KFW-KOMMUNALPANEL 2018 - KFW RESEARCH
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Impressum Herausgeber KfW Bankengruppe Palmengartenstraße 5-9 60325 Frankfurt am Main Telefon 069 7431-0 Telefax 069 7431-2944 www.kfw.de Endredaktion KfW Bankengruppe Abteilung Volkswirtschaft Dr. Stephan Brand Dr. Johannes Steinbrecher E-Mail: research@kfw.de Inhaltliche Bearbeitung Deutsches Institut für Urbanistik Autoren: Elisabeth Krone Dr. Henrik Scheller unter Mitarbeit von Sabrina Schimmel Dr. Stefan Schneider ISSN 2191-4826 Copyright Titelbild Quelle: Getty Images / Fotograf Westend61 Frankfurt am Main, Juni 2018
Inhalt Zusammenfassung 1 1. Zum KfW-Kommunalpanel 2018 3 2. Ausgangslage: Wachsende Infrastrukturbedarfe infolge demografischer und politischer Entwicklungen 5 2.1 Bevölkerungsentwicklung in Deutschland 5 2.2 Politische Projekte und Planungsunsicherheiten 7 3. Wahrgenommener Investitionsrückstand: demografische Mehrbedarfe und fehlende Kapazitäten als Treiber 11 3.1 Kommunale Investitionsrückstände in 2017 11 3.2 Vertiefende Interviews zur Erklärung der gestiegenen Investitionsrückstände 14 3.3 Erwartungen zur Entwicklung der Investitionsrückstände 15 4. Finanzlage und Investitionen: positive Gesamtschau bei ausgeprägten regionalen Ungleichgewichten 17 4.1 Allgemeine Einnahmen- und Ausgabenentwicklung 17 4.2 Investitionsausgaben und Investitionsplanung 19 4.3 Finanzierungsinstrumente für Investitionen 21 5. Regionale Disparitäten beim Investitionsrückstand: leicht rückläufig, aber immer noch ausgeprägt 23 5.1 Regionale Ungleichheiten bei Investitionsrückständen und Investitionen 23 5.2 Deckung steigender Bedarfe durch adäquate Investitionsausgaben 25 6. Fazit und Ausblick 27 Literatur 29 Anhang 1: Schlaglichter aus den vertiefenden Interviews 33 Anhang 2: Methoden 34
Abbildungen Grafik 1: Steigende Bevölkerung und steigende Geburtenzahlen in den vergangenen Jahren 5 Grafik 2: Demografische Entwicklung erhöht Anzahl junger und ausländischer Einwohner 6 Grafik 3: Mehr Wanderung in Regionen mit positivem Wachstum in der Vergangenheit 6 Grafik 4: Wahrgenommener Investitionsrückstand der Kommunen 2017 12 Grafik 5: Entwicklung der Investitionsrückstände in ausgewählten Bereichen 13 Grafik 6: Ausprägung der Investitionsrückstände in ausgewählten Infrastrukturbereichen 14 Grafik 7: In den Interviews genannte Gründe für nicht umgesetzte Investitionen 15 Grafik 8: Einfluss von Bau- und Planungskapazitäten auf die kommunale Investitionstätigkeit 15 Grafik 9: Erwartungen zur Entwicklung der Investitionsrückstände in ausgewählten Bereichen 16 Grafik 10: Beurteilung der Gesamtfinanzsituation 17 Grafik 11: Investitionsausgaben 2017 und Planung 2018 in ausgewählten Infrastrukturbereichen 19 Grafik 12: Demografiebedingte Anpassungsbedarfe in ausgewählten Infrastrukturbereichen 20 Grafik 13: Kommunen mit Haushaltsausgleich 2017 nach Einwohnergrößenklasse 21 Grafik 14: Anteil der Finanzierungsinstrumente für kommunale Investitionen 2017 22 Grafik 15: Erwartungen zur Bedeutung der Investitionsfinanzierungsinstrumente 22 Grafik 16: Ungleichheit bei Rückstand und Investitionen stark ausgeprägt 24 Grafik 17: Trotz leichter Verbesserung hohe Ungleichheit beim Investitionsrückstand 24 Grafik 18: Investitionen steigen in der Tendenz mit dem Rückstand, aber nicht überall 25 Grafik 19: Je höher die Rückstände, desto geringer die Investitionen 25
Zusammenfassung Der erneute Anstieg der kommunalen Investitionsrück- Nicht überraschend steigt der wahrgenommene Investi- stände, den das KfW-Kommunalpanel 2018 aufzeigt, tionsrückstand der Kommunen deshalb trotz der guten verweist sowohl auf die Versäumnisse der Vergangen- wirtschaftlichen Rahmenbedingungen im Jahr 2017 auf heit als auch auf die aktuellen Herausforderungen der knapp 159 Mrd. EUR. Der Anstieg betrifft dabei insbe- Kommunen. sondere große Städte und Kommunen in Süddeutsch- land und Nordrhein-Westfalen. Die Analysen im KfW- Entgegen früherer Prognosen ist die Bevölkerung in Kommunalpanel 2018 zeigen, dass ein hoher Investiti- Deutschland gewachsen, weil mehr Menschen ein- onsrückstand in prosperierenden Regionen eher als ein wandern und die Geburtenzahlen steigen. Mehr Men- Symptom wirtschaftlicher Stärke aufgefasst werden schen in prosperierenden Regionen bedeuten für die kann, während es in finanz- und strukturschwachen Kommunen auch mehr Nachfrage nach Leistungen der Regionen weiterhin ein Zeichen mangelnder Investiti- Daseinsvorsorge. Dies gilt insbesondere für Schulen, onsfähigkeit ist. Ein hoher Investitionsrückstand ist dort die mit 30 % am Gesamtinvestitionsrückstand in die- problematisch, wo die Investitionsmöglichkeiten fehlen sem Jahr den größten Anteil ausmachen. Im Gegen- und sich regionale Disparitäten noch zu verschärfen satz dazu müssen in strukturschwachen Regionen je- drohen. Das KfW-Kommunalpanel 2018 zeigt: Mit doch oft nach wie vor Bevölkerungsverluste gemeistert wachsendem Investitionsrückstand wird das Verhältnis werden, was vielfach auf einen teuren Unterhalt oder von Investitionen zu Rückstand tendenziell immer pro- Rückbau bestehender Infrastruktur hinausläuft. blematischer. Zusätzlich erhöhen verschiedene politische Projekte Die gute Nachricht ist, dass den Kommunen in Summe und steigende Anforderungen an die Infrastruktur die gegenwärtig mehr Mittel zur Verfügung stehen. In der Investitionsrückstände. Dies gilt umso mehr, wenn in Folge rechnen die befragten Kämmerer mit moderat der Vergangenheit nicht ausreichend in Unterhalt und steigenden Investitionsausgaben. Dabei werden diese Instandsetzung investiert werden konnte und nun hohe Ausgaben aktuell vor allem über Eigenmittel (40 %) Folgekosten für die Modernisierung anfallen. Gerade und Fördermittel (26 %) finanziert. Den Fördermitteln bei Straßen werden 37 % des Investitionsrückstands wird auch in Zukunft eine steigende Bedeutung beige- von den befragten Kämmerern auf unterlassene In- messen, was ebenso für die Bedeutung des Kommu- standhaltung zurückgeführt. Bei den Schulen macht nalkredits gilt, wo die Rahmenbedingungen von den dies 26 % aus, dafür sind dort 23 % des Investitions- meisten Kommunen als auskömmlich bewertet werden. rückstands durch Ausbaunotwendigkeiten bedingt. Diese guten Finanzierungsbedingungen wirken sich auch auf die erwartete Entwicklung der Investitions- Diese zunehmenden investiven Bedarfe werden seit rückstände aus: Bei Schulen gehen beispielsweise einigen Jahren durch gute ökonomische Rahmenbe- immerhin 51 % von einem Rückgang aus. Einzig bei dingungen begleitet. Vielfach steigen die Einnahmen Straßen befürchtet ein größerer Teil von 37 % eine schneller als die Ausgaben, sodass Haushaltsüber- weitere Verschlechterung. schüsse erwirtschaftet und Investitionen angepackt werden können, die lange Zeit aufgeschoben wurden. Das diesjährige Sonderthema „Investitionsrückstand Allerdings gilt dies nicht für alle Kommunen, weil sich und Investitionsplanung“ unterstreicht, dass die Investi- die regionalen Disparitäten als ausgesprochen hart- tionstätigkeit der Kommunen vor allem von der Haus- näckig erweisen. haltslage bestimmt wird. Dabei werden von den befrag- ten Kämmereien verschiedene hemmende oder för- Zudem erschweren Preis- und Kapazitätseffekte den dernde Faktoren für die Investitionstätigkeit genannt. Abbau der Investitionsrückstände. So sind allein die Eine stärker regional differenzierte Betrachtung ist Preise im Straßenbau letztes Jahr im Durchschnitt um deshalb auch zur Formulierung passgenauerer Hand- über 5 % gestiegen. Obwohl die finanziellen Mittel – lungsempfehlungen für die Politik sinnvoll, die im Sinn auch aufgrund von Investitionsfördermaßnahmen des gleichwertiger Lebensverhältnisse an vielen Stell- Bundes und der Länder – höhere Investitionen erlau- schrauben gleichzeitig ansetzen müssen. ben würden, mangelt es in vielen Kommunen an quali- fiziertem Personal. Immer öfter finden sich auch keine Bauunternehmen, die entsprechende Planungen um- setzen. Seite 1
1. Zum KfW-Kommunalpanel 2018 Das KfW-Kommunalpanel hat einen festen Platz in der Um den Panelcharakter der Befragung zu bewahren, kommunalpolitischen Debatte. Seit Beginn der Befra- wurde auch in diesem Jahr ein Großteil der Vorjahres- gung 2009 dient es als Sachstandsanzeiger der wahr- fragen übernommen. Der Fragebogen wurde mit den genommenen Investitionsrückstände, der getätigten In- kommunalen Spitzenverbänden, Vertretern von Kom- vestitionen sowie der Finanzierungsbedingungen der munen und dem wissenschaftlichen Beirat des 1 Kommunen in Deutschland. Die vom Deutschen Insti- KfW-Kommunalpanels abgestimmt. Der Erhebung zur tut für Urbanistik (Difu) im Auftrag der KfW Banken- Investitionstätigkeit sowie den Finanzierungsbedingun- gruppe durchgeführte Studie basiert dabei auf einer gen der Landkreise, Städte und Gemeinden auf Basis jährlichen Befragung der Kämmereien von Landkrei- von Selbstwahrnehmungen der kommunalen Finanz- sen, Städten und Gemeinden. Die für alle Kommunen entscheider liegt eine Methodik zur Ermittlung kommu- ab 2.000 Einwohnern in der Bundesrepublik hochge- naler Investitionsbedarfe zu Grunde, die 2008 in einer rechneten Investitionsrückstände bewegten sich dabei Studie des Deutschen Instituts für Urbanistik entwickelt 3 in den vergangenen Jahren stets in einem Korridor wurde. Die Umfrageergebnisse werden in Bezug zu 2 zwischen 100 und 140 Mrd. EUR. öffentlich zugänglichen Datenbeständen – insbesonde- re aus der amtlichen Finanzstatistik – sowie den Er- Auch die politische und mediale Rezeption lässt erken- gebnissen früherer Befragungen gesetzt. nen, dass die Problematik kommunaler Investitions- rückstände für die öffentliche Daseinsvorsorge von ei- Ausgangspunkt des KfW-Kommunalpanels 2018 bildet ner breiten Öffentlichkeit wahrgenommen wird. Nicht eine Untersuchung der wesentlichen Bedarfstreiber für umsonst wurde im Bundestagswahlkampf 2017 von die kommunalen Investitionen. Aus den nicht realisier- nahezu allen im Bundestag vertretenen Parteien die baren Investitionsbedarfen erwachsen die Investitions- Bedeutung der Kommunen im föderalen Mehrebenen- rückstände, denen die finanziellen Handlungsmöglich- system prominent thematisiert. Nicht nur die entspre- keiten der Kommunen gegenübergestellt werden. Der chenden Wahlprogramme, sondern auch der Koaliti- Betrachtung der Finanzlage sowie der Investitionsfi- onsvertrag für die amtierende Bundesregierung enthält nanzierung der Kommunen folgt eine tiefer gehende einen eigenen Maßnahmenkatalog zur Stärkung der Analyse der regionalen Unterschiede. Hierbei werden Kommunen und ihrer Finanzausstattung. Mit der Ein- die ermittelten Investitionsrückstände ins Verhältnis zu setzung einer Kommission „Gleichwertigkeit der Le- den tatsächlich getätigten Investitionen der Kommunen bensverhältnisse“ soll diesem Themenkomplex in be- gesetzt, um zu veranschaulichen, welche Möglichkei- sonderer Weise Rechnung getragen werden. ten die Kommunen jeweils haben, die investitionspoliti- schen Versäumnisse der Vergangenheit wieder aufzu- Vor diesem Hintergrund gilt es, auch die Analysen im holen. Rahmen des KfW-Kommunalpanels neu auszurichten. Denn die Frage, ob und in welcher Höhe es Investiti- Dabei können auch Erkenntnisse aus dem diesjährigen onsrückstände auf kommunaler Ebene gibt, scheint Schwerpunktthema „Investitionsrückstand und Investi- kaum strittig bzw. nicht zielführend. Im Sinn einer Ent- tionsplanung“ herangezogen werden: Im Fokus steht wicklung konstruktiver Lösungsansätze braucht es das bessere Verständnis, um welche Arten von Rück- vielmehr vertiefter Analysen zu den Ursachen, Wech- ständen es sich handelt sowie mit welchen Zielen und selwirkungen und regionalen Ausprägungen kommuna- Strategien die Kommunen versuchen, diesen beizu- ler Investitionsrückstände. Das KfW-Kommunalpanel kommen. Dabei werden auch hemmende und fördern- 2018 möchte hierzu einen Beitrag leisten: Stärker als de Faktoren der kommunalen Investitionstätigkeit iden- bisher sind die Auswertungen darum auf die Ursachen tifiziert. Diese Ergebnisse finden sich nicht nur an ver- und regionalen Disparitäten ausgerichtet. schiedenen Stellen im vorliegenden KfW-Kommunal- panel 2018, sondern werden auch in weiteren Publika- 4 tionen aufbereitet. 1 Kommunen sind Gemeinden (kreisfreie Städte sowie kreisangehörige Städte und Gemeinden) und Landkreise. Im Folgenden werden die Begriffe „Städte“ für kreisfreie Städte und „Gemeinden“ für kreisangehörige Städte und Ge- meinden zur Abgrenzung des jeweiligen Bezugsobjekts verwendet. 2 3 Ähnliche Erhebungen dieser Art kamen in den letzten Jahren zu vergleich- Vgl. Reidenbach, M. 2008. Die Methodik wurde fortlaufend weiterentwickelt. baren Näherungswerten bzw. nahmen direkten Bezug auf das KfW -Kom- 4 munalpanel, siehe bspw. BMWi 2015. Alle Publikationen sind unter www.kfw.de/research-kommunen zu finden. Seite 3
2. Ausgangslage: Wachsende Infrastrukturbedarfe infolge demografischer und politischer Entwicklungen Das Bevölkerungswachstum der letzten Jahre ist 2.1 Bevölkerungsentwicklung in Deutschland Ausdruck wirtschaftlicher Stärke und hoher Lebens- Lange Zeit wurde für Deutschland ein Bevölkerungs- 6 qualität in Deutschland. rückgang erwartet. Tatsächlich ging die Bevölkerung in Deutschland zwischen 2002 und 2010 zurück. Seit Steigende Geburtenzahlen und die Zuwanderung einigen Jahren hat sich dieser Trend allerdings umge- aus Europa und dem nicht-europäischen Ausland kehrt (vgl. Grafik 1). Die Bevölkerung steigt seit dem führen zu steigenden Infrastrukturbedarfen – insbe- Jahr 2011 kontinuierlich an, gleiches gilt für die Gebur- sondere bei den Bildungseinrichtungen. tenrate. Diese Entwicklung ist auch Ausdruck der wirt- schaftlichen Stärke und der hohen Lebensqualität in Auch politische Maßnahmen zur Verbesserung be- Deutschland. Gerade während der Krise im Euroraum stehender öffentlicher Leistungen und Angebote er- seit 2010 bot der robuste deutsche Arbeitsmarkt aus- höhen die Investitionsbedarfe der Kommunen. reichend Nachfrage und Bedarf für junge Fachkräfte, insbesondere aus den krisengeplagten Ländern Süd- Darüber hinaus erschweren Kapazitätsengpässe europas. Seit dem Jahr 2010 sind in der Folge über und die dynamische Bau- und Baulandpreisentwick- 3,5 Mio. Menschen mehr aus dem Ausland nach lung zusätzliche Investitionen. Deutschland zu- als weggezogen. Grafik 1: Steigende Bevölkerung und steigende Deutschland wächst. Dies gilt nicht nur für die Wirt- Geburtenzahlen in den vergangenen Jahren schaft und die Steuereinnahmen, sondern auch für die 105 105 Bevölkerung. Für die Kommunen ist dies Chance und Herausforderung zugleich. Die spürbare Zunahme an Kindern und Jugendlichen sowie von Menschen mit Geburten (2000=100) 103 97 Migrationshintergrund wird in vielen Kommunen – nach Bevölkerung (2000=100) einem ohnehin schon hohen Auslastungsgrad in den 101 89 vergangenen Jahren – einen Aus- bzw. Aufbau beste- hender Infrastrukturen erforderlich machen, vor allem 5 im Bildungsbereich sowie im sozialen Wohnungsbau. 99 81 Auch politisch diskutierte Großprojekte, wie der flä- chendeckende Ausbau von Ganztagsschulen, die Digi- 97 73 talisierung oder die Verkehrswende im Zusammenhang mit dem „Diesel-Skandal“, begründen neue quantitative und qualitative Ausbaubedarfe der kommunalen Infra- 95 65 2000 2004 2008 2012 2016 strukturen. Bevölkerung Geburten Gleichzeitig bieten das robuste wirtschaftliche Umfeld, Anmerkung: Der Sondereffekt durch den Zensus 2011, der zu einer steigende Steuereinnahmen sowie das niedrige Zins- deutlich niedrigeren Bevölkerungszahl im Jahr 2011 führte, wurde im niveau bei gleichzeitig sinkender Verschuldung in der Kettenindex der Bevölkerungsentwicklung bereinigt. Mehrheit der Kommunen auch Spielräume für Investi- Quelle: KfW-Kommunalpanel 2018, nach Angaben vom Statistischen tionen. Mit Blick auf die regionalen Disparitäten stellt Bundesamt 2018b, 2018c. sich vor allem die Frage, in welchen Regionen zusätzli- che Infrastrukturbedarfe besonders stark wachsen. Und ob in diesen Regionen in der Folge auch eine an- gemessene Investitionstätigkeit beobachtet werden kann. Einen Schwerpunkt des KfW-Kommunalpanels 2018 bildet deshalb die Betrachtung regionaler Dispari- 6 So haben die früheren Bevölkerungsprognosen des Statistischen Bundes- täten bei der Entwicklung von Investitionsrückständen amtes beispielsweise 2006 noch einen Rückgang der Bevölkerung bis 2050 und Investitionen. um 10 bis fast 17 % prognostiziert (vgl. Statistisches Bundesamt 2006). Die aktualisierte Prognose auf Basis der 13. koordinierten Bevölkerungsvorausbe- rechnung rechnet hingegen bis zum Jahr 2050 nur noch mit einem Rückgang 5 Vgl. bspw. McKinsey&Company 2018, S. 6. um 4 bis 7,5 % im Vergleich zu 2006 (vgl. Statistisches Bundesamt 2017b). Seite 5
KfW-Kommunalpanel 2018 8 Veränderte Bevölkerungsstruktur bringt neue ses – entwickelt hat (vgl. Grafik 3). Dazu zählen nicht Infrastrukturbedarfe mit sich nur die Großstädte und Metropolregionen um Mün- Diese Entwicklung hat neben den direkten Mengen- chen, Frankfurt oder Berlin. Auch viele mittlere Städte, effekten, beispielsweise durch zusätzliche Nachfrage wie Potsdam, Münster oder Jena, und selbst Oberzen- nach Wohnraum, Mobilitäts- oder Kulturangeboten, tren im ländlichen Raum, wie Eberswalde oder Schwä- auch unmittelbare Auswirkung auf Struktur und Zu- bisch Hall, haben inzwischen zunehmend „Wachstums- sammensetzung der Bevölkerung (vgl. Grafik 2). schmerzen“, weil sie als so genannte „Schwarmstädte“ vor allem auf jüngere Alterskohorten eine besondere 9 Steigende Geburtenraten führen zu einem höheren An- Anziehungskraft ausüben. teil junger Einwohner, für die entsprechende Bildungs- angebote bereitgestellt werden müssen. Zuwanderung Grafik 3: Mehr Wanderung in Regionen mit aus dem Ausland führt wiederum zu einem höheren positivem Wachstum in der Vergangenheit Anteil an Einwohnern, für die ggf. Integrationsangebote 15 % bereitzustellen sind. Bevölkerungsentwicklung 2000–2010 10 % Grafik 2: Demografische Entwicklung erhöht Anzahl junger und ausländischer Einwohner 5% 1.400 110 0% Junge Bevölkerung (2000=100) 1.200 105 -5 % Wanderungssaldo in Tausend 100 1.000 -10 % 95 800 -15 % 90 600 85 -20 % 400 80 -25 % -5 % 0% 5% 10 % 15 % 200 75 Wanderungssaldo 2011–2015 0 70 2000 2004 2008 2012 2016 Anmerkung: Dargestellt ist die Veränderung der Bevölkerung auf Kreisebene im Zeitraum zwischen 2000 und 2010 im Verhältnis zum Wanderungssaldo Bevölkerung bis 6 Jahre jeweiligen Wanderungssaldo der Jahre 2011 bis 2015 (in Prozent der Bevölkerung von 2010). Es zeigt sich ein klarer positiver Zusammen- Bevölkerung bis 25 Jahre hang: Regionen mit einer besseren demografischen Entwicklung Quelle: KfW-Kommunalpanel 2018, nach Angaben vom Statistischen zwischen 2000 und 2010 verzeichneten auch mehr Zuwanderung Bundesamt 2017a, Statistisches Bundesamt 2018c. zwischen 2011 und 2015. Quelle: KfW-Kommunalpanel 2018, nach Angaben vom Statistischen Führt man sich vor Augen, dass im Vergleich zu 2011 Bundesamt 2018a, Statistisches Bundesamt 2018c. im Jahr 2016 rd. 450.000 Kinder im Alter von bis zu 6 Jahren mehr in Deutschland lebten und allein die An- Demografische Mehrbedarfe zwischen „Wach- zahl der ausgestellten Teilnahmeberechtigungen für In- stumsschmerzen“ und „Schrumpfungskosten“ tegrationskurse sich zwischen 2011 und 2016 auf fast Für die Kommunen ist diese Bevölkerungsentwicklung 550.000 nahezu verfünffacht hat, wird deutlich, dass zweischneidig: Auf der einen Seite gibt es Regionen, das Bevölkerungswachstum auch mit großen infra- die in der Vergangenheit eher geschrumpft sind und 7 die Bevölkerungsrückgänge der letzten 25 Jahre häufig strukturellen Herausforderungen einhergeht. nicht durch verstärkte Zuzüge in jüngerer Zeit kompen- Bevölkerungsentwicklung regional sehr unter- sieren konnten. Zum Teil setzt sich der Einwohner- schiedlich ausgeprägt schwund sogar fort. Der demografische Druck auf die- Allerdings wirken sich die jüngsten Wanderungs- und sen Teil der Kommunen bleibt also bestehen – ein Wachstumsbewegungen nicht auf alle Regionen kostspieliger Rück- und Umbau öffentlicher Infrastruk- gleichermaßen aus. Tendenziell wachsen vor allem die turen und / oder Remanenzkosten für den Unterhalt in- Regionen weiter, deren Bevölkerung sich auch bereits in der Vergangenheit positiv – im Sinn eines Zuwach- 8 Dieser Befund wird auch durch eine langfristige Betrachtung auf Gemeinde- ebene gestützt (vgl. Brand, S. und J. Steinbrecher 2017a). Dieser Zusam- menhang scheint also auch jenseits der aktuellen Wanderungsbewegungen Gültigkeit zu besitzen. 7 9 Vgl. BAMF 2017. Siehe dazu bspw. Vgl. GdW 2015. Seite 6
Ausgangslage zwischen überdimensionierter Infrastrukturen sind oft Betracht ziehen: ungedeckte quantitative Mehrbedarfe, 10 die Folge. ungedeckte Mehrbedarfe aufgrund steigender Quali- tätsstandards sowie Kapazitäts- bzw. exogene Effekte. Auf der anderen Seite steht inzwischen eine Vielzahl In den folgenden Kästen werden einige aktuelle Bei- an Kommunen, die bereits in den vergangenen Jahren spiele für jeden dieser drei Erklärungsansätze skizziert. auf ein spürbares Bevölkerungswachstum reagieren mussten, das sich in den letzten fünf Jahren noch ein- mal deutlich verschärft hat. Zwar handelt es sich bei Quantitative Mehrbedarfe der Kommunen auf- grund der demografischen Entwicklung diesen Regionen oft um wirtschaftsstarke Regionen. (Auswahl) Allerdings wachsen die infrastrukturellen Anpassungs- und Erweiterungsbedarfe in dieser Gruppe der Kom- Beispiel 1: Steigende Schüler- und Kinderzahlen Mit steigenden Geburtenraten und einem allgemei- munen derzeit offenkundig so massiv, dass sie nur nen Einwohnerzuwachs steigt naturgemäß auch der schwer mit den Verpflichtungen zur nachhaltigen Haushaltsführung in Einklang zu bringen sind. Viele Anteil von Kindern und Jugendlichen im betreuungs- fähigen bzw. schulpflichtigen Alter. Ein Plus von Kommunen haben versucht, diese steigenden Bedarfe 450.000 Kindern im Alter von bis zu 6 Jahren ent- – gerade in den Bereichen Verkehr, Schulen und Kin- derbetreuung – in den vergangenen Jahren ganz we- spricht – gemäß einer Hochrechnung der im Bil- dungsfinanzbericht 2017 angesetzten durchschnittli- sentlich über eine stärkere Auslastung bestehender In- chen Pro-Kopf-Ausgaben für Kinder im Elementarbe- frastrukturen aufzufangen. Diese Strategie hat zur Fol- ge, dass eine Voll- bzw. sogar Überauslastung von In- reich von 9.300 EUR – einem gesamten Mehrbedarf in Höhe von rund 4,18 Mrd. EUR.12 Andere Berech- frastrukturen ihren vorzeitigen Verschleiß, höhere Be- nungen gehen sogar von einer Bereitstellungspau- lastungen für die Umwelt und zusätzliche Kosten für die Nutzer zur Folge haben kann. 11 schale in Höhe von bis zu 25.000 EUR pro Kitaplatz 13 aus. Bevölkerungswachstum als „Tipping Point“ Die jüngsten Bevölkerungs- und Zuwanderungsent- Beispiel 2: Wohnungsbau Die Bundesregierung rechnet im Bereich Woh- wicklungen scheinen hier mithin nur der letzte Tropfen nungsbau allein für den städtischen Raum mit einem gewesen zu sein, der das Fass zum Überlaufen brach- te („Tipping Point“). Einmal an Kapazitätsgrenzen ge- Bedarf an 350.000 bis 400.000 Wohnungen pro Jahr 14 bis 2020. Fertiggestellt werden gegenwärtig aber stoßen, lassen sich zusätzliche Bedarfe kaum mehr nur zwischen 90.000 und 140.000 zusätzlichen zeitnah abbauen. Gestiegene Investitionsrückstände sind dann die Folge. Wohnungen pro Jahr. Um die angestrebten Ausbau- ziele zu erreichen, wären insgesamt rund 27 Mrd. EUR an Mehrausgaben erforderlich – wenn auch 2.2 Politische Projekte und Planungsunsicherhei- 15 ten nicht allein von der öffentlichen Hand. Die im diesjährigen KfW-Kommunalpanel zu beobach- tende Veränderung der von den Kommunen wahrge- Diese Beispiele zielen vor allem auf einen quantitativen nommenen Investitionsrückstände fallen in eine Zeit, in Ausbau der bereitgestellten Infrastrukturen. Nicht zu der neu und kurzfristig wachsende Infrastrukturbedarfe vernachlässigen mit Blick auf die kommunalen Investi- durch Kommunen gedeckt werden müssen, die zu- tionsrückstände sind jedoch auch Auswirkungen, die nehmend unter Kapazitätsengpässen leiden. aus einer politisch angestrebten Anhebung der Quali- tätsstandards von Leistungen und Infrastrukturen der Erschwerend für die Kommunen kommt hinzu, dass öffentlichen Daseinsvorsorge resultieren – sei es z. B. neben den demografischen Treibern auch politisch in- eine Ausweitung der Ganztagsbetreuung auf zusätzli- duzierte Veränderungsprozesse Anpassungsbedarfe 12 Vgl. Statistisches Bundesamt 2017c, S. 76 – eigene Berechnungen. bei den kommunalen Infrastrukturen erfordern. In der Summe lassen sich somit mindestens drei wesentliche 13 Vgl. Schäfer, C. 2013. Erklärungsansätze für stark steigende Rückstände in 14 Vgl. z. B. Bundesregierung 2017. 10 15 Es zeigt sich, dass die demografische Entwicklung gerade in schrumpfen- Der städtische Wohnungsbau, der inzwischen vielfach von ausgelagerten den Kommunen durch Kostenremanenzen und Rückbauerfordernisse erhebli- Wohnungsbaugesellschaften ausgeführt wird, ist hier – neben privaten Akteu- che Auswirkungen auf die öffentlichen Haushalte haben kann, während das ren – zwar nur ein Träger. Allerdings trägt er aufgrund seines Daseinsvorsor- Wachstum die Haushalte in der Tendenz nicht entlastet (vgl. Brand, S. und geauftrags vor allem im mietgünstigen sozialen Wohnungsbau eine besonde- J.Steinbrecher 2017b). re Verantwortung. Dem tragen die Kommunen durch entsprechende Mittel- und Subventionszuweisungen Rechnung, die sich durch spätere Steuermehr- 11 Vgl. Reidenbach, M. u. a. 2008, S. 80–84. einnahmen zum Teil refinanzieren. Seite 7
KfW-Kommunalpanel 2018 che Alterskohorten oder eine bessere Ausstattung von Darüber hinaus werden kommunale Investitionsrück- 16 Schulen mit digitaler Infrastruktur. stände auch durch exogene Einflussfaktoren getrieben, die sich einer aktiven und unmittelbaren Gestaltung der Städte und Gemeinden entziehen, aber erhebliche mo- Qualitative Mehrbedarfe der Kommunen auf- netäre Folgen entfalten können. grund politischer Entscheidungen (Auswahl) Beispiel 1: Ganztagsbetreuung in Schulen Der Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung Mehrbedarfe der Kommunen aufgrund exogener sieht die Schaffung eines Rechtsanspruchs auf Rahmenbedingungen (Auswahl) Ganztagsbetreuung im Grundschulalter vor. Dafür Beispiel 1: Steigende Baupreise werden nochmals 2 Mrd. EUR zur Verfügung ge- Die hohe Auslastung des privaten Baugewerbes stellt. Um bis 2025 allein für 80 %der Schüler einen führt zunehmend dazu, dass die Kommunen oft Ganztagsschulplatz anbieten zu können, müssten kaum noch geeignete Bau- und Handwerksfirmen 20 jedoch rund 3,3 Mio. Plätze mit einem baulichen In- finden. Werden Angebote eingereicht, sind diese vestitionsvolumen von 15 Mrd. EUR geschaffen oft deutlich teurer als in der Vergangenheit. So muss 17 werden. deshalb beispielsweise in Nordrhein-Westfalen in- zwischen jede dritte Ausschreibung aufgehoben und Beispiel 2: Luftreinhaltung und Verkehrswende neu ausgeschrieben werden. Eine Bauherrenbefra- Im Zuge des „Diesel-Skandals“ 2017/2018 hat der gung im Jahr 2017 ergab, dass die durchschnittlich Bund den Kommunen 1 Mrd. EUR für die kurzfristige angebotenen Baupreise im Hochbau über alle Ge- Umsetzung von Maßnahmen zur CO2-Reduktion werke rund 7 % höher lagen, als von den Auftragge- 21 sowie zur Qualitätsverbesserung der Luftreinheit zu- bern selbst budgetiert. Für Generalunternehmer- gesagt. Aber allein die Umrüstung der Busflotte einer leistungen sowie einzelne, technisch anspruchsvolle einzigen Großstadt mit 200.000 Einwohnern kostet Bauleistungen lagen die Preise 13 % über den Er- bis zu 30 Mio. EUR. Damit würde allein nur für die wartungen. Vereinzelt berichten Kommunen sogar 78 anderen Städte dieser Größenklasse insgesamt von Angebotspreisen, die deutlich über der Eigen- 22 ein Investitionsbedarf von 2,3 Mrd. EUR entstehen. kalkulation lagen. Auch die Preise im Straßenbau 23 Um wirtschaftliche Schäden aufgrund von Fahrver- sind im letzten Jahr um über 5 % gestiegen. Allein boten zu vermeiden, werden die Kommunen mithin durch derartige Preissteigerungen dürfte auch der deutlich mehr Haushaltsmittel für einen deutlich grö- wahrgenommene Investitionsrückstand steigen. So ßeren Strauß an Maßnahmen aufwenden müssen. hätte beispielsweise der vor zwei Jahren im Allein die im Zusammenhang mit den Fahrverboten KfW-Kommunalpanel insgesamt ermittelte Investiti- diskutierte Gebührenbefreiung im ÖPNV hätte die onsrückstand von 136 Mrd. EUR bei einer durch- Kommunen mit bis zu 13 Mrd. EUR pro Jahr bela- schnittlich angenommenen Preissteigerung um 10 % 18 24 stet. Daneben hat sich die neue Bundesregierung heute einen „Gegenwert“ von fast 150 Mrd. EUR. zur Verkehrswende bekannt, indem sie z. B. mehr Finanzressourcen für Radwege zur Verfügung stel- 19 len will. Eine Anschubfinanzierung zur Neujustie- rung des „modal split“ dürfte auch Folgekosten für die Kommunen nach sich ziehen. 16 Insbesondere im Vorfeld der verschiedenen Landtagswahlen sowie der Bundestagswahl 2017 wurde eine Reihe solcher finanzwirksamen Projekte von den Parteien diskutiert. Da das Thema „Einsetzung einer ‚Kommission zur Wiederherstellung der Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse“ unter na- hezu allen Parteien weit gehend unstrittig war, fand ein Teil dieser Vorschläge Eingang in den Koalitionsvertrag der amtierenden Bundesregierung. Sie dürf- 20 ten deshalb erhebliche Auswirkungen auf die kommunale Investitionspolitik Siehe bspw. BBSR 2018 oder Winkelkötter, S. 2018. der kommenden Jahre entfalten und sich schon heute in den Erwartungen der 21 Kämmerer niederschlagen. Vgl. Drees&Sommer 2018, ähnlich auch McKinsey&Company 2018, S. 5, etwas zurückhaltender: Hauptverband der Deutschen Bauindustrie 2018. 17 Vgl. Klemm, K. und D. Zorn 2017. 22 Vgl. Winkelkötter, S. 2018. 18 Vgl. Deutscher Städte und Gemeindebund 2018. 23 Vgl. Statistisches Bundesamt 2018f. 19 So soll das Programm für den Bau von Radschnellwegen praxisnäher aus- 24 gestaltet und weitere innovative Projekte, die den Radverkehr in Deutschland Darüber hinaus steigen auch die Baustoffpreise, vgl. hierzu bspw. Bundes- verbessern, gefördert werden. Vgl. Bundesregierung 2018, S. 120. anstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe 2018. Seite 8
Ausgangslage Beispiel 2: Begrenzte Planungskapazitäten zum Teil fremd veranlassten Mehrbedarfe haushalte- In den Hoch- und Tiefbauämtern der Kommunen risch eingeplant werden. Das haushalterische Vor- wurden in den vergangenen zwei Jahrzehnten Pla- sichtsprinzip mahnt zu einer behutsamen Haushalts- nungskapazitäten abgebaut bzw. in öffentliche Betei- führung – auch und gerade im investiven Bereich. 25 ligungsgesellschaften ausgelagert. Nicht selten Deshalb kann es passieren, dass bereits absehbare fehlen deshalb heute in vielen Kommunen qualifizier- infrastrukturelle Nachhol- und Ersatzbedarfe bis zur te Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die sowohl das verbindlichen Einstellung eines konkreten Haushaltsti- nötige Fördermittelmanagement als auch die konkre- tels für einzelne Investitionsvorhaben als Investitions- te Projektrealisierung einschließlich Planung, Baube- rückstände auflaufen. Diese Problematik verschärft 26 treuung und Controlling bewerkstelligen können. sich, wenn es in den Kommunen bei wachsenden Zudem ist der Personalmarkt in diesem technischen Mehrbedarfen gleichzeitig an den notwendigen admini- Bereich inzwischen so eng, dass der öffentliche strativen Kapazitäten für die Bauplanung und -rea- Dienst mit seiner Tarifstruktur häufig nur schwer mit lisierung sowie das entsprechende Finanzierungsma- 27 der Privatwirtschaft konkurrieren kann. nagement und Controlling mangelt. Die wahrgenom- menen Investitionsrückstände dürften dann in einem Zusammenspiel sowohl aus internen als auch exoge- Diese Zusammenschau möglicher Treiber kommunaler nen Treibern aufwachsen. Investitionsrückstände begründet erheblich Planungs- unsicherheiten für Landkreise, Städte und Gemeinden. Mit Blick auf die konkrete Haushaltsplanung stellt sich für die Kämmereien die Frage, wie und wann solche, 25 Vgl. Brand, S. und J. Steinbrecher 2016b. 26 Schneider, S., Scheller, H. und B. Holbach-Grömig 2018. 27 Vgl. Steinbrecher, J., Salg, J. und K. Starzetz 2018. Immer mehr Kommu- nen sehen sich deshalb gezwungen, über gezieltes „Fördermittel- Engineering“ bzw. eine systematische Kosten-Nutzen-Abwägung nur ausge- wählte Maßnahmen mit dem höchsten finanziellen bzw. investitionspolitischen Output zu beantragen. Seite 9
3. Wahrgenommener Investitionsrückstand: demografische Mehrbedarfe und fehlende Kapazitäten als Treiber Die jüngsten demografischen und politischen Ent- in Kommunen dieser Einwohnergrößenklasse zu ver- wicklungen spiegeln sich in einem spürbaren Anstieg zeichnen und dürfte dabei im Wesentlichen auf die des wahrgenommenen Investitionsrückstands der oben skizzierten demografischen Effekte zurückzufüh- Kommunen wieder. ren sein – zumal 38 % aller vom Umfragesample erfas- sten Einwohner in diesem Städtetyp leben. Aber auch Der größte Teil des Anstiegs lässt sich im Schulbe- die Landkreise tragen mit 21 % in besonderer Weise reich und in den Städten mit über 50.000 Einwoh- zum Anstieg des Investitionsgesamtrückstands bei, nern verorten. was nicht zuletzt darin begründet sein dürfte, dass sie für kostenträchtige Infrastrukturen von überörtlicher Vertiefende Interviews mit ausgewählten Kommunen Bedeutung zuständig sind. Auch regional lässt sich der verdeutlichen, dass in erster Linie unzureichende Anstieg des Investitionsrückstands gut verorten. Mit ei- Ressourcen bzw. Kapazitäten für den gestiegenen nem Anteil von 26,2 % lässt sich rund ein Viertel den Rückstand verantwortlich gemacht werden. Kommunen in NRW zuschreiben. Für die Zukunft rechnet die Mehrheit der Kämmerer Tabelle 1: Beiträge ausgewählter Gruppen am mit einem Abbau des Investitionsrückstands. Dies Anstieg des Investitionsrückstands gilt insbesondere für die Bereiche mit den stärksten Einwohnergrößenklassen: Anstiegen im Jahr 2017. Beitrag zum Anstieg Städte / Gemeinden … … 2.000 bis unter 5.000 6% 3.1 Kommunale Investitionsrückstände 2017 … 5.000 bis unter 20.000 17 % Erwartungsgemäß finden die Veränderungen der oben … 20.000 bis unter 50.000 4% skizzierten Rahmenbedingungen einschließlich der … 50.000 und mehr 51 % damit verbundenen Unsicherheiten ihren Niederschlag Landkreise 22 % auch im diesjährigen KfW-Kommunalpanel. Der von Regionen: Beitrag zum Anstieg den Kommunen wahrgenommene Investitionsrück- Osten 16 % stand ist auf knapp 159 Mrd. EUR gestiegen. Damit Norden 16 % bewegt er sich aber nach wie vor in dem auch von an- NRW 26 % 28 deren Studien dieser Art ermittelten Korridor. Süden 25 % Süd-West 17 % Großstädte als Treiber des Investitionsrückstands Bereiche: Beitrag zum Anstieg Bemerkenswert bei diesem Anstieg des Investitions- Schulen (inkl. Erwachsenenbild.) 38 % rückstands ist der Umstand, dass sich dieser über alle Öffentliche Verwaltungsgebäude 16 % abgefragten Infrastrukturbereiche verteilt und sich die Straßen und Verkehrsinfrastr. 13 % Relationen zwischen den Teilrückständen nahezu mit Kinderbetreuung 9% den Verhältnissen der Vorjahre decken. Eine auffällige alle anderen 25 % Ausnahme bildet der Schulbereich. Quelle: KfW-Kommunalpanel 2018, durchgeführt vom Difu von Au- gust bis Oktober 2017 Ein Großteil des Anstiegs lässt sich dabei den Groß- städten ab 50.000 Einwohnern zurechnen. Denn über Etwas überraschend ist jedoch, dass rund ein Viertel 50 % des gewachsenen Infrastrukturnachholbedarfs ist des errechneten Anstiegs auch auf entsprechende An- gaben der süddeutschen Kommunen aus Baden- 29 28 Stellvertretend: Expertenkommission „Stärkung von Investitionen in Württemberg und Bayern zurückzuführen sind. Hier Deutschland“ („Fratzscher-Kommission“) 2015. Dabei ist zu berücksichtigen, zeigt sich vermutlich ein „Tipping Point“ unter umge- dass diese älteren Studien weder die akuten Kapazitäts- und Preiseffekte der letzten Monate, noch die Integrationskosten im Zuge der Flüchtlingskrise ein- kehrten Vorzeichen: Schon in den vergangenen Jahren gepreist haben. Der Anstieg fügt sich in eine generelle Entwicklung ein, die in waren es die Kommunen dieser Region, die am stärk- der Trendbetrachtung seit 2010 feststellbar ist und sicherlich auch einer ge- sten investierten. wachsenen politischen und medialen Sensibilität für das Thema geschuldet ist. Selbst wenn diese Trendbetrachtung die Vermutung eines – zumindest in Teilen – strategisch motivierten Antwortverhaltens nahelegen könnten, so er- 29 geben die Auswertungen zum Antwortverhalten selber keine auffälligen Ver- Dies deckt sich mit den Ergebnissen anderer Studien, siehe z. B. Nitsche, zerrungen, sondern erscheinen in Höhe und Verteilung plausibel. S. 2018. Seite 11
KfW-Kommunalpanel 2018 Grafik 4: Wahrgenommener Investitionsrückstand der Kommunen 2017 Brand- und Katastrophenschutz Sonstiges Informationsinfrastruktur 7% 2% Straßen und Verkehrs- 4% 10,3 Mrd. EUR 3,3 Mrd. EUR infrastruktur 24 % 5,3 Mrd. EUR 38,6 Mrd. EUR Wohnungswirt- schaft ÖPNV 2% 0,3 % 3,1 Mrd. EUR 0,4 Mrd. EUR Gesundheitsinfrastruktur 1% 1,9 Mrd. EUR Öff. Verwaltungsgebäude 11 % Insgesamt 17,8 Mrd. EUR Sportstätten, Bäder 158,8 Mrd. EUR 5% 8,3 Mrd. EUR Energieerzeugung und -versorgung Kultur 0% 3% 0,03 Mrd. EUR 4,7 Mrd. EUR Kinderbetreuung Abfallwirtschaft 5% 0,2 % 7,6 Mrd. EUR Wasserver- und 0,3 Mrd. EUR Schulen, Erwachsenen- -entsorgung bildung 6% 30 % 9,5 Mrd. EUR 47,7 Mrd. EUR Quelle: KfW-Kommunalpanel 2018, durchgeführt vom Difu von August bis Oktober 2017 Inzwischen scheinen hier die Kapazitätsengpässe so- Teilrückstand für den Bereich „Schulen und Erwachse- wohl in den Verwaltungen als auch in der Bauwirtschaft nenbildung“ nur 18 %. Der Anteil an Kommunen, der in dazu zu führen, dass die zusätzlich erforderlichen In- diesem Bereich einen „gravierenden“ oder „nennens- vestitionen nur noch bedingt getätigt werden können. werten“ Rückstand ausmachte, stieg sogar von 43 % 30 Auch fallen hier die Preiseffekte besonders stark aus. im Jahr 2012 auf 58 % im laufenden Jahr. In der Folge steigen die wahrgenommenen Investiti- onsrückstände, denen jedoch nach wie vor vergleichs- Der Anstieg des Investitionsrückstands im Schulbe- weise hohe Investitionsausgaben gegenüberstehen. reich ist dabei flächendeckend für alle Einwohngrößen- Zudem lässt sich auch feststellen, dass die eher fi- klassen festzustellen und begründet eine Steigerung nanzstärkeren Kommunen im Gegensatz zu den fi- von 32,8 auf 47,7 Mrd. EUR. Erklärungsfaktoren hierfür nanzschwächeren Kommunen deutlich höhere Pro- dürften unter anderen die wieder an Fahrt gewonnene Kopf-Investitionsrückstände bei den freiwilligen Aufga- Diskussion um einen weiteren Ausbau des Ganztags- benbereichen, wie beispielsweise „Kultur“ oder „Sport- schulangebots für Kinder im Grundschulalter sowie stätten und Bäder“, angeben. über die in vielen Bundesländern strittige Frage einer Kostenteilung zwischen den einzelnen Bundesländern Investitionsrückstände im Schulbereich flächen- und ihren Kommunen hinsichtlich der verpflichtenden deckend gestiegen Bereitstellung eines inklusiven Bildungsangebots in Eine auffällige Abweichung vom allgemeinen Muster Schulen und Kitas sein. Hinzu kommen juristische Un- 31 bildet der Bereich „Schulen einschließlich Erwachse- sicherheiten und der politische Druck, da Bildungs- 32 nenbildung“, der bereits in den Vorjahren den zweit- themen eine besondere öffentliche Relevanz haben. höchsten Teilrückstand des Investitionsrückstands ausmachte und in diesem Jahr maßgeblich zu seinem 31 So unterlagen beispielsweise die nordrhein-westfälischen Kommunen im abermaligen Anstieg beitrug (vgl. Tabelle 1). Auch in Januar 2017 vor dem Verfassungsgerichtshof in einem Beschwerdeverfahren der Längsschnittbetrachtung setzt sich damit ein konti- gegen das betreffende Schulrechtsänderungsgesetz, mit dem sie eine höhere Landesbeteiligung an den Inklusionskosten erstreiten wollten. Siehe Verfas- nuierlicher Trend fort. Denn im Jahr 2012 betrug der sungsgerichtshof NRW: Az. VerfGH 8/15 vom 10. Januar 2017. 30 32 Siehe hierzu z. B. LBS 2018. Diesem Umstand wurde wohl nicht zuletzt auch im Rahmen der Reformver- handlungen zum Bund-Länder-Finanzausgleich im Frühjahr und Sommer Seite 12
Wahrgenommener Investitionsrückstand Grafik 5: Entwicklung der Investitionsrückstände in ausgewählten Bereichen 100 % 90 % 26 29 25 26 34 31 33 80 % 42 41 43 41 39 47 47 47 47 54 56 54 52 53 53 52 55 70 % 59 57 59 60 60 63 61 61 72 75 70 60 % 77 50 % 58 55 59 57 53 40 % 52 43 60 44 42 43 41 54 52 54 54 30 % 39 39 39 38 37 39 33 36 33 36 43 20 % 31 32 36 36 34 25 27 22 21 10 % 14 15 16 16 16 17 11 15 8 7 8 9 7 9 10 12 9 6 7 4 4 3 2 3 4 5 7 9 8 8 2 6 5 5 7 7 0% 2013 2015 2017 2012 2014 2015 2016 2017 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2012 2013 2014 2016 2017 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2012 2013 2014 2015 2016 2012 2013 2014 2015 2016 2017 Straßen und Öffentliche Schulen (inkl. Kinderbetreuung Sportstätten und Gesamt Verkehrs- Verwaltungs- Erwachsenen- Bäder infrastruktur gebäude bildung) gravierender Rückstand nennenswerter Rückstand geringer / kein Rückstand Anmerkung: Angaben in dieser Grafik sind ungewichtet. Quelle: KfW-Kommunalpanel 2018, durchgeführt vom Difu von August bis Oktober 2017 Verkehrsinfrastruktur als Wahlkampfthema Zusätzlich schätzten jeweils 10 bzw. 11 % der Kom- Auch der Investitionsrückstand im Bereich „Straßen munen den Rückstand als „gravierend“ ein. In beiden und Verkehrsinfrastruktur“, der in den Vorjahren stets Bundesländern lag der Bereich Straßen und Verkehrs- den höchsten Teilrückstand ausmachte, ist im Jahr infrastruktur damit deutlich vor den anderen abgefrag- 2017 gestiegen, er wird gegenwärtig auf 38,6 Mrd. ten Bereichen. Demgegenüber maßen die Kommunen EUR geschätzt (2016: 34,4 Mrd. EUR). Sein Anteil am in der Mehrzahl der verbleibenden Bundesländer ande- Anstieg des Gesamtrückstands fällt allerdings unter- ren Infrastrukturbereichen eine höhere Priorität in der durchschnittlich aus. Wahrnehmung ihrer bestehenden Investitionsrückstän- de bei. Allerdings lässt sich feststellen, dass der Anteil derjeni- gen Kommunen, die in diesem Infrastrukturbereich ei- Dabei muss jedoch auch nach Einwohnergrößenklas- nen „gravierenden Rückstand“ ausmachen, seit 2012 sen differenziert werden (vgl. dazu auch Tabellenan- leicht, aber doch kontinuierlich angestiegen ist. Nicht hang): Während die Kleinstädte bis unter 5.000 sowie umsonst avancierte das Thema Verkehrsbeeinträchti- mit 5.000 bis unter 20.000 Einwohnern die im Durch- gungen aufgrund maroder Straßen in den Landtags- schnitt höchsten Pro-Kopf-Investitionsrückstände im wahlkämpfen 2017 in Nordrhein-Westfalen und Nieder- Bereich Straßen- und Verkehrsinfrastruktur angeben sachsen zu einem zentralen Wahlkampfthema. So ga- (684 bzw. 476 EUR), geben die Großstädte ab 50.000 ben 73 % der Kommunen in NRW und 60 % der Kom- Einwohnern die im Durchschnitt höchsten Pro-Kopf- munen in Niedersachsen an, dass in diesem Infrastruk- Investitionsrückstände im Bereich Schulen und Er- 33 turbereich ein „nennenswerter Rückstand“ bestehe. wachsenenbildung an (644 EUR), worin sich die oben beschriebenen Wachstums- und Wanderungsphäno- 2017 mit der Schaffung eines neuen Art. 104c GG Rechnung getragen, wo- nach der Bund „den Ländern Finanzhilfen für gesamtstaatlich bedeutsame In- mene widerspiegeln dürften. vestitionen der finanzschwachen Gemeinden (Gemeindeverbände) im Bereich der kommunalen Bildungsinfrastruktur gewähren“ kann. Ausführlicher hierzu: Scheller, H. 2017a. 33 Die Zahlen dieser regionalspezifischen Sonderauswertung sind nicht reprä- sentativ, sondern beruhen auf den ungewichteten Angaben der befragten Kämmereien. Seite 13
KfW-Kommunalpanel 2018 Grafik 6: Ausprägung der Investitionsrückstände in ausgewählten Infrastrukturbereichen Straßen und 37 % 20 % 31 % 12 % Verkehrsinfrastruktur Öffentliche 30 % 24 % 26 % 20 % Verwaltungsgebäude Schulen 26 % 24 % 27 % 23 % Kinderbetreuung 17 % 21 % 25 % 36 % Sportstätten und Bäder 32 % 20 % 32 % 16 % Sonstiges 25 % 25 % 32 % 17 % 0% 20 % 40 % 60 % 80 % 100 % Unterlassene Instandhaltung Intensiver Nachholbedarf Modernisierungs- und Ersatzbedarf Erweiterungs-, Um- , Neu- und Rückbau Quelle: KfW-Kommunalpanel 2018, durchgeführt vom Difu von August bis Oktober 2017 Öffentliche Verwaltungsgebäude als investitions- 3.2 Vertiefende Interviews zur Erklärung der politische Sparbüchse? gestiegenen Investitionsrückstände Zu den Infrastrukturbereichen, in denen der wahrge- Um die Angaben der Kämmereien besser nachvollzie- nommene Investitionsrückstand 2017 markant an- hen und die Hochrechnungen fundieren zu können, gestiegen ist, zählen die öffentlichen Verwaltungsge- wurden ergänzend mit ausgewählten Kommunen leit- bäude. Gegenüber dem Vorjahr ist hier ein Anstieg um fadengestützte Telefoninterviews sowohl zu den Hin- rd. 6,5 Mrd. EUR auf 17,8 Mrd. EUR zu verzeichnen. tergründen und Ursachen des Anstiegs als auch zu Auch wenn durchaus signifikante Unterschiede zwi- möglichen Investitionshemmnissen geführt (vgl. auch schen finanzschwächeren und finanzstärkeren Kom- Anhang 1). Die 16 dazu ausgewählten Kommunen, die munen bestehen, so sind die Rückstände über alle in mindestens einem wichtigen Investitionsbereich ei- Einwohnergrößenklassen insgesamt hoch. Dies legt nen deutlich höheren Rückstand als in den Vorjahren nahe, dass auch dieser Bereich in der Vergangenheit angaben, verteilten sich auf neun Flächenländer und offenbar genutzt wurde, um nicht unabdingbar notwen- deckten von kleinen Gemeinden bis hin zu Großstäd- dige Investitionen aufzuschieben. Mit Blick auf die vie- ten und Landkreisen alle Einwohnergrößenklassen 34 len in die Jahre gekommenen Verwaltungsgebäude, ab. die in den 1960/1970er-Jahren errichtet wurden, wer- den hier offenbar inzwischen akute Handlungszwänge In den Interviews wurde deutlich, dass das Zusam- für die Kommunen sichtbar. menspiel einer Vielzahl von Faktoren einen Anstieg des Investitionsrückstands beeinflusst und seinen Ab- Dies bestätigt die Auswertung des diesjährigen Son- bau erschwert. Zwar macht sich der Anstieg des In- derthemas der Befragung, wonach gerade bei Straßen vestitionsrückstands oft an konkreten Planungen und 35 und Verwaltungsgebäuden die unterlassene Instand- Baumaßnahmen in der jeweiligen Kommune fest. haltung einen wesentlichen Teil des Investitionsrück- 34 stands ausmacht, während es beispielswiese bei Schu- Im Methodenteil wird ausführlicher auf die Auswahl und Verteilung der im Rahmen der vertiefenden Interviews befragten Kommunen eingegangen. len und Kitas stärker die Ausbaubedarfe sind (vgl. Gra- 35 fik 6). Probleme bei der Bezifferung von Investitionsrückständen in einzelnen Be- reichen ergeben sich für die Kommunen immer dann, wenn sie nicht selbst dafür verantwortlich sind, wie es beispielsweise bei Eigenbetrieben und Betei- ligungen im Bereich ÖPNV, Krankenhäuser oder Tiefbau der Fall ist. Hier ist es den Kämmerern nicht immer möglich, alle Zahlen für die Befragung beizu- bringen. Bestehen Unsicherheiten, geben sie üblicherweise keine Werte an. Seite 14
Wahrgenommener Investitionsrückstand Von nahezu allen befragten Kommunen wurden aber zen angelangt, bleibt ihnen bei neuen Aufgaben – wie personelle und / oder finanzielle Restriktionen als hem- sie ja auch im Bundestagswahlkampf 2017 diskutiert mend genannt (vgl. Grafik 7), sodass der Personal- wurden – kaum eine andere Möglichkeit, als diese mangel die Planung und Durchführung von Investitio- (oder andere, weniger dringliche Aufgaben) aufzu- nen deutlich verzögert. Auch kommt es zu der parado- schieben. Steigende Investitionsrückstände sind dann xen Situation, dass neben den hoch verschuldeten die Folge. Kapazitätsengpässe in der Bauwirtschaft Kommunen, die aufgrund haushaltsrechtlicher Restrik- und steigende Preise tragen das ihrige zu einem wach- tionen nur sehr eingeschränkt Investitionskredite auf- senden Investitionsrückstand bei. In Anbetracht der un- nehmen dürfen, ein weiterer Teil der Landkreise, Städ- terschiedlichen regionalen Ausgangslagen erscheint te und Gemeinden aufgrund spürbarer Baupreissteige- eine stärker regionale Differenzierung der spezifischen rungen auf eine Kreditaufnahme zur Investitionsfinan- Ursachen deshalb für die Bewertung der Anstiege not- zierung verzichtet, also nur die nötigsten Bauvorhaben wendig. Diesem Anspruch wird in Kapitel 5 Rechnung durchführt und stattdessen aktuell eher Schulden ab- getragen. baut. Die Ergebnisse der vertiefenden Interviews können Grafik 7: In den Interviews genannte Gründe für auch auf die Angaben aller Befragten im KfW-Kom- nicht umgesetzte Investitionen munalpanel 2018 übertragen werden. Im diesjährigen Sonderthema wurden u. a. die fördernden und hem- menden Einflussfaktoren für die Investitionstätigkeit Personelle Ressourcen abgefragt. Auch hier befindet eine Mehrheit der Befrag- ten insbesondere die Kapazitäten der privaten Bau- Finanzielle Restriktionen und Planungswirtschaft als hinderlich (vgl. Grafik 8). Unsichere gesetz. Grafik 8: Einfluss von Bau- und Planungskapazitä- Regelung ten auf die kommunale Investitionstätigkeit Neuer Kentnisstand Kapazitäten privater Unternehmen 35 % 36 % 29 % Bedingungen für (Bauplanung) Fördermittel Kapazitäten der Bauwirtschaft Preise für Bau und Planungskapazitäten in der 31 % 45 % 24 % Bauverwaltung Rohstoffe 0 5 10 15 Nennungen der verschiedenen Aspekte Anmerkung: Dargestellt wurden nur Aspekte, die von mindestens ei- nem Drittel der Interviewten als Investitionshemmnis genannt wur- Kapazitäten privater Unternehmen den. (Bausausführung) 44 % 29 % 27 % Quelle: KfW-Kommunalpanel 2018, Nachbefragung durchgeführt vom Difu im April und Mai 2018. stark oder eher hemmender Einfluss Es zeigt sich somit, dass vor allem Kapazitätsengpässe Faktor hat einen ... teils-teils / neutral in Kombination mit gestiegenen Bedarfen (siehe Kapi- stark oder eher fördernder Einfluss tel 1) zu steigenden Investitionsrückständen führen. Quelle: KfW-Kommunalpanel 2018, durchgeführt vom Difu von Au- Sind die Kommunen bereits an ihren Kapazitätsgren- gust bis Oktober 2017. Darüber hinaus ist es bisweilen schwierig, noch nicht konkret geplante Maß- 3.3 Erwartungen zur Entwicklung der Investitions- nahmen genau zu beziffern. Dies betrifft beispielsweise den Bereich Ausbau rückstände digitaler Infrastrukturen, der gleich mehrfach genannt wurde: Hier herrscht sowohl aus fachlicher Sicht – bezüglich entsprechender Technologien – als Wie auch in den Vorjahren wurden die Kommunen im auch in Anbetracht der nötigen Investitionsvolumina Unsicherheit. Insgesamt Rahmen der Befragung nach ihrer Einschätzung zur wird in den Interviews deutlich, dass die gemeldeten Zahlen stets nur eine Momentaufnahme darstellen. Damit wird der Rückstand auf Basis der von Entwicklung des zukünftigen Investitionsrückstands ge- den Kämmereien gelieferten Zahlen im Zweifel eher unterschätzt, da sie nicht fragt (vgl. Grafik 9). Während 37 % der befragten immer alle nötigen Infrastrukturvorhaben en detail im Blick haben können. Kämmereien davon ausgehen, dass der Rückstand in etwa ähnlich bleiben wird, erwartet ein Anteil von 42 % Seite 15
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