DIE STADT ALS MARKE Marketing für Standorte - imakomm AKADEMIE
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September 2018 DIE Marketing für Standorte STADT Stadt- und Innenstadt- entwicklung ALS Strategien für MARKE Wirtschafts- flächen und -standorte Einzelhandel: Steuerung und Entwicklung
TITEL Teilnehmer der imakomm- Marken-Studie 2018 THEMENÜBERSICHT Die Stadt als Marke Seite 1 Die Studie – exklusive Daten aus der kommunalen Praxis Seite 2-3 „Stadtmarke“ – Wovon sprechen wir überhaupt? Seite 4-5 Umsetzungsgrad: Nicht nur Theorie, sondern längst in den Kommunen angekommen … Seite 6-7 Effekte: Unsere Stadt zur Marke entwickeln – warum? Seite 8-9 Idealtypischer Ablauf: Der Weg zu einer erfolgreichen Stadtmarke Seite 10-11 Ohne geht nicht: Gezielte Beteiligung als Erfolgsfaktor Seite 12-13 Von anderen lernen: Erfahrungsberichte aus der Praxis, Teil 1 Seite 14-15 Schlaglichter: So sieht der Markenbildungsprozess in der Regel aus … Seite 16-17 Von anderen lernen: Erfahrungsberichte aus der Praxis, Teil 2 Seite 18-19 Fazit: Checkliste für einen erfolgreichen Markenbildungsprozess Seite 20-21 Veranstaltungen Die Stadt als Marke Seite 22 Aus der Projektarbeit Seite 23- 31 News Seite 32 imakomm KONKRET | 2018 www.imakomm-akademie.de
DIE STADT ALS MARKE TITEL DIE STADT ALS MARKE Marke? Marke ist „in“ – immer mehr Stäte und Gemeinden in Deutschland beschäftigen sich mit dem Thema Stadtmarke, immer mehr Kommunen wollen eine Marke sein oder entwickeln, und zwar zu Recht: Der zunehmende Wettbewerb zwingt Kommunen – vor allem kleinere und mittelgroße Städte – zur Profilierung und Positionierung. Das Konzept der Markenführung kann hierfür ein Instrument darstellen. In der Praxis existieren vielerorts dennoch Hürden: „Marke“ scheint abstrakt, komplex und wird in ihrer Tragweite oft unter-, manchmal aber auch überschätzt. Schon beim grundlegenden Ver- ständnis, was „Stadtmarke“ bedeutet, gehen die Meinungen vielerorts auseinander. Verlässliche Studien und Daten zur erfolgreichen Entwicklung einer Stadtmarke fehlen bis heute. Neue Erkenntnisse: Gemeinsam mit der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster hat die imakomm AKADEMIE deshalb im Frühjahr 2018 im Rahmen einer studentischen Abschlussarbeit eine empirische Stu- die durchgeführt. Fast 200 Kommunen aus Süddeutschland haben teilgenommen. Die Ergebnis- se sollen Aufschluss darüber geben, wie Markenbildungsprozesse in der kommunalen Praxis tatsächlich angegangen und umgesetzt werden, wo Herausforderungen bestehen und welche Faktoren für einen erfolgreichen Prozess entscheidend sind. Das Innovative: Deutschlandweit existiert bisher keine so umfassende Studie zum „Doing“ bei (geplanten) Mar- kenbildungsprozessen auf kommunaler Seite. Zudem werden bewusst auch kleinere Kommunen (ab 5.000 Einwohner) mit geringerem finanziellem und personellem Budget berücksichtigt. Denn: Marke „ist nicht nur was für Große“ – im Gegenteil. Gerade bei Klein- und Mittelzentren scheint eine Profilierung immer wichtiger zu werden. Experten-Tipps: Die vorliegende KONKRET-Ausgabe beinhaltet neben den zentralen Ergebnissen der Studie (= Schlaglichter) auch praxisorientierte Empfehlungen der imakomm AKADEMIE zur Markenent- wicklung sowie Erfahrungsberichte aus an der Studie beteiligten Kommunen. www.imakomm-akademie.de imakomm KONKRET | 2018 | 1
DIE STADT ALS MARKE Die Studie – exklusive Daten aus der Die Studie: Ziele und Methodik Aussagekraft der Ergebnisse Die Daten wurden im Rahmen einer Online- Ziel der Studie war es, folgende Fragen – explizit Befragung erhoben. Alle Kommunen in Süd- Insgesamt wurden 1.487 Kommunen ange- aus Sicht von kommunalen Akteuren – zu be- deutschland (Baden-Württemberg, Bayern, schrieben – mit einer sehr guten Rücklaufquote antworten: Hessen, Rheinland-Pfalz) mit 5.000 bis 100.000 von 13 % (= 189 Fragebögen). Bei vergleich- Einwohnern wurden zur Teilnahme aufgerufen. baren Kommunalbefragungen wurden in der • Warum macht es Sinn, sich als Kommune Dabei wurden primär die Stadtmarketing- Vergangenheit zum Teil deutlich geringere Rück- als Marke zu positionieren? Verantwortlichen der Kommunen oder alter- laufquoten erreicht, was für die hohe Brisanz • Was muss eine Kommune haben/tun/beach- nativ die kommunale Wirtschaftsförderung des Themas Marke in der kommunalen Praxis ten, um eine erfolgreiche Marke zu werden? angeschrieben, in kleineren Kommunen der/ spricht. • Welche methodischen Ansätze gibt es, um die Bürgermeister/-in. Die Befragung richtete eine Stadtmarke systematisch und nach- sich explizit auch an Kommunen, die noch haltig zu entwickeln? keinen Markenbildungsprozess durchge- • Welche Hürden gilt es beim Markenaufbau führt haben. zu überwinden? 2 | imakomm KONKRET | 2018 www.imakomm-akademie.de
DIE STADT ALS MARKE kommunalen Praxis Teilnehmer nach Bundesland: Teilnehmer nach Einwohnerzahl: Rheinland- 50.000 – Pfalz 100.000 Einw. 16 15 5.000 – 10.000 Hessen Einwohner 36 Baden- 20.000 – 50.000 58 Württemberg Einwohner 82 45 Bayern 10.000 – 20.000 Einwohner 54 67 n = 189 n = 189 Absolute Werte Absolute Werte grau = keine Angabe grau = keine Angabe Statistische Aussagekraft: Ausgehend von ei- Vergleicht man den Rücklauf nach Bundeslän- ner Grundgesamtheit1 von N = 1.487 und einem dern mit dem tatsächlichen Anteil der Bundes- Rücklauf von n = 189 beträgt bei einem akzep- tablen Vertrauensintervall2 von 95 % der maxi- male Stichprobenfehler3 6,7 %. Die Fragebögen länder an der Gesamtzahl der angeschriebenen Kommunen, fällt auf, dass Baden-Württemberg etwas überrepräsentiert, Bayern dagegen ver- Auf den Punkt wurden zudem größtenteils sehr gewissenhaft und ausführlich beantwortet, was insgesamt gleichsweise schwach vertreten ist. Lässt sich daraus ein räumlich ungleich verteiltes Interesse gebracht: für eine hohe Qualität und Aussagekraft der am Thema Stadtmarke ablesen? • Online-Befragung Ergebnisse spricht. Es wird kein Anspruch auf • 189 Kommunen Repräsentativität erhoben, Tendenzen können Der Rücklauf nach Einwohnerzahl zeigt eine • Baden-Württemberg, Bayern, aber sehr wohl aus den Ergebnissen abgele- deutliche Verschiebung hin zu den einwohner- Hessen, Rheinland-Pfalz sen werden. stärkeren Kommunen. Es bestätigt sich also die • 5.000–100.000 Einwohner Vermutung, dass kleinere Kommunen dem Thema • Ergebnisse: Tendenzen mit Marke gegenüber tendenziell (noch) zurückhal- hoher Aussagekraft tender bzw. verschlossener sind als größere. 1 Grundgesamtheit: Summe aller Kommunen, über die eine Aussage getroffen werden soll. 2 Vertrauensintervall: Sicherheit, mit der der tolerierte Stichprobenfehler eingehalten wird. 3 Stichprobenfehler: maximale Abweichung vom wahren Wert (bezogen auf die Grundgesamtheit), der noch toleriert wird. www.imakomm-akademie.de imakomm KONKRET | 2018 | 3
DIE STADT ALS MARKE „Stadtmarke“ – Wovon sprechen wir Bis heute hält sich vielerorts die Ansicht, Es wird deutlich, wie vielschichtig und fa- Die Studie ergab, in welchen kommunalen Stadtmarke sei ein Synonym für Logo und cettenreich der Markenbegriff in der Praxis Handlungsfeldern (von Veranstaltungen bis Slogan. Weit gefehlt! Eine Marke ist deut- interpretiert wird. Auffällig: Der Großteil der Städtebau) eine Markenstrategie in der Praxis lich mehr als ein netter Spruch, ein schö- Nennungen bezieht sich auf die Wahrneh- tatsächlich zum Tragen kommt bzw. Berück- nes Bild oder ein einheitliches Corporate mungsebene. Das Fremdbild (Außenwahr- sichtigung finden kann – quasi als Rahmen/ Design – diese sind allenfalls „Symptome“ nehmung, Image) steht dabei aus Sicht der Leitprinzip für unterschiedlichste Bereiche der und können als Erkennungszeichen einer Befragten gegenüber dem Selbstbild (Innen- Kommunalentwicklung. Die befragten Kommu- Marke fungieren. Eine echte Stadtmarke wahrnehmung, Identität) im Fokus. Und das, nen bestätigen dabei, dass Marke oft reduziert geht aber deutlich tiefer … obwohl sich Forschung und Wissenschaft ei- wird auf „Logo, Slogan, Werbung/Vermarktungs- nig sind: Markenentwicklung muss „von in- aktivitäten“. So gaben 100 % der Befragten an, Diese Meinung teilen auch die Befragten nen nach außen“ erfolgen. Denn eine Marke dass die Entwicklung dieser Instrumente ein der Studie. Was diese mehrheitlich unter kann nur dann eine positive Strahlkraft nach essentieller Bestandteil der Markenstrategie „Stadt als Marke“ verstehen, zeigen die außen entfalten, wenn sie von den internen ist. Folglich kann „die Marke“ nur begrenzt wir- meistgenannten Schlagworte in der Grafik Zielgruppen (Bürgerschaft, Vereine, Unterneh- ken. Denn ein besonderes Profil kann erlebbar auf der rechten Seite. men usw.) akzeptiert und mitgetragen wird. gemacht werden beispielsweise auch durch Berücksichtigung dessen bei baulichen/gestalte- rischen Maßnahmen. Allerdings stufen nur 38 % der Teilnehmer solche Maßnahmen als relevan- ten Aspekt im Rahmen der Markenstrategie ein. Experten-Tipp: … ein Definitionsversuch: STADTMARKE = „Gesamtheit der wesensprägenden, charakteristischen Merkmale einer Stadt (Substanz) und der vorhandenen Vorstellungsbilder von dieser Stadt in den Köpfen der Zielgruppen (Selbstbild/Identität und Fremdbild/Image), die eine Differenzierung gegenüber anderen in Konkurrenz stehenden Kommunen bewirkt und das Verhalten der Zielgruppen, zum Beispiel ihr Kaufverhalten, beeinflusst.“ (Henrich 2017; verändert nach Radtke 2013) … Grundansatz für kommunalpolitische Diskussionen Vermeiden Sie die „Image-Falle“: Gerne wird Marke implizit mit „besserem Image“ im Umland gleichgesetzt (= Fremdimage). Fremdimage ist jedoch nur EIN Aspekt von Marke. Ohne positives Eigenbild bleibt diese unvollständig. Die Substanz wird meist ganz vergessen – ist aber direkter beeinflussbar als Fremd- und Eigenimage. Daher: Klären Sie zu Beginn, was mit Marke gemeint ist und welche Ziele eigentlich verfolgt werden sollen. 4 | imakomm KONKRET | 2018 www.imakomm-akademie.de
DIE STADT ALS MARKE überhaupt? „Ziel eines Markenprozesses ist es, die Wahrnehmung der Stadt Auf den Punkt innen und außen zu schärfen und ein klares Profil zu entwickeln.“ gebracht: • Marke ist mehr als Logo und Sigrid Resch, Stadt Burghausen Slogan! • Stadtmarke muss alle drei Ebenen berücksichtigen: Substanz, Selbst- bild und Fremdbild. Ansatzpunkte für eine Stadtmarke können beispielsweise charakteristische Bauwerke oder Sehenswür- • Stadtmarke als Rahmen/Leitprinzip digkeiten, die geografische Lage der Stadt, die ortsansässige Wirtschaft/Unternehmen, „Leuchtturm-Events“, für die Kommunalentwicklung – besondere Werte/Bräuche/Mentalität der Bevölkerung oder auch eine historische Persönlichkeit sein. von Veranstaltungen bis Städtebau www.imakomm-akademie.de imakomm KONKRET | 2018 | 5
DIE STADT ALS MARKE Umsetzungsgrad: Nicht nur Theorie, sondern Mehr als jede dritte Kommune zwischen 5.000 Betrachtet man die Affinität zur Markenentwick- Auffällig ist auch: Der Großteil der Kommunen, und 100.000 Einwohnern hat bereits einen lung, differenziert nach der Größe der Kommunen, die sich mit dem Thema Stadtmarke aktiv ausei- Markenbildungsprozess durchgeführt, befin- fällt eines auf: Marke kommt immer mehr auch nandersetzen, erkennt offensichtlich das Potenzial det sich derzeit in einem laufenden Prozess in den Klein- und Mittelstädten an! Der Anteil einer Markenentwicklung für die eigene Stadt/Ge- Ja, der oder zumindest in der Planung/Vorbereitung der Befragten, die sich noch nie mit dem Thema meinde. Denn: Nur 5 % aller befragten Kommunen Markenbildungs- eines solchen. Ein weiteres Drittel der Städte Stadtmarke beschäftigt haben, liegt selbst bei gaben an, sich mit dem Thema beschäftigt, dann bereits prozess wurde Nein, wir haben uns abgeschlossen und Gemeinden kann sich vorstellen bzw. den Kommunen unter 10.000 Einwohnern bei nur aber bewusst bishergegen diemitDurchführung(oder noch nie eines Mar- befindet sich in Ja, der beabsichtigt, einen Markenprozess anzustoßen. 36 %; bei den Mittelstädten sind es noch deut- kenbildungsprozesses dem Themaentschieden zuder Markenbildungs- haben. Die Abschlussphase) Markenbildung Im Klartext: Zwei von drei Kommunen be- lich weniger (20.000–50.000 Einwohner: 13 %; Hürde scheintbeschäftigt. für vielewurde prozess – gerade kleinere Kommu- bereits 14% Nein, wir haben uns abgeschlossen schäftigen sich bereits aktiv mit dem Thema 50.000–100.000 Einwohner: 7 %). bisher noch nienen mit – also eher(oder in den ersten befindet sichSchritten in zur Etab- 22% dem Themalierung der Markenentwicklung „Stadt als Marke“ – Tendenz steigend! der Abschlussphase) als in der überzeu- Markenbildung beschäftigt.genden Bedeutung der 14% Thematik an sich zu liegen. Ja, wir derze „Marke ist die neue Generation des Stadtmarke- Frage: Haben Sie in Ihrer Kommune la 22% tings“ (Pirck, Kausch, Strahlendorf, 2017; in: Städte bereits einen Markenbildungs- Marke proze als Marken 2), so wird es in Literatur und Fachzeit- prozess durchgeführt oder Ja, der Ja, wir befinden uns der Vo Markenbildungs- derzeit in einem schriften häufig postuliert. Die Ergebnisse der vor- sind Sie aktuell dabei? prozess wurde bereits laufenden P liegenden Studie scheinen diesen Trend zu bestä- n = 189 Nein, wir haben uns abgeschlossen Markenbildungs- bisher noch nie mit (oder befindet sich inprozess (oder in tigen. Eine ähnliche Erkenntnis brachte auch das dem Thema der Abschlussphase)der Vorbereitung / Nein, wir haben uns imakomm-Standort-Radar (2017) hervor: Hier Markenbildung mit dem Thema beschäftigt. Nein, aber wir können Planung) 14% war es knapp die Hälfte aller befragten Kom- beschäftigt, aber uns vorstellen bzw. 24% bewusst gegen die 22% beabsichtigen, munen (5.000–80.000 Einwohner), die Durchführung eines einen Marken- Nein, wir Nein, wir haben haben uns uns bereits einen Markenbildungsprozess mit dem mit dem Thema Thema Markenbildungsprozes Nein, aber wir können bildungsprozess Ja, wir befinden uns ses entschieden. uns vorstellen bzw. durchzuführen. durchgeführt haben, gerade da- beschäftigt, aber beschäftigt, aber derzeit in einem bewusst gegen bewusst die gegen die beabsichtigen, laufenden bei oder in Planung sind. Durchführung eines Durchführung eines 5% einen Marken- 35% Markenbildungs- Markenbildungsprozes Markenbildungsprozes bildungsprozess prozess (oder in ses entschieden. ses entschieden. durchzuführen. der Vorbereitung / Planung) 5% 5% 35% 24% Nein, aber wir können uns vorstellen bzw. beabsichtigen, einen Marken- bildungsprozess durchzuführen. 35% 6 | imakomm KONKRET | 2018 www.imakomm-akademie.de
DIE STADT ALS MARKE längst in den Kommunen angekommen … Hessen n = 36 8% 22% 28% Rheinland-Pfalz 6% n = 16 12% 36% 13% 13% 25% 37% 15% 20% 4% 16% 24% 31% 30% 18% 4% Bayern 38% n = 54 Baden- Württemberg n = 82 „In den 90er-Jahren waren wir wie viele andere Städte noch auf dem Trip ‚Lokale Agenda‘ und ‚Stadtleitbild‘. Anfang der 2000er hat man gemerkt, dass das Abarbeiten unzähliger Einzelmaßnahmen die Stadt nicht wirklich weiterbringt im Sinne einer Profilierung. Wir haben also angefangen zu über- legen, welches Profil unsere Stadt bekommen soll – als ‚Dach‘ für die Entwicklung und Vermarktung unserer Stadt.“ Marcus Brill, Stadt Bad Dürkheim Auf den Punkt gebracht: • Marke = neue Generation des Stadtmarketings • Zwei von drei Kommunen beschäftigen sich bereits aktiv mit Markenbildung. • Auch immer mehr kleine und mittelgroße Städte entdecken das Thema Marke für sich. www.imakomm-akademie.de imakomm KONKRET | 2018 | 7
DIE STADT ALS MARKE Effekte: Unsere Stadt zur Marke entwickeln Die Gründe und Motive, warum sich immer mehr Kommunen auf den Hoffnungen / Erwartungen Weg einer Markenentwicklung machen, sind vielfältig. Nicht nur die Wahrnehmung der Stadt (intern und extern) kann durch eine starke 87% Marke positiv beeinflusst werden, vielmehr bestätigen die befragten Kommunen auch klare wirtschaftliche Effekte: Steigerung der Kauf- 77% kraftbindung, Erhöhung der Zentralität, Ansiedlung von Unternehmen, 70% verstärkter Einwohnerzuzug. Marke kann also deutlich mehr als „nur“ 46% das Image einer Stadt aufpolieren, Marke wird zum Katalysator für den Erfolg bereits bestehender Ansätze im Sinne von Wirtschaftsförderung! 45% 31% Die nebenstehende Grafik stellt die Hoffnungen/Erwartungen der 27% Kommunen vor, d. h., diese werden zu Beginn des Markenbildungspro- 16% zesses den tatsächlich wahrgenommenen Effekten der erarbeiteten 15% Marke gegenübergestellt. 15% Die naheliegenden Effekte einer Stadtmarke sind wohl die Bekanntheitsstei- 11% gerung und Verbesserung des (Fremd-)Images einer Stadt (Wahrnehmung von außen). In erster Linie beeinflusst eine starke, attraktive Marke aber auch Frage: Welche Argumente sprechen für die Durchführung das Verhalten der internen Zielgruppen, also der Bürger/-innen. Dies äußert eines Markenbildungsprozesses in Ihrer Kommune? Welche sich meist durch eine größere Identifikation mit der eigenen Stadt, eine Stär- positiven Effekte einer Stadtmarke sehen Sie? n = 148 / Antworten: 681 / Keine Angabe: 11 / Frage wurde allen Kommunen kung des Bürgerstolzes und des Zusammengehörigkeitsgefühls. gestellt, die sich bereits mit dem Thema Marke beschäftigt haben. Experten-Tipp: 5 Thesen zur Notwendigkeit und Sinnhaftigkeit einer Stadtmarke: 1. „Aus dem zunehmend härter werdenden Wettbewerb der Standorte entsteht für Städte, Regionen und Staaten ein unvermeidbarer Druck, sich im Kampf um Einwohner, Touristen, Unternehmen und Investoren klar zu positionieren und sich als einzigartige Location zu profilieren, um dauerhafte Wettbewerbsvorteile aufzubauen.“ (Löw 2006, S. 2) 2. Der Standort-Wettbewerb trifft kleinere Kommunen im ländlichen Raum noch stärker als Großstädte, denn insbesondere kleinere Städte sehen sich zunehmenden Konzentrationsprozessen, wegbrechenden harten Standortfaktoren (Versorgungsstrukturen im Handel, kommunale Infrastruktur im Bereich Freizeit usw.) und der negativen demografischen Entwicklung gegenüber. 3. „Eine starke, attraktive Marke […] ist eines der besten Instrumente, um in diesem Wettbewerb zu bestehen und zu gewinnen. Denn für die Zukunftsfähigkeit von Städten ist ganz entscheidend, dass sie Anziehungskraft auf die relevanten Zielgruppen ausüben. Die Markentechnik stellt ein bewährtes Instrumentarium dafür bereit, diese Anziehungskraft systematisch zu erzeugen bzw. zu erhöhen.“ (Pirck/Kausch 2013; in: Städte als Marken, S. 20) 4. Markenbildung wird also zunehmend zu einem notwendigen Bestandteil von Stadtentwicklung, um negativen Entwicklungen (Leerstände, Abwanderung, Kaufkraftabfluss, Trading Down usw.) zu begegnen. 5. Hinzu kommt: Die zunehmende Fülle an kommunalen Aufgaben und zugleich begrenzte Ressourcen erfordern eine „Logik“ zur Auswahl, Konzentration und Effizienz von Aktivitäten im städtischen (Verwaltungs-)Handeln. Eine Marke kann diese „Logik“ liefern. 8 | imakomm KONKRET | 2018 www.imakomm-akademie.de
DIE STADT ALS MARKE TITEL – warum? Tatsächliche Effekte Stärken der Identifikation der Bürger 78% Verbesserung des Images 67% Steigerung der Bekanntheit 72% „Es geht um die Vorteile des Mehr Tages-/Übernachtungsgäste 61% Standortes im Wettbewerb, also Erhöhung der Kaufkraftbindung 39% um ökonomischen und sozialen Neuansiedlungen von Unternehmen 39% Nutzen für die Stadt.“ Zuzug von Einwohnern allgemein 39% Zuzug von Familien 33% Nadine Schuster, Stadt Ludwigsburg Zuzug von jungen Menschen 11% Positiver Effekt Zuzug von Fachkräften 28% Eher positiver Effekt Erhöhung der Zentralitätskennziffer 45% Frage: Wie bewerten Sie die bisherigen Effekte der erarbeiteten Marke Ihrer Kommune in Bezug auf folgende Faktoren? n = 18 / Frage wurde nur Kommunen mit abgeschlossenem Markenbildungsprozess gestellt. Auf den Punkt Exkurs: gebracht: • Zunehmender Wettbewerb zwingt Erfolgsmessung von Stadtmarken: Kommunen – v. a. kleinere – zur Profilierung und Positionierung. Der Erfolg einer Stadtmarke scheint zunächst schwer messbar! Eine Annäherung kann bei- • positiver Einfluss auf Bekanntheit, spielsweise durch die regelmäßige Erhebung ausgewählter Indikatoren gelingen, zum Beispiel: Image und Identität (intern und • Tourismuszahlen (Ankünfte, Übernachtungen, Ausgaben) extern!) • Kaufkraftbindungsquote, Zentralitätskennziffer • Marke als Katalysator (= größere • Markenimage (Abfrage von Assoziationen bei Auswärtigen) Wirkung) von bestehenden und • Zufriedenheit von Bürgern, Kunden, Unternehmen, Stakeholdern (Befragungen) neuen Maßnahmen, letztlich Marke • Bevölkerungsentwicklung, Gewerbeansiedlungen auch als Wirtschaftsfaktor • Höhe von Fördermitteln / Sponsoring-Gelder, die in die Stadt fließen • Marke liefert „Logik“ für effizienten • Anzahl Bewerber auf ausgeschriebene Stellen und effektiven Mitteleinsatz in der • Presseberichterstattung / Social Media (Klicks) Stadtentwicklung. • Zahl der Innenstadtbesuche einer Person • Die tatsächlichen Effekte einer • Städterankings usw. Marke können langfristig erfasst werden. Die befragten Kommunen ACHTUNG: Jeder einzelne Indikator erlaubt keinen direkten Rückschluss auf einen „Verdienst“ der scheinen tendenziell von den Marke. Zeigt eine Kennzahl eine positive Entwicklung an, bleibt unklar, welchen Anteil die Marke tatsächlichen Effekten positiv daran hat, da es viele weitere Einflussfaktoren gibt. Die Gesamtschau mehrerer Analysen, die überrascht. Dies ist aber kritisch möglichst vielfältige Facetten der Marke abdecken sollten, kann aber wohl als Beleg für eine zu hinterfragen (siehe Sonder- erfolgreiche Markenführung betrachtet werden. konjunktur der Wirtschaft, siehe Grundsätzlich gilt: Eine Marke braucht Zeit – messbare Effekte werden meist erst nach methodisch schwierige Isolierung Jahren sichtbar! der reinen Marken-Effekte). www.imakomm-akademie.de imakomm KONKRET | 2018 | 9
DIE STADT ALS MARKE Idealtypischer Ablauf: Der Weg zu einer Wenn die Entscheidung gefällt ist, einen Markenbildungsprozess anzugehen, stehen viele Kommunen vor der Frage nach dem „Wie“. In Theorie und Praxis existiert eine Vielzahl unterschiedlicher Markenmodelle, methodischer Ansätze und Vorgehensweisen – die Auswahl des „richtigen Ansatzes“ fällt hier oft schwer. Zwei entscheidende Kriterien gilt es dabei zu beachten: 1. Der Prozess muss zur Kommune passen: 2. Unverzichtbare Kernelemente (so auch bestätigt von den Befragten): A. Keine Stadt fängt bei null an – im Gegenteil: „Nach dem Beschluss der In der Regel gibt es bereits zahlreiche be- A. Zieldefinition zu Beginn des Prozesses stehende Konzepte (ISEK, Leitbild, Einzel- Markenstrategie durch den handelskonzept usw.), auf die ein Markenbil- B. Ist-Analyse von Selbstbild (Identität) und Gemeinderat ist es Aufgabe der dungsprozess sinnvoll aufbauen sollte. Das Fremdbild (Image) spart Doppelarbeit und kann die Kosten für die Stadt, die Marke in Kooperation Markenentwicklung reduzieren, da benötigte C. Strategie-Entwicklung: Markenelemente, mit vielen weiteren Akteuren in Befragungen und Analysen in Teilen schon Botschaften, Soll-Positionierung vorliegen. Projekte umzusetzen und damit D. Ableitung konkreter Projekte / Maßnah- erlebbar zu machen.“ B. Die Struktur und Größe der Stadt (Flä- men zur Umsetzung chengemeinde vs. Ein-Ort-Gemeinde, Anzahl Manfred Jungbeck, Stadt Schramberg der Interessensgruppen, Verwaltungsaufbau usw.) spielen eine wichtige Rolle bei der Aus- wahl der richtigen Vorgehensweise. C. Entscheidend sind auch die gesteckten oder „Im Grunde durchläuft ein Markenbildungsprozess feste im Prozess zu definierenden Ziele. Wer sind Strukturen, wie ein Naturgesetz: Zielsetzung, Analyse Ist-Zustand, die Zielgruppen, die von der Marke primär an- gesprochen werden sollen (z. B. Bürger/-in- Festlegung Soll-Zustand. Die konkrete Ausgestaltung der einzelnen nen oder Touristen)? Welcher räumliche „Wir- Phasen kann natürlich von Stadt zu Stadt sehr unterschiedlich kungsradius“ der Marke wird angestrebt? Die frühzeitige Klärung dieser Fragen ermöglicht aussehen.“ – ebenso wie Punkt A. – einen effizienten Shqipe Karagja, Stadt Bad Waldsee Grafiken: Mitteleinsatz, da Beteiligungsformate gezielt eingesetzt werden können. Definition Zielgruppen 64% ZIEL Definition räumlicher Wirkungsbereich 48% DEFINITION Definition Wettbewerber 19% Selbstbild (Innenwahrnehmung) 77% Fremdbild (Außenwahrnehmung) 75% ANALYSE Substanz (objektive Stärken & Schwächen) 64% Konkurrenzanalyse 27% Ableitung Markenelemente / Markenkern (Ist) 67% STRATEGIE Resonanzanalyse (bei den Zielgruppen) 27% Festlegung Markenstrategie (Soll) 60% UMSETZUNGS Erarbeitung konkreter Maßnahmen 77% VORBEREITUNG Festlegung Organisationsstrukturen 52% Frage: Welche der folgenden Elemente/Schritte sind Bestandteile des in Ihrer Kommune durchgeführten Markenbildungsprozesses? n = 64 / Antworten: 511 / Keine Angabe: 13 / Frage wurde nur Kommunen mit abgeschlossenem oder laufendem Markenbildungsprozess gestellt. 10 | imakomm KONKRET | 2018 www.imakomm-akademie.de
DIE STADT ALS MARKE erfolgreichen Stadtmarke Experten-Tipp: Systematisches Vorgehen anhand des imakomm- Markentrichters: Häufig vergessen, obwohl absolut notwendig: • Substanzanalyse: Eine Marke muss glaubhaft sein! Sie können also nur das vermarkten, was eine Stadt auch faktisch zu bieten hat. Dazu müssen die objektiven Stärken und Schwächen Ihrer Stadt (Infra- struktur, Bildung, Wirtschaft, Freizeit und Kultur usw.) sauber erfasst werden. Aber Achtung: Es geht nicht einfach um Stärken und Schwächen, sondern: Stärken müssen überprüft werden, ob sie tatsächlich eine Alleinstellung begründen und für die Ziel- gruppe(n) wichtig und spürbar sind! • Konkurrenzanalyse: Wenn Sie sich durch die ausgewählten Themen überhaupt eine Marke von Ihren Wettbewerbern ab- heben wollen, müssen Sie diese kennen interessant/attraktiv für Bürgerschaft, Kunden, Touristen, Unternehmen? Auf den Punkt • und bewerten. Resonanzanalyse: Es wäre fahrläs- • Umsetzungsstrukturen: Nach dem Ab- schluss eines Markenbildungsprozesses gebracht: sig, allein aus einem Stärken-Schwä- geht die Arbeit erst los: Die erarbeitete • Vielzahl unterschiedlicher chen-Profil die Markenstrategie für die Marke muss mit Leben gefüllt und am Theorien und Modelle Zukunft abzuleiten. Denn: Entscheidend Leben gehalten werden! Das kostet Zeit • ein praktikabler Ansatz: der für die Auswahl der Markenelemente ist und Geld. Deshalb sollten Sie unbedingt „imakomm-Markentrichter“ nicht das Vorhandensein einer Stärke an schon im Prozess Verantwortlichkeiten • Individueller Projektzuschnitt sich, sondern deren sogenannte „Treiber- und Meilensteine für die Markenführung kann Aufwand und Kosten sparen! wirkung“ auf die relevanten Zielgruppen. definieren. • Nicht vergessen: Substanz, Es muss folglich überprüft werden: Sind Konkurrenz, Resonanz! www.imakomm-akademie.de imakomm KONKRET | 2018 | 11
DIE STADT ALS MARKE Ohne geht nicht: Gezielte Beteiligung als „Eine Marke kann nur etabliert und glaubhaft vermittelt werden, wenn sie aus der Stadt heraus gemeinschaftlich erarbeitet und gelebt wird.“ Tina Eberhardt, Aprinum Kommunikation ZIEL 73% DEFINITION ANALYSE 77% STRATEGIE 50% UMSETZUNGS 43% VORBEREITUNG Frage: In welchen Phasen Ihres Markenbildungsprozesses findet Beteiligung statt? Welche Akteure wurden in welcher Form beteiligt? n = 64 / Antworten: 107 / Keine Angabe: 20 / Frage wurde nur Kommunen mit abgeschlossenem oder laufendem Markenbildungsprozess gestellt. 12 | imakomm KONKRET | 2018 www.imakomm-akademie.de
DIE STADT ALS MARKE Erfolgsfaktor Der größte Unterschied zwischen einer Stadtmarke die eine Stadtmarke als Markenbotschafter mittra- heraus“ erfolgen. Nur bei einer aktiven und und einer Produkt-/Unternehmensmarke ist die gen und unterstützen sollen: Verwaltung, Gemein- ehrlichen Beteiligung der Zielgruppen und deutlich höhere Komplexität bei Kommunen und derat, Bürger, Vereine, Institutionen, Unternehmen. Akteure gelingt eine breite Akzeptanz und Un- das Verschwimmen zwischen „Anbieter“ und Die Kommune verfügt aber im Gegensatz zu einem terstützung der Marke „in den eigenen Reihen“. „Nachfrager“. Eine Stadtmarke soll eine Vielzahl Unternehmenschef nur über eingeschränkte Wei- So werden die Personen zu Botschaftern und von relevanten Märkten, internen und externen sungsbefugnis gegenüber eben diesen Akteuren. Katalysatoren der Stadtmarke. Auch die befrag- Zielgruppen (Bürger, Touristen, Unternehmen, In- ten Kommunen der imakomm-Studie nennen vestoren usw.) ansprechen. Hinzu kommt das Pro- Konsequenz: Eine „von oben“ verordnete Bürgerbeteiligung als einen der wichtigsten blem der Steuerung, denn ebenso vielfältig wie Stadtmarke wird in der Umsetzung scheitern! Erfolgsfaktoren für einen gelungenen Marken- die Zielgruppen der Marke sind auch die Akteure, Die Entwicklung der Marke muss „von innen bildungsprozess. „Vor der Arbeit an der Stadtmarke steht die Überzeugungsarbeit. Davon kann nicht genug geschehen, intern und extern.“ Nadine Schuster, Stadt Ludwigsburg Experten-Tipp: Kein Freifahrtschein zu grenzenloser Beteiligung: Markenentwicklung ohne Beteiligung kann nicht funktionieren! Dieser Appell soll allerdings Auf den Punkt nicht als Aufforderung zu x-beliebiger und grenzenloser Beteiligung missverstanden werden. Im Gegenteil: Beteiligungsformate sollten „wohldosiert“ und strategisch sinnvoll einge- gebracht: setzt werden. • Beteiligung fördert die Akzeptanz der Stadtmarke. In der Praxis hat sich ein sogenannter „atmender Prozess“ bewährt, das heißt ein • Empfehlung: Mischung aus breiter Wechsel zwischen breiter und gezielter Beteiligung. Neben Formaten zur breiten Be- und gezielter Beteiligung teiligung (bspw. Bürger- und Gästebefragung, öffentliche Veranstaltungen, Marken-Work- • innovative Beteiligungsformate mit shops) braucht es auch Phasen der Konzentration. Hierfür empfiehlt sich die Bildung einer motivierendem Charakter („anders prozessbegleitenden Projektgruppe (ca. 20 Personen), die ein möglichst repräsentatives als üblich“) Abbild der Stadtgesellschaft darstellen sollte. • prozessbegleitende Projektgruppe als Abbild der Stadtgesellschaft So wird einerseits gewährleistet, dass sich alle Akteurs- und Interessensgruppen aktiv • Zeitpunkte und Formate der einbringen können, andererseits wird aber auch die Arbeitsfähigkeit im Prozess sicher- Beteiligung mit Bedacht wählen gestellt. • Und: Externe Zielgruppen nicht vergessen! www.imakomm-akademie.de imakomm KONKRET | 2018 | 13
DIE STADT ALS MARKE Von anderen lernen: Erfahrungsberichte WETZLAR: „Marke ist ein kontinuierlicher, nie aufhörender Prozess“ wir eine starke Penetration. Da gibt es natürlich immer Ausreißer, die immer wieder eingefangen werden müssen. Dies bedeutet tägliches Arbeiten an der Marke. Sie müssen immer mit den Leuten in Kommunikation bleiben. Eine Marke bekannt zu machen, ist viel einfacher, als sie auf einem be- stimmten Level zu halten. Auf diesem Weg befin- den wir uns nun seit fast 20 Jahren. KONKRET: Eine Marke so lange am Leben zu erhalten und so fest zu verankern, erfordert si- cherlich viel Disziplin und einen langen Atem. Wie schaffen Sie das? Rainer Dietrich: Wenn Sie das Image einer Stadt verändern wollen, müssen Sie immer dranbleiben. Wenn Sie nur einfach mal eine Marke platzieren und denken, dass damit alles erledigt ist, dann KONKRET: „Wetzlar: Goethe- und Optikstadt“ da abholen, wo sie sind. Wenn ich die mit einem haben Sie das gemacht und irgendwann wundern – eine Marke, die neugierig macht. Wie sind Sie durchstrukturierten Markenbildungsprozess kon- Sie sich, dass die Marke nicht wahrgenommen dazu gekommen? frontiere, dann wird das nicht funktionieren. Das ist wird. Außerdem haben wir gerade im Tourismus, Rainer Dietrich: Ich habe 1999 in Wetzlar die für viele zu komplex, zu abstrakt, zu wenig greifbar. der Kultur und im Sport Partner, die die Marke mit Wirtschaftsförderung übernommen und dann ge- Wir haben mit einem Missionsprozess begonnen, uns immer weiter voranbringen/weiterentwickeln meinsam mit allen politischen und gesellschaftli- mit dem Motto: „Wofür steht Wetzlar heute, wofür und die dies auch einfordern. Und es braucht ei- chen Akteuren einen von einem externen Institut soll Wetzlar in Zukunft stehen?“ Dazu haben wir nen Kümmerer und Antreiber, denn man muss die begleiteten Stadtmarketingprozess initiiert. Auf- Befragungen und Bürgerbeteiligungsworkshops Marke immer pflegen, pflegen, pflegen. gabe war zu definieren, wie wir uns positionieren durchgeführt und die Ergebnisse wurden in dem und wie wir in Zukunft wahrgenommen werden Prozess immer mehr verdichtet, sodass dabei am KONKRET: Noch eine abschließende Frage: Kann wollen. Wetzlar hat als Stadt zwei Schwerpunkte: Ende die Marke rausgekommen ist. jede Stadt eine erfolgreiche Marke werden? Das ist einmal unsere lange industrielle Tradition, Rainer Dietrich: Prinzipiell würde ich sagen: Ja. vor allem in der metallverarbeitenden (z. B. Bude- KONKRET: Ist die Marke Wetzlar erlebbar? Eine Marke kann aber nur funktionieren, wenn sie rus) und in der optischen (z. B. Leica und Hensoldt) Rainer Dietrich: Absolut. Die größten Anknüp- authentisch zur Identität der Stadt passt. Sie darf Industrie, und auf der anderen Seite ein intensiver fungspunkte sind die Bereiche Tourismus, Kultur nicht beliebig oder sogar völlig austauschbar sein. Tourismusbereich, insbesondere im Kultur- und und Sport. Letztes Jahr haben wir mit der Tou- Naherholungstourismus. Hier hat man seit dem rist-Info ein neues Projekt unter dem Titel „Pers- Goethejahr 1998 die Chance genutzt, das Thema pektivwechsel“ aufgesetzt. Da haben wir die The- Goethe stärker in den Fokus zu stellen. Johann men Optik und Tourismus verbunden: Wie kann Wolfgang Goethe war hier als Praktikant am ich die Stadt erleben, wenn ich meine Perspektive Reichskammergericht, dem damals höchsten Ge- wechsele? Es werden Stadtführungen mit Fern- richt in Deutschland. Er lernte hier seine Jugend- gläsern oder Fotografen angeboten. Das ist nur liebe Charlotte Buff kennen und hat nach seinem ein Beispiel. Auch im Sportbereich sind neben den Aufenthalt in Wetzlar seinen Briefroman „Die Lei- lokalen Vereinen unsere Aushängeschilder wie den des jungen Werthers“ geschrieben, der hier in unser Handballbundesligist, die HSG Wetzlar oder Wetzlar spielt. So ist dieses Konzept „Goethe- und die international erfolgreichen Rollstuhlbasketbal- Optikstadt“ entstanden. ler des RSV Lahn-Dill Markenbotschafter. Rainer Dietr ich Leitung Wirt KONKRET: Was, würden Sie sagen, war das Be- KONKRET: Gibt es außer der Stadtverwaltung schaftsförder ung und Geschä sondere an Ihrem Markenbildungsprozess? weitere Akteure, von denen die Marke mitgetra- ftsführung Stadt-Marke ting Wetzlar Rainer Dietrich: Wir haben den Prozess zunächst gen wird? Stadt Wetzlar , gar nicht als „Markenbildung“ kommuniziert. Rainer Dietrich: Die Tourist-Information hat unse- ca. 53.000 Ei nwohner, Landkreis La Man muss die verschiedensten Leute und gesell- re Markenwelt komplett übernommen. Auch viele hn-Dill-Kreis , Hessen schaftlichen Gruppen, die einbezogen werden, Vereine nutzen die Wortbildmarke, dadurch haben 14 | imakomm KONKRET | 2018 www.imakomm-akademie.de
DIE STADT ALS MARKE aus der Praxis, Teil 1 GARMISCH-PARTENKIRCHEN: „Professionelle Markenführung in einer touristisch geprägten Gemeinde“ KONKRET: Was war in Garmisch-Partenkirchen man Urlaub in der Natur macht, kann man auch merken die Leute auch, dass das etwas mit der der Auslöser, eine Marke zu entwickeln? ein bisschen was von sich selbst entdecken. professionellen Markenführung zu tun hat. Dafür Stephanie Fichtl: Das war eigentlich ganz of- muss man aber auch immer weiter daran arbeiten fensichtlich, weil es überhaupt keine klare Linie KONKRET: Wie wird die Marke gelebt und geführt? und regelmäßig prüfen, ob die Positionierung, das gab. Da war es logisch, eine Markenstrategie Greifen Sie da auf bestimmte Management-Tools Produkt und die Zielansprache noch passen. unter das Ganze zu legen, damit man weiß, wo zurück? Auch ein Ort, seine Partner und Gäste oder auch es hingehen soll, und damit alle Akteure im Ort Stephanie Fichtl: Seit 2007/2008 ist die Marke allgemeine Trends können sich ja ändern. eine konkrete und praktikable Richtschnur ha- ben. Wir hatten auch kein einheitliches Auftreten. Wir hatten zwar ein Logo, aber das hatte keinen strategischen Unterbau und keinerlei Richtlinien, wie es einheitlich eingesetzt werden soll. Es war also eher ein buntes Wiedererkennungszeichen, jedoch ohne Corporate Identity. Keiner wusste, ob das wirklich zu uns passt. KONKRET: Richtet sich die Marke Garmisch- Partenkirchen hauptsächlich an Auswärtige? Stephanie Fichtl: Eine Marke muss auf jeden Fall den Markenkern einer Kommune darstel- len, von daher muss der Inhalt von innen her- aus entwickelt werden. Aber die Zielrichtung der Kommunikation bei uns ist natürlich, vor allem Externe anzusprechen. KONKRET: Wie war der Markenbildungsprozess bei Ihnen aufgebaut? Stephanie Fichtl: Das war ein sehr langfris- in allen Bereichen integriert. Wir haben in den KONKRET: Welche Rolle spielt das Budget für tig angelegter Workshop-Prozess. Nach je- verschiedenen Abteilungen Checklisten, basie- einen erfolgreichen Markenbildungsprozess? dem Workshop wurden die Ergebnisse von der rend auf den Markenwerten, erarbeitet, welche Stephanie Fichtl: Ein Markenbildungsprozess Markenagentur und von uns intern aufbereitet die Richtschnur im täglichen Arbeiten darstellen. ist natürlich aufwendig. Für eine Agentur, das und dann wurden die Ideen in den Strategie- So kann beispielsweise eine Anfrage für eine Personal und die anschließende Umsetzung von gruppen wieder weiterentwickelt. Veranstaltung daraufhin geprüft werden, ob sie Maßnahmen braucht man Geld. Dennoch ist es wirklich zu uns passt. Dies ermöglicht uns, dass für jede Kommune sinnvoll, sich klar zu positio- KONKRET: Sie hatten also einen externen Part- alle Fachbereiche aufeinander abgestimmt arbei- nieren. Gerade für kleinere Orte kann das strate- ner, der den kompletten Prozess koordiniert und ten und alle Projekte auch wirklich zum Ort und gisch sehr effektiv sein. Und wenn sie sich einen begleitet hat? der gemeinsamen Strategie passen. Außerdem eigenen Markenbildungsprozess aufgrund der Stephanie Fichtl: Ja, dann tut man sich leichter. Ein haben auch externe Leistungsträger im Ort, z. B. geringen finanziellen Möglichkeiten nicht leisten externer Moderator kann die Leute besser leiten. Geschäfte oder Hotels, angefangen, sich von der können, kann es Sinn machen, sich dabei auch Wenn so viele Interne zusammenarbeiten, ist es gut, Marke inspirieren zu lassen, und sich ähnlich po- an eine gute Dachorganisation anzuhängen und dass auch noch mal jemand von außen, mit etwas sitioniert, einfach weil sie gemerkt haben, dass sich mit den Nachbarn als Region zu vermarkten. Abstand und dem neutralen Blick draufschaut. es funktioniert. So passen dann auch deren Akti- vitäten besser in das Gesamtkonzept des ganzen KONKRET: Ihr Slogan lautet: „Entdecke deine Ortes. Gemeinsam ist man einfach stärker. Stephanie Fi wahre Natur“. Welcher Markenkern steckt da- chtl Leiterin Mar hinter? KONKRET: Dann ist die Marke schon in viele keting, PR & Garmisch-Par Online tenkirchen Stephanie Fichtl: Das ist im Prinzip eine klei- Bereiche vorgedrungen? Tourismus ne Doppeldeutigkeit. Wir sind natürlich ein Ort, Stephanie Fichtl: Ja, das dauert auch ein paar Markt Garm isch-Partenk ca. 27.000 Ei irchen, wo man Natururlaub macht – also praktisch und Jahre. Im Tourismus treten die Effekte nicht sofort nwohner, Landkreis Ga tatsächlich die Natur entdeckt. Und als Zweites auf, aber wenn man immer wieder die Ergebnisse rmisch-Parte Bayern nkirchen, deutet es die Tiefe der Urlaubserholung an. Wenn und die positiven Entwicklungen aufzeigt, dann www.imakomm-akademie.de imakomm KONKRET | 2018 | 15
STADT- DIE STADT UNDALS INNENSTADTENTWICKLUNG MARKE Schlaglichter: So sieht der Markenbildungsprozess Die INITIATIVE zum Anstoß eines Marken- bildungsprozesses geht meistens vom (Ober-) Bürgermeister (36 %), von der Wirtschaftsförderung (20 %) oder vom Stadtmarketing (20 %) aus. 90 % der Kommunen vertrauen beim Thema Marke auf die Unterstützung durch einen EXTERNEN PARTNER, der … … den gesamten Prozess begleitet (32 %). … einzelne Projektschritte übernimmt (30 %). … punktuell / bei Bedarf beratend zur Seite steht (28 %). Zu 95 % ist die DURCHFÜHRUNG des Markenbildungspro- zesses innerhalb der Gemeinde-/Stadtverwaltung verortet, nur zu 5 % bei einer ausgelagerten Institution (z. B. Stadtmarketingverein). Primär verantwortlich sind die kommunale Wirtschaftsförderung (28 %), der Bereich Stadtmarketing (24 %) oder Tourismus (16 %). In 22 % der befragten Kommunen ist der Markenprozess direkt beim (Ober-)Bürgermeister angesiedelt. Die durchschnittliche DAUER eines Marken- bildungsprozesses – von der ersten Initiative bis zur „fertigen“ Markenstrategie – beträgt 18 Monate (Spannbreite: 6–48 Monate). Achtung: Erarbeitung und Umsetzung gehen oft fließend ineinander über. Für die reine Erarbeitung der Markenstrategie sollten erfahrungsgemäß 9–12 Monate einkalkuliert werden. Um die MARKENFÜHRUNG (= Umsetzung der Markenstrategie) kümmert sich in den meisten Kommunen der Bereich Tourismus und Stadtmarketing – entweder innerhalb der Verwaltung (38 %) oder angesiedelt in einer ausgelagerten Institution (GmbH, Verein; 25 %). 16 | imakomm KONKRET | 2018 www.imakomm-akademie.de
REGIONALE DIE STADT ALS STRATEGIE MARKE in der Regel aus … Bei der Markenentwicklung greifen die Kommunen auf eine Vielzahl unter- schiedlicher MODELLE UND THEORIEN zur Markenbildung zurück. DEN einen, richtigen Ansatz scheint es nicht zu geben. 32.000 € kostet ein Markenbildungsprozess im Die TOP 5-ZIELGRUPPEN Durchschnitt (ohne Umsetzung!). von Stadtmarken sind: Kommunen mit 5.000–20.000 Einwohnern: 23.000 € • Touristen (87 %) Kommunen mit 20.000–100.000 Einwohnern: 57.000 € • ortsansässige Unternehmen (80 %) • Bürger/-innen allgemein (80 %) • Investoren (53 %) • Kunden aus dem Umland (53 %) Die größten HÜRDEN für den Start eines Markenprozesses sind aus Sicht der Befragten: Kosten (58 %), Personalaufwand (51 %), Dauer (42 %), „Mehrwert wird nicht gesehen“ (42 %) und die Angst vor zu wenig Unterstützung durch die Bürgerschaft (26 %) und sonstige Akteure (29 %). Kommunen, die einen Markenprozess bereits erarbeitet haben, können diese Herausforderungen – rückwirkend betrachtet – weitgehend bestätigen, aller- dings in einem deutlich geringeren Ausmaß als anfangs befürchtet. 9 VON 10 Kommunen sind mit dem Verlauf ihres Markenbildungsprozesses zufrieden und bewerten den bisherigen Effekt der erarbeiteten Marke (eher) positiv. www.imakomm-akademie.de imakomm KONKRET | 2018 | 17
TITEL DIE STADT ALS MARKE Von anderen lernen: Erfahrungsberichte BAD DÜRKHEIM: „Mittlerweile haben alle die Wirtschaftlichkeit der Marke erkannt“ KONKRET: Haben Sie in Bad Dürkheim den Mar- kenbildungsprozess schon abgeschlossen? Marcus Brill: Nein, der wird aber auch nie abge- schlossen sein. KONKRET: Wann sind Sie denn gestartet? Marcus Brill: Das war 2004/2005, als ich hier an- gefangen habe. Die Profilierung von Städten war bis Anfang der 2000er ja kein Thema. Da waren alle noch auf dem Trip mit lokaler Agenda und Stadt- leitbild, wo man möglichst 1.000 verschiedene Maßnahmen reinpackt, damit auch jeder zufrieden ist. Das wurde hier in den 90ern auch so gemacht, aber man hat gemerkt, dass das Abarbeiten von Einzelmaßnahmen die Kommune nicht wirklich im Sinne einer Profilierung weiterbringt. Wir haben also angefangen zu überlegen, welches Profil Bad Dürk- heim mal bekommen soll, und arbeiten seit 13/14 Jahren sehr erfolgreich an dem Thema. KONKRET: Gibt es ähnliche positive Effekte be- derem durch den Bau eines neuen Thermalbades KONKRET: Wie sind Sie an das Thema Marken- zogen auf die eigenen Bürger? – wieder stärker einbeziehen. entwicklung herangegangen? Marcus Brill: Ja, das sieht man an der Entwick- Marcus Brill: Es gab eine relativ gute Datengrund- lung der Baulandpreise. Daran merkt man, dass KONKRET: Welches sind Ihrer Meinung nach die lage aus den 90ern, für das Stadtleitbild hatte es viele Leute hier herwollen. Das hat es in dem wichtigsten Erfolgsfaktoren? viele Befragungen gegeben. Wir hatten also ein gu- Umfang früher nicht gegeben. Marcus Brill: Man muss den Prozess Schritt für tes Bild von der Innenansicht und vom Fremdimage Schritt angehen und dabei immer wieder nach und konnten so feststellen, was Bad Dürkheim KONKRET: Welches sind die aktuellen Themen draußen kommunizieren, dass etwas passiert. ausmacht. Das sind vor allem die Themen Genuss, bzw. „Baustellen“ im Markenbildungsprozess in Auch die Kommunalpolitik muss die Langfristig- Wein und miteinander feiern. Darauf bauen wir Ver- Bad Dürkheim? keit eines Markenbildungsprozesses sehen, die anstaltungen auf, die das ganze Image tragen. Die Marcus Brill: Wie gesagt, der Prozess ist nie Effekte sieht man nicht sofort. In Bad Dürkheim Leute sollen hier etwas erleben und wenn es ihnen abgeschlossen. Einmal arbeiten wir immer da- waren zum Glück die wirtschaftlichen Ressour- gefällt, fahren sie heim und erzählen es weiter und ran, unsere Veranstaltungen im Sinne der Mar- cen und das Vertrauen der Politik gegeben, so- kommen auch selbst wieder. ke weiterzuentwickeln. Der zweite Punkt sind dass wir in Ruhe an der Marke arbeiten konnten infrastrukturelle Dinge, die Pflege unserer Se- und können. Außerdem braucht es ein Team, KONKRET: Welche Effekte der Marke Bad Dürk- henswürdigkeiten und Liegenschaften. Die Stadt das auch über den Tellerrand hinausschaut und heim sehen Sie bis jetzt? investiert dabei immer wieder selbst. Wir sind in dem alle gemeinsam den Markengedanken Marcus Brill: Den größten Effekt sehen wir bei mittlerweile so weit, dass alle erkannt haben, verfolgen. Eine Einzelperson kann das nicht der Außenwahrnehmung. Nachdem wir viele Jah- welche Wirtschaftlichkeit hinter der Marke steht. schaffen. Bei uns sind die Bereiche Tourismus, re stagnierende Besucherzahlen hatten, wachsen Wir sind an der Schwelle, davon wegzukommen, Wirtschaftsförderung und Veranstaltungsma- die Zahlen seit neun Jahren permanent. Das bringt die Markenbildung als freiwillige Leistung zu se- nagement seit 2009 eine Abteilung. So geht bei natürlich auch wirtschaftliche Effekte mit sich. Ge- hen, die man macht, wenn gerade Geld da ist, der Kommunikation viel weniger verloren. rade im Frühjahr merken wir, wie die Menschen aus und stattdessen dahin zu kommen, zu sagen, der Region nach Bad Dürkheim strömen, während dass es etwas ganz Wichtiges für die Gesamtent- in den Nachbarkommunen noch nicht so viel los wicklung der Stadt ist. Daher müssen auch im- ist. Wir sind mutig und machen ab Mitte Februar mer wieder neue Themen aufgenommen werden Marcus Bri ll Sachgebietsl Outdoor-Veranstaltungen. Im März werden in der und es muss regelmäßig hinterfragt werden, ob eite Wirtschaft un r Weinbergnacht die Weinberge beleuchtet und an die Ausrichtung und das Bild, das wir erzeugen, d Tourismus Stadt Bad D ürkh den zwei Tagen kommen 20.000 Leute nach Bad noch das ist, was gesellschaftlich gewollt ist. Wir ca. 19.000 Ei eim, nw Dürkheim. Wir sind an den Punkt gekommen, wo sind ja beispielsweise ein Kurort und um als sol- Landkreis Ba ohner, d Dürkheim Rheinland-Pf , der Prozess sich von selbst trägt, ohne dass man cher wieder wahrgenommen zu werden, wollen alz viel Werbung schalten muss. wir das Thema Gesundheit/Wellness – unter an- 18 | imakomm KONKRET | 2018 www.imakomm-akademie.de
DIE STADT ALS MARKE aus der Praxis, Teil 2 SONTHOFEN: „Marke mal anders – schlanker Prozess, viele Themen“ KONKRET: Wie sind Sie in Sonthofen auf das Thema Markenbildung gekommen? Andreas Maier: Wir haben intern überlegt, wofür Sonthofen eigentlich steht, und haben gemerkt, dass wir zu viele Sachen auf einmal bespielen. Wir haben deshalb Anfang 2017 einen Marken- bildungsprozess gestartet, um Schwerpunktthe- men herauszuarbeiten, mit denen sich Sonthofen samt seinen Bürgern und Gästen auch wirklich identifiziert. KONKRET: Wie ist der Prozess abgelaufen und wo stehen Sie heute? Andreas Maier: Wir haben am Anfang einen Experten engagiert und haben einen hausinter- nen Workshop als Start durchgeführt. Es folgten noch zwei weitere Workshops mit Vertretern aus Politik, Wirtschaft, Vereinen usw. Nun haben wir unsere Markenthemen und Geschichten für das Andreas Maier: In dem Prozess sind wir jetzt. Wir hatten die Kompetenzaussage „Zukunft le- ben im Allgäu“ im städtischen Logo. Die Aussage wurde als Ergebnis aus den Workshops gestri- chen, weil damit niemand etwas mit Sonthofen verbinden konnte. Jetzt schauen wir, wie wir weiter vorgehen. KONKRET: Wenn Sie den bisherigen Prozess Re- vue passieren lassen: Welche Erlebnisse sind Ih- nen besonders positiv im Gedächtnis geblieben? Andreas Maier: Wir haben mit den verschiede- nen Akteuren z. B. eine Exkursion nach Freiburg gemacht, um das Thema Fahrradstadt und Kon- version von Bundeswehrflächen zu beobachten. Das war als Input für Sonthofen super. Außerdem Storytelling herausgearbeitet und überlegen nun, tigkeit stehen in engem Zusammenhang, Fahr- steht und fällt das Ganze natürlich auch mit ei- wie wir die einzelnen Themen im Marketing an- radstadt ist ein eigenes großes Schwerpunkt- nem Moderator. Wir haben sehr davon profitiert, gehen und mit Leben füllen. thema und Freizeit- und Kulturangebot sowie dass wir einen Experten beauftragt haben, der Einkaufsstadt gehören thematisch zusammen. den Blick von außen hat, das nötige Know-how KONKRET: Welche Themen sind das? besitzt und Erfahrung mitbringt. Andreas Maier: Freizeit- und Kulturangebot, KONKRET: Welche Zielgruppen wollen Sie vor allem Einkaufsstadt, Fahrradstadt, geografische Lage, ansprechen? Natur und gelebte Nachhaltigkeit. Andreas Maier: Es sollen eigentlich alle angespro- Andreas Mai chen werden. Als Erstes müssen sich die eigenen er Stab Wirtscha KONKRET: Das sind recht viele Themen. Denken Bürger mit den Themen identifizieren. Sie sind das ftsförderung Stadt Sontho fen, Sie, es wird ein Problem, alle unter einen Hut zu Hauptmedium für eine positive Außenwerbung und ca. 22.000 Ei nwohner, bringen? das Storytelling. Danach gehen wir dann in den Landkreis O berallgäu, Bayern Andreas Maier: Nein, denn für diese Themen Gästesektor, Unternehmensansprache usw. stehen wir wirklich. Außerdem verzahnen sich KONKRET: Wird die Marke in einem Logo oder die Themen teilweise. Lage, Natur und Nachhal- einem Slogan festgehalten? www.imakomm-akademie.de imakomm KONKRET | 2018 | 19
DIE STADT ALS MARKE Fazit: Checkliste für einen erfolgreichen IDEELLE GRUNDVORAUSSETZUNGEN: Ausreichend finanzielle Mittel einplanen Gemeinsame Wissens- und Willensbasis • Dabei sind auch Folgekosten für die nachhaltige Marken- führung und Markenumsetzung zu berücksichtigen. Grundvoraussetzung: politischer Wille der „Stadtspitze“ • Heißt für die Kommunalpolitik: Budget für den Prozess • Nutzen muss von den Verantwortlichen erkannt werden und die Umsetzung erster Quick Wins bereitstellen. • Fürsprecher bei Multiplikatoren und Meinungsführern gewinnen Markenprozess von Beginn an auf breite Basis stellen METHODISCHE VORBEREITUNG: • Schaffung eines einheitlichen Verständnisses für oft miss- Prozess muss zur Kommune passen, nachvollziehbar sein verstandenes Thema Marke („mehr als Logo und Slogan“) und Beteiligung ermöglichen. • Sensibilisierung sämtlicher interner Akteure (Bürgerschaft, Verwaltung, Politik, Unternehmen, Vereine usw.) für den Markenentwicklung nach Maß Markenprozess • Umfang des Prozesses realistisch anhand der eigenen • Beteiligte dort abholen, wo sie stehen _ schafft Akzeptanz (finanziellen, personellen) Möglichkeiten festlegen Bewusstsein schaffen für strategische und langfristige • auf bestehenden Konzepten/Analysen/Planungen aufbauen Ausrichtung • Zieldefinition (Zielradius, Zielgruppen usw.) als Grundlage • Fakt ist: Imagewechsel und Identitätsstiftung sowie Arbeit zur Auswahl der passenden Methodik an der Substanz brauchen Zeit. Markenentwicklung mit System • Die Effekte einer Marke werden oftmals erst nach Jahren • Marke ist emotional und spricht Befindlichkeiten an. sichtbar. Umso wichtiger ist ein fundiertes, nachvollziehbares methodisches Vorgehen. • Theoretisches Markenmodell liefert Struktur und gibt PERSONELLE UND FINANZIELLE VORBEREITUNG: Orientierung, muss aber (von Externen) nachvollziehbar Ohne die notwendigen Ressourcen, ohne Fach- und Methoden- und transparent angewandt werden. wissen und ohne eine stringente Führung funktioniert Markenentwicklung „von innen heraus“ Markenentwicklung nicht. • Marke kann nicht „von oben“ verordnet werden, deshalb: intensive Beteiligung sämtlicher Zielgruppen und Akteure Ein Hauptverantwortlicher als wesentlicher Erfolgsfaktor. • Eine Person/Stelle muss „den Hut aufhaben“ • Akzeptanz und Botschafterprinzip: Interne Zielgruppen (organisatorisch). sind besonders wichtig. • zentraler Koordinator und Ansprechpartner für alle • Mischung aus breiter und gezielter Beteiligung sinnvoll („atmen- beteiligten Akteure der Prozess“); Beteiligungsformate mit Bedacht auswählen Ein festes Team, das den gesamten Prozess begleitet • Achtung: Die Stadtgesellschaft besteht nicht nur aus • prozessbegleitende Steuerungsgruppe, die das Projekt über- Aktiven, im Gegenteil! Wählen Sie deshalb Formate, die wacht, Zwischenergebnisse evaluiert und weiterentwickelt auch jene Zielgruppen einzubinden vermögen, die aus • branchenübergreifende Besetzung als repräsentatives Alters-, Kultur- oder sprachlichen Gründen selten beteiligt Abbild der Stadtgesellschaft, bewusst auch unterschied- sind, die Gesellschaft aber (immer stärker) mitprägen. lichste Perspektiven „aufeinanderprallen lassen“ • Bekenntnis aller Mitglieder zum Prozess, um geschlossenes Auftreten nach außen sicherzustellen DIE MARKENSTRATEGIE: Externer Partner für mehr Akzeptanz und Verständnis Glaubhaft, fokussiert und erlebbar • hat als Außenstehender einen objektiven, unvoreinge- nommenen Blick auf die Kommune Die Marke muss authentisch sein • bringt Expertise, Erfahrung, Vertrauenswürdigkeit und • Eine Marke kann/darf nicht künstlich aufgesetzt oder erzwun- Autorität mit gen werden. Legen Sie deshalb Wert auf die systematische, • sollte gezielt eingesetzt werden, nicht allein als Moderator aber kompakte (!) Analyse der Substanz. • sollte mit Bedacht ausgewählt werden • Die Marke muss die tatsächliche Identität der Kommune und ihrer Bewohner widerspiegeln. 20 | imakomm KONKRET | 2018 www.imakomm-akademie.de
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