Mobilität im ländlichen Raum - vom Konzept für die Flächener-schließung zur konkreten Umset- zung - Forschungsprogramm Stadtverkehr ...
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| Gesundheit | Mobilität | Bildung | Mobilität im ländlichen Raum – vom Konzept für die Flächener- schließung zur konkreten Umset- zung Muster-Umsetzungskonzepte für Mobilitätslösungen in ländlichen Räumen Die dieser Veröffentlichung zugrunde liegenden Arbeiten wurden im Rahmen des Forschungsprogramms Stadtverkehr (FoPS; siehe https://fops.de) und Auftrag des Bundesministers für Verkehr und digitale Infrastruktur unter FE-Nr. 70.0930/2017 durchgeführt. Die Verantwortung für den Inhalt liegt ausschließlich beim Autor. Autoren: Dipl.-Ing. Christoph Gipp Dipl.-Geogr. René Kämpfer IGES Institut GmbH Friedrichstraße 180 10117 Berlin www.iges.com IGES Institut. Ein Unternehmen der IGES Gruppe
IGES 2 Schlussbericht an das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastrukturen Berlin, 30. Januar 2021
IGES 3 Inhalt Abbildungsverzeichnis 5 Zusammenfassung 6 1. Hintergrund und Ziel 8 1.1 Situation Mobilität und Versorgung im ländlichen Raum 8 1.2 Modellvorhaben „Langfristige Sicherung von Versorgung und Mobilität in ländlichen Räumen“ 9 1.3 Forschungsprojekt „Mobilität im ländlichen Raum – vom Konzept für die Flächenerschließung zur konkreten Umsetzung“ 11 2. Entwicklung einer Typisierung ländlicher Räume 13 2.1 Ziel, Methodik und Datengrundlage 13 2.2 Charakterisierung und Übersicht über die Regionscluster 14 2.3 Auswahlprozess der Pilotregionen 18 3. Entwicklung von Muster-Umsetzungskonzepten für ausgewählte Mobilitätsansätze der Pilotregionen 23 3.1 Vorgehen zur Erarbeitung der Muster-Umsetzungskonzepte 23 3.2 Ausgangssituation in den Pilotregionen 25 3.2.1 Eifelkreis Bitburg-Prüm (Rheinland-Pfalz) 25 3.2.2 Landkreis Cuxhaven (Niedersachsen) 26 3.2.3 Landkreise Sonneberg und Hildburghausen (Thüringen) 27 3.2.4 Salzlandkreis (Sachsen-Anhalt) 28 3.3 Maßnahmenansätze und Umsetzungskonzepte in den Pilotregionen 30 3.3.1 ÖPNV-Marketing-Baukasten und Anwendung bei Betriebsaufnahme des Linienbündels Südeifel (Landkreis Bitburg- Prüm) 30 3.3.2 mobine, ein Dorf-Auto für Jedermann (Neuenwalde, Stadt Geestland, Pilotregion Landkreis Cuxhaven) 33 3.3.3 Einkaufs- und Patientenmobil (Verwaltungsgemeinschaft Feldstein, Pilotregion Landkreise Sonneberg und Hildburghausen) 36 3.3.4 Kulturbus (Gemeinde Föritztal, Pilotregion Landkreise Sonneberg und Hildburghausen) 38 3.3.5 Patientenbus Schalkau-Sonneberg (Gemeinde Schalkau, Pilotregion Landkreise Sonneberg und Hildburghausen) 41 3.3.6 Niederschwellige Mitnahmeverkehre bei ambulanten Pflegediensten (Verbandsgemeinde Saale-Wipper und Einheitsgemeinde Könnern, Pilotregion Salzlandkreis) 43 3.4 Ähnliche Maßnahmenansätze (Best-Practices) 46 3.4.1 ÖPNV-Marketing 46 3.4.2 Dorfcarsharing und ehrenamtlicher Fahrdienst 48 3.4.3 Einkaufs- und Patientenmobil 50 3.4.4 Kultur-/Veranstaltungsbus 52
IGES 4 3.4.5 Mitnahmeverkehre bei ambulanten Pflegediensten 52 4. Übersicht über die Muster-Umsetzungskonzepte 55 4.1 ÖPNV-Marketing 55 4.2 Dorfcarsharing und ehrenamtlicher Fahrdienst 59 4.3 Einkaufs- und Patientenmobil 64 4.4 Kultur-/Veranstaltungsbus 68 4.5 Mitnahmeverkehre bei ambulanten Pflegediensten 72 5. Beantwortung der Forschungsfragen 77 5.1 Fragenkomplex 1: Stellenwert unterschiedlicher Mobilitätsangebote für die Flächenerschließung 77 5.2 Fragenkomplex 2: Chancen zur Attraktivitätssteigerung des ÖPNV 79 5.3 Fragenkomplex 3: Elektromobilität und autonomes Fahren 81 5.4 Fragenkomplex 4: Neue Finanzierungsmodelle, Geschäftsmodelle und bürgerschaftliches Engagement 83 6. Fazit 86 Literaturverzeichnis 88
IGES 5 Abbildungsverzeichnis Abb. 1: Modellregionen im BMVI-Modellvorhaben 9 Abb. 3: Vorgehen im BMVI-Modellvorhaben 10 Abb. 4: Ziele der Forschungsleistungen 11 Abb. 5: Merkmalsausprägungen im Überblick 14 Abb. 6: Zuordnung der Modelllandkreise zu den Regionsclustern 17 Abb. 7: Zuordnung der Bewerber zu den Regionsclustern 18 Abb. 8: Bewertungszielfragen und Skalierung 20 Abb. 9: Ergebnis der Rangreihung über ein skaliertes Bewertungssystem 22 Abb. 10: Finale Auswahl von vier Pilotregionen 22 Abb. 11: Vorgehen zur Erarbeitung der Muster-Umsetzungskonzepte 23 Abb. 12: Drei-Ebenen-Mobilitätsnetz im Salzlandkreis 29 Abb. 13: Zwei-Ebenen- Informations- und Kommunikationskonzept im Salzlandkreis 29 Abb. 14: ÖPNV-Marketing-Baukasten in der Übersicht 31 Abb. 15: ÖPNV-Marketing-Baukasten – Kosten für die Umsetzung ausgewählter Maßnahmen 32 Abb. 16: Umsetzung von ÖPNV-Marketingmaßnahmen – Hemmnisse und Erfolgsfaktoren 33 Abb. 17: Dorfauto „mobine“ – Zusammenfassung relevanter Kostenpositionen 35 Abb. 18: Dorfauto „mobine“ – Hemmnisse und Erfolgsfaktoren 35 Abb. 19: Einkaufs- und Patientenmobil – Abschätzung relevanter Kostenpositionen 37 Abb. 20: Einkaufs- und Patientenmobil – Hemmnisse und Erfolgsfaktoren 38 Abb. 21: Kulturbus – Abschätzung relevanter Kostenpositionen 40 Abb. 22: Kulturbus – Hemmnisse und Erfolgsfaktoren 40 Abb. 23: Einkaufs- und Patientenmobil – Abschätzung relevanter Kostenpositionen 42 Abb. 24: Einkaufs- und Patientenmobil – Abschätzung der Gesamtbetriebskosten 42 Abb. 25: Einkaufs- und Patientenmobil – Hemmnisse und Erfolgsfaktoren 43 Abb. 26: Mitnahmeverkehre bei ambulanten Pflegediensten – Hemmnisse und Erfolgsfaktoren 45
IGES 6 Zusammenfassung Ländliche Räume stehen, auch im Zuge des demographischen Wandels, vor großen Herausforderungen bei der Sicherstellung von Mobilität und Versorgung. Innerhalb des BMVI-Modellvorhabens „Langfristige Sicherung von Versorgung und Mobilität in ländlichen Räumen“ wurden zwischen 2015 und 2018 in 18 Modellregionen Lö- sungsansätze erarbeitet und in Mobilitätskonzepten zusammengestellt. Das Forschungsprojekt „Mobilität im ländlichen Raum – vom Konzept für die Flä- chenerschließung zur konkreten Umsetzung“ baut auf den Ergebnissen des Mo- dellvorhabens auf. Dabei sollte in ausgewählten Pilotregionen untersucht werden, wie die Mobilitätskonzepte konkret in die Praxis umgesetzt werden können, wel- che Herausforderungen und Hürden sich stellen und wie Übertragungsmöglichkei- ten auf andere ländliche Räume zu konzipieren sind. In einem ersten Schritt wurde auf Basis der vom demografischen Wandel beson- ders betroffenen ländlichen Räume eine Typologisierung in Form von Regionsclus- ters erarbeitet. Die mittels Clusteranalyse entwickelten Regionscluster bauen auf einem nachvollziehbarem Kriterien- und Bewertungskatalog auf, in welchem zent- rale Determinanten ländlicher Räume aufgegriffen werden. Auf Basis der Zuord- nung der 18 Modellregionen aus dem Modellvorhaben zu den drei Regionsclustern wurde ein Auswahl- und Bewertungsverfahren für die Auswahl von Pilotregionen entwickelt. Ziel war es, für jeden der drei Regionscluster mindestens eine reprä- sentative Modellregion für die weitere Betrachtung und gemeinsame Erarbeitung von Umsetzungskonzepten auszuwählen. Innerhalb des Auswahlverfahrens wur- den der Eifelkreis Bitburg-Prüm, der Landkreis Cuxhaven, die Landkreise Sonne- berg und Hildburghausen (gemeinsame Bewerbung) sowie der Salzlandkreis als Pi- lotregion ausgewählt. In der Kooperation mit den Pilotregionen stand zunächst die Auswahl und Weiter- entwicklung der Umsetzungsansätze im Fokus. Einige Ansätze wie beispielsweise das Dorfauto mobine im Landkreis Cuxhaven konnten in dieser Zeit bereits umge- setzt werden und lieferten erste praktische Erfahrungswerte. Andere wurden kon- zeptionell so weiterentwickelt, dass die Voraussetzungen für eine zukünftige Um- setzung geschaffen wurden. Im Zuge der Zusammenarbeit wurden für jeden Mobilitätsansatz relevante Umsetzungsaspekte herausgearbeitet. Dies berücksich- tigt neben wesentlichen Konzeptbestandteilen, Rahmenbedingungen, Erfolgsfak- toren und Hemmnissen auch relevante Machbarkeits- und Übertragbarkeitsas- pekte. Ergänzend zu den Erkenntnissen aus den Pilotregionen wurden im Sinne einer Best-Practice-Bewertung vergleichbare Mobilitätsangebote in anderen Regi- onen recherchiert und wesentliche Umsetzungsaspekte validiert. Die Ergebnisse wurden in Muster-Umsetzungskonzepte zusammengefasst. Im Ergebnis bieten die Muster-Umsetzungskonzepte eine gute Orientierungshilfe für ländliche Regionen bei der Entwicklung und Umsetzung von Mobilitätslösun- gen. Die Betrachtung wesentlicher Übertragbarkeitsaspekte machte jedoch auch deutlich, dass für die entwickelten Regionscluster keine Patentlösungen abgeleitet werden können. Dies liegt vor allem darin begründet, dass für die Umsetzung in
IGES 7 einer Region relevante spezifische Rahmenbedingungen wie insbesondere die be- stehenden regionalen Netzwerkstrukturen und Kooperationsformen nicht ausrei- chend berücksichtigt werden konnten.
IGES 8 1. Hintergrund und Ziel 1.1 Situation Mobilität und Versorgung im ländlichen Raum Der demografische Wandel ist in Deutschland längst Gegenwart: In zahlreichen Re- gionen ist in den letzten Jahren ein erheblicher Bevölkerungsrückgang, eine zum Teil extreme Verschiebung der Altersstruktur hin zu älteren Mitbürgerinnen und Mitbürgern, ein Rückgang von Schülerzahlen sowie eine Abnahme ortsnaher Ver- sorgungseinrichtungen festzustellen. Gegenwärtig sind von diesen Entwicklungen vor allem ländliche Räume außerhalb der großen Ballungsräume und Metropolen betroffen. Der Mobilität kommt in dieser Situation eine zentrale Rolle zu: Sie wird noch wich- tiger, um die Teilnahme der Bevölkerung ländlicher Räume am gesellschaftlichen Leben und den Zugang zu Arbeitsplätzen sowie zu zentralen und unverzichtbaren Dienstleistungen der täglichen Versorgung oder aber des Gesundheitswesens zu sichern. Um die erforderliche Mobilität in ländlichen Räumen auch zukünftig zu gewähr- leisten, gewinnen neben den klassischen Mobilitätsformen, wie dem privaten In- dividualverkehr und öffentlichen Verkehr (ÖV), zunehmend auch innovative, mul- timodale Mobilitätsangebote an Bedeutung, wie z.B. Kombinationen aus privatem Pkw, Bus und Bahn sowie Radverkehr. Hierbei kommt es jedoch auf eine stärkere Orientierung an den Bedürfnissen der unterschiedlichen Zielgruppen (Jugendliche, Familien, Senioren, körperlich eingeschränkte Personen, etc.) an. Vielen bestehenden Lösungsansätzen ist leider bisher gemeinsam, dass sich zwar Alternativen zum eigenen Pkw abzeichnen, aber notwendige organisatorische, fi- nanzielle und ggf. weitere Rahmenbedingungen geschaffen werden müssen, um einen Betrieb ohne Förderkulissen auch langfristig zu erhalten. Wenngleich die Frage der Mobilitätssicherung im ländlichen Raum überwiegend als öffentliche Pflicht im Kontext des Begriffs Daseinsvorsorge gesehen wird, greift diese Auslegung zu kurz, denn Mobilität ist ein Standortfaktor, der die gesamte Gesellschaft betrifft. Nur gemeinsam mit dem Engagement der Bevölkerung ländlicher Regionen und der dort ansässigen Wirtschaftsunternehmen und Organisationen ist es realistisch, zukunftsfähige Mobilitätslösungen zu schaffen. Dies berücksichtigt, dass der weit überwiegende Anteil der Verkehrsleistung im ländlichen Raum auch heute schon privat organisiert wird – nämlich im privaten Pkw.
IGES 9 1.2 Modellvorhaben „Langfristige Sicherung von Versorgung und Mobilität in ländlichen Räumen“ Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) hat im Mai 2015 in einem Aufruf an 91 Landkreise in Deutschland zur Teilnahme am Modell- vorhaben „Langfristige Sicherung von Versorgung und Mobilität in ländlichen Re- gionen“ eingeladen. Abb. 1: Modellregionen im BMVI-Modellvorhaben Quelle: BMVI 2016. Ziel des Modellvorhabens war die Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse in ländlichen Räumen durch eine bessere Verknüpfung von Daseinsvorsorge, Nahver- sorgung und Mobilität zu unterstützen. Bei der Entwicklung entsprechender Kon- zepte waren die aktive Einbindung zentraler Akteursgruppen der Daseinsvorsorge sowie Ziel- und Nutzergruppen vor Ort wichtige Bestandteile.
IGES 10 Im Dezember 2015 wurden insgesamt 18 Modellregionen durch das BMVI ausge- wählt, um im Rahmen des Modellvorhabens Lösungsideen zur Sicherung von er- reichbarer Daseinsvorsorge zu entwickeln und pilothaft umzusetzen. Erarbeitung von Mobilitäts- und Kooperationsraumkonzepten Auf Grundlage einer Bestandsanalyse von Angeboten der Daseinsvorsorge und ei- ner Analyse der Mobilitätsrealität wurden unter konsequenter Einbindung relevan- ter Akteursgruppen Ankerpunkte der Versorgung sowie die zu versorgenden Räume identifiziert. Zur Sicherstellung der Versorgung in den Kooperationsräumen wurden Handlungsansätze und Empfehlungen zur interkommunalen Kooperation und funktionalen Stärkung der Versorgungsschwerpunkte (Kooperationsraumstra- tegie) sowie zur Sicherstellung der Erreichbarkeit erarbeitet (Mobilitätsstrategie). Ausgewählte Handlungsansätze wurden bereits innerhalb des Modellvorhabens pilothaft implementiert und erste Möglichkeiten der Übertragbarkeit und langfris- tigen Finanzierbarkeit diskutiert. Abb. 2: Vorgehen im BMVI-Modellvorhaben Quelle: BMVI 2018.
IGES 11 1.3 Forschungsprojekt „Mobilität im ländlichen Raum – vom Kon- zept für die Flächenerschließung zur konkreten Umsetzung“ Nach der Erstellung der Mobilitätskonzepte im Modellvorhaben „Langfristige Si- cherung von Versorgung und Mobilität in ländlichen Räumen“ stand nun die kon- krete Umsetzung dieser im Mittelpunkt. Dabei lag der Fokus vor allem auf der „un- tersten“ Mobilitätsebene, d.h. der Flächenerschließung und Anbindung an das übergeordnete regionale ÖPNV-Netz. In diesem Forschungsvorhaben sollte untersucht werden, wie die Mobilitätskon- zepte konkret in die Praxis umgesetzt werden können, welche Herausforderungen und Hürden sich stellen und wie Übertragungsmöglichkeiten auf andere ländliche Räume zu konzipieren sind. Dazu sollten unter Berücksichtigung von drei Regionsclustern für vom demografi- schen Wandel besonders betroffene ländliche Räume max. vier der im Rahmen des Modellvorhabens „Langfristige Sicherung von Versorgung und Mobilität in ländlichen Räumen“ geförderten Landkreise zur Begleitung der konkreten Umset- zung ihrer Mobilitätskonzepte ausgewählt werden. In diesen Modelllandkreisen sollten repräsentative Muster-Umsetzungskonzepte für das jeweilige Regionsclus- ter erarbeitet werden. Abb. 3: Ziele der Forschungsleistungen Umsetzung von Mobilitätskonzepten Raumtypologie ländlicher Raum •Umsetzungsmöglichkeiten der •Entwicklung einer differenzierte Mobilitätskonzepte Raumtypologie für ländliche Räume •Umsetzungsbegleitung von Pilotregionen •Erarbeitung von Muster- bei den Mobilitätskonzepten Umsetzungskonzepten für repräsentative •Herausforderungen und Hürden für die Raumtypen des ländlichen Raums Umsetzung •Konzeption von Übertragungsmöglichkeiten auf andere ländliche Räume Abbildung: IGES 2021. Forschungsfragen In Zusammenfassung der Ausgangssituation und der angestrebten Ziele der For- schungsleistungen sollten nachfolgende Forschungsfragen auf Basis der Arbeiten in den Pilotregionen untersucht werden: Fragenkomplex 1: Stellenwert unterschiedlicher Mobilitätsangebote für die Flä- chenerschließung Welchen Stellenwert haben unterschiedliche Mobilitätsangebote für die Flächenerschließung?
IGES 12 Welche Rolle spielen dabei die räumliche Struktur und die demographische Situation? Fragenkomplex 2: Chancen zur Attraktivitätssteigerung des ÖPNV Worin bestehen besondere Chancen zur Attraktivitätssteigerung des ÖPNV z.B. für Familien, Senioren und Pendler? Fragenkomplex 3: Elektromobilität und autonomes Fahren Welchen Beitrag kann Elektromobilität innerhalb von Mobilitätsangeboten zur Flächenerschließung leisten? Welchen Beitrag kann autonomes Fahren innerhalb von Mobilitätsangebo- ten zur Flächenerschließung leisten? Fragenkomplex 4: Neue Finanzierungsmodelle, Geschäftsmodelle und bürger- schaftliches Engagement Welche neuen Finanzierungsmodelle zur Absicherung des ÖPNV in ländli- chen Raumtypen sind denkbar? Welche Geschäftsmodelle sind für alternative Mobilitätsangebote realis- tisch? Welchen nachhaltigen Beitrag kann bürgerschaftliches Engagement leisten?
IGES 13 2. Entwicklung einer Typisierung ländlicher Räume 2.1 Ziel, Methodik und Datengrundlage Bestehende Typologien für ländliche Räume wie die siedlungsstrukturellen Regi- onstypen fokussieren in ihrer Differenzierung vor allem auf Kriterien wie Siedlungs- struktur, Bevölkerungsdichte oder Zentralität/Lagegunst. Um die gesamte Komple- xität ländlicher Räume als Lebens-, Wirtschafts-, Arbeits-, Verkehrs- und Naturraum zu berücksichtigen, bedurfte es einer Entwicklung eines weitergehen- den Ansatzes. Vor diesem Hintergrund sollte in einem ersten Schritt auf Basis der vom demogra- fischen Wandel besonders betroffenen ländlichen Räume eine Typologisierung mit einem nachvollziehbarem Kriterien- und Bewertungskatalog erarbeitet werden, die eine stärkere Multidimensionalität aufnimmt und zugleich als repräsentativ für ländliche Räume in Deutschland gelten kann. Clusteranalyse – Methodik und Datengrundlage Die Clusteranalyse ist ein exploratives Verfahren zur Gruppenbildung, wobei eine Menge von Objekten bei gleichzeitiger Betrachtung von Merkmalen (Variablen, In- dikatoren) in Teilmengen (Cluster) unterteilt wird. Diese Cluster werden derart ge- bildet, dass die Ähnlichkeit zwischen den Objekten eines Clusters möglichst groß ist, während die Ähnlichkeit zwischen den einzelnen Clustern möglichst gering ist. Die einzelnen Objekte eines Clusters haben ähnliche Merkmalsausprägungen. Aufgrund der unterschiedlichen Verteilung der Merkmale wurden die Daten zu- nächst standardisiert. Unter der Verwendung der euklidischen Distanz und der Ward-Methode zur Gruppenbildung wurden die 129 vom demografischen Wandel überdurchschnittlich betroffenen Landkreise in Deutschland 1 mit ausgewählten In- dikatoren in jeweils drei Regionstypen eingeteilt. Die Ward-Methode beginnt mit der maximal möglichen Clusteranzahl, d.h. jedes Objekt bildet ein Cluster. Im nächsten Schritt werden jeweils jene zwei Cluster fusioniert, deren Zusammenfü- gen den kleinsten Zuwachs an Heterogenität zur Folge hat. Folgende Merkmale liegen der Clusteranalyse zu Grunde: Zentralität: Bevölkerung durch Anzahl der Mittel- und Oberzentren im Kreisgebiet Bevölkerungsprognose 2035 für die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter (20 bis unter 65) Motorisierung: Anzahl Pkw je 1.000 Einwohnerinnen und Einwohner Handlungsbedarf in den Handlungsfeldern gemäß Teilindex Daseinsvor- sorge2 1 Teilindex „Sicherung der Daseinsvorsorge“ 0,5 oder größer unter Berücksichtigung einer voraus- berechneten Bevölkerungsentwicklung 2012-2035 – Karte siehe www.demografie-portal.de 2 Die Handlungsfelder berücksichtigen zahlreiche weitere Indikatoren, wie beispielsweise die Be- völkerungsentwicklung Jüngerer und Älterer sowie den Pkw- und ÖPNV-Erreichbarkeiten
IGES 14 o Handlungsfeld 1: Sicherung der Infrastruktur für Kinder und Jugend- liche o Handlungsfeld 2: Ausbau seniorenspezifischer Infrastruktur o Handlungsfeld 3: Sicherung allgemeiner sozialer & kultureller Infra- struktur o Handlungsfeld 4: Sicherung technischer Infrastruktur 2.2 Charakterisierung und Übersicht über die Regionscluster Die nachfolgend dargelegten Charakteristika der drei Regionscluster beziehen sich jeweils auf den Durchschnitt aller Regionen, die auf Basis der Clusteranalyse dem jeweiligen Regionscluster zugeordnet wurden. Vereinzelte (auch deutliche) Abwei- chungen der Merkmalsausprägungen für einzelne Regionen des jeweiligen Clus- ters sind möglich. Abb. 4: Merkmalsausprägungen im Überblick Abbildung: IGES 2021. Anmerkungen: Das Null-Niveau repräsentiert den Mittelwert 0 jedes Indikators über alle 129 Landkreise Die Abweichungen sowohl in den positiven als auch den negativen Bereich charakterisie- ren das Verhältnis der Ausprägungen des Indikators zueinander für die Regionscluster. Zentralität: Der Indikator beschreibt das Verhältnis zwischen der Bevölkerungszahl und der Anzahl der zentralen Orte (Mittel- und Oberzentren) im Kreisgebiet. Mittel- und von Mittel- und Oberzentren. Eine Übersicht über die den Handlungsfeldern zu Grunde ge- legten Indikatoren kann folgendem Dokument (S. 16) entnommen werden: http://www.de- mografie-portal.de/SharedDocs/Arbeitsgruppen/DE/2012/Ergebnisse/AG_D_Metho- dik_Abgrenzung.pdf?__blob=publicationFile&v=7
IGES 15 Oberzentren außerhalb des Kreisgebietes (auch in unmittelbarer räumlicher Nähe) wer- den nicht berücksichtigt. Je positiver die Merkmalsausprägung desto mehr Einwohnerin- nen und Einwohner entfallen durchschnittlich auf einen zentralen Ort im Kreisgebiet (Mittel- und Oberzentren). Bevölkerungsprognose: Je negativer die Merkmalsausprägung desto größer ist der prog- nostizierte Bevölkerungsrückgang Handlungsfelder: Je positiver die Merkmalsausprägung desto größer ist der Handlungs- bedarf Motorisierung: Je positiver die Merkmalsausprägung desto größer der Pkw-Bestand je 1.000 Einwohnerinnen und Einwohner Charakterisierung Regionscluster 1 Statistisch können 45 der 129 ländlichen Landkreise (vgl. Anlage 1) dem Regions- cluster 1 zugeordnet werden. Das Regionscluster umfasst insgesamt acht Land- kreise, die als Modellregion oder als Teil einer Modellregion innerhalb des Modell- vorhabens gefördert werden. Im Vergleich zu den anderen Regionsclustern ist der Regionscluster 1 charakteri- siert durch die durchschnittlich höchste Anzahl kreiseigener Mittel- und Oberzentren gemessen an der Bevölkerungszahl, einen durchschnittlich geringeren prognostizierten Rückgang der Bevölke- rung im arbeitsfähigen Alter (20 bis 65-Jährige) bis zum Jahr 2035 als im Regionscluster 2, jedoch stärker als im Regionscluster 3, einen durchschnittlich geringeren Handlungsbedarf als im Regionscluster 2 in den Handlungsfeldern (1) „Sicherung der Infrastruktur für Kinder und Jugendliche“, (3) „Sicherung allgemeiner sozialer & kultureller Infrastruk- tur “ und (4) „Sicherung technische Infrastruktur“, jedoch stärker als im Regionscluster 3, einen durchschnittlich stärkeren Handlungsbedarf als im Regionscluster 2 im Handlungsfeld (2) „Ausbau seniorenspezifischer Infrastruktur“, jedoch geringer als im Regionscluster 3 sowie einem höheren Bestand an PKW auf 1.000 Einwohnerinnen und Einwoh- ner (Motorisierung) als im Regionscluster 2, jedoch geringer als im Regi- onscluster 3. Charakterisierung Regionscluster 2 Statistisch können 43 der 129 ländlichen Landkreise dem Regionscluster 2 zuge- ordnet werden. Das Regionscluster umfasst insgesamt zehn Landkreise, die als Mo- dellregion oder als Teil einer Modellregion innerhalb des Modellvorhabens geför- dert werden.
IGES 16 Im Vergleich zu den anderen Regionsclustern ist der Regionscluster 2 3 charakteri- siert durch den durchschnittlich größten prognostizierten Rückgang der Bevölkerung im arbeitsfähigen Alter (20 bis 65-Jährige) bis zum Jahr 2035, den durchschnittlich höchsten Handlungsbedarf in den Handlungsfeldern (1) „Sicherung der Infrastruktur für Kinder und Jugendliche“, (3) „Siche- rung allgemeiner sozialer & kultureller Infrastruktur“ und (4) „Sicherung technischer Infrastruktur" 4, dem durchschnittlich geringsten Handlungsbedarf im Handlungsfeld „Aus- bau seniorenspezifischer Infrastruktur"1, dem durchschnittlich geringsten Bestand an PKW auf 1.000 Einwohnerin- nen und Einwohner (Motorisierung). Die Anzahl von kreiseigenen Mittel- und Oberzentren liegt bezogen auf die Bevöl- kerungszahl im Mittel deutlich über denen des Regionsclusters 3 und unter denen des Regionsclusters 1. Charakterisierung Regionscluster 3 Statistisch können 41 der 129 ländlichen Landkreise dem Regionscluster 3 zuge- ordnet werden. Das Regionscluster umfasst insgesamt vier Landkreise, die als Mo- dellregion oder als Teil einer Modellregion innerhalb des Modellvorhabens geför- dert werden. Im Vergleich zu den anderen Regionsclustern ist der Regionscluster 3 charakteri- siert durch die durchschnittlich geringste Anzahl kreiseigener Mittel- und Oberzen- tren gemessen an der Bevölkerungszahl, den durchschnittlich geringsten prognostizierten Rückgang der Bevölke- rung im arbeitsfähigen Alter (20 bis 65-Jährige) bis zum Jahr 2035, den durchschnittlich höchsten Handlungsbedarf im Handlungsfeld (2) „Ausbau seniorenspezifischer Infrastruktur“ den durchschnittlich geringsten Handlungsbedarf in den Handlungsfel- dern (1) „Sicherung der Infrastruktur für Kinder und Jugendliche“, (3) „Si- cherung allgemeiner sozialer & kultureller Infrastruktur “ und (4) „Siche- rung technische Infrastruktur“, dem durchschnittlich höchsten Bestand an PKW auf 1.000 Einwohnerin- nen und Einwohner (Motorisierung). 3 Die Clusteranalyse führte zu einer Zuordnung fast aller im Modellvorhaben „Langfristige Sicherung von Versorgung und Mobilität“ geförderten ostdeutschen Landkreise zum Regionscluster 2. Eine raumbezogene Begründung ist auf Basis der Clusteranalyse nicht möglich. 4 entsprechend den jeweiligen Regionaldossiers des BBSR: https://www.bbr-server.de/image- map/demographie/index.html
IGES 17 Abb. 5: Zuordnung der Modelllandkreise zu den Regionsclustern Regionscluster 1 Regionscluster 2 Regionscluster 3 Bad Kissingen Bautzen Coesfeld Eifelkreis Bitburg-Prüm Görlitz Cuxhaven Holzminden Hildburghausen Schleswig-Flensburg Leipzig Oberspreewald-Lausitz Sigmaringen Merzig-Wadern Ostprignitz-Ruppin Rhön-Grabfeld Salzlandkreis Vogelsbergkreis Sonneberg Wesermarsch Spree-Neiße Vorpommern-Greifswald Wartburgkreis Abbildung: IGES 2021.
IGES 18 2.3 Auswahlprozess der Pilotregionen Auf Basis der Zuordnung zu den drei Regionsclustern wurde ein Auswahl- und Be- wertungsverfahren für die Auswahl von Pilotregionen entwickelt. Ziel war es, für jeden der drei Regionscluster mindestens eine repräsentative Mo- dellregion für die weitere Betrachtung und gemeinsame Erarbeitung von Umset- zungskonzepten auszuwählen. Bewerbungsberechtigt als Pilotregion waren im Sinne dieses Forschungsvorhabens alle Landkreise, die als Modellregion oder Teil einer Modellregion im Modellvor- haben „Langfristige Sicherung von Versorgung und Mobilität in ländlichen Räu- men“ gefördert wurden. Bei Doppelregionen (i.S.v. zwei Landkreisen) war jeder Landkreis für sich bewerbungsberechtigt. Auch Bewerbungen als Doppelregionen waren zulässig. Mit der Veröffentlichung der Ausschreibung im Mai 2018 startete das Verfahren zur Auswahl der Pilotregionen. Die Bewerbungen erfolgten auf Grundlage eines Bewerbungsformulars, in welchem folgende Aspekte zu erläutern waren: Gesamthafte Beschreibung des erarbeiteten Mobilitätskonzeptes Kurzbeschreibung von max. zehn Maßnahmen Erläuterung der Maßnahmenintegration in übergeordnete bzw. konkreti- sierende Strategien Erläuterungen zu bestehenden Netzwerken und zur Einbindung der Politik sowie der Städte und Gemeinden Erklärungen zum geplanten Projektmanagement Die Teilnahme war bis zum 8. Juni 2018 12:00 Uhr per E-Mail möglich. Eingegangene Bewerbungen Insgesamt gingen neun Bewerbungen fristgerecht bis zum 8. Juni 2018 ein. Dabei handelte es sich um folgende Bewerber, die nach Regionsclustern geordnet in Abb. 7 dargestellt werden. Abb. 6: Zuordnung der Bewerber zu den Regionsclustern Regionscluster 1: Regionscluster 2: Regionscluster 3: •Eifelkreis Bitburg-Prüm •Landkreis Bautzen •Landkreis Cuxhaven •Landkreis Holzminden •Landkreise Hildburghausen •Landkreis Wesermarsch & Sonneberg •Landkreis Ostprignitz- Ruppin •Salzlandkreis •Landkreis Spree-Neiße Abbildung: IGES 2021.
IGES 19 Überführung der Bewerbungen in eine Datenbasis Die eingegangenen Bewerbungsbögen sowie die Anlagen mit den jeweiligen Be- schreibungen der Umsetzungsmaßnahmen wurden durch Export der Formularein- tragungen in ein Excel-Datenformat überführt. Die einzelnen Umsetzungsmaßnah- men wurden dabei den jeweiligen Bewerbungsbögen des Bewerbers zugeordnet, so dass eine Auswertung im Gesamtzusammenhang möglich war. Zweistufiges Bewertungsverfahren Um die eingereichten Bewerbungen auszuwerten, wurde die Bildung einer Rangreihung über ein skaliertes Bewertungssystem empfohlen. Darauf aufbauend konnte dann aus der Rangreihung die Festlegung der auszuwählenden Bewerber- landkreise erfolgen, wobei in diesem zweiten Schritt die Auswahl von mindestens einem Landkreis je Regionscluster sichergestellt wurde. Rangreihung über ein skaliertes Bewertungssystem Die Bildung einer Rangreihung erfolgte, indem zu den jeweiligen Datenfeldern der Bewerbungsunterlagen geeignete Bewertungszielfragen abgeleitet wurden. Die Fragen wurden für jeden einzelnen Bewerberlandkreis bzw. für jede einzelne Umsetzungsmaßnahme qualitativ bewertet (mit textlicher Beschreibung). Die textliche Beschreibung wurde dann über eine zwei- oder fünfstufige Skalierung in eine Punktebewertung überführt. Die Rangreihung entstand im Ergebnis aus der Summe der erreichten Punktebe- wertungen. Dabei wurden folgende Prämissen berücksichtigt: Da im Ausschreibungsverfahren nicht vorgegeben wurde, wie viele Maß- nahmen mindestens eingereicht werden müssen und da Art und Umfang der Maßnahmen zwischen den einzelnen Landkreisen stark abwichen, wurde aus den Punktbewertungen der einzelnen Umsetzungsmaßnah- men ein Mittelwert gebildet, der in die Bildung der Rangreihung einfloss. Auf eine Wichtung der einzelnen Bewertungszielfragen wurde verzichtet, da sich alle Bewertungszielfragen an den Leitthemen des Ausschreibungs- verfahrens (Umsetzungsperspektiven im Sinne modellhafter Maßnahmen in ländlichen Räumen sowie Fokus Flächenerschließung im Sinne der drit- ten Ebene des Drei-Ebenen-Modells) einordnen. Eine Wichtung war daher nicht zielführend. Darstellung der Bewertungszielfragen und der angewendeten Skalierung Nachfolgend werden die abgeleiteten Bewertungszielfragen sowie die angewen- deten Skalierungen bei der Überführung in die Punktebewertung zusammenge- fasst:
IGES 20 Abb. 7: Bewertungszielfragen und Skalierung Bewertete Angaben Bewertungszielfrage Skalierung Kurzbeschreibung der Umset- Wie ist der Grad der Lösung 4 Punkte = sehr gut zungsmaßnahmen der Versorgungs- und Erreich- 3 Punkte = gut barkeitsdefizite durch die Um- 2 Punkte = befriedigend Zugrundeliegendes Versor- setzungsmaßnahme einzu- 1 Punkte = ausreichend gungs- bzw. Erreichbarkeits- schätzen? 0 Punkte =nicht ausreichend defizit Darstellung vorgesehener Angebotsumfang Zuordnung zu Bedienformen Inwiefern wird die Ebene der 4 Punkte = sehr gut und zu den Bedienebenen Flächenerschließung unter- 3 Punkte = gut stützt? 2 Punkte = befriedigend 1 Punkte = ausreichend 0 Punkte =nicht ausreichend Verkehrsmittelverknüpfung Sofern erforderlich, inwiefern 4 Punkte = sehr gut wird eine Verknüpfung zu den 3 Punkte = gut anderen Netzebenen unter- 2 Punkte = befriedigend stützt? 1 Punkte = ausreichend 0 Punkte =nicht ausreichend Bezug zu vorangegangenen Inwiefern wird ein etwaiger 2 Punkte = förderlich Maßnahmen bzw. An- Bezug zu einer vorangegange- 0 Punkte = nicht förderlich knüpfungspunkten nen Maßnahme als förderlich für die Umsetzung angese- hen? Darstellung des räumlichen Wie ist die Zielgruppenadä- 4 Punkte = sehr gut Wirkungsbereiches (konkre- quatheit der Umsetzungs- 3 Punkte = gut tes Versorgungszentrum und maßnahme für die Zielgrup- 2 Punkte = befriedigend Kooperationsraum) pen zu bewerten? 1 Punkte = ausreichend 0 Punkte =nicht ausreichend Adressierte Zielgruppen und an der Umsetzung beteiligte Akteursgruppen Status der Umsetzung bzw. Inwiefern erscheint eine Um- 2 Punkte = realistisch notwendige Arbeitsschritte setzung innerhalb der vorge- 0 Punkte = nicht realistisch zur Umsetzung (inkl. ge- sehenen Zeit als realistisch? schätzte Umsetzungsdauer) Ziele und strategische Einord- Wie ist der angedachte/um- 4 Punkte = sehr gut nung des integrierten Mobili- gesetzte Grad der Einbindung 3 Punkte = gut tätskonzeptes der Umsetzungsmaßnahmen 2 Punkte = befriedigend 1 Punkte = ausreichend 0 Punkte =nicht ausreichend
IGES 21 Bewertete Angaben Bewertungszielfrage Skalierung in übergeordnete/konkretisie- rende Strategien zu beurtei- len? Bestehende Netzwerke aus Lassen die Beteiligten eine 4 Punkte = sehr gut dem Modellvorhaben Eignung für die Umsetzung 3 Punkte = gut erkennen? 2 Punkte = befriedigend 1 Punkte = ausreichend 0 Punkte =nicht ausreichend Einbindung der kommunalen Ist die kommunalpolitische 2 Punkte = ausreichend ein- Politik Ebene ausreichend eingebun- gebunden den? 0 Punkte = nicht ausreichend eingebunden Lässt die bestehende Be- 2 Punkte =Verbindlichkeit er- schlusslage oder angestrebte kennbar Verbindlichkeit eine Umset- 0 Punkte = Verbindlichkeit zung wahrscheinlich werden? nicht erkennbar Einbindung von Städten und Wie ist der Grad der Umset- 4 Punkte = sehr gut Gemeinden zungsunterstützung in den je- 3 Punkte = gut weiligen Landkreisen einzu- 2 Punkte = befriedigend schätzen? 1 Punkte = ausreichend 0 Punkte =nicht ausreichend Ressourcenplanung Ist die vorgesehene finanzielle 2 Punkte = Plausibilität gege- / personelle Ressourcenpla- ben nung plausibel bzw. lässt eine 0 Punkte = Plausibilität nicht Umsetzung im vorgesehenen gegeben Zeitrahmen erwarten? Abbildung: IGES 2021. Ergebnis der Rangreihung über ein skaliertes Bewertungssystem Die jeweiligen Bewertungen und daraus resultierenden Punktevergaben wurden nachvollziehbar dokumentiert. Im Ergebnis resultierte folgende Rangreihung.
IGES 22 Abb. 8: Ergebnis der Rangreihung über ein skaliertes Bewertungssystem Bewerber Regionscluster Gesamtpunkte (absteigend) Eifelkreis Bitburg-Prüm 1 38,0 Landkreis Cuxhaven 3 38,0 Salzlandkreis 2 38,0 Landkreise Sonneberg & Hildburghau- 2 37,0 sen Landkreis Spree-Neiße 2 37,0 Landkreis Wesermarsch 1 35,8 Landkreis Holzminden 1 35,0 Landkreis Ostprignitz-Ruppin 2 34,0 Landkreis Bautzen 2 30,0 Abbildung: IGES 2021. Finale Auswahl der Pilotregionen Im Ergebnis der Rangreihung und unter Berücksichtigung, dass je Regionscluster mindestens ein Landkreis auszuwählen war, resultierten für die Regionscluster 1 und 3 eindeutige Auswahlvorschläge (Eifelkreis Bitburg-Prüm, Regionscluster 1 sowie Landkreis Cuxhaven, Regionscluster 3). Für das Regionscluster 2 ergab sich die Auswahl des drittplatzierten Landkreises Salzlandkreis. Die Auswahl des vierten Landkreises war aufgrund gleicher Punktebewertungen sowohl für den Landkreis Spree-Neiße als auch für die Landkreise Sonneberg & Hildburghausen denkbar. In einer finalen qualitativen Abwägung mit dem BMVI wurde insbesondere aufgrund des Innovationsgehalts sowie der Umsetzungsper- spektive die Doppelregion aus den Landkreisen Sonneberg und Hildburghausen (Regionscluster 2) als vierte Pilotregion ausgewählt. Es resultierte folgende finale Auswahl von vier Pilotregionen. Abb. 9: Finale Auswahl von vier Pilotregionen Regionscluster Pilotregionen 1 Eifelkreis Bitburg-Prüm 2 Salzlandkreis, Landkreise Sonneberg & Hildburghausen 3 Landkreis Cuxhaven Abbildung: IGES 2021.
IGES 23 3. Entwicklung von Muster-Umsetzungskonzepten für ausgewählte Mobilitätsansätze der Pilotregionen 3.1 Vorgehen zur Erarbeitung der Muster-Umsetzungskonzepte Die Erarbeitung der Muster-Umsetzungskonzepte basierte im Wesentlichen auf der gemeinsamen Erarbeitung/Weiterentwicklung von Umsetzungsansät- zen in den Pilotregionen sowie einer Analyse ähnlicher Konzepte und Umsetzungen in anderen Regionen (Best-Practices, vgl. Abschnitt 3.4), die in eine praxisorientierte Umsetzungsbewertung einflossen. Das Ergebnis sind Musterumsetzungskonzepte, in denen wesentliche für die Umsetzung an anderen Regionen relevante konzeptionelle Bausteine und Rahmenbedingungen zusam- mengestellt wurden. Abb. 10: Vorgehen zur Erarbeitung der Muster-Umsetzungskonzepte Abbildung: IGES 2021. Nachfolgend wird das konkrete Vorgehen anhand der relevanten Arbeitsschritte kurz erläutert. Erarbeitung/Weiterentwicklung von Umsetzungsansätzen in den Pilotregionen Als Auftakt der Kooperation mit den Pilotregionen erfolgte zunächst die Zusam- menstellung relevanter Mobilitätsangebote sowie die Auswahl für die weitere Um- setzung. Grundlage dafür bildeten die Bewerbungsunterlagen sowie die Koopera- tionsraum- und Mobilitätskonzepte der Pilotregionen. Im diesem Rahmen wurde insbesondere der innovative Charakter gemessen an der Ausgangssituation in der jeweiligen Region herausgestellt.
IGES 24 In einem intensiven Austauschprozess erfolgte anschließend die betrieblich-kon- zeptionelle Spezifikation der definierten Mobilitätsangebote. Dies beinhaltete die Diskussion von Betriebs-/Betreiber- und Geschäftsmodellen sowie der genehmi- gungsrechtlichen Einordnung. In einem letzten Schritt wurden u.a. auf Basis von zwei Befragungen der Pilotregi- onen relevante Umsetzungsaspekte herausgearbeitet und unter Berücksichtigung von Machbarkeitsaspekten zu Konzeptblättern zusammengestellt. Analyse ähnlicher Konzepte und Umsetzungen in anderen Regionen (Best-Prac- tices) Ergänzend zu den Erkenntnissen aus den Pilotregionen wurden mit dem Ziel einer konzeptionellen Validierung im Sinne einer Best-Practice-Bewertung vergleichbare Mobilitätsangebote in anderen Regionen recherchiert. Auf Grundlage der Recher- cheergebnisse wurden wesentliche konzeptionelle Gemeinsamkeiten und Unter- schiede herausgestellt. Übertragbarkeitsbewertung und Zusammenstellung von Muster-Umsetzungs- konzepten Auf Grundlage einer Gegenüberstellung wesentlicher Konzeptbestandteile sowie unter Berücksichtigung der jeweiligen räumlichen und strukturellen Voraussetzun- gen erfolgte eine praxisorientierte Bewertung der Übertragbarkeit. Im Anschluss wurden die für eine Umsetzung in anderen Regionen relevanten konzeptionellen Eckpunkte kondensiert, ein möglicher Ansatz für die Herangehensweise skizziert und in Form von Muster-Umsetzungskonzepten zusammengestellt.
IGES 25 3.2 Ausgangssituation in den Pilotregionen Nachfolgend wird die Ausgangssituation in den vier Pilotregionen dargestellt. Der Fokus liegt dabei auf relevanten Kennzahlen zur Siedlungsstruktur sowie zur Mo- bilitätssituation. Auch die Eckpunkte der im Rahmen des Modellvorhabens „Lang- fristige Sicherung von Versorgung und Mobilität in ländlichen Räumen“ erarbeite- ten konzeptionellen Grundlagen werden skizziert. 3.2.1 Eifelkreis Bitburg-Prüm (Rheinland-Pfalz) Neben der Grenzlage zu Luxemburg und Belgien stellt die kleinteilige Siedlungs- struktur im Eifelkreis eine ganz besondere Herausforderung dar: Von den insge- samt 234 Ortsgemeinden (gemeindereichster Landkreis in Deutschland) sind 81 % Klein-und Kleinstgemeinden mit weniger als 500 Einwohnerinnen und Einwohner, 50 % haben sogar weniger als 200 Einwohnerinnen und Einwohner. Über 60 der 100 kleinsten Gemeinden in Rheinland-Pfalz liegen im Eifelkreis. Selbst die Kreis- stadt Bitburg zählt als größte Gemeinde im Kreisgebiet eine Bevölkerungszahl von 14.540 (Stand 31.12.2016). Mobilitätssituation und Eckpunkte des Mobilitätskonzeptes Der ÖPNV im Eifelkreis bekommt seit einigen Jahren die Auswirkungen des demo- graphischen Wandels deutlich zu spüren. Das bedeutet, dass die Anzahl der Schü- lerinnen und Schüler, der größten Kundengruppe im ÖPNV des ländlichen Raumes, zurückgeht und weiter sinken wird. Das bisher noch vorhandene "eigenwirtschaft- liche" System auf Basis von Linienkonzessionen einzelner Busunternehmen wird nicht aufrecht zu erhalten sein. Mit einer komplett neuen Überplanung des ÖPNV und der damit verbundenen Ein- führung eines vergabebasierten ÖPNV als Basis für das integrierte Mobilitätskon- zept wird im Eifelkreis erstmalig ein systematisch verknüpfter Taktverkehr einge- führt und das Angebot entgegen dem allgemeinen Trend im ländlichen Raum deutlich ausgeweitet. Dabei sieht die Planung neben Hauptlinien und Ergänzungs- linien 1. und 2. Ordnung (Schülerverkehr) auch die Einrichtung sogenannter Rufsektoren vor, in denen flexible bedarfsorientierte Bedienformen (Anrufsam- meltaxen, AST) zum Einsatz kommen werden. Diese AST-Verkehre stellen aus Sicht der Fahrgäste sowie Bürgerinnen und Bürger im Eifelkreis eine gänzlich neue An- gebotsform dar, die einen hohen Bedarf an Markteinführungs- und Marketingmaß- nahmen erfordert. Das Modellvorhaben ermöglichte im Rahmen der Planung und Vorbereitung des neuen ÖPNV, Maßnahmen der Flächenerschließung intensiv zu bearbeiten. Dabei lag der Fokus vor allem auf der „untersten“ Mobilitätsebene. Insbesondere der Ab- gleich der verkehrstechnischen Planung (AST-Sektoren) mit der am tatsächlichen
IGES 26 Bedarf der Bevölkerung orientierten Arbeit im Modellvorhaben war Schwerpunkt der Untersuchungen.5 3.2.2 Landkreis Cuxhaven (Niedersachsen) Der Landkreis wird im Westen durch die Unterweser und im Osten und Norden durch die Unterelbe bzw. die Nordsee begrenzt. Die geografische Randlage des Landkreises wird verstärkt durch eine siedlungsstrukturelle und kulturelle Teilung des Landkreises in einen westlichen bzw. südlichen Teil mit einer Siedlungsachse entlang der Unterweser, die auf das Oberzentrum Bremerhaven ausgerichtet ist, und einen östlichen bzw. nördlichen Teil entlang der Unterelbe, der zum Tei l noch auf das Oberzentrum Hamburg ausgerichtet ist. Abgesehen von wenigen stärker verdichteten, städtisch strukturierten Gebieten (Stadt Cuxhaven, Umland von Bremerhaven) liegt die Bevölkerungsdichte oftmals unter 50 Einwohnerinnen und Einwohner je km². Die Kreisstadt Cuxhaven bildet den nördlichen Treffpunkt der beiden Siedlungsach- sen. Aufgrund dieser Randlage kann die Kreisstadt für weite Teile des Landkreises nur bedingt Versorgungsfunktionen übernehmen. Diese Aufgabe übernehmen lo- kale Versorgungszentren und das Oberzentrum Bremerhaven. Die Seniorinnen und Senioren ab 65 Jahren machen mittlerweile mehr als 25 % der Gesamtbevölkerung im Landkreis Cuxhaven aus, Tendenz steigend. Der Landkreis gilt u. a. aufgrund dieser Entwicklung als besonders vom demografischen Wandel betroffen. Mobilitätssituation und Eckpunkte des Mobilitätskonzeptes Der Landkreis Cuxhaven konnte bereits auf umfangreiche konzeptionelle Vorarbei- ten aus der Erarbeitung des integrierten verkehrsträgerübergreifenden Mobilitäts- konzeptes, welches im Jahr 2015 veröffentlicht wurde, zurückgreifen. Die Analysen konnten um weitere detaillierte Bestandsaufnahmen inkl. einer Kommunalbefra- gung ergänzt werden. Auf Basis der Bestandsaufnahme in den Bereichen Mobilität und Daseinsvorsorge sowie im Ergebnis der Kommunalbefragung wurden Lösungsansätze für innovative Mobilitätskonzepte erarbeitet und in den Projektgremien diskutiert und im Hin- blick auf deren Akzeptanz bei Nutzerinnen und Nutzern sowie die Umsetzbarkeit (Knowhow, Organisation, Bereitschaft zum Ehrenamt, Finanzierung) bewertet. Ziel der Bewertung war es, die Vielzahl möglicher Lösungsansätze auf solche An- sätze zu begrenzen, die von den Beteiligten vor Ort als zielführend und mittel- bis langfristig machbar angesehen wurden. So war eine Fokussierung auf eine über- schaubare Anzahl von Lösungsansätzen möglich, die anschließend zu Vorhabenbe- schreibungen ausgearbeitet wurden. Um den integrativen Charakter des strategi- schen Ansatzes zu gewährleisten, waren die erarbeiteten Ansätze aus 5 Vgl. BMVI 2018(1)
IGES 27 Kooperationsraum- und Mobilitätskonzept aufeinander abzustimmen. Mit den Be- triebsaufnahmen AST-Bederkesa und AST-Nordholz am 13.06.2018 besteht für alle Orte im Kreisgebiet mindestens von Montag bis Samstag ein vertaktetes Fahrten- angebot in die jeweiligen Versorgungszentren unabhängig von der Schülerbeför- derung. Für das Mobilitätskonzept wurden daher zwei Handlungsschwerpunkte herausgearbeitet: Möglichkeiten für eine gleichwertige Anbindung aller Versorgungszentren mit hochwertigen ÖPNV-Angeboten an das übergeordnete ÖPNV-Netz. Ergänzung der Angebote auf Ebene der Flächenbedienung durch weitere innovative Mobilitätsangebote und Förderung von intermodalem Ver- kehrsverhalten durch Einrichtung von Verknüpfungspunkten. 6 3.2.3 Landkreise Sonneberg und Hildburghausen (Thüringen) Die Pilotregion besteht aus den beiden südthüringischen Landkreisen Sonneberg und Hildburghausen. Der Thüringer Wald mit seinem Höhenweg, dem Rennsteig, bildet eine naturräumliche Grenze nach Nord-Nord-Ost. Das Grüne Band (ehema- lige innerdeutsche Grenze) begrenzt die Region nach Süden, Osten und Westen. Der Landkreis Sonneberg umfasst acht Kommunen. Der Landkreis Hildburghausen zählt 32 Kommunen, wovon 23 in zwei Verwaltungsgemeinschaften verwaltet werden. Die durchschnittliche Bevölkerungsdichte beträgt 88,2 Einwohnerinnen und Einwohner je km². Die Siedlungsstruktur in den Landkreisen Sonneberg und Hildburghausen besteht überwiegend aus kompakten Orten mit verhältnismäßig dichter Bebauung. Im Bereich des Thüringer Waldes liegen topografiebedingt al- lerdings überwiegend langgezogene Straßendörfer sowie Streusiedlungen. Ge- meindegrößen und Anzahl der Ortsteile sind sehr heterogen. Entsprechend unter- schiedlich ist die jeweilige Ausstattung mit Versorgungsangeboten. Mobilitätssituation und Eckpunkte des Mobilitätskonzeptes Gegenstand des integrierten Mobilitätskonzepts ist ein aus drei Ebenen hierar- chisch aufgebautes Netz aus öffentlich zugänglichen Angeboten (Ebene 1: Haupt- relationen, Funktion "Schnelles Verbinden"; Netzebene 2: Nebenrelationen, Funk- tion "Verbinden+Erschließen"; Netzebene 3: Flächenerschließung, Funktion "Erschließung"). Die beiden ersten Ebenen sind in beiden Landkreisen gut ausgestattet. Die im Rah- men des Umsetzungskonzeptes in den vier Pilotkooperationsräumen erarbeiteten Maßnahmen dienen der Netzebene 3 und werden in die jetzige und zukünftige ÖPNV-Planung eingebunden (NVPs der Landkreise). Sie werden musterhaft in den Pilotkooperationsräumen entwickelt und sollen flächendeckend eingeführt wer- den. 7 6 Vgl. BMVI 2018(2) 7 Vgl. BMVI 2018(3)
IGES 28 3.2.4 Salzlandkreis (Sachsen-Anhalt) Der Salzlandkreis im Zentrum Sachsen-Anhalts erstreckt sich über eine Fläche von rund 1.400 km². Er zählt zwei Verbands- und elf Einheitsgemeinden. Die zentrale Lage zwischen den Ballungszentren Magdeburg und Halle sowie eine gute Ver- kehrsinfrastruktur begünstigen den Salzlandkreis als Wirtschaftsstandort. Wich- tige Straßenachsen schneiden sich im Salzlandkreis, zudem gibt es eine gute An- bindung an das überregionale Bahn- und Wasserstraßennetz. Im überwiegend ländlich geprägten Salzlandkreis lebten zum letzten Stichtag 188.449 Einwohnerinnen und Einwohner (Stand 30.06.2020). Die Bevölkerung ver- teilt sich auf 128 Ortsteile. Die durchschnittliche Bevölkerungsdichte beträgt dabei 132 Einwohnerinnen und Einwohner je km². Schon heute sind die Folgen der qua- litativen und quantitativen Veränderungen der Bevölkerungsentwicklung spürbar. Neben einem Rückgang der Bevölkerungszahl ist auch eine deutliche Zunahme des durchschnittlichen Alters der ortsansässigen Bevölkerung zu beobachten. Die für den ländlichen Raum bedeutsame Versorgungsinfrastruktur dünnt zunehmend aus, was dazu führt, dass auch im Salzlandkreis die Wege zur Befriedigung der ei- genen Bedürfnisse immer länger werden. 8 Mobilitätssituation und Eckpunkte des Mobilitätskonzeptes Für die Entwicklung eines kreisweiten integrierten Mobilitätskonzeptes folgten die Verantwortlichen im Salzlandkreis den Lösungsansätzen, die im Jahr 2012 im Auf- trag des BMVI für den Landkreis Nordfriesland entwickelt worden sind. Der Fokus liegt dabei zum einen auf der Umsetzung eines aus drei Ebenen hierarchisch auf- gebauten Mobilitätssystems (vgl. Abb. 11). Angebote der zweiten Netzebene (ÖPNV-Netz SLK) bilden dabei das Scharnier zwischen dem Landesnetz (1. Ebene) und den zukünftigen kleinräumig organisierten Ortsnetzen mit alternativen Mobi- litätsangeboten (3. Ebene) als Ergänzung zum Regionalnetz der KVG Salzland mbH. 8 Vgl. BMVI 2018(4)
IGES 29 Abb. 11: Drei-Ebenen-Mobilitätsnetz im Salzlandkreis Abbildung: Salzlandkreis 2018. Einen weiteren zentralen Ansatz bildet ein mit den regionalen Akteuren entwickel- tes 2-Ebenen- Informations- und Kommunikationskonzept, welches die Vernet- zung der verschiedener Angebots- und Nutzerebenen zukünftiger Ideen und Kon- zepte durch transparente Interaktionsmöglichkeiten unterstützen soll. Abb. 12: Zwei-Ebenen- Informations- und Kommunikationskonzept im Salzlandkreis Abbildung: Salzlandkreis 2018.
IGES 30 3.3 Maßnahmenansätze und Umsetzungskonzepte in den Pilotre- gionen Nachfolgend werden die durch die Pilotregionen erarbeiteten Umsetzungsansätze unter Berücksichtigung der konkreten regionalen Situation detailliert dargestellt. Neben einer Beschreibung des konzeptionellen Ansatzes umfasst dies auch Aspekte der Nutzen- und Nutzbarkeitsbewertung, Eine Abgrenzung des Rechts- und Genehmigungsrahmens, Erläuterungen zu Kosten, Finanzierung und der wirtschaftlichen Tragfä- higkeit, Eine Darstellung von Hemmnissen und Erfolgsbedingungen sowie Eine Beschreibung des Umsetzungsstatus zum Ende der Kooperation. 3.3.1 ÖPNV-Marketing-Baukasten und Anwendung bei Betriebsaufnahme des Linienbündels Südeifel (Landkreis Bitburg-Prüm) Beschreibung des konzeptionellen Ansatzes Bei dem Umsetzungsansatz des Eifelkreises Bitburg-Prüm handelt es sich um kein Mobilitätsangebot im eigentlichen Sinn, sondern um eine Begleitmaßnahme im Bereich Marketing. Über viele Jahre wurde im ÖPNV deutschlandweit nur sehr we- nig Marketing betrieben und die wenigen Ansätze konzentrierten sich vor allem auf stark verdichtete Städte. Seit einigen Jahren setzt sich jedoch zunehmend auch in ländlichen Räumen die Erkenntnis durch, dass insbesondere in den MIV-domi- nierten ländlichen Regionen zielgruppenorientierte Kommunikations- und Marke- tingaktivitäten von hoher Bedeutung für die Nachfragesicherung sind. Dies wird nicht zuletzt durch das Engagement des Branchenverbands VDV unterstrichen. Untersuchungen zeigen, dass neue Fahrgäste vor allem im Zuge von weitreichen- den persönlichen Veränderungen (z.B. Arbeitsplatz- oder Wohnortwechsel) bzw. bei grundlegenden Attraktivitätssteigerungen im ÖPNV für dessen Nutzung ge- wonnen werden können. Im Eifelkreis erfolgte eine vollständige Überplanung des ÖPNV-Systems im Rahmen des ÖPNV-Konzeptes Rheinland-Pfalz Nord. Im Zuge der Ausschreibung neuer Linienbündel umfasst dies erstmalig die Einführung umfang- reicher flexibler ÖPNV-Angebote sowie integrierter Taktverkehre. Die Umsetzungs- maßnahme innerhalb des Vorhabens beinhaltet dahingehend die Entwicklung ei- nes Sets (Marketing-Baukasten) von Kommunikations- und Marketingmaßnahm- en.
IGES 31 Abb. 13: ÖPNV-Marketing-Baukasten in der Übersicht Maßnahmenbereich Maßnahmen (Auswahl) Ohnehin geschaltete Maßnahmen Infobroschüre, Mailings an Tourist-Infor- mationen, Schulinformation, Pressearbeit, InfoBus-Termine, Kooperation Arztpraxen und Friseursalons, Brötchentüten, Stroh- bus, Webseite etc. Zusätzliche "Informationsmaßnahmen" Verbundzeitung inkl. Haushaltsverteilung, VOR Linienbündelinbetriebnahme Erklärvideos, Regionalkonferenz etc. Zusätzliche "Marketingmaßnahmen" Bierdeckel mit Abfahrtszeiten und QR- NACH Linienbündelinbetriebnahme Codes, Schülerzeitung mit „Schneeball- Kampagne“ in sozialen Netzwerken, Super- markt-Kooperation z.B. mit Werbung auf Kassenzetteln etc. Abbildung: IGES 2021. m Rahmen der Betriebsaufnahme des Linienbündels Südeifel (Kooperationsräume Irrel, Mettendorf und Körperich) wurde eine linienbündelspezifische Auswahl ge- eigneter Maßnahmen zur Erhöhung des Bekanntheitsgrads des ÖPNV-Angebotes getroffen sowie deren Umsetzung initiiert. Die Maßnahmen sollen dabei prinzipiell alle Personengruppen ansprechen. Ein besonderer Fokus liegt jedoch auf ÖPNV- affinen Zielgruppen wie Menschen ohne eigenen Pkw bzw. mit Mobilitätsein- schränkungen (z.B. Schülerinnen und Schüler sowie Seniorinnen und Senioren). Sowohl die Erarbeitung des Marketingbaukastens als auch die Umsetzungen er- folgten in enger Zusammenarbeit mit dem Verkehrsverbund Region Trier (VRT) und dessen Kooperationspartner (z.B. PR-Agentur). Als weitere Partner fungierten der Landkreis als Aufgabenträger des ÖPNV sowie maßnahmenspezifische Partner in der Region (z.B. Bäckereien für Werbung auf Bäckereitüten). Aspekte der Nutzen- und Nutzbarkeitsbewertung Zielgruppe für das neue ÖPNV-Angebot im Linienbündel Südeifel ist grundlegend die Gesamtbevölkerung der Kooperationsräume Irrel, Mettendorf und Körperich. Die Bevölkerungszahl beträgt etwa 15.000. Davon entfallen ca. 4.000 bzw. ca. 1.300 auf die besonders relevanten Zielgruppen Schülerinnen und Schüler bzw. Seniorin- nen und Senioren. Durch die Aufwertung des ÖPNV-Angebots, welches bislang fast ausschließlich auf den Schülerverkehr ausgerichtet war, werden nun auch kleine Gemeinden (< 200 Einwohnerinnen und Einwohner) an den übergeordneten ÖPNV angebunden. Die Kommunikations- und Marketing-Maßnahmen sollen den Zugang zu den Angebo- ten gewährleisten. Dazu wurden Maßnahmen ausgewählt, welche die relevanten Zielgruppen z.B. Schüler und Senioren besonders ansprechen um einen möglichst großen Teil der Zielgruppe erreichen.
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