Drogennotfälle in der Psychiatrie
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themenheft Drogennotfälle in der Psychiatrie S. Kaanen Ein psychiatrischer Notfall stellt, ähn- lich wie ein somatischer Notfall, in der Medizin eine Ausnahmesituation dar, welche sofortige Diagnostik und The rapie erforderlich macht, um Gefahren für den Betroffenen, aber auch sein Umfeld zu minimieren. Das Erkennen psychiatrischer Notfälle ist schwierig, da oft nur in geringem Maß auf Anga- ben des Betroffenen zurückgegriffen werden kann, der Betroffene zum Teil © Depositphotos/Jirsak auch abwehrend, selbst- oder fremdge- fährdend auftreten kann. Zu einem hohen Maße hängt die Einschätzung der Notfallsituation vom subjektiven Eindruck, der Erfahrung des Untersu- chers sowie einer genauen Beobach- den Notfallsituationen nicht außer Acht symptome anzutreffen sind, aber auch tung der Umgebungsfaktoren ab. gelassen werden, da bei Drogenpatien- akute Situationen durch eine verän- Neben Notfällen, bedingt durch akute ten auch andere medizinische Notfall- derte Reinheit der Droge. Ebenfalls Exazerbationen psychotischer und situationen im Vergleich zur Normalbe- zählen hierzu drogenbedingte psycho- affektiver Erkrankungen, stellen alko- völkerung wesentlich häufiger anzu- tische und affektive Reaktionen mit hol- und drogeninduzierte Auffälligkei- treffen sind (kardiologische Notfälle, begleitender Selbst- und Fremdgefähr- ten die am häufigsten im Notarzt- und Mangelernährung, Sepsis, metaboli- dung. Ein weiterer Bereich etwaiger Rettungsdienst anzutreffenden psych- sche Störung und ähnliches). Trotz der Notfälle kann unter dem Cluster der iatrischen Notfallsituationen dar. oft auf der Hand liegenden Annahme, Transportunfälle zusammengefasst Dieser Artikel soll sich hauptsächlich dass sich die darbietende Symptoma- werden, welche häufig bei sogenann- auf die durch illegale Drogen bedingten tologie bei einem vorbekannten Dro- tem Bodypacking beim illegalen Ein- Notfallsituationen konzentrieren. Die in genabhängigen am ehesten auf den schleusen von Drogen auftreten kön- diesem Kontext am häufigsten anzu- Drogenkonsum zurückführen lässt, nen. Nicht unerwähnt bleiben sollte treffenden Krisensituationen treten im sollte eine ausführliche körperlich-neu- auch der Bereich der sonstigen Notfälle Rahmen von Entzugserscheinungen, rologische Untersuchung (Blutdruck- durch Drogenkonsum im Rahmen von Überdosierung (Intoxikation), in Form messung, EKG, EEG, Routinelabor, gege- Verkehrsunfällen und anderen medizi- von Suizidalität, aber auch im Rahmen benenfalls auch eine zerebrale Bildge- nischen, drogenbedingten Notfallsitua- psychotischer Komplikationen (Rausch- bung und eine Liquoruntersuchung) bei tionen. zustände, Delirien, drogeninduzierte Unklarheit hinzugezogen werden. Psychosen, ausgelöste Schizophrenien) Amphetamine und auf. Bereits der Verdacht auf einen Dro- Man unterscheidet Probiernotfälle, wirkverwandte Substanzen gennotfall macht eine genaue Beob- welche häufig im Erstkontakt mit einer Bei Intoxikationen mit Amphetami - achtung des Umfeldes und die Erhe- Droge durch bloße Unwissenheit und nen und wirkverwandten Substanzen bung einer Fremdanamnese unver- Fehldosierung, aber auch durch nicht handelt es sich um absolute medizini- zichtbar. Zeitnah sollten Urin- und bedachte Wechselwirkung mit anderen sche Notfälle. Die Betroffenen fallen Plasmaspiegelkontrollen (Drogenscree- psychotropen Substanzen entstehen durch ausgeprägte Erregungszustände, ning beziehungsweise Schnelltest) er können. Ein weiterer Bereich der Not- Angstzustände mit paranoid-halluzina- folgen. Ungeachtet dessen sollten fälle bezieht sich auf den Bereich der torischer beziehungsweise maniform- andere Ursachen für die anzutreffen- bereits Süchtigen, bei denen Entzugs- aggressiver Symptomatik, Verwirrtheit, Ärzteblatt Sachsen 08|2018 357
themenheft Halluzinationen (vorrangig taktil und bereits amphetamintypischen Intoxi- derte Energie und eine Appetitssteige- akustisch), aber auch stereotype Ver- kationszeichen eindrückliche Muskel- rung gekennzeichnet ist. Als letzte haltensmuster auf. Die Betroffenen krämpfe, insbesondere in der Kau- und Phase tritt die sogenannte Phobische wirken in ihrem Verhalten oft unkri- Gesichtsmuskulatur auf. Die Betroffe- Phase auf, welche durch eine ver- tisch enthemmt, eine adäquate Ge nen zeigen ein ausgeprägtes Grimas- mehrte Ängstlichkeit, Anhedonie und sprächsführung ist oft nicht umsetzbar. sieren. Laborchemisch lässt sich bei Bewegungsarmut gekennzeichnet ist. Suizidimpulse sind häufig anzutreffen. diesen Intoxikationen häufig eine In diesen Phasen treten verstärkt Bei der klinischen Untersuchung fallen Hyponatriämie nachweisen, welche depressive Symptome auf, in deren insbesondere eine ausgeprägte Hyper- klinisch zu Übelkeit, Erbrechen, aber Rahmen suizidale Ideen, aber auch Sui- thermie, eine Hyperhidrosis, eine auch epileptischen Reaktionen führen zidhandlungen häufig anzutreffen sind. Hypertonie bis hin zur hypertensiven kann. Unbehandelt enden diese Hypo- Je nach Substanz sind die Entzugssymp Krise, eine Tachypnoe und eine Mydria- natriämien häufig tödlich. Eine Auf tome über zwei bis maximal 14 Tage sis auf. Oft besteht ein ausgeprägter dosierung des Natriumspiegels sollte nachweisbar. Aufgrund der durchweg Tremor und Nystagmus. Kardiale äußerst vorsichtig, maximal 10 mval/ bestehenden Rückfallgefährdung, aber Arrhythmien, Herzinfarkte und eine die, erfolgen. auch möglichen Selbst- und Fremdge- Rhabdomyolyse sind möglich. Zereb- Entzugssymptome bei Amphetaminab- fährdung in dieser Phase empfiehlt es rale Krampfanfälle sind zu erwarten. In hängigkeiten beziehungsweise Abhän- sich, die Entzugsbehandlung auf einer der Erstversorgung ist die Flüssigkeits- gigkeiten von wirkverwandten Subs- geschlossenen Station durchzuführen. zufuhr die dringlichste Intervention. tanzen gliedern sich im Wesentlichen Niedrigpotente Neuroleptika und Anti- Solange eine orale Flüssigkeitsauf- in drei Phasen: Nach Abklingen der Wir- konvulsiva haben sich zur Behandlung nahme möglich ist, sollten den Betrof- kung stellt sich eine sogenannte Hyper der auftretenden Symptome bewährt. fenen große Mengen nicht alkoholhal- arousalphase, welche durch verstärk- Nach Abklingen der Entzugssymptome tiger Getränke, idealerweise Leitungs- tes Craving, Agitation, Dysphorie und sollten diese ausschleichend abgesetzt wasser, verabreicht werden. Parallel auch Aggressivität geprägt ist. Diese werden. Eine begleitende psycholo- sollten venöse Zugänge geschaffen hält je nach Substanz circa acht bis gisch-psychotherapeutische Unterstüt werden, um über diesen Weg eine zwölf Stunden an. Nachfolgend wech- zung, insbesondere unter dem Ziel der sichere Flüssigkeitszufuhr zu gewähr- selt der Betroffene in die vegetative Entwicklung von Motivationen zu einer leisten. Eine Flüssigkeitsmenge von bis Phase, welche vorrangig durch ein ver- Verhaltensänderung, sollte begleitend zu zwei Liter sollte hierbei verabreicht mehrtes Schlafbedürfnis, eine vermin- erfolgen. werden. Im Weiteren sollte die Atmung sichergestellt werden. Bei ausgepräg- ter Hypertonie empfiehlt sich die intra- Intoxikationen Amphetamine und venöse Gabe von Clonidin bis zu einer wirkverwandte Substanzen Maximaldosis von 0,15 mg. Bei ausge- prägter Hyperthermie sollten vorrangig psychische Auffälligkeiten: physikalische Kühlungsmethoden zum ausgeprägte Erregungszustände, Angstzustände mit paranoid-hallu Einsatz kommen. Bewährt hat sich zinatorischer beziehungsweise maniform-aggressiver Symptomatik, Verwirrtheit Halluzinationen (vorrangig taktil und akustisch) stereo- hierbei insbesondere die Nutzung von typische Verhaltensmuster, ungehemmt - unkritisches Verhalten Kühlpads, die in jedem Rettungswagen zur Verfügung stehen. Alternativ kann, klinische Auffälligkeiten: so es zur Verfügung steht, Dantrolen Hyperthermie, Hyperhidrosis, Hypertonie bis hin zu einer hyperten mit einer Dosierung bis zu 2,5 mg je kg siven Krise, Tachypnoe, Mydriasis, kardiale Arrhythmien, Tremor, Körpergewicht verabreicht werden. Nystagmus bei MDMA Muskelkrämpfe besonders Kau- und Amphetaminintoxikationen bedürfen Gesichtsmuskulatur (Grimmassieren) der strikten intensivmedizinischen Therapie: Überwachung. Erst nach Stabilisierung Flüssigkeitszufuhr (oral beziehungsweise i.v.), Sicherstellung der der körperlichen Situation sollte eine Atmung, A ntihypertensiv Clonidin i.v. (max. 0,15 mg), physikalische Verlegung in eine psychiatrische Wei- Kühlung, gegebenenfalls Dantrolen (bis 2,5 mg/kg Körpergewicht) terbehandlung erfolgen. Bei Intoxika- vorsichtiger Ausgleich Hyponatriämie tion mit MDMA treten neben den oben 358 Ärzteblatt Sachsen 08|2018
themenheft Amphetamine und wirkverwandte Sub- tion mit Viagra zu einer erhöhten Rate Die Therapie einer Intoxikation sollte stanzen weisen eine hohe Wechselwir- von Blutdruckkrisen, aber auch Herz sich an den darbietenden Symptomen kungsrate mit anderen psychotropen infarkten. orientieren. Bei starker Erregung und Substanzen auf. In Verbindung mit auch Angstsymptomen sollten Benzo- Alkohol wird die Alkoholwirkung, insbe- Cannabis diazepine zur Anwendung kommen. sondere die sedierende Komponente, Cannabis gewinnt aufgrund der aktuel- Intoxikationsbedingte psychotische Er kaum wahrgenommen. Aus diesem len politischen diskrepanten Diskus- lebnisinhalte klingen häufig innerhalb Grunde werden oft deutlich größere sion, insbesondere unter jugendlichen weniger Stunden ab. Sollten diese Mengen Alkohol konsumiert. Die Gefahr Usern, zunehmend an Bedeutung. überdauern, empfiehlt sich eine vorü- der Intoxikation und damit verbunde- Neben der von Konsumenten ge bergehende neuroleptische Einstellung. nen organischen Schädigungen ist wünschten Sedierung und Entspan- Aufgrund der geringen Akuität der Into- somit erheblich gesteigert. nung kommt es häufig zu einer ver- xikationssymptome kann nach einer zerrten Wahrnehmung in Verbindung kurzen intensivmedizinischen Überwa- In Kombination mit Halluzinogenen, mit Halluzinationen und Angst, aus chung binnen 24 bis 48 Stunden eine insbesondere LSD, wird berichtet, dass welchen Fehlreaktionen resultieren nachbetreuende psychiatrische Versor- der „LSD-Trip“ deutlich kürzer als ge können. Die Gefahr hierfür wird durch gung erfolgen. wohnt wahrgenommen wird. In einem eine verminderte Urteilsfähigkeit ver- wesentlich höheren Grad kommt es stärkt. Agitiertheit und transiente psy- Entzugssymptome bei cannabisabhän- zum Auftreten von sogenannten „Hor- chotische Symptome sind nicht selten gigen Betroffenen stellen sich circa ein rortrips“. anzutreffen. bis zwei Tage nach Absetzen ein. Vor- rangig stellen sich hier Symptome Eine Kombination von Amphetaminen Im Rahmen von Intoxikationen fällt eines verstärkten Craving, eine Appe- und Kokain birgt erhebliche Kreislauf- eine ausgeprägte Hautblässe, eine titminderung, ausgeprägte Schlafstö- gefahren in sich. Oben beschriebene Mundtrockenheit, eine Mydriasis mit rungen mit einer quälenden Unruhe, kardiale Problemkonstellationen treten geröteten Skleren, verbunden mit einer vermehrten Reizbarkeit und verstärkter auf. Darüber hinaus werden Cephalgien, funktionellen Oberbauch- Ängstlichkeit ein. Darüber hinaus Atembeeinträchtigungen berichtet. beschwerden, Schwindel sowie einem besteht auch eine vermehrte Schweiß- Cannabis wird häufig in Kombination vermehrten Hunger- und Durstgefühl neigung. Die Betroffenen werden häu- mit Amphetaminen und wirkverwand- auf. Klinisch zeigt sich ebenfalls eine fig als aggressiv erlebt und berichten ten Substanzen eingenommen zum Tachykardie. Häufig sind orthostatische über quälende intensive Traumerleb- „Runterkommen“. Hierdurch wird eine Dysregulationen anzutreffen. Die Be nisse. Die Behandlung der Entzugs- höhere Kreislaufbelastung provoziert. troffenen wirken initial enthemmt, symptome ist unkompliziert und sollte Langanhaltende Schlaf-Wach-Rhyth- späterhin deutlich ermüdet. symptomatisch erfolgen. Auch hier musstörungen sind als Folge bekannt. Eine Kombination mit Heroin, welche ebenfalls häufig in Eigentherapie zum Intoxikationen Cannaboide „Runterkommen“ genutzt wird, birgt die psychische Auffälligkeiten: Gefahr einer schnellen Gewöhnung mit initial oft Enthemmtheit, Agitiertheit, späterhin deutliche Sedierung, einer entsprechenden schnellen Dosis verzerrte Wahrnehmung mit Halluzinationen und oft erhebliche Angst, steigerung, worüber die Gefahr einer dadurch Neigung zu Fehlreaktionen, transiente psychotische Atemlähmung provoziert werden kann. Erlebnisinhalte Spontane Hirnblutungen, Herzrhyth- klinische Auffälligkeiten: musstörungen, Blutdruckkrisen und ausgeprägte Hautblässe, Mundtrockenheit, Mydiasis mit geröteten Kreislaufzusammenbrüche in Kombi- Skleren, Cephalgien, Oberbauchbeschwerden Schwindel, vermehrt nation mit Heroin werden häufig be Durst und Hunger, teilweise Übelkeit und Erbrechen, orthostatische richtet. Dysregulation Tachycardie Eine Kombination mit Antidepressiva, Therapie: insbesondere SSRI und NSRI führen zu symptomatisch, bei starker Angst gegebenenfalls Benzodiazepine, einem erhöhten Risiko für Blutdruckkri- bei psychotischen Erlebnisinhalten Neuroleptika sen. Ebenso führt auch die Kombina- Ärzteblatt Sachsen 08|2018 359
themenheft empfehlen sich niedrigpotente Neuro- Cannabis verstärkte kardiale Neben- nenfalls durch Intubation, zu nennen. leptika. Ebenso bestehen gute Erfah- wirkungen, insbesondere wird eine Bei einer Bradykardie mit einer Herz- rungen mit Antikonvulsiva. Bei über- Herzfrequenz- und Blutdrucksteige- frequenz von unter 40/Minute sollte dauernden psychotischen Erlebnisin- rung dabei beobachtet. Theophyllin Atropin bis zu einer Dosis von 0,5 mg i.v. halten sollte zügig eine neuroleptische wird wesentlich schneller abgebaut, so verabreicht werden. Bei bestehender Einstellung vorgenommen werden. dass die Wahrscheinlichkeit von asth- Asystolie sollte eine sofortige Reani- Hierbei sollten insbesondere Neurolep- moiden Reaktionen steigt. Eine Kombi- mation unter Intubationsbedingungen tika der neueren Generation mit einer nation mit Viagra führt zu einem deut- erfolgen. Zur Verhinderung eines toxi- höheren Verträglichkeitsrate zur An lich erhöhten Risiko für Herzinfarkte. schen Lungenödems sollten 250 mg wendung kommen. Prednisolut i.v. und Furosemid 40 mg Opiate i.v. verabreicht werden. Cerebrale Auch Cannabis wird selten als Einzel- Intoxikationen mit Substanzen der Krampfanfälle sind häufig bei Misch präparat konsumiert, sodass auch hier Opiatgruppe führen relativ schnell zu intoxikationen anzutreffen und sollten häufige Wechselwirkungen mit ande- einer Atemdepression bis hin zum zunächst mit 10 bis maximal 40 mg ren psychotropen Substanzen anzu- Atemstillstand. Die Betroffenen verlie- Diazepam i.v. behandelt werden. Gege- treffen sind. In Verbindung mit Alkohol ren schnell ihr Bewusstsein und fallen benenfalls kann auch eine Barbiturat- kommt es zu einer Abbauverzögerung ins Koma. Klinisch bestehen eine Bra- narkose mit Thiopental eingeleitet wer- des THC und zu einer gegenseitigen dykardie und eine Bradypnoe. Die den, jedoch beides unter den Bedin- Wirkverstärkung, wodurch eine deutli- Betroffenen wirken zyanotisch. Neuro- gungen einer kontrollierten Beatmung. che Leistungseinschränkung zu erwar- logisch fällt eine Hypo- beziehungs- In absolut lebensbedrohlichen Zustän- ten ist. Da die Wirkung beider in Kom- weise Areflexie auf, Pyramidenbahnzei- den empfiehlt sich die Gabe von Nalo- bination teils verzögert eintritt, ist eine chen sind positiv. Im Umfeld der xon als Antidot. 0,4 mg und sollte frak- schlechte Vorhersagbarkeit der Aus- Betroffenen finden sich regelhaft die tioniert mit NaCl 0,9 Prozent 1:10 ver- wirkungen und der damit verbundenen Utensilien, welche für den Konsum abreicht werden. Unter dieser Therapie Leistungseinschränkungen zu erwarten. genutzt werden, da die Betroffenen kommt es zu einer schnellen Befin- Cannabis in Kombination mit Tabak aufgrund der schnellen Anflutungsrate densbesserung, jedoch kommt es auch führt zu einer Wirkverstärkung des und der damit einsetzenden heftigen innerhalb kürzester Zeit zu einer mas- Nikotins, verbunden mit einer höheren Wirkung nicht mehr in der Lage sind, siven Ausprägung eines Entzugssyn- Kreislaufbelastung und einem häufige- diese wegzuräumen. droms. Aus diesem Grund sollte Nalo- ren Auftreten von Übelkeit und Erbre- xon nur in absolut lebensgefährdenden chen. Als erstes und wichtigstes Moment in Momenten verabreicht werden. Eine der Therapie einer Opiatintoxikation ist intensivmedizinische Überwachung über Kombinationen mit Halluzinogenen, die Sicherstellung der Atmung, gegebe- mindestens zwei Tage ist obligat, bevor speziell LSD und psilocybinhaltigen Pil- zen, führen zu einer Wirkverstärkung, insbesondere in einem deutlich häufi- Intoxikationen Opiate geren Auftreten von unangenehmen psychische Auffälligkeiten: Halluzinationen, woraus eine ver- Bewusstseinseintrübung bis zum Koma stärkte Angst resultiert. Selbst- oder fremdgefährdende Fehlverhaltenswei- klinische Auffälligkeiten: sen sind somit häufiger anzutreffen. Bradykardie, Bradypnoe bis Atemstillstand, zyanotisches Hautkolorit, Eine Kombination aus Cannabis und Hypo- bis Areflexie, positive Pyramidenbahnzeichen Heroin ist selten anzutreffen, da diese oft noch vorhandene Konsumutensilien Kombination von den Usern als sehr Therapie: unangenehm empfunden wird. Sicherstellung der Atmung, gegebenenfalls auch durch Intubation, Neuroleptika werden durch Cannabis bei Bradycardie Atropin i.v. (0,5 mg) bei Asystolie Reanimation mit teilweise in ihrer Wirkung gehemmt, Intubation, zur Verhinderung Lungenödem gegebenenfalls Prednisolon Benzodiazepine im Gegenteil in ihrer 250 mg und Furosemid 40 mg i.v., in Ausnahmefällen Naloxon 0,4 mg Wirkung verstärkt. Trizyklische Antide- 1:10 in NaCl-lösung Intensivmedizinische Überwachung obligat pressiva haben in Kombination mit 360 Ärzteblatt Sachsen 08|2018
themenheft eine weitergehende stationäre psychi- dongestützten Entzug sollten initial rung des psychophysischen Befindens. atrische Behandlung umgesetzt wer- mindestens 2 x 15 mg Polamidon/die Aus der Erfahrung heraus lässt sich den kann. verabreicht werden. Die Einstiegsdosis jedoch beobachten, dass Betroffene sollte sich an der Ausbildung der Ent- nach einer Ultrakurzentgiftung das Opiatentzüge beginnen oft unspekta- zugssymptomatik orientieren. Maximal höchste Rückfallrisiko gegenüber den kulär mit vermehrtem Gähnen und sollten initial 50 mg Polamidon/die ver- anderen Entzugsvarianten aufweisen. Suchtdruck. Die Betroffenen berichten abreicht werden. Dieses sollte dann über schnupfenähnliche Symptome, wie schrittweise täglich um 2,5 bis 5 mg Auch Opiate werden oft in Kombination häufiges Niesen, tränende Augen und reduziert werden. Beim Buprenorphin- mit anderen psychotropen Substanzen Rhinorrhoe. Auffallend ist eine Mydria- (Subutex) gestützten Entzug sollten benutzt, sodass auch hier gefährliche sis. Die Betroffenen berichten über initial 2 bis 4 mg Subutex gegeben wer- Wechselwirkungen auftreten können. Muskelschmerzen, Appetitverlust, spä- den. Je nach Ausprägung der Entzugs- In Verbindung mit Alkohol und GHB terhin auch über Schüttelfrost, Hitze- symptomatik sollte eine maximale kommt es zu einer gegenseitigen Wirk- wallungen und Schlaflosigkeit. Sie erle- Dosis von 16 mg/die angepasst werden. verstärkung, welche zum Teil unbere- ben eine vermehrte innere Unruhe und Im weiteren Verlauf sollte diese Dosis chenbar ist. Hieraus resultiert ein nicht Ängstlichkeit, bis hin zu Getriebenheit. über fünf bis zehn Tage schrittweise zu beherrschendes Risiko einer Atem- Häufig treten Übelkeit und Erbrechen um 1 bis 2 mg/die – angepasst an die depression. auf. In einem späteren Stadium fallen gegebenenfalls erneut auftretende In Verbindung mit Kokain (Speedball) Muskelkrämpfe, das gesamte Skelett- Entzugssymptomatik – reduziert wer- kommt es zunächst zu einer Kokain- muskelsystem betreffend, auf. Die den. Die Entzugsbehandlung sollte durch wirkung, welche dann durch die dämp- Symptomatik erscheint zwar schwer weg auch mit psychotherapeutischen fende Wirkung des Heroins abgelöst und eindrucksvoll, ist jedoch nicht Interventionen kombiniert werden. wird. Hieraus resultiert die Gefahr einer lebensbedrohlich. Durch bloßes „Talking ausgeprägten Überdosierung. down“ lässt sich bereits eine deutliche Alternativ zu den genannten Entgif- Linderung der Symptome erreichen. tungsstrategien werden in einigen Kli- In Kombination mit Medikamenten, In der Notfalltherapie sind langwirk- niken auch Ultrakurzentgiftungen an insbesondere Benzodiazepinen, kommt same Benzodiazepine, insbesondere geboten, in deren Rahmen Opiatanta- es zu einer gegenseitigen Wirkverstär- Diazepam, zu empfehlen. Hierbei sind gonisten unter Vollnarkose bis zum kung und damit zu einer erhöhten Dosierungen zwischen 40 und 60 mg vollständigen Abklingen des Entzugs- Gefahr von Atemdepressionen. Diazepam/die nicht selten notwendig. syndroms verabreicht werden. Inner- Opiate verstärken die sedierende Wir- Die Dosierung sollte der Symptomatik halb einer relativ kurzen Zeit führt kung von Neuroleptika zum Teil erheb- angepasst werden. Antihypertensiv diese Behandlung zu einer Stabilisie- lich. empfiehlt sich die Gabe von Clonidin in niedrigem bis mittlerem Dosierungsbe- reich. Zusätzlich verordnete niedrigpo- Intoxikationen Halluzinogene tente Neuroleptika, Analgetika und (LSD, Psi-locybin) Magnesium erleichtern den Betroffe- nen die Entzugssymptomatik. Nicht psychische Auffälligkeiten: opiatgestützte Entzüge sind somit Halluzinationen mit Angst und Erregung (Horrortripp), Fehlhandlungen durchaus realistisch. mit Selbst- und Fremdgefährdung Alternativ können jedoch auch opiatge- stützte Entzüge genutzt werden. Im klinische Auffälligkeiten: Hyperthermie, Hypotonie, Tachycardie, epileptische Reaktionen, methadongestützten Entzug sollten Bradycardie, Reflexsteigerung zu Beginn der Intoxikation oft quälender 50 mg Methadon/die initial verabreicht Reizhusten werden, diese dann schrittweise über fünf bis zehn Tage reduziert werden. Therapie: Die initial zu verabreichende Metha- Benzodiazepine bei starker Unruhe, bei Hyperthermie physikalische donmenge berechnet sich aus den Kühlung, bei Hypotonie und Bradycardie Atropin 0,25 - 0,5 mg i.v., vorab konsumierten Heroinmengen/die, keine Neuroleptika! intensivmedizinische Überwachung obligat in mg geteilt durch 30. Beim polami- Ärzteblatt Sachsen 08|2018 361
themenheft Halluzinogene, insbesondere LSD und psilocybinhaltige Pilze Intoxikationen durch LSD beziehungs- weise psilocybinhaltige Pilze führen zu atypischen Halluzinationen mit einem massiven Angsterleben, aus welchem oft Fehlhandlungen resultieren, die zum Teil erheblich selbst- oder fremd- gefährdenden Charakter tragen können. Klinisch zeigen sich im Rahmen der © Depositphotos/huettenhoelscher Intoxikation eine Hyperthermie und eine Hypotonie bei gleichzeitig beste- hender Tachykardie. Bei höheren Dosen sind epileptische Reaktionen und Rhabdomyolyse, in Verbindung mit einer ausgeprägten Bradykardie und verstärkten Hypotonie bis hin zum Koma, zu erwarten. Neurologisch lässt sich eine Reflexsteigerung wahrneh- men. Zu Beginn der Intoxikation berich- auch über Flashbacks bezüglich der der Wahrnehmung von „Horrortrips“ ten die Betroffenen oft über einen aus- Erlebnisse unter der Drogenwirkung kommen. geprägten Reizhusten, welcher als sehr wird häufig berichtet. Zur Kompensa-Dieser Artikel vermag nicht vollumfas- unangenehm wahrgenommen wird. tion genügt hier oft ein „Talking down“. send alle medizinischen Notfälle in Ver- Therapeutisch begegnet man diesen Da LSD und psilocybinhaltige Pilze ver- bindung mit illegalen Drogen darzustel- Intoxikationen günstigerweise mit mehrt im Partybereich konsumiert len, bedingt durch die Vielfalt der auf Benzodiazepinen. Neuroleptika sollten werden, sind auch hier Kombinationendem Markt anzutreffenden Substan- auf keinen Fall verabreicht werden, da mit anderen psychoaktiven Substan- zen und der großen Varianz der da diese die Symptomatik verstärken und zen häufig anzutreffen. durch auszulösenden Wirkungen. Mit unbeherrschbarer machen. Bei auftre- diesem Artikel sollte lediglich ein Über- tender Hyperthermie empfehlen sich In Kombination mit Alkohol wird die blick über die am häufigsten anzutref- physikalische Kühlungsmethoden. Bei Wirkung der Halluzinogene zunächst fenden Risikosituationen vermittelt bereits bestehender Bradykardie und oft überdeckt, sodass häufig nachkon- werden. Hypotonie empfiehlt sich die Gabe von sumiert wird. Die Wirkung der Halluzi- Atropin, initial 0,25 bis 0,5 mg i.v. Die nogene setzt dann etwas verspätet, Literatur beim Autor Vitalfunktionen sollten kontinuierlich aber oft verstärkt ein, sodass mit Interessenkonflikte: keine überwacht und sichergestellt sein. Eine einem vermehrten Auftreten von aus- Sven Kaanen intensivmedizinische Betreuung ist geprägten „Horrortrips“ zu rechnen ist. Evangelische Fachkliniken unumgänglich. Eine intensivmedizini- In der Kombination von LSD und MDMA Heidehof gGmbH Weinböhla sche Überwachung von ein bis vier kommt es zu einer vermehrten Sero- Evangelische Haidehof Gohrisch gGmbH Weinböhla Tagen sollte gewährleistet sein. toninfreisetzung, was zu einer Erhö- Stellvertretender Vorsitzender der Gesellschaft hung der Körpertemperatur führen gegen Alkohol- und Drogengefahren Entzugssymptome werden auch nach kann. Hierdurch besteht die Gefahr der Sachsen e. V. (GAD-S) E-Mail: s.kaaren@diakonie.foundation längerfristigem Konsum von Halluzi Hyperthermie. nogenen nicht spezifisch berichtet, sodass hierfür auch keine Therapie- Die Kombination von Halluzinogenen empfehlung gegeben werden kann. mit SSRI birgt die Gefahr von epilepti- Bei psilocybinhaltigen Pilzen kommt es schen Reaktionen. Unter Neuroleptika, oft über längere Phasen hinweg zu insbesondere Haloperidol, kann es zu unangenehmen Körpergefühlen, aber einer Verlängerung und Intensivierung 362 Ärzteblatt Sachsen 08|2018
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