Klagenfurter Geographische Schriften Heft 28 - Eine Zukunft für die Landschaften Europas und die Europäische Landschaftskonvention

 
WEITER LESEN
Klagenfurter Geographische Schriften Heft 28 - Eine Zukunft für die Landschaften Europas und die Europäische Landschaftskonvention
Klagenfurter
                 Geographische
                 Schriften Heft 28
                 Institut für Geographie und Regionalforschung
                 der Universität Klagenfurt 2012

Hans Peter JESCHKE und Peter MANDL (Hrsg.)

Eine Zukunft für die Landschaften Europas
und die Europäische Landschaftskonvention
Klagenfurter Geographische Schriften Heft 28 - Eine Zukunft für die Landschaften Europas und die Europäische Landschaftskonvention
Titelblatt: „Unsere Umwelt beginnt in der Wohnung und endet in der Weite der Landschaft“
Aus: IVWSR (1973): Wiener Empfehlungen. Luxemburg. In: Jeschke, Hans Peter (Hrsg.)
    (1982): Problem Umweltgestaltung. Ausgewählte Bestandsaufnahme, Probleme, Thesen
    und Vorschläge zu Raumordnung, Orts- und Stadtgestaltung, Ortsbild- und
    Denkmalschutz, Landschaftspflege und Umweltschutz. Verlag Stocker, Graz.
    (= Schriftenreihe für Agrarpolitik und Agrarsoziologie, Sonderband 1)

Medieninhaber (Herausgeber und Verleger):
Institut für Geographie und Regionalforschung der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt
Universitätsstraße 65-67, A-9020 Klagenfurt

Herausgeber der Reihe:       Ass.-Prof. Mag. Dr. Peter MANDL
                             Prof. Mag. Dr. Friedrich PALENCSAR

Schriftleitung:              Prof. Mag. Dr. Friedrich PALENCSAR

Redaktionelle Betreuung:     Dipl.-Ing. Stefan JÖBSTL, Bakk.
Webdesign und –handling:     Natalie SCHÖTTL, Dipl.-Geogr. Philipp AUFENVENNE

ISBN 978-3-901259-10-4

Webadresse: http://geo.aau.at/kgs28
Klagenfurter Geographische Schriften Heft 28 - Eine Zukunft für die Landschaften Europas und die Europäische Landschaftskonvention
Hans Peter Jeschke, Peter Mandl (Hrsg.) (2012): Eine Zukunft für die Landschaften Europas und
die Europäische Landschaftskonvention. Institut für Geographie und Regionalforschung an der
Alpen-Adria Universität Klagenfurt. Klagenfurter Geographische Schriften, Heft 28.

                   DIE KULTURGÜTERDATENBANK DER STADT WIEN

                                        Manfred WEHDORN

1. Einleitung
Der Aufbau jeder Kulturgüterdatenbank wird durch drei Fragen bestimmt:
- Für wen wird inventarisiert?
- Warum, das heißt, für welchen Zweck ?
- Was und wie, bzw. in welcher Form wird inventarisiert?

Für Wien sind die Fragen einfach zu beantworten:
Wien ist sich – als kulturell und historisch vielschichtig geprägte Stadt – der Verantwortung
für Ihr historisches Erbe bewusst. Nur eine konsequent durchgeführte Inventarisation auf
wissenschaftlicher Basis ermöglicht letztendlich auch die Kontrolle über den möglichen
Ausbau der historischen Bausubstanz einer Stadt. Der Aufbau einer Kulturgüterdatenbank ist
aber auch Teil einer gezielten Bürgerinformation, also politisches Instrument.

Historisch gesehen, geht die Wiener Kulturgüterdatenbank auf die sogenannte
Altstadterhaltungsnovelle aus dem Jahr 1972 zurück (LGBL. für Wien, Nr. 16/1972), mit der
entsprechenden Bestimmungen zum Schutz der Altstadt in die Bauordnung aufgenommen
wurden ("Ensembleschutz"). Wesentliches Mittel hierfür war die Festlegung von
Schutzzonen, die seither in den Flächenwidmungs- und Bebauungsplänen der Stadt Wien
ausgewiesen werden. Als die beiden ersten Wiener Schutzzonen beschloss man bekanntlich
den Wiener Spittelberg und den ehemaligen Ortskern von Altmannsdorf um den Khleslplatz.
Als größte zusammenhängende Schutzzone gilt die Wiener Innenstadt, die ebenfalls bereits
1973 vom Wiener Gemeinderat beschlossen wurde.

Abb. 1: Blick über die Wiener Innenstadt, vom Wiener Gemeinderat am 20.12.1973 zur Schutzzone
erklärt (© Stadt Wien, MA 18)

                                                  800
Klagenfurter Geographische Schriften Heft 28 - Eine Zukunft für die Landschaften Europas und die Europäische Landschaftskonvention
DIE KULTURGÜTERDATENBANK DER STADT WIEN                                 801
___________________________________________________________________________
Die Kulturgüterdatenbank der Stadt Wien in ihrer heutigen Form ist in Zusammenhang mit
der Erneuerung der Wiener Schutzzonenmethodik zu sehen, die zu Beginn der neunziger
Jahres des 20. Jahrhunderts – nach rund zwanzig Jahren Erfahrung mit dem
Schutzzonengesetz – in Angriff genommen wurde. Eine kritische Analyse zeigte damals, dass
in Wien ein Mangel vor allem auf den Gebieten der Grundlagenaufbereitung und der
Inventarisierung bestand. Unter Einbeziehung internationaler Erfahrungen wurde in der Folge
eine wissenschaftliche Inventarisierung des baulichen Erbes auf computerisierter Basis
erarbeitet, die über das GIS-System (Geographisches Informations-System) der Stadt Wien
auf elektronischem Wege auch graphisch in Form von Übersichtskarten abrufbar ist:
www.wien.gv.at/kulturportal/public/grafik.aspx?ThemePage=1&RadioButtonState=1111111011111

2. Das aktuelle Schutzzonenmodell als Basis der Kulturgüterdatenbank.
  Zu Methodik, Durchführung und Stand der Inventarisierung

Im Rahmen des aktuellen Schutzzonenmodells wurde – obwohl dies gesetzlich nicht
verankert ist – eine Differenzierung der Bausubstanz in erhaltenswerte Objekte und
Füllobjekte als sinnvoll und notwendig erachtet und mit dieser Differenzierung eine nahezu
flächendeckende und phasenweise Untersuchung der bedeutenden Wiener Bausubstanz
durchgeführt.

Hierbei bedeuten:
Erhaltenswerte Objekte:
Das sind solche Objekte, die von ihrem Erscheinungsbild und ihrer Qualität her für das
Ensemble als integrierend zu betrachten sind und daher einem generellen Abbruchverbot
unterliegen. Der Schutz dieser Objekte bezieht sich sowohl auf Bauform und Gestalt als auch
auf historische Baumaterialien. Primär geschützt werden sollen der Straßentrakt mit seiner
Hauptfassade mit öffentlichen Durchgängen, Dachbereichen samt Dachaufbauten usw.;
Zusätzlich werden die erhaltenswerten Objekte in zwei Kategorien differenziert: A – das sind
Objekte mit hohem Originalzustand, überregionaler Bedeutung und Qualität, sowie B – das
sind gut erhaltene Objekte von regionaler (lokaler) Bedeutung, deren Erhaltung vor allem
aufgrund des Ensemblewertes notwendig erscheint.

Füllobjekte:
Dies sind Objekte, welche aufgrund ihrer architektonischen und städtebaulichen Qualität
keinen bestimmenden Bestandteil des Ensembles darstellen. Veränderungen, Teilabbrüche
und Abbrüche des gesamten Gebäudes sind grundsätzlich möglich.

Diese Differenzierung der Bausubstanz ist, wie bereits eingangs erwähnt, mit keiner
rechtsverbindlichen Wirkung verbunden; sie stellt lediglich eine erste und diskutierbare
Einschätzung des Objektbestandes dar.
Klagenfurter Geographische Schriften Heft 28 - Eine Zukunft für die Landschaften Europas und die Europäische Landschaftskonvention
802                                                        MANFRED WEHDORN
___________________________________________________________________________
Die einzelnen Phasen der Inventarisierung umfassten (vergleiche hierzu Abb. 2):

Phase 1 – Erfassung vorhandener Daten:
Zu Beginn der Inventarisation wurden ca. 25.000 Hausbeschreibungen aus der Fachliteratur
wie auch aus anderen Quellen (wie z. B. Archivbestände aus dem Bundesdenkmalamt und
dem Kulturamt der Stadt Wien) digital erfasst sowie eine Verknüpfung dieser Daten mit dem
Grafischen Informationssystem der Stadt Wien (Vienna-GIS) hergestellt.

Phase 2 – Schnellinventarisierung:
Nach einer Eu-weiten Ausschreibung wurden sieben Architektenteams beauftragt, eine
Felduntersuchung von speziell ausgewiesenen Bereichen des Stadtgebietes durchzuführen,
wobei das Hauptaugenmerk auf noch nicht erfasste, schützenswerte Ensembles gelegt wurde.
Die hierbei durchgeführten Untersuchungen dienten einerseits der flächendeckenden
Gebäudebewertung und – daraus abgeleitet – einer Feststellung eventuell neuer
Schutzzonengebiete sowie andererseits einer Analyse des Stadtbildes (Stadtstruktureller
Plan).
Die Erhebung umfasste zahlreiche Daten, bzw. Bauperiode, Bedeutung der Objekte (für die
Stadt, den Bezirk, das Ensemble, den Städtebau, die Architektur), bauhistorische und
baukünstlerische Werte und Fassadenzustand.
Diese Daten können auch über das Vienna-GIS zusammengeführt und so flächendeckende
Pläne zu den unterschiedlichen Themenbereichen erstellt werden. Von den einzelnen
Gebäuden wurden auch Fotos angefertigt, digital verarbeitet und mit dem Vienna-GIS
verknüpft.
Klagenfurter Geographische Schriften Heft 28 - Eine Zukunft für die Landschaften Europas und die Europäische Landschaftskonvention
DIE KULTURGÜTERDATENBANK DER STADT WIEN                                 803
___________________________________________________________________________
Alle Daten wurden in einem weiteren Arbeitsschritt analysiert und die Bausubstanz in Form
eines Kategorieplans in erhaltenswerte Gebäude und Füllobjekte differenziert.
Daraus wurden in weiterer Folge Vorschläge für Modifikationen bestehender Schutzzonen
bzw. für neu erkannte und noch zu diskutierende Ensemblebereiche erstellt.
Die Schnellinventarisierung konnte bereits 2002 abgeschlossen werden, 52.000 Gebäude
wurden erfasst und bewertet.

Phase 3 – Basisinventarisierung:
Die erhaltenswerten Gebäude in den bestehenden Schutzzonen werden in der
Basisinventarisierung mittels Daten aus dem jeweiligen Bauakt umfassend erfasst, analysiert,
die vorhandene Bewertung eventuell korrigiert und vorhandene Gestaltungsspielräume
aufgezeigt. Die Basisinventarisierung der inneren Bezirke, vor allem jene der Kern- und
Pufferzone des Weltkulturerbegebietes, ist nahezu abgeschlossen und wurde beginnend mit
dem Jahr 2006, für die äußeren Bezirke fortgesetzt.

Zur Statistik ist in diesem Zusammenhang festzuhalten: Die Zahl der Schutzzonen in Wien
beträgt 135 und umfasst insgesamt ca. 24.640 Einzelobjekte. Hiervon wurden
ca. 16.740 Objekte als erhaltenswert (A bzw. B – Objekte) evaluiert. Die schützenswerte
Anzahl von Einzelobjekten in Schutzzonen beträgt daher ca. 10 % des gesamten
Gebäudebestandes in Wien.

Nachdem der Kulturgüterkataster derzeit über etwa 60.000 Einzelobjekte verfügt, zeigt dies,
dass die Zahl der Eintragungen weit über die Zahl der in Schutzzonen liegenden Objekte
hinausgeht.

Verwendete Datensysteme:
Die EDV-technische Realisierung des Schutzzonenmodells beinhaltet drei Datensysteme:
- MS-ACCESS-Datenbank
  Die Eingabe und Bearbeitung der Sachdaten erfolgt mittels MS-ACESS. Entsprechende
  Formblätter in MS-ACESS greifen über ODBC mittels SQL-Statements auf die
  ORACLE-Datenbank zu.

- ORACLE-Datenbank
  Herzstück des Schutzzonenmodells ist aus EDV-technischer Sicht die ORACLE-
  Datenbank. In ihr werden sämtliche Sachinformationen zu den einzelnen Objekten
  gespeichert. Die ORACLE-Datenbank ist auf einem UNIX-Server installiert, der
  ebenfalls das GIS beinhaltet.

- Vienna GIS
  Geographisches Informationssystem der Stadt Wien.
804                                                        MANFRED WEHDORN
___________________________________________________________________________
Vienna-GIS ist eine Geodateninfrastruktur, die – entwickelt und betrieben von der
Magistratsabteilung 14 - ADV – dafür sorgt, dass Verwaltungsverfahren durch die
Verknüpfung mit Geoinformation in der Qualität gesteigert und im Ablauf beschleunigt
werden können, sodass die Geoinformationen der Stadt Wien, die bisher eher einem "elitären"
Kreis zugänglich waren, in Zukunft weit barrierefreier bereitgestellt werden können.

Ermöglichst wird dies durch eine weltweite Norm zum Austausch von Geodaten, nämlich die
Webservice-Schnittstellen des Open GIS Konsortiums, welche auch von Vienna-GIS bereits
unterstützt werden. Geoinformationen, die gemäß der OGC-Schnittstelle bereitgestellt
werden, können – sofern es die Zugriffsrechte zulassen – weltweit genutzt, verschnitten und
ausgetauscht werden.

Neben den technologischen Herausforderungen bedarf es transparenter Bestimmungen für
den Zugang zur Geoinformation. Die PSI (public sector information) Richtlinie sowie das
Informationsweiterverwendungsgesetz (IWG) schaffen den gesetzlichen Rahmen, um
Geoinformation auch tatsächlich jedem Bürger, jeder Bürgerin, nicht zuletzt aber der
"Wirtschaft" im Allgemeinen, zugänglich zu machen.

                                                         Abb. 3: Auszug aus dem Schutzzonen –
                                                         Informationssystem der Stadt Wien (©
                                                         Stadt Wien, MA 19)
DIE KULTURGÜTERDATENBANK DER STADT WIEN                                 805
___________________________________________________________________________
3. Applikationen zur Kulturgüterdatenbank der Stadt Wien

Der Franziszeische Kataster

Kaiser Franz I. von Österreich gelang es, die gesetzlichen und technischen Hindernisse
wegzuräumen und einen vollkommenen Wandel in der Steuerpolitik des Habsburgerreiches
zu schaffen. Durch sein Grundsteuerpatent vom 23. Dezember 1817 hat er im wahrsten Sinn
des Wortes den Österreichischen Grundkataster gestiftet; die Leitlinien dieses Patents gelten
im Wesentlichen auch heute noch. Kataster wird nach seinem Schöpfer auch = der
franziszeischer oder stabiler Kataster genannt. Stabil deshalb, weil die für die
Steuerbemessung maßgeblichen Reinertragssätze – ohne Rücksicht auf etwaige höhere
Ergiebigkeit bei besonderem Fleiß – unveränderlich sein sollten, es sei denn, dass durch
Naturereignisse die Fruchtbarkeit des Bodens ganz oder teilweise verloren ging.

Die Franziszeische Katastralvermessung sollte auf geodätischen, also wissenschaftlichen
Grundlagen erstellt werden. Infolge der Erdkrümmung können praktisch nur Teile des
Meeresspiegels im Durchmesser von 25 – 30 km als eben angesehen werden (Fischer, 1995,
S. 39f). Durch die Digitalisierung des Kartenmaterials können die stadtstrukturellen
Veränderungsschritte noch besser nachvollzogen werden.

Bevor nun dieser Kataster digitalisiert und transformiert wurde, wurde seine Genauigkeit
überprüft. Die Aufgabenstellung lautete, eine Genauigkeitsanalyse und eine Transformation
des franziszeischen Katasters für den 3. Wiener Gemeindebezirk zu erstellen. Im Sommer
1996 wurde eine Transformation des franziszeischen Katasters für den 1. Bezirk durchgeführt.
Auf Grund der hohen Anzahl an identen Objekten konnte dort eine Transformation "Haus für
Haus" durchgeführt werden. Nicht idente Bereiche wurden mit identen Objekten mit
transformiert. Ident bedeutet hier noch heute vorhandene Objekte, die auch schon zur Zeit des
franziszeischen Katasters existiert haben und planlich dargestellt wurden.
806                                                        MANFRED WEHDORN
___________________________________________________________________________

                                               Abb. 4: Ausschnitt aus dem digitalisierten
                                               franziszeischen Kataster
                                               (© Stadt Wien, ViennaGIS)

Zur Zeit der historischen Planerstellung standen verständlicherweise andere
Vermessungsmethoden als heute zu Verfügung, die nicht zu einem so exakten Ergebnis wie
heute führten.
Dennoch kann man nicht von einem ungenauen Katasterplan sprechen, vielmehr ist zu
bewundern, wie präzise die damals durchgeführte planliche Darstellung Wiens mit diesen
Methoden ist. Von einer stückweisen Transformation wurde daher abgesehen, um die
Geometrie des alten Kartenwerkes zu wahren. Zur Bestimmung des Maßstabes wurde nach
der Methode von Mekenkamp vorgegangen, die Transformation der identen Punkte nach
Helmert. Zunächst wurde für den Katasterplan eine willkürliche Blatteinteilung nach Zonen
und Kolonnen vorgenommen, um eine eindeutige Identifikation der Passpunkte zu
gewährleisten.

Bei der Methode nach Mekenkamp werden idente Koordination sowohl durch Digitalisieren
des franziseischen Katasters, als auch dem digitalen heutigen Stadtplan der Stadt Wien,
entnommen. Danach werden jeweils getrennt für beide Kartenwerke alle möglichen Strecken
zwischen den Punkten berechnet. Es werden Matrizen aufgestellt und sodann wird eine
durchschnittliche Maßstabzahl berechnet. Auch lässt sich für jeden Punkt eine in Prozent
ausgedrückte Standardabweichung berechnen. Mit dieser Methode wurden grobe Ausreißer in
den Identpunkten aufgefunden.
DIE KULTURGÜTERDATENBANK DER STADT WIEN                                 807
___________________________________________________________________________
Die Helmertransformation ist eine Transformation von einem Koordinatensystem in ein
anders Koordinatensystem, bei mehreren identischen Punkten. Bei der Lösung der Aufgabe
ist zwischen den beiden Koordinatensystemen eine Verschiebung, eine Verdrehung und eine
mittlere Maßstabsänderung zu berechnen. Die Helmertransformation arbeitet nach dem
Prinzip der Ausgleichsrechnung.

Forschungsergebnisse der Stadtarchäologie

Einen wichtigen kulturhistorisch-geschichtlichen Beitrag im Kulturgüterkataster bilden die
Datenerhebungen der Stadtarchäologie. Neben den archäologischen Fundpunkten mit
Informationen zu den Fundplätzen und Funden, sowie den archäologischen Detailplänen, die
mit dem heutigen digitalen Stadtplan überlagert sind, entsteht für den Fachmann, aber auch
für den interessierten Laien schrittweise ein schärferes Bild der historischen Stadtentwicklung
sowie deren evidenten Spuren.

"Im Jahre 1493 wurden bei einer "Schatzsuche" zwei Altäre für die Gottheit Sarapis in der
Wipplingerstraße 10 im 1. Bezirk entdeckt". Das ist die älteste bekannte Fundmeldung, die in
der Fundortdatenbank aufgenommen wurde. Im Kulturgüterkataster ist diese Fundstelle mit
einem grünen Dreieck markiert. Derzeit befinden sich alle derzeit bekannten Fundstellen im
System, die danach laufend mit neuen ergänzt werden. Auch die Informationen sollen
ausgebaut werden und durch weiterführende Links, sowie durch grafische Daten, Fotos,
Rekonstruktionszeichnungen und Modelle ergänzt werden. Bei der Darstellung und der
laufenden Erweiterung im Kataster werden die Zeitstufen auf verschiedenen Layern, jetzt in
verschiedenen Farben, dargestellt.

Abb. 5: Auszug aus der Fundortdatenbank der Wiener Stadtarchäologie (© Stadt Wien, Rathaus)
808                                                        MANFRED WEHDORN
___________________________________________________________________________

Abb. 5: Auszug aus der Fundortdatenbank der Wiener Stadtarchäologie (© Stadt Wien, Rathaus)

Eine große Menge an archäologischen Funden stammt aus dem Zeitraum zwischen 1895 und
1920. Nach dem Abbruch der Basteien (ab 1860) setzte in Wien ein riesiger Bauboom ein. Im
Jahre 1895 kam der aus Polen stammende Josef Hilarius Nowalski de Lilia nach Wien.
Unermüdlich besuchte er Baustelle um Baustelle, sammelte Funde, notierte und skizzierte
deren Fundlage auf Karteikarten, die zu einem großen Teil erhalten geblieben sind und eine
wertvolle Arbeitsgrundlage für die Stadtarchäologie bilden. Bei seiner Vermessung
verwendete er die Hausecken als Einmesspunkte. Da viele dieser Gebäude heute nicht mehr
vorhanden sind, war es notwendig eine Plangrundlage zu finden, die die Stadt Wien noch vor
dem großen Bauboom ab 1860 darstellt.
Diese wurde im franziszeischen Kataster gefunden, der vektorisiert, transformiert und mit der
heutigen digitalen Stadtkarte (Mehrzweckstadtkarte der Stadt Wien) überlagert wurde.

Durch diese Datengrundlage ist es möglich, wenn auch nur in einem gewissen Rahmen, aus
archäologischer Sicht schützenswerte Zonen zu erstellen. Diese Methode versucht auf der
Grundlage von bekannten Parametern von Siedlungsräumen, wie und wo wurde in einer
bestimmten Zeitstufe gesiedelt, z. B. in Hanglage, an Bachläufen, auf Lössböden usw., und
statischen Auswertungen von Fundregionen, ein Modell zu erstellen, wo man Fundplätze
erwarten kann.

Man könnte dies vielleicht mit der Erstellung eines negativen und positiven Katasters
vergleichen. Der Positivkartierung wird eine sogenannte Bodeneingriffskartierung
(Negativkartierung) gegenübergestellt, die alle Bodeneingriffe wie Kellereinbauten,
Kanalisation, Ver- und Entsorgungsleistungen, kurz alle Bereiche enthält, die aus
archäologischer Sicht vollständig bzw. teilweise zerstört worden sind.
DIE KULTURGÜTERDATENBANK DER STADT WIEN                                 809
___________________________________________________________________________
Diese archäologischen Verlustzonen werden für Wien auch mit Hilfe von Luftbildern aus den
Jahren 1938, 1945 und 1956 erweitert, die Bodeneingriffe wie alte Schottergruben,
aufgelassene Müllplätze usw. aufzeigen. Positiv- und Bodeneingriffskartierung bilden eine
der Grundlagen für archäologische Schutzzonen. In der Verbindung mit den georeferenzierten
Fundpunkten und den archäologischen Plangrundlagen ist es dann möglich, ein Modell zu
erstellen und gezielt Grabungen anzusetzen.

4. Weiterführende Projekte des Kulturgüterkatasters.
  Ein Ausblick

Neben der laufenden Erweiterung der vorhandenen Applikationen muss zumindest auf drei
Ergänzungen des Kulturgüterkatasters hingewiesen werden.

"Bürger schreiben Geschichte"

Mit dem Bürgerbeteiligungsprojekt "Bürger schreiben Geschichte" soll für
geschichtsinteressierte Bürger Wiens, aber auch für Auslandswiener die Möglichkeit
geschaffen werden, ihre geschichtlichen Kenntnisse und ihr Wissen zu und über Plätze,
Gebäude und Gartenanlagen der Stadt Wien einem breiten Publikum im Internet zu
präsentieren.
Der Wert des Projekts liegt in der zukunftsorientierten Ausweitung der Profilierung Wiens als
Stadt gelebter und gehegter Kultur, die sich damit nun auch des historischen Erbes ihrer
Bürger bewusst wird. So wie tagtäglich Kulturschätze zerstört werden, so gehen auch
tagtäglich Erinnerungen an die Vergangenheit verloren. Neben geschriebenen Texten sollen
auch alte Fotografien, Planzeichnungen, aber auch Tondokumente integriert werden.

"Wiens (vergessene) historische Gärten"

Im Rahmen dieses Projektes sollen die im Bereich des Stadtgebietes ehemals vorhandenen
Gartenanlagen mit Hilfe eines Geografischen Informationssystems (GIS) erfasst, erkundet
und dokumentiert werden. Die Stadt Wien kann sich damit nun auch ihres Erbes auf dem
bisher vielleicht wenig oder zu wenig beachteten Grünsektor bewusst werden.
Damit kann zukünftig vorteilhafter der bisherige Verlust wertvoller Grünflächen
dokumentiert werden und andererseits lässt sich bei zukünftigen Vorhaben deren
Schutzwürdigkeit besser unterstreichen.

Für die Stadtplanung und Stadterneuerung ergeben sich durch die GIS- gestützte
Inventarisierung von bestehenden und verschwundenen Grünobjekten leichter absehbare
Entscheidungsgrundlagen bei Neu- und Umplanung, wobei sich insbesondere die historisch
gewachsenen, stadtspezifischen Strukturen berücksichtigen lassen. Beispielsweise können so
Grünflächen mit einem noch vorhandenen unmittelbaren Konnex zu einem (schutzwürdigen)
Gebäude klarer definiert bzw., falls dieser schon verloren gegangen ist, leichter Strategien zu
dessen Wiederherstellung gefunden werden.
810                                                        MANFRED WEHDORN
___________________________________________________________________________
Die Aufgabenstellung erstreckt sich auf die Bereiche der Recherche von vorhandenen und
schon verschwundenen Garten- bzw. kultivierten Grünflächen im dynamischen
Spannungsfeld ihrer historischen Entwicklung, deren nachfolgender Georeferenzierung und
Datenimplementierung in ein GIS, sowie der abschließenden Datenanalyse und -
-auswertung, sowie der nachfolgenden Einbindung in den Kulturgüterkataster der Stadt Wien.

Der Katalog ortstypischer Elemente ("Leitdetails")

Eine bemerkenswerte Ergänzung zur Altstadtinventarisation wurde erst im Jahre 2009 in
Zusammenhang mit den Bemühungen im Rahmen der "Initiative Leitbild Grinzing"
entwickelt:

Vorauszuschicken ist zunächst, dass es die Bauordnung für Wien ermöglicht,
charakteristische Bauelemente im Sinne von Leitdetails als Bestandteil der
Schutzzonencharakterisierung festzulegen.

Unter dem Begriff der ortstypischen Elemente sind hierbei alle jene Bauelemente zu
verstehen, welche als bestimmende Teile des charakteristischen Ortsbildes anzusehen sind. In
diesem Sinn umfasst der Katalog systematisch alle Straßenbild wirksamen Baudetails, wie
Fensterumrahmungen und -konstruktionen, Gesimsausbildungen, Holzverschalungen,
Dachdeckungen, Kaminköpfe, Hauszeichen und vieles anderes mehr. Aus dieser Aufzählung
geht bereits hervor, dass die ortstypischen Elemente nicht nur nach ihrer formalen Gestaltung,
sondern ebenso nach Konstruktion und Material bewertet und – soweit dies möglich war –
auch mit den Entstehungsperioden verknüpft wurden.

Insgesamt umfasst der Katalog ortstypischer Elemente für Grinzing ca. 2.500 Einzeldetails.
Für deren Verwaltung wurde von Wehdorn Architekten eine eigene Software entwickelt,
welche es zum Beispiel ermöglicht, alle Kaminkopfdetails von Grinzing, die noch in ihrer
Form in die Barockzeit zurückgehen, "auf Knopfdruck" auszuwerfen.

Derzeit ist der Katalog Bestandteil des amtsinternen Kulturgüterkatasters im Magistrat der
Stadt Wien. Nach Prüfung des Datenschutzes soll auf den Katalog in entsprechender Auswahl
auch ein öffentlicher Zugriff ermöglicht werden. In der derzeitigen Form ermöglicht der
Katalog die rasche und objektive Beurteilung von Bauprojekten in Hinblick auf deren
Detailausbildungen, wie Toreinfahrten, Fensterausbildungen und anderes mehr. In weiterer
Sicht könnte der Katalog auch für alle Revitalisierungen, Rekonstruktionen und Erneuerungen
von Baudetails im historischen Ensemble von Grinzing herangezogen werden.

Wien 3-D

Ein weiterer Arbeitsbehelf, der im gegebenen Zusammenhang unbedingt Erwähnung bedarf,
ist das Projekt "Wien 3-D".
Diese Geodaten stellen eine detaillierte Beschreibung der Oberfläche des Wiener
Stadtgebietes dar. Mehrzweckkarte, Geländemodell und das dreidimensionale (3-D)
DIE KULTURGÜTERDATENBANK DER STADT WIEN                                 811
___________________________________________________________________________
Stadtmodell sind wichtige Pfeiler einer modernen Stadtplanung. Darüber hinaus sind die
Geodaten Ausgangsbasis für Analyse und Darstellung raumbezogener Inhalte vieler anderer
Fachbereiche. Insbesondere für die Simulation geplanter Bauvorhaben sowie für die
Berechnung von Sichtbarkeiten und Abschattungen werden digitale 3-D-Modelle erfolgreich
eingesetzt.

Das digitale 3-D-Stadtmodell von Wien ist für das gesamte Stadtgebiet verfügbar und wird
laufend aktualisiert. Für das historische Zentrum von Wien (Kernzone des Gebietes
Weltkulturerbe Wiener Innenstadt) existiert darüber hinaus auch ein detailliertes Modell der
Dächer
Die Verwendung eines eindeutigen Adressbegriffs für die Verspeicherung der einzelnen 3-D-
Gebäudemodelle ermöglicht die Kombination des 3-D-Stadtmodells mit vielen anderen in
Wien vorhandenen gebäudebezogenen Sachdaten.

Abb. 6: Ausschnitt aus dem Wien-3-D-Dachmodell, 1. Bezirk, Oper – Albertina Platz (© Stadt Wien, MA 41)

Dieses 3-D-Stadtmodell ist zum Beispiel auch Grundlage, um Auswirkungen von
Neubauprojekten auf den "Outstanding Universal Value" des Weltkulturerbes Wien zu
prüfen.
812                                                        MANFRED WEHDORN
___________________________________________________________________________
5. Schlusswort

Die Kulturgüterdatenbank der Stadt Wien ist de facto eine Sammlung wissenschaftlicher
Untersuchungen zur Geschichte der Stadt Wien; Sie sind – nicht zuletzt – dank des
Graphischen Informationssystems der Stadt Wien – miteinander verknüpft und – soweit dies
der Datenschutz ermöglicht – auch von allen Bürgerinnen und Bürgern abrufbar.
Im Sinne der laufenden wissenschaftlichen Vertiefung ist die Kulturgüterdatenbank aber stets
als "work in progress" anzusehen.

Quellenangabe

BUNDESDENKMAL WIEN, KULTURAMT WIEN (Hrsg.): Atlas der historischen Schutzzonen in Österreich, Bd. 2:
  Wien, Wien 1974.
MAGISTRAT DER STADT WIEN, MAGISTRATSABTEILUNG 19 (Hrsg.): Wien – Innere Stadt Weltkulturerbe und
  lebendiges Zentrum / The Historic Centre of Vienna. World Cultural Heritage and Vibrant Hub, Wien 2009.
PAL DIETER, WEHDORN MANFRED: Schutzzonen in Wien, Rückblick und Perspektiven, in: Österreichische
   Zeitschrift für Kunst und Denkmalpflege, Bd.: XLVI Jg. 78, Wien 1992, S. 173-179.
STADTENWICKLUNG WIEN, MAGISTRATSABTEILUNG 19 (Hrsg.): Wien, Weltkulturerbe.
Der Stand der Dinge / Vienna, World Heritage. The State of the Art, Wien 2006
STADTPLANUNG WIEN, MA 18, MA 19 (Hrsg.): Schutzzonen Wien, 1.-23. Bezirk, 8 Bde., Wien 2005.
WEHDORN MANFRED: Wien. Das historische Zentrum: Weltkulturerbe der UNESCO / Vienna, The Historical
  Centre: UNESCO World Heritage Site, Wien 2004.
Sie können auch lesen