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Vermessung & Geoinformation 1/2021, S. 19 – 24 19 Von Nummerierungsabschnitten zu Katastralgemeinden Die Bildung von Verwaltungssprengeln im 18. und 19. Jhdt. From numbering sections to cadastral districts The formation of administrative districts in the 18th and 19th centuries Christoph Twaroch, Wien Kurzfassung In der zweiten Hälfte des 18. Jhdt. wurden auf der Basis bestehender Strukturen – wie Herrschaften, Burgfrieden, Ortsobrigkeiten, Jurisdiktionen, Pfarren u. a. – als flächendeckende Verwaltungseinheiten Steuergemeinden und Katastralgemeinden gebildet, aus denen Mitte des 19. Jhdt. die politischen Gemeinden als selbständige Gebiets- körperschaften entstanden. Schlüsselwörter: Gemeinde, Katastralgemeinde, Grenzbeschreibung, Franziszeischer Kataster Abstract In the second half of the 18th century based on existing structures – such as lordships, truces, local authorities, jurisdictions, parishes etc. – the area-wide administrative units tax community and cadastral community were formed. The political municipalities emerged as independent regional authorities in the middle of the 19th century. Keywords: municipalities, cadastral districts, border description, cadastre 1. Zum Begriff „Katastralgemeinde“ wird im Wege [der Vermessung] für jede Gemein- „Katastralgemeinden sind jene Teile der Erd- de eine eigene Mappe verfaßt, …“. oberfläche, die … im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes im Grundsteuerkataster Der „Begriff der Gemeinde“ wird in den Durch- als solche bezeichnet sind.“ (§ 7 Abs. 1 der führungsbestimmungen erstmals näher beschrie- Stammfassung des VermG 1). Die Erläuternden ben: „Die Vermessung zum Behufe des Catasters Bemerkungen 2 weisen lediglich darauf hin, „daß wird gemeindeweise vorgenommen. … Als Ge- die Neuregelung keine Änderung der bestehenden meinden werden in Beziehung auf die Operatio- Katastralgemeinden zur Folge hat“, ohne den nen für den stabilen Cataster diejenigen Körper Begriff näher zu umschreiben. erklärt, die gegenwärtig als Steuergemeinden Die VermG-Novelle 1975 3 ändert die Legal schon bestehen“ 6. definition: „Katastralgemeinden sind diejenigen Teile der Erdoberfläche, die im Grenzkataster oder Interessant ist die entsprechende Stelle in im Grundsteuerkataster als solche namentlich be- der Neufassung der Vermessungsinstruktion zeichnet sind“. Die Änderung wird dahingehend aus 1856: „Die Katastral = Vermessung wird ge- erläutert, dass „die Definition … geändert werden meindeweise vorgenommen. … Als Gemeinden [mußte], da die bisherige Formulierung vor allem werden in Beziehung auf die Operationen des jene Fälle vernachlässigt hat, in denen nach In- stabilen Katasters diejenigen Ortschaften erklärt, krafttreten des Vermessungsgesetzes Katastralge- deren Insassen unter einem eigenen Ortsvorsteher meinden neu gebildet oder aufgelassen wurden“ 4. vereinigt und deren Umfangs = Grenzen topogra- Wie diese Katastralgemeinden historisch ent- phisch geschlossen sind, und im Grundsteuer = standen sind, bleibt unbestimmt. Das franziszei- Provisorium als selbstständige Steuergemeinden sche Grundsteuerpatent 5 ordnete in Z 9 an: „Es schon bestehen“ 7. 1) BGBl. Nr. 306/1968 6) § 153 f der Instruction zur Ausführung der zum Behufe des allgemeinen Catasters …. angeordneten Landesver- 2) 508 Blg NR 11.GP messung, Wien 1824 3) BGBl. Nr. 238/1975 7) § 150 f der Instruction zur Ausführung der zum Behufe 4) 1422 BlgNR 13.GP des allgemeinen Katasters … angeordneten Landes- 5) Patent vom 23.12.1817, PGS Bd 45 Vermessung, Wien 1856.
20 Vermessung & Geoinformation 1/2021 Die Überschrift zu § 151 lautet: „Begriff der In den Patenten und Verordnungen vor 1849 ist Katastral = Gemeinde“; hier – also im Jahr 1856 meist nur von Gemeinden schlechtweg die Rede. – wird erstmals der Begriff „Katastralgemeinde“ Nur selten wird das Wort näher umschrieben. verwendet. Sie wird als topographisch geschlos- senes Gebiet umschrieben. Ein Bezug zu den 3. Erfassung der Bevölkerung und der Häuser Ortsgemeinden (nach den Gemeindegesetzen der Der Prozess der Staatswerdung in der frühen Neu- Jahre 1848 bis 1862; siehe unten) wurde nicht zeit weckte auch das Interesse von Herrschern und hergestellt. Im größten Teil der Monarchie – den Bürokratie an quantifizierbarem Wissen über Land „erbländischen Provinzen“ – war die Katastralver- und Leute. Eine zentrale Bevölkerungsevidenz messung um diese Zeit schon abgeschlossen. Die gehörte zum Selbstverständnis eines Staates zur Vermessungsinstruktion 1856 kam nur mehr bei Zeit des aufgeklärten Absolutismus. Die Behörden der Katastralvermessung in Kroatien und Teilen bemühten sich um die Erfassung der Bevölkerung von Ungarn zur Anwendung. und des Wirtschaftslebens. Maria Theresia führte Volkszählungen ein, um sich bei der Steuereinhe- 2. Vieldeutigkeit des Gemeindebegriffs bung und bei der Einberufung zum Heer auf ein Ende des 18. und zu Beginn des 19. Jhdt. wurde effizientes System stützen zu können. der Begriff „Gemeinde“ für die unterschiedlichsten Als eine grundsätzliche Neuordnung der Gebilde verwendet, er war daher unscharf und staatlichen Verwaltung vorgenommen und deren interpretationsbedürftig. Wirkungskreis immer mehr erweitert wurde, war „Gemeinde“ hatte ursprünglich eine doppelte es notwendig, neue kleinere, geschlossene und Bedeutung. Man verstand darunter einerseits durchgreifende – d. h. die Gesamtheit der Sied- den von einer Gruppe von Nachbarn gemeinsam lungen, der Bevölkerung und der Landesfläche benutzten Grund und Boden – also die Gemein umfassende – Verwaltungseinheiten zu schaffen (Gmoan), Almende oder – wie der Jurist heute (Wutte 14). sagt – die agrarische Gemeinschaft, anderseits Erhebungseinheit der Steuerfassion des There- eine Vielheit von Personen, die durch einen ge- sianischen Katasters10 waren – in der Tradition der meinsamen Wohnort, durch gemeinsame Interes- ständischen Gültbücher – die Grundherrschaften, sen, Rechte und Pflichten miteinander verbunden deren Flächen, Nutzungen und Erträge aufgenom- waren und nach außen hin als Einheit auftraten 8. men, aber nicht kartographisch erfasst wurden. Seit Joseph II werden auch räumlich begrenzte Gliederungseinheit waren (weiterhin) die Grund- Gebietseinheiten als Gemeinden bezeichnet (Wut- herrschaften, die die Ortsobrigkeit innehatten. te 8; Hummitsch 10). Im Interesse der Wehrfähigkeit des Reiches Der Gemeindebegriff des 1811 kundgemachten ordnete Maria Theresia 1754 eine „Seelenkonsi- ABGB 9 umfasst jede organisierte Personenmehr- gnation“, die „Zählung aller in jedem Orte wirklich heit, keinesfalls aber eine politische Ortsgemeinde vorfindigen Inwohner und Untertanen“ und eine in unserem heutigen Verständnis. Als Gemeinde „Häuserkonskription“, die Zählung der „Ortschaf- gilt eine „moralische Person“, die als „Gemein- ten und darin gelegenen oder dazugehörigen be- schaft“, „Körper“ aus „Mitgliedern“, besteht, wohnten Häuser“ an (Gürtler 30; Starzer 3). Die durch „Stellvertreter“ handelt und von „weltlichen Zählung wurde „durch die weltliche Obrigkeit und oder geistlichen Vorstehern“ geleitet wird (Brau- Magistrate“, aber auch durch die Pfarrer durch- neder 159). geführt. 8) Das Tirolische Gubernium schrieb über den Gemeinde- begriff 1784 an die Wiener Zentralstelle: „In Tyroll wird Die Zählung der Seelen und der Häuser sollte unter der Benambsung eine gewisse, bald größere nach Ortschaften erfolgen; was aber als Ortschaft bald kleinere Anzahl beysammen liegender oder auch einzeln zerstreuten Häuser verstanden, die gewisse zu behandeln ist, war nicht festgelegt. Die Bevöl- Nutzbarkeiten an Weyden, Waldungen und beurbarten kerung und die Häuser wurden einerseits von den Gründen gemeinschaftlich und mit Ausschluß anderer Pfarren nach Seelsorgesprengeln und anderseits Gemeinden genießen, einen gemeinschaftlichen Beutel oder Cassa führen und also gewisse gemeinschaftliche über die Herrschaften ausschließlich ziffernmäßig Schuldigkeiten haben zB eine bestimmte Strecke eines erhoben. Die doppelte Erfassung und die unklare Wildbaches oder Stromes zu verarchen.“ (TLA Inns- Festlegung der Zählabschnitte führte zu großen bruck, OÖ Hofkammer, Kopialbuch Gutachten an Hof 1784, Band 2, fol 249; zitiert nach Kohl 121) Differenzen in den Ergebnisdaten (Straka 140). 9) JGS Nr. 946/1811 10) Systemalpatent vom 26.7.1748
C. Twaroch: Von Nummerierungsabschnitten zu Katastralgemeinden 21 4. Nummerierungsabschnitte bildeten allerdings die Grundlage für die weitere Im Jahr 1770 ordnete Maria Theresia mit zwei räumliche Gliederung des Staates. Da sie aber Patenten eine allgemeine Einwohnerzählung und keine abgegrenzten Territorien sind, erwiesen sie die systematische Nummerierung aller Häuser sich folglich in all jenen Zweigen der Verwaltung (Seelen- und Häuserkonskription) an, um verläss- als unbrauchbar, in denen es um Grund und Bo- liche Daten über die Bevölkerung zu erhalten. Bei den ging. dieser Volkszählung stand deutlich die Erfassung der wehrfähigen männlichen Bevölkerung für die 5. Josephinischer Kataster Heeresergänzung im Vordergrund. Die zentrale Als daher unter Joseph II. die Grundsteuer regu- Bevölkerungsevidenz sollte gleichzeitig aber auch liert und zu diesem Zweck der gesamte Grund fiskalischen und wirtschaftspolitischen Zwecken und Boden vermessen und geschätzt wurde, dienen. Die Zählung und die Häusernummerie- musste das Staatsgebiet flächendeckend erfasst rung erfolgte überwiegend durch Heeresoffiziere und eine neue räumlich genau begrenzte Gebiets (Tantner 85). einheit geschaffen werden: die Josephinische Die Grenzen der Länder und Kreise waren be- Steuergemeinde. reits relativ klar definiert. Doch musste der Raum in immer kleinere territorial eindeutig abgegrenzte Mit Hofdekreten vom 2. November 1784 und Einheiten zerlegt werden. Die Nummerierung soll 20. April 1785 ordnete Joseph II. die Anlegung ei- ortschaftsweise erfolgen. Jede Ortschaft, war sie nes Steuerkatasters an, dessen Ziel die lückenlose auch noch so klein, bildete einen eigenen Num- Erfassung aller Grundstücke für die Grundsteuer merierungsabschnitt. Die Häuser wurden jeweils war. Mit den Grenzen dieser Grundstücke wurde mit eins beginnend nummeriert, die Hausnummer damit erstmals auch die Fläche einer Gemeinde wird auf die Häuser aufgemalt (Tantner 61). genauer erfasst. Die Abgrenzung erfolgte aber von Land zu Land Der „Umfang der Häuser und Gründe, welcher und teilweise auch innerhalb der Länder nach unter dem Anfange und Schlusse eines Nume- ganz unterschiedlichen Gesichtspunkten, wobei rierungsabschnittes begriffen ist, [ist] als [“Steu- unterschiedliche räumliche Ansatzpunkte gewählt er“]Gemeinde“ zu betrachten. Da es aber „ganz wurden. Vornehmlich ging man bei der Bildung wahrscheinlich ist, daß hier Landes hie und da der Nummerierungsabschnitte von den Siedlungs- besonders in gebirgigen Gegenden gar zu kleine einheiten der Pfarren aus – ohne Rücksicht auf Numerierungsabschnitte ausfielen … so erheischt gerichtliche oder grundherrliche Zugehörigkeit. dieses die Vorsehung, daß man solcherfalls meh- Das Gebiet der Grundherrschaften lag nämlich oft rere Numerierungsabschnitte … in eine Gemeinde räumlich weit verstreut, in manchen Dörfern waren vereinigt, der alsdann der Name jener Ortschaft, die Bauern jeweils anderen Herrschaften untertä- welche darunter die stärkste ist, beizulegen wäre. nig. Die Grenzen der Pfarren waren im Gegensatz Eine dergleichen vereinigte Gemeinde muß daher zu denen der Grundherrschaften und Landgerich- wenigstens – es sei denn die Entfernung gar zu ten am eindeutigsten, bei ihnen handelte es sich groß – 40 oder 50 Häuser und Besitzungen in sich am ehesten um geschlossene Territorien (Hum- fassen“. 11 mitzsch 12). Die Josephinische Steuergemeinde basierte in Einen Sonderfall stellt Kärnten dar: Hier wurde den meisten Kronländern auf den zu Konskripti- nicht auf die Pfarren zurückgegriffen, da diese we- onszwecken geschaffenen Werbbezirken, die sich gen der „allzu vermischten, untertheilten, und zer- nach den Nummerierungsabschnitten der Militär- streuten Laage“ nicht in Frage kommen, sondern konskription zusammensetzten. auf die Grenzen der Landgerichte und Burgfrieden (Mitterauer 138). Nach §§ 2 und 3 der „Belehrung für die Ortso- brigkeiten, Jurisdizenten oder ihrer Stellvertreter Streng genommen bilden die 1770 geschaffe- und Beamten; wie auch für die Gemeinden, wie nen Nummerierungsabschnitte keine territorialen sich dieselben bei dem bevorstehenden Geschäf- Einheiten, da sie außerhalb des Siedlungsgebie- te der Aufschreibung, Ausmessung und Fatierung tes liegenden Flächen, wie z. B. Felder und Wälder außer Acht lassen; sie umfassen nur eine Summe 11) So sind im Zuge der Schaffung des Josephinischen Katasters etwa in der Steiermark aus 3576 Nummerie- von Häusern, enthielten keine Flächenangaben rungsabschnitten des Jahres 1770 (nur) 2620 Steuer- und nannten keine Grenzen (Rabl u.a. 160). Sie gemeinden gebildet worden (Straka, 25)
22 Vermessung & Geoinformation 1/2021 Gränzen der Gemeinde Packein Dieße Gemeinde hat die gränzen von den sogenannten Petternelly-Kreuz an der Weinstraße unter Pogersdorf, von da nach der Straße ganz hinunter bis an das bettler Kreuz unter Woblstorf, da durch die gatter den Weg links bey den Bauer Taschek vorbey hinunter über das bachl an der Klampferer Keische, von da den Fahrtweeg an das Lassein Kreuz, weiters den Fahrweeg an die beyerisch Keusche. Von den Fahrtweg bey den zacko Keischler rechts vorbey durch das Dorf althofen, an die zu Rosenbichl gehörig Haußmüll weiter aufwärts, durch denselben Hof nach dem Weeg an das dorf Thonn aldort rechts vorbey nach dem zaun bey der großen Gemeinweid unter den Eichbäumen bis gegen Werda. Von da den Fußsteig durch den berg gegen Pogersdorf am Ende dieses berg link bey einem großen Farchbaum vorbey über ein klain bachl nach besagtem Fußsteig nach Poggersdorf und dem Petternelly Kreuz an der Landstraße sich beschliesset. Josephinische Grenzbeschreibung der Steuergemeinde Packein in Kärnten Zitiert nach Hummitsch, 22 der Gründe zu benehmen haben“ 12 musste vor Überblick über die Besitzverhältnisse bei Grund Inangriffnahme der Grundabmessung die Gren- und Boden (Drobesch 167). zen der „dermalen wirklich bestehenden sowie der … [neu] gebildeten Gemeinden genau bestimmt Abgesichert wurde die vollständige Erfassung werden“. der Grundstücke durch die Bestimmung, dass Vor der Ausmessung der Gründe erfolgte also das Verschweigen von Grundflächen bei der Fas- eine genaue Feststellung ihrer Grenzen mit nach- sion den Besitzverlust zur Folge hatte: „Dagegen folgender Versteinung, die den Zweck hatte, alle erklären und verordnen wir, daß, wenn einmal die Grundstücke an der Gemeindegrenze, die leicht neuen Bekenntnisse abgegeben und eingesam- verschwiegen werden können, sicher zu erfassen. melt sind, alle diejenigen Grümde, die nicht fatirt Sehr häufig wurden alte Grenzen von Herrschafts- worden, … als ein ganz verlassenes, Niemanden ämtern als Gemeindegrenzen übernommen. Noch gehöriges Gut anzusehen, und daher demjenigen, heute sind josephinische Gemeindegrenzsteine, der hievon … die Anzeige macht, unentgeltlich erkennbar an ihrer Größe und der Jahreszahl, und erblich als sein Eigenthum zu überlassen sind zu finden. Die Gemeindegrenze wurde mit Hilfe (§ 8 des Steuerpatents)“. sichtbarer Anhaltspunkte wie Flüsse, Höhenrü- cken, Grenzsteinen oder auch Bäumen sowie mit Hinweisen auf die Besitzer der Grenzparzellen 6. Franziszeischer Kataster beschrieben (Komlosy 65; Lego 16). Der Josephinische Kataster stellt somit die Mit dem Conscriptions- und Recrutierungs-Patent erste offizielle Feststellung, Vermarkung und von Franz I (II) aus 1804 wurde das System der Dokumentation der Gemeindegrenzen dar. Das Erfassung von Bevölkerung, Zugvieh und Häusern gesamte Land ist flächendeckend mit einem wesentlich verfeinert, Regeln für die Erfassung er- Netz aus Grundstücken und (Steuer-)Gemeinden lassen und Erfassungsformulare erstellt. Mit dem bedeckt 13. Da die räumlichen Einheiten erstmals Grundsteuerpatent wurde eine vollständige und vermessen wurden, erhielt der Staat zum ersten gemeindeweise 14 Vermessung und karthographi- Mal einen länderübergreifenden und flächenhaften sche Darstellung des ganzen Landes angeordnet. 12) Anhang zum Patent Kaiser Josephs II. von dem neu- en Steuerfusse vom 20.4.1785. Beide abgedruckt bei Kropatschek, Handbuch aller unter der Regierung Jo- Die Abgrenzungen der franziszeischen Katas- sephs des II. ergangenen Verordnungen und Gesetze tralgemeinden hielten sich grundsätzlich an die VIII (1787) sich aus den Steuergemeinden des Josephini- 13) Heute ist durch Art. 116 Abs. 1 des Bundes-Verfas- sungsgesetzes sichergestellt, dass es in Österreich schen Katasters vorgegebenen Gebietseinheiten keine gemeindefreien Gebiete gibt. Das gesamte (Mitterauer 143), sehr kleine Steuergemeinden Staatsgebiet ist in Gemeinden eingeteilt, wobei auch wurden jedoch zu größeren Einheiten zusammen- alle Gewässer, Berge und sonstigen unbewohnten Ge- biete stets Teil einer Gemeinde sind. 14) Vgl. die Einleitung
C. Twaroch: Von Nummerierungsabschnitten zu Katastralgemeinden 23 Grenze der Gemeinde Gaaden … ein 4 eckichter Markstein auf welchem auf der einen Seite rechter Hand ein + mit der Jahreszahl 1642, und seiner anderen Seite Nr 7 eingegraben ist, dann an seiner 3ten Seite die Buchstaben I:S. und die Jahreszahl 1801. Die 4te Seite aber unbezeichnet ist, eingegraben sind. Von dannen in gerader Linie auf ebenen Wege geht man zwischen den Waldungen Mühlparz, rechterhand dem Stifte hl. Kreuz und links der Herrschaft Johannstein gehörig, zwischen welcher Waldung ein Ausschnitt von zwei Klafter breit, und zwar 1 Klafter Breite von dem Stift hl. Kreuz, und die zwote Klafter Breite von der Herrschaft Johannstein auf immer unterhalten werden solle, und gelangt man zum 4 eckigen Markstein Nr 8, welcher auf der rechten Seite ein + und der linken Seite die Buchstaben I:S. und die Jahreszahl 1801 aufweist, auch von dem letztgenannten Markstein 90 Klafter und 2 Schritt entlegen ist. … Gränzbeschreibung des Burgfriedens oder der Dorffreyheit des Dorfes Gaaden, Quelle: BEV gelegt 15. Vor der Detailaufnahme der Grundstücke und gewährleistet werde, zur Geltung gebracht wurde durch eine Kommission, bestehend aus wird“ 16. einem Geometer, einem Politischen Kommissär, dem Gemeindevorsteher, zweier mit dem Grenz- Diese neu geschaffene „politische Gemeinde“ verlauf vertrauter Gemeindemitglieder und Vertre- oder „Ortsgemeinde“, ist mit besonderen Rechten tern der angrenzenden Gemeinde, die (Katastral) ausgestattet (öffentlich-rechtlicher Gemeindebe- Gemeindegrenzen begangen und das Ergebnis in griff). Die politische, autonome Gemeinde, unters- „vorläufigen Grenzbeschreibungen“ festgehalten te Zelle im staatlichen Aufbau, hat sich formal (Linden § 323). endgültig von der Katastralgemeinde als adminis- trativer Einheit getrennt, auch wenn die territoriale 7. Politische Gemeinden Gliederung zunächst noch an die Katastralge- meinde anknüpft. Zusammenfassungen mehrerer In Österreich sind die (politischen) Gemeinden Katastralgemeinde zu einer Ortsgemeinde wurden erst ab 1848 auf der Grundlage des „Provisori- durch die Gesetzgebung zwar zugelassen, soll- schen Gemeindegesetzes“ aus dem Jahr 1849, ten aber nicht der Regelfall sein (Mitterauer 144; des Gemeindegesetzes 1859 und des Reichsge- Starzer 8). meindegesetzes von 1862 geschaffen worden. Allen diesen Gesetzen ist als territoriales Prinzip Eine strittige Frage bei der Konstituierung der gemeinsam, dass sie die Ortsgemeinde auf der politischen Gemeinde war die territoriale Festle- Basis der Katastralgemeinde konstituieren. gung des Gemeindegebietes. Das Gemeindege- setz nahm die (auf den josephinischen Steuer- „Als Ortsgemeinde hat in der Regel die als gemeinden basierenden) Katastralgemeinden des selbständiges Ganzes vermessene Katastral- Franziszeischen Katasters als Grundlage. Gegen Gemeinde zu gelten“ (§ 1 des provisorischen Ge- die Bestrebungen, größere, mehrere Ortschaften meindegesetzes 1849). In den Durchführungsbe- umfassende Gebietseinheiten zu schaffen, setz- stimmungen heißt es weiter: „Das Gesetz erkennt ten sich die bestehenden Kleingemeinden durch, die Katastral-Gemeinde als Ortsgemeinde deshalb die in der Regel auf einer Ortschaft als Kern des an, weil 1. dadurch jede Gemeinde ein abge- Gemeindegebietes beruhten (Komlosy 74). schlossenes, genau begrenztes Gebieth erhält, 2. weil dadurch der faktische Bestand aufrecht gehalten und das Recht jeder faktisch bestehen- Die Struktur der Ortsgemeinden hat sich bis den Ortsgemeinde, daß ihre Existenz anerkannt 1962 weitgehend erhalten. Durch Gemeindezu- 15) So wurden in Niederösterreich 4579 Ortschaften zu sammenlegungen hat sich die Zahl der Gemein- 3169 Katastralgemeinden zusammengezogen (Tafeln den von 1962 bis 1971 von 3999 auf 2656 und zur Statistik der österr. Monarchie, zusammengestellt derzeit auf 2.095 (Stand 1. Jänner 2020) reduziert. von der k. k. Direktion der administrativen Statistik, 1847). 16) Erlass des Ministeriums des Inneren, Zl 2335 aus 1849
24 Vermessung & Geoinformation 1/2021 8. Schluss Kohl Gerald: Die Forstservitutenablösung im Rahmen der Tiroler Forstregulierung von 1847; in: Die Agrargemein- Die Katastralgemeinden des Franziszeischen schaften in Tirol, Wien 2010, 105 Katasters und die 1849 eingerichteten Ortsge- Komlosy Andrea: Grenze und ungleiche regionale Entwick- meinden beruhen somit zumindest indirekt auf lung, Wien 2003 den bei der Konskription von 1770 geschaffenen Lego Karl: Geschichte des Österreichischen Grundkatas- Einheiten. Die Nummerierungsabschnitte der ters, Wien oJ. [1968] Theresianischen Zeit blieben im Wesentlichen bis Lechner Karl: Entstehung, Entwicklung und Verfassung der auf den heutigen Tag bestehen. ländlichen Gemeinde in NÖ, in: Mayer Theodor (Hrsg): Die Anfänge der Landgemeinde und ihr Wesen, Stuttgart Die Gemeinde als Gebietskörperschaft der 1964 Kommunalebene wird in Österreich nunmehr all- Linden Joseph: Die Grundsteuerverfassung in den deut- gemein „Gemeinde“ genannt, im Artikel 115 des schen und italienischen Provinzen der österr. Monarchie, Bundes-Verfassungsgesetzes „Ortsgemeinde“. mit vorzüglicher Berücksichtigung des stabilen Katasters, Gelegentlich wird zur Präzisierung die Bezeich- Wien 1840 nung „politische Gemeinde“ verwendet – zum Mitterauer Michael: Pfarre und ländliche Gemeinde in den österr. Ländern, Stuttgart 1979, 123 Beispiel um die Unterscheidung zwischen (poli- Rabl Gunther/Tantner Anton/Unger Eva-Maria: Von der See- tischer) Gemeinde und Katastralgemeinde (Ver- lenkonskription und Häusernummerierung zum Adressre- messungseinheit) zu verdeutlichen. gister, in: 200 Jahre Kataster, Wien 2017, 157 Starzer Albert: Die Konstituierung der Ortsgemeinden in Nie- Referenzen derösterreich, Wien 1904 Brauneder Wilhelm: Von der moralischen Person des ABGB Straka Manfred: Die Einrichtung der Numerierungsabschnit- zur Juristischen Person der Privatrechtswissenschaft, te in der Steiermark 1770 als Vorstufe der Steuergemein- in Brauneder, Studien II: Entwicklung des Privatrechtes, den, in: Festschrift für Otto Lamprecht, Graz 1968, 138 Frankfurt/Main 1994, 159 Tantner Anton: Ordnung der Häuser, Beschreibung der See- Drobesch Werner: Bodenerfassung und Bodenbewertung len – Hausnummerierung und Seelenkonskription in der als Teil der Staatsmodernisierung, Theresianische Steuer- Habsburgermonarchie, Wien, 2007 rektifikation, Josephinischer Kataster und Franziszeischer Wießner Hermann: Beiträge zur Geschichte des Dorfes und Kataster in: Geschichte der Alpen, Zürich 2009, 165 der Dorfgemeinde in Österreich, Klagenfurt 1946 Gürtler Alfred: Die Volkszählungen Maria Theresias und Jo- Wutte Martin: Die Bildung der Gemeinde in Kärnten, Carin- sef II. 1753-1790, Innsbruck 1909 thia I, 113, 1923 Hummitzsch Alfred: Die territoriale Entwicklung der Ortsge- meinden in Kärnten, Schriftenreihe für Raumforschung Anschrift des Autors: und Raumplanung, Klagenfurt 1962 Univ.-Doz. Dipl.-Ing. Dr. Christoph Twaroch, Technische Knechtel Gerhard: Die Rechtlichkeit des Raumes, darge- Universität Wien, Department für Geodäsie und Geoinfor- stellt am Beispiel der österreichischen Katastralvermes- mation, Rötzergasse 3/30, 1170 Wien. sung, in: Festschrift Winkler, 1997 E-Mail: ch.twaroch@live.at
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