LIBERALE MENSCHEN-RECHTS- ARBEIT 2019 - Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit

 
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LIBERALE MENSCHEN-RECHTS- ARBEIT 2019 - Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit
LIBERALE
MENSCHEN-
RECHTS-
ARBEIT
2019
LIBERALE MENSCHEN-RECHTS- ARBEIT 2019 - Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit
Menschenrechte dürfen
nicht relativiert werden
und in der täglichen
Politik untergehen.
Es muss immer um ihre
Durchsetzung gekämpft

       “
werden.

        Sabine Leutheusser-Schnarrenberger,
        Stellvertretende Vorstandsvorsitzende
        der Friedrich-Naumann-Stiftung für die
        Freiheit und Bundesministerin a. D.
LIBERALE MENSCHEN-RECHTS- ARBEIT 2019 - Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit
DIE INTERNATIONALE
MENSCHENRECHTSARBEIT DER
FRIEDRICH-NAUMANN-STIFTUNG
FÜR DIE FREIHEIT
2019
LIBERALE MENSCHEN-RECHTS- ARBEIT 2019 - Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit
4

    MENSCHENRECHTE LIBERAL
    VON SABINE LEUTHEUSSER-
    SCHNARRENBERGER
LIBERALE MENSCHEN-RECHTS- ARBEIT 2019 - Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit
VORWORT   5

WIE WOLLEN WIR                                          In diesem Bericht finden Sie ausgewählte Men-
                                                        schenrechtsprojekte der Länderbüros der Stiftung.

ALS MENSCHEN
                                                        Mehr Medienfreiheit und Medienbildung fördern
                                                        beispielsweise die Länderbüros in Zimbabwe, auf

IN ZUKUNFT
                                                        den Philippinen und in Myanmar, um die Menschen
                                                        besser gegen Desinformationen zu wappnen, die
                                                        nicht nur den gesellschaftlichen Zusammenhalt,
LEBEN?                                                  sondern auch die Grundwerte der Demokratie ge-
                                                        fährden. Journalistinnen und Journalisten werden
                                                        durch den Raif Badawi Award ausgezeichnet und im
Liebe Leserinnen und Leser,                             Medien- und Journalistenprogramm weitergebildet.
                                                        Ihre Arbeit ist schließlich essentiell für eine freie Mei-
um nichts weniger geht es bei den Protesten in          nungsäußerung, die Verifizierung von Fakten und die
Hongkong, wo unterschiedliche Menschenbilder auf-       freie Meinungsbildung aller. Mit dem Boris Nemzov
einanderprallen und es um ihre Zukunft geht. Junge      Preis zeichnet die Stiftung seit Jahren Menschen-
Menschen kämpfen für ihre Freiheiten in der chinesi-    rechtsverteidiger aus.
schen Sonderverwaltungszone. Sie fordern bürger-
liche und politische Menschenrechte und Freiräume,      Als besondere Herausforderung der heutigen Zeit
um so zu leben, wie sie es wollen – ohne Vorgaben       gilt es, Menschenrechte digital durchzusetzen. Die
und Überwachung von China. Der Einfluss Chinas          Sicherung von informationeller Selbstbestimmung
wächst und damit die Sorge, dass diese Vorstellung      und Privatsphäre ist der wichtigste Zugangsschlüs-
des menschlichen Lebens in Unfreiheit, unter Kont-      sel, um zu garantieren, dass „alle Menschen frei und
rolle und permanenter Überwachung zunimmt und           gleich“ sind. In der Ukraine sehen wir dorthin, wo
die universellen Menschenrechte dezimiert werden.       Menschenrechte leicht verletzt werden: im Freiheits-
Universell gültig sind Menschenrechte aber nur          entzug in Gefängnissen. Menschliche Vielfalt ent-
dann, wenn keine Menschen als Rechteinhaber             wickelt sich dann, wenn alle Menschen so akzeptiert
ausgeschlossen werden. Dazu gehören bürgerliche         werden, wie sie gerne leben wollen – auch in ihrer
und politische, genauso wie wirtschaftliche, soziale    sexuellen und geschlechtlichen Orientierung. Wo
und kulturelle Menschenrechte. Sie zu gewährleisten     LGBTQI-Menschen frei und gleich mit anderen leben
und zu schützen ist die oberste Verpflichtung von       können, ist die Menschenrechtslage im gesamten
Staaten. Menschenrechte zu leben, sie zu achten         Land stabiler. In vielen Ländern fördert die Stiftung
und immer wieder einzufordern, liegt allerdings auch    daher die Freiheit der sexuellen und geschlechtli-
in der Verantwortung von uns allen.                     chen Selbstbestimmung von Menschen.
                                                        Menschen müssen ihre Rechte kennen. Das Recht
In ihrer Menschenrechtsarbeit verteidigt die Fried-     auf Menschenrechtsbildung ist nicht nur normativ
rich-Naumann-Stiftung für die Freiheit Menschen,        verankert, sondern die Chance, dass Menschen sich
die sich persönlich oder beruflich für Menschenrech-    ihrer Rechte bewusstwerden und diese dann ein-
te einsetzen – für Menschen, die in ihren Menschen-     klagen können. Wirtschaftliche Freiheit, das eigene
rechten bedroht sind, die nicht wählen und nicht ihre   Eigentum und die Sorgfalt bei der Herstellung von
politische Meinung sagen dürfen oder keine eigene       Erzeugnissen und Produkten sind ein wichtiger An-
Stimme haben. Sie verteidigt nicht Regierungen,         ker, um die Menschenrechte nachhaltig zu sichern.
nicht staatliche Institutionen oder Parteien.
Da weltweit Menschenrechte auf unterschiedliche         Erfahren Sie mehr über die liberale Menschen-
Weise bedroht sind, dürfen Demokraten/innen nicht       rechtsarbeit der Stiftung. Ich wünsche Ihnen bei der
still sein und wegsehen, wenn sie die Möglichkeit       Lektüre viel Freude.
haben, aktiv zu werden. In ihren 60 Büros weltweit
entwickeln die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter         Ihre
der Stiftung in Zusammenarbeit mit ihren Partner-
organisationen verschiedenste Aktivitäten, um die
Menschenrechtslage vor Ort zu verbessern. Das
betrifft die Meinungs- und Pressefreiheit, die freie
Entfaltung der Persönlichkeit, den Zugang zu Infor-     Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
mationen und die freie Kommunikation genauso wie        Stellvertretende Vorstandsvorsitzende
den Einsatz gegen Diskriminierung und die Stärkung      der Friedrich-Naumann-Stiftung für die
einer unabhängigen Justiz gegen Willkür und Unter-      Freiheit und Bundesministerin a. D.
drückung.
LIBERALE MENSCHEN-RECHTS- ARBEIT 2019 - Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit
6   INHALT

        INHALT
        04 MENSCHENRECHTE LIBERAL
             05   Vorwort von Sabine Leutheusser-Schnarrenberger

        08 MEDIENFREIHEIT UND
           MEDIENBILDUNG GEGEN
           DESINFORMATIONEN
             10   Philippinen – „We are truth-tellers“
             11   Zimbabwe – Journalistinnen und Journalisten kämpfen gegen Desinformationen
             12   Deutschland – „Ich warte nicht, bis andere entscheiden, ob ich zu Deutschland gehöre“
             13   Raif Badawi Award 2019 an Hanène Zbiss
             14   Myanmar – „Desinformation ist eine Bedrohung für die Menschenrechte“

        16 MENSCHENRECHTE
           DIGITAL ACHTEN
             18   Pakistan – Bewusstsein für Datenschutz und Privatsphäre schärfen
             19   Indien – Aufgeklärt gegen Belästigung im Netz

        20 „ALLE MENSCHEN SIND
           FREI UND GLEICH“
             22   Ukraine – Menschenwürde gilt auch in Gefängnissen

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7

24 FREIHEIT DER SEXUELLEN
   UND GESCHLECHTLICHEN
   SELBSTBESTIMMUNG
  26   Südafrika – Aus der Schreibwerkstatt von einem LGBTQI-Flüchtling
  28   Europa – Freiheit für sexuelle Identität
  29   Georgien – Erste Pride Week
  30   Bulgarien – Prides verbessern die gesellschaftliche Akzeptanz
  31   Lateinamerika – Gegen Diskriminierung und Stigmatisierung von LGBTQI

32 RECHT AUF MENSCHEN-
   RECHTSBILDUNG
  34   Thailand – Ein Handbuch für Freiheitsliebhaber
  35   Libanon – Menschenrechtsbildung mit der Polizei

36 WIRTSCHAFT UND
   MENSCHENRECHTE
   NACHHALTIG SICHERN
  38   Südafrika – Recht auf Eigentum ist ein Menschenrecht
  39   Unternehmen und Menschenrechte – warum ein
       Lieferkettengesetz Unternehmen helfen kann
  40   Senegal – Sommerakademie „Wirtschaft und Menschenrechte“

42 MENSCHENRECHTE
   UND KLIMA
  43   Gastbeitrag von Gyde Jensen, MdB

  46   Impressum und Bildnachweise
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    MEDIENFREIHEIT UND
    MEDIENBILDUNG GEGEN
    DESINFORMATIONEN
LIBERALE MENSCHEN-RECHTS- ARBEIT 2019 - Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit
9

10 PHILIPPINEN
   „WE ARE TRUTH-TELLERS“
11 ZIMBABWE
   JOURNALISTINNEN UND
   JOURNALISTEN KÄMPFEN
   GEGEN DESINFORMATIONEN
12 DEUTSCHLAND
   „ICH WARTE NICHT, BIS ANDERE
   ENTSCHEIDEN, OB ICH ZU
   DEUTSCHLAND GEHÖRE“
13 RAIF BADAWI AWARD 2019
   AN HANÈNE ZBISS
14 MYANMAR
   „DESINFORMATION IST
   EINE BEDROHUNG FÜR
   DIE MENSCHENRECHTE“
LIBERALE MENSCHEN-RECHTS- ARBEIT 2019 - Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit
10   MEDIENFREIHEIT UND MEDIENBILDUNG GEGEN DESINFORMATIONEN

                                                                     Hier QR-Code scannen und
                                                                    Maria Ressa im Video sehen

        PHILIPPINEN
        „WE ARE TRUTH-TELLERS“
        „Eure Generation wird viel schlauer, aber auch mani-
        pulationsempfindlicher sein als meine. Was auf den
        Philippinen passiert, hängt von euch ab“,

        dazu fordert Maria Ressa Studierende bei einem          Bart Guingona, Initiator von MediaNation –
        Workshop zum Kampf gegen Desinformation auf.            einem Netzwerk von Medienorganisationen und
        Unter dem Motto „We are truth-tellers“ veranstaltet     Journalisten –, bezeichnet die aktuelle Situation der
        die Stiftung Seminare zur Medienkompetenzför-           Pressefreiheit auf den Philippinen als besorgnis-
        derung im südostasiatischen Inselstaat. Ressa           erregend: „Die Bedrohung der Pressefreiheit existiert
        ist Geschäftsführerin des Social News Network           heute zweifach: Erstens durch die Machtinhaber, die
        Rappler und war in dieser Funktion mit zahlreichen      keine Rechenschaft ablegen müssen und die Presse
        Gerichtsverfahren konfrontiert, die die Regierung zur   frontal angreifen. Und zweitens durch das Publikum,
        gezielten Einschüchterung von Journalistinnen und       das die Worte der Machtinhaber für bare Münze
        Journalisten einsetzt.                                  nimmt und dadurch eine Mob-Mentalität schafft.“

        Regierung als Lieferant                                 Wahrheit und Transparenz als Säulen
        erfundener Nachrichten                                  des demokratischen Diskurses
        Die Philippinen sind Kriegsgebiet, was Fake News        Der Angriff auf die Pressefreiheit und die Verbreitung
        angeht. „Ein Beispiel für frei erfundene Nachrichten    von gezielten Desinformationen haben Journalisten
        ist eine Geschichte, die einem Journalisten und         und Journalistinnen dazu veranlasst, Initiativen zur
        mehreren Anwälten eine Verschwörung gegen               Überprüfung von Fakten und zum gesellschaft-
        Präsident Rodrigo Duterte vorwarf. Die Quelle der       lichen Engagement zu ergreifen. „Wir sollten dafür
        Geschichte war der Präsident selbst. Das sind reine     offen sein, durch die Gesellschaft herausgefordert
        Lügen“, bemerkt die Investigativjournalistin Marites    zu werden. Je mehr Menschen uns korrigieren und
        Vitug.                                                  je mehr sie ihre eigenen validen Informationen bei-
                                                                tragen, desto reichhaltiger wird der Dialog“, so Isolde
                                                                Amante von der Zeitung Sunstar Cebu.

                                                                Chito Gascon, Vorsitzender der philippinischen Men-
                                                                schenrechtskommission, betont die Bedeutung von
                                                                politischer Bildung. „Jeder von uns kann ein Wahr-
                                                                heitsverbreiter (truth-teller) werden. Durch staats-
                                                                bürgerliche Bildung können wir sicherstellen, dass
                                                                jeder in die Lage versetzt wird, gefälschte Inhalte zu
                                                                erkennen, und der Verteidigung der Wahrheit hilft“,
                                                                ermutigt er die Seminarteilnehmer.

                                                    Chito Gascon, Vorsitzender der
                                                    philippinischen Menschenrechtskommission
11

                                    Journalisten aus Zimbabwe berichten im Video
                                        über ihren Kampf gegen Desinformationen

ZIMBABWE
JOURNALISTINNEN UND
JOURNALISTEN KÄMPFEN
GEGEN DESINFORMATIONEN

Ein Erfahrungsbericht unserer
Kollegin Fungisai Sithole
Journalistinnen und Journalisten berichten in der     Dumisani Muleya begeistern – einen über die Lan-
Regel über Themen und Menschen um sie herum.          desgrenzen hinaus bekannten investigativen Jour-
Sie erzählen die Geschichten anderer Menschen         nalisten sowie Chefredakteur der Wochenzeitung
und selten ihre eigenen. Es war unser Ziel, den       Zimbabwe Independent. Auch Blessed Mhlanga,
Kampf gegen Desinformation und Propaganda aus         prominenter Reporter für politische Angelegenhei-
dem persönlichen Blickwinkel von drei Journalisten    ten bei der Tageszeitung NewsDay, freute sich auf
in einem Videoprojekt zu dokumentieren.               unser videoaufgezeichnetes Storytelling-Projekt.

Die Menschenrechtslage in Zimbabwe ist instabil       Als wir die Journalisten kontaktierten, waren sie
und es gibt regelmäßig Zensur durch die Regierung.    gleich bereit, über ihre Erfahrungen mit Desinfor-
Zuerst war ich besorgt darüber, ob Journalisten       mation vor der Kamera zu sprechen. Sie nutzten
bereit wären, vor der Kamera zu sprechen, wenn        die Gelegenheit für einen Aufruf zu einer profes-
man die anhaltende Schikane und Einschüchterung       sionellen und qualitativ hochwertigen Bericht-
von Journalisten und Journalistinnen bedenkt. Ein     erstattung. Überraschenderweise hatte keiner von
offener Aufruf an Journalisten und Journalistinnen    ihnen Bedenken und die Aufnahmen waren schnell
hätte eine unnötige mediale Aufmerksamkeit er-        gemacht. Doch trotz ihrer Offenheit, vor der Kamera
regt. Durch unsere Partnerschaft mit dem Volun-       zu sprechen, spürte ich immer wieder ihre einge-
tary Media Council of Zimbabwe (VMCZ), einem          schränkte Freiheit – die Freiheit, sich vollständig
Netzwerk von Journalisten und Journalistinnen in      angstfrei auszudrücken. Sie konzentrierten sich
unabhängigen Medien, konnten wir schnell und un-      auf eine Reihe kritischer Fragen und hielten sich
kompliziert Freiwillige gewinnen.                     bei anderen zurück, von denen sie glaubten, die
                                                      Antworten könnten sie zum Ziel von Bedrohungen
Wir wollten mindestens einer weiblichen Journalis-    werden lassen.
tin bewusst eine Stimme geben und haben uns des-
halb gefreut, unsere Alumna Chipo Gudhe, Redak-       Wir hatten eine kreative und wirklich konstruktive
teurin des Midlands Observer, in unser Videoprojekt   Zusammenarbeit. Unseren Dialog über Desinfor-
aufzunehmen. The Midlands Observer ist eine           mationen werden wir auch in Zukunft fortsetzen,
führende Gemeindezeitung in der Provinz Midlands,     indem wir mit Journalisten und Journalistinnen an
der Heimatprovinz des Staatspräsidenten Emmerson      Universitäten in ganz Zimbabwe die Medienbildung
Mnangagwa. Für eine Teilnahme konnten wir auch        fördern.

                                 Fungisai Sithole und
                                 Blessing Mhlanga
12   MEDIENFREIHEIT UND MEDIENBILDUNG GEGEN DESINFORMATIONEN

                                                                        Hier lesen Sie die Texte
                                                                            der Exiljournalisten

        DEUTSCHLAND
        „ICH WARTE NICHT, BIS ANDERE
        ENTSCHEIDEN, OB ICH ZU
        DEUTSCHLAND GEHÖRE“
        Diwan-Gesprächsreihe mit dem „Tagesspiegel“:
        Der Talkshow-Moderator Jaafar Abdul Karim
        wendet sich an die arabische Community in Deutschland.

        In der arabischen Welt ist Jaafar Abdul Karim ein      aktiv werden und nicht darauf warten, dass andere
        Medienstar: Der Moderator von „Shababtalk“, der        das erledigen.“ Einem jungen Zuhörer aus Syrien rät
        arabischsprachigen Talkshow der Deutschen Welle,       er, sich nicht davon beeinflussen zu lassen, ob das
        hat mehr als acht Millionen Zuschauer weltweit,        mediale Echo gegenüber Zuwanderung gegenwär-
        wenn er heikle und kontroverse Themen wie die          tig freundlich oder kritisch ist. Was zählt, sei: „Mach
        Stellung der Frau in der Gesellschaft oder die Rolle   dein Ding und deine Schritte in dieser Gesellschaft.“
        von Religion oder Homosexualität mit jungen Leu-
        ten diskutiert. Daher ist er auch Geflüchteten aus     Gleichzeitig wünscht sich Jaafar Abdul Karim,
        der arabischen Welt ein Begriff.                       dass deutsche Politiker mehr nachdenken, bevor
                                                               sie ausgrenzende Statements wie „Der Islam ge-
                                                               hört nicht zu Deutschland“ oder Migration sei „die
                                                               Mutter aller Probleme“ abgeben. Als Richtschnur
                                                               für das Zusammenleben der Mehrheitsgesell-
                                                               schaft und der Zugewanderten sieht der Journalist,
                                                               dessen Markenzeichen das weiße Oberhemd ist,
                                                               das Grundgesetz: „Das ist meine Betriebsanleitung.“
                                                               Damit könnten alle „leben und leben lassen“.

                                                               Die Diwan-Gesprächsreihe ist Teil der Arbeit mit
             Jaafar Abdul Karim                                Exiljournalisten in Deutschland. Hier erarbeiten
             Journalist und TV-Moderator                       junge Journalisten, die mehrheitlich aus arabischen
                                                               Ländern, der Türkei und Iran stammen, jährlich eine
        Und ein spannender Gesprächspartner in der             Zeitungsbeilage mit Geschichten aus der Pers-
        Diwan-Reihe, in der Geflüchtete und Exiljournalis-     pektive der Neuankömmlinge, die dann im Berliner
        ten sowie das deutsche Publikum ins Gespräch           „Tagesspiegel“ erscheint: Themen waren bisher
        kommen. Die Veranstaltungsreihe ist Teil des           Freiheit, Heimat und zuletzt vor der Europawahl
        Exiljournalistenprojektes, welches das Internatio-     2019 ihr Blick auf Europa.
        nale Journalisten- und Mediendialogprogramm
        der Stiftung in Kooperation mit dem Tagesspiegel       Mit Europa verbinden die Exiljournalisten insbe-
        2016 ins Leben gerufen hat. Der im Libanon und         sondere Freiheit. Der syrische Journalist Hareth
        in der Schweiz aufgewachsene Journalist Jaafar         Almukdad (32) beschreibt in seinem Aufmacher der
        Abdul Karim ist bei seinen Sendungen viel in der       Beilage zur Europa-Wahl 2019 seine Verwunderung,
        arabischen Welt unterwegs – aber auch in der           als er von Deutschland nach Tschechien fährt: „Wo
        arabischen Community in Deutschland. „Ich weiß,        ist denn hier die Grenze?“ lautet der Titel seines
        wie schwer es ist, in einem fremden Land anzu-         Artikels. Mit dem Bus von Berlin nach Prag unter-
        kommen“, sagt der 38-Jährige den vielen jungen         wegs, verschläft er den Grenzübertritt. „Obwohl
        Geflüchteten im Publikum.                              ich laut meinem Flüchtlingspass ein Staatenloser
                                                               bin, kann ich ohne Probleme von einem EU-Land
        Er selbst war 2001 zum Studium nach Deutschland        ins andere reisen“. Keine Stacheldrahtzäune, keine
        gekommen. Für Jaafar ist jedoch auch klar: „Man        bewaffneten Soldaten, keine Visa, keine Schlangen,
        muss sich selbst integrieren und in der Gesellschaft   keine Stempel, schreibt Almukdad erstaunt.
13

 RAIF BADAWI AWARD 2019
 AN HANÈNE ZBISS
 Zusammen mit dem Börsenverein vergibt die            In Tunesien sind Sie durch eine
 Stiftung auf der Frankfurter Buchmesse den Raif      Investigativreportage bekannt
 Badawi Award for courageous journalists. 2019
 wählte die Jury die mutige tunesische Journalistin
                                                      geworden, als Sie systematisches
 Hanène Zbiss. Im Interview spricht sie über ihre     Brainwashing in „Korankindergärten“
 journalistische Arbeit.                              aufgedeckt haben. Was hat Ihre
                                                      Veröffentlichung bewirkt?
 Wie beschreiben Sie die Situation
                                                      Früh hatte ich mich entschieden, immer tiefgrün-
 der Pressefreiheit in Tunesien
                                                      dig zu recherchieren und möglichst mit dem Ziel,
 derzeit?                                             eine breite Meinungsbildung der Öffentlichkeit zu
 Seit dem Arabischen Frühling hat sich die Presse-    fördern und vielleicht gar einen Wandel zu bewir-
 freiheit in Tunesien stark verbessert. Jeder kann    ken. Ich konnte nur deshalb so gut verstehen, wie
 seine Meinung heute in klassischen Medien oder       die „Korankindergärten“ arbeiten und das Brain-
 in den sozialen Medien frei äußern, ohne Angst vor   washing an kleinen Kindern vornehmen, weil ich
 Verfolgung haben zu müssen. Heute landet mein        dort einen längeren Zeitraum undercover recher-
 Land im Ranking von Reporter ohne Grenzen auf        chierte. Nach der Veröffentlichung meiner Repor-
 Platz 72, eine deutliche Verbesserung von Platz      tage wurden tatsächlich 100 Kindergärten im Jahr
 97 im Jahr zuvor. Nun zeichnen sich aber neue        2013 geschlossen und nur noch 40 existierten in
 Probleme ab. Die Medienlandschaft wird von           ganz Tunesien.
 korrupten Geschäftsleuten kontrolliert und einigen
 hochrangigen politischen Vertretern. Die Regie-
 rung versucht einerseits, die öffentlichen Medien
 zu beeinflussen, und andererseits, Praktiken aus
 der Diktaturzeit zu reformieren.

                                                          Die Gewinnerin Hanène Zbiss (Mitte)
                                                          auf der Frankfurter Buchmesse 2019

Hanène Zbiss fordert bessere Bezah-                   Die Regierungen haben es in den folgenden Jahren
                                                      aber versäumt, diese Strukturen gezielt anzuge-
lung von Journalisten zur Sicherung der               hen. Heute gibt es 1.130 dieser Kindergärten. Aus
Medienvielfalt und Meinungsfreiheit                   meiner Sicht ist es die Aufgabe von Journalisten,
                                                      Probleme aufzudecken, die eine potenzielle Gefahr
 Aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Lage        für den sozialen Frieden und das Zusammenleben
 sind Journalisten gezwungen, diesen Druck zu         darstellen. Aus diesem Grund habe ich zuletzt
 akzeptieren, die journalistische Arbeit leidet und   viel über die vorhandene Korruption im Gesund-
 letztendlich wird sich die Meinungs- und Informa-    heitswesen, Bildungs- und öffentlichen Sektor
 tionsfreiheit wieder verschlechtern.                 geschrieben. Wenn Korruption die Basis unseres
                                                      friedlichen Zusammenlebens bedroht, muss dies
       Online mehr erfahren!                          zur absoluten Priorität für uns Journalisten und
Hanène Zbiss im Videoporträt
                                                      Journalistinnen werden. Wir müssen aufdecken
                                                      und die verantwortlichen Personen nach ihrer Ver-
                                                      antwortung fragen.
14   MEDIENFREIHEIT UND MEDIENBILDUNG GEGEN DESINFORMATIONEN

                                                                             Lesen Sie das ganze
                                                                                 Interview online

        MYANMAR
        „DESINFORMATION IST EINE BEDRO-
        HUNG FÜR DIE MENSCHENRECHTE“
        In diesem Jahr zeichnete die Stiftung die Myanmar        Warum ist die Gesellschaft
        ICT for Development Organization (MIDO) mit dem          Myanmars besonders anfällig
        Digital Courage Award aus. Den Preis erhielt MIDO        für gefälschte Nachrichten?
        für ihren Einsatz gegen Hassrede und Desinforma-
        tion und ihre Bildungsarbeit im Bereich IT-Sicher-       In den letzten Jahren hat die Nutzung des Internets
        heit. Die Stiftung unterstützt MIDO auch bei der         und von Plattformen wie Facebook dramatisch
        Produktion der TV-Show „MIL Kyi“. Phyu Phyu Thi,         zugenommen. Das Bildungssystem hat sich diesen
        Mitbegründerin von MIDO, erklärt, warum Medien-          Veränderungen allerdings nicht angepasst. Sowohl
        bildung für ihr Land so wichtig ist.                     öffentliche als auch private Akteure haben es ver-
                                                                 säumt, das öffentliche Bewusstsein für die neuen
                                                                 Herausforderungen zu fördern.
        Hassreden und Desinformations-
        kampagnen sind ein weltweites
                                                                 MIDO versucht, diese Lücke zu schließen,
        Problem. Warum ist es in Myanmar
                                                                 zum Beispiel mit den MIL-Kyi-Videos.
        besonders besorgniserregend?
                                                                 Wie erhöhen die Episoden die Medien-
        In Myanmar sind Desinformationen ziemlich                und Informationskompetenz (MIL)
        virulent. Sie vermitteln meist religiöse, rassistische
                                                                 von Bürgerinnen und Bürgern?
        und politische Propaganda. Fake News, die dazu
        bestimmt sind, Hass zu erzeugen und zu verbrei-          „MIL Kyi“ ist ein burmesisches Wortspiel, das
        ten, setzen Minderheitsgemeinschaften der Gefahr         „Fragen stellen und herausfinden“ bedeutet. Das
        von Gewalt aus. Das bedroht die Menschenrechte           Programm vermittelt Medienkompetenz auf unter-
        in Myanmar.                                              haltsame Weise und mit kreativem Storytelling.
                                                                 Wir überprüfen auch Fakten über Nachrichten, die
        Propaganda und Desinformation                            in den sozialen Netzwerken im Trend liegen. Zu-
                                                                 sätzlich beinhaltet jede Episode ein Interview mit
        sind aber doch kein neues Problem?                       einem Experten aus einem anderen Bereich. Wir
        Stimmt, schon vor dem Aufstieg der sozialen Medien       möchten, dass das Publikum einen umfassenden
        verbreiteten die von der Regierung kontrollierten        Überblick über das Thema erhält.
        Medien manipulierte Nachrichten, die Minderheiten
        diskriminierten. Die meisten Menschen wussten            Wie viele Personen erreichen
        jedoch, dass es sich um Propaganda handelte.             Sie mit dem Programm?
        Social Media macht es heutzutage jedoch sehr viel
        schwieriger zu verstehen, welche Informationen           Viele der Episoden auf unserer Facebook-Seite
        von welchem Akteur stammen. Das ist ein frucht-          werden von mehr als 20.000 Menschen gesehen.
        barer Boden, um die öffentliche Meinung                  Darüber hinaus sehen Zehntausende das Pro-
        zu manipulieren.                                         gramm auf dem DVB-TV-Kanal, der ein Partner
                                                                 von uns ist. Andere Medien haben über unser
                                                                 Projekt berichtet, darunter auch internationale
                                                                 Sender.

       Phyu Phyu Thi,
       Mitbegründerin von MIDO
15
16

     MENSCHENRECHTE
     DIGITAL ACHTEN
17

18 PAKISTAN
   BEWUSSTSEIN FÜR
   DATENSCHUTZ UND
   PRIVATSPHÄRE SCHÄRFEN
19 INDIEN
   AUFGEKLÄRT GEGEN
   BELÄSTIGUNG IM NETZ
18   MENSCHENRECHTE DIGITAL ACHTEN

                                                                       Online mehr erfahren!
                                                                         Über den Workshop
                                                                               in Islamabad

        PAKISTAN
        BEWUSSTSEIN FÜR DATENSCHUTZ
        UND PRIVATSPHÄRE SCHÄRFEN
        Haben Sie jemals eine unerwünschte Nachricht         und, gemäß den Gesetzen, die Privatsphäre eines
        oder Benachrichtigung in den sozialen Medien oder    Zuhauses unantastbar sind“.
        auf dem Handy von jemandem erhalten, den Sie
        nie getroffen haben? Wurden Sie oder jemand, der     Obwohl es keinen direkten Rechtsrahmen für den
        Ihnen nahesteht, von Hackern, Phishern oder ande-    Datenschutz gibt, wird der Datenschutz theoretisch
        ren ins Visier genommen? Diese Handlungen von        durch eine Reihe verschiedener vorläufiger Gesetze
        jemandem, der sich hinter einem digitalen Profil     geregelt. Um die Probleme anzugehen, die sich aus
        verbirgt, können unerwünscht sein, überschreiten     dem Fehlen eines kohärenten Regelwerks ergeben,
        oft die Grenze zur Aufdringlichkeit und können zu    und um das Bewusstsein für Online-Sicherheit zu
        einem Gefühl der Unsicherheit führen.                schärfen, haben DRF und die Stiftung eine Reihe
        In einer Welt, in der solche Handlungen immer häu-   von Veranstaltungen durchgeführt, die sich an ver-
        figer vorkommen, ist die Frage, wie man ihnen am     schiedene Zielgruppen zum Thema Datenschutz
        besten begegnet, entscheidend. Nach Ansicht der      und Privatsphäre richten.
        Digital Rights Foundation (DRF) in Pakistan können
        diese Probleme durch einen starken Rechtsrahmen      Frauen gehören auch im digitalen Raum zu den ver-
        für Datenschutz in Verbindung mit wirksamen          wundbarsten Gruppen. Einige der Veranstaltungen
        Durchsetzungsmechanismen gelöst werden.              wurden daher auf geschlechtsspezifische Fragen in
                                                             Verbindung mit der Sicherheit im Internet zuge-
        Derzeit gilt die von der Europäischen Union erlas-   schnitten. Um diesem wichtigen Thema Rechnung
        sene Datenschutzgrundverordnung als das beste        zu tragen, wurden bei der Konferenz „Datenschutz
        Datenschutzsystem der Welt, was viele hoffen         an der Schnittstelle zwischen geschlechtlicher
        lässt, dass der hohe Standard Nachahmer in an-       Identität und Privatsphäre“ politische Empfehlun-
        deren Ländern findet. Mehr als 107 Länder haben      gen mit Politik und Zivilgesellschaft diskutiert, um
        auf der ganzen Welt Datenschutzgesetze erlassen,     Impulse für eine neue Gesetzgebung zu geben, die
        um personenbezogene Informationen ihrer Bürger       genderspezifische Aspekte umfasst.
        und Bürgerinnen zu schützen. Pakistan gehört zu
        den Ländern, in denen Datenschutzgesetze gerade      Auch mit Studierenden verschiedener Universitäten
        erwogen werden. Aktuell verfügt Pakistan jedoch      wurden Datenschutz und Privatsphäre diskutiert,
        weder über eine direkte Datenschutzgesetzgebung      um das Bewusstsein für Gesetze und Rechte zu
        noch über eine Datenschutzbehörde. In der Verfas-    schärfen. Bei Crypto-Partys werden durch prakti-
        sung des Landes ist das Recht auf Privatsphäre als   sche Übungen Grundkenntnisse über IT-Sicherheit
        Grundrecht verankert. Artikel 14 Absatz 1 der Ver-   und sicheres Surfen im World Wide Web vermittelt.
        fassung bestätigt, dass „die Würde des Menschen

                                       Artist: Dessy Baeva
19

INDIEN
AUFGEKLÄRT GEGEN
BELÄSTIGUNG IM NETZ
Hasskommentare haben im Netz in den letzten
Jahren massiv zugenommen. Die hohe Feindselig-
keit gegen bestimmte Menschengruppen mischt
sich besonders bei Frauen mit sexualisierten
Beleidigungen und Bedrohungen. Die hasserfüllten
Online-Anfeindungen werden so zur sexuellen Be-
lästigung.

Weltweit sind Frauen davon betroffen – auch in
Indien. Gemeinsam mit seiner Partnerorganisation,
dem Internet Democracy Project, hat das Projekt-
büro in Delhi einen praktischen Leitfaden für Frauen
im Umgang mit Online-Belästigung entwickelt. Er
zeigt, wie sich Frauen präventiv besser schützen
können, und gibt Empfehlungen, wie Opfer reagie-
ren sollen. Das Ignorieren von Cybergewalt und
sexueller Belästigung oder das Blockieren können
erste technische Reaktionen auf Belästigung im
Netz sein. Es gibt aber auch konkrete Tipps für
Frauen und geschlechtsspezifische Minderheiten,
um ihr Online-Leben fortzusetzen, ohne sich von
Belästigungen einschüchtern zu lassen. Kommen-
tare nicht lesen und vor allem kontrollieren sind      Gleichberechtigte Teilhabe an medialer
praktische Maßnahmen, die jede Frau leicht um-
setzen kann. Von sexueller Belästigung betroffene
                                                       Information und Kommunikation muss für
Frauen könnten sich an Online-Communities wen-         Mädchen und Frauen gewährleistet werden
den, um mit Unterstützerinnen gemeinsam gegen
den Belästiger vorzugehen.

Der Leitfaden motiviert Frauen, nicht untätig zu
bleiben, sondern aktiv und offensiv zu werden, um
das Potential des Netzes für die eigenen Anliegen
zu nützen.

                               Credit: Ivaylo Nedkov
20   VORWORT

               „ALLE MENSCHEN
               SIND FREI UND GLEICH“
21

22 UKRAINE
   MENSCHENWÜRDE GILT
   AUCH IN GEFÄNGNISSEN
22   „ALLE MENSCHEN SIND FREI UND GLEICH“

                                                                       Sehen Sie weitere Bilder
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         UKRAINE
         MENSCHENWÜRDE GILT
         AUCH IN GEFÄNGNISSEN

         Menschenrechte werden hinter                           2018 unangekündigte Kontrollbesuche in Gefäng-
         verschlossenen Türen besonders                         nissen durch, beschreiben und dokumentieren
                                                                menschenrechtswidrige Zustände und geben
         leicht verletzt. In der Ukraine geht                   Empfehlungen ab. Die detaillierten Besuchsbe-
         die Stiftung mit dem Ukrainischen                      richte belegen eindrucksvoll, wo Zustände verbes-
         Institut für Menschenrechte (UIHR)                     sert werden müssen und wie wichtig öffentliche
         genau dorthin, wo andere wegsehen:                     Kontrolle ist.
         in Gefängnisse.
                                                                Dann beginnt der zweite wichtige Teil: die Über-
         Es gibt keine effektive staatliche Kontrolle, um die   zeugungsarbeit. Überall muss erst medialer und
         Einhaltung internationaler Menschenrechtsstan-         politischer Druck entstehen, damit tatsächlich Ver-
         dards wie des Zusatzprotokolls der Anti-Folter-Kon-    änderungen erreicht werden. Die Monitoringergeb-
         vention in ukrainischen Haftanstalten zu überwa-       nisse präsentierte das UIHR daher Vertretern von
         chen. „Die Zustände in ukrainischen Gefängnissen       Strafverfolgungsbehörden, dem Justizministerium,
         sind vielfach verbesserungswürdig“, erklärt Beate      dem Generalstaatsanwalt, zivilgesellschaftlichen
         Apelt, die Leiterin des Stiftungsbüros in Kiew, die    Organisationen und der Menschenrechtsombuds-
         Motivation, die Arbeit von UIHR zu fördern. Die        frau. Abgeordnete der „Menschenrechtskoalition“
         Nichtregierungsorganisation arbeitet Hand in Hand      wandten sich mit konkreten Forderungen an die
         mit der fraktionsübergreifenden „Menschenrechts-       zuständigen Behörden und das Ministerkabinett.
         koalition“ im Parlament. Unter Leitung der ehemali-    Sie nutzten die UIHR-Berichte als Belege für Miss-
         gen parlamentarischen Ombudsfrau für Menschen-         stände – wie Folterverdacht oder die Verweigerung
         rechte, Valeriia Lutkowska, nutzt UIHR ein Gesetz,     angemessener medizinischer Versorgung.
         das Abgeordneten und ihren Mitarbeitenden
         Zugang zu Haftanstalten gewähren muss.                 Ein weiterer Erfolg ist zu verzeichnen: Der Vorsit-
                                                                zende des parlamentarischen Komitees zur Reform
         Im Auftrag der Abgeordneten der „Menschen-             des Gefängniswesens kündigte an, den Bericht in
         rechtskoalition“ und formal als deren Assistenten      die Arbeit des Komitees künftig einzubeziehen. Die
         führen die Menschenrechtler von UIHR nun seit          Ergebnisse der Monitoringbesuche führten zuletzt
                                                                zur Einleitung von zwei Gerichtsprozessen.

                                                                Obwohl alle angesprochenen staatlichen Behörden
                                                                reagierten und zusagten, in den angemahnten
                                                                Fällen Abhilfe zu schaffen, setzt das UIHR auf
                                                                Kontrolle. Etliche Haftanstalten wurden ein zweites
                                                                Mal besucht und die Umsetzung der versproche-
                                                                nen Maßnahmen wurde überprüft. Die Ergebnisse
                                                                waren durchwachsen.

        UIHR untersucht unmenschliche                                        Ukraine hat die UN Anti-
        Behandlung und Lebensumstände                                        Folterkonvention ratifiziert
        in Gefängnissen
23
24

     FREIHEIT DER SEXUELLEN
     UND GESCHLECHTLICHEN
     SELBSTBESTIMMUNG
25

26 SÜDAFRIKA
   AUS DER SCHREIBWERK-
   STATT VON EINEM
   LGBTQI-FLÜCHTLING
28 EUROPA
   FREIHEIT FÜR
   SEXUELLE IDENTITÄT!
29 GEORGIEN
   ERSTE PRIDE WEEK
30 BULGARIEN
   PRIDES VERBESSERN DIE
   GESELLSCHAFTLICHE
   AKZEPTANZ
31 LATEINAMERIKA
   GEGEN DISKRIMINIERUNG
   UND STIGMATISIERUNG
   VON LGBTQI
26   FREIHEIT DER SEXUELLEN UND GESCHLECHTLICHEN SELBSTBESTIMMUNG

                                                                  Weitere LGBTQI-Flüchtlinge
                                                              berichten von ihren Erfahrungen

        SÜDAFRIKA
        AUS DER SCHREIBWERKSTATT
        VON EINEM LGBTQI-FLÜCHTLING
        In einer Schreibwerkstatt hat die Stiftung LGBTQI
        Flüchtlinge aus verschiedenen afrikanischen Staa-
        ten eingeladen, ihre Geschichte aufzuschreiben. Als
        homosexueller Mann wurde Ethan Chigwada zu
        Hause in Zimbabwe verfolgt und ist deshalb nach
        Südafrika geflüchtet. Hier schreibt er „von meinem
        Zuhause, meinem Körper und meinen Träumen“:

        „Wenn die Familie vor der Geburt ausgewählt werden
        könnte, hätte ich meine, auch wenn es die letzte
        Familie auf Erden gewesen wäre, nicht gewählt.“

        „Ein Zuhause ist der Ort, an dem man Frieden,         mein Körper und mein Geist sehr schmutzig an
        Glück, Wärme und Unterstützung finden sollte.         und das Vertrauen, das ich hatte, war weg. Mein
        Für mich wurde mein Zuhause zu einem Ort der          Albtraum begann wieder von Neuem.
        Trauer, des Elends, der Einsamkeit und dem dun-
        kelsten Ort, an dem man nur sein kann. Als meine      Es ist nicht bei dieser einen Nacht geblieben. Es
        Familie herausfand, dass ich ein schwuler Mann        war jetzt eine tägliche Routine. Wenn ich ablehnte,
        bin, stand alles auf dem Kopf. Ich wurde wie ein      wurde ich damals mit allem, was er in die Hand
        Boxsack behandelt. Ich wurde auf jede mögliche        bekam, geschlagen. Ich hätte eines Tages fast
        Art beleidigt. Ich wünschte mir nur, dass ich in      Selbstmord begangen. Er fand mich und brachte
        einer anderen Familie geboren worden wäre. Alles,     mich ins Krankenhaus. Ich versuchte, mit einem
        was ich tat, war nie gut genug für meine Familie.     Arzt zu sprechen, aber niemand glaubte mir. Das
        Ich war für immer der Bösewicht, der verlorene        Gute ist, dass ich die Hoffnung nicht aufgab. Ich
        Sohn, die Person, die von bösen Geistern beses-       beschloss, vom Krankenhaus wegzulaufen, dann
        sen war.                                              die Grenze zu überschreiten und mit dem Zug
                                                              nach Kapstadt zu fahren.
        Als ich zu Hause war, fühlte ich mich wie in einer
        Höhle voller Löwen. Es dauerte nicht lange, bis sie   Ich fand mich in einer Stadt wieder, wo ich nie-
        mich weggeschickt hatten, um bei meinem Onkel         manden kannte. Ich war noch Schüler, was bedeu-
        zu leben. Dort hatte ich alles bis zu dem Tag, an     tet, dass ich meine Ausbildung noch abschließen
        dem er betrunken nach Hause kam und mich ver-         musste, damit ich meinen Traumjob bekommen
        gewaltigte. Er zwang sich mir auf. Ich schrie, aber   konnte. Ich wollte schon immer Journalist werden
        niemand kam mir zu Hilfe. Danach fühlten sich         und eine Familie haben. Der Grund, warum ich die-

                                                                           Homosexualität ist in
                                                                           33 afrikanischen Staaten
                                                                           ein Verbrechen
27

 #FREETOADVANCE
#AFRIQUEERREFUGEEVOICES

sen Job ausüben möchte, ist, dass ich der Welt,         und auch ihre eigenen Geschichten erzählen kön-
meinen Leuten und unseren Familien gerne sagen          nen, damit sie zu unseren Geschichten werden.
würde, dass wir alle Menschen sind. Ich möchte
Menschen wie Regierungsbeamte, zum Beispiel             Ich habe die Hoffnung nicht aufgegeben. Ich
aus dem Innenministerium, darüber informieren,          muss wieder zur Schule gehen, meinen Abschluss
dass wir das Recht haben, hier zu sein.                 machen und helfen, eine Welt zu schaffen, die
                                                        ein besserer Ort für zukünftige Generationen ist.
Wir sind alle Afrikaner. Ich möchte die Leute mithil-   Zusammen können wir es schaffen. Jeder braucht
fe von verschiedenen Formaten, wie beispielswei-        ein besseres Zuhause, einen Ort mit Liebe, an dem
se Dokumentationen, darüber informieren, dass es        man sich sicher fühlt. Jeder Mensch braucht den
keine Wahl ist, schwul zu sein. Man wird schwul         Schutz der Unversehrtheit des eigenen Körpers.
geboren. Als schwule Flüchtlinge stehen wir vor         An jedem Tag, der kommt und geht, träumen wir
der Gefahr einer doppelten Diskriminierung. Ers-        verschiedene Dinge. Meine Vision ist es, diese
tens, weil wir schwul sind, und zweitens, weil wir      Träume zu erfüllen und immer mehr zu träumen.
Flüchtlinge sind. Als Journalist werde ich meine        Ich glaube, dass man nur dann aufhören sollte zu
Geschichten erzählen, damit die Menschen lernen         träumen, wenn man aufhört zu atmen.“

                                       Liberale Menschenrechtsarbeit
                                       fordert die Entkriminalisierung
                                       von homosexuellen Handlungen
                                       und Trans*Identitäten
28   FREIHEIT DER SEXUELLEN UND GESCHLECHTLICHEN SELBSTBESTIMMUNG

                                                                      Sehen Sie Anne Brasseur
                                                                      online im Videointerview

        EUROPA
        FREIHEIT FÜR SEXUELLE IDENTITÄT
        „Unser gemeinsames Menschsein drückt sich              Parlaments gaben Denitsa Lyubenova (Bulgarien),
        rechtlich in der Menschenwürde aus, wie sie erst-      Victor Pilirani Chikalogwe (Südafrika), Denise Ho
        mals in der Allgemeinen Erklärung der Menschen-        (Hongkong) und Mikhail Tumasov (Russland)
        rechte vor 70 Jahren verankert wurde. Aufgrund         einen Einblick in die aktuelle Situation in ihren
        unserer gemeinsamen Menschlichkeit sind wir            Heimatländern.
        für den Schutz der Menschenrechte verantwort-
        lich und müssen daher die Diskriminierung von          Alle Panelisten äußerten politische Empfehlun-
        LGBTQI-Menschen bekämpfen.“                            gen zu regionalen und nationalen Problemen,
                                                               mit denen LGBTQI-Gruppen und -Einzelpersonen
        Mit diesen Worten eröffnete Anne Brasseur, Mit-        konfrontiert sind. Die Teilnehmenden waren sich
        glied des Kuratoriums der Stiftung und ehemalige       einig, dass weltweit ein stärkeres Engagement von
        Präsidentin der Parlamentarischen Versammlung          gewählten Politikerinnen und Politikern erforderlich
        des Europarates, die Diskussionsrunde über             ist, um die Diskriminierung von LGBTQI-Gruppen
        „Freiheit der sexuellen Selbstbestimmung und           zu bekämpfen.
        LGBTQI-Bewegungen“ während des Oslo Freedom
        Forum (OFF).                                               „Wir sind alle verschieden und doch sind
        Jährlich kommen in Oslo Menschenrechtsvertei-
                                                                   wir gleich. Wir alle müssen die gleichen
        digerinnen und Aktivisten, Politikerinnen und Poli-        Rechte haben, die seit 70 Jahren in der
        tiker, zivilgesellschaftliche Akteure, Jungunterneh-       Allgemeinen Erklärung der Menschen-
        mer, Mitarbeitende aus Think-Tanks und Stiftungen
        aller Weltregionen zu einem globalen Dialog über
                                                                   rechte und in der Europäischen Men-
        die dringendsten weltweiten menschenrechtlichen            schenrechtskonvention verankert sind.“
        Herausforderungen zusammen. Zum vierten Mal                                        Anne Brasseur
        war das Brüsseler Büro der Stiftung mit seinem
        Europäischen Dialogprogramm dabei.

        Während der Diskussionsrunde berichteten
        LGBTQI-Verteidiger und -Verteidigerinnen aus
        ihrem Alltag als persönlich Betroffene von Men-
        schenrechtsverletzungen und Anfeindungen. Ge-
        meinsam mit Moderatorin Juliette Sanchez-Lam-
        bert von der LGBTQI Intergroup des Europäischen

                                                                            In den Projektländern
                                                                            vor Ort unterstützt die
                                                                            Stiftung Organisatio-
                                                                            nen und Bewegungen,
                                                                            die sich für Rechte
                                                                            von LGBTQI einsetzen
29

GEORGIEN
ERSTE PRIDE WEEK
Auch wenn der „Marsch der Würde“ als abschlie-
ßender Höhepunkt wegen der angespannten Si-
cherheitslage nicht stattfinden konnte, erfolgte die    Prides mobilisieren Betroffene
erste Tbilisi Pride Week im Juni 2019 in Georgien       und Unterstützer
ohne größere Zwischenfälle und unter breiter inter-
nationaler Beobachtung. Dies ist ein toller Erfolg!
Systematisch wurde im Vorfeld Stimmung gegen
die Pride-Veranstaltungen gemacht. Ein vermögen-
der georgischer Geschäftsmann hatte zur Bildung
von Bürgerwehr-ähnlichen Patrouillen aufgerufen.
Diese sollten jede LGBTQI-Veranstaltung melden,
um sie dann zu verhindern und die Organisatoren
„zu schlagen“. Verhalten waren die Reaktionen der
Strafverfolgungsbehörden auf diesen offenen und
gezielten Aufruf zur Gewalt.

Während die Pride-Aktivisten von internationaler
Seite eine beeindruckende Unterstützung erhiel-
ten, war eine klare Haltung der Regierung nicht
zu erkennen. Dafür gab es eine Stellungnahme
der einflussreichen orthodoxen Kirche, in der die
georgischen Behörden aufgefordert wurden, alle
                                                        LGBTQI-Prides fördern die sexuelle
LGBTQI-Veranstaltungen zu verhindern. Vermut-
lich hat dieses Statement auch zum Schlingerkurs        und geschlechtliche Vielfalt von
des Innenministeriums beigetragen: Für Veranstal-       Menschen und die Freiheit der
tungen in geschlossenen Räumen wurden Sicher-
                                                        Selbstbestimmung
heitsgarantien übernommen, die Organisatoren
sollten im Gegenzug aber den „Marsch der Würde“
absagen, weil dieser mit gravierenden Sicherheits-
risiken verbunden sei. Ebenfalls wegen Sicher-
heitsaspekten wurde bewusst auf eine öffentliche
Kundgebung am 17. Mai, dem Internationalen Tag
gegen Homophobie, verzichtet.

                               Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
                               erfuhr in Tiflis mehr über die Situation
                               der LGBTQI-Gemeinschaft in Georgien

                                                            Online mehr erfahren!
                                                       More Prides, more Freedom
30   FREIHEIT DER SEXUELLEN UND GESCHLECHTLICHEN SELBSTBESTIMMUNG

                                                                Sehen Sie hier ein Interview
                                                                    mit Denitsa Lyubenova

        BULGARIEN
        PRIDES VERBESSERN DIE
        GESELLSCHAFTLICHE AKZEPTANZ

        Die Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit hat
        sich als Unterstützer der LGBTQI-Gemeinschaft und         Die Sofia Pride am Denkmal
        der Organisatoren der Sofia Pride in Bulgarien eta-
                                                                  für die sowjetische Armee
        bliert. Seit sechs Jahren fördert die FNF sowohl die
        Vernetzung mit internationalen Experten als auch          in Bulgarien
        den Dialog mit den bulgarischen Politikern und Poli-
        tikerinnen sowie den LGBTQI-Organisationen.
        Aber: Noch immer fehlt die politische Unterstützung
        im Land! Auch aus diesem Grund ist die Pride – die
        am 8. Juni 2019 mehr als 6.000 Leute zusammen-
        brachte – eher ein Fest der Diversität und Vielfalt
        als ein politischer Marsch für gleiche Rechte für
        nicht heterosexuelle Menschen. Immerhin be-
        teiligen sich viel mehr Menschen als in früheren
        Jahren an der Pride. Eine weitere positive Tendenz
        lässt sich beobachten: Die Gesellschaft zeigt mehr
        Akzeptanz gegenüber gleichgeschlechtlichen
        Partnerschaften, wenn diese selbst Kinder haben
        und als Eltern so die gleichen Probleme teilen wie
        heterosexuelle Elternpaare.

        Der Menschenrechtsanwältin Denitsa Lyubenova
        von der LGBTQI-Jugendorganisation „Deystvie“
        gelang im Juli 2019 ein spektakulärer Erfolg für ihre
        Mandanten: Der Oberste bulgarische Verwaltungs-
        gerichtshof entschied positiv über die Anerkennung
        einer gleichgeschlechtlichen Ehe, die in Frankreich      Mehr als 6.000 Leute strömen
        geschlossen wurde. Damit verschaffte das Gericht
                                                                 friedlich und feiernd durch die
        dem Rechtsgrundsatz Geltung, dass EU-Recht vor
        Landesrecht Vorrang hat.                                 Straßen Sofias

        Die Pride soll die Menschenrechts-
        lage in Bulgarien verbessern
31

LATEINAMERIKA
GEGEN DISKRIMINIERUNG UND
STIGMATISIERUNG VON LGBTQI

Anfang 2018 entschied der Interamerikanische
Menschenrechtsgerichtshof, die gleichgeschlecht-
liche Ehe anzuerkennen – ein Beschluss, der für
die 20 Mitgliedsstaaten ab sofort rechtlich bindend
ist. Dennoch sind in vielen lateinamerikanischen
Ländern die Ehe für alle oder Antidiskriminierungs-
gesetze keine Selbstverständlichkeit.

Die konservativen und patriarchalen Gesellschaften
Lateinamerikas bergen Potential zur Diskriminie-
rung und Stigmatisierung der LGBTQI-Gemein-
schaft. Hierauf machten zivilgesellschaftliche
Aktivisten aus Peru, Kuba und Haiti auf einer
Veranstaltung aufmerksam, die vom peruanischen
Stiftungspartner Instituto Político para la Libertad
und von der Red Liberal de América Latina orga-
nisiert wurde und sich dem Thema „Freiheit und         Das Urteil zur gleichgeschlecht-
Minderheitenrechte“ widmete.
                                                       lichen Ehe muss in Lateinamerika
Um eine Öffnung der Gesellschaften zu erreichen,       respektiert werden
setzt sich die Stiftung auch in Guatemala im
Rahmen der Alianza para Centroamérica für die
Achtung und Gewährleistung von LGBTQI-Rechten
ein. Mit der zivilgesellschaftlichen Organisation
Guate Activa konnte im Rahmen der „Marcha del
Orgullo“, der Pride-Parade Guatemalas, ein Forum
organisiert werden. „Positive Akzente können wir
dann setzen, wenn wir von einer Protesthaltung zu
einer konstruktiven Zusammenarbeit übergehen,
um Lösungsansätze zu finden, die individuelle
Freiheit ermöglichen und verbessern“, brachte Allan
Ortiz zum Ausdruck.

Ortiz hat Guate Activa mit anderen Führungsnach-
wuchskräften gegründet und betont, dass die
LGBTQI-Gemeinschaft keine besonderen Privilegi-
en, sondern die Gleichheit vor dem Gesetz fordert.
Gerade junge Menschen können althergebrachte
Paradigmen aufbrechen und sich für eine Gesell-
schaft engagieren, in der die Würde aller Menschen
unantastbar ist.

                                                       Allan Ortiz fordert für
                                                       LGBTQI die Gleichheit
                                                       vor dem Gesetz
32   VORWORT

         RECHT AUF MENSCHEN-
         RECHTSBILDUNG
33

34 THAILAND
   EIN HANDBUCH FÜR
   FREIHEITSLIEBHABER
35 LIBANON
   MENSCHENRECHTSBILDUNG
   MIT DER POLIZEI
34   RECHT AUF MENSCHENRECHTSBILDUNG

        THAILAND
        EIN HANDBUCH FÜR
        FREIHEITSLIEBHABER

        Menschenrechtsverteidiger und -verteidigerinnen        Amasiri, Koordinatorin von Amnesty International.
        kämpfen in Thailand an mehreren Fronten: Die Mei-      Stattdessen betreiben die Stiftung und Amnesty po-
        nungsfreiheit ist eingeschränkt und das Land ist ein   litische Bildung. Das Buch bietet Richtlinien und An-
        Hotspot für Menschenhandel und Sklavenarbeit.          leitungen für Aktivitäten wie pädagogische Rollen-
        Trotz staatlicher Zusicherungen gibt es keine oder     spiele oder Workshops – beispielsweise schlüpfen
        nur sehr wenige Fortschritte.                          die Teilnehmenden in die Rolle eines Flüchtlings,
                                                               um ein Verständnis für die verzweifelte Situation
        Ein Grund für die Situation ist ein Mangel an Wis-     der Geflüchteten zu bekommen. Diese praktischen
        sen über Menschenrechte. Viele Bürgerinnen und         Werkzeuge bieten eine reiche Quelle an Material für
        Bürger in Thailand haben kein Verständnis davon,       Lehrerinnen, Aktivisten und Jugendleiter.
        was Menschenrechte wirklich sind und was sie in
        ihrem Alltag bedeuten. In der Überzeugung, dass        Die Stiftung ist vor Ort dafür bekannt, schwierige
        Bildung entscheidend für den Wandel ist, haben         Inhalte in hochwertiges, aber dennoch einfach ver-
        Amnesty International und die Stiftung gemeinsam       ständliches Lehrmaterial zu übersetzen. Das Team
        ein in Thailand beispielloses Handbuch entwickelt:     hat bereits erfolgreich Spiele zur Förderung von
        „Menschenrechte für die Menschheit“.                   Demokratie und Freiheit entwickelt, was für Amnes-
                                                               ty International Anlass war, bei der Erstellung des
        Die Publikation erklärt die Grundprinzipien und        Handbuchs mit der Stiftung zu kooperieren.
        schärft das Bewusstsein für die Werte der Men-
        schenrechte. Es liefert zudem Beispiele, wie man       Die Autoren des Buches folgten der Idee von Kofi
        die Ideen der Allgemeinen Erklärung der Menschen-      Annan, dem ehemaligen Generalsekretär der Ver-
        rechte in praktischer Form verbreiten kann.            einten Nationen: „Menschenrechtsbildung ist viel
        Die speziell für Pädagogen und Pädagoginnen ge-        mehr als eine Lektion in Schulen oder ein Thema
        schriebene Publikation liefert einen wichtigen Bei-    für einen Tag; sie ist ein Prozess, um die Men-
        trag zur Menschenrechtsbildung in Thailand. Frühe-     schen mit den Werkzeugen auszustatten, die sie
        re Bücher zu diesem Thema waren für Akademiker         brauchen, um ein Leben in Sicherheit und Würde
        und Wissenschaftlerinnen. „Diese akademischen          zu führen.“ Das Handbuch „Menschenrechte für
        Menschenrechtshandbücher verwenden in der              die Menschheit“ wird in den nächsten Jahren zu
        Regel ein schwieriges Vokabular, das es Praktikern     diesem dringend benötigten Prozess in Thailand
        schwer macht, sie zu verstehen“, sagt Saksinee         beitragen.

       Artikel 26, Allgemeine Erklärung der Menschenrechte:
       „Bildung muss auf die Achtung vor den Menschen-
       rechten gerichtet sein“
35

LIBANON
MENSCHENRECHTSBILDUNG
MIT DER POLIZEI

Im Libanon unterstützt die Friedrich-Naumann-Stif-
tung für die Freiheit den lokalen Partner LOUDER
(The Lebanese Organization for Unity and Defending
Equal Rights) bei der Menschenrechtsbildung mit
der libanesischen Polizei.

Untersuchungen und gemeinsam durchgeführte
Interviews hatten ergeben, dass libanesische Sicher-
heitskräfte zwar an Trainingseinheiten zu einem
Verhaltenskodex der Polizei teilgenommen haben,
diese Trainingseinheiten aber nicht geeignet waren,                Menschenrechtsbildung
Menschenrechtsstandards und die praktische An-
                                                                   am runden Tisch
wendung im Polizeialltag zu schulen. Wenn Polizis-
ten diese Standards aber in ihrer alltäglichen Arbeit
umsetzen sollen, müssen sie in die Lage versetzt
werden, sie zu verstehen und in wirklichen, realen
Situationen anzuwenden.

Befragt ein Polizist oder eine Polizistin beispiels-
weise ein Opfer oder eine Zeugin oder stellt Nachfor-
schungen an, muss er/sie sich der Menschenrechte
bewusst sein und die standardisierten Vorgehens-
weisen respektvoll und professionell umsetzen.
Der Polizist oder die Polizistin muss in der Lage
sein, eine Verbindung zwischen den theoretischen
Standards der Menschenrechte und der praktischen
Anwendung dieser Rechte herzustellen.                              The Lebanese Organization for
An dieser Stelle setzt das „RightsKeepers“-Projekt
                                                                   Unity and Defending Equal Rights
der Stiftung und ihres Partners LOUDER an.

                                                               Online mehr erfahren!
                                                        Die RightsKeepers im Einsatz
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     WIRTSCHAFT UND
     MENSCHENRECHTE
     NACHHALTIG SICHERN
37

38 SÜDAFRIKA
   RECHT AUF EIGENTUM
   IST EIN MENSCHENRECHT
39 UNTERNEHMEN UND
   MENSCHENRECHTE
   WARUM EIN LIEFERKETTEN-
   GESETZ UNTERNEHMEN
   HELFEN KANN
40 SENEGAL
   SOMMERAKADEMIE
   „WIRTSCHAFT UND
   MENSCHENRECHTE“
38   WIRTSCHAFT UND MENSCHENRECHTE NACHHALTIG SICHERN

        SÜDAFRIKA
        RECHT AUF EIGENTUM IST
        EIN MENSCHENRECHT

        In den meisten Industrieländern wird das Recht auf       In direktem Widerspruch zu diesen Grundsätzen des
        Eigentum als selbstverständlich angesehen. Es ist so     Menschenrechts auf Eigentum drängt die südafri-
        gegenwärtig im gesellschaftlichen Leben, dass seine      kanische Regierung derzeit auf eine Verfassungs-
        menschenrechtliche Verankerung und Bedeutung oft         änderung, um eine Enteignung ohne Entschädigung
        untergeht.                                               ausdrücklich zu ermöglichen. Konkret geht es um die
                                                                 Eigentumsrechtsklausel im sogenannten Lasten-
        Warum ist das Recht auf Eigentum aber                    heft. Die Regierung hat eine Initiative angekündigt,
                                                                 ohne auch nur ein einziges Dokument zu diesem
        ein so wichtiges Menschenrecht?
                                                                 Thema verfasst zu haben. Die Regierung ignoriert
        Eigentum zu besitzen und zu verteidigen, ist eines der   einzelne Empfehlungen eines eigenen hochrangigen
        stärksten Abwehrrechte, das Einzelpersonen in ihrer      Beratergremiums ebenso wie die Ergebnisse einer
        Beziehung zum Staat haben.                               Bürgerbefragung. Südafrikas Aussichten auf dringend
                                                                 benötigte lokale und ausländische Investitionen be-
        Wenn die Eigentumsrechte schwach sind, kann der          einträchtigt die Regierung damit schwer und verhin-
        Staat auch den Einzelnen schwächen, indem er erst        dert so, mehr Menschen aus der Armut zu befreien.
        droht, das Eigentum wegzunehmen, und es dann tat-
        sächlich beschlagnahmt. Oftmals macht der Entzug
        des Eigentums nicht nur das Opfer ärmer, sondern
        mindert auch dessen Fähigkeit, ein produktives und
        vollwertiges Mitglied der Gesellschaft zu sein.

        In diesem Zusammenhang sind Eigentumsrechte
        auch eine Grundvoraussetzung für das Funktionie-
        ren von Märkten, die erstaunlichen menschlichen
        Fortschritt und Innovation ermöglicht haben. Die
        Beschneidung von Eigentumsrechten bedeutet, die
        Menschen vom wohlfahrtssteigernden Potenzial
        der Märkte und von der damit verbundenen Lebens-
        verbesserung abzuschneiden und sie zur Armut zu          Partnerorganisationen der Stiftung wie die Demo-
        verurteilen.                                             kratische Allianz, die Helen-Suzman-Stiftung, die
                                                                 Free Market Foundation und das Institute of Race
        Natürlich können Eigentumsrechte keine absolute          Relations (IRR) lehnen die Anti-Eigentums-Politik der
        Geltung haben. Der Staat muss möglicherweise das         Regierung ab. Unsere Partner haben internationale
        Haus von jemandem enteignen, um zum Beispiel eine        Konferenzen veranstaltet, Multimedia-Kampagnen
        Eisenbahn zu bauen. Die Fälle, in denen Eigentum         gestartet und vergleichende Untersuchungen zu
        enteignet werden kann, müssen jedoch klar und eng        Eigentumsrechten durchgeführt. Das IRR sammelte
        definiert sein. Die Enteignung muss fair und gerecht     über 50.000 Unterschriften gegen Enteignungen von
        durchgeführt werden, und der Eigentümer muss den         Südafrikanern ohne Entschädigung und übergab sie
        Verlust ausgeglichen bekommen. Eine solche Ein-          dem Parlament.
        schränkung wirkt einer möglichen Willkür entgegen.       Südafrikas Wirtschaft befindet sich in einer Krise,
                                                                 die Arbeitslosigkeit ist hoch. Garantierte Eigentums-
       Artikel 17, Allgemeine Erklärung der                      rechte sind ein wichtiges Instrument, um langfristig
       Menschenrechte: „Jeder hat das                            Wachstum zu fördern und Wohlstand für alle Bür-
                                                                 gerinnen und Bürger zu schaffen und eine stabilere
       Recht, allein oder in Gemeinschaft
                                                                 Menschenrechtslage anzustreben. Die Stiftung und
       mit anderen Eigentum zu haben“                            ihre Partner werden sich auch in der Zukunft dafür
                                                                 einsetzen.
39

UNTERNEHMEN UND
MENSCHENRECHTE
WARUM EIN LIEFERKETTENGESETZ
UNTERNEHMEN HELFEN KANN
Markus Löning

Seit 2011 die Leitprinzipien für Wirtschaft und           inzwischen Nachweise, dass sie ihre menschenrecht-
Menschenrechte von der UN verabschiedet wurden,           lichen Risiken kennen und managen. Wer dies nicht
fragen sich viele Unternehmen, wie sie ihrer Ver-         belegen kann, riskiert den Lieferantenstatus zu ver-
antwortung für Menschenrechte gerecht werden              lieren. Für Mittelständler kann das existenzbedrohend
können. Während große Unternehmen das Thema               werden.
intensiv bearbeiten, fühlen sich Mittelständler von der   Um Risiken zu begrenzen, erwarten institutionelle In-
Komplexität oft überfordert.                              vestoren von Unternehmen, in die sie investieren, ein
Für etwa 600 Unternehmen gibt es eine gesetzliche         professionelles Risikomanagement, auch in Bezug
Pflicht zur menschenrechtlichen Sorgfalt. Aber auch       auf Menschenrechte. Die EU-Kommission arbeitet
alle anderen Firmen stehen unter dem Druck, die           derzeit an einer Definition davon, was als nachhaltige
Menschenrechte zu achten. Hier ein paar Beispiele.        Geldanlagen angeboten werden darf. Die ILO-Kernar-
Millennials suchen ihre Karriere bevorzugt dort, wo       beitsnormen – ein wesentlicher menschenrechtlicher
sie eine sinnvolle Tätigkeit sehen und das Unter-         Baustein in Lieferketten – sind dabei Teil der Bedin-
nehmen seiner gesellschaftlichen Verantwortung            gungen. Unternehmen sehen sich also von verschie-
gerecht wird. Beim Wettbewerb um Talente geben            densten Seiten Druck ausgesetzt. Allerdings fehlt eine
nachhaltiges Wirtschaften und die Achtung von             klare Vorgabe, was die geforderte menschenrecht-
Menschenrechten daher oft den Ausschlag. Firmen           liche Sorgfalt genau ist. Nicht verbindliche Regeln
haben lange ignoriert, dass Kakao aus Westafrika oft      gibt es viele. Sie bieten wegen der Vielzahl aber kaum
mit Kinderarbeit verbunden ist oder dass Palmöl aus       Orientierung. Insofern würde es helfen, wenn der
Indonesien mit Brandrodungen und der Vertreibung          Gesetzgeber seine Erwartungen klar formuliert und
von Einwohnern einhergehen kann, um nur zwei Bei-         einen Standard setzt. Am besten für den gesamten
spiele zu nennen.                                         EU-Binnenmarkt. Die UN-Leitprinzipien geben fünf
Angesichts der global vernetzten Social-Media-Welt        Elemente vor: ein Bekenntnis zu den Menschenrech-
ein nicht mehr hinnehmbares Risiko. Werden Vor-           ten durch die Unternehmensführung, eine geeignete
würfe öffentlich, müssen sie mit Beschädigung der         Risikoidentifizierung, Maßnahmen zur Mitigation der
Reputation, Umsatzeinbußen und möglicherweise zi-         Risiken, die Kommunikation von Risiken und Maß-
vilrechtlicher Haftung rechnen. Große Handelsketten       nahmen sowie einen Beschwerdemechanismus.
und Industrieunternehmen verlangen von Lieferanten        Das mag einfach klingen, ist aber für Unternehmen
                                                          eine Herausforderung. Insofern halte ich es auch für
                                                          falsch, in diesem Stadium in einem Lieferkettenge-
                                                          setz mit Haftung zu drohen. Die Berichtspflicht reicht
                                                          völlig.
                                                          Denn am Ende geht es vor allem darum, die Rechte
                                                          der Menschen zu schützen, die einen wichtigen Teil
                                                          zu unserem Wohlstand beitragen. Den Unternehmen
                                                          bei der menschenrechtlichen Sorgfalt Orientierung zu
                                                          geben, würde dazu beitragen.

                                                          Markus Löning
                                                          Berater für Unternehmensverantwortung und
                                                          Menschenrechte sowie ehemaliger Beauftragter
                                                          der Bundesregierung für Menschenrechtspolitik
                                                          und Humanitäre Hilfe
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