Ökologisch, gemeinsam und gerecht - Transformation sozial gestalten - Öko-Institut
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September 2021 Nachhaltiges aus dem Öko-Institut Ökologisch, gemeinsam und gerecht Transformation sozial gestalten Dein BalkonNetz Ein Gemeinschaftsprojekt Sozial gerechte Mobilität Interview mit Dr. Ines Verspohl Sachgerechtes Batterierecycling Eine Kolumne von Andreas Manhart
2 IM FOKUS I DEIN BALKONNETZ Sonnenstrahlen einfangen, in der Ge- leitet, „uns ist es außerdem wichtig, viele meinschaft – das ist das Ziel des Pro- Frauen zu integrieren, denn sie sind bei jektes „Dein BalkonNetz“. Oder etwas der Energiewende bislang unterreprä- weniger poetisch gesagt: Ein Netzwerk sentiert.“ Auch jene, die nicht für eine von unterschiedlichen Menschen schaf- kostenlose Anlage ausgewählt werden, fen, die jeweils kleine Solaranlagen auf können sich aber an dem Projekt betei- ihren Balkonen betreiben und sich da- ligen. „Gemeinsam mit der Karlsruher rüber austauschen. „Am Anfang stand Energie- und Klimaschutzagentur (KEK) die Idee, mit Menschen zu arbeiten, die helfen wir mit günstigeren Sammelbe- Solarenergie im Alltag ausprobieren stellungen bei der Anschaffung und er- wollen – aber es sich zum Beispiel nicht möglichen natürlich auch ihnen einen leisten oder es nicht umsetzen können, Austausch über das im Projekt initiierte weil sie zur Miete wohnen“, sagt Marius Netzwerk“, so Bögel. Albiez, einer der Ko-Projektleiter. Ent- standen ist die Idee im Rahmen des Pro- Dieser Austausch ist ein Herzstück des jekts „Energietransformation im Dialog“, Projektes. Denn die Erfahrungen der welches Teil von Reallaboraktivitäten Teilnehmenden könnten die zukünfti- in Karlsruhe ist: Hier arbeiten Wissen- ge Installation von Mini-Solar-Anlagen schaft und Gesellschaft gemeinsam deutlich vereinfachen. „Etwa mit Blick an zukunftsfähigen Lösungen. „Dabei auf die Frage, wie die Handhabung best- hat sich für uns deutlich gezeigt, dass möglich funktioniert oder wie man den Veränderungsprozesse Erfahrung brau- Vermieter oder die Vermieterin davon chen. In manchen Bereichen ist das überzeugt, das zu genehmigen“, erklärt nicht allzu schwer – ich kann auf Fleisch Bögel. Aber auch dem eigenen Erkennt- verzichten, wenn ich mich umweltbe- nisgewinn dient das Projekt. „Wir haben wusster ernähren will. Aber im Bereich natürlich ebenfalls viele offene Fragen“, Energie zum Beispiel ist das komplizier- sagt Albiez, „so etwa, inwiefern der ter, teurer, technischer und formalisier- Denkmalschutz relevant wird, wie die ter“, so Albiez, der am Karlsruher Institut Zusammenarbeit mit den Stadtwerken für Technologie (KIT) tätig ist. funktioniert, bei denen diese Anlagen angemeldet werden müssen, und ob es Aus über 100 Bewerbungen sucht das genug Fachkräfte gibt, um sie zu instal- Projektteam 22 Haushalte aus, denen lieren.“ Doch wenn es gut läuft, wollen kostenlos eine Mini-Solar-Anlage für die Projektverantwortlichen auch ihre ein Jahr zur Verfügung gestellt wird. Erfahrungen teilen – und damit viel- Sie deckt etwa zehn Prozent des Strom- leicht sogar politische Unterstützung bedarfs eines Ein- bis Zwei-Personen- gewinnen. „Indem man solche Anlagen Haushaltes. „Wir achten darauf, dass es fördert, kann man Sozial- und Klimapo- eine sehr vielfältige Mischung wird. Äl- litik perfekt verbinden“, sagt Albiez. tere und jüngere Menschen, mit Univer- sitätsabschluss oder ohne“, sagt Dr. Pau- Christiane Weihe la Maria Bögel, die das Projekt ebenfalls
4 INHALT 10 Zwischen Umlagefähigkeit und Klimabonus Maßnahmen im Bereich Wohnen IM FOKUS: SOZIAL GERECHTE ÖKOLOGISCHE TRANSFORMATION 2 Sonne vom Balkon Eine Gemeinschaft für mehr Solarstrom 6 Vielfältige soziale Effekte Wie wirkt sich Umweltpolitik auf die Menschen aus? 10 Genug Geld für Strom und Heizung Umweltpolitik und bezahlbares Wohnen 12 „Es genügt nicht, einfach nur den Preis für Treibstoffe zu erhöhen“ Interview mit Dr. Ines Verspohl (Sozialverband VdK) 13 Porträts 6 Dr. Katja Schumacher (Öko-Institut) Dr. Kerstin Tews (Umweltbundesamt) Den Menschen gerecht werden Dr. Hans-Jürgen Urban (IG Metall) Eine soziale ökologische Transformation ARBEIT 14 Von Technologiemetallen bis zu Neue Strukturen Ernährungssystemen Batterie-Recycling in Afrika Aktuelle Projekte, neue Ideen Eine Kolumne von Andreas Manhart 16 Von Textilien bis zum Ordnungsrecht 18 Kurze Rückblicke, abgeschlossene Studien PERSPEKTIVE 18 Neue Strukturen Batterie-Recycling in Afrika EINBLICK 19 Von der Digitalisierung bis zur Mitgliederversammlung Neuigkeiten aus dem Öko-Institut VORSCHAU 20 Bedrohte Vielfalt Wie kann Biodiversität geschützt werden?
EDITORIAL I IMPRESSUM 5 Eine Transformation mit vielen Dimensionen Die Nachhaltigkeitstransformation ist eine der größten Aufgaben, vor denen die Menschheit je gestanden hat. Und eine Herausforderung, in der es mehr als eine Dimension zu berück- sichtigen gilt. Die ökologische, natürlich, aber eben auch die technische, die wirtschaftliche und nicht zuletzt die soziale. Wer heute Umwelt- und Klimapolitik betreibt, muss die sozialen Folgen immer mit bedenken. Für die Menschen in unserem eigenen Land, aber auch für zu- künftige Generationen und Menschen in anderen Nationen. Klar zeigt sich das etwa am Wasserstoff. Er soll eine tragende Säule der Energiewende werden. Seine Produktion wird zu großen Teilen dort stattfinden müssen, wo für die dafür notwendi- gen erneuerbaren Energien bessere Voraussetzungen vorliegen. Dabei dürfen wir aber nicht übersehen, dass die Wasserstoffherstellung in anderen Ländern zu Landnutzungskonflikten oder Wassermangel führen könnte. Derzeit analysiert das Öko-Institut in einem Spendenpro- jekt, wie importierter Wasserstoff nachhaltig sein kann, das heißt auch nicht zu sozialen Pro- blemen in den produzierenden Ländern führt. Ähnliches gilt für den Ausbau der E-Mobilität. Für sie werden Rohstoffe benötigt, deren Abbau zu ökologischen und sozialen Problemen Jan Peter Schemmel führen kann. Auch hier gilt es, bewusst zu handeln. Dabei dürfen wir aber auch nicht ver- Sprecher der Geschäftsführung gessen, dass das Unterlassen der Transformation sich ebenso negativ auf die Menschen hier des Öko-Instituts und in anderen Ländern auswirken kann. Daher haben wir in einem aktuellen Projekt, das wir j.schemmel@oeko.de Ihnen in der Rubrik Arbeit Rückblick vorstellen, den Ressourcenbedarf von Elektroautos und Verbrennern bewertet. In den Diskussionen, ob der ökologische Wandel sozial gerecht ist, wird oftmals nicht das Ge- samtbild betrachtet. Wer beklagt, dass Umweltpolitik vor allem zu Lasten der sozial Schwä- cheren gehe, sollte bedenken, dass wesentliche Stellhebel für soziale Gerechtigkeit in einer Steuer- und Sozialpolitik liegen, die jene in die Verantwortung nimmt, die es sich leisten können, und jene schützt, die besonders belastet sind. Wichtig ist es außerdem, Umwelt und Soziales nicht gegeneinander auszuspielen. Gerade für benachteiligte Menschen kann eine Nachhaltigkeitstransformation viele Vorteile bringen. Wenn wir zum Beispiel den öffentlichen Raum umgestalten und autoarme Quartiere schaffen, schaffen wir damit auch einen Raum für jene Menschen, die in kleinen Wohnungen ohne Balkon oder Garten wohnen. Die hier eine Gelegenheit finden können, sich zu erholen. Und ebenso eine Gelegenheit für mehr Mitein- ander – vielleicht ja auch für Sie und mich? Ihr Jan Peter Schemmel Weitere Informationen zu unseren Themen finden Sie im Internet unter www.oeko.de/epaper eco@work – September 2021 – ISSN 1863-2009 – Herausgeber: Öko-Institut e.V. Redaktion: Mandy Schoßig (mas), Christiane Weihe (cw) – Verantwortlich: Jan Peter Schemmel Weitere Autorinnen und Autoren: Andreas Manhart, Anette Nickels (ani), Jan Peter Schemmel Druckauflage: 2.150; digitale Verbreitung: rund 7.000 Abonnentinnen und Abonnenten – Im Internet verfügbar unter: www.oeko.de/epaper Gestaltung/Layout: Tobias Binnig, www.gestalter.de – Technische Umsetzung: Markus Werz – Gedruckt auf 100-Prozent-Recyclingpapier Redaktionsanschrift: Borkumstraße 2, 13189 Berlin, Tel.: 030/4050 85-0, Fax: 030/4050 85-388, redaktion@oeko.de, www.oeko.de Bankverbindung für Spenden: GLS Bank, BLZ 430 609 67, Konto-Nr. 792 200 990 0, IBAN: DE50 4306 0967 7922 0099 00, BIC: GENODEM1GLS Spenden sind steuerlich abzugsfähig. Bildnachweis: S. 2/3 © PixelboxStockFootage – stock.adobe.com; S. 11 © blende11.photo – stock.adobe.com; S. 13 rechts © IG Metall; S. 14 © Dietmar Schäfer – stock.adobe.com; S. 15 unten © Marina Lohrbach – stock.adobe.com; S. 16 © afxhome – stock.adobe.com; S. 17 © Martin Debus – stock.adobe.com; S. 18 © Oleksandr Delyk – stock.adobe.com; S. 19 unten © phonlamaiphoto – stock.adobe.com; S. 20 © C. Schüßler – stock.adobe.com; andere © Privat oder © Öko-Institut, Ilja C. Hendel
6 IM FOKUS Vielfältige soziale Effekte Wie wirkt sich Umweltpolitik auf die Menschen aus? Die Luft wird besser. Das Essen gesünder. gelöste oder verstärkte Veränderungen be- Und der Arbeitsplatz zukunftsfähig. Oft be- lastet werden und sich benachteiligt fühlen. tonen wir die positiven Effekte eines Wan- Umwelt- und klimapolitische Maßnahmen dels in Richtung Nachhaltigkeit. Der Schutz können viele unterschiedliche soziale Fol- von Klima und biologischer Vielfalt sowie gen haben – für den Konsum und die Be- der dafür notwendige Wandel der Produkti- schäftigung ebenso wie für die gesellschaft- onsweisen und Konsummuster sind wichti- liche Teilhabe. Wie diese genau aussehen, ge Schritte für das künftige Wohlergehen damit beschäftigt sich auch das Öko-Insti- der Menschheit. Gleichzeitig gibt es viele tut. Menschen, die durch umweltpolitisch aus-
8 IM FOKUS „Es gibt sehr vielfältige und kontrover- allem auf Strom und Heizungswärme müssen sich zudem gemeinsam für die se Debatten über die sozialen Auswir- treffen tendenziell einkommensschwa- nötige Weiterbildung oder Umschu- kungen von Umwelt- und Klimapolitik che Haushalte stärker, die für diese lung der Beschäftigten engagieren.“ – etwa mit Blick auf den Verlust von Ar- Grundbedürfnisse einen höheren An- beitsplätzen durch den Kohleausstieg teil ihres Einkommens ausgeben.“ Wich- oder die finanzielle Belastung von Haus- tig sei aber immer, die Effekte in der Immaterielle Wirkungen halten durch höhere Heizkosten und Summe zu betrachten. „Dass die Ener- Benzinpreise im Zuge des CO2-Preises. giepreise steigen, muss nicht automa- Da ist dann häufig von Ungerechtigkeit tisch zu höheren Belastungen führen Neben den sozioökonomischen As- die Rede. Die Fridays for Future-Bewe- – so können hier Energiesparmaßnah- pekten gibt es vielfältige immaterielle gung wiederum fordert unter dem Be- men oder Entlastungen durch eine be- Wirkungen, die mit Umweltpolitik ver- griff Klimagerechtigkeit deutlich ambi- stimmte Rückverteilung der staatlichen bunden sind – etwa mit Blick auf die tioniertere Maßnahmen“, sagt Dirk Arne Einnahmen entgegenwirken.“ Da von körperliche oder psychische Gesund- Heyen vom Öko-Institut. „Bevor eine vielen umweltschädlichen Subventio- heit von Menschen, die aber auch finan- pauschale Aussage darüber getroffen nen, zum Beispiel der Dienstwagenbe- zielle Folgen haben kann. „Hier geht es wird, ob Umweltpolitik gerecht oder un- steuerung, derzeit vorwiegend Besser- etwa um die Frage, wer von Lärm oder gerecht ist, sollten wir verschiedene so- verdienende profitierten, könne deren Luftschadstoffen belastet ist und wer ziale Aspekte berücksichtigen.“ Betrach- Reform auch unter sozialen Verteilungs- Zugang zur Natur oder zu Grünflächen tet werden müsse zum Beispiel, wer gesichtspunkten positiv wirken. hat“, so der Senior Researcher vom Öko- Umweltprobleme verursache und wer Institut. „Grünflächen sind nicht nur unter ihnen leide. „Wohlhabendere Län- Auch mit Blick auf die Folgen für die Orte für Erholung und Bewegung, und der und Menschen tragen überdurch- Beschäftigung rät der Experte, stets damit gesundheitsrelevant, sondern schnittlich zu den Umweltproblemen sehr genau hinzuschauen. „Der Weg zu auch soziale Begegnungsräume.“ Dies bei – etwa, weil sie durch ihren aufwän- einer klimaneutralen Gesellschaft wirkt zeigt, dass sich Umweltpolitik auch auf digeren Lebensstil mehr Energie und sich natürlich auch auf die Wirtschaft die Alltags- und Freizeitgestaltung und natürliche Ressourcen verbrauchen. aus – so etwa die Automobilindustrie. soziale Beziehungen auswirken kann. Und die finanziell schlechter Gestellten Hier werden mittelfristig weniger Ar- „Weitere Beispiele dafür sind die Ver- wiederum leiden unter den ökologi- beitskräfte in der Fahrzeugherstellung fügbarkeit öffentlicher Verkehrsmittel schen Folgen tendenziell mehr, weil sie von Elektroautos benötigt. Doch gleich- und die Aufteilung des Straßenraums zum Beispiel auf günstigen Wohnraum zeitig entstehen in anderen Bereichen zwischen Auto- und Fahrradverkehr.“ angewiesen sind, der auch mal an einer – etwa in der Energiewirtschaft und dreispurigen Straße liegen kann, oder in bei Mobilitätsdienstleistungen – neue Relativ wenig Forschung gibt es bislang Ländern wohnen, die vom Klimawan- Jobs. Die können natürlich aber auch in zu psychosozialen Effekten von umwelt- del stärker betroffen sind. Das ist unter anderen Regionen liegen oder andere politischen Maßnahmen und Diskur- Gerechtigkeitsgesichtspunkten natür- Qualifikationen erfordern.“ sen, obwohl die nach Ansicht von Dirk lich sehr problematisch.“ Ein wichtiger Arne Heyen sehr relevant sein können, Punkt sei aber auch die Frage, wer von In einem weiteren Projekt für das Um- insbesondere um Widerstände gegen umweltpolitischen Maßnahmen beson- weltbundesamt haben die Wissen- Umweltpolitik zu verstehen. „So können ders profitiere – etwa von Jobs in neuen schaftlerinnen und Wissenschaftler Menschen, die im Kohlebergbau oder Branchen, energieeffizienten Wohnhäu- des Öko-Instituts unter der Überschrift der industriellen Landwirtschaft arbei- sern oder finanziellen Förderungen – „Strategien für den ökologischen Struk- ten, den Eindruck mangelnder Wert- und wer nicht, beziehungsweise wem turwandel in Richtung einer Green Eco- schätzung ihrer Tätigkeit erfahren. Auch womöglich Nachteile drohen. nomy“ analysiert, welche Branchen vor ob Leute bei nachhaltigem oder eher einem Wandel stehen, sowie die Auto- umweltschädlichem Ernährungs- oder mobil- und Chemieindustrie vertieft Reiseverhalten Spaß und Genuss emp- Systematische Analysen betrachtet. Sie analysierten Treiber und finden, scheint mir relevant. Dies kann Herausforderungen und entwickelten sich natürlich zwischen verschiedenen Handlungsempfehlungen für die Ge- Bevölkerungsgruppen unterscheiden.“ Im Rahmen des Projekts „Soziale Aspek- staltung des Strukturwandels. „Will man te von Umweltpolitik“ für das Umwelt- diesen Wandel erfolgreich gestalten, Soziale Effekte zu betrachten, erforde- bundesamt hat das Öko-Institut in ei- muss man ihn frühzeitig angehen, statt re generell, die Wirkungen auf unter- nem ersten Schritt einen ausführlichen den Kopf in den Sand zu stecken und zu schiedliche gesellschaftliche Gruppen Überblick zum aktuellen Forschungs- hoffen, dass alles bloß so bleibt, wie es zu analysieren – nicht nur mit Blick auf stand über die sozialen Wirkungen um- ist“, sagt Dirk Arne Heyen, der das Pro- das Einkommen. „So können zum Bei- weltpolitischer Maßnahmen hierzulan- jekt geleitet hat. Die Politik müsse klare, spiel Frauen anders betroffen sein als de erstellt. „Besonders viele Studien gibt mittel- und langfristige Ziele formulie- Männer, die Landbevölkerung anders es zu den Auswirkungen auf die Aus- ren und verlässliche Rahmenbedingun- als jene aus der Stadt, Personen mit Mig- gaben privater Haushalte für Energie gen, zum Beispiel für die Automobil- rationsgeschichte anders als jene ohne. und Mobilität“, sagt Dirk Arne Heyen. wirtschaft, schaffen. „Politik, Unterneh- Von den schon genannten Grünflächen „Steigende Steuern und Abgaben vor men, Gewerkschaften und Betriebsräte können wiederum insbesondere Ältere
9 und junge Menschen profitieren, die men, vom Lärmschutz über den Gewäs- nerable Haushalte mit Blick auf ihre stärker nahräumlich unterwegs sind. ser- bis hin zum Klimaschutz, positiv auf Bedürfnisse nicht überproportional be- Auch zwischen Wirkungen im In- und soziale Fragen und vulnerable Gruppen lastet werden, sondern vielmehr auch Ausland sowie heutigen und künftigen auswirken. Ein weiterer Schritt im Pro- von finanziellen Vorteilen und sozialen Generationen sollte unterschieden wer- jekt ist es, gesellschaftliche Trends wie Teilhabechancen durch Umweltpoli- den.“ den demografischen Wandel, die Digi- tik profitieren können“. Und drittens: talisierung oder auch die Urbanisierung Menschen, die vom Strukturwandel zu sichten und zu bewerten. „Wir wollen betroffen sind – etwa im Kohlebergbau EINE DISKURS- UND herausfinden, wie sich solche Trends auf –, sollten mit Blick auf neue Beschäfti- MEDIENANALySE den Zusammenhang von Umwelt und gungsmöglichkeiten besonders unter- Sozialem auswirken – und damit auch stützt werden. Wichtige Schritte, damit bewerten, wie eine soziale Umweltpo- von besserer Luft, gesunden Nahrungs- Weitere Aspekte beleuchtet das Öko- litik auf sie reagieren muss“, sagt Wolff. mitteln und zukunftsfähigen Arbeits- Institut im Zuge der Fortsetzung des plätzen so viele Menschen wie möglich Projektes „Soziale Aspekte von Um- „Abschließend und allgemeingültig zu profitieren können. weltpolitik“ für das Umweltbundesamt. definieren, wann Umweltpolitik sozial So hat Franziska Wolff, Leiterin des Be- gerecht ist, ist angesichts der Vielfäl- Christiane Weihe reichs Umweltrecht & Governance, da- tigkeit der Aspekte und der in Frage rin eine Diskurs- und Medienanalyse kommenden Gerechtigkeitsprinzipien durchgeführt. „Wir haben untersucht, kaum möglich“, so Senior Researcher wie soziale Aspekte, die sich aus dem Dirk Arne Heyen. „Es spricht jedoch viel Umweltschutz ergeben, in den deut- dafür, in jedem Fall vulnerable Bevöl- schen Medien aufbereitet werden und kerungsgruppen in den Blick zu neh- wie sich die unterschiedlichen Akteu- men und zu versuchen, bestehende rinnen und Akteure dazu positionieren“, Ungleichheiten abzubauen, statt sie zu sagt sie. „So sollten zentrale Themen, vergrößern.“ In einem Projekt für die aber auch mögliche Konflikte und blin- EU Kommission zu sozial-ökologischen de Flecken der öffentlichen Diskussion Indikatoren hat das Öko-Institut drei identifiziert werden.“ Eine ernüchternde übergeordnete Ziele für eine sozial ge- Der Senior Researcher Dirk Arne Heyen befasst Erkenntnis: Allenfalls am Rande haben rechte Umweltpolitik definiert. So sollte sich am Öko-Institut mit nachhaltigem gesellschaftlichem Wandel, dessen politischer die untersuchten Printmedien im Un- diese erstens die Umwelt zum Wohle Gestaltung sowie Akzeptanzfragen. Franziska tersuchungszeitraum 2018 bis 2020 so- aller Menschen schützen, dabei aber Wolff leitet seit 2014 den Bereich Umweltrecht ziale Wirkungen von Umweltpolitik auf- auch die bestehende ungleiche Vertei- & Governance, ihr Forschungsschwerpunkt gegriffen. Nur selten wird erwähnt, wie lung von umweltbezogenen Risiken, liegt auf Grundsatzfragen von Umweltpolitik, unter anderem auf deren Kohärenz mit anderen sich Kosten und Nutzen von Umwelt- Belastungen und Vorteilen reduzieren. Politikzielen. politik gesellschaftlich verteilen – und „Zweitens ist es wichtig, dass einkom- d.heyen@oeko.de dass sich viele Umweltpolitikmaßnah- mensschwache oder anderweitig vul- f.wolff@oeko.de
10 IM FOKUS Genug Geld für Strom und Heizung Umweltpolitik und bezahlbares Wohnen Das Licht im Wohnzimmer brennt. Die Wohnräume sind hen, weil sie sich ihre Wohnung nach einer Modernisierung gut geheizt. Die Badewanne füllt sich mit warmem Wasser. nicht mehr leisten können. Gerade im Gebäudebereich ist Hierzulande eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Doch ein deutliches Umsteuern unverzichtbar, um die Klimaziele immer mehr Menschen machen sich Sorgen, ob sie sich zu erreichen. Wie auf diesem Weg auch soziale Wirkungen auch morgen noch die Kosten für Strom und Wärme leisten berücksichtigt und besonders vulnerable Haushalte entlas- können. Schon heute geben einkommensschwache Haus- tet werden können, damit beschäftigt sich das Öko-Institut halte etwa zehn Prozent ihres Einkommens für Strom und seit vielen Jahren. Heizung aus. Schon heute müssen viele Menschen umzie- „Gerade Menschen, die zur Miete woh- Aus Sicht von Dr. Sibylle Braungardt, und Umlagen auf Strom: Die Umfinan- nen, haben oft wenig Spielraum, um die Expertin im Themenfeld Wärmewende zierung der Umlage des Erneuerbare- Energieeffizienz zu steigern und so Kos- am Öko-Institut müssen unter anderem Energien-Gesetzes“ haben die Wissen- ten zu senken. Sie sind darauf angewie- Instrumente im Mittelpunkt stehen, schaftlerinnen und Wissenschaftler des sen, dass die Vermieterinnen und Ver- die Modernisierungen einfordern, aber Öko-Instituts untersucht, wie es mög- mieter die Wohnungen sanieren“, sagt auch fördern – „also Mindesteffizienz lich ist, die Einnahmen aus dem CO2- Dr. Katja Schumacher vom Öko-Institut, anforderungen für Bestandsbauten, Preis sozial ausgewogen an die Bürge- „gleichzeitig werden sie etwa durch aber auch gute Förderbedingungen, rinnen und Bürger zurück zu geben. „Ein den CO2-Preis auf Heiz- und Kraftstoffe um diese zu erreichen.“ Denn die aktu- CO2-Preis, der sogar deutlich höher ist besonders belastet.“ Im Projekt „Vertei- ellen Sanierungsraten müssten mindes- als heute, muss ein zentraler Bestandteil lungswirkungen und soziale Folgewir- tens verdoppelt werden. „In Frankreich der deutschen Klimapolitik sein, da er kungen klimapolitischer Maßnahmen dürfen beispielsweise bei Gebäuden fossile Energien unwirtschaftlich macht in den Bereichen Wohnen und Mobili- in den schlechtesten Effizienzklassen und dadurch klimaschonende Tech- tät“ hat sich das Öko-Institut gefördert keine Mieterhöhungen erfolgen und nologien und klimaschonendes Ver- vom Bundesministerium für Arbeit ab 2023 soll ein Vermietungsverbot halten fördert“, sagt die Expertin, „auf und Soziales ausführlich mit der Frage für diese Gebäude gelten. Für das Jahr der Seite der Einnahmenverwendung beschäftigt, welche Möglichkeiten es 2028 ist dort zudem geplant, dass alle fehlt jedoch bisher noch die konkrete, gibt, klimapolitische Maßnahmen so- Gebäude mindestens der Effizienzklas- schnell umsetzbare und sozial gerech- zial verträglich zu gestalten. „Hierfür se E entsprechen müssen.“ te Ausgestaltung.“ Die Analyse für die haben wir nicht nur Vorschläge für Kli- Stiftung Klimaneutralität schlägt unter maschutzmaßnahmen entwickelt, son- anderem vor, den CO2-Preis bis 2023 auf dern auch Verteilungseffekte betrach- Konkrete Unterstützung 60 Euro und bis 2025 auf mindestens 80 tet sowie Zielkonflikte und Hemmnisse zu erhöhen. „Gleichzeitig sollten Bür- analysiert.“ Die Wissenschaftlerinnen gerinnen und Bürger entlastet werden, und Wissenschaftler haben zahlrei- Unterstützt werden müssen auch die indem die Erneuerbare-Energien-Um- che Instrumente betrachtet, von der Mietenden, die von steigenden Ener- lage bis 2025 abgeschafft und vorher Begrenzung der Umlagefähigkeit der giepreisen besonders belastet sind. schrittweise gesenkt wird. Mit steigen- CO2-Bepreisung und einem stärkeren „Bislang kann zum Beispiel die CO2- den Einnahmen sind weitere Entlas- Fokus auf benachteiligte Gebiete bei Bepreisung von Heizstoffen vollstän- tungen, etwa durch eine Reduzierung der energetischen Stadtsanierung über dig auf sie umgelegt werden, das muss der Stromsteuer oder auch durch ein die flächendeckende Einführung eines begrenzt werden. Nicht zuletzt, weil Klimabürgergeld, möglich.“ Die Unter- Klimabonus in den Transferleistungen so auch keine Sanierungen angereizt suchung zeigt, dass diese Umfinanzie- für Haushalte mit geringem Einkom- werden, die schließlich von den Vermie- rung möglich ist. „Zudem entstehen so men bis hin zu Energieberatungen tenden initiiert werden müssen“, sagt Anreize, Gebäude und Verkehr zu elek- vor Ort durch so genannte Stromspar- Dr. Katja Schumacher. Im Projekt „CO2- trifizieren, und Schlüsseltechnologien checks. Bepreisung und die Reform der Steuern wie Wärmepumpen und Elektroautos
11 werden unterstützt“, sagt Schumacher. reduziert werden. „Sinnvoll könnte es ten.“ Denn Ziel sollte es sein, dass Auch mit Blick auf die Verteilungseffek- außerdem sein, einen Klimabonus für Haushalte am Klimaschutz teilhaben te einer solchen Reform überzeugt das Transferleistungsempfangende, wie es können, sich aber in Zukunft so wenig Konzept: Die einkommensschwächeren derzeit in Berlin und einigen anderen wie möglich Sorgen darüber machen Haushalte werden relativ am stärksten Städten schon etabliert ist, flächen- müssen, dass sie genug Geld für das entlastet. „Das ist wichtig, denn schon deckend einzuführen, um Mietsteige- Licht im Wohnzimmer und die Heizung heute sind die Kosten für umweltpoli- rungen durch energetische Sanierung in der Küche, aber eben auch für das tische Maßnahmen ungerecht verteilt abzufangen.“ Besonders wichtig seien U-Bahn-Ticket und eine gesunde Mahl- und finanziell stark belastete Haushalte auch umfangreichere Informations- und zeit haben. haben sicher nicht den größten Anteil Beratungsprogramme – für Mietende an den Treibhausgasemissionen.“ und Vermietende gleichermaßen. „Und Christiane Weihe natürlich muss die Wirksamkeit der In- Die vom Bundesministerium für Arbeit strumente nach einer gewissen Zeit de- und Soziales geförderte Analyse iden- tailliert überprüft werden.“ tifiziert zudem weitere Instrumente, um Umweltpolitik sozial zu gestalten. Soziale Maßnahmen zum bezahlba- „Wichtig ist auch eine Klimakompo- ren Wohnen müssen immer auch mit nente im Wohngeld, die mögliche hö- Anreizen für ambitionierte Energieef- here Mietkosten nach einer Sanierung fizienzsanierung verbunden sein, so abdeckt. Und die Inanspruchnahme Schumacher. „Das Wohnen hat an den von Wohngeld muss attraktiver gestal- Konsumausgaben privater Haushal- Dr. Katja Schumacher ist stellvertretende Leiterin tet werden, denn derzeit beantragt te den höchsten Anteil und die damit des Bereichs Energie & Klimaschutz (Berlin). Die Schwerpunkte ihrer Arbeit liegen unter anderem es nur etwa die Hälfte jener, die da- verbundenen Kosten sind ein wesent- auf den Verteilungseffekten von sowie Strategien rauf Anspruch hätten“, sagt Schuma- licher Hebel zur Entlastung von Men- und Instrumenten der Energie- und Klimapolitik. cher, „Regelungen für Härtefälle sind schen mit geringem Einkommen“, sagt Dr. Sibylle Braungardt widmet sich im Bereich zudem ebenfalls wichtig.“ Auch die sie, „gleichzeitig sollte man soziale As- Energie & Klimaschutz unter anderem Politikin- strumenten zu erneuerbaren Energien und der Möglichkeit, Modernisierungskosten pekte nie isoliert betrachten, sondern Energieeffizienz im Wärmebereich. auf die Mietenden umzulegen – der- weitere Bereiche wie etwa Mobilität, k.schumacher@oeko.de zeit liegt sie bei acht Prozent – könnte Kleidung und Ernährung mit betrach- s.braungardt@oeko.de
12 IM FOKUS I INTERVIEW “Es genügt nicht, einfach nur den Preis für Treibstoffe zu erhöhen“ Der Verkehrssektor betrifft keine kleine Gruppe, sondern neu. Und leider wird Umweltpolitik oft ist eines der Sor- Millionen von Menschen! Zur Barriere- von Menschen gemacht, die sich dieser genkinder der Ener- freiheit gehören im Übrigen nicht nur Probleme nicht bewusst sind. giewende: Bislang Aufzüge und Rampen, sondern auch leistet er keinen sig- verständliche Sprachansagen für blin- Was bräuchten Sie, um sich hier besser nifikanten Beitrag zu de Menschen, klare Leitsysteme für einzubringen? den Klimazielen. Ein kognitiv eingeschränkte Menschen Vor allem mehr Zeit. Wir sind ja mit tiefgreifender Wandel oder auch die Möglichkeit, ein Ticket vielen unterschiedlichen Themen kon- mit vielfältigen Maßnah- zu kaufen, wenn man kein Smartphone frontiert – wir beschäftigen uns mit men ist also dringend not- besitzt. Gleichzeitig muss der ÖPNV na- dem Gemeindefinanzierungs- und dem wendig. Instrumente für die türlich auch für alle anderen attraktiver Personenbeförderungsgesetz ebenso Verkehrswende wie ein CO2-Preis auf werden. wie mit dem CO2-Preis und der EEG- Kraftstoffe haben aber nicht nur einen Umlage. Wenn neue Gesetzesvorlagen Einfluss auf die Umwelt, sondern auch Und was braucht es auf dem Land? anstehen, bekommen wir aber meist auf viele Menschen. Etwa, weil sie kei- Man wird in ländlichen Gebieten mit nur zehn Tage, um eine Stellungnahme nen Zugang zu öffentlichen Verkehrs- einem regulären ÖPNV nie eine passen- zu verfassen und damit vielleicht auch mitteln haben oder sich eine teurere de und ausreichende Taktung schaffen Gehör zu finden. Beim Personenbeför- Mobilität schlicht nicht leisten kön- können, daher braucht es dort On-De- derungsgesetz ist uns das gelungen, nen. Im Interview mit eco@work er- mand-Lösungen, also Beförderungs- hier haben wir auf Regelungslücken in klärt Dr. Ines Verspohl, Abteilungslei- möglichkeiten, die man aktiv anfragt. punkto Barrierefreiheit hingewiesen. terin Sozialpolitik beim Sozialverband Diese sollten nicht mehr so stark an VdK, wie eine nachhaltige Mobilität feste Haltestellen gebunden sein, denn Was ist für Sie der größte Mythos, auch sozial gerecht gestaltet werden auch diese sind für ältere oder einge- wenn es um eine sozial gerechte Mo- kann. schränkte Menschen oft nicht erreich- bilität geht? bar. Gleichzeitig braucht es hier auch Dass arme Menschen die Verursacher Frau Dr. Verspohl, wo stehen wir mit Lösungen, damit die Menschen gar von Schadstoffen sind, weil sie mit al- Blick auf eine nachhaltige und gleich- nicht mehr so weit fahren müssen – so ten Autos durch die Gegend fahren. zeitig sozial gerechte Mobilität? etwa eine mobile medizinische Versor- Arme Menschen haben aber meist gar Leider ganz am Anfang. Aber es hat gung. kein Auto und wenn doch, fahren sie eine spannende Debatte begonnen, weniger und kürzere Strecken – und weil klar geworden ist, dass hier etwas Wie kann hier ein Wandel erreicht wer- sie machen übrigens auch keine Fern- geschehen muss. Wir sehen, dass viele den? reisen, was deutlich mehr Schadstoffe Menschen Angst haben – etwa davor, Wir brauchen ein breiteres gesellschaft- verursacht. dass das Fahren mit ihrem alten Die- liches Bewusstsein für dieses Thema, sel so teuer wird, dass sie zum Beispiel aber natürlich auch gesetzliche Grund- Vielen Dank für das Gespräch. nicht mehr zum Arzt kommen. Diese lagen. Ziel unserer Mobilität sollte Das Interview führte Christiane Weihe. Menschen haben aber eben oft auch nicht mehr der fließende Verkehr sein, nicht das Geld, sich ein neues Auto zu sondern der bestmögliche Schutz der kaufen. Es genügt daher nicht, einfach Schwächsten, also der Fußgänger. Auch nur den Preis für Treibstoffe zu erhöhen. die Mobilitätswirtschaft muss umden- Wir brauchen echte Alternativen, damit ken – etwa mit Blick auf Fahrzeuge, in die Menschen auf umweltfreundliche denen auch E-Scooter mitgenommen Fortbewegungsmittel umsteigen. werden können, verständliche Ticket- systeme und bezahlbare Preise. Gerade Wie müssen diese Alternativen ausse- auf dem Land ist das Busfahren leider hen? oft teurer als die Fahrt mit dem Auto Da muss man zwischen Stadt und Land oder sogar dem Taxi. unterscheiden. In der Stadt ist der öf- fentliche Verkehr, der ÖPNV, zum Teil Warum wird die soziale Seite einer ja schon sehr gut ausgebaut. Leider ist nachhaltigen Mobilität bislang oft Im Interview mit eco@work: er aber häufig nicht barrierefrei, so dass vernachlässigt? Dr. Ines Verspohl, Abteilungsleiterin Sozialpolitik Menschen im Rollstuhl oder mit einem Der Gedanke, Sozial- und Klimapolitik beim Sozialverband VdK Deutschland e.V. Rollator ihn nicht nutzen können. Das zu vernetzen, ist einfach noch relativ verspohl@vdk.de
IM FOKUS I PORTRÄTS 13 Dr. Kerstin Tews Dr. Katja Schumacher Wissenschaftliche Mitarbeiterin beim Stellvertretender Bereichsleiterin Umweltbundesamt Dr. Hans-Jürgen Urban am Öko-Institut Geschäftsführendes Vorstandsmitglied Höhere Ambitionen beim Klimaschutz IG Metall Dass sich viele Menschen Sorgen über – sie stehen für Dr. Kerstin Tews außer steigende Energiekosten machen, weiß Frage. Aber auch, dass hiermit sozia- Sozial und ökologisch. Diese Worte fal- sie nicht nur aus ihrer Forschung, son- le Folgen einhergehen, die deutlich len öfter im Gespräch mit Hans-Jürgen dern auch aus dem direkten Kontakt mit stärker berücksichtigt werden müssen Urban. Einerseits sieht er sich und die IG diesen. „Ich erhalte immer wieder Mails als bislang. „Hier entstehen zahlreiche Metall als Treiber für eine nachhaltige von Menschen, die nicht verstehen, wa- Verteilungseffekte, etwa durch höhere Produktions- und Lebensweise, die den rum ihr Stromanbieter die Preise erhöht, Kosten fürs Heizen oder Autofahren, die Planeten nicht überfordert. Anderer- obwohl doch schon heute Einnahmen genau analysiert werden müssen. Mit seits ist seine Gewerkschaft, für die er aus dem CO2-Preis für die Senkung der Blick auf das Einkommen der Menschen schon seit 30 Jahren tätig ist, tief in der Erneuerbare-Energien-Umlage genutzt ebenso wie in Hinsicht auf ihre Wohn- ressourcenintensiven Automobilindus- werden“, so Dr. Katja Schumacher. „Dass und Lebenssituation oder die Distanz, trie verankert. Vor allem will der 60-jäh- die Strompreise durch andere Faktoren, die sie zur Arbeit zurücklegen.“ rige Urban – heute ist er geschäftsfüh- wie etwa Netzentgelte gleichzeitig stei- rendes Vorstandsmitglied der IG Metall gen können, wird nicht transparent er- – aus der ökologischen eine sozial-öko- „Im ersten Schritt müssen besonders klärt. Die Wahrnehmung ist dann, dass logische Wende machen: „Dabei müs- durch Klimaschutz alles teurer wird. vulnerable Gruppen identifiziert sen wir über das kapitalistische Modell Aber das stimmt nicht.“ und unterstützt werden.“ hinausdenken. Der Markt regelt eben nicht alles und die sozial-ökologische „Schon seit 2013 untersuchen wir Wege, um soziale Härten zu vermeiden, Transformation schon gar nicht.“ können laut Tews die Abschaffung der die sozialen Wirkungen von EEG-Umlage oder eine Pro-Kopf-Kli- „Wenn es nicht gelingt, die Umwelt- und Klimapolitik.“ maprämie sowie eine Begrenzung der ökologische Transformation zu Umlage des CO2-Preises auf Mieterin- Die stellvertretende Leiterin des Be- nen und Mieter sein. Aber auch Härte- einer sozial-ökologischen zu reichs Energie & Klimaschutz (Berlin) fallmaßnahmen sind möglich. „Hierfür machen, wird sie scheitern. Das sieht eine hohe Notwendigkeit, Um- müssen wir uns genau anschauen, wäre fatal.“ weltpolitik auch aus sozialer Perspekti- inwiefern die Betroffenen ihr eigenes ve zu gestalten – auch, wenn nicht jeder Verhalten anpassen können, um ihre Diese Transformation sei unverzichtbar, Haushalt von steigenden Kosten entlas- Energiekosten zu senken.“ Gleichzeitig aber auch riskant. Sie gefährde Arbeit, tet werden kann. „Es ist aber wichtig, sollten Klimagesetze aus sozialer Per- Einkommen und Lebenschancen von dass alle Menschen mitgenommen und spektive kontinuierlich evaluiert wer- vielen Menschen. „Wer die Menschen jene mit wenig Geld nicht abgehängt den. „Es braucht einen regelmäßigen dafür gewinnen will, muss ihnen eine werden. Gerade auch, weil Haushalte Prozess, der Wirkungen analysiert und soziale Perspektive im Umbruch er- mit geringem Einkommen natürlich darauf reagiert.“ Priorität hat für die Ex- öffnen“, so Urban. Dabei versucht die vergleichsweise wenig zu den Treib- pertin vom Umweltbundesamt, die sich IG Metall in den neuen Branchen, die hausgasemissionen beitragen.“ Hierfür schon seit vielen Jahren mit den sozi- durch die Dekarbonisierung der Wirt- braucht es neben mehr Information alen Aspekten von Umweltpolitik be- schaft entstehen, gewerkschaftsfreie und Beratung auch eine gezielte Un- schäftigt, derzeit der Gebäudebereich. Zonen zu verhindern: beispielsweise in terstützung: „Wichtige Ansätze sind hier „Hier wird es besonders hohe Ambitio- Betrieben der Windkraft, Solarenergie zum Beispiel zielgruppenspezifische nen brauchen und damit auch eine be- oder Batterieproduktion „Nur gut orga- Gestaltungen von Förderprogrammen sondere Berücksichtigung, was diese im nisierte Belegschaften können erfolg- oder auch die besondere Berücksichti- Einzelnen für die Menschen bedeuten.“ reich für eine sozial-ökologische Wende gung von finanziellen Härtefällen.“ cw cw streiten.“ ani k.schumacher@oeko.de Kerstin.Tews@uba.de hans-juergen.urban@igmetall.de
14 ARBEIT I AKTUELL Neue Wege für Technologiemetalle Eine effizientere und vor allem ökologische Versorgung mit metallischen Rohstoffen muss weltweit vorangetrieben wer- den. „Wir gehen davon aus, dass in Kernkraftwerken – von de- nen sich bereits viele im atomrechtlichen Abbau befinden – wertvolle Technologiemetalle verarbeitet wurden, ohne dass deren genauen Gehalte und Einsatzgebiete heute noch be- kannt sind“, sagt Senior Researcher Manuel Claus aus dem Bereich Nukleartechnik & Anlagensicherheit. Welche Recyc- lingpotenziale es hier gibt und wie sich die Recyclingpraxis unter Berücksichtigung der strahlenschutzrechtlichen Freiga- be verbessern lässt, das untersucht das Öko-Institut mit sei- nen Partnern in einem angewandten Forschungsprojekt am Kernkraftwerk Philippsburg. „Erster Schritt ist dabei, beson- ders interessante Anlagenteile und Komponenten zu identifi- zieren, die näher analysiert werden sollen“, so Claus. Darüber hinaus erhebt das Projektteam unter anderem ein Inventar der wertvollen Technologiemetalle und führt umfassende De- montagestudien durch. „Wir analysieren zudem die mechani- sche Aufbereitung von strahlenschutzrechtlich freigegebe- nen Komponenten – übrigens eine technologische Weiter- entwicklung der heutigen Recyclingpraxis“, ergänzt Dr. Freigabe auch radiologische Betrachtungen sowie eine voll- Matthias Buchert aus dem Bereich Ressourcen & Mobilität. ständige Ökobilanzierung der möglichen Recyclingpraxis“, „Ziel des Projektes ist es auch, die Technologiemetalle in ver- erklärt Manuel Claus, „so lassen sich die ökologischen und wertbare Materialgruppen einzuteilen und realistische End- ökonomischen Potenziale abschätzen, die beim Rückbau von of-Life-Recyclingpotenziale zu bestimmen. Dies ist ein neuer deutschen Kernkraftwerken durch die Verwertung von Tech- Schritt in der Forschung.“ nologiemetallen entstehen.“ In einem weiteren Schritt des Projektes „Recycling von Tech- Das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung so- nologiemetallen aus dem Rückbau kerntechnischer Anlagen wie dem Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst unter Berücksichtigung strahlenschutzrechtlicher Vorgaben“ Baden-Württemberg geförderte Vorhaben wird gemeinsam wird zudem die Wirtschaftlichkeit der Verfahren betrachtet, mit dem Institut für Aufbereitung, Deponietechnik und Geo- wobei auch Kosten berücksichtigt werden, die etwa für die mechanik der TU Clausthal, der Electrocycling GmbH sowie Optimierung von Freigabeprozessen anfallen können. „Zu- der EnBW Kernkraft GmbH durchgeführt und läuft bis Früh- sätzlich erstellen wir mit Blick auf die strahlenschutzrechtliche jahr 2024. cw Wege zur Urteilserfüllung Der Klimaschutz in Deutschland ist un- mit denen die Treibhausgasneutralität che Maßnahmen in den Mittelpunkt“, genügend und nicht mit den Grund- bis 2045 möglich ist“, erklärt Julia Re- erklärt Senior Researcher Dr. Ralph O. rechten vereinbar – dies hat das Bun- penning, stellvertretende Leiterin des Harthan. Ein wichtiges Element des Pro- desverfassungsgericht im April 2021 Bereichs Energie & Klimaschutz (Berlin) jektes im Auftrag des Bundesministeri- entschieden. Nun muss der Gesetzge- am Öko-Institut, „so widmet sich ein ums für Umwelt, Naturschutz und nuk- ber die Ziele zur Minderung der Treib- Szenario dem derzeitigen Mix an Klima- leare Sicherheit ist auch, dass die ent- hausgasemissionen ab 2031 verbes- schutzinstrumenten, verschärft und er- worfenen politischen Instrumente nicht sern. Wie ein ausreichender Klimaschutz gänzt sie.“ Zwei weitere Szenarien be- nur ökologisch nachhaltig sein sollen, umgesetzt werden kann, zeigt das Öko- fassen sich mit CO2-Preisen, die etwa sondern auch sozial gerecht und wirt- Institut bis Mitte 2022 im Projekt „Klima- über den europäischen Emissionshan- schaftlich sind und gesellschaftlich ak- schutzszenarien 2050: Modellierung, del oder den nationalen Handel mit zeptiert werden – daher werden die Analyse und Vergleich von Zielszenari- Brennstoffemissionen zur Erreichung wirtschaftlichen, sozialen und fiskali- en“. „Wir entwickeln gemeinsam mit der Klimaziele eingesetzt werden kön- schen Auswirkungen ebenfalls bewer- dem Fraunhofer ISI vier Zielszenarien nen. „Das vierte Szenario schließlich tet. mas mit unterschiedlichen Schwerpunkten, stellt weitergehende ordnungsrechtli-
15 Weiterentwicklung eines Kompensationsmodells in Nigeria Die sachgerechte Sammlung und das nutzt werden, die sachgemäße Samm- Recycling von Lithium-Ionen-Batterien lung und das Recycling von Altbatterien sowie von Flachbildschirmen in Nigeria sowie Flachbildschirmen zu finanzieren, voranzubringen, steht im Mittelpunkt wobei auch der informelle Recycling- des Projektes „E-waste Compensation sektor einbezogen wird. Auf diese Wei- as an international financing mecha- se sollen 20 Tonnen Altbatterien und nism in Nigeria (ECoN)“. „Hintergrund Flachbildschirme gesammelt und sach- des Pilotprojektes in Nigeria ist, dass gemäß recycelt werden. Ein besonderes Hersteller und andere Organisationen, Augenmerk liegt dabei auf den Schad- welche Geräte in Umlauf bringen, die stoffen in den Produkten sowie auf dem Möglichkeit haben, über unseren Part- Aspekt der lokalen Wertschöpfung. Das Pilotprojekt wird innerhalb der vom ner „Closing the Loop“ einen Beitrag „Durch klare Verfahren und Regeln, die Bundesministerium für wirtschaftliche dazu zu leisten, der tatsächlich vor Ort wir erarbeiten, kann ein solches Kom- Zusammenarbeit und Entwicklung ge- in Nigeria ankommt“, sagt Tobias Schlei- pensationsmodell anschließend auch gründeten PREVENT Abfallbilanz sowie cher, Projektleiter und Senior Resear- als Ausgangspunkt für weitergehende, in Zusammenarbeit mit mehreren Part- cher am Öko-Institut. Die so zur Verfü- verpflichtende Systeme genutzt wer- nerinnen und Partnern durchgeführt gung gestellten Mittel sollen dafür ge- den“, so der Wissenschaftler. und läuft noch bis Mitte 2022. cw Regional, Die private Energiewende: Elektro- pflanzlich, auto, Erneuerbare, Energieeffizienz ökologisch Steigen Haushalte vom Verbrenner auf dem eigenen Dach installieren auf ein Elektroauto um, steigt ihr oder ihn an anderer Stelle verringern, Der Bereich Produkte & Stoffströme be- Strombedarf: Rund 3.000 Kilowatt- zum Beispiel durch stromsparendere schäftigt sich in einem neuen Projekt stunden Strom verbraucht ein E-Pkw Haushaltsgeräte. Das im Rahmen der noch bis Juni 2023 mit kurz-, mittel- und im Jahr, wenn er 14.000 Kilometer ge- Nationalen Klimaschutzinitiative vom langfristigen politischen Handlungsop- fahren wird. Damit dieser nicht ein- Bundesumweltministerium geförder- tionen für eine „Sozial-ökologische fach „on top“ kommt, berät das Öko- te Pilotprojekt „Ausgleich des zusätzli- Transformation des Ernährungssys- Institut zusammen mit dem Büro Ö- chen Strombedarfs der E-Mobilität tems“ in Deutschland. „Hierbei betrach- quadrat in einem Pilotprojekt rund durch Ausbau Erneuerbarer Energien ten wir zum Beispiel die Frage, welche 200 Käuferinnen und Käufer von Elek- und Energieeffizienz“ wird am 21. Effekte eine stärkere Regionalisierung trofahrzeugen, wie sie zur Energie- September 2021 in einer Veranstal- der Ernährung hätte und entwickeln wende beitragen können. Indem sie tung in Freiburg offiziell von Staatsse- hierfür ein Konzept“, erklärt Projektlei- den zusätzlich benötigten Strom kretärin Rita Schwarzelühr-Sutter er- terin Dr. Dietlinde Quack, „außerdem selbst erzeugen und eine Solaranlage öffnet. mas analysieren wir, wie die Politik pflanzen- basierte Ernährungsweisen voranbrin- gen kann.“ Zusätzlich erarbeitet das Projektteam, zu dem neben dem Öko- Institut auch der Bund Ökologische Le- bensmittelwirtschaft und e-fect gehö- ren, unter Leitung des Ecologic Institut Konzepte, wie sich die ökologische Land- und Lebensmittelwirtschaft wei- terentwickeln kann, und untersucht die Rolle des Finanzsektors beim Wandel des Ernährungssystems. Ziel ist dabei auch, Vorschläge zu entwickeln, wie nachhaltige Produktions- und Verarbei- tungskonzepte besser finanziert wer- den können. cw
16 ARBEIT I RÜCKBLICK Elektro vs. Für ein Verbrenner längeres T-Shirt-Leben Eine steigende Anzahl von Elektroau- tos hat einen immensen Einfluss auf den jährlichen deutschen Rohölbedarf: Billig einkaufen, wenig tragen – Klei- bestehenden Wertschöpfungsketten Steigt ihr Anteil an den Pkw-Zulassun- dung ist zu einem schnelllebigen und Materialflüsse analysiert und eine gen auf 100 Prozent, werden bis 2035 Konsumprodukt geworden. Alleine Datengrundlage für diesen Sektor im Vergleich zu 2020 56 Prozent weni- 2018 wurden in der EU 4,4 Millionen geschaffen.“ Dabei zeigt sich zum Bei- ger Rohöl benötigt. „Zwar braucht es Tonnen Kleidung und gut eine Million spiel auch, dass die EU nach den USA dann noch fossile Energieträger wie Tonnen Haushaltstextilien gekauft, die meisten Textilien importiert – in Erdgas, um den zusätzlichen Strombe- das sind 12,3 Kilogramm pro Kopf einem Wert von 125 Milliarden US- darf der Elektroautos zu decken – die und 20 Prozent mehr als noch 2003. Dollar – und nach China die meisten Einsparung beim Rohöl ist aber deut- „Die Wegwerfmentalität bei T-Shirts, Textilien exportiert. lich höher“, sagt Dr. Matthias Buchert, Pullis & Co. führt zu immensen Aus- Bereichsleiter am Öko-Institut. Zudem wirkungen auf Menschen und Um- Ansätze für eine getrennte Sammlung stammt der überwiegende Teil des Erd- welt – etwa mit Blick auf den Einsatz gebrauchter Textilien gibt es jedoch öls für Deutschland aus Lieferländern, von Pestiziden und den hohen Was- nur in einigen der EU-Länder. Ein zen- in denen die Erdölförderung negative serbedarf bei der Baumwollproduk- traler Fokus des Projektes lag daher Umwelt- und soziale Auswirkungen hat. tion“, sagt Dr. Andreas Köhler vom zudem auf der Wiederverwertung In der Studie „Resource consumption of Öko-Institut. „Etwa vier bis sechs Pro- und dem Recycling von Alttextilien. the passenger vehicle sector in Germa- zent des Umwelt-Fußabdrucks der EU „Wir haben bestehende Sammel- und ny until 2035 – the impact of different werden durch die Textilindustrie ver- Sortiersysteme für Altkleider unter- drive systems” hat das Öko-Institut im ursacht.“ Der Großteil der Umweltaus- sucht. Außerdem haben wir innova- Auftrag des Bundesumweltministeri- wirkungen – so etwa 92 Prozent der tive Geschäftsmodelle analysiert, die ums zudem den Verbrauch von Me- Wasser- und 85 Prozent der Rohstoff- sich für eine Kreislaufwirtschaft im tallen wie Lithium, Kobalt oder Kupfer nutzung – kommen jedoch außerhalb Textilsektor einsetzen.“ Wichtige An- von E-Fahrzeugen und Verbrennern der EU zum Tragen. sätze sind aus Sicht von Dr. Andreas analysiert. „In unserem Szenario ist für Köhler etwa Modelle zum Teilen oder Primärrohstoffe hier bereits 2035 der Einer nachhaltigeren Nutzung von Leasen von Kleidung oder zu ihrer Höchststand erreicht. Das liegt am stei- Textilien ist das Projekt „Circular eco- Reparatur, aber auch zur Rücknahme genden Anteil von recycelten Metallen nomy perspectives in the EU Textile und Wiederverteilung. „Bislang haben aus Antriebsbatterien“, so Buchert. sector“ nachgegangen. „Gemeinsam solche Modelle aber leider nur einen Gemeinsam mit ifeu und T&E hat das mit PlanMiljø haben wir darin im sehr kleinen Marktanteil, den be- Öko-Institut damit den deutschen Auftrag des Joint Research Center wusste Konsumentinnen und Konsu- Pkw-Sektor bis 2035 erstmalig aus Res- (JRC) der Europäischen Kommission menten nutzen. Sie können sich nicht sourcenperspektive bewertet und gibt untersucht, welche Mengen genutz- gegen Billiganbieter durchsetzen, so zahlreiche Empfehlungen. „Nötig sind ter und gesammelter Alttextilien in lange diese die sozialen und ökolo- zum Beispiel ehrgeizige Recyclingziele der EU entstehen und wie sich eine gischen Kosten ihrer Produktionswei- für Schlüsselmaterialien für Batterien echte Kreislaufwirtschaft für Textili- sen auf die Allgemeinheit abwälzen sowie ambitionierte Standards für die en etablieren lässt“, erklärt der Seni- können.“ Förderung von Primärrohstoffen“, sagt or Researcher, „hierfür haben wir die cw der Bereichsleiter. mas
17 Flugplan in Richtung Klimaschutz Trotz seiner Klimaschädlichkeit wird tut. In einer aktuellen Studie für die Stif- werden, um überhaupt Wirkung für der Luftverkehr gegenüber klimaver- tung Klimaneutralität zeigen die Exper- den Klimaschutz entfalten zu können, träglicheren Verkehrsmitteln wie der tinnen und Experten aus dem Bereich etwa durch ein Nullemissionsziel für Bahn begünstigt und es gibt keine aus- Energie & Klimaschutz, wie der Klima- den Luftverkehr bis 2050 oder Beimi- reichenden Anreize, die Treibhausgas- schutz im Luftverkehr vorangebracht schungsquoten für synthetische Kraft- emissionen zu senken. „Dies muss sich werden kann. „Der EU-Emissionshandel stoffe.“ dringend ändern – durch eine EU-weite muss reformiert werden, indem Emis- Besteuerung von Kerosin ebenso wie sionszertifikate nicht mehr kostenlos Übrigens: Über Klimaschutz im Luftver- durch eine höhere Luftverkehrssteuer, zugeteilt, sondern versteigert werden“, kehr spricht Jakob Graichen auch in der die die fehlende Mehrwertsteuer auf sagt Senior Researcher Jakob Graichen. zweiten Folge unseres Podcasts „Wen- internationale Flüge ausgleicht“, fordert „Und auch das internationale Abkom- den bitte!“. Mehr dazu unter: Dr. Lambert Schneider vom Öko-Insti- men CORSIA muss deutlich verbessert https://www.oeko.de/podcast mas Einverstanden mit Klimaschutzvorschriften Mein Quartier soll autofrei werden – wo „Soll etwa ein autofreies Quartier ge- native Angebote etwa im öffentlichen soll ich denn dann parken? Ich soll jetzt schaffen werden, sollten Bürgerinnen Verkehr geschaffen werden. mit erneuerbaren Energien heizen – und Bürger frühzeitig einbezogen wer- aber sind die so zuverlässig wie mein al- den“, sagt Ruth Blanck, „es kann sinnvoll „Mit Blick auf die gesellschaftliche Ak- ter Ölkessel? Ordnungsrechtliche Maß- sein, dieses erst mal für einige Mona- zeptanz von Maßnahmen zur Einschrän- nahmen – also Gebote, Standards oder te oder ein Jahr auszuprobieren – oft kung fossiler Energien beim Heizen ist Verbote – stoßen oft auf Widerstand, zu- steigt die Akzeptanz, wenn die Vortei- es wichtig, sie durch eine ausreichende mal wenn sie den Alltag der Menschen le erlebbar werden.“ Wichtig sei auch, finanzielle Förderung zu unterstützen“, betreffen. „Aber nur mit Informationen, dass die Menschen den neu geschaf- so Dr. Sibylle Braungardt, „sinnvoll ist Appellen und Kaufprämien für grüne fenen Platz nach ihren Bedürfnissen darüber hinaus, die Einführung mit In- Technologien können wir ambitionier- mitgestalten können und dass Ausnah- formationsmaßnahmen zu begleiten te Klima- und Umweltschutzziele nicht me- und Härtefallregelungen, etwa für und die Gebäudeeigentümerinnen und erreichen“, sagt Dirk Arne Heyen vom Ladenbelieferungen oder mobilitäts- -eigentümer sowie das Handwerk ein- Öko-Institut. „Und im Vergleich zum – eingeschränkte Personen sowie alter- zubinden.“ cw ebenfalls sinnvollen – CO2-Preis können sich einkommensstarke Haushalte bei ordnungsrechtlichen Vorgaben den angestrebten Veränderungen nicht ein- fach durch ihren größeren Geldbeutel entziehen.“ Wie also kann es gelingen, mehr Akzep- tanz für ordnungsrechtliche Maßnah- men beim Umwelt- und Klimaschutz zu erreichen? Mit dieser Frage hat sich das Öko-Institut im eigenfinanzierten Projekt „Gesellschaftliche Akzeptanz konsumbezogenen Ordnungsrechts“ befasst. Für die Analyse haben die Wis- senschaftlerinnen und Wissenschaftler internationale Literatur zu Akzeptanz- faktoren umweltpolitischer Maßnah- men ausgewertet und zwei Vertiefungs- studien zu autoreduzierten Quartieren und Vorschriften zu Heizungstechnolo- gien durchgeführt.
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