbildung an (644 EUR), worin sich die oben
                                                                                       beschriebenen Wachstums- und Wanderungsphäno-
2017 mit der Schaffung eines neuen Art. 104c GG Rechnung getragen, wo-
nach der Bund „den Ländern Finanzhilfen für gesamtstaatlich bedeutsame In-             mene widerspiegeln dürften.
vestitionen der finanzschwachen Gemeinden (Gemeindeverbände) im Bereich
der kommunalen Bildungsinfrastruktur gewähren“ kann. Ausführlicher hierzu:
Scheller, H. 2017a.
33
  Die Zahlen dieser regionalspezifischen Sonderauswertung sind nicht reprä-
sentativ, sondern beruhen auf den ungewichteten Angaben der befragten
Kämmereien.

                                                                                                                                                                   Seite 13
KfW-Kommunalpanel 2018

Grafik 6: Ausprägung der Investitionsrückstände in ausgewählten Infrastrukturbereichen

       Straßen und
                                         37 %                   20 %                   31 %                12 %
   Verkehrsinfrastruktur

       Öffentliche
                                       30 %               24 %                    26 %                 20 %
   Verwaltungsgebäude

               Schulen            26 %                  24 %                   27 %                   23 %

       Kinderbetreuung          17 %             21 %              25 %                        36 %

 Sportstätten und Bäder                32 %               20 %                     32 %                  16 %

              Sonstiges           25 %                  25 %                      32 %                  17 %

                           0%             20 %           40 %              60 %               80 %              100 %

    Unterlassene Instandhaltung                                Intensiver Nachholbedarf

    Modernisierungs- und Ersatzbedarf                          Erweiterungs-, Um- , Neu- und Rückbau

Quelle: KfW-Kommunalpanel 2018, durchgeführt vom Difu von August bis Oktober 2017

Öffentliche Verwaltungsgebäude als investitions-                          3.2 Vertiefende Interviews zur Erklärung der
politische Sparbüchse?                                                    gestiegenen Investitionsrückstände
Zu den Infrastrukturbereichen, in denen der wahrge-                       Um die Angaben der Kämmereien besser nachvollzie-
nommene Investitionsrückstand 2017 markant an-                            hen und die Hochrechnungen fundieren zu können,
gestiegen ist, zählen die öffentlichen Verwaltungsge-                     wurden ergänzend mit ausgewählten Kommunen leit-
bäude. Gegenüber dem Vorjahr ist hier ein Anstieg um                      fadengestützte Telefoninterviews sowohl zu den Hin-
rd. 6,5 Mrd. EUR auf 17,8 Mrd. EUR zu verzeichnen.                        tergründen und Ursachen des Anstiegs als auch zu
Auch wenn durchaus signifikante Unterschiede zwi-                         möglichen Investitionshemmnissen geführt (vgl. auch
schen finanzschwächeren und finanzstärkeren Kom-                          Anhang 1). Die 16 dazu ausgewählten Kommunen, die
munen bestehen, so sind die Rückstände über alle                          in mindestens einem wichtigen Investitionsbereich ei-
Einwohnergrößenklassen insgesamt hoch. Dies legt                          nen deutlich höheren Rückstand als in den Vorjahren
nahe, dass auch dieser Bereich in der Vergangenheit                       angaben, verteilten sich auf neun Flächenländer und
offenbar genutzt wurde, um nicht unabdingbar notwen-                      deckten von kleinen Gemeinden bis hin zu Großstäd-
dige Investitionen aufzuschieben. Mit Blick auf die vie-                  ten und Landkreisen alle Einwohnergrößenklassen
                                                                              34
len in die Jahre gekommenen Verwaltungsgebäude,                           ab.
die in den 1960/1970er-Jahren errichtet wurden, wer-
den hier offenbar inzwischen akute Handlungszwänge                        In den Interviews wurde deutlich, dass das Zusam-
für die Kommunen sichtbar.                                                menspiel einer Vielzahl von Faktoren einen Anstieg
                                                                          des Investitionsrückstands beeinflusst und seinen Ab-
Dies bestätigt die Auswertung des diesjährigen Son-                       bau erschwert. Zwar macht sich der Anstieg des In-
derthemas der Befragung, wonach gerade bei Straßen                        vestitionsrückstands oft an konkreten Planungen und
                                                                                                                           35
und Verwaltungsgebäuden die unterlassene Instand-                         Baumaßnahmen in der jeweiligen Kommune fest.
haltung einen wesentlichen Teil des Investitionsrück-
                                                                          34
stands ausmacht, während es beispielswiese bei Schu-                        Im Methodenteil wird ausführlicher auf die Auswahl und Verteilung der im
                                                                          Rahmen der vertiefenden Interviews befragten Kommunen eingegangen.
len und Kitas stärker die Ausbaubedarfe sind (vgl. Gra-
                                                                          35
fik 6).                                                                      Probleme bei der Bezifferung von Investitionsrückständen in einzelnen Be-
                                                                          reichen ergeben sich für die Kommunen immer dann, wenn sie nicht selbst
                                                                          dafür verantwortlich sind, wie es beispielsweise bei Eigenbetrieben und Betei-
                                                                          ligungen im Bereich ÖPNV, Krankenhäuser oder Tiefbau der Fall ist. Hier ist
                                                                          es den Kämmerern nicht immer möglich, alle Zahlen für die Befragung beizu-
                                                                          bringen. Bestehen Unsicherheiten, geben sie üblicherweise keine Werte an.

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Wahrgenommener Investitionsrückstand

Von nahezu allen befragten Kommunen wurden aber                                zen angelangt, bleibt ihnen bei neuen Aufgaben – wie
personelle und / oder finanzielle Restriktionen als hem-                       sie ja auch im Bundestagswahlkampf 2017 diskutiert
mend genannt (vgl. Grafik 7), sodass der Personal-                             wurden – kaum eine andere Möglichkeit, als diese
mangel die Planung und Durchführung von Investitio-                            (oder andere, weniger dringliche Aufgaben) aufzu-
nen deutlich verzögert. Auch kommt es zu der parado-                           schieben. Steigende Investitionsrückstände sind dann
xen Situation, dass neben den hoch verschuldeten                               die Folge. Kapazitätsengpässe in der Bauwirtschaft
Kommunen, die aufgrund haushaltsrechtlicher Restrik-                           und steigende Preise tragen das ihrige zu einem wach-
tionen nur sehr eingeschränkt Investitionskredite auf-                         senden Investitionsrückstand bei. In Anbetracht der un-
nehmen dürfen, ein weiterer Teil der Landkreise, Städ-                         terschiedlichen regionalen Ausgangslagen erscheint
te und Gemeinden aufgrund spürbarer Baupreissteige-                            eine stärker regionale Differenzierung der spezifischen
rungen auf eine Kreditaufnahme zur Investitionsfinan-                          Ursachen deshalb für die Bewertung der Anstiege not-
zierung verzichtet, also nur die nötigsten Bauvorhaben                         wendig. Diesem Anspruch wird in Kapitel 5 Rechnung
durchführt und stattdessen aktuell eher Schulden ab-                           getragen.
baut.
                                                                               Die Ergebnisse der vertiefenden Interviews können
Grafik 7: In den Interviews genannte Gründe für                                auch auf die Angaben aller Befragten im KfW-Kom-
nicht umgesetzte Investitionen                                                 munalpanel 2018 übertragen werden. Im diesjährigen
                                                                               Sonderthema wurden u. a. die fördernden und hem-
                                                                               menden Einflussfaktoren für die Investitionstätigkeit
Personelle Ressourcen
                                                                               abgefragt. Auch hier befindet eine Mehrheit der Befrag-
                                                                               ten insbesondere die Kapazitäten der privaten Bau-
          Finanzielle
         Restriktionen
                                                                               und Planungswirtschaft als hinderlich (vgl. Grafik 8).

    Unsichere gesetz.
                                                                               Grafik 8: Einfluss von Bau- und Planungskapazitä-
       Regelung                                                                ten auf die kommunale Investitionstätigkeit

   Neuer Kentnisstand

                                                                               Kapazitäten privater Unternehmen
                                                                                                                          35 %        36 %       29 %
      Bedingungen für                                                                    (Bauplanung)
        Fördermittel

      Kapazitäten der
       Bauwirtschaft

    Preise für Bau und                                                               Planungskapazitäten in der
                                                                                                                           31 %         45 %   24 %
                                                                                          Bauverwaltung
        Rohstoffe

                         0           5               10               15
                             Nennungen der verschiedenen Aspekte

Anmerkung: Dargestellt wurden nur Aspekte, die von mindestens ei-
nem Drittel der Interviewten als Investitionshemmnis genannt wur-
                                                                               Kapazitäten privater Unternehmen
den.                                                                                   (Bausausführung)
                                                                                                                         44 %         29 %      27 %

Quelle: KfW-Kommunalpanel 2018, Nachbefragung durchgeführt
vom Difu im April und Mai 2018.
                                                                                                                   stark oder eher hemmender Einfluss
Es zeigt sich somit, dass vor allem Kapazitätsengpässe                                      Faktor hat einen ...   teils-teils / neutral
in Kombination mit gestiegenen Bedarfen (siehe Kapi-                                                               stark oder eher fördernder Einfluss

tel 1) zu steigenden Investitionsrückständen führen.                           Quelle: KfW-Kommunalpanel 2018, durchgeführt vom Difu von Au-
Sind die Kommunen bereits an ihren Kapazitätsgren-                             gust bis Oktober 2017.

Darüber hinaus ist es bisweilen schwierig, noch nicht konkret geplante Maß-    3.3 Erwartungen zur Entwicklung der Investitions-
nahmen genau zu beziffern. Dies betrifft beispielsweise den Bereich Ausbau     rückstände
digitaler Infrastrukturen, der gleich mehrfach genannt wurde: Hier herrscht
sowohl aus fachlicher Sicht – bezüglich entsprechender Technologien – als      Wie auch in den Vorjahren wurden die Kommunen im
auch in Anbetracht der nötigen Investitionsvolumina Unsicherheit. Insgesamt    Rahmen der Befragung nach ihrer Einschätzung zur
wird in den Interviews deutlich, dass die gemeldeten Zahlen stets nur eine
Momentaufnahme darstellen. Damit wird der Rückstand auf Basis der von          Entwicklung des zukünftigen Investitionsrückstands ge-
den Kämmereien gelieferten Zahlen im Zweifel eher unterschätzt, da sie nicht   fragt (vgl. Grafik 9). Während 37 % der befragten
immer alle nötigen Infrastrukturvorhaben en detail im Blick haben können.
                                                                               Kämmereien davon ausgehen, dass der Rückstand in
                                                                               etwa ähnlich bleiben wird, erwartet ein Anteil von 42 %

                                                                                                                                                         Seite 15
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