KOMPASS - ZEIT GEIST 09I20 - Katholische Militärseelsorge
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KOMPASS Die Zeitschrift des Katholischen Militärbischofs für die Deutsche Bundeswehr Soldat in Welt und Kirche 09I20 ZEIT GEIST © Titelbild: lanarusfoto – stock.adobe.com ISSN 1865-5149
INHALT Titelthema Zeitgeist 22 4 Der „Zeitgeist“ ist kein Dämon. Zur Rehabilitierung eines Modeworts von Georg Schwikart © Nils Sammler 6 Zeitgeist – neue Empathie für eine schöpferische Kraft von Kirstine Fratz 8 Die kritische Distanz zum alltäglichen Tun Aus der Militärseelsorge Rubriken von Michael Seewald 17 Kalender 2021 16 zum LKU: Intuition 10 Der Zeitgeist verbindet, was getrennt ist 22 Schiff Ahoi! 18 Kolumne der Wehrbeauftragten von Generalleutnant Ansgar Rieks 20 Buch-Tipp: „Freiheit“ 12 Streitgespräch Ein heiliger Geist weht, 21 Auf ein Wort von wo und wie er will Pastoralreferent Martin Diewald 24 Soldatenheilige: St. Mauritius 26 Auslegeware: Ist jedes Töten Mord? 28 Film-Tipps: • Im Haus meines Vaters • Whiplash © tai111 – stock.adobe.com 30 Damals vor 20 Jahren 30 VORSCHAU: 21 Unser Titelthema im Oktober 31 Rätsel Impressum Herausgeber Hinweis KOMPASS. Soldat in Welt und Kirche Der Katholische Militärbischof Die mit Namen oder Initialen gekennzeich- ISSN 1865-5149 für die Deutsche Bundeswehr neten Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung des Herausgebers wieder. Für das Redaktionsanschrift Verlag und Druck unverlangte Einsenden von Manuskripten und KOMPASS. Soldat in Welt und Kirche Verlag Haus Altenberg Bildern kann keine Gewähr und für Verweise Am Weidendamm 2 Carl-Mosterts-Platz 1 in das Internet keine Haftung übernommen 10117 Berlin 40477 Düsseldorf werden. Bei allen Verlosungen und Preisaus- schreiben in KOMPASS. Soldat in Welt und Telefon: +49 (0)30 20617-421 Leserbriefe Kirche ist der Rechtsweg ausgeschlossen. E-Mail: kompass@katholische- Bei Veröffentlichung von Leserbriefen soldatenseelsorge.de behält sich die Redaktion das Recht Internet auf Kürzung vor. www.katholische-militaerseelsorge.de Chefredakteurin Friederike Frücht (FF) Redakteur Jörg Volpers (JV) Social Media Bildredakteurin, Layout Doreen Bierdel Lektorat Schwester Irenäa Bauer OSF 2 Kompass 09I20
EDITORIAL © KS / Doreen Bierdel Liebe Leserin, lieber Leser, „Früher war alles besser!“ oder: „Das hätte es früher lonseide das modische Highlight waren und jeder und so nicht gegeben!“ Es gibt wohl kaum eine Generation, jede Dauerwelle trugen. Manches davon würde man die sich diese Aussagen nicht aneignet. Aber wie viel heute nicht mehr so tragen, anderes „kommt wieder“. Wahrheit liegt in solchen Bemerkungen? Können wir Wir wechseln unsere Prioritäten, entwickeln neue Per- früher wirklich mit heute vergleichen? Oder versuchen spektiven, revidieren unsere Meinung. Dass wir das wir hier nicht, wie ein ehemaliger Lehrer mal sagte, so machen können, ist auch heute keine Selbstver- Äpfel mit Birnen zu vergleichen? Was helfen solche Ge- ständlichkeit – aber manchmal notwendig, um neuen genüberstellungen überhaupt? Wie weit zurück können Sachverhalten gerecht zu werden. wir schauen, ohne dass der Vergleich hinkt? Früher durften Frauen nicht wählen. Gut, dass sich manche Mit dieser Ausgabe wollen wir den Zeitgeist aus ver- Dinge ändern. Wir Menschen verändern uns dauernd. schiedenen Perspektiven beleuchten. Was bedeutet Anpassung ist das erfolgreiche Prinzip der Evolution! dieser für Institutionen wie die Katholische Kirche oder Wollte man in den 20ern noch die Welt entdecken, ist die Bundeswehr, in denen Tradition und damit eine man mit 80 vielleicht froh, im gewohnten Umfeld zu bestimmte Kontinuität wichtig ist? Welche Werte und bleiben. Es gab eine Zeit, in der Jogginghosen aus Bal- Überzeugungen gilt es zu erhalten und zu verteidigen? Wie viel Veränderung und Anpassung sind notwendig, um in einer sich stetig verändernden Welt zu überle- „Was ihr den Geist ben? „Was W ihr Was ih den de d Geist G Geistt dder Spannende Fragen, auf die es unterschiedliche Ant- der Zeiten Zeiten Z heißt, it hheißt ißt heißt, worten gibt. Das Dasist imGrund ist im Grund der der Herren Herr Her Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre und Freude bei der Suche nach dem Zeitgeist! Herren eigner Geist, eigner Geist, InIndem dem diedieZeiten Zeiten sichsich Friederike Frücht, Chefredakteurin bespiegeln.“ bespiegeln. bespiegeln.“ Johann Wolfgang von Goethe Joh Kompass 09I20 3
TITELTHEMA Der „Zeitgeist“ ist kein Dämon Zur Rehabilitierung eines Modeworts von Georg Schwikart, evangelischer Pfarrer und Schriftsteller D er Begriff „Zeitgeist“ ist zu einem Modewort geworden, dabei gibt es ihn schon seit dem 18. Jahrhundert. Der Philosoph Johann Gottfried Herder prägte ihn, und seither hängt dem Ausdruck ein negativer Touch an. Der Zeitgeist steht demnach für etwas Oberflächliches und Verachtenswertes. Unausgesprochen täuscht er vor: Früher war es besser. Das stimmt natürlich nicht, damals wie heute. Früher war es nur anders. Als ein Sinnbild des Zeitgeists kann das Handy dienen. Vor dreißig Jahren noch Statussymbol der Wichtigen und Wohlha- benden, besitzt es heute buchstäblich (fast) jedes Kind. Ob Kanzlerin oder Hartz- IV-Empfänger, ohne Mobiltelefon geht es nicht. Es steht für jederzeit verfügbare Kommunikation, die Wurzel dieser Idee aber ist die Geschwindigkeit. Der Wunsch, seine Ziele schneller zu erreichen, hat den Menschen seit al- ter Zeit veranlasst, Neues zu erfinden: Mit dem Rad geht es schneller. Mit der Webmaschine. Mit der Eisenbahn. Alle Neuerungen wurden zunächst kritisch beäugt. Die Zeit ging darüber hinweg. In den achtziger Jahren diskutierten Intel- lektuelle, ob ein Leben ohne Fernsehen möglich sei, dabei galt schon damals: Auch wer keinen Apparat besitzt, lebt in einer Welt, in der das Fernsehen eine Realität ist. 4 Kompass 09I20
TITELTHEMA Wer den Zeitgeist des „schneller, schnel- empfinden würde. Der Zeitgeist ist voller ler“ verdammt, sollte ehrlicherweise ein- Widersprüche. gestehen, dass wir alle davon profitie- „Alle Neuerungen ren. „Die Entdeckung der Langsamkeit“ Die organisierte Religion hat an Attrak- (Sten Nadolny) mag hilfreich sein, um das eigene Dasein weniger hektisch zu wurden zunächst tivität eingebüßt, man gestaltet sein Dasein weitgehend ohne christliche Le- gestalten und die Tugend der Geduld zu bensdeutung. Doch die Sehnsucht nach üben. Doch wenn wir einen Schlaganfall kritisch beäugt. dem „ganz anderen“ bricht sich Bahn oder Unfall erleiden, sind wir dankbar, in zeitgenössischen Mythen wie dem wenn der Notarzt schnell kommt. Das „Herrn der Ringe“, „Harry Potter“ oder bestellte Buch steht am nächsten Tag „Star Wars“. Sich in diesen Geschichten zur Verfügung und die Entwicklung des auszukennen und darin zurechtzufinden, Impfstoffs gegen das Virus braucht nicht Die Zeit ging gleicht einer alternativen Theologie. Doch viele Jahre, sondern – hoffentlich – nur dient sie vermeintlich eher als die über- eines. darüber hinweg.“ kommene Theologie dem individuellen Wohlbefinden. Zeitgeist: Die Idee der Freiheit steht im Vordergrund Die Kirchen begegnen dem Phänomen Das Begehren nach immer mehr Freiheit Zeitgeist zu ängstlich. Auf Bedürfnisse Wir leben nicht, wie Leibniz behauptete, kann zu einer grenzenlosen Individualität mit der Haltung „Das soll aber nicht in der „besten aller möglichen Welten“. führen. Wenn jedoch jede und jeder alles sein!“ zu reagieren, ist geradezu naiv. Man kann sich noch Schöneres vorstel- für sich selbst erreichen und durchset- Die Corona-Krise hat es ja offenbart: Die len. Der christliche Glaube entwirft ja zen will, gibt es kein Miteinander mehr. herkömmlichen Strukturen taugen nur großartige Ideen, wie bereits hier und Und doch muss man sich hüten, die In- noch bedingt. Wir müssen offen sein für jetzt das Leben für alle Menschen bes- dividualität vorschnell zu verurteilen. Wer Veränderungen. Wir sollten mutig fragen, ser werden kann. Das Programm hält will zurück in jene Zeiten, da die Kirche wie Jesus im Evangelium: „Was willst die Bibel bereit, allein: Es hapert an der die alleinige Bestimmungshoheit über du, dass ich dir tue?“ (Mk 10,51) Sonst Umsetzung. Durch uns! das Privateste der Menschen besaß: Du bietet Kirche (in ökumenischer Überein- darfst dich nicht scheiden lassen! Du stimmung) häufig Angebote an, die kaum Das aber ist kein Problem des Zeitgeists, darfst nicht homosexuell sein! Du darfst einer braucht, und gibt Antworten auf Fra- es war nie anders. Auf die „Jugend von keine Sexualität erleben, wenn sie nicht gen, die niemand stellt. heute“ wurde bereits in der Antike ge- der Zeugung von Kindern dient! Du darfst schimpft, und Paulus fordert im Brief an nicht festlegen, wann dein Leben been- Mutig den Zeitgeist analysieren die Gemeinde in Philippi die Christen det werden soll! – Der Zeitgeist hat die- auf, rein und ohne Tadel zu sein, „Kinder sen Ordnungswahn außer Kraft gesetzt. Der Zeitgeist ist nicht gut oder schlecht, Gottes ohne Makel mitten in einer ver- er rückt nur jeweils andere Themen in kehrten und verwirrten Generation, unter Widersprüche des Zeitgeists den Vordergrund. Dabei geht es letztlich der ihr als Lichter in der Welt leuchtet!“ immer um die Frage, wie ein gutes Leben (Phil 2,15) Wir nehmen gegenläufige Prozesse wahr. erreicht werden kann. Was aber ein gutes Einerseits den immer schneller verlaufen- Leben ausmacht, ist nicht so leicht zu Natürlich ist jede Epoche von großen den Traditionsabbruch. Was früher galt, beantworten, und noch schwieriger um- Ideen beeinflusst. Diese können „Gott“, schert heute nicht mehr. Erst zusammen- zusetzen. Dass Geld, Macht, Schönheit „Volk“, „Fortschritt“, „Wohlstand“, „So- ziehen, wenn man verheiratet ist? Altmo- und Erfolg allein nicht glücklich machen, © Cristina Conti – stock.adobe.com zialismus“, „Frieden“, oder wie auch im- disch. Aber bei der Trauung soll dann der wissen wir alle, und lassen uns doch nur mer heißen. Diese Ideen wechseln nicht Vater die Braut (die längst keine Jungfrau zu gern von diesen Idealen verführen. einfach einander ab, sondern überlagern mehr ist) zum Altar führen. Dass es sich Das tiefe Verlangen der Menschen drü- sich und geraten miteinander in Konflikt. dabei um einen archaischen Übergabe- cken wir Christinnen und Christen in drei Im Zuge der Reformation setzte sich der ritus handelt, interessiert nicht – ob- starken Begriffen aus: Glaube, Hoffnung große Freiheitsgedanke durch. Doch ver- wohl sich doch heutzutage keine Frau und Liebe. Dieses Sehnen wird von kei- trägt er sich mit den anderen Ideen? als Besitz des Vaters oder ihres Mannes nem Zeitgeist überwunden. Kompass 09I20 5
TITELTHEMA Zeitgeist – neue Empathie von Kirstine Fratz, Zeitgeist Forscherin Wie kann Zeitgeist be-geistern? Durch Vernunft, rationale Entscheidun- gen oder Emotion und Sehnsucht? Wer für Gefühle stimmt, begibt sich auf das Spielfeld der Zeitgeist Forschung. Diese Forschung beschäftigt sich mit den kol- lektiven Sehnsüchten einer Gesellschaft. Einer Sehnsucht, die als besondere Vib- ration wahrnehmbar ist und einen Geist entstehen lässt, der unsere Kultur ver- ändert – den Zeitgeist. Ein Zeitgeist Teilnehmer fängt an, dieser neuen Vibration eine Gestalt zu geben in Form eines Films, eines Buchs, eines Produkts etc. In all diesen Gestalten of- fenbart sich die neue sehnsüchtige Per- spektive auf das Leben, welche dann mehr Resonanz erzeugt als die bekann- ten Lebenskonzepte. Die kollektive Sehn- sucht bekommt eine neue Heimat durch die neuen Angebote und die Gesellschaft fängt an, sich danach auszurichten. Der Geist der Zeit erfasst einen Le- bensbereich nach dem anderen. Was vielleicht als belächelter Nahrungsmit- teltrend begonnen hat, erfasst die Kos- metikindustrie, findet dann Gestalt als neue Fächer in Bildungsinstituten, ver- ändert, wie Häuser gebaut und Kleider produziert werden. Der Zeitgeist ist der Botschafter für alles, © Valentin Mühl / Zvei Studios was in einer Gesellschaft nicht mehr funktioniert und wo neue Sehnsucht nach Veränderung entsteht. 6 Kompass 09I20
TITELTHEMA für eine schöpferische Kraft Misstrauen gegenüber Veränderungen Sie haben ihre Perspektive auf das The- ma verändert. Eine junge Frau erzählte Viele Menschen misstrauen dieser Vibra- mir, sie hätte ihr ganzes Leben lang tion für Veränderung. Sie meinen, sie zer- gelernt, dass Kinder Probleme und Ein- stört Werte und Traditionen. Der Zeitgeist schränkungen für ihr persönliches Leben Verlag: fontis, Basel wird gerne als Sündenbock benutzt, um bedeuten. Eines Tages hat sie sich ge- 2017 seinen Unmut gegenüber Veränderungen fragt, ob es vielleicht genau umgekehrt Taschenbuch; 240 Seiten auszudrücken. Wenn sich Wandel ankün- ist: Dass Kinder nicht Problemmacher, ISBN: 978-3-03848-127-0 digt, empfinden viele Menschen, dass sondern Glücksmacher sind. Diese Per- € 14,95 der Untergang naht. spektive ist aus dem Zeitgeist entstan- den, weil die starken Einschränkungen Nehmen wir das Beispiel Kinder. Schon für Mütter sich zunehmend abgebaut länger gehen die Geburtenraten in haben. Und damit meine ich nicht nur Liebe, Glaube, Hoffnung, Deutschland runter. Die Frauen bekom- die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, men weniger Kinder. Was wird aus dem sondern auch die stillschweigenden Er- Zuversicht und Renten-Generationsvertrag? Was wird wartungen an Mütter, wie sie zu sein und aus der Familie? Was soll bloß aus der zu leben haben. Hier ist eine Vibration Schöpferkraft gehen auch ganzen Gesellschaft werden? Linear auf entstanden, welche sich noch nicht in die Zukunft hochgerechnet bedeutet Zahlen und Fakten ausdrücken lässt, beim Zeitgeist niemals das den Untergang. Die Zukunft verläuft aber viel Raum für Gestaltung bietet. aber nicht linear, sie verläuft dynamisch. aus der Mode. Wenn man genau hinschaut und dem Ich nenne diesen Prozess eine Entfrem- Geist der Zeit etwas Zeit lässt, erkennt dungs- und Annäherungs-Dynamik, wie Im Gegenteil, der offene Beobachter er- man, dass sich meistens kein Untergang man sie oft im Zeitgeist beobachten kennt, dass genau diese Themen gerade einstellt. kann. Bereiche unseres Lebens erstarren in der Zeitgeist Dynamik immer wieder in der Konvention und begünstigen das eine Auffrischung erfahren. Eine fast Im Gegenteil, dass was Ausüben von Machtverhältnissen, was heilsame Erneuerung, damit sie lebendig wiederum zu Leid und Schmerz führt. Da- und erlebbar bleiben. verloren geglaubt war, raus entsteht Mangel, dieser entwickelt sich zur kollektiven Sehnsucht, Vibration Wie sich diese Dynamik mit Corona und kehrt frisch und lebendig in entsteht. Zeitgeist Teilnehmer erschaffen der Welt verhält, gilt es zu beobachten. aus dieser Vibration heraus eine neue Auch hier werden uns neue Perspektiven die Gesellschaft zurück. Heimat für die kollektive Sehnsucht. Die geschenkt, Entfremdungs- und Annähe- Resonanz für die neue Perspektive auf rungsprozesse sind im vollen Gange, In der Zeit, wo der Untergang der Gebur- das Leben verbreitet sich, der Sog wird der Untergang wird besungen, doch die tenrate besungen wurde, hat sich die immer größer und die Veränderung ist Chancen sind sichtbar und werden uns Gesellschaft unter dem Einfluss von indi- im vollen Gange. be-geistern. viduellen Lebensstilen soweit verändert, dass das Kinderkriegen für junge Frauen Aus dieser Lebendigkeit heraus nähert Zeitgeist und menschlicher Schöpfer- wieder attraktiv geworden ist. Viele junge man sich dem unliebsamen Thema geist sind wunderbare Spielgefährten Frauen unter 30 haben wieder Lust auf schöpferisch wieder an. Die Perspektive für eine ganz besondere Kulturheilkun- Mutterschaft, weil sie das Gefühl haben, hat sich verändert, das verloren geglaub- de. Diese Schöpferkraft der Geisteskräf- ihr Leben samt Kind nach ihren Bedürf- te Thema kommt wieder auf die Agenda. te hat Empathie verdient und wer weiß, nissen gestalten zu können, im Gegen- Aber eben Interessen bereinigt von den inwieweit der Heilige Geist auch seine satz zu früher. alten und starren Vorstellungen. Kräfte in diesem Spiel hat. Kompass 09I20 7
TITELTHEMA Die kritische Distanz © Konstantin Fischer / Photo Vision zum alltäglichen Tun von Michael Seewald E s gibt Ausdrücke, die in unserer All- tagssprache derart Fuß gefasst ha- ben, dass das Bewusstsein für ihren Wenn in der Kirche über den Zeitgeist gesprochen wird, dann meist in mah- nendem Ton. Man dürfe, so heißt es, bildlichen Charakter verlorengegangen sich nicht dem Zeitgeist anpassen. Diese Michael Seewald ist Professor ist. Tischbein, Zapfhahn oder Lebens- Mahnung ist so richtig wie inhaltsleer. für Dogmatik und Dogmen- abend wären Beispiele dafür. Bei diesen Richtig ist sie, weil eine Kirche, die nur geschichte an der Westfälischen Begriffen handelt es sich um Metaphern: den statistischen Durchschnittswert des- Wilhelms-Universität Münster um ein Zusammentreffen zweier Wörter, sen verkünden würde, was man heute so die gemeinsam eine neue Bedeutung er- glaubt, für nichts zu gebrauchen wäre. sage des Evangeliums. Was wir im Deut- geben. In der katholischen Kirche wird Eine solche Kirche hätte ihren Auftrag, schen mit „umkehren“ übersetzen, heißt häufiger als über Tischbeine, Zapfhähne „Salz der Erde“ zu sein, verfehlt. „Wenn im Griechischen wörtlich „umdenken“ oder den Lebensabend über den Zeit- das Salz seinen Geschmack verliert, oder „überdenken“. Jesus ruft seine Jün- geist diskutiert. Auch das ist eine Me- womit kann man es wieder salzig ma- gerschaft dazu auf, eine kritische Distanz tapher. chen? Es taugt zu nichts mehr“, heißt zu ihrem alltäglichen Tun einzunehmen. es im Matthäus-Evangelium (Mt 5,13). Vollkommen wird es niemandem gelin- In der antiken Mythologie gab es die Pauschal vor dem Zeitgeist zu warnen gen, solch eine Distanz zu gewinnen, weil Vorstellung, dass Geister an bestimm- ist jedoch nichtssagend, weil diejenigen, wir keinen absoluten Standpunkt haben, ten Orten, etwa in Bäumen, auf Bergen die solche Warnungen vortragen, auch von dem aus wir denkend auf uns selbst oder in Tälern wohnen. Die Geister verlie- nicht frei von zeitbedingten Begrenzun- blicken könnten. Christen bleiben auch hen diesen Orten ein Gepräge, das den gen ihres Glaubens, Hoffens und Liebens im Grübeln Kinder ihrer Zeit (noch eine Menschen, die sich an ihnen aufhielten, sind – nur, dass sie sich darüber kaum Metapher übrigens). Sie haben sich da- ein bestimmtes Verhalten abverlangte. Rechenschaft ablegen. Der Kritik am Zeit- her stets neu zu fragen, wie es ihnen Auch ohne Mythologie ist uns die Idee, geist liegt nicht selten ein Zeitverständ- heute, unter den Begrenzungen, in denen dass ein Ort einen Geist, einen „genius nis zugrunde, das die Gegenwart als sie leben, gelingen könnte, verantwortbar loci“ atme, den man beachten müsse, Niedergang eines angeblich früher vor- zu glauben, zu hoffen und zu lieben. verständlich geblieben. Wer nach Vene- handenen, besseren Zustandes deutet. dig reist, auf dem Markusplatz in einem Diese Frage, betreffe sie nun die Lebens- gepflegten Restaurant sitzt und dort – Die Warnung vor dem führung des Einzelnen oder die Kirche als nein: keine Pasta, keine Pizza, sondern Gemeinschaft, braucht nicht ängstlich – eine Currywurst bestellt, wird vom Kell- Zeitgeist der Gegenwart ist gestellt zu werden. Denn Jesu Wort ist ner Kopfschütteln ernten. Wenn nun vom nicht nur die Aufforderung, unser Leben Zeitgeist die Rede ist, wird nicht einem nicht zeitenthoben, zu überdenken, sondern auch Verkündi- Ort, sondern – bildlich gesprochen – der gung des Evangeliums, wörtlich: Ansage Zeit ein bestimmter Geist zugeschrieben. sondern dem Zeitgeist von einer Frohen Botschaft. Gott umfängt Auch Zeiten haben ein Gepräge, das sie das Glauben, Hoffen und Lieben der von anderen unterscheidet. Diese Prä- gestern verbunden. Menschen auch dann mit seiner Nähe, gung bestimmt, wie Menschen sich in wenn sie den Eindruck haben, in ihrem ihrer Zeit einrichten: was sie als ange- Anstatt fruchtlos darüber zu streiten, ob Glauben, ihrer Hoffnung und ihrer Liebe messen oder unüblich erachten, was die Kirche sich dem Zeitgeist öffnen oder gescheitert zu sein. Diese Gewissheit sie erstreben oder vermeiden, was sie sich ihm verweigern solle, scheint mir könnte ermutigend wirken und zugleich von anderen erwarten oder befürchten. eine andere Frage wichtiger. Der erste Gelassenheit stiften. Der Zeitgeist, so erklärte der Philosoph Satz, den Jesus im Markus-Evangelium, Wilhelm Dilthey, ist die Begrenzung, „in dem ältesten der vier Evangelien, spricht, Anstatt also den Glauben in die Nostalgie welcher die Menschen einer Zeit in Bezug lautet: „Erfüllt ist die Zeit und nahe das vergangener Zeiten zu verlegen, wie die auf ihr Denken, Fühlen und Wollen le- Reich Gottes. Kehrt um und glaubt an Mahner vor dem verderblichen Zeitgeist ben.“ Aus christlicher Sicht könnte man das Evangelium.“ (Mk 1,15) Jede Zeit ist der Gegenwart es tun, sollten Christen sagen: Der Zeitgeist ist die Begrenzung, im Licht des Glaubens erfüllte Zeit, weil zu allen Zeiten eine gesunde Distanz zur in der die Menschen einer Zeit in Bezug Gott in ihr versucht, den Menschen nahe Unmittelbarkeit ihres Tuns pflegen, um auf ihren Glauben, ihr Hoffen und ihr Lie- zu sein. Diese Nähe hat eine doppelte aus dieser Distanz heraus die Zeit, in der ben leben. Gestalt. Sie ist Ruf zur Umkehr und Zu- sie leben, zu gestalten. Kompass 09I20 9
TITELTHEMA Technik und Ethik Der Zeitgeist verbindet, was getrennt ist von Generalleutnant Ansgar Rieks, Stellvertreter des Inspekteurs der Luftwaffe D ie technischen Errungenschaften der Welt, die uns umgibt, nehmen wir als „gegeben“. Wir streben in allen ker, der sich mit Ethik befasst, und ein Ethiker, der technische Zusammenhänge lernt. Wohl erst dann wird es zu einem solche Grundlagen intrinsisch mit einbrin- gen, als dass die christlichen Kirchen ganz konkrete Kriterien entwickeln. Die Bereichen nach Weiterentwicklung. Und zukunftsorientierten, andauernden und meisten Menschen sind wohl der Mei- wir sind ungeduldig, obwohl die Techno- fruchtbaren Miteinander kommen. nung, dass es eines Gottesbezuges logie um uns herum exponentiell immer nicht bedarf. schneller Neues hervorbringt. Das gilt für Braucht es Gott? uns privat, wie auch im Dienst; ein Spi- Die Notwendigkeit von ethischen Kriteri- Ansätze ral Development ist nicht nur der einzig en ergibt sich aus der Erkenntnis, dass Unser christliches Menschenbild und mögliche Weg dazu, sondern auch unser „bronzene Glaubenssätze“ oder innere dessen Werte durchdringt alle Grundla- Zeitgeist. Gefühle und Voreinstellungen in einer gen unseres Staates. Bis zur Betonung sich entwickelnden Welt nicht weiter- von Diversity und dem Individualismus Zugleich werden ethische Fragen zu- helfen, wollen wir letztlich nicht in zwei unserer Tage, war das für die Gesell- nehmend diskutiert. Natürlich ist die- unversöhnlichen Lagern zwischen „bren- schaft wohl auch der Fall. Seitdem es ses auch durch Verkaufsinteressen nenden Technik-Freaks“ und bestimmte kein „… man macht das so …“ mehr gefördert („Unsere Produkte sind Techniken grundsätzlich ablehnenden gibt, die europäische Verfassung keinen ‚compliant‘ zu allen Standards …“), „moralischen Hardlinern“ landen. Gottesbezug mehr aufweisen ‚durfte‘ und wird politisch genutzt („das gibt und die Trennung von Kirche und Staat uns eine unwidersprochene Argumenta- In der Diskussion um Kriterien werden oft (zugleich von Kirche und Politik) eine gro- tion“). Aber Menschen wollen mehr und die Artikel unseres Grundgesetzes und ße Dynamik bekommen hat, sind Begrün- mehr sichergehen, dass sie ethisch der UN-Menschenrechtscharta genannt. dungsmuster verändert. (und ökologisch, gesellschaftlich etc.) Von Humanisten ist schnell die Verant- einwandfrei leben. Ein Zeitgeist der wortung für das soziale Miteinander und Es gibt zwei wesentliche Bereiche, die „Correctness“ geht um. der Erhalt der Umwelt ergänzt. Bei Digi- durch das Christentum geprägt wurden talisierung spielen die Persönlichkeits- und die auch künftig eine Kriterienent- Es ist nicht verwunderlich, dass die- rechte eine herausgehobene Rolle. Im wicklung prägen werden: ser doppelte Zeitgeist – bei aller Un- Militärischen werden Kriterien dann oft terschiedlichkeit – Technik und Ethik unter dem Aspekt der Verantwortung 1. Die vier Kardinaltugenden (Klugheit, verbindet. Daher ist ein Bezug dieser sowie der Beherrschbarkeit von Technik Gerechtigkeit, Tapferkeit und Maß), wel- beiden Themen nicht nur wünschens- ausgestaltet. Braucht es also einen Got- che als universelle und beständige Eigen- wert oder eine geistige Übung, sondern tesbezug oder gar eine Christlichkeit bei schaften in einer Welt, in der Menschen unabdingbar. der Entwicklung von Kriterien? Es ist wohl Technik anwenden, wichtige Maßstäbe eher so, dass einzelne „gute Christen“ geben. Wer bezieht sich auf wen? Setzen wir die These der unabdingba- ren Verbindung zwischen Technik und Ethik als richtig voraus, gehen wir häufig davon aus, dass eine technische Errun- genschaft mit einer vorhandenen Ethik zu bewerten ist. Doch wieso beziehen wir Technik immer auf Ethik, und wie- so entwickeln wir Ethik nicht auch auf © Tierney – stock.adobe.com technische Errungenschaften hin weiter? Es ist wohl so, dass die beiden recht unterschiedlichen Domänen „Technik“ und „Ethik“ nur dann in eine Beziehung treten, wenn sie sich aufeinander zube- wegen (ohne ihre Grundsätzlichkeiten verlassen zu können). Wie ein Techni- 10 Kompass 09I20
TITELTHEMA 2. Die Abkehr von rein opportunistischen Zweitens entwickelt sich Technik immer 4. Technik in ihrer differenzierten Aus- Einschätzungen, auch wenn sie „huma- schneller, ja so schnell, dass ethische formung und mit ihrem starken gesell- nitär“ orientiert sind. „Der gute Zweck Betrachtungen kaum noch mithalten schaftlichen, politischen und ganz in- heiligt nicht die bösen Mittel“, sondern können. dividuellen Einfluss bedarf spezifischer in jedem Fall ist eine ethische Bewertung ethischer Kriterien. Diese sind perma- für die Anwendung von Technik, unab- Neben dem Ethikbeirat der Bundesre- nent so weiterzuentwickeln, wie sich hängig vom Zweck, zu unternehmen. gierung schießen also Beratungsgremi- Technik weiterentwickelt. en und Bereichsethiken in spezifischen Es ist klar, dass im amerikanischen Genres wie Pilze aus dem Boden (auch 5. Ethische Kriterien müssen messbar Raum dies oft weniger stringent gese- wenn sie manchmal nicht so heißen). angewendet werden können, sollen sie hen wird. Eine Technik, die Terroristen Und drittens verändern technische Hilfs- nicht nur ein „gutes Gefühl“ geben, son- tötet, ist dort „grundsätzlich gut“. Ferner: mittel, Medien und Kommunikationsmit- dern in ihrer Anwendung konkretes ge- Manche leiten Kriterien aus religiösen tel gerade unser persönliches und gesell- meinsames Handeln begründen. Texten wortgetreu ab, ohne die Folgen schaftliches Leben grundlegend. zu bedenken und die Verantwortung, die Dem Gewissen verpflichtet damit einhergeht. Konsequenzen für einen Wie wir gesehen haben, verbindet der Ethik-Technik-Bezug Zeitgeist die technische Weiterentwick- Warum uns gerade heute Zusammengenommen entstehen aus lung mit einer ethischen Bewertung. Technik prägt diesen Betrachtungen fünf Folgerungen: Letztlich spüren Menschen, dass sie Ein jeder von uns kann heute (bis auf Verantwortung für diese Welt tragen. wenige Funklöcher) unbegrenzt kommu- 1. Technik ist nur ganz selten in sich aus- Dabei ist vielen bewusst, dass dies ih- nizieren, wir nutzen große Datenmengen, schließlich gut oder schlecht. Sie ist erst rem Gewissen entspringt, für dessen lassen uns durch Künstliche Intelligenz in der Anwendung zu unterstützen, zu Bildung und Weiterbildung sie Verantwor- vielfältig beraten. Technik macht Flug- begrenzen, zu verwerfen oder zu fördern. tung tragen und dies der letzte und ein- zeuge schneller und ökologischer, wir Daher ist von Anwendung zu Anwendung zige Grund ist, dem sie zu folgen haben. können in Erbgut eingreifen, haben erste differenziert zu unterscheiden. Thomas von Aquin bezeichnet das Urteil Roboter als Betreuer in der Altenpflege des Gewissens als „letzte Instanz, nach und nutzen den Weltraum. Industrie 4.0 2. Eine ethische Bewertung von Technik der sich der Mensch zu richten hat“ und ist um uns. Wir sehen und spüren überall muss beides: sich in Form von „Bereichs- die Gewissensentscheidung als „Vollzug die Entwicklung der Technik. ethiken“ den jeweiligen Spezifika wid- eines Urteils über den moralischen Wert men, wie auch ein einheitliches Gerüst einer Handlung“. Die Herleitung und An- Ein Blick im Detail zeigt darüber hinaus und eine gemeinsame Grundlage haben. wendung von Kriterien für unsere kompli- drei „grundsätzliche“ Entwicklungen: Diese Grundlage entspringt letztlich den zierte Technik-Welt und ihre Ausformun- Erstens ist Technik manchmal – jenseits vier Kardinaltugenden. gen gibt uns Hilfe und Unterstützung. der Schlüsselwörter – nur noch durch Experten zu prägen und zu durchdringen. 3. Dass sich viele (insbesondere IT-) Fazit Eine ethische Bewertung fällt deshalb Firmen zurzeit „ethische“ Compliance Wir werden weiterhin die „Technik- schwerer als zu der Zeit, als es noch Regeln geben, ist hilfreich, aber nicht Freaks“, die Ingenieure, die Operateure Universalgelehrte geben konnte. hinreichend. Ethische Kriterien können und die „Ethik-Experten“ benötigen. Vor letztlich nur von einer gemeinsamen Au- allem aber Menschen, die alles zusam- torität ausgehen, wollen sie nicht belie- mendenken und aufeinander beziehen big variabel sein. können. Soldatinnen und Soldaten ste- hen oft mittendrin in diesem Szenario. Beziehen wir sie ein in die Diskussion und ermuntern wir sowohl die Techniker wie die Ethiker, mit ihnen zu reden. Kompass 09I20 11
TITELTHEMA © KS / Doreen Bierdel Irene Franke-Atli Thomas R. Elßner Geboren 1955 in Lüneburg, Geboren 1961 in Görlitz, Studium der Evangelische Theologie seit 2009 Professor für Katholische in Münster, Berlin und Göttingen. Theologie und Exegese des Alten Tes- taments an der PTH Vallendar. Seit 1984 Pfarrerin, vier Jahre Aus- Er leitet das Referat II im Katholischen landsaufenthalt in der Türkei, Zusatz- Militärbischofsamt, welches u. a. für ausbildung in Klinischer Seelsorge und Theologische Grundsatzangelegenhei- Bibliolog. Pfarramtliche Tätigkeiten in ten, Liturgie, Gemeindearbeit und Pas- Lüneburg, Istanbul und Berlin. torale Aufgaben zuständig ist. 12 Kompass 09I20
TITELTHEMA Ein heiliger Geist weht, wo und wie er will Streitgespräch Kompass: Welche Möglichkeiten haben wir, heute über Gott sprechen diesen Namen nicht aus. Wenn sie ihn aussprechen, und das Wirken Gottes in der Welt zu sprechen? sagen sie Adonai. Das erinnert auch wieder an HERR. Aber Menschen leben ja in ihrer jeweiligen historischen Zeit, und ihr Franke-Atli: Das hat für mich sehr viel mit dem Gottesbild zu Gottesbild ist geprägt durch Einflüsse und Rollenmuster dieser tun. Ich merke, dass wir in einer Kirche leben, die über Jahrhun- Zeit. Sicher gab es ein lange männlich geprägtes Gottesbild, derte geprägt ist durch theologische Auslegung ausschließlich aber das ist, glaube ich, angemessen. von Männern. Das wirkt sich auch auf das Gottesbild aus. Das Tetragramm, der hebräische Eigenname Gottes JHWH, Kompass: Würden Sie das ähnlich sehen, dass das eine He- wurde von Luther mit der HERR übersetzt. Und so stellen wir rausforderung gerade für Menschen ist, die nicht männlichen uns Gott dann über lange Zeit doch sehr männlich vor. Obwohl Geschlechts sind? wir eigentlich ein Bilderverbot gleich am Anfang im Alten Tes- tament bei den Zehn Geboten finden. Dennoch reden wir von Elßner: Für mich ist das nicht so der große Streitpunkt. Also Gott in dieser Sprache: der HERR oder der Vater. Auch in der philologisch gesehen ist man sich in der Tat ziemlich einig, liturgischen Sprache reden wir so. Und damit habe ich meine dass JHWH eben von hajah, Sein abgeleitet ist. Wenn man sich Schwierigkeiten eben wegen des Bilderverbots. Hier geht für die Verben, die mit dem Tetragramm erscheinen, anguckt, sind mich die Heiligkeit des Gottesnamens verloren. diese immer in der männlichen Konjugationsform. Also es ist schon klar, dass es hier um einen männlichen Gott geht, ob Elßner: Ja, das ist natürlich das berühmte harte Brett, das es man das Tetragramm nun ausspricht oder nicht. Aber das ist hier zu bohren gilt. Luther folgt letztlich der jüdischen Tradition, halt der Zeitkontext. und zwar der Septuaginta. Die Septuaginta ist die Überset- zung der hebräisch-aramäischen Bibel ins Griechische. Weil Franke-Atli: Da wären wir uns einig: Es ist der Zeitkontext. der Gottesname so heilig ist und dieser nicht ausgesprochen wird, wurde er mit Kyrios, der Herr, übersetzt. Und das hat Kompass: Wir haben jetzt gerade darüber gesprochen, wie Luther beibehalten. man sich Gottesbilder vorstellt. Dazu zählt auch der Heilige Also langer Rede kurzer Sinn: Er übernimmt diese frühjüdische Geist. Wie sprechen wir über diese Form des Wirkens Gottes? Tradition und übersetzt den Gottesnamen mit HERR. Er macht einen Unterschied: indem er nicht Herr schreibt, so wie wir Franke-Atli: Wenn man sich so durch die Bibel liest, kann man das schreiben, sondern in Kapitälchen. Also dass jeder weiß: unendlich viel über den Geist Gottes finden. Ruach ist das Aha, das ist jetzt nicht der Herr Müller oder der Herr Meier, im Hebräischen. Für mich ist das ein weiblicher Teil Gottes. sondern das ist eben noch etwas anderes als der normale Schon in der Schöpfungsgeschichte fängt es damit an, dass Herr. Und, klar, der Gottesname, der in der jüdischen Tradition der Geist Gottes über dem Wasser schwebt und dass er eine ganz selten ausgesprochen wird, ist ein männlicher Name. schöpferische Kraft Gottes ist. Und es geht dann weiter, dass Wenn man ihn jetzt übersetzen oder nicht übersetzen würde, es etwas zu tun hat mit Gottes Atem. Gott haucht dann, bläst oder das Tetragramm aussprechen würde, es bliebe zumindest seinen Atem in den Erdling Adam, und Leben entsteht. Die- der männliche Name eines männlichen Gottes. se Geisteskraft Gottes ist eine schöpferische, eine lebendig machende. Franke-Atli: Das würde ich schon mal in Frage stellen. Es ist Es gibt wunderbare Bilder in der Bibel, und die prägen für mich ein Tetragramm, und es sind vier hebräische Buchstaben. Man so die Vorstellung von dem Geist Gottes. Ich finde das eine kann es ja gar nicht übersetzen. Ich bin der, der ich bin. Oder: schöne Vorstellung, dass dieser Geist Gottes Ruach, dass das Ich bin da. Also da ist nichts Männliches drin. Und die Juden eine weibliche Seite Gottes ist. >> Kompass 09I20 13
TITELTHEMA >> Elßner: Ich gebe zu bedenken, dass dies Sprachbilder, eben Franke-Atli: Wenn ich mir angucke, was ich vor zehn Jahren analoge Begriffe sind. Ob der nun männlich, weiblich oder säch- gepredigt habe, finde ich das immer noch gut, aber ich denke lich ist: Gott ist so allumfassend, dass da alles inkludiert ist. heute in einer neuen Zeit auch andere Dinge. Also ich habe Ruach ist im Hebräischen sowohl männlich als auch weiblich, andere Antworten im Zwiegespräch mit einem biblischen Text. im Griechischen pneuma, neutrum, und im Lateinischen Und ich weiß, dass die Menschen, die vor mir sitzen, andere spiritus, männlich. Es ist eine Schwierigkeit, Gott in so eine Fragen mitbringen als vor zehn Jahren. Und von daher ist das ja Geschlechterrolle zu bringen, weil wir dann der Grammatik ein ganz lebendiger Prozess. Und ich kann nicht irgendwelche aufsitzen. Dinge, die ich vor zwanzig Jahren gesagt habe, einfach wieder so predigen. Ich glaube, das geht jedem guten Lehrer so, dass Franke-Atli: Mein Anliegen ist es, dieses Gottesbild zu weiten. er in seinem Unterricht, wenn es nicht Mathe ist, sich ausei- Man muss jetzt nicht sächlich, männlich, weiblich reden, was nandersetzt und Unterrichtsstoff überarbeitet. Auch Theologen den Geist oder was Gott angeht, aber wir sind eine Kirche, die sollten regelmäßig Fortbildungen machen. im Volk bei den Menschen in ihren Glaubensvorstellungen ein männliches Gottesbild geprägt hat. Und das hat sehr viel damit Elßner: Das wäre wünschenswert. Der normale Alltagsfrust zu tun, wie Kirche strukturiert ist und auch die Herrschaft struk- kommt einfach dazu. Das ist die Frage, wo setzt man die turiert ist. Und ich finde das sehr schön, dass zum Beispiel die Schwerpunkte? Und da will ich auch niemandem zu nahe tre- feministischen Theologinnen das kritisch untersuchen. Damit ten, weil ich nicht in diesen Schuhen stecke. weiten sie das Gottesbild für Menschen in der Gemeinde. Und ich erlebe sehr viele Frauen, die erleichtert sind, dass das Franke-Atli: Menschen die Vorstellung überhaupt wieder zu Gottesbild gar nicht so eng ist. Für viele ist es eine wirkliche eröffnen, was der Heilige Geist ist. Im Konfirmandenunterricht Bereicherung, die auch Menschen, die sich von der Kirche geht es darum, sind es Gespenster oder was ist denn der entfernt haben – gerade Frauen der jüngeren Generation –, Geist Gottes? Wie soll man sich den Geist vorstellen? Ich finde aufhorchen lässt und neue Zugänge baut. das hochspannend, mit der Gemeinde über den Geist Gottes nachzudenken. Und anhand der Bibel an der Pfingstgeschichte Elßner: Hier kann ich auf einen weiteren biblischen Punkt hin- dieses befreiende, ermutigende, auch tröstende Wirken des weisen. Im Kolosserbrief heißt es ja: Jesus Christus ist das Geistes Gottes ins Glaubensleben reinzuholen und da was zu Bild Gottes, also die Ikone Gottes. Und er ist der Sohn Gottes, verwurzeln in der persönlichen Vorstellung. Jesus ist männlich. Kompass: Wie übersetzen Sie das ins Heute, wenn Anfragen Franke-Atli: Für mich ist es, wenn es da so steht „Bild Gottes“ kommen: Wie kann ich mir den Heiligen Geist vorstellen, wie nicht der Mann Jesus, sondern das, was Jesus gelebt hat, kann ich mir sein Wirken vorstellen? ist Bild Gottes. Da kann man schon anfangen zu diskutieren. Franke-Atli: Mit biblischen Beispielen. Ich rede gerne über Kompass: Aber würden Sie sagen, dass sich die Art und Wei- biblische Texte. Aber ich merke das eigentlich im gottesdienst- se, wie wir von Gott sprechen, wandelt? Hat jede Zeit ihre lichen Vollzug am meisten. Wenn wir regelmäßig Menschen, die eigenen Attribute, die wir Gott oder auch dem Heiligen Geist Gottesdienstgemeinde, einladen zu kommen und sich segnen zusprechen? zu lassen an den Altarstufen. Zum Beispiel vor den Sommerfe- rien, wenn man in den Urlaub geht und die Arbeit hinter sich Franke-Atli: Mit Sicherheit. Auch schon in der Bibel reden Men- lässt. Es gibt die Möglichkeit, auch zu Krisensituationen im schen von Gott in ihrer Zeit. Leben sich einen Segen zu holen. Und da kommen Menschen, und ich weiß nicht, was sie mitbringen an Erschütterungen, an Elßner: Und das greifen manche diplomierte Seelsorger nicht Sehnsüchten, an Träumen, an Krisen. Und wir sprechen einen auf. Sie nehmen die Gemeinde nicht mit. Sie lesen das Evange- ganz persönlichen Segen zu. Und manchen Menschen laufen lium und predigen dazu. Manchmal frage ich mich: Hat er den die Tränen. Also das tröstet, das ermutigt, das baut auf, das Text wirklich durchgelesen? Außer mal kurz in der Sakristei. Oft richtet auf. Der Geist Gottes hat ja auch etwas Aufrichtendes. macht es den Eindruck: frisches Hemd, alte Predigt. Aber wo Wenn man sich in der Pfingstgeschichte diese verstörten Jün- bleibt denn die kontinuierliche Beschäftigung mit theologischer ger anguckt, wie die plötzlich über sich hinauswachsen und Wissenschaft? Kein Arzt kommt auf die Idee, wenn er einen lebendig werden und mutig. Das ist für mich Wirken des Geis- Facharzt hat, zu sagen: Ich brauche mich nie wieder mit dieser tes Gottes. Und zum Beispiel bei solchen Segenshandlungen Materie zu beschäftigen. merke ich das. Das ist nicht etwas, über das ich verfüge, son- dern etwas, was sich ereignet im Augenblick, wo wir segnen. Und das ist eine Erfahrung für Menschen. 14 Kompass 09I20
TITELTHEMA Elßner: Vor Jahren hat der Weihbischof von Erfurt für Furore Elßner: Richtig. gesorgt, dass er Segenshandlungen für Nicht-Christen an- geboten hat. Es war nach der Wende. Bei einigen hat es ein Franke-Atli: Und es bleibt eine kirchliche Handlung. Und die Loch hinterlassen, dass sie keine sozialistische Jugendweihe Menschen nehmen sie, wenn sie da eine Sehnsucht empfin- hatten. Sie wollten aber auch keine Konfirmation oder Firmung. den. Ich habe jetzt keinen Einfluss darauf, was sie auch immer Dann wurde so eine Art Segenshandlung eingeführt. Das sind, sind, wie sie kommen. Da frage ich ja auch niemanden danach. wie soll man das am besten sagen, säkulare Handlungen im Aber es bleibt für mich eine kirchliche Handlung. kirchlichen Kontext. Also man hat schon Wert daraufgelegt, dass das jetzt keine kirchlichen Handlungen sind, sondern Elßner: Man merkt, Rituale oder auch sakrale Räume entfal- man wollte eine Schwelle anbieten, auf der man auch ste- ten eine Wirkung. Und aus dieser Nummer kommt man dann henbleiben kann. halt nicht raus. Längere Zeit gab es Mönche, die lateinische Gesänge so popartig gebracht haben, Sakropop. Sie blieben Franke-Atli: Das würde für mich eine kirchliche Handlung blei- Mönche im sakralen Raum mit spirituellen Texten. Es ist eine ben auch im säkularen Umfeld. Sehnsucht da. Und das kann man auch auf das Wirken des Heiligen Geistes zurückführen. Der Geist weht in der Tat, wo Elßner: Aber die Leute wollen das nicht. Die sagen: Ich möchte er will, und es wäre fatal, ihn einzufangen, weil er sich gar mich segnen lassen, aber ich möchte jetzt nicht Christ werden. nicht einfangen lässt. Ich möchte nicht katholisch werden. Franke-Atli: Wo der Geist Gottes ist, das ist Freiheit. Franke-Atli: Ja, das ist ja nicht nötig dafür. Aber wenn ich segne, bleibe ich evangelische Theologin. Elßner: Ja. 2 Korinther 3,17. Die Fragen stellte Friederike Frücht. © KS / Doreen Bierdel Nicht immer einig, aber immer offen in der Sache zueinander: Das Gespräch in der Hauskapelle St. Michael, in der Kurie des Katholischen Militärbischofs in Berlin. Kompass 09I20 15
ZUM LKU Zur Praxis moralischen Urteilsvermögens In·tu·i·ti·on [die] Teil I O © kirasolly – stock.adobe.com „Was wirklich zählt, ist Intuition“, be- Geist“ in Verbindung. Eine allgemeingül- ..., im privaten Bereich, in wen man sich hauptete einst das Physikergenie Albert tige Definition ist bis heute nicht auszu- verliebt, oder warum man diese Person Einstein. Auch der Physiknobelpreisträ- machen. Während vor 15 Jahren eine als Freund haben möchte, diese Form ger Gerd Binnig spricht davon, dass das Internetsuche zum Schlagwort „Intuition“ von intuitiven Entscheidungen haben. Leben für „das klein bisschen Logik“ in noch 30 Millionen Einträge ergab, sind Man hat das Bauchgefühl. Aber man unserem Bewusstsein einfach zu kom- es heute inzwischen über 80 Millionen. weiß nicht wirklich warum.“ plex wäre und wir Menschen daher im Der Eindruck verstärkt sich, dass unter Alltag der Intuition folgen müssen. Mit dem Begriff „Intuition“ letztlich jeder et- Das menschliche Gehirn ist nämlich nicht anderen Worten: Wenn die Dinge kom- was anderes versteht. Beschränkt man nur ein Überlebensorgan, das seit jeher pliziert werden, muss man sich darüber sich auf rein wissenschaftliche Studien, mittels blitzschneller „Entscheidungen“ erheben … Genau das vermag intuitives wird das Phänomen Intuition zumindest die üblichen Gefährdungen des Lebens Vermögen. systematisch unter den verschiedensten meistert, es ist vielmehr – allem vo- Gesichtspunkten beleuchtet. Aber ein ran – ein Beziehungsorgan! Neurologen Intuition ist weder etwas, das uns die einheitliches Bild, was Intuition wirklich schätzen, dass bei über 90 % unserer richtigen Lottozahlen tippen lässt – da ist, gibt es nicht. Eine Annäherung an Entscheidungen die Intuition eine aus- geht‘s eher um Wahrscheinlichkeiten und das Phänomen gelingt nur begrenzt. schlaggebende Rolle spielt. Gerade in Zufall –, noch darf sie mit tierischem Ins- unsicheren Zeiten mit neuen komplexen tinkt verwechselt werden. Tiere handeln Einer der profiliertesten Forscher auf dem Herausforderungen treffen Menschen gemäß ihrer Natur rein instinktiv, Men- Gebiet der „Bauchentscheidungen“ ist vermehrt unbewusste „Bauchentschei- schen müssen das nicht. Der Mensch Gerd Gigerenzer, ehemaliger Direktor dungen“ – oft auch mit weitreichenden ist wohl auch das einzige Lebewesen, des Max-Planck-Instituts für Bildungsfor- sozialen Folgen für sich und andere. welches überhaupt intuitiv zu handeln schung. Viele Jahre hatte er untersucht, vermag. Intuition ist ein rein menschli- auf welche Weise Menschen insbeson- In den nächsten Kompass-Ausgaben soll ches Vermögen und dem Urteilsvermö- dere mit einer unsicheren Welt umgehen daher die Praxis moralischen Urteilsver- gen mit zuzuschreiben. und darin Entscheidungen treffen. Viele mögens unter dem Aspekt „sittlicher dieser Entscheidungen seien unbewusst, Intuition“ Anregungen zum vertrauten Auch wenn jeder von uns „Intuition“ ir- erklärt Gigerenzer: „Unbewusst bedeutet, Gespräch unter Kameradinnen und Ka- gendwie kennt und seit Kindheit an in- dass man zwar weiß, was man möchte, meraden im Lebenskundlichen Unterricht tuitiv handelt, bedarf es dennoch des aber nicht warum. Und zugleich ist es liefern. Denn besonders für die Soldatin- Versuchs der Verständigung und Annä- immer mehr deutlich, dass wichtige Ent- nen und Soldaten unseres Landes stellt herung an das Thema. Was ist also „In- scheidungen in Wirtschaft, Wissenschaft, sich angesichts komplexer werdender tuition“ wirklich? Technik, Organisation und Auftragslage immer mehr die Frage, ob die von den In der Literatur wird das Phänomen un- Neurologen prognostizierten zwangsläu- terschiedlich beschrieben: Bauchgefühl, figen Bauchentscheidungen wirklich in Geistesblitz, innere Anschauung, gefühl- Ordnung sind … tes Wissen und noch vieles mehr – man- Franz J. Eisend, che bringen es selbst mit dem „Heiligen Wissenschaftlicher Referent, KMBA 16 Kompass 09I20
AUS DER MILITÄRSEELSORGE Kalender 2021 Nach der Jahresmitte 2020 wird es Zeit, verschiedene Angebote für das kommende Jahr in den Blick zu nehmen: Postkartenkalender „Die Kirchen“ Taschenkalender für Wandplaner 2021 der von Lyonel Feininger Soldatinnen und Soldaten 2021 Katholischen Militärseelsorge Zum 150. Geburtstag des Künstlers am „Mit dem neuen Soldaten-Taschenkalen- Ebenfalls in bewährter Form liegt der 17. Juli 2021 ist ein Monatskalender der lade ich Sie herzlich ein, bewusst auf beliebte Wandplaner 2021 im Quer- erschienen, der als Wandkalender zum den Frieden in Jesus Christus zu schau- format 98x68 cm mit viel Platz für Aufhängen eher klein, durch seine Auf- en.“ Unter diesem Friedenswunsch über- Termine und Eintragungen vor. Wie stellvorrichtung jedoch als Standkalender reicht Militärbischof Franz-Josef Overbeck üblich wird auf die Großveranstaltun- geeignet ist. Wer klare, kräftige Farben diese „Jahresgabe für die katholischen gen Kirchentag und Lourdes-Wallfahrt bevorzugt, ist bei den zwölf Gemälden Soldatinnen und Soldaten der Deutschen hingewiesen, auch wenn seit der Pan- von Feininger nicht so gut bedient, denn Bundeswehr“. demie noch lange nicht sicher ist, zumindest diese Auswahl ist in zurück- ob und wie sie stattfinden können. haltenden Pastelltönen gestaltet. Am far- Format, unempfindlicher Kunststoff-Ein- benfrohesten ist eines der bekannteren band und farbliche Gestaltung sind in der Der Kalender im praktischen Taschen- Motive, das sowohl den Oktober als auch aus den vergangenen Jahren bewährten buchformat und der Wandplaner sind bei die Titelseite ziert: Die Marktkirche von Form angelegt. Einige Stichworte zu den den jeweiligen Katholischen Militärpfarr- Halle (1929). äußerlichen und inhaltlichen Besonder- ämtern in den Bundeswehr-Standorten heiten: erhältlich. Aus allen Schaffenszeiten des Malers sind bekannte Kirchengemälde, ergänzt • über 1.000 Namen nach dem Außerdem bieten wir Ihnen in der nächs- durch biografische und kunsthistorische katholischem Namenstags-Kalender ten Ausgabe (Oktober) erneut einen be- Informationen, in diesem Kalender zu • für jeden Tag des Jahres etwa bilderten Kompass-Kalender im Format finden: Lyonel Feininger, 1871–1956, drei bis vier Namensheilige DIN A 3 (doppelseitig) – als Einhefter in Maler, Grafiker und bekannter Bauhaus- • paritätische Verteilung von der Heftmitte. Künstler. Frauen- und Männernamen Jörg Volpers Lyonel Feininger 2021, Die Kirchen. Der Postkartenkalender 12 Kalenderblätter mit 12 Postkarten, 21 x 22,5 cm Spiralbindung, durchgehend farbig gestaltet ISBN 978-3-7462-5638-2, € 14,95 © KS / Doreen Bierdel Kompass 09I20 17
KOLUMNE © DBT / Inga Haar 18 Kompass 09I20
KOLUMNE Liebe Soldatinnen und Soldaten, seit Monaten ist die Covid-19-Pandemie das beherrschende Thema – auch in der Truppe. Das Virus stellt die Bundeswehr vor große Herausforderungen. Das spüre ich als Wehrbeauftragte sehr deutlich. Täglich erreichen mich hierzu Eingaben von Soldatinnen und Soldaten. Übung und Ausbildung sind eingeschränkt. Atemschutzmasken und Desinfektions- mittel fehlten – vor allem zu Beginn der Krise. Kritisiert werden auch die Quarantäne- Maßnahmen vor den Auslandseinsätzen. Es ist zwar richtig, dass wir alles dafür tun müssen, um zu verhindern, das Virus in die Einsatzgebiete zu bringen. Dass während dieser Quarantäne jedoch nur einmal am Tag das Zimmer für einen 30-minütigen Ausgang verlassen werden darf, mutet den Soldatinnen und Soldaten doch zu viel zu. Insgesamt begrüße ich die strikten Hygiene- und Schutzmaßnahmen sehr. Das ha- ben mir auch viele Soldatinnen und Soldaten mitgeteilt. Die Zahlen zeigen, dass sie richtig und gut sind: Die Anzahl infizierter Soldatinnen und Soldaten war und ist sehr gering – im Inland wie im Ausland. Ich hoffe sehr, dass das auch in Zukunft so bleibt. Natürlich ist die Corona-Krise eine enorme Belastung. Doch wir sollten auch den Blick auf das Positive richten. Themen wie Digitalisierung und Vereinbarkeit von Familie und Dienst haben Corona-bedingt einen großen Schub erhalten. Sonderurlaube zur Kinderbetreuung wurden unbürokratisch gewährt. Viele Soldatinnen und Soldaten können Homeoffice machen. Ich wünsche mir, dass wir genau das, was in der Corona-Krise gut lief, weiterfüh- ren. Zum Beispiel Homeoffice für Dienstposten, die sich dafür eignen. Und dass wir dort, wo es noch hakt, weiterdenken und weiter daran arbeiten. Zum Beispiel mehr IT-Ausstattung für mehr Telearbeitsplätze, die Möglichkeit, Sonderurlaube auch stundenweise zu nehmen oder die Durchführung von Auswahlkonferenzen für Berufssoldaten mit digitalen Mitteln. Und noch etwas Positives hat die Corona-Krise: Deutschlandweit sind Soldatinnen und Soldaten im Einsatz gegen das Virus. Während meiner Sommertour war ich im Bundeswehrzentralkrankenhaus in Koblenz, wo Infizierte mit modernster Ausstattung behandelt werden. Und ich war beim Fallschirmjägerregiment 26 in Zweibrücken, das mobile Abstrichstationen betreibt. Allen Soldatinnen und Soldaten möchte ich von ganzem Herzen für ihren Einsatz danken! Sie leisten einen großen Beitrag im Kampf gegen das Virus. Ich hoffe sehr, dass die Amtshilfe der Bundeswehr nicht nur die Sichtbarkeit der Truppe in unserer Gesellschaft erhöht, sondern auch die Wertschätzung und Anerkennung für ihren wertvollen Dienst. Ich freue mich, als Wehrbeauftragte künftig diese Kolumne schreiben zu dürfen. Dabei möchte ich vor allem die Themen aufgreifen, die Soldatinnen und Soldaten bewegen. Denn ihre Anliegen bestimmen meine Agenda. Mir gefällt die schöne Beschreibung des Amtes als „Anwältin“ der Soldatinnen und Soldaten. © SidorArt – stock.adobe.com Mit herzlichen Grüßen Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages Kompass 09I20 19
MEDIEN: BUCH-TIPP Ich bin so frei! E inerseits wirkt der schlichte Buchtitel „Freiheit“ nicht besonders originell, jedoch passt das Ende Mai erschienene Bändchen in die kleine Reihe des Kösel- Verlags mit „glaube!“ und „Kirche über- lebt“. Andererseits werden nur wenige Menschen bei diesem Wort an einen Erz- bischof und Kardinal der katholischen Kirche denken. Nach Lektüre der knapp 170 Seiten plus umfangreichem Literaturanhang – hand- lich, aber doch nicht „klein“ – ist aller- Reinhard Marx, Freiheit dings zu verstehen, dass der ehemalige Vorsitzende der Deutschen Bischofs- gebunden mit Schutzumschlag, konferenz (DBK) Reinhard Marx mit der 176 Seiten Überschrift über seiner Einleitung „Ich Kösel, München, 3. Aufl. 2020 bin so frei!“ durchaus ein ehrlich gemein- ISBN 978-3-466-37261-4, € 18,- tes Lebensthema formuliert. Nicht von ungefähr lautet seit 1996 sein bischöfli- auch als eBook (epub) cher Wahlspruch: „Wo aber der Geist des ISBN 978-3-641-25844-3, € 12,99 Herrn wirkt, da ist Freiheit“ (2 Kor 3,17). Etwas überraschend bei einem solchem Autor, geht es zu Beginn des Buchs kaum theologisch oder kirchlich zu. Erst auf Der Schwerpunkt seiner Arbeit in der Ka- Insgesamt betrachte ich Marx‘ Über- Seite 75 fragt er: „Haben all diese Über- tholischen Soziallehre, bevor er Bischof legungen durchaus als selbstkritisch legungen wirklich etwas mit dem Glauben von Trier wurde; seine Mitwirkung in der gegenüber der deutschen und der Welt- zu tun?“ Und zwei Seiten weiter formu- DBK bis hin zum nun begonnenen „Sy- Kirche, was besonders in den Abschnit- liert er den zentralen Gedanken: nodalen Weg“ (hauptsächlich ab Seite ten über „Frauen in der Kirche“ (ab Seite 92); Rückbezüge auf das II. Vatikanische 107) deutlich wird. Beim Ausblick auf die Konzil und die Würzburger Synode (vgl. Zukunft benennt der – auch noch nach „Das Menschenbild das längste Zitat im Buch von über zwei seinem Rückzug vom Vorsitz der Euro- der Bibel und des Seiten aus dem Beschluss „Unsere Hoff- päischen und der Deutschen Bischofs- nung“, Seite 83–85), die vor rund fünfzig konferenzen – weiterhin „mächtige“ und Christentums geht davon aus, Jahren die katholische Kirche so sehr einflussreiche Kardinal mehrere „Bruch- veränderten; und schließlich die Nähe stellen“, die die Freiheit gefährden: die dass der Mensch Person ist, zum heutigen Papst Franziskus. Spannung von „Arbeit und Kapital“, die die zur Freiheit und Bemerkenswert und aktuell ist seine Aus- Digitalisierung und ihre Auswirkungen auf sage zum Gottesbezug in Verfassungen die Arbeitswelt, die damit zusammen- zur Verantwortung – z. B. für die Europäische Union: hängende „Künstliche Intelligenz“ und schließlich die weitere Entwicklung der bestimmt ist.“ Sozialen Marktwirtschaft. „Mir hätte es damals Die Begriffe „Verantwortung“ und „Be- durchaus gereicht, Das gut lesbare Buch endet, wie es be- ziehung“ sowie die Unterscheidung gonnen hat, mit einem Ausrufezeichen: zwischen „Freiheit von ...“ und „Frei- wenn in der Präambel einer „Denn Freiheit braucht Mut!“ heit zu etwas“ ziehen sich durch die gesamten Erörterungen. Dabei werden zukünftigen Verfassung Jörg Volpers die (lebensgeschichtlichen) Bezüge von Europas stehen würde: Kardinal Marx immer wieder deutlich: Wir sind nicht Gott.“ 20 Kompass 09I20
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