KIRCHEN MI EILUNGEN MUSIKALISCHE - Nr.143 APRIL 2018 - Amt für Kirchenmusik
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KIRCHEN MUSIKALISCHE MI EILUNGEN Nr.143 APRIL 2018 Stuttgart Leutkirch Ellwangen DIÖZES E RO E N BU R G - STU G A RT ISSN 1436-0276
Inhaltsverzeichnis Liturgie aktuell 2 Gerhard Schneider, Leiter der neu geformten Hauptabteilung Liturgie St. Meinrad-Weg 6 · 72108 Rottenburg (mit Kunst und Kirchenmusik) und Berufungspastoral Telefon (07472) 169 953 Predigt im Pontifikalrequiem für Domkapitular em. Prälat Dr. Werner Groß † 31. Mai 2017 Telefax (07472) 169 955 • Bischof Dr. Gebhard Fürst www.amt-fuer-kirchenmusik.de Bürozeiten Jutta Steck 4 Verordnetes Schweigen oder erfüllte Stille? Vom Klang der Fastenzeit • Tobias Wittmann Mo-Fr: 8.00 – 12.00 Uhr 5 Zur Klanggestalt des Hochgebetes • Walter Hirt Mo: 14.00 – 16.00 Uhr Schwerpunktthema Leiter des Amtes für Kirchenmusik Diözesanmusikdirektor Walter Hirt 13 Teilbibliographie zu Prälat Dr. Werner Groß • Georg Ott-Stelzner e-Mail: Whirt@bo.drs.de Stellvertretender Leiter des Amtes Aus der Praxis für Kirchenmusik · Fachstelle für das 18 Chornotenrecherche leicht(er) gemacht!?! • Regionalkantor Thomas Gindele Glockenwesen: Prof. Dr. Hans Schnieders Telefon (07472) 169 952 22 Hallo, Vermittlung? • Reiner Schulte e-Mail: hschnieders@bo.drs.de MITTEILUNGEN Bürozeiten Mitteilungen Kirchenmusik: Mo und Do Vormittag Glockenwesen: Di und Fr Vormittag 23 Amt für Kirchenmusik 30 Diözesancäcilienverband Roman Schmid 34 Pueri cantores Betreuung des Glockenwesens 35 Hochschule für Kirchenmusik Telefon: (07472) 169 956 36 Andere Institutionen e-Mail: rschmid@bo.drs.de Bürozeiten: Mo und Di, ganztägig Berichte BERICHTE Eberhard Schulz, Orgelrevisor 41 Amt für Kirchenmusik Telefon (07472) 169 954 48 Diözesancäcilienverband e-Mail: Eschulz@bo.drs.de 50 Pueri cantores Bürozeiten: Di, Mi 9.00 – 18.00 Uhr 53 Hochschule für Kirchenmusik • Orgelwesen ORGEL Jutta Steck, Sekretariat Orgel Telefon (07472) 169 953 e-Mail: justeck@bo.drs.de 54 Orgelbauten, Sanierungen 56 Orgelbau und Orgelmusik sind „Immaterielles Kulturerbe der Menschheit“ C-Ausbildung • Eberhard Schulz Leitung: DMD Walter Hirt 58 Obermarchtaler Münsterkonzerte 2018 Anmeldungen, Prüfungen, Informationen: Herr Matthias Heid Personalia Telefon (07472) 169 823, Telefax 169 829 PERSONALIA e-Mail: Maheid@bo.drs.de 59 Von Personen, Nachrufe DCV-Geschäftsstelle REZENSIONEN Rezensionen Geschäftsführer: Sr. M. Faustina Niestroj e-Mail: caecilienverband@drs.de 62 Chormusik Telefon (07472) 169 958, Telefax 169 83958 66 Orgelmusik Bürozeiten: Mo 9.00–12.00 Uhr, Fr 14.00–17.00 Uhr 67 Tonträger 68 Bücher Urkunden und Anträge Palestrinamedaille/ Zelterplakette anfordern bei Ursula Kluike (07472) 169 958 · caecilienverband@drs.de KIRCHENMUSIKALISCHE MITTEILUNGEN 143
ED I TO RIAL LIEBE LESERIN, LIEBER LESER, in einem neuen Layout zeigt sich diese ken und die Verdienste um die Liturgie Ausgabe der Kirchenmusikalischen Mit- von Domkapitular Dr. Werner Groß, der teilungen. Wir hoffen, dass wir auch im vergangenen Jahr verstorben ist und durch das neue äußere Gewand Ihr In- uns ein umfangreiches Schrifttum zur teresse wach halten werden. Liturgie hinterlassen hat, bleiben un- vergessen. „Von der Liturgie erwarten wir uns gerade dies, dass sie uns die positive Stille gibt, Chorleiter sind „immer und ewig“ auf Impressum in der wir zu uns selber finden – die der Suche nach guter Chorliteratur. Stille, die nicht bloß Pause ist, in der In der Rubrik „Aus der Praxis – für die Mitarbeiter uns tausend Gedanken und Wünsche Praxis“ erfahren Sie, wie dies heutzutage Marianne Aicher, Richard Arnold, Dr. Inga Behrendt, Dorothea Bossert, Lucia überfallen, sondern Einkehr, die uns per online-Recherche geschehen kann. Carstens, Beate Forcht, Dr. Gebhard Fürst, von innen her Frieden gibt, uns aufatmen Dass der Orgelbau und die Orgelmusik Bruno Gerner, Thomas Gindele, Dina lässt, das verschüttete Eigentliche auf- im Dezember des vergangenen Jahres Grossmann, Philip Heger, Matthias Heid, Wolfgang Heinecker, Walter Hirt, Andrea deckt“. In vielen weiteren Gedanken- Eingang gefunden haben in die Liste Kaiser, Martin Keßler, Ursula Kluike, Karl gängen hat sich Papst Benedikt XVI. zur des immateriellen Kulturerbes der Martin, Sr. Faustina Niestroj, Martin Neu, Erwin Poppele, Anna Ruther, Klaus Renne- Stille in der Liturgie geäußert. Und was UNESCO, hat eine erstaunliche Resonanz mann, Theresa Schäfer, Julia Schmid, Dr. für das Gebet gilt, gilt für die Musik: in den Medien gefunden. Für uns ist Gerhard Schneider, Reiner Schuhenn, Rei- „Jede Musik kommt aus der Stille und dieser wichtige Vorgang weiterer Ansporn, ner Schulte, Eberhard Schulz, Georg Ott- Stelzner, Gregor Simon, Thomas Stang, endet in ihr“ – so der Dirigent Daniel die Orgel und die Orgelmusik stets als Volker Konstantin Unseld, Günther Vogel, Barenboim. „Merke auf dieses feine, un- Schlüssel bereit zu halten, „die Herzen Wolfgang Weis, Tobias Wittmann aufhörliche Geräusch; es ist die Stille. der Menschen mächtig zu Gott empor- Die KMM stehen Ihnen auch unter Horch auf das, was man hört, wenn zuheben“, wie es die Konzilsväter for- www.amt-fuer-kirchenmusik.de man nichts mehr vernimmt.“ – eine muliert haben. im pdf-Format zur Verfügung. Aufforderung des französischen Lyrikers Sollten Sie von dieser Möglichkeit Ge- brauch machen, so bitten wir Sie, uns zu Paul Valéry, die gerade für unsere Got- Zahlreiche Mitteilungen, Berichte und informieren. Dadurch helfen Sie uns, tesdienste von größter Relevanz ist. Auch Informationen zeugen von einer leben- Kosten zu sparen. Herzlichen Dank! wenn Sie den Artikel zur Stille in der digen Kultur der Kirchenmusik, darunter Herausgeber: Amt für Kirchenmusik der Fastenzeit erst nach Ostern lesen, so Höhepunkte wie der Diözesankirchen- Diözese Rottenburg-Stuttgart enthält er doch Grundsätze, die für alle musiktag und das 150-jährige Jubiläum ISSN: 1436-0276 Schriftleitung: Diözesanmusikdirektor liturgischen Feiern gelten. des Cäcilienverbandes. Walter Hirt Redaktion: Jutta Steck Der Klanggestalt des Hochgebets in der Herzlich laden wir ein, an der Kinder- Beiträge: Auf CD oder per E-Mail (jeweils im Word-Format) an Eucharistiefeier immer wieder nachzu- chorleiterausbildung teilzunehmen oder das Amt für Kirchenmusik lauschen und diese zu überdenken, sollte aber Interessenten aus Ihren Gemeinden Herstellung: Werner Böttler, nicht nur eine Aufgabe der Kirchenmu- darauf hinzuweisen. GrafikSatzBildDruck 72141 Walddorfhäslach, siker sein, sondern zuerst der Liturgen. Wir freuen uns auf den sechsten Diöze- (07127) 927010 Denn in der Kommunikation zwischen sanjugendchortag, der dieses Jahr am Auflage: 3.900 Exemplare Menschen ist Klang nicht nur ein physi- 29. September in Ravensburg stattfindet Titelbild: Diözesankirchenmusiktag 2017 in Stuttgart, Leutkirch kalisches Medium für den Transport von und zu dem wir ebenfalls herzlich ein- und Ellwangen Worten, sondern ein Teil der Botschaft laden. selbst. Dies trifft uneingeschränkt auf Redaktionsschluss Nr. 144: 1. August 2018 das Beten und Singen in der Liturgie zu. Anregende Lektüre wünscht Ihnen Ob die Kirchenmusik in der Liturgie eine tragende Größe im kirchlichen Leben ist, hängt letztlich immer von Menschen ab, welche sie befördern. Dies Walter Hirt geschieht auf vielfältige Weise. Das Wir- Diözesanmusikdirektor DIÖZESE ROTTENBURG-STUTTGART 1
Liturgie aktuell Hauptabteilung Liturgie † Prälat Dr. Werner Groß Liebe Dimension, die mit dem katholischen Christentum in besonderer Weise verbunden ist und wird, ins- Kirchenmusikerinnen besondere für die sakramental-zeichenhafte Di- mension des katholischen Kircheseins deutlich und Kirchenmusiker, wird.“ Gerade junge Menschen finden Zugänge zum Glauben, zum Christsein und auch zur Kirche immer häufiger über sinnliche Erfahrungen, wie Gerhard Schneider wurde im August 2017 hat mich unser sie die Kirchenmusik, die Kunst und die Liturgie 1969 in Ulm geboren. Nach ei- nem Studium der Betriebswirt- Bischof Gebhard Fürst mit der ermöglichen. Die Kirchenmusik erhält damit eine schaft und einige Jahren Be- Leitung der neu geformten missionarische Dimension, deren Bedeutung wir rufstätigkeit bei einer Bank studierte er in Tübingen und Hauptabteilung Liturgie (mit derzeit mehr und mehr begreifen. Insbesondere Rom Theologie. 2002 wurde er Kunst und Kirchenmusik) und die sakramentale Dimension von Kirche kann zum Priester geweiht - in Berufungspastoral beauftragt. immer weniger über theologische Belehrungen Weingarten und, wie er sagt, von der Gabler-Orgel unver- Dies ist nicht nur ein langer und lehramtliche Anweisungen vermittelt werden. gessen begleitet. Nach zwei Name, sondern auch eine zu- Sie muss erfahren und erlebt werden und sich so Jahren Vikarszeit wurde er Repetent am Wilhelmsstift in nächst überraschende Kombination. Zu den Be- auf eine immer tiefergehende Weise erschließen. Tübingen und promovierte im reichen Liturgie, Kunst und Kirchenmusik kamen Sie tragen als Kirchenmusikerinnen und Kirchen- Fach Pastoraltheologie. Ab 2009 übernahm er die Leitung Einrichtungen der Berufungspastoral und der Stu- musiker wesentlich dazu bei, dass dies gelingen verschiedener Einrichtungen dienvorbereitung hinzu, die ich schon in den Vor- kann. Ich freue mich darauf, in den nächsten der Berufungspastoral und der Studienvorbereitung in Tübin- jahren verantwortete. Tatsächlich gibt es nicht Jahren gemeinsam mit Ihnen nach Wegen zu gen. Im August 2017 ernannte wenige wichtige Verbindungen zwischen beiden suchen, wie dies auch künftig möglich sein wird. ihn Bischof Fürst zum Leiter Bereichen. Einen zentralen Punkt hat Bischof Fürst Ich danke Ihnen für Ihren Dienst und grüße Sie der Hauptabteilung VIIIa. In dieser Funktion ist er Nach- in einer Predigt im letzten September formuliert: herzlich aus Tübingen und Rottenburg! ❖ folger von Weihbischof em. „Im Hinblick auf die kirchlichen Berufe [...] ist Dr. Johannes Kreidler. mir wichtig, dass die ästhetische und musische Ihr Gerhard Schneider Bischof Dr. Gebhard Fürst Predigt im Pontifikalrequiem für Domkapitular em. Prälat Dr. Werner Groß † 31. Mai 2017 Dom St. Martin Rottenburg, 9. Juni 2017 wurde. Er wollte damit eine Glaubenshaltung stär- Schrifttexte: L.: 1 Kor 15,51-57; Ev.: Joh 6, 27-40 ken, die heutzutage meist ins Hintertreffen gerät. Rangiert nicht Selbstbezogenheit weit vor Gottver- Verehrte liebe Angehörige von trauen? Wir werden dieses Lied, Gott sorgt für Prälat Werner Groß, mich, zum Dank am Ende des Requiems singen. liebe Mitbrüder im geistlichen Dienst, liebe Schwestern und Brüder im Glauben! Im Glauben war sich Werner Groß gewiss: Gott sorgt für uns Menschen. „Mein Leben liegt in Got- „Gott sorgt für mich“, so beginnt ein bekanntes tes Hand“, aus diesem festen Glauben schöpfte er Kirchenlied (GL 843). Das Lied singt vom Vertrauen Kraft. Gerade auch in den vielen Jahren, in denen des Beters, dass Gott die Seinen fürsorglich stärkt, er immer stärker von Krankheit gekennzeichnet begleitet und schützt. „Gott sorgt für mich“ – dieses war, als seine körperlichen Kräfte nachließen und Lied lag unserem Verstorbenen Prälat Werner Groß sein Leben als Mensch und sein priesterliches Wir- sehr am Herzen. Nachdrücklich sorgte er dafür, ken zunehmend beeinträchtigten. In dieser Stunde dass es in unser neues Gotteslob aufgenommen des Abschieds würde er wahrscheinlich sagen: Ich 2 KIRCHENMUSIKALISCHE MITTEILUNGEN 143
Für den fundierten und reflektierten Konzilstheo- logen Werner Groß, war die Heilige Schrift die Quelle aus der sein Leben Kraft zog. Es war ihm immer gegenwärtig, dass die Liturgiekonstitution des Konzils „Sacrosanctum Concilium“, für sein Handeln ein Basistext dazu anhält, dass „…aus dem heiligen Text die Geheimnisse des Glaubens (…) dar- gelegt werden“ (SC 53). So schaue auch ich auf das Wort Gottes, das in die- ser Stunde helfen soll, zu verstehen was am Ende des irdischen Lebens zählt, was bleibt und was uns weiterbringen kann. Lesung und Evangelium des Requiems bringen uns nahe, was das bedeutet: „Gott sorgt für uns.“ Jesus Christus macht in seinen Worten deutlich: Gott hat habe diese Sorge Gottes erfahren. Ich habe sie er- ihm, seinem Sohn, die Menschen zugeführt und fahren durch viele Menschen, die für mich gesorgt anbefohlen. Und gleichzeitig rührt Gott die Men- haben. Und er würde ihnen dafür von Herzen dan- schen an, dass sie sich Jesus Christus zuwenden ken. An seiner Stelle wollen wir das heute tun: und bei ihm Orientierung und Halt finden. Dafür Danke allen Menschen, die für ihn gesorgt haben, ist Gott unablässig am Werk – die sich um ihn gesorgt haben in seinem Leben, in will er doch das Beste für uns Liturgie wurde, wie er selbst sagt: seinem Kranksein, in seinem Sterben. Menschen: Alle, die an IHN „Das Zentrum meiner Bemühungen und glauben, sollen durch Christus Anstrengungen, meines Einsatzes und Erinnern wir uns an Stationen seines Lebens: Wer- zur Erfüllung kommen. Im Jo- meines Engagements, aber auch meines ner Groß wurde 1934 als älterer von zwei Söhnen hannesevangelium von heute Lebens und meines Glaubens.“ in Stuttgart geboren. Sein Bruder und seine Familie steht der Vers Jesu: „Es ist der sind heute unter uns. 1960 wurde er von Bischof Wille meines Vaters, dass alle, die den Sohn sehen Carl Joseph Leiprecht in Ludwigsburg zum Priester und an ihn glauben, das ewige Leben haben.“ (Joh geweiht. Er wirkte dann als Vikar in Ulm, Schram- 6,40) berg-Sulgen und Stuttgart-Vaihingen. Sein Weg führte ihn schließlich nach Rottenburg. Die Auf den Sohn Gottes sehen und an ihn glauben, Bischofsstadt wurde ihm und war ihm über vier das war unausgesprochen, das Lebensprogramm Jahrzehnte Heimat. 1964 berief ihn Bischof Leip- von Werner Groß. Das Christus-Bild im Liedheft recht als Repetent ins Priesterseminar. Hier war er zeigt das auf eindrucksvolle Weise. Jesus sehen, der Dozent für Liturgik und übernahm 1973 die Lei- mich anblickt und alles Vertrauen in ihn setzen. tung des Pastoralliturgischen Instituts. 1978 er- nannte Bischof Georg Moser Werner Groß, der Gott will, dass Menschen ihr Leben an ihm festma- gerade über die Geschichte des Wilhelmstifts pro- chen: was auch auf uns lastet, was uns nieder- moviert hatte, zum Direktor des Instituts für Fort- drückt. Christus ist da für uns, denn er hat Worte und Weiterbildung der Kirchlichen Dienste. Und des ewigen Lebens. Bischof Walter Kasper berief ihn 1989 ins Domka- pitel. Dort trug er verbunden mit seiner Zustän- Jesus Christus sehen, der mich anblickt und alles digkeit für Kunst, Kirchenmusik, Architektur und Vertrauen in ihn setzen. Das feiern wir in der Eu- Denkmalpflege bis 2004 die Verantwortung für die charistie als Quelle und Höhepunkt des kirchli- Liturgie in der Diözese. Während dieser Zeit unter- chen Lebens und Mitte der Kirche. richtete er an der Katholisch-Theologischen Fakul- tät Tübingen auch die Priesteramtskandidaten. Die Feier der Liturgie den Gläubigen zu erschließen Viele liturgische Dienste und Ämter, nicht zuletzt und verständlich zu machen, das war das missio- Generationen von Priestern hat er für die Feier der narische Anliegen von Werner Groß. Er selbst lebte Liturgie vorbereitet und befähigt. Die ganz Diözese nicht nur aus der Liturgie, sondern sah sie als prä- ist ihm für diesen zentralen Dienst, den er geleistet gende Kraft für die persönliche Spiritualität der hat, zu großem Dank verpflichtet. einzelnen Gläubigen, sowie für die ganze Gemein- DIÖZESE ROTTENBURG-STUTTGART 3
Liturgie aktuell † Prälat Dr. Werner Groß Klang der Fastenzeit de. Er selbst bezeichnete es in seiner Rede, anläss- Gottesmutter, gefeiert im Kirchenjahr, hatte er eine lich seiner Verabschiedung in den Ruhestand im besonders innige innere Verbindung. Er hat vieles Jahr 2004, als einen „glücklichen Zufall“, dass er für uns aufgeschrieben, wovon wir in unserer Di- seinen Dienst für die Liturgie beginnen konnte, als özese zehren. Ein Buch über die Eucharistie hat er man 1964 auf dem Konzil, wie Werner Groß selbst fast noch zu Ende gebracht. Diesen Schatz wollen sagte: „noch etwas unsicher mit der schrittweisen wir dankbar bewahren und fruchtbar machen. Verwirklichung der liturgischen Erneuerung an- Jesus Christus sehen, der uns anblickt und alles fing“. Er selbst sei mit seinen Beiträgen, die er zur Vertrauen in ihn setzen: im Leben, im Glauben, im Umsetzung der Liturgiereform verfasste, mehr und Feiern, im Handeln: diesem Vermächtnis unseres mehr in die Liturgie hineingewachsen. Liturgie Verstorbenen Bruders und Mitbruders gedenken wurde, wie er selbst sagt: „Das Zentrum meiner Be- wir dankbar. Wir danken Gott, dass er ihn uns ge- mühungen und Anstrengungen, meines Einsatzes schenkt hat. und meines Engagements, aber auch meines Le- bens und meines Glaubens.“ Liebe Schwestern und Brüder! Sein Verdienst ist es bis Prälat Groß war ein Denker, akribischer heute, dass die liturgischen In den Abendstunden des 31. Mai hat der Herr nun und fleißiger Schreiber und ein inniger Dienste in ihrer gesamten den Priester Domkapitular em. Prälat Dr. Werner Beter. Manche nennen ihn das Vielfalt tief in der Diözese Groß zu sich gerufen. An diesem Abend des Mai- „historische Gedächtnis der Diözese“. etabliert sind. Schon bald monats vollendete sich das irdische Leben eines brachte dies der Diözese Menschen, der Maria als „Mutter und Schwester im Rottenburg-Stuttgart den Ruf ein, so viele gut aus- Glauben“ hochverehrte. gebildete Laien in liturgischen Diensten zu haben, wie keine andere Diözese (zit. nach Eduard Nagel). Hören wir noch einmal das Wort des Apostels Pau- Das ist sein Nachlass für unsere Ortskirche. lus aus dem 1. Korintherbrief, das wir heute in der Lesung gehört haben: „Dieses Vergängliche muss sich Prälat Groß war ein Denker, akribischer und flei- mit Unvergänglichkeit bekleiden und dieses Sterbliche ßiger Schreiber und ein inniger Beter. Manche nen- mit Unsterblichkeit. Gott sei Dank, der uns den Sieg nen ihn das „historische Gedächtnis der Diözese“. geschenkt hat durch Jesus Christus, unsern Herrn“ (1 Sein umfassendes Wissen über die Diözesanhisto- Kor 15,53). Denn durch seinen Tod und seine Auf- rie, über die Liturgie und vieles mehr hat er für uns erstehung ist Jesus Christus unserem Bruder voran- in zahlreichen Publikationen festgehalten. Werner gegangen und hat ihm einen Platz bereitet. Gott, Groß hat im Kirchenjahr gelebt und gewohnt. Zu der Vater, schenke ihm die ewige Freude ! ❖ vielen Heiligen und Seligen, insbesondere zu den schwäbischen Glaubenszeugen, aber auch zur Amen! Tobias Wittmann Die Frage nach dem rechten Maß instrumentaler Musik in der Liturgie stellt sich in der Fastenzeit Verordnetes Schweigen oder mit besonderer Evidenz. Unmittelbar damit zu- sammen hängt die Frage, welche Rolle der Stille in erfüllte Stille? der fastenzeitlichen Liturgie zukommt. Die in dem Verhältnis von Musik und Stille liegende Spannung Vom Klang der Fastenzeit führt oftmals zu Unsicherheiten, bisweilen gar zu Kontroversen zwischen den liturgisch und musika- lisch Verantwortlichen. Da ungeachtet dessen die immensen Chancen eines Bezogenseins von Musik und Stille nahezu unerschöpflich sind, lohnt es, diese erneut in den Blick zu nehmen. 4 KIRCHENMUSIKALISCHE MITTEILUNGEN 143
„Die Orgel und jedes andere rechtmäßig zugelassene Gebetsantwort für den gehetzten Menschen unserer Musikinstrument [darf] zur Begleitung des Sängercho- Tage nicht möglich; auch die Stille ist eine Form tätiger res und des Volkes benutzt werden. Zu Beginn, bevor Teilnahme am gottesdienstlichen Geschehen“.2 der Priester an den Altar tritt, zur Gabenbereitung, zur Kommunion und am Schluss der Messfeier kann In- Stille als „Form tätiger Teilnahme am strumentalmusik vorgetragen werden. In der Fastenzeit gottesdienstlichen Geschehen“. […] ist Instrumentalmusik nicht statthaft.“ (Instruktion Musicam Sacram, 1967) So verstanden rückt die Stille in ein anderes Licht, ist nicht etwa Verzicht um des Verzichts willen, Tobias Wittmann, Regionalkantor in Stuttgart „In der Fastenzeit […] ist Instrumentalmusik sondern erhält eine eigene Qualität. nicht statthaft.“ So verstandene Stille wird nicht als Mangel erfah- Dem Folge leistend, nimmt die Stille während der ren, sie ist nicht leer, ist keine Abwesenheit von Fastenzeit in Gottesdiensten ohne Mitwirkung Klang, sondern ist ein Zustand „einer Präsenz, die eines vokalen Ensembles einen bedeutenden Raum für Worte zu groß ist“3. ein, vornehmlich während der Kommunion und am Schluss der Messfeier, wo sonst das Spiel von So verstandene Stille kann nicht ‚verordnet‘ wer- Orgelwerken üblich ist. den. Damit sich tätige Teilnahme in der Stille er- Der Stille in diesem Maße Raum zu geben er- eignen kann, muss sie ‚erfüllt‘ sein – von innen scheint in der Fastenzeit legitim und ausgespro- heraus! – muss von lebendiger Spannung getragen chen sinnvoll. sein. Die Intensität und Dichte einer solchen Stille kann nicht ‚gemacht‘ werden. Sie geschieht. Und Demgegenüber verweisen Kirchenmusiker/innen es gibt keine Garantien dafür, dass sie sich ereignet. jedoch zu Recht auf das reiche Repertoire von spe- Letztlich bleibt sie ein Mysterium4 Genau darin zifisch für die Passionszeit komponierter Instru- liegt ihre transzendierende Kraft. mentalmusik, welche ihren ureigenen Platz in den Gottesdiensten dieser Zeit hat. Deren Pflege inner- Und doch lässt sich etwas tun. halb der Liturgie ist mehr denn je von Bedeutung, Bleibt auch die erfüllte Stille nicht machbar, lässt wenn sie nicht nach und nach in den Status mu- sich doch ein Raum schaffen, in dem sie sich ereig- sealer Werke verfallen sollen, die bestenfalls noch nen kann. im geistlichen Konzert zur Aufführung kommen.1 Musik kann dabei Enormes leisten, indem sie der 1 Da es sich oft um Choral- Diese hier durchaus demonstrativ umrissene Span- Stille einen (Klang-)Rahmen anbietet. Ein solcher bearbeitungen von nung zwischen Stille und Musik muss nicht aufge- wird vor allem in den Grenzbereichen wirksam Liedern zur Fasten- und Passionszeit handelt, löst werden. Vielmehr scheint es mir geboten, aus sein, an den „Rändern der Töne“5, in den sollte der Hinweis ernst ihr heraus neue Perspektiven zu gewinnen, ein sen- Zwischenräumen, zwischen Noch und Nicht- genommen werden, dass es hier nicht vorder- sibles Gespür für ihr wechselseitiges Verhältnis zu Mehr. gründig um Instrumen- entwickeln und damit Konzeptionen zu schaffen, talmusik, sondern eigentlich um die Vermit- die eine Wandlung des Bewusstseins ermöglichen. „Gott ist der Leiseste von allen.“ tlung des geistlichen (Rainer Maria Rilke) Mehrwerts eines Liedes „Ich entdeckte, dass die Stille nicht akustisch geht, wenn dieses – oft in deutend-rhetorischen ist. Es ist eine Bewusstseinsänderung, Weil sowohl die Musik als auch die Stille erfahrbar Figuren komponiert – in eine Wandlung.“ (John Cage) machen, was sich nicht in Worte fassen lässt, kön- der ‚Orgelfassung‘ entfal- tet wird. nen sie sich gegenseitig entfalten. 2 Berger, Rupert: Pastoralli- Dass Stille heute von zunehmender Bedeutung ist, turgisches Handlexikon 3 David Steindl-Rast: Auf zeigt die Vielzahl von Publikationen, Angeboten, Könnte das nicht eine Perspektive sein für das Ver- dem Weg der Stille, geistlichen Übungen und Einkehrtagen, die beson- hältnis von Klang und Stille in der Fastenzeit? Herder 2016 4 Steindl-Rast weist darauf ders in der Fastenzeit auf ein breites Interesse sto- hin, dass das Wort Mys- ßen. Insofern ist es richtig, gerade in diesen Sich gegenseitig entfalten! terium vom griechischen Wochen der Stille in unseren Gottesdiensten einen Mit wachem Gespür für die subtilen Momente in Tätigkeitswort myein abgeleitet ist, welches so- herausgehobenen Raum zu schaffen. die Stille hineinleiten und sie ebenso behutsam viel bedeutet wie ‚still wieder verlassen. Aus der Spannung der Stille he- bleiben‘ 5 Hirt, Walter: Musikalis- „Zeiten der Stille sind im Gottesdienst heute mehr als raus eine Musik entwickeln und durch sie die Stille che Parameter und litur- je notwendig; ohne sie ist rechtes Hören und wirkliche verdichten. gische Dramaturgie DIÖZESE ROTTENBURG-STUTTGART 5
Liturgie aktuell Klang der Fastenzeit/Zur Klanggestalt des Hochgebetes Vielleicht kann es so gelingen, die Fastenzeit wirk- ten (Gong, Becken, Tamtam, Trommel, Tempel- lich zu einer Zeit des „rechten Hörens“, des Hor- blocks…) chens und der Verinnerlichung werden zu lassen. Einsatzmöglichkeiten: • im improvisatorischen Kontext Eine Anleitung dazu lässt sich nicht geben. Den- • als perkussives Element zu den Kyrie-Rufen oder noch möchte ich ein paar Gedanken sammeln, die Fürbitten weder systematisch noch vollständig sind. Im bes- Dem Nachklang eines Tamtams zu lauschen bis die- ten Fall regen sie zu eigenen Ideen an. ser gänzlich in die Stille führt, kann mitunter zu einer starken Verdichtung führen. VEROR TU NG ZE IT • Stille immer wieder an anderen liturgischen • flexibler Umgang mit der Zeitgestaltung, mal in- Orten innerhalb des Gottesdienstes: während nehaltend, mal voran drängend oder nach der Kommunion, zur Gabenberei- • die Zeit ‚anhalten‘; Elemente einschieben, die tung, nach der Lesung (ein Schweigepsalm), den üblichen Fortgang der Feier gezielt unterbre- nach dem Segen (nur nicht immer!), während chen des Einzugs, nach den Einsetzungsworten… • das Empfinden der Gemeinde mit Unerwarte- • Keine Erwartbarkeit erzeugen, bzw. Erwartungen tem aus der Zeit heben umgehen und Unerwartetes schaffen • Wiederholung einzelner (musikalischer) Ele- mente KL AN GL I C HK EI T UN D KONT RAST • mehrfaches Singen einer thematisch passenden • die Stille mit klanglichen Kontrasten ‚rahmen‘ Liedstrophe an verschiedenen Stellen des Got- • seltenere Klangsprachen wählen, z.B. zeitgenös- tesdienstes sische Musik oder Musik aus Renaissance, Mittel- • das Schweigen dehnen: es bieten sich viele Stel- alter len an; vielleicht auch einmal zu Beginn der • Kontrastierungen von Klangsprachen, Dynamik Feier ein ausgedehntes Schweigen, noch vor dem • neben dynamisch fließenden Übergängen auch liturgischen Gruß (in Verweis auf die Prostratio scharfe klangliche Kontraste nutzen am Karfreitag) • das Gehör für das gesamte dynamische Spek- trum sensibilisieren CRE S CE NDO D ER ST IL LE • die Stille im Verlauf der Fastenzeit stetig wachsen S OL O lassen • bedeutet hier: Reduzierung musikalischer Struk- turen auf eine einzelne Stimme DE CRE SC ENDO DE R KLÄ NG E • ein solistisch gespieltes Melodieinstrument • innerhalb eines Gottesdienstes ein kontinuierli- z.B. Verteilung von Sätzen einer (Bach-)Suite auf ches Decrescendo gestalten, das am Ende in die den Gottesdienst bis hin zu kurzen Stücken aus Stille führt der modernen Literatur Der Palmsonntag könnte z.B. mit einer großen Geste • eine kleine Reihe mit unterschiedlichen Instru- beginnen (Einzug in Jerusalem), deren anfängliche menten an den Fastensonntagen Energie mehr und mehr nachlässt (Passion) und am • der Gedanke auf die Orgel übertragen: einstim- Ende in ehrfürchtige Ruhe mündet (Hinführung zur mige Improvisationen, z.B. im modalen oder Karwoche). freitonalen Stil (farbige Registrierungen) • einstimmige Orgelwerke DE R MOM ENT (z.B. J.S. Bach ‚Pedalexerzitium g-moll‘, • mit hoher Aufmerksamkeit den Moment erspü- O. Messiaen ‚Subtilité des corps glorieux‘, ren und erfassen M. Kagel RAGA, J.P. Leguay ‚Prelude‘, J.B. Robin • den richtigen Zeitpunkt abpassen, ‚Trois solos pour grand orgue‘) an dramaturgisch sensiblen Übergängen geht es oft um wenige Sekunden! I NS TR UMEN TARIU M • schnelles Reagieren auf die Situation • Wechsel oder Erweiterung des Instrumentariums • Spontanität statt Beharren: wenn nötig die Pla- • Verwendung von Klavier, Cembalo oder gar nung verlassen Clavichord (wo die Möglichkeit besteht) • punktueller Einsatz von perkussiven Instrumen- 6 KIRCHENMUSIKALISCHE MITTEILUNGEN 143
G E SAM T K L A NG • das Ohr auf erweiterte klangliche Parameter des Könnten dies nicht auch Töne leisten? Gottesdienstes richten: Glockenzeichen zum Be- Die Herausforderung bleibt. ginn, Altarschellen während der Wandlung u.ä. Befördern diese Klänge den Gesamtgestus der Ich war Gesang, und Gott, der Reim Feier? Vielleicht können sie während der Fasten- rauscht noch in meinem Ohr. zeit punktuell ersetzt werden oder entfallen? Ich werde still und schlicht, und meine Stimme steht; LYR I K es senkte sich mein Angesicht David Steindl-Rast, einer der großen spirituellen zu besserem Gebet. Lehrer unserer Zeit, fasst zusammen: (Rainer Maria Rilke) „Über Stille darf zuletzt nur Dichtung reden. Nur die Worte der Dichter brechen das Schweigen ❖ nicht, sondern lassen es vielmehr zu Wort 6 Steindl-Rast in „Die kommen“.6 Kraft der Stille“ Walter Hirt Zur Klanggestalt des Hochgebetes Das Gotteslob hat nicht nur ein Fülle an neuen Lie- Die Präfation dern erschlossen, sondern auch einen bedeuten- den Beitrag geleistet, um die Akklamationen der „Das Hochgebet, zumindest aber die Präfation Gemeinde zu unterstreichen. Dies trifft in beson- sollte vom Zelebranten in der Regel an Sonntagen derer Weise für die Akklamationen des Hochgebe- gesungen werden, auf jeden Fall aber bei Festen tes zu. Die Klanggestalt des Hochgebetes umfasst und Hochfesten. Denn in der Präfation bringt der jedoch weit mehr als das gesungene Sanctus und Priester im Namen der Gemeinde den Dank der die gesungenen Akklamationen. Es betrifft das Kirche für die Heilstaten Gottes zum Ausdruck. An ganze Hochgebet in seiner Klanggestalt. Dazu zählt den Festtagen wird der allgemeine Dank auf ein be- Walter Hirt Diözesanmusikdirektor auch und besonders die Art und Weise des Spre- stimmtes Heilsmysterium fokussiert. Das an diesen chens, der Zäsuren, der Pausen. Nachfolgende An- Tagen oft verwendete „Heute“ macht deutlich, dass regungen sollen dazu beitragen, die Sensibilität wir nicht vergangener Taten und Ereignisse ge- dafür zu schärfen. denken, sondern dass sie heute in der Kraft des heiligen Geistes Gegenwart sind“ (Rudolf Schwar- Die Kantillation des Hochgebetes zenberg, Prex: Das Gebet schlechthin, in: Andreas durch den Zelebranten Redtenbacher/Helmut Tatzreiter (Hg.), Lebens- quell Eucharistie. Gedanken zur heiligen Messe. Den lobpreisenden und dankenden Charakter des Freiburg i.Br. 2016). eucharistischen Hochgebets entsprechend, ist es sinnvoll, Teile oder auch den gesamten Hochge- Wird das Sanctus vom Chor übernommen, ist die betstext zu kantillieren. Die Kantillation beinhaltet Kantillation der Präfation eigentlich unerlässlich, nicht in erster Linie die musikalisch-ästhetische um durch den gehobenen „Tonus“ die Nachdrück- Dimension, sondern die Dimension des gehobe- lichkeit der Deklamation als auch die formbilden- nen Sprechens. Die melodischen Akzentformeln de Kraft bezüglich der Verbindung von Präfation des Sprechgesangs verdeutlichen den logisch-theo- und Sanctus als Bestandteil des Hochgebetes in logischen Sinngehalt des Textes auf einprägsame einem großen Spannungsbogen erlebbar zu Weise und macht darüber hinaus hörbar, dass machen. dieser Teil der Messfeier in seiner Bedeutung her- vorgehoben wird. DIÖZESE ROTTENBURG-STUTTGART 7
Liturgie aktuell Zur Klanggestalt des Hochgebetes Das Sanctus Eine der prägnantesten liturgietheologischen Er- läuterungen des Sanctus findet sich in dem kost- baren Büchlein von Werner Groß mit dem Titel „Immer und überall zu danken“ (Ostfildern 2000), wenn er darauf verweist, dass der Kirchenvater Jo- hannes Chrysostomus (349/350 – 407) das Sanc- tus erstmals als „Siegeslied“ bezeichnet und ihn zitiert: „Nachdem Christus die Scheidewand zwi- schen Himmel und Erde niedergelegt hatte, hat er uns diesen Lobgesang gebracht.“ Im Gottesdienst, zumal in der Eucharistie, sind Himmel und Erde miteinander verbunden, himmlischer und irdi- scher Lobpreis gehen ineinander über. Ein einziger Lobgesang eint Engel und Menschen, Diesseits und Jenseits. Darin liegt der Urgrund allen Gotteslobes. Der Gesang des Sanctus sollte in seiner melodi- schen Gestalt, in seinem Charakter in Bezug stehen zum Gesicht und zum „Klang“ des Sonntags. So wird man für ein Sanctus an Weihnachten einen Die Kantillation der Präfation und der Gesang des anderen melodischen Gestus suchen als für das Sanctus sollten in einem tonalen Bezug zueinander Sanctus eines Fastensonntags. Bei manchen Sanc- stehen. Gegebenenfalls erfolgt vor der Präfation tus-Gesängen des Gotteslob empfiehlt es sich, die eine (unmerkliche) Tonangabe. Die Höhe des Re- Tonart zu bestimmten Anlässen ggf. höher als zitationston während der Präfation zu halten ist notiert zu wählen (z.B. Nr. 193 oder 198). eine der grundlegenden Anforderungen an den Ze- lebranten. Der Bezug zwischen dem Rezitationston Die Kurzintonation des Organisten zum Sanctus - der Präfation und der Tonart des Sanctus kann wie wenige Akkorde, ggf. auch bewusst auf der Domi- folgt hergestellt werden: nante endend - sollte die Tonart und das Tempo festlegen. Auf diese zu verzichten, führt in der Regel • Bei Sanctus-Gesänge in Es-, F- oder G-Dur liegt zu einem klanglich unbefriedigenden Einstieg der der Anfangston von „Der Herr sei mit euch“ Gemeinde. Nicht selten gerät nämlich das vorge- einen Ganzton über dem Grundton des Sanctus- schriebene und unersetzliche „Dreimal-Heilig“ Gesangs. zum „Zweimal-Heilig“, da die erste Heilig-Anru- • Bei Sanctus-Gesängen in C- oder D-Dur liegt der fung nur angedeutet verstreicht, bis die Gemeinde Anfangston eine (große) Sext über dem Grund- die Tonalität und das Tempo erfasst hat. Aber jede ton, zur Not eine Quinte über dem Grundton. der drei Anrufungen braucht den „Vollklang“, Die Sekunde über dem Grundton wäre theore- denn: „Der Sanctus-Ruf stellt das wichtigste Wort tisch möglich, ist aber wenig „erhebend“. bewusst und betont an seinen Beginn und unter- • Sonderfälle sind der Sanctus-Gesang Gotteslob streicht seine geheimnisvolle Bedeutung durch die Nr. 193. In diesem Fall liegt der Anfangston von dreimalige Aufeinanderfolge. Das dreifache Heilig „Der Herr sei mit euch“ eine Quarte über dem lässt keine Steigerung mehr zu. Stärker und zu- Grundton gleich einfacher lässt sich die Transzendenz Gottes • Bei dem Sanctus-Gesang Nr. 197 sind der An- in diesem Zusammenhang nicht ausdrücken“ fangston von „Der Herr sei mit euch“ und Sanc- (Werner Groß, aaO). tus-Lied identisch Natürlich ist das Sanctus zunächst und grundsätz- lich ein Gesang der Gemeinde. „Die gesamte Ge- meinde vereint sich mit den himmlischen Mächten und singt oder spricht das Sanctus. Dieser Ruf ist Teil des Eucharistischen Hochgebets und wird von allen gemeinsam mit dem Priester vorgetragen“ 8 KIRCHENMUSIKALISCHE MITTEILUNGEN 143
(Allgemeine Einführung in das Messbuch). Noch- hohen Festtages eine solche Messe singt zur höhe- mals: Das Sanctus ist kein selbständiger Gesangs- ren Ehre Gottes und zur Freude aller Teilnehmen- stück, sondern ein Teil im fortlaufenden den, dann wäre es ungerecht, solchem Tun mit der Hochgebet. Dies bleibt in dramaturgischer Hin- Keule der tätigen Teilnahme zu drohen. Dann sicht eine Herausforderung bei zeitlich ausladen- kann die Gemeinde auch einmal „ihre“ Anteile an den Sanctuskompositionen des Chores. Doch wie der Messe an den Chor delegieren und seinem Ge- Länge empfunden wird, ist nicht so sehr eine Frage sang innerlich betend folgen und so sich das Or- der absoluten Dauer, sondern in welcher inneren dinarium der Messe hörend zu eigen machen.“ Anteilnahme das Sanctus hörend mitvollzogen (Michael Kunzler, Liturge sein. Entwurf einer Ars wird. Sind wir hörend so bewegt, dass sich unsere celebrandi. Paderborn, 2017). Innerlich betend – Lippen mitbewegen, vielleicht ohne, dass wir es das ist der springende Punkt hinsichtlich des spi- selbst bemerken? Gerade die „Konzentration“ des rituellen Mehrwerts eines hörenden Mitvollzugs. Zelebranten wird sich an solchen Stellen auf die Das ist participatio actuosa im Wesenskern! Und Feiergemeinde übertragen. Die Konzentration des wer sieht den Himmel nicht offen, wenn Gott im Zelebranten stellt eines der wichtigsten Elemente Beginn des Sanctus von Schuberts As-Dur Messe der Feierkultur dar. nicht im fortissimo, sondern im pianissimo Gott „als der ganz Andere, das Geheimnis schlechthin“ Am Rande bemerkt: Ein Sanctus sprechen? Dies (Werner Groß, aaO) in einer unvergleichlichen wird in der Regel ein absoluter Ausnahmefall „Hörschau“ erahnt wird? bleiben oder die „gelesene Messe“ eines Einzel- zelebranten ohne Gemeinde implizieren. Denn die Die Wandlung Präfation endet ja mit den Worten: „Darum preisen wir dich mit allen Engeln und Heiligen Vor allem an Festen und Hochfesten sollten die und singen vereint mit ihnen das Lob deiner Herr- Wandlungsworte gesungen werden. lichkeit“. Ein intensives Klangereignis kann sich einstellen, Spannend wäre es jedoch, mit der Gemeinde wirk- wenn die Wandlungsworte im Quintabstand zum lich einmal das alttestamentliche Rufen der Sera- Klang der Wandlungsglocke im Turm gesungen phim aus Jesaja 6 zu probieren - in wirklich werden, bewusst in einem abgesetzt langsameren hallendem Rufen, einige Männer mit großen Tempo zur Deklamation der anderen Teile des Schalltrichtern versehen, die Ministranten im „Al- Hochgebetes! tarschellentutti“, die Orgel mit Posaunenakkorden, die Kommunionhelfer (ja diese!) mit allen Weih- Die Wandlungsworte rauchfässern, die in der Seelsorgeeinheit aufzutrei- ben sind (was die Chorsoprane ja sonst hassen, Müssten diese Worte nicht so gesprochen oder ge- wenn sie im Sanctus ziemlich oft das a‘‘ zu singen sungen werden, dass in der feiernden Gemeinde haben). Dieses Rufen der Gemeinde müsste koordi- die Empfindung geweckt wird, sie zum ersten Mal niert werden, was am besten dadurch geschieht, dass zu hören? Müsste der Zelebrant sie nicht in dem man den Sprechrhythmus von einem der Gemeinde Bewusstsein sprechen oder singen, sie zum letzten gut bekannten Sanctusgesang (z.B. GL Nr. 197) ab- Mal zu sprechen oder zu singen, zum allerletzten leitet. Der anschließende Übergang in die „Echostil- Mal? Nicht weil er die Szene des letzten Abend- le“ zur Wandlung hin will gut überlegt sein. mahles nachspielt, wie dies in Oberammergau bei den Passionsspielen geschieht, sondern weil er sich Also: Viel öfters noch ist die Klanglichkeit unserer der unermesslichen Relevanz dieses Vorgangs be- Gottesdienste auszuweiten – auf alles, was hörbar wusst wird – auch für sein priesterliches Leben be- ist. „Ja, du bist heilig, großer Gott, du bist der wusst wird, immer wieder neu? Im dritten Quell aller Heiligkeit“ – mit dieser Überzeugung Gottesdienst an einem Wochenende nicht immer, jedes Einzelnen kann das Wesentliche bei solch aber vielleicht doch immer wieder? einem Unterfangen nicht schief laufen. Ohne diese - so ziemlich alles….. Die Gemeinde kommt zum Gottesdienst, weil sie sich dort einen Kraftort für ihren Glauben erhofft. Doch zurück zur Frage, ob das Sanctus immer und „Dort“ heißt aber auch, dass sie den Kraftort in der ausschließlich von der Gemeinde gesungen wer- Person des Zelebranten sucht. Im „Per-sonare“ den muss. „Wenn ein Chor aber anlässlich eines klingt Glaubensstärke durch. DIÖZESE ROTTENBURG-STUTTGART 9
Liturgie aktuell Zur Klanggestalt des Hochgebetes Der Klangleib der Worte in der Liturgie ist nicht äs- lebrant zu bedenken hat, dass der melodische Am- thetischer Zierrat, sondern substantieller Bestand- bitus der antwortenden Gemeinde über seinem ei- teil ihrer Botschaft! Glaubensstärke kann man genen liegt! hören. „Die Liturgie kann nicht schwach werden, schwach werden kann unser Glaube“. Die Antwort „Deinen Tod, o Herr, verkünden wir“ (Ph. Harnoncourt). sollte in den zahlreichen Möglichkeiten, die das Gotteslob oder verschiedene Vertonungen für Chor Übrigens: Wer als Organist bei den Wandlungswor- bieten, ausgeschöpft werden. Unverzichtbar dabei ten auf der Orgelbank sitzen bleibt, ist auf dem ist das musikalische Gelingen der vom Priester besten Weg, ihn zu verlieren. oder Diakon gesungenen Einleitung „Geheimnis des Glaubens“, besonders in der alternativen Form GL 746,1. 746,2 Deinen Tod, o Herr verkünden wir Text: Liturgie Melodie: Norbert M. Becker (*1962) ‰ œj œj œj œj j ° b4 Satz: Rudi Schäfer Mysterium fidei: Alles christliche Tun, besonders & 4 ∑ Ó Œ ™™ œ œ œ J J J J œJ das liturgische, hat die sakramentale Dimension j j j j j Dei nen Tod, o Herr, ver - kün-den der Wirklichkeit zur Geltung zu bringen. Denn ? 4 ∑ Ó Œ ™™ œ œ œ ‰ œJ œJ œJ œJ œ ¢ b4 J „Himmel und Erde sind (!) erfüllt von deiner Herr- Dei nen Tod, o Herr, ver - kün-den lichkeit“. 4 j &b 4 Ó œ œœ œœ œœ Œ ™™ œ œ œœ ‰ œ œ̇ œ œ œ œœ œœœ œœœ œœœ œœœ œœœ œ œ { œJ ‰ j ?b4 œ œ œ œ Ó œ œœ Akustische Zeichen im Hochgebet als Hörhilfe? œœ œœ œœ Œ ™™ œ œ œ œ̇ œ 4 Weitgehend unerschlossen ist die Verstärkung der j ° b ‰ œj œj œj œ œj œj œj 4 Œ œ œ Œ œœ Hörkonzentration auf das Hochgebet durch wohl- & œ J J J J œ œœ J J J dosierte „akustische Zeichen“. Das vertrauteste ist wir, und dei - ne Auf - er - ste - hung prei - sen wir, bis du j j œj œ œ œ œ œj œj œj œj œ œ œ die Wandlungsglocke im Kirchturm, Signal des ? œ Œ ‰ J J J J J J J Œ œ œ ¢ b Auf-Horchens (nicht nur für jene, die am Gottes- wir, und dei - ne Auf - er - ste - hung prei - sen wir, bis du dienst teilnehmen, sondern Signal für jene Ge- & b œœ Œ ‰ œj œœ œ œ̇ œ œ̇ œ œ œ œœ Œ œœ œœ meindemitglieder, die – aus welchem Grund auch œ { J ‰ œj œ œ ˙ œ Œ ˙ immer – nicht zum Gottesdienst kommen konn- ? b œœ ˙ œ œ̇ œ œ œ œ œ ™ œ œ ten). Die Wandlungsglocke als „Bordunton“ auf einen kantillierten Teil des Hochgebetes während 2. U ° b œ j und nach der Wandlung, z.B. im Quintabstand œœ œj œ 7 & œ Œ œœ Œ Œ ˙˙ ˙˙ ˙™ œœ ™™ ˙ẇ 1. œ ˙˙ ˙˙ J J u zum Rezitationston, hat eine starke Wirkung hin- kommst, bis du kommst, in Herr - lich - keit. keit. U sichtlich der atmosphärischen Dichte, der Erha- œ œ œj œj œ œœœ ˙˙ ˙˙ ˙˙ ™ œ ˙ ? œ ™™ ẇ benheit. Wollte man diese Dichte nach der Œ #œ œ œ œ Œ Œ b˙ ˙ ˙™ w ¢ b J J u Wandlung mit derselben Idee einer „Klang-Aura“ kommst, bis du kommst, in Herr - lich - keit. keit. 2. U mithilfe von Orgelklängen weiterführen, müsste & b œœ Œ œœ Œ Œ ˙˙ ˙˙ ˙™ œœ ™™ ˙ẇ 1. œœ œœ œœ œœ ˙˙ ˙˙ { dies „unhörbar-hörbar“ gestaltet werden: Die Kan- u œ Œ Œ Œ ˙˙ œœ ˙ ˙˙ tillation (oder das erhobene Sprechen) des Pries- ?b œ œ #œœ œ œœ œ œœ œ œ œ bœ̇ œ̇ ˙ œ ™™ ˙˙ ˙ œ bœ œ œ ˙ ters würde getragen von dieser Aura, die so u transparent ist wie es die Sonnenstrahlen durch 137 den Weihrauch im Kirchenschiff sind. Das könnten flächige Klänge oder „langdrehende Kantilenen- Mobile“ an den Rändern der Hörbarkeit der Orgel Geheimnis des Glaubens sein. Wo gibt es (noch) solche Orgelregister? „Auf den ersten Blick scheint die an verschiedenen Werden die Wandlungsworte gesprochen, so sollte Orten in Frankreich übliche Praxis, hin und wieder wenigstens an Sonntagen die Akklamation „Ge- den Vortrag des Vorstehers durch Orgelmusik zu heimnis des Glaubens/Deinen Tod, o Herr“ gesun- untermalen, der genannten Bestimmung zuwider- gen werden. Dabei ist die Wahl der Tonhöhe zulaufen. Doch liegt hier ein anderer Fall vor als immer Gradmesser für den „Tonus“, die musika- der in der Allgemeinen Einführung zum Messbuch, lisch-dramaturgische Spannung. Auch hier: An Artikel 12 gemeinte („..auch Orgel und andere Mu- Ostern höher als im Advent, an einem Fest höher sikinstrumente sollen [während der Priester als an einem Sonntag im Jahreskreis. Wobei der Ze- spricht] schweigen“). Es soll nämlich mit dieser 10 KIRCHENMUSIKALISCHE MITTEILUNGEN 143
Orgelmusik nicht etwas vom Eucharistischen doch im Verlauf der Eucharistiefeier genug gibt. Hochgebet Ablenkendes stattfinden, sondern der Und ob dieser einzige Abschnitt, in der in unseren Vortrag des Vorstehers wird unterstrichen, in sei- Gottesdiensten überhaupt noch eine konzentrierte nem feierlichen Charakter verstärkt, und zugleich Gebetsatmosphäre zu erfahren ist, eine Atmosphä- wird ein neues Hinhören und Erschließen bewirkt“ re, in der endlich einmal Verlangsamung von Zeit (Birgit Jeggle-Merz/Harald Schützeichel, Eucharis- bis hin zur Aufhebung der Zeit verspürt werden tiefeier, in: Harald Schützeichel (Hg.), Die Messe. kann, ob die Gebetshingabe des Priesters für und Düsseldorf 1991). Wenn mit „Untermalen“ einfach vor seiner Gemeinde immer wieder herausgerissen Hintergrundmusik, Wellness-Sound oder eine werden muss aus einer konzentrierter Sammlung. Klangtapete als romantisches Akkordgezwirn ge- meint wäre, dann wäre das zu geistlos. Es müssten Doxologie und Amen lichte Klanggesten sein, klingende Stille mit Ver- weischarakter, gesummte Pausen, die organisch Nicht nur die Schlussdoxologie, sondern das ganze zum Bestandteil des Klangleibs des Hochgebetes eucharistische Hochgebet wird von der Gemeinde werden, sie müssten diese großen Worte tragen durch die Akklamation „Amen“ bestätigt. „Es ist das und eine Hörhilfe sein, damit die Menschen mit wichtigste Amen der ganzen Messe“ (Inaestimabile „hörendem Herzen“ diese nicht nur hören, son- donum. Instruktion der Kongregation für die Sakra- dern empfangen. mente und den Gottesdienst von 1980, Nr. 4). Die Einfügung von Kurzakklamationen in das Gelegentlich begegnet man der Gewohnheit, dass Hochgebet? die Doxologie von der ganzen Versammlung ge- sprochen oder gesungen wird. Das „Durch ihn und In der liturgischen Fachliteratur lassen sich Anre- mit ihm und in ihm“ hat aber nicht den Charakter gungen finden, das Hochgebet mit Akklamationen einer Gemeinde-Akklamation, sondern bildet den der Gemeinde zu unterbrechen, um zum Ausdruck Abschluss des Hochgebetes. Wie bei anderen Ge- zu bringen, dass das Hochgebet als das höchste betsschlüssen (z.B. „darum bitten wir durch Jesus aller Gebete zwar der Priester als Einzelperson Christus, unseren Herrn“) hat es die Funktion, das spricht, dieses aber vor Gott bringt im Auftrag der gemeinsame, zustimmende Amen der Gemeinde Gemeinde, die die Aussagen, Bitten, Lobpreisun- zu ermöglichen. gen des Hochgebetes bekräftigen und sich dadurch aktiv zu eigen machen. Dadurch könne auch der „Die Schlussdoxologie ist noch Teil des eucharisti- dramaturgische Absturz nach dem Sanctus, wenn schen Hochgebetes, dessen Vollzug allein dem die Gemeinde „in die Bänke kracht und ins Nirwa- Priester und den priesterlichen Konzelebranten zu- na abtaucht“ - wie es einmal ein in liturgischen Fra- kommt. Der Part, welcher der Gemeinde zu- gen bestens informierter Domkapellmeister kommt, ist das „Amen“, das sich damit das vom formuliert hat – vermieden und der zweite Gipfel Priester vorgebetete Hochgebet zu eigen macht, so- der Spannungskurve innerhalb der Eucharistiefeier zusagen unterschreibt, wie Augustinus sagt: „Zu (der erste ist das Evangelium) als ganzes „Gipfel- diesem sagt ihr „Amen“. „Amen“ sagen heißt un- plateau“ gestaltet werden. Diese Idee ist in den terschreiben“. Hochgebeten für Gottesdienste mit Kindern ver- wirklicht. Vielleicht ist die Frage angebracht, dieses Der Liturgiewissenschaftler Balthasar Fischer hat es Prinzip für andere Hochgebete auszuloten. Da ist so formuliert: „Alle sind eingetreten in die Hinga- etwas Wahres dran. Eine beispielhafte Erweiterung be, in das große Ja Christi zum Willen seines des IV. Hochgebets mit zusätzlichen Akklamatio- himmlischen Vaters. Deshalb rufen alle am Ende nen hat ein Arbeitskreis innerhalb der Altenberger des großen Gebetes wie aus einem Munde: Amen!“ „Werkgemeinschaft für Musik“ erarbeitet (ausno- Dieses Amen ist also von nicht geringer Bedeutung tiert in: Birgit Jeggle-Merz/Harald Schützeichel, und sollte besonders gestaltet werden, vor allem aaO). ausladender, vielleicht durch eine dreimalige Wie- derholung, wie es auch die von Jean-Paul Lecot ver- Andererseits muss die Frage gestattet sein, warum tonte und in den französischsprachigen Ländern diese einzige Stunde in der Woche, in der man we- sehr beliebte und verbreitete Schlussdoxologie nigstens beim Hochgebet zur Herzensruhe mit sei- tut…“ (Kunzler, aaO). nem Herrgott kommen kann, auch noch von äußeren Aktivitäten geprägt sein muss, derer es https://www.youtube.com/watch?v=yMB3yxQNvS0 DIÖZESE ROTTENBURG-STUTTGART 11
Liturgie aktuell Zur Klanggestalt des Hochgebetes Das „Amen“ der Gemeinde am Ende des Hochge- sition um einen Ganzton nach oben – dann sind betes braucht vor allem eine längere Form, um die ersten beiden Töne des Zelebranten e -g . diese tiefe Bedeutung und Funktion auch klanglich erfahrbar zu machen. Dies ist eigentlich nur durch Das „Amen“ der (stehenden!) Gemeinde kann den gesungenen Vollzug zu erreichen. Vorausset- durch eine Chorcoda fortgeführt und gesteigert zung dazu ist die vorausgehend gesungene Doxo- werden. Auch hier bietet das Gotteslob sowie das logie des Zelebranten. Wenn die Akklamation Chorbuch zum Gotteslob für die Diözese Rotten- durch Orgelbegleitung unterstützt wird, empfiehlt burg-Stuttgart ein Fülle an Möglichkeiten, welche es sich, dem Vorsteher vor Beginn der Doxologie vielerorts noch zu heben sind. den Rezitationston (unauffällig) anzugeben. Die Orgelbegleitung ist dann notwendig, wenn das Vater-unser klassische, dreitönige Amen der Gemeinde musi- kalisch weitergeführt werden soll – entweder durch Nach einem ausladenden Amen sollte nach Mög- die Gemeinde oder durch den Chor. lichkeit auch das Vater-unser gesungen werden, um den Spannungsbogen fortzusetzen. Dazu bietet das Gotteslob zahlreiche Möglichkeiten, die zum größten Teil noch für die liturgische Praxis Die Weite der Liturgie entdeckt werden müssen. Zum Beispiel GL 746, 7: Die Doxologie des Zelebranten (auf die Melodie des Besonders beim Hochgebet gilt: Die Weite der Messbuches) beginnt auf dem Ton d‘ (der vom Or- Liturgie lebt von ihrer geistlichen Tiefe. ganisten am besten mit dem Anfangsintervall d -f Nur wer das Hochgebet in seiner geistlich-theolo- angegeben wird). Der Kanon wird zuerst einmal gischen Bedeutung erfasst hat, wird, warum darin einstimmig durchgesungen, bevor man in den in heilstheologischer Hinsicht Himmel und Erde, Kanon überleitet. Empfehlenswert ist die Transpo- Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zusam- menfallen. b 588,8a Amen &b œ ¿w¿ œ œ œ œ œ œ œ œ œ Danach gilt es, konkret zu werden. „Nicht zuletzt P Durch ihn ... jetzt und in E - wig - keit. A A - men. Text: Liturgie ist das Vorbild von uns Priestern für die Pflege li- Musik: Orlando Gibbons (1583–1625) turgischen Gesangs und der Musik im Gottesdienst ° b œ ˙ Einrichtung: Matthias Kreuels bœ bœ Chor (anschließend) &b œ œ œ w bw von herausragender Bedeutung. Wenn wir nicht A - - - men, a - - - - men. b singen, dann brauchen wir uns auch nicht zu wun- &b œ œ ˙™ bœ w ˙ bw A - - - - men, a - - - - men. dern, dass die musikalische Kultur in unseren Got- b w™ w w &b œ bœ œ œ œ bœ tesdiensten sinkt. Es gibt Teile der Messliturgie, die œ ‹ A - - - - men, a - - - - men. verlangen einfach danach, gesungen zu werden, ? bb ˙ b˙ ˙ œ w ¢ bœ bw zum Beispiel die Präfation. Aber auch alle anderen A - - - men, a - - - - men. Teile, von liturgischen Grüßen, über die Präsidial- b & b bb œ ¿w¿ gebete bis hin zur Schlussdoxologie des Eucharisti- 588,8b Amen œ œ œ œ œ œ œ œ œ P Durch ihn ... jetzt und in E - wig - keit. A A - men. schen Hochgebetes und zum Vater unser, sind Text: Liturgie Musik: Stephan Rommelspacher 2011 gesungen um vieles schöner, als wenn sie nur ge- ° bb b 4 & b 2 ˙ œ ™™ œj ˙ ˙ w ˙ œ ™ œj ˙ ˙˙ ẇ ˙ ẇ ˙˙ ˙˙ ẇ ¿¿w J ẇ ˙ w ™J ˙ ˙ w¿¿ sprochen werden. Auch wird eine abgestufte Feier- A - men, A - men, A - men, A - men, A - men, A - men, A- men, A - men. lichkeit an Festtagen, Sonntagen und Wochentagen ? b b 4 ˙ œ™ œj ˙ ˙˙ ˙ ˙˙ w ˙ œ™ œj ˙ ˙ w w w w ˙ œ˙ œ ẇ ˙ ¿w¿ für eine entsprechende Abwechslung sorgen. Nur: ¢ bb 2 J ˙ w J ¿w¿ Wir Priester sind nicht nur Vorbilder, sondern auch ## oft genug Initiatoren für die Hebung des musikali- 588,8c Amen & # œ ¿w¿ œ œ œ œ œ œ œ œ œ P Durch ihn ... jetzt und in E - wig - keit. A A - men. schen Niveaus in unseren Gottesdiensten. Nie- Text: Liturgie Musik: Richard Wagner (Dresdner Amen) mand sollte sich vorschnell damit entschuldigen, ° ### c j œ œ œ œ U w er sei unmusikalisch oder schlechthin ein „Amu- & ˙ œ™ œ ˙ œ œ œ w J œ S A sus“, der einfach nicht singen könne. Vielleicht hilft A - - - men, A - - - men. ## j œ œ̇ einmal ein einsamer Waldspaziergang mit einem œ œ w T1 T2 & # c ˙ œ™ œ ˙ J ˙ w musikalischen Mitbruder, wo man ungestört und ‹ A - - - men, A - - - men. völlig angstfrei liturgisch zu singen übt und plötz- ? ### c ˙ œ ™™ œj ˙ ˙˙ œ œ U w w B1 B2 ¢ J ˙ w lich entdeckt, dass man es ja eigentlich kann, viel- ❖ A - - - men, A - - - men. leicht sogar ziemlich gut.“ (Michael Kunzler, aaO). 92 12 KIRCHENMUSIKALISCHE MITTEILUNGEN 143
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