Miteinander durch Innovation - Forschungsprogramm Interaktive Technologien für Gesundheit und Lebensqualität - Bundesministerium für Bildung ...
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Miteinander durch Innovation Forschungsprogramm Interaktive Technologien für Gesundheit und Lebensqualität
Innovationen für ein gutes Leben Innovationskraft ist der Motor für Wohlstand und Lebensqualität in Deutschland Die Zukunftsthemen der Hightech-Strategie 2025: Innovationen haben Deutschland erfolgreich gemacht. Wirtschaft und Arbeit 4.0 Damit Engagement und Erfindergeist weiterhin hier zu Wir nutzen die Digitalisierung, um die Arbeitswelt Hause sind, müssen wir heute handeln. Wir müssen im Sinne der Menschen zu gestalten – für starke Unternehmen und gute Arbeit. gewappnet sein für gesellschaftliche Veränderungen, rasanten technologischen Wandel und starke internationale Konkurrenz. Die Bundesregierung stellt sich diesen Nachhaltigkeit, Klimaschutz Herausforderungen mit der Hightech-Strategie 2025. und Energie Wir zeigen Wege in eine nachhaltige Lebens- und Alle Bundesministerien ziehen an einem Strang, um Wissen Wirtschaftsweise auf, um die Vielfalt der Natur zu erhalten und Ressourcen zu schonen. zur Wirkung zu bringen und Fortschritt zu ermöglichen, der in der Lebenswelt der Menschen spürbar wird. Stadt und Land In ihren drei Handlungsfeldern „Gesellschaftliche Heraus- Wir fördern gleichwertige Lebensverhältnisse forderungen“, „Deutschlands Zukunftskompetenzen“ und im ganzen Land und greifen auf die regionalen Kompetenzen und die Kreativität vor Ort zurück. „Offene Innovations- und Wagniskultur“ legt die Hightech- Strategie 2025 einen Schwerpunkt auf offene Innovations- und Transferprozesse, um eine Vielzahl von Akteuren zu Gesundheit und Pflege ermutigen, den Fortschritt aktiv mitzugestalten. Wir setzen auf eine leistungsstarke Gesundheitsforschung, die ein aktives und selbstbestimmtes Leben ermöglicht. Der Kampf gegen den Krebs, deutlich weniger Plastik in der Umwelt oder gleichwertige Lebensverhältnisse in Deutschland: Gemeinsam mit Wirtschaft, Wissenschaft Mobilität und Gesellschaft wollen wir innovativ und im Dialog an Wir stärken die Mobilität für eine intelligente Fortbewegung nach den Bedürfnissen der Menschen diesen Zielen arbeiten. und für den Schutz des Klimas. Weitere Informationen finden Sie unter: hightech-strategie.de Sicherheit Wir bauen die zivile Sicherheitsforschung für eine freie Gesellschaft aus – etwa zur Bekämpfung von Cyberkriminalität oder zum Schutz der Infrastruktursysteme.
1 Inhaltsverzeichnis Vorwort 2 1 Interaktive Technologien für Gesundheit und Lebensqualität 4 1.1 Lebensqualität und Gesundheit ............................................................................................................................. 4 1.2 Die Mission ................................................................................................................................................................. 6 1.3 Was erreicht werden soll ......................................................................................................................................... 6 1.3.1 Technik bewusst gestalten ..................................................................................................................................7 1.3.2 Gesellschaftliches Miteinander stärken ...........................................................................................................7 1.3.3 Thematische Ziele erreichen ..............................................................................................................................8 2 Forschungsfelder 10 2.1 Digital unterstützte Gesundheit und Pflege ...................................................................................................... 10 2.1.1 Digitale Gesundheitskompetenz stärken, Souveränität fördern ............................................................. 11 2.1.2 Digitale Gesundheitsvorsorge mitgestalten, Gesundheitsverhalten verbessern ................................ 12 2.1.3 Gesundheit erhalten, physische und psychische Gesundheit wiedergewinnen ................................. 12 2.1.4 Koordinierung und Vernetzung unterstützen, Gesundheitsindikatoren nutzen ................................. 13 2.1.5 Pflegefachpersonen stärken, Arbeitsqualität verbessern ......................................................................... 14 2.1.6 Pflegebedürftige und informell Pflegende unterstützen, gute Pflege ermöglichen ......................... 14 2.2 Lebenswerte Räume: smart, nachhaltig und innovativ ................................................................................... 15 2.2.1 Alltägliche Routinen übernehmen, Entscheidungen unterstützen ........................................................ 16 2.2.2 Ortsunabhängiges Arbeiten möglich machen, Wissens- und Kompetenzerwerb optimieren ........ 16 2.2.3 Daten erheben, Daten für die Kommune nutzbar machen ...................................................................... 17 2.3 Methodische und technologische Grundlagen interaktiver Technologien ................................................ 18 2.3.1 Integriert forschen ............................................................................................................................................. 18 2.3.2 Interaktive Technologien nachhaltig und für Nachhaltigkeit gestalten ................................................. 20 2.3.3 Interaktive Technologien erforschen und entwickeln .............................................................................. 21 3 Forschungsförderung in der Praxis 23 Anhang: weitere Förderprogramme 26 1. Fachprogramm Medizintechnik „Patientenversorgung verbessern, Innovationskraft stärken“ ............... 26 2. Forschungsprogramm „Innovationen für die Produktion, Dienstleistung und Arbeit von morgen“ ....... 26 3. Rahmenprogramm Mikroelektronik und BMBF-Digitalstrategie ................................................................27 4. Rahmenprogramm IT-Sicherheit ........................................................................................................................... 27 5. Förderprogramm Photonik ..................................................................................................................................... 27 Impressum 29
2 Vorwort Welche Technologien die eigene Lebensqualität verbes- Es geht um nutzerzentrierte Technik und soziale Inno- sern, wird jeder Mensch sehr individuell beantworten. vationen, die das gesellschaftliche Miteinander in allen Die Geschäftsfrau genießt die Teamarbeit im virtuellen Bereichen des Lebens nachhaltig positiv verändern. Um Büro, eine Seniorin fühlt sich wohl mit ihrem Service das zu erreichen, müssen Akteure aus Wissenschaft und roboter und ein Pfleger schätzt seine smarte Datenbrille. Forschung, Wirtschaft und Gesellschaft gemeinsam Doch bei einem Thema sind sich alle einig: Gesundheit neue Lösungen für die wichtigen Anwendungen finden. ist eine wichtige Grundlage für Lebensqualität. Wenn Dabei müssen auch Fragen nach ethischen, rechtlichen Technologien dazu beitragen können, die eigene Ge- und sozialen Implikationen von Beginn an mitgedacht sundheit zu erhalten oder zu verbessern, stellt das eine werden. Wir gehen deshalb einer ganzheitlichen For- große Chance dar. schungsperspektive nach, die Mensch-Technik-Interak- tion nicht allein als technische Problemstellung versteht, Besonders geeignet dafür sind interaktive Technologien1, sondern vielmehr als eine Möglichkeit, gesellschaftli- weil sie sich an die unterschiedlichen Bedürfnisse der chen Herausforderungen zu begegnen. Dies erfordert Menschen anpassen lassen. Und weil diese Technologien Interdisziplinarität, Verantwortung und den Mut zum individuell gestaltet werden können, lassen sich damit Perspektivwechsel. gesellschaftliche Herausforderungen verschiedenster Art angehen – auch über den Bereich Gesundheit hinaus. Im Forschungsprogramm „Miteinander durch Inno- Indem sie Menschen vernetzen und diesen helfen, mit vation – Interaktive Technologien für Gesundheit und anderen zu kommunizieren, sorgen sie für ein bewusstes Lebensqualität“ begleiten wir diesen Prozess mit inno- Miteinander in der Gesellschaft. Die Menschen gestal- vativen Förderinstrumenten in den Bereichen „Digital ten durch interaktive Technologien ihre gemeinsamen unterstützte Gesundheit und Pflege“, „Lebenswerte Lebensräume neu – privat und beruflich. Der Titel des Räume“ und „Methodische und technologische Grund- Forschungsprogramms „Miteinander durch Innovation“ lagen interaktiver Technologien“. Damit leisten wir einen drückt dieses Ziel aus. Beitrag zur Umsetzung des Rahmenprogramms Gesund- heitsforschung der Bundesregierung. Um Gesundheit und Lebensqualität durch interaktive technologische Innovationen zu erreichen, fördern wir Ihr Bundesministerium für Bildung und Forschung anwendungsorientierte Forschung und Entwicklung, die von Anfang an den Alltag und die Gesundheit der Men- schen im Blick haben – egal ob zu Hause, mobil unter- wegs, am Arbeitsplatz oder in der Freizeit. Die Nutze- rinnen und Nutzer sind eingeladen, an der Entwicklung teilzunehmen und sie aktiv zu beeinflussen. Auf diese Weise kann Technologie Menschen helfen, ihr Leben selbst zu gestalten und zu vereinfachen. 1 Zum Begriff der interaktiven Technologien siehe Infokasten auf Seite 4.
1 Interaktive Technologien für Gesundheit und Lebensqualität 1.1 Lebensqualität und Gesundheit von dem sie profitieren soll. Ganzheitlich betrachtet geht Lebensqualität also nicht nur weit über Gesund- Die Forschungsförderung zu „Interaktiven Technolo- heit oder über einen einseitig materiell geprägten gien für Gesundheit und Lebensqualität“ des Bun- Begriff des Lebensstandards hinaus. Es spielen auch desministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) soziale und ökologische Faktoren eine Rolle. Dabei widmet sich der Erforschung und Anwendung von kann kein allgemein und immer geltender Katalog innovativen Lösungen, die die Lebensqualität der von Dimensionen und Aspekten aufgestellt werden, Menschen substanziell und nachhaltig verbessern. die für uns und unsere Gesellschaft durchgängig Im Bericht der Bundesregierung zur Lebensqualität relevant sind. Denn die Faktoren Zeit und auch indivi- in Deutschland ist Lebensqualität offen definiert. duelle Wertentscheidungen nehmen Einfluss darauf, Danach umfasst Lebensqualität alle Bemühungen um was wir persönlich und im Miteinander konkret unter gesellschaftlichen Fortschritt, an dem eine größtmög- Lebensqualität verstehen. liche Anzahl von Menschen auf Dauer teilhaben und Interaktive Technologien bilden in unserer digitali- zu nutzen. Künftig werden Interaktionen berührungs- sierten Welt die Schnittstelle zwischen Mensch und frei erfolgen – beispielsweise über Sprache, Blickkon- Technik. Interaktivität als wechselseitiges Einwirken takt oder Körpersprache. Ziel ist dabei, eine natürliche, von Mensch und Technik birgt dabei große Chancen, den menschlichen Sinnen angepasste Interaktion Lebensqualität in unserem Alltag zu verbessern. Als zwischen Mensch und Technik zu erreichen. „intelligente Partnerinnen“ des Menschen unterstüt- Die Erforschung interaktiver Technologien zur Ver- zen und beraten uns interaktive Technologien und besserung der Lebensqualität erfordert die Bereit- übernehmen alltägliche Teilaufgaben. Sie entfalten schaft zum Perspektivwechsel. So dreht es sich in der aber erst ihr volles Potenzial, wenn sie optimal auf die Forschung auch um die grundlegende Frage, was eine Bedürfnisse des Menschen ausgerichtet sind. Die For- „wünschenswerte Verbesserung“ in verschiedenen schung in der Mensch-Technik-Interaktion fokussiert Bereichen – wie etwa im Pflegealltag – überhaupt deshalb Lösungen, die es dem Menschen ermöglichen, bedeutet und welche interaktiven Technologien diese alle Vorteile digitaler Systeme und Dienste intuitiv und Verbesserung tatsächlich herbeiführen können – unab- optimal für sich und das gesellschaftliche Miteinander hängig davon, was technisch möglich ist.
INTERAKTIVE TECHNOLOGIEN FÜR GESUNDHEIT UND LEBENSQUALITÄT 5 of Life) ist nach WHO demnach ein multidimensio- „Lebensqualität ist die subjektive Wahrnehmung nales „Konstrukt“ aus physischen, psychischen und einer Person über ihre Stellung im Leben in Rela- sozialen Dimensionen. tion zur Kultur und den Wertsystemen, in denen sie lebt, und in Bezug auf ihre Ziele, Erwartungen, Lebensqualität durch Miteinander Standards und Anliegen.“ Auch Beziehungen des persönlichen Miteinanders Quelle: WHOQOL Measuring Quality of Life (PDF). World Health im alltäglichen Lebensumfeld – das heißt im häus Organization – Division of Mental Health and Prevention lichen, im nachbarschaftlichen und im kommunalen of Substance Abuse, 1997. Lebensraum – sind für den Menschen eine wichtige Dimension der Lebensqualität. Miteinander in allen Bereichen unseres Alltags – sei es an unserem Wohn- Gerade die in 2020 ausgelöste Pandemiekrise hat ort, bei der Arbeit oder in der Freizeit – kann durch deutlich gemacht, wie vielschichtig und ambivalent sich moderne Technologien zum Nutzen aller gestaltet Zusammenhänge zwischen Gesundheit und Lebens- werden. Aktuelle Studien zeigen, dass dabei der qualität neu entwickeln können. Es war notwendig, Wunsch nach einem Lebensstil, der nicht zu Lasten gesundheitssichernde Maßnahmen teilweise zu Lasten anderer Mitmenschen oder von Natur und Umwelt der räumlichen Nähe und des zwischenmenschlichen gelebt wird, in unserer Gesellschaft immer mehr an Kontakts zu vollziehen. Ein wichtiger Aspekt der Bedeutung gewinnt. Dieser wesentliche Faktor muss Lebensqualität – nämlich menschliche Interaktion – deshalb in der Forschung ebenso in die Beurteilung musste einem anderen – der Gesundheit – weichen. und Eingrenzung von Lebensqualität einfließen. Hier wird deutlich, dass „Lebensqualität“ und „Gesund- heitsbezogene Lebensqualität“ unterschiedlich betrach- Mit digitalen Technologien zu mehr Lebensqualität tet werden müssen. Das Forschungsprogramm „Mitein- Beide in diesem Forschungsprogramm angesproche- ander durch Innovation“ fokussiert deshalb parallel nen Dimensionen von Lebensqualität – Gesundheit zwei wesentliche Dimensionen der Lebensqualität: wie auch das alltägliche gemeinschaftliche Lebens- neben der gesundheitsbezogenen Lebensqualität umfeld – gestalten sich im digitalen Zeitalter neu: insbesondere auch die Lebensqualität, die aus unserem Digitale Technologien verändern die persönliche sozialen Miteinander im alltäglichen Lebensumfeld Kommunikation, den Wissenserwerb und unser erwächst. Unsere Interpretation von Lebensqualität Entscheidungsverhalten, beeinflussen die Spielräu- wird dabei durch verschiedene Einflussfaktoren me unseres Handelns und damit unser Empfinden bestimmt. Das sind beispielsweise gesellschaftliche von Lebensqualität. Darüber hinaus ermöglichen Rahmenbedingungen, individuelle Faktoren und auch Schlüsseltechnologien wie Künstliche Intelligenz die sozialen Beziehungen untereinander. Forschung zu (KI) oder Robotik medizinischen Fortschritt in einem interaktiven Technologien muss deshalb das Ziel bislang ungekannten Ausmaß. Dank ihnen werden Lebensqualität interdisziplinär betrachten. wir von einer verbesserten Gesundheitsversorgung in Deutschland profitieren. Das berührt alle Bereiche der Gesundheitsbezogene Lebensqualität Gesundheit: von Maßnahmen zur Gesundheitsprä- Auch die Weltgesundheitsorganisation WHO be- vention über Methoden zur Diagnostik und Therapie rücksichtigt in ihrer Definition von Lebensqualität von Patientinnen und Patienten bis hin zur Pflege in im Kontext Gesundheit die Komplexität und Indivi- stationären Einrichtungen oder zu Hause. dualität des Zustands (siehe Infokasten). Demnach beschreibt Gesundheit nicht nur das Fehlen von 2019 untersuchte die Organisation für wirtschaft- Krankheit oder Gebrechen, sondern das vollständige liche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) körperliche, geistige und soziale Wohlergehen des den konkreten Einfluss der Digitalisierung auf die Menschen. Damit geht auch eine Subjektivität der Ausprägung von Lebensqualität2 und berücksichtig- Wahrnehmung von Wohlergehen einher. Gesund- te dabei deren Vielschichtigkeit in unserem Alltag. heitsbezogene Lebensqualität (Health-Related Quality Nach der Definition der OECD verbindet der Mensch 2 Quelle: How’s Life in the Digital Age? Opportunities and Risks of the Digital Transformation for People’s Well-being, OECD, 2019.
6 MITEINANDER DURCH INNOVATION mit Lebensqualität eine ausfüllende Arbeit, eine Gesellschaft in einer lebenswerten Umwelt. Wir intakte Umwelt und ausreichend Freizeit für sich, die fördern deshalb anwendungsorientierte Forschung Familie und Zeit für gesellschaftliches Engagement. und nutzerzentrierte Entwicklung von nachhaltigen Die Untersuchung zeigte, dass digitale Technologi- Lösungen mit einem interdisziplinären Ansatz. Bei en die Lebensqualität verbessern, jedoch erst dann, den Forschungsthemen tragen wir der Mehrdimensi- wenn diese sicher genug gestaltet sind. Auch bedarf onalität von Lebensqualität Rechnung. Zwei wichtige es wichtiger technologischer Voraussetzungen oder Säulen stellen wir dabei in den Mittelpunkt: Neben Fähigkeiten, über die nicht alle Menschen gleicherma- Anwendungen in den Bereichen der Gesundheit ßen verfügen. Innovative Lösungen müssen deshalb fördern wir soziale und technologische Innovationen so konzipiert sein, dass künftig viele Menschen sie für das alltägliche Umfeld. Wir schaffen und gestalten sicher, verlässlich und intuitiv einsetzen können. Nur dadurch lebenswerte Räume und folgen dabei dem dann können interaktive Technologien in die breite Leitbild souveräner Technikgestaltung: Der Mensch Anwendung kommen und Lebensqualität, Gesundheit soll Technik individuell nach eigenen Wünschen und und ein selbstbestimmtes Leben in unserer gesamten Erwartungen für Gesundheit und seine persönliche Gesellschaft fördern. Form von Lebensqualität einsetzen können. 1.2 Die Mission 1.3 Was erreicht werden soll Mit Forschung zu interaktiven Technologien wol- Das BMBF greift wichtige gesellschaftliche Fragen len wir Gesundheit und Lebensqualität verbessern. und Herausforderungen im Zuge der Digitalisierung Innovative Lösungen, die interaktive Technologien in auf und begegnet ihnen durch die Förderung von Produkten, Dienstleistungen oder Prozessen ein- Forschung und Entwicklung interaktiver Technolo- setzen, erhöhen das persönliche Wohlbefinden der gien mit dem Ziel, Gesundheit und Lebensqualität zu oder des Einzelnen und die Lebensqualität unserer verbessern.
INTERAKTIVE TECHNOLOGIEN FÜR GESUNDHEIT UND LEBENSQUALITÄT 7 1.3.1 Technik bewusst gestalten 1.3.2 Gesellschaftliches Miteinander stärken Selbstbestimmt mit Technologien leben Ergebnisse in die Praxis transferieren Im Mittelpunkt stehen Lösungen, in denen Menschen Neue Ansätze aus der Forschung müssen schnell ihren souverän mit Technik interagieren. Nur so können Weg in die Praxis finden. Anbieter innovativer Lösun- Menschen künftig auch ihr Leben und ihr Miteinan- gen zur Versorgung der Menschen, insbesondere klei- der in der Gemeinschaft bewusst und selbstbestimmt ne und mittlere Unternehmen (KMU) und Start-ups gestalten, ohne dabei die Kontrolle über die Technik sowie Institutionen, Organisationen und Verbände, zu verlieren. Damit sie uns optimal in jeder Situation werden von Anfang an intensiv in Forschungs- und individuell unterstützen können, benötigen interakti- Entwicklungsarbeiten eingebunden. So können aus ve Technologien personenbezogene I nformationen – erfolgreichen Forschungsergebnissen schnell markt- beispielsweise Lokalisierungsdaten oder andere reife Produkte werden, die in der erforderlichen Breite Sensordaten. Dabei müssen die Nutzenden stets auch nachhaltig zur Verfügung stehen. Wir fördern insbe- ihre Privatsphäre kontrollieren können. Sie müssen sondere KMU und Start-ups, die soziale und techni- wissen, welche Informationen sie preisgeben, um sche Innovationen konsequent zusammendenken. selbstbestimmt die Technologie auswählen zu können, die sie einsetzen möchten. Technologische Souveränität erreichen Neue interaktive Technologien müssen für ihre Das Leben sicherer, flexibler und Akzeptanz unseren Wertesystemen in Deutschland selbstständiger machen und Europa entsprechen. Dafür brauchen wir eine Wichtige Aufgaben des Alltags – der oder des Einzel- eigene starke Forschungslandschaft auf diesem Gebiet nen und im sozialen und persönlichen Miteinander – und eine eigenständige Produktion. So erhalten und sollen vom Menschen verlässlich an Technik delegiert verbessern wir die wissenschaftliche und wirtschaft- werden können. So entsteht wertvoller Raum für neue liche Stärke des Standorts Deutschland. Wir brauchen Aktivitäten. Interaktive Technologien müssen dabei Forschung auf exzellentem Niveau, international intuitiv anwendbar sein: Sie müssen uns vermitteln, sichtbare Fachpublikationen und Patente sowie viele welchen Mehrwert sie haben, wie sie funktionieren gute Praxisbeispiele für den gelungenen Transfer und wie sie verwendet werden. Grundlage hierfür innovativer Ideen in die Anwendung. Damit stärken sind verständliche und individualisierbare Visualisie- wir die technologische Souveränität und die Inno rungs- und Interaktionsmöglichkeiten. vationskraft Deutschlands. Co-Creation stärken und das Wissen der Vielen nutzen Unsere Gesellschaft mit Digitalisierung und Forschung zu interaktiven Technologien ist partizi- Nachhaltigkeit zukunftsfähig machen pativ und multidisziplinär: Nutzerinnen und Nutzer Wir gestalten unsere Zukunft durch die Entwicklung gestalten neue Technologien von Beginn an mit und interaktiver Technologien und deren innovativer in die Technikentwicklung fließen Gesichtspunk- Anwendung. Für unsere Gesellschaft wird es wichtig te und Erkenntnisse verschiedener Disziplinen der sein, die Digitalisierung erfolgreich und nach unseren Wissenschaft ein. Damit kann die spätere Akzeptanz Vorstellungen umzusetzen und dabei zu einer nach- der neuen Technik garantiert werden. Innovationsge- haltigeren Lebens- und Wirtschaftsweise zu kommen. staltung geht eng mit Wissenstransfer einher. Grund- Denn Klimawandel, Ressourcen- und Energiever- legend dafür ist ein kontinuierlicher und transparen- brauch lassen sich durch die Entwicklung geeigneter ter Dialog zwischen Forschung, Wissenschaft sowie Technologien und technologisch unterstützte Verhal- Produktentwicklerinnen und Produktentwicklern tensänderungen positiv beeinflussen. in den Unternehmen einerseits und den späteren Nutzerinnen und Nutzern der Technik andererseits. Eine daraus resultierende breite Wissensbasis hilft bei der Entwicklung alltagstauglicher und nutzerfreund- licher Lösungen.
8 MITEINANDER DURCH INNOVATION 1.3.3 Thematische Ziele erreichen bei alltäglichen Routineaufgaben, soziale Nähe und Kommunikation sowie Teilhabe an der Gesellschaft Gesundheitsversorgung verbessern und auch bei räumlicher Distanz, etwa durch spezifische Pflegearrangements nachhaltig gestalten Datenangebote und Datennutzung in den Kommu- Soziotechnische Innovationen können helfen, die nen. Im Vordergrund steht, Menschen zueinander Gesundheitsversorgung und die Pflege zu verbessern. in Kontakt treten zu lassen und dabei zwischen- Durch deren Einsatz sollen physische und psychische menschlichen Austausch zu ermöglichen und zu Gesundheit erhalten und digitale Unterstützungspro- intensivieren. zesse optimiert werden. Dafür muss digitale Gesund- heitskompetenz erhöht und Gesundheitsvorsorge erleichtert werden. So können Innovationen in den Grundlagen für Innovationen ausbauen unterschiedlichsten Versorgungskontexten dazu Chancen und Risiken stehen sich bei der Nutzung beitragen, die Selbstbestimmung zu stärken und die von Technologien gegenüber. Der Ambivalenz trägt Lebensqualität von Pflegebedürftigen zu verbessern. der Ansatz der integrierten Forschung Rechnung. Pflegefachpersonen ebenso wie pflegende Angehö- Er nimmt über technologische Forschungsfragen rige werden entlastet. Mit der Initiative Pflegeinno- hinaus auch ethische, soziale, wirtschaftliche und vationen 2030 strebt das BMBF an, den Einsatz von rechtliche Fragen in den Blick. Integriert forschen Pflegetechnologien zur Stärkung der Arbeits- und heißt auch Partizipation. Dadurch nehmen alle Lebensqualität von Pflegenden und Pflegebedürftigen wichtigen Akteure und Nutzergruppen von Beginn nachhaltig zu fördern. an Einfluss auf die Technikentwicklung. Der Ansatz wird im Rahmen des Forschungsprogramms anhand von methodischen und technologischen Grundlagen Mehrwerte für Mensch und Gemeinschaft schaffen für Innovationen weiter- und neu entwickelt. Dazu Innovationen haben das Potenzial, die Lebensqualität gehören methodische Grundlagen für ökologische gleichermaßen im Quartier, in der Stadt, in subur- und gesellschaftliche Nachhaltigkeit und technolo- banen Regionen und auf dem Land zu verbessern. gische Grundlagen in Bereichen wie Mixed Reality Unsere Forschungsförderung zielt dabei auf drei zen- (MR) und Servicerobotik. trale Handlungsfelder ab: Entlastung der Menschen Forschung zu interaktiven Technologien für Gesundheit und Lebensqualität Technik bewusst Gesellschaftliches Thematische gestalten Miteinander stärken Ziele erreichen Gesundheitsversorgung Selbstbestimmt mit Ergebnisse in die verbessern und Pflegearrangements Technologien leben Praxis transferieren nachhaltig gestalten Mehrwerte für Mensch Das Leben sicherer, flexibler und Technologische Souveränität und Gemeinschaft selbstständiger machen erreichen schaffen Unsere Gesellschaft mit Digi- Co-Creation stärken Grundlagen für talisierung und Nachhaltigkeit und das Wissen der Vielen nutzen Innovationen ausbauen zukunftsfähig machen
INTERAKTIVE TECHNOLOGIEN FÜR GESUNDHEIT UND LEBENSQUALITÄT 9 Integrierte Forschung sieht die Entwicklung techni- logien basiert auf der erfolgreichen Einbeziehung scher Innovationen im Kontext von sozialen Inno- ethischer, rechtlicher und sozialer Perspektiven in die vationen durch Interdisziplinarität und Partizipation Forschungsprojekte bereits im Vorläuferprogramm und will dabei den gesellschaftlichen Wandel proaktiv „Technik zum Menschen bringen“ und korrespon- mitgestalten. Es handelt sich um einen offenen diert mit dem Ansatz von Responsible Research and Ansatz. Er fußt auf dem beständigen Dialog zwischen Innovation (RRI)3. Sie ergänzt die ELSA-Forschung den verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen, (Ethical, Legal and Social Aspects) des BMBF, deren Stakeholdern, Institutionen sowie den Bürgerinnen Ziel es ist, die Auswirkungen, die sich aus den Ent- und Bürgern sowie auf der damit einhergehenden wicklungen in den Lebenswissenschaften ergeben, Erweiterung von Forschungsperspektiven. Die inte- hinsichtlich der Chancen und Risiken zu erforschen grierte Forschung im Bereich interaktiver Techno- und ggf. Handlungsempfehlungen zu erarbeiten. 3 Siehe hierzu: ec.europa.eu/programmes/horizon2020/en/h2020-section/responsible-research-innovation
2 Forschungsfelder Forschung zu interaktiven Technologien für Gesundheit und Lebensqualität gliedert sich im Rahmen des Forschungsprogramms „Miteinander durch Innovation“ in zwei thematische Säulen. Im Querschnitt sind alle Forschungsthemen mit dem Handlungsfeld „Methodische und technologische Grundlagen interaktiver Technologien“ verknüpft. Grundsätze sind in unserer Mission und unseren Leitlinien definiert. 2.1 Digital unterstützte Gesundheit aller im Gesundheitssystem Tätigen, eine informierte und Pflege Bevölkerung und funktionierende Gesundheitsin formations- und Frühwarnsysteme spielen dabei eine zentrale Rolle. Interaktive Technologien können Der Wunsch nach Gesundheit ist eines der grundle- helfen, eine qualitätsorientierte Gesundheit und Pflege genden menschlichen Bedürfnisse. Denn Gesundheit zu unterstützen. Dafür gilt es, technische Innovationen erleichtert ein aktives und selbstbestimmtes Leben – mit sozialen Innovationen zu verknüpfen. bis ins hohe Alter hinein. In einer sich demografisch verändernden Gesellschaft ist Gesundheit nicht nur auf individueller, sondern auch auf gesellschaftlicher Soziale Innovationen sind neue Praktiken oder Ebene von großer Bedeutung. Deshalb wird über die Organisationsmodelle, die gesellschaftliche Bedingungen einer guten Pflege öffentlich inten- Herausforderungen nachhaltig lösen. Bei diesen siv diskutiert. Das Gesundheits- und Pflegesystem Lösungen handelt es sich oft um neue Arten der muss dabei sowohl auf alltägliche als auch, wie uns Kommunikation und Kooperation, die den Nutzen die Pandemiekrise im Jahr 2020 deutlich gezeigt hat, für den Menschen in den Mittelpunkt stellen. auf außerordentliche Herausforderungen reagieren können. Abgestimmte, integrierte und qualitativ gute Gesundheitsleistungen, adäquate Kompetenzen
FORSCHUNGSFELDER 11 Interaktive Technologien für Gesundheit und Lebensqualität Digital Lebenswerte unterstützte Räume: smart, Gesundheit und nachhaltig und Pflege innovativ Miteinander durch Innovation Methodische und technologische Grundlagen interaktiver Technologien 2.1.1 Digitale Gesundheitskompetenz stärken, tanz finden und in die breite Anwendung gelangen, Souveränität fördern müssen Menschen in ihrer Interaktion mit Technik unterstützt werden. Die Nutzenden müssen befähigt Zu digitalen Anwendungen in der Gesundheitsversor- werden, die Prozesse digitaler Gesundheitsanwendun- gung von morgen gehören beispielsweise Wearables, gen und Geräte zu verstehen. Erst dann erlangen sie telemedizinische Anwendungen sowie robotische Selbstbestimmung und Souveränität im Umgang mit oder KI-basierte Assistenzsysteme. Zur Nutzung ihren personenbezogenen Daten. wird eine Vielzahl personenbezogener Gesundheits- und Krankheitsdaten erfasst. Wie Nutzerinnen und Mögliche Forschungsthemen: Nutzer transparent über die Datenerhebung und • Interaktive Technologien für einen sicheren und -nutzung zu informieren sind, legt die europäische souveränen Umgang mit den eigenen digitalen Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) umfassend Gesundheitsdaten fest. Die aktuelle Praxis zeigt jedoch, dass die Im- plementierung von digitalen Anwendungen häufig • Gesundheitskompetenz fördern durch die nicht nutzerfreundlich gelingt. Vielfach ist auch nicht Stärkung digitaler Fähigkeiten bekannt oder ersichtlich, welche Daten erfasst und weiterverarbeitet werden. Weitere Lücken zeigen sich • Verständliche Darstellung komplexer digitaler in einer noch reduzierten oder fehlenden digitalen Gesundheitsinformationen (Gesundheitsdaten- Kompetenz von Patientinnen und Patienten, um Cockpit) beispielsweise selbstständig wichtige Gesundheitsin- formationen im Internet zu suchen, zu verstehen und • Nutzerzentriertes Identitätsmanagement: die eigene entsprechende Handlungsempfehlungen eigenständig digitale Identität im Gesundheitssektor sicher und umzusetzen. Damit interaktive Technologien Akzep- souverän verwalten
12 MITEINANDER DURCH INNOVATION KI-Methoden verhelfen zu einem Unter Mixed Reality (MR) – vermischte Realität besseren Datenverständnis bzw. gemischte Realität – werden Umgebungen Regelmäßige Bewegung fördert das persönliche Wohl- oder Systeme zusammengefasst, die die natürliche befinden. Hier können erfasste Daten dabei helfen, Wahrnehmung der Nutzerin oder des Nutzers mit einen bewussten Umgang mit der eigenen Gesundheit einer künstlichen, also computererzeugten oder und eine gesündere Lebensweise zu fördern. Mithilfe anderweitig digitalen Wahrnehmung vermischen. von KI-Methoden können Daten so erfasst, analysiert Die reine Realität sieht z. B. ein Mensch, der zum und dargestellt werden, dass für die Nutzerin oder den Einkauf in den Supermarkt geht. Eine erweiterte Nutzer leichter nachvollziehbar wird, welche gesund- Realität (Augmented Reality, AR) erzeugen z. B. heitsrelevanten Zusammenhänge bestehen. Mit dem seine Brillengläser, wenn durch diese sowohl die Einsatz interaktiver Gamification-Ansätze wird die echten Waren in den Regalen als auch „eingeblen- Motivation für gesundes Verhalten zusätzlich ge- dete“ Etiketten oder Hinweise sichtbar sind, die stärkt. So kann ein nutzerfreundliches, ganzheitliches exakt so aussehen, als wären sie auf den Waren und digitales Gesundheitsmanagement entstehen, das angebracht. Als virtuelle Realität (Virtual Reality, beispielsweise über eine gemischte Realität – die so VR) bezeichnet man es, wenn nur computergene- genannte Mixed Reality (siehe Infokasten) – erschlos- rierte Inhalte zu sehen sind. Statt in einem echten sen werden kann. Supermarkt kann sich die Nutzerin oder der Nutzer dann beispielsweise mit einem Gerät wie einer Mögliche Forschungsthemen: Virtual-Reality-Brille in einem nur rein virtuell • Interaktive Technologien für die digitale Gesund- vorhandenen Supermarkt, der vollständig aus heitsvorsorge Computergrafik besteht, umsehen und bewegen. • Berührungsarme oder kontaktlose Erfassung von Gesundheitsdaten 2.1.2 Digitale Gesundheitsvorsorge mitgestalten, • Alltag und Gesundheitsvorsorge – einfache Über Gesundheitsverhalten verbessern tragung von selbst erhobenen Daten zwischen Patientinnen und Patienten und dem Fachpersonal Präventionsmaßnahmen sind ein wichtiger Bestand- in Praxis und Klinik teil, um die Lebensqualität in physischer, psychischer und sozialer Hinsicht zu steigern und langfristig • Gesundheitsmanagement mit digitalen Interaktions zu erhalten. Vernetzte, interaktive Digital-Health- technologien Anwendungen können helfen, frühzeitig und indivi- duell die eigene Gesundheit zu fördern. Monitoring aus der Ferne, mobile Applikationen, Smart Clothes 2.1.3 Gesundheit erhalten, physische und psychische oder Wearables sind Beispiele moderner Interakti- Gesundheit wiedergewinnen onstechnologien. Sie vermitteln wichtige Informati- onen, die eine gesundheitsbezogene Aufklärung und Können Patientinnen oder Patienten nach einer somit die Selbsteinschätzung und die eigene Vorsorge Erkrankung weiterhin ein selbstbestimmtes Leben unterstützen. Durch Weiterentwicklung bestehender führen, ist dies eine grundlegende Voraussetzung für Wearable-Technologien wird künftig deren Nutzung ihr (subjektives) Wohlbefinden. Neben physischer Ge- durch eine nur geringfügige physische Interaktion nesung ist dabei auch die psychische Gesundheit sehr möglich und damit erleichtert. Auch eine gänzlich wichtig. Interaktive Technologien können einen ent- kontaktlose Anwendung ist denkbar. Verbesserungs- scheidenden Beitrag zur Wiederherstellung und Stär- potenziale liegen auch in der Datenerhebung und kung der Selbstständigkeit und körperlichen Mobilität -nutzung. Ein wesentlicher Aspekt ist dabei der effek- leisten. Ein hohes Potenzial bieten adaptive interaktive tive Transfer von Gesundheitsdaten aus dem Alltag in Systeme (siehe Infokasten). Diese können beispielswei- den medizinischen Kontext. se bei Beeinträchtigungen der Körperbewegung oder der Sinneswahrnehmungen nach einer Erkrankung wichtige Emotionen sowie Intentionen, Bedürfnisse
FORSCHUNGSFELDER 13 und auch konkrete Handlungen der Patientinnen und 2.1.4 Koordinierung und Vernetzung unterstützen, Patienten im Benutzungs- und Umgebungskontext Gesundheitsindikatoren nutzen interpretieren. Eingesetzt werden hierfür beispiels- weise spezielle Sensoren, die von den Betroffenen Die Digitalisierung klinischer Prozesse kann die Effi- am Körper getragen werden. Durch die Kombination zienz der Patientenverwaltung – von der Aufnahme verschiedener Sensoren lassen sich dabei komplexe bis zur Entlassung – steigern. Durch die Dokumen- medizinische Datensätze generieren, aus denen Aus- tation wichtiger patientenbezogener Daten, wie etwa sagen über die physische und psychische Gesundheit spezifischer persönlicher Bedarfe, werden die Betrof- abgeleitet werden können. Das System reagiert und fenen stärker in die Klinikabläufe eingebunden. Somit benachrichtigt im Notfall die betreuenden Fachper- kann der Weg der Patientin oder des Patienten durch sonen und pflegende Angehörige. Perspektivisch alle Phasen der Gesundheitsversorgung durch vielfäl- werden künftig mithilfe solcher sensorgestützten tige digitale Anwendungen unterstützt werden. Wich- Lösungen mit angebundener Software auch virtuelle tig sind Lösungen zur Vernetzung und Koordinierung. Maßnahmen der Therapie interaktiv unterstützt. Mithilfe von übergreifenden Interaktionskonzepten werden alle Akteure aus dem Gesundheitssektor und In der medizinischen und pflegerischen Praxis sorgen die Patientinnen und Patienten befähigt, gemeinsam, sensorgestützte interaktive Lösungen für Entlastun- miteinander und damit abgestimmt zu handeln. Die gen und auch Unterstützung. Beispielsweise profitie- Betroffenen sowie die medizinischen und pflegeri- ren Ärztinnen und Ärzte durch den Einsatz von inno- schen Fachpersonen erhalten durch den Zugriff auf vativen Datenbrillen und AR-/VR-Anwendungen mit Indikatoren einen Überblick über die aktuellen physi- interaktiven Feedback-Elementen oder KI-Methoden. schen wie auch psychischen Zustände ihrer Patientin- Auch können medizinische Tätigkeiten, die auf Dis- nen und Patienten. Informierte Entscheidungen über tanz durchgeführt werden, durch interaktive Tech- koordinierte und abgestimmte Maßnahmen können nologien verbessert werden und damit Patientinnen leichter mit allen Beteiligten getroffen werden. Auch und Patienten umfangreicher, schneller und einfacher fördert die digitale Vernetzung von Patientinnen und zur Verfügung stehen. Innovative interaktive Systeme Patienten deren Erfahrungsaustausch in den Kliniken. sind auch in der medizinischen Ausbildung einsetz- Eine gemeinsame Gestaltung ihres Klinikaufenthalts bar, z. B. für OP-Simulatoren. ist einfacher möglich. Die Zukunft der Mensch-Tech- nik-Interaktion in der Medizin könnte ein virtueller Mögliche Forschungsthemen: Assistent für personalisierte Empfehlungen rund um • Tragbare Sensorik und interaktive Technologien das Thema Gesundheit sein, der auf dem Konzept des für die Verhaltens- und Psychotherapie „digitalen Zwillings“ aufbaut und die entsprechenden Daten nutzt. • Interaktive Systeme zur Steigerung der körperlichen Mobilität und zur Stärkung physischer Fähigkeiten Mögliche Forschungsthemen: • Digitale Unterstützung des Klinikalltags durch • Systeme der Mensch-Technik-Interaktion für aktive und passive Patientendatenerfassung: die medizinische Aus- und Weiterbildung Prozesse vereinfachen, Menschen vernetzen • Versorgung über Sektoren und Distanzen Adaptive Systeme passen sich an: an Nutzerinnen ermöglichen: selbstbestimmtes Gesundheits und Nutzer, denn jeder Mensch ist anders und management begleiten erwartet anderes von der Technik. An den Kon- text, in dem Technik zum Einsatz kommt, denn • Viele Gesundheitsanwendungen, ein Ziel: von einer Situation zur nächsten kann sich stark patientenzentrierten Überblick schaffen, unterscheiden, was die beste Unterstützung für die Koordinierung und Vernetzung ermöglichen Anwendenden ist.
14 MITEINANDER DURCH INNOVATION 2.1.5 Pflegefachpersonen stärken, 2.1.6 Pflegebedürftige und informell Pflegende Arbeitsqualität verbessern unterstützen, gute Pflege ermöglichen Das Aufgabenspektrum von Pflegefachpersonen Pflegende Angehörige, Freunde, Bekannte sowie befindet sich im Wandel: Pflegende sind die Mittle- Nachbarinnen und Nachbarn sind als informell rinnen und Mittler zwischen dem Gesundheitssystem Pflegende eine wichtige Säule im Pflege- und Gesund- und der Lebenswelt pflegebedürftiger Menschen und heitssystem. Gemeinsam mit beruflich Pflegenden deren Angehöriger. Dabei steuern sie zunehmend bilden sie das Unterstützungsnetzwerk für Pflegebe- auch die Versorgung. Digitale Technologien sind dürftige. Dabei ist jedes Pflegearrangement höchst Bestandteil dieses Veränderungsprozesses. Sie können individuell. Es wird von den persönlichen Ressourcen helfen, neue Strategien in der Pflege im Umgang mit und Lebensumständen der informell Pflegenden dem Anstieg pflegebedürftiger Menschen und dem und den Fähigkeiten, Bedarfen und Wünschen der gleichzeitigen Fachkräftemangel zu entwickeln. Pflegebedürftigen gleichermaßen geprägt. Gleichzei- Technologien unterstützen die Gestaltung einer guten tig variieren die verfügbaren Versorgungsangebote. Pflege. Denn die physische und psychische Entlastung Auch gesellschaftliche Entwicklungen wie erhöhte im Pflegealltag durch digitale Anwendungen verbes- Mobilität von Familien oder die Anforderungen in sert die Arbeitsqualität in den Pflegeberufen nach- Epidemien oder Pandemien nehmen Einfluss auf das haltig. Damit Pflegetechnologien ihr volles Potenzial Pflegesetting. Bei der Gestaltung digitaler Technologi- entfalten können, gilt es, sie in bestehende pflegeri- en müssen diese Einflussfaktoren berücksichtigt wer- sche Arbeits- und Organisationsprozesse nahtlos ein- den. Risiken wie Isolation und mangelnder physischer zubinden. Den Besonderheiten der Pflegearbeit – etwa und psychischer Aktivierung entgegenzuwirken, im Umgang mit Gefühlen und Kooperation – müssen stellt für Pflegebedürftige und Pflegende eine große innovative Lösungen gerecht werden. Für einen er- Herausforderung dar. Digitale Lösungen können an folgreichen Einsatz von Pflegetechnologien sind dabei dieser Stelle die individuelle Pflege nutzbringend auch neue digitale Lern- und Lehrkonzepte für die be- unterstützen und ergänzen – beispielsweise bei der rufliche und akademische Qualifizierung notwendig, Informationsvermittlung oder bei der Anleitung zur um Pflegenden die notwendigen Kompetenzen für die Pflege (Trainings). Die Pflege über räumliche Distan- Gestaltung des digitalen Arbeitens und des Arbeitens zen hinweg muss bedarfsgerecht gestaltet werden mit interaktiven Assistenzen zu vermitteln. Durch das und die Perspektiven beteiligter Akteure berücksich- Wissen um technologische Möglichkeiten erschließen tigen. Vernetzung stärkt dann das Miteinander und sich Pflegefachpersonen auch neue Verantwortungs- die Selbstbestimmung. Die Beteiligten wirken und bereiche. entscheiden gemeinschaftlich. Mögliche Forschungsthemen: Mögliche Forschungsthemen: • Soziotechnische Innovationen zur Unterstützung • Digitale Pflege über räumliche Distanzen und in von Pflegefachpersonen bei der Gestaltung sich spezifischen Pflegesettings (z. B. über Tele-Pflege und wandelnder Verantwortungsbereiche und integrierter Trainings-/Beratungs-/Vernetzungsangebote) digitaler Versorgungsangebote • Lösungen für die Pflege von und durch • Interaktive Systeme und digitale Lehr-/Lerninhalte vulnerable Gruppen für die Aus- und Weiterbildung von Pflegefach personen • Methoden der Partizipation und Evaluation zur effektiven Beteiligung diverser Nutzerg ruppen im • Nutzenbeurteilung digitaler Technologien in der gesamten Forschungszyklus (u. a. durch Reallabore) Pflege fördern (z. B. in Future Skills Labs) • Digitale gesellschaftsorientierte Versorgungs modellinnovationen
FORSCHUNGSFELDER 15 2.2 Lebenswerte Räume: smart, Durch höhere Teilhabe, z. B. mittels interaktiver Ange- nachhaltig und innovativ bote, verbessert sich die subjektive Wahrnehmung der eigenen Aufenthaltsqualität und damit die der Lebensqualität. In der Gesamtheit nimmt dies Ein- Die Ausgestaltung und Ausstattung ländlicher und fluss auf die gesamte Gemeinschaft. Das Miteinander städtischer Räume mit Angeboten der Daseinsvor- wird gestärkt. sorge und Dienstleistungen haben großen Einfluss auf die Lebensqualität des Menschen. Der spezifische Verschiedene Altersgruppen und soziale Gruppen Lebensraum ist häufig entscheidend für die Wahl un- verfolgen dabei unterschiedliche Lebensweisen und seres Lebensmittelpunkts. Ländliche und städtische Wünsche und haben sehr unterschiedliche Informa- Räume können bei ihrer Gestaltung von Angeboten tions- und Kommunikationsbedarfe. Auch spezifi- für ihre Einwohnerinnen und Einwohner demnach sches nutzerabhängiges Verhalten im Umgang mit einen Standortvorteil erzielen. In unseren privaten interaktiven Technologien ist bei Entwicklung und und öffentlichen Räumen sind wir Menschen sehr Einsatz der Technik zu berücksichtigen. Die verschie- individuell und auf verschiedene Weisen verortet. denen Räume – ob Quartier, Stadt, Umland oder Hier findet das ganz persönliche Leben statt – das der Land – können außerdem nicht getrennt, sondern bzw. des Einzelnen in der jeweiligen Gemeinschaft, müssen immer auch synergetisch betrachtet werden. aber auch das Leben aller miteinander auf gesell- So muss etwa eine interaktive und digitale Lösung schaftlicher Ebene. Interaktive Technologien haben für den städtischen Raum auch Anbindungsmög- das Potenzial, Räume lebenswert zu gestalten und so lichkeiten und Chancen für den Stadtrand und das maßgeblich zu einem besseren gesellschaftlichen Mit- Umland mitbringen. einander beizutragen. Sie machen das Leben komfor- tabler, sicherer und eröffnen mehr Selbstständigkeit, ohne dass Technik den Menschen ersetzt.
16 MITEINANDER DURCH INNOVATION 2.2.1 Alltägliche Routinen übernehmen, Mögliche Forschungsthemen: Entscheidungen unterstützen • Serviceroboter in öffentlichen (smarten) Umgebungen Entscheidungen müssen heute auf Basis einer großen Menge an verfügbaren Informationen und Wahl- • Serviceroboter im Haushalt (oder in Wohnung, möglichkeiten getroffen werden. Dadurch werden Haus und Garten) selbst unseren Alltag betreffende Fragen komplex. Hinzu kommt der menschliche Anspruch, Arbeit, • Virtuelle Assistenten für den Alltag Privat- und Familienleben und unsere Freizeitgestal- tung bestmöglich aufeinander abzustimmen. Fähig, • Akzeptierte Technikunterstützung in Bereichen der dieser Komplexität entgegenzutreten, sind persönli- öffentlichen Daseinsfürsorge (Prävention, Betreuung che interaktive Assistenten. Sie koordinieren Termi- oder Mobilisierung) ne, erinnern an wichtige Ereignisse, unterstützen bei Entscheidungen oder erledigen als smarte Roboter für uns sogar kleine Aufgaben, etwa im Haushalt. 2.2.2 Ortsunabhängiges Arbeiten möglich machen, Solche smarten Begleiterinnen und Begleiter kön- Wissens- und Kompetenzerwerb optimieren nen auf diese Weise das persönliche Wohlbefinden steigern. Die virtuellen, physischen oder robotischen Ortsunabhängigkeit in immer mehr Facetten des Systeme müssen in der Lage sein, Situationen richtig Lebens ist eine Möglichkeit, unsere eigene Teilhabe zu erkennen und adäquat zu (re)agieren. So genannte an der Gesellschaft und eine hohe Lebensqualität zu kontext- und emotionssensitive sowie lernfähige ermöglichen. Das gilt auch für das berufliche Umfeld Systeme können sich auch in komplexen Umgebun- und unseren Wissens- und Kompetenzerwerb. Neue gen verlässlich orientieren. Voraussetzung für ihr Anwendungen aus dem Bereich der MR (siehe Info- Interagieren mit dem Menschen sind verschiedene kasten Seite 12) ermöglichen ein kollaborativ geistiges Ein- und Ausgabekanäle. Technologische Herausfor- und körperliches Arbeiten auch über große Distanzen derungen sind vor allem die Nutzerschnittstellen, hinweg. Das führt beispielsweise zu neuen Formen demnach die Stellen oder die Handlungen, mit denen der telemedizinischen Behandlung oder der Teleprä- ein Mensch mit seinem virtuellen Assistenten in senz personennaher Dienstleistungen. Davon können Interaktion tritt. Dies betrifft die persönliche und insbesondere KMU mit Standorten in peripheren zwischenmenschliche Interaktion sowohl im häus- Wirtschaftsregionen profitieren. Technische Heraus- lichen als auch im außerhäuslichen Umfeld. Nächs- forderungen liegen dabei beim gleichzeitigen Arbeiten ter wichtiger technologischer Entwicklungsschritt mehrerer Personen in der virtuellen wie in der realen ist auch eine Modularisierung von Plattformen Umgebung. Auch müssen Handgriffe aus der Distanz und Software, um über eine Standardisierung und in der Telepräsenz sicher umzusetzen sein. Gelingt Skaleneffekte die Preise für solche Systeme künftig es, MR mehr in den beruflichen Alltag zu integrieren, senken zu können. Der smarte virtuelle oder roboti- wird künftig die Wahl unseres Wohnorts sehr viel sche Begleiter der Zukunft setzt zudem auf KI: Mit- weniger durch den Standort des Arbeitsplatzes beein- tels KI-Lösungen ist er in der Lage, verständlich und flusst werden. Ländliche Regionen werden nachhaltig natürlich mit dem Menschen zu kommunizieren, gestärkt, indem sie als Unternehmensstandort und Daten in Echtzeit zu erfassen und zu verarbeiten und Wohnort an Attraktivität gewinnen. Virtuelle Lösun- dabei auch verschiedene Datenformate und Anfor- gen reduzieren Kosten und Zeitaufwand für Dienst- derungen der Nutzenden zu vereinheitlichen. Dabei reisen sowie weite Anfahrtswege – etwa im Dienst- werden die Privatheit und die Sicherheit sensibler leistungssektor – und stärken damit ein ökologisch persönlicher Daten gewahrt. nachhaltiges Leben. Auch für Qualifikation, Aus- und Weiterbildung müs- sen gerade Menschen in ländlichen Regionen häufig längere Fahrtwege in Kauf nehmen. Hier bieten neue virtuelle Formen bei der Vermittlung von Lehr- und Lerninhalten kostengünstige und ortsunabhängige
FORSCHUNGSFELDER 17 Alternativen. Auf MR-Technologie basierende 2.2.3 Daten erheben, Daten für die Kommune Lösungen, kombiniert mit KI, können einerseits nutzbar machen Lerninhalte ansprechend und spielerisch aufbereiten. Andererseits sind sie auch maßgeschneidert, da sie Immer mehr Kommunen verfolgen eine Digitalisie- ihre Inhalte unter Berücksichtigung der individuel- rungsstrategie. Häufig durch Eigeninitiative etablie- len Vorkenntnisse der Lernenden anpassen. Werden ren sie vor Ort ein schnelles Internet. Einwohnerin- intelligente Lernsysteme in den Ausbildungsalltag nen und Einwohner profitieren unter anderem von einbezogen, indem sie beispielsweise eigenständig einem öffentlichen WLAN. So werden vielerorts an stark standardisierte Lehrinhalte oder einfache zentralen Stellen der Kommunen digitale Daten von handwerkliche Griffe vermitteln, sind die Lehrenden Anwendenden erhoben. Sie können nutzbringend an dieser Stelle entlastet. Dadurch bleibt ihnen mehr von Mitgliedern in der Kommune, wie beispielsweise Zeit für die Vermittlung komplexerer Inhalte und von ansässigen Unternehmen oder Dienstleistern, Kompetenzen. verwendet werden, etwa für eine bedarfsorientierte Ausrichtung ihres Kundenangebots. Damit liegt in Mögliche Forschungsthemen: diesen Daten ein hohes Potenzial für die Verbesse- • Innovative MR-Ansätze in der Fläche rung der Lebensqualität in der Kommune. Indem die an verschiedenen Stellen erhobenen digitalen Daten • Robuste und sichere Systeme, die ortsunabhängiges sektorenübergreifend gekoppelt werden, ermöglichen Arbeiten im Team ermöglichen sie neue Angebote für die Menschen. Bislang werden solche Ansätze vor allem im Bereich Verkehr und • Interaktive Technologien für den realitätsnahen und Umwelt verfolgt. So kann etwa die Radwegeplanung motivierenden Wissenstransfer durch die Analyse von Nutzerdaten der Radfahrenden verbessert werden. Auch auf die Auswertungen der • Intelligente Systeme zur Ergänzung und Unter Nutzungsdauer und Nutzungszeiten des öffentlichen stützung der Lehrenden WLAN in der Fußgängerzone können die ansässigen Geschäfte reagieren und beispielsweise ihre Ge- • Motivation 5.0 – was kommt nach Gamification? schäftsöffnungszeiten der Nachfrage entsprechend anpassen.
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