Erben und Vererben Eine kleine Einführung in das Erbrecht - Notariat Schöffmann

Die Seite wird erstellt Matthias Mai
 
WEITER LESEN
Erben und Vererben Eine kleine Einführung in das Erbrecht - Notariat Schöffmann
N O TA R I AT

         INFORMIERT

Erben und
Vererben
Eine kleine Einführung in das Erbrecht
Notar Mag. Klaus Schöffmann | Mit den ab 2017 geltenden Änderungen
Erben und Vererben Eine kleine Einführung in das Erbrecht - Notariat Schöffmann
Erben und
    Vererben
    Eine kleine Einführung in das Erbrecht

    Inhaltsverzeichnis
    Das gesetzliche Erbrecht ............................................................................ Seite 8
    Ehegatten .................................................................................................... Seite 8
    Lebensgefährten ....................................................................................... Seite 10
    Verwandte ................................................................................................ Seite 11
    Adoption .................................................................................................. Seite 15
    Erbunwürdigkeit ..................................................................................... Seite 16
    Pflichtteilsrecht ....................................................................................... Seite 17
              Checklist Ermittlung des Pflichtteilsanspruchs .......................... Seite 22
    Letztwillige Verfügungen ....................................................................... Seite 28
    Testament ................................................................................................ Seite 29
              Goldene Regeln für Testamente ................................................. Seite 32
    Ehegattentestament ................................................................................ Seite 33
    Vermächtnis................................................................................................Seite 33
    Pflegevermächtnis ................................................................................... Seite 34
    Enterbung ................................................................................................ Seite 36
    Pflichtteilsminderung ............................................................................. Seite 37
    Übergeben oder Vererben? ..................................................................... Seite 39
    Wohnungseigentum im Todesfall ........................................................... Seite 43
    Unternehmensnachfolge ......................................................................... Seite 47
              Zielsetzungen bei der Unternehmensnachfolge .......................... Seite 48
              Goldene Regeln für Unternehmertestamente .............................. Seite 49
    Bäuerliche Erbfolge ................................................................................. Seite 50
    Verlassenschaftsverfahren ....................................................................... Seite 51
    Steuern und Gebühren ............................................................................ Seite 53
    Die europäische Erbrechtsverordnung ................................................... Seite 58
    Exkurs: Vertretungsvorsorge .................................................................. Seite 62
              Praktische Tipps für den Erbfall .............................................. Seite 70
              Was Sie heute schon tun können .............................................. Seite 72
              Die ersten Stunden danach ....................................................... Seite 75
              Die Zeit nach dem Begräbnis ..................................................... Seite 78

2
Erben und Vererben Eine kleine Einführung in das Erbrecht - Notariat Schöffmann
N O TA R I AT

Richtig vererben?

Es gibt Situationen im Leben, in denen man mit dem Tod und seinen
Folgen konfrontiert wird, etwa weil ein Verwandter oder Bekannter
verstorben ist.
                                                                          Wir bieten Ihnen umfassende Rechtsbetreuung, insbesondere auf
Man sollte sich aber auch rechtzeitig über den eigenen Tod Gedanken       den folgenden Gebieten:
machen und für den Fall der Fälle vorbereitet sein. Dies auch, damit
unerwünschte Folgen für die Hinterbliebenen bestmöglichst vermie-         • Liegenschaftsrecht einschließlich Wohnungseigentum,
den werden.                                                               •	Gesellschaftsrecht mit besonderem Augenmerk auf
                                                                             Umgründungen und Unternehmensvorsorge,
                                                                          • Familienrecht, Personen- und Vermögensvorsorge und
• Wer wird einmal mein Haus erben, wenn ich nicht mehr bin?               • alle Fragen rund um das Erbrecht

•	Wie kann ich sicher gehen, dass meine Liebsten nach                    Eine der Hauptaufgaben des Notars ist die Erstellung notarieller
   meinem Tod gut versorgt sind und jene, die sich Jahr                   Urkunden, um klare Verhältnisse zu schaffen und dadurch Streitig­
   und Tag nicht kümmern, möglichst wenig erben?                          keiten zu vermeiden. Die umfangreiche Ausbildung im Notariat
                                                                          verbinden wir mit modernen Technologien – insbesondere im Bereich
Diese Broschüre soll Ihnen dabei helfen, derartige Fragen zu beant-       der Telekommunikation – um dem sicheren Recht auch rasch zum
worten und einen ersten Überblick über das Erbrecht zu bekommen.          Durchbruch zu verhelfen.
Sie ersetzt aber keinesfalls die fachkundige Beratung bei Ihrem           Wir laden Sie herzlich zu einem kostenfreien Erstgespräch ein!
Notar, da Sie dieser, speziell Ihre Situation betreffend, beraten wird.
Im Sommer 2015 wurde eine umfangreiche Reform des Erbrechts
beschlossen. Die mit 1.1.2017 in Kraft tretenden Änderungen sind
bereits eingearbeitet. An den jeweiligen Stellen finden Sie einen
                                                                             DR. BETTINA PIBER                 MAG. KLAUS SCHÖFFMANN
Hinweis auf die Rechtslage bis 31.12.2016.                                       Notarsubstitutin                     öffentlicher Notar

  www.notariat-schoeffmann.at
Erben und Vererben Eine kleine Einführung in das Erbrecht - Notariat Schöffmann
N O TA R I AT

Erbrechtliche
Gestaltungsmittel
Unter Erbrecht versteht man alle Vorschriften, welche die Rechts-
nachfolge betreffend das Vermögen eines Verstorbenen regeln. Das
Erbrecht bestimmt, auf wen Rechte und Pflichten, Vermögenswerte
und Verbindlichkeiten übergehen. Das Erbrecht beruht entweder auf
einer letztwilligen Verfügung oder in Ermangelung einer solchen auf
der gesetzlichen Erbfolge.
Nach österreichischem Recht kann jeder von Todes wegen frei über
sein Vermögen verfügen. Jeder kann also selbst bestimmen, an wen
nach seinem Tod sein Vermögen fallen soll. Hat der Verstorbene von
seiner Testierfreiheit nicht Gebrauch gemacht und kein Testament
errichtet, tritt die gesetzliche Erbfolge ein. Nach der gesetzlichen
Erbfolge bleibt das Vermögen in der Familie, in erster Linie beim
Ehegatten und bei den Kindern.
Einen gewissen Ausgleich zwischen dem System der Testierfreiheit
und der gesetzlichen Erbfolge stellt das Pflichtteilsrecht dar. Liegt
ein Testament vor und werden darin die nächsten Angehörigen
des Verstorbenen (Ehegatte, Kinder, bis 31.12.2016 noch die Eltern)
nicht berücksichtigt, haben diese als Pflichtteilsberechtigte einen
Anspruch gegen die Testamentserben auf Zahlung eines bestimmten
Betrages, den sogenannten Pflichtteil.

                                                                                 7
Erben und Vererben Eine kleine Einführung in das Erbrecht - Notariat Schöffmann
N O TA R I AT

               Das gesetzliche Erbrecht                                                b)	als gesetzliches Vorausvermächtnis zusätzlich (d.h. ohne Ein-
                                                                                           rechnung in den gesetzlichen Erbteil und unabhängig davon, ob
               Die gesetzliche Erbfolge kommt zur Anwendung, wenn
                                                                                           der Ehegatte Erbe ist oder nicht)
               • der Verstorbene keine letztwillige Verfügung hinterlassen hat,
                                                                                         • das Recht, in der Ehewohnung weiter wohnen zu bleiben,
               • die hinterlassene letztwillige Verfügung ungültig ist,
                                                                                         • die zum ehelichen Haushalt gehörenden beweglichen Sachen,
               •	die letztwillige Verfügung nur einen Teil
                                                                                             soweit sie zu dessen Fortführung entsprechend den bisherigen
                  des Nachlasses erfasst (Vermächtnis),
                                                                                             Lebensverhältnissen erforderlich sind;
               •	der eingesetzte Erbe die Erbschaft nicht annehmen kann oder
                  will (wenn der eingesetzte Erbe z.B. vorverstorben oder              c) a
                                                                                           ls gesetzliches Vermächtnis bei einer gemeinsamen Eigentums-
                  erbunwürdig ist oder er die Erbschaft ausschlägt).                      wohnung nach dem Wohnungseigentumsgesetz den Anteil des
                                                                                          vorverstorbenen Wohnungseigentumspartners am Mindestanteil
                                                                                          und damit verbundenen gemeinsamen Wohnungseigentum (also
               Ehegatten
                                                                                          der gemeinsamen Eigentumswohnung). Der Überlebende hat –
               Der überlebende Ehegatte ist gesetzlicher Erbe. Ist die Ehe zum Zeit-      sofern andere pflichtteilsberechtigte Personen vorhanden sind
               punkt des Todes des Verstorbenen rechtskräftig geschieden, hat der         – für den Erwerb dieser Anteile einen „Übernahmspreis“ an den
               frühere Ehegatte kein Erbrecht.                                            Nachlass zu bezahlen, der maximal die Hälfte des Verkehrswertes
               Der Umfang des gesetzlichen Erbrechts des Ehegatten ist davon abhän-       der gesamten Eigentumswohnung beträgt. Diese Zahlung kann in
               gig, welche Verwandten des Verstorbenen neben ihm vorhanden sind.          Härtefällen gestundet werden.

               Der Ehegatte erhält                                                     	Das Wohnungseigentumsgesetz sieht das gemeinsame Wohnungs-
                                                                                         eigentum nicht nur für Ehegatten, sondern für zwei Personen
               a) als gesetzlichen Erbteil                                               generell als „Eigentümerpartnerschaft“ vor, also auch für z.B.
                 • neben den Kindern des Verstorbenen und deren                         Lebensgefährten und einen Elternteil gemeinsam mit einem Kind.
                    Nachkommen 1/3 des vorhandenen Nachlasses,
                 • neben den Eltern des Verstorbenen 2/3 des Nachlasses und          Daneben hat der überlebende Ehegatte bis zur Wiederverehelichung
                 • in den übrigen Fällen den ganzen Nachlass                         grundsätzlich einen Anspruch auf Unterhalt gegenüber der Verlas-
                                                                                       senschaft wie bei bestehender Ehe. Dieser Anspruch ist der Höhe

    !     bis 31.12.2016 erhält der Ehegatte

         • neben den Eltern des Verstorbenen und deren Kindern 2/3 des
                                                                                       nach mit dem Wert der Verlassenschaft begrenzt. Hier hat sich der
                                                                                       überlebende Ehegatte alles einrechnen zu lassen, was er nach dem
                                                                                       Verstorbenen durch vertragliche oder letztwillige Zuwendungen, als
            Nachlasses,
                                                                                       gesetzlichen Erbteil, Pflichtteil, öffentlich rechtliche oder privat-
        • neben den Großeltern 2/3 des Nachlasses sowie jenen Erbteil,
                                                                                       rechtliche Leistungen (z.B. Pension, Lebensversicherung) erhält.
           der auf die Nachkommen vorverstorbener Großeltern entfiele,
        • wenn weder Kinder oder deren Nachkommen, noch
           Eltern,Großeltern oder Geschwister des Verstorbenen vorhanden
           sind, den ganzen Nachlass;

8                                                                                                                                                                       9
Erben und Vererben Eine kleine Einführung in das Erbrecht - Notariat Schöffmann
N O TA R I AT

              Lebensgefährten                                                               Sonderregelungen bestehen im Mietrecht, dort haben Lebensgefähr-
                                                                                            ten unter bestimmten Umständen ein Eintrittsrecht in den Mietver-
              Unter Lebensgemeinschaft wird eine eheähnliche Geschlechts-,
                                                                                            trag. Auch durch die Möglichkeit, gemeinsames Wohnungseigentum
              Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft verstanden. Sie ist jedoch – im
                                                                                            zu begründen, kann eine Absicherung des Lebensgefährten erreicht
              Gegensatz zur Ehe – jederzeit einseitig lösbar.
                                                                                            werden. Hier sind Vereinbarungen unter den Lebensgefährten sinn-
              Mit der Reform des Erbrechts wird für Lebensgefährten ein außer-              voll. Dafür ist jedenfalls die notarielle Beratung anzuraten.
              ordentliches Erbrecht eingeführt. Dieses greift erst dann, wenn die Verlas-
                                                                                            Kinder aus einer Lebensgemeinschaft haben ein Erbrecht nach bei-
              senschaft mangels anderer gesetzlicher Erben (z.B. Onkel, Großneffe, ...)
                                                                                            den Eltern, sofern die Vaterschaft durch Anerkenntnis oder Urteil
              den Vermächtnisnehmern oder dem Bund zufallen würde. Ferner hat
                                                                                            festgestellt wurde. Außereheliche Kinder sind nach beiden Eltern
              der Lebensgefährte nunmehr das auf ein Jahr befristete Recht, in der
                                                                                            ehelichen Kindern erbrechtlich vollkommen gleichgestellt.
              gemeinsamen Wohnung weiter zu wohnen und die zum gemeinsa-
              men Haushalt gehörenden Sachen in dieser Zeit zu benutzen.                    Verwandte
              Voraussetzung ist grundsätzlich das Bestehen eines gemeinsamen                Gleichermaßen erbberechtigt sind Verwandte aus ehelicher und
              Haushalts in den letzten drei Jahren und das Fehlen einer aufrechten          unehelicher Abstammung. Das Verwandtschaftsverhältnis muss zu
              Ehe.                                                                          Lebzeiten des Verstorbenen feststehen oder nach dessen Tod gericht-
                                                                                            lich festgestellt werden.

                ACHTUNG                                                                     Die Verwandten des Verstorbenen erben nach Linien (Parentelen).
                                                                                            Eine Linie wird von einem Stammhaupt und seinen Nachkommen
                                                                                            oder einem Stammelternpaar und dessen Nachkommen gebildet. Die
                  Der Lebensgefährte hat nur ein nachrangiges Erbrecht!
                                                                                            Linien kommen nacheinander zum Zug, d.h. die zweite Linie kann
                  Möchten Sie Ihren Lebensgefährten absichern, muss zu
                                                                                            nur erben, wenn aus der ersten Linie niemand zur Erbschaft gelangt,
                  dessen Gunsten ein Testament errichtet werden!
                                                                                            die nähere Linie schließt also die fernere aus (= „ jung vor alt“).
                                                                                            Die Verwandtschaftslinien werden wie folgt gebildet:

     !   BIS 31.12.2016

         Lebensgefährten haben KEIN gesetzliches Erbrecht.
                                                                                            a)	Zur ersten Linie gehören die ersten Nachkommen des Verstorbenen,
                                                                                                also seine Kinder und Kindeskinder. Unter diesen wird die Erbschaft
         Sollen sie bedacht werden, muss eine letztwillige
                                                                                                nach Köpfen geteilt. Vorverstorbene Kinder werden durch deren
         Verfügung errichtet werden.
                                                                                                Nachkommen (Kindeskinder = Enkel, Urenkel, ...) repräsentiert. Hin-
                                                                                                terlassen vorverstorbene Kinder keine Nachkommen, wächst deren
              Die dem Ehegatten zukommenden Mindestrechte schützen Lebens-                      Anteil den übrigen Kindern oder deren Nachkommen zu.
              gefährten nur eingeschränkt. Im schlimmsten Fall kann das zum                 	Neben dem Ehegatten erben Angehörige der ersten Linie zusam-
              Verlust der Wohnversorgung führen. Gerade unter Lebensgefährten                 men immer zwei Drittel des Nachlasses.
              ist daher die Absicherung des Partners durch letzwillige Verfügung
              bedeutsam.

10                                                                                                                                                                             11
Erben und Vererben Eine kleine Einführung in das Erbrecht - Notariat Schöffmann
N O TA R I AT

     !                                                   BERECHNUNGSBEISPIEL

         Ein Witwer hinterlässt zwei Kinder. Es ist kein Testament
                                                                                          Vollbürtige Geschwister (die mit dem Verstorbenen beide Eltern-
                                                                                          teile gemeinsam haben) erhalten je einen Erbteil von beiden
         vorhanden. Die beiden Kinder erben nach der gesetzlichen                         vorverstorbenen Eltern, halbbürtige Geschwister (die mit dem
         Erbfolge je zur Hälfte. Enkelkinder kommen nicht zum Zug.                        Verstorbenen nur einen Elternteil gemeinsam haben) erhalten
         Ist eines von beiden Kindern vorverstorben und hinterlässt                       einen Erbteil nur vom vorverstorbenen gemeinsamen Elternteil.
         dieses vorverstorbene Kind wiederum zwei Kinder (zwei Enkel                    	Neben dem Ehegatten erben die Eltern des Verstorbenen 1/3 des
         des Verstorbenen), erbt das überlebende Kind die Hälfte und                      Nachlasses. Geschwister des Verstorbenen und andere Verwandte
         jedes Enkelkind ein Viertel. Sie repräsentieren also das vor-                    haben neben dem Ehegatten kein gesetzliches Erbrecht mehr.
         verstorbene Kind des Verstorbenen und erhalten gemeinsam so
         viel, wie das vorverstorbene Kind erhalten hätte.                              c)	Die vierte Linie bilden die Urgroßeltern.

         Ist eines der beiden Kinder kinderlos verstorben, wächst diese
         Hälfte dem überlebenden Kind zu, sodass dieses zur Gänze erbt.

                                                                                                    BIS 31.12.2016
                                                                                                                                                                          !
                ACHTUNG                                                                             Neben dem Ehegatten erben Angehörige der zweiten
                                                                                                    Linie zusammen ein Drittel des Nachlasses.
                   urch bloße Namensgebung wird keine Verwandtschaft
                  D                                                                                 Die Ehegattin erhält zwei Drittel (und das Vorausvermächtnis,
                  begründet. Kinder, die nur den Namen bekommen haben,                              Seite 9), der Vater ein Sechstel, die beiden Geschwister je ein
                  müssen, damit sie erben können, entweder adoptiert                                Zwölftel des Nachlasses.
                  oder testamentarisch berufen werden!
                                                                                                    Sind neben dem Ehegatten keine Kinder vorhanden, erhält der
                                                                                                    Ehepartner nicht automatisch den gesamten Nachlass! Neben
                                                                                                    ihm sind nämlich auch die Eltern und/oder Geschwister berufen.
               b)	Sind Angehörige der ersten Linie nicht vorhanden oder können
                  oder wollen diese nicht erben, dann fällt die Erbschaft an die An-                Sind neben dem Ehegatten nur mehr zwei vollbürtige Geschwis-
                  gehörigen der zweiten Linie. Zur zweiten Linie gehören die Eltern                 terdes Verstorbenen am Leben, so erhält der Ehegatte zwei
                  des Verstorbenen und deren Nachkommen (Geschwister, Nichten,                      Drittel, die Geschwister je ein Sechstel des Nachlassvermögens.
                  Neffen des Verstorbenen). Leben noch beide Eltern, so erben sie zu                Soll der Ehegatte alleiniger Erbe (Universalerbe) sein, muss
                  gleichen Teilen. Ist ein Elternteil vorverstorben, so treten dessen               ein Testament errichtet werden. Die Geschwister sind nicht
                  Kinder beziehungsweise Kindeskinder in sein Recht ein und                         pflichtteilsberechtigt, müssen daher auch nicht bedacht werden
                  wird die Hälfte des verstorbenen Elternteils wird unter jenen                     (vergleiche dazu das Kapitel „Pflichtteilsrecht“, Seite 17).
                  geteilt. Hinterlässt der vorverstorbene Elternteil keine Nachkom-
                  men, so erhält seinen Erbteil der andere Elternteil bzw. – wenn
                  auch dieser verstorben ist – dessen Nachkommen.

12                                                                                                                                                                            13
Erben und Vererben Eine kleine Einführung in das Erbrecht - Notariat Schöffmann
N O TA R I AT

     !   Fehlen Angehörige der zweiten Linie, dann erben die                Durch die Adoption werden familiäre Beziehungen zwischen
         Angehörigen der dritten Linie. Das sind die Großeltern und         Wahlelternteil und Wahlkind sowie dessen zum Zeitpunkt der
         für den Fall, dass diese vorverstorben sind, deren Nachkom-        Adoption minderjährigen Kindern begründet.
         men. Sind neben dem Ehegatten nur mehr die Nachkommen
                                                                            Zu anderen Verwandten als dem Wahlelternteil werden keine famili-
         vorverstorbener Großeltern vorhanden, fällt dem Ehegatten
                                                                            ären Beziehungen begründet und es entsteht auch kein gesetzliches
         der ganze Erbteil zu.
                                                                            Erbrecht. Das Verwandtschaftsverhältnis des Wahlkindes zu dessen
                                                                            leiblichen Vorfahren bleibt jedoch bestehen.
         Ab 1.1.2017                                                        Das Wahlkind erbt daher doppelt, sowohl nach den Wahleltern als
                                                                            auch nach den leiblichen Eltern. Verstirbt das Wahlkind ohne Nach-
         Der Verstorbene hinterlässt keine Nachkommen, jedoch
                                                                            kommen, erben zunächst die Adoptiveltern und, wenn diese bereits
         seine Ehegattin, seinen Vater und zwei vollbürtige
                                                                            vorverstorben sind, deren Nachkommen. Nur wenn beide nicht erben
         Geschwister. Die Mutter ist vorverstorben.
                                                                            können oder wollen, erben die leiblichen Eltern.
         Die Ehegattin erhält zwei Drittel + ein Sechstel der vorverstor-
                                                                            Die Adoption kann ein Mittel sein, erbrechtliche Gestaltungen
         benen Mutter (und das Vorausvermächtnis, Seite 9), der
                                                                            vorzubereiten. Zu denken ist auch an Fortbetriebsrechte nach der
         Vater ein Sechstel. Die beiden Geschwisterer sind nicht mehr
                                                                            Gewerbeordnung, die der Verlassenschaft, der Gattin sowie Kindern
         erbberechtigt.
                                                                            und Wahlkindern zustehen.
         Sind neben dem Ehegatten nur mehr zwei vollbürtige Geschwis-
         ter des Verstorbenen am Leben, so erhält der Ehegatte alles.       Zu bedenken ist jedoch, dass für die Adoption gesetzliche Bedingun-
         Soll der Ehegatte neben den Eltern alles erhalten, muss ein        gen (Adoptionsvertrag, gerichtliche Genehmigung, Zustimmungen,
         Testament errichtet werden. Eltern sind nicht mehr pflichtteils-   Altersunterschied, ...) gefordert sind und neben steuerlichen Folgen
         berechtigt, müssen daher auch nicht bedacht werden (vergleiche     auch einschneidende zivilrechtliche Folgen eintreten, so z.B. ein
         dazu das Kapitel „Pflichtteilsrecht“, Seite 17).                   gesetzliches Erb- und Pflichtteilsrecht, aber auch familiäre Unter-
                                                                            haltsansprüche.

               Adoption
               Auch adoptierte Kinder erben gleich wie leibliche Kinder.

14                                                                                                                                                           15
Erben und Vererben Eine kleine Einführung in das Erbrecht - Notariat Schöffmann
N O TA R I AT

     Erbunwürdigkeit                                                          Pflichtteilsrecht
     Die Erbunwürdigkeitsgründe wurden neu gestaltet. Es gibt absolut         Das Pflichtteilsrecht engt die gesetzliche Freiheit des Verstorbenen,
     wirkende Gründe und relative Gründe, die nur wirken, wenn der Ver-       über sein Vermögen letztwillig zu verfügen, zugunsten von Nach-
     storbene aufgrund von Testierunfähigkeit, Unkenntnis oder aus an-        kommen in gerader Linie sowie zugunsten des Ehegatten ein.
     deren Gründen nicht in der Lage war, eine Enterbung vorzunehmen.
                                                                              Pflichtteilsansprüche bestehen vor allem, wenn der Verstorbene eine
     Absolute Gründe: (wie bisher)                                            formgültige letztwillige Verfügung errichtet und die Pflichtteilsbe-
      • schwere, gerichtlich strafbare Vorsatztaten (Strafdrohung min.      rechtigten darin nicht entsprechend bedacht hat.
         1 Jahr) gegen den Verstorbenen (§ 166 StGB Privilegierung in
                                                                              Zum Kreis der potentiell Pflichtteilsberechtigten gehören grundsätzlich
         der Familie) oder
                                                                              alle Nachkommen, also eheliche und uneheliche Kinder, Enkelkinder,
      • neu: gegen die Verlassenschaft, sowie
                                                                              Urenkelkinder, Adoptivkinder. Bei Fehlen von Kindern ist nur der
      • die Vereitelung des letzten Willens. Vereitelungsabsicht ist
                                                                              Ehegatte pflichtteilsberechtigt.
         erforderlich; ein Versuch ist jeweils ausreichend.
                                                                              Das Pflichtteilsrecht des Ehegatten besteht neben dem Pflichtteilsan-
     Relative Gründe:
                                                                              spruch der Nachkommen.
       • Zufügung schweren seelischen Leides („Psychoterror“ oder
         wiederholte schwere Beschimpfungen)                                  Niemals pflichtteilsberechtigt sind die Geschwister des Verstorbenen.
       • die gröbliche Vernachlässigung familienrechtlicher Pflichten aus

                                                                                                                                                                 !
         dem Eltern-Kind-Verhältnis sowie
       • schwerere gerichtlich strafbare Vorsatztaten, gegen Ehegatten,
                                                                                              Bis 31.12.2016 sind Eltern, Großeltern und Urgroßeltern
         eingetragenen Partner oder Lebensgefährten des Verstorbenen
                                                                                              sowie die Adoptiveltern pflichtteilsberechtigt.
         oder gegen einen Verwandten in gerader Linie.
     Alle Erbunwürdigkeitsgründe können durch (auch schlüssige)
     Verzeihung wegfallen, die keine strenge Testierfähigkeit voraussetzt.
                                                                                          BEISPIEL

                                                                                          Ein verheirateter Verstorbener hinterlässt Ehefrau und                 !
      ACHTUNG                                                                             drei Kinder. Die Ehefrau wurde testamentarisch zur
                                                                                          Universalerbin eingesetzt.
        Insbesondere Handlungen, wie zum Beispiel eigenmächtiges in                       Die Kinder haben einen Pflichtteilsanspruch in der Höhe
        Besitz nehmen eines Sparbuchs oder eigenmächtige Behebungen                       der Hälfte ihres gesetzlichen Erbteils, also die Hälfte
        von einem Konto, zu welchem man Zugang hat, können zur                            von je zwei Neuntel ergibt je ein Neuntel.
        Erbunwürdigkeit und damit zum Verlust des Erbrechts führen!
        Werden solche Handlungen nach dem Tod des Verstorbenen ge-
        setzt, ist eine Verzeihung nicht mehr möglich. Gleichfalls greift
        die strafrechtliche Privilegierung der Begehung im Familienkreis
        nicht mehr.

16                                                                                                                                                                   17
Erben und Vererben Eine kleine Einführung in das Erbrecht - Notariat Schöffmann
N O TA R I AT

     !                                                  BERECHNUNGSBEISPIEL

         Der Verstorbene war Eigentümer eines Hotelbetriebes
                                                                                     Neu ist, dass der Pflichtteil letztwillig durch alles hinterlassen werden
                                                                                     kann, was in Geld bewertbar ist, so insbesondere Wohn- und
         Betriebsvermögen netto                          2.200.000,-                 Fruchtgenussrechte, Rentenvermächtnisse und dergleichen. Auf eine
         Privatvermögen netto                              600.000,-                 sofortige Verwertbarkeit kommt es nicht mehr an.
         Nachlassvermögen gesamt                         2.800.000,-                 Ferner besteht nunmehr die Möglichkeit zur Stundung der Pflichtteils-
         Nachlassverbindlichkeiten                        -100.000,-                 zahlung. Diese kann letztwillig angeordnet max. auf 5 Jahre, oder auf
         reines Nachlassvermögen                         2.700.000,-                 Antrag des Erben vom Gericht für max. 10 Jahre bewilligt werden;
                                                                                     dies insbesondere dann, wenn die dem Erben zur Befriedigung seines
         gesetzliche Erbfolge:                                                       dringenden Wohnbedürfnisses dienende Wohnung oder ein Unterneh-
         Ist kein Testament vorhanden, kommt es zur                                  men als Existenzgrundlage verkauft werden müsste.
         gesetzlichen Erbfolge und die Kinder erben
         zusammen 2/3, daher                             1.800.000,-
         Testamentarische Erbfolge:                                                     ACHTUNG
         Ist die Gattin Testamentserbin, beträgt der
         Pflichtteilsanspruch der 3 Kinder zusammen        900.000,-                      Vor allem Unternehmer sollten prüfen, ob Rentenvermächtnisse
         und ist durch die Testamentserbin und                                            für sie sinnvoll sind.
         Übernehmerin des Hotelbetriebes auszuzahlen.

                                                                                     Dem Pflichtteilsberechtigten stehen in jedem Fall ab dem Todestag
                                                                                     die gesetzlichen Zinsen (in Höhe von 4 % p.a.) zu. Beim derzeitigen
                                                                                     Zinsniveau (Juni 2016) wird von der Stundungsmöglichkeit selten
              Auf das Pflichtteilsrecht kann lebzeitig oder im Zuge des Verlassen-
                                                                                     Gebrauch gemacht werden.
              schaftsverfahrens verzichtet werden. Der lebzeitige Pflichtteilsver-
              zicht muss in Form eines Notariatsaktes abgegeben werden.              Pflichtteilsberechtigte können zur korrekten Ermittlung ihres Pflicht-
                                                                                     teilsanspruches die Errichtung eines Inventars und die Schätzung
              Der Pflichtteil gebührt vom reinen Nachlass, d.h. von allen Vermö-
                                                                                     des gesamten Nachlasses durch Sachverständige verlangen. Bei min-
              genswerten, vermindert um die Schulden des Verstorbenen und die
                                                                                     derjährigen Pflichtteilsberechtigten ist diese Schätzung vom Gesetz
              Todfallskosten (Begräbniskosten, Verlassenschaftsgebühren, Kosten
                                                                                     sogar zwingend vorgeschrieben.
              der Inventarerrichtung und der Schätzung des Nachlassvermögens).
              Der Anspruch auf den Geldpflichtteil wird bereits mit dem Tod des
              Verstorbenen erworben, kann aber erst ein Jahr danach eingefordert
                                                                                                 BIS 31.12.2016
                                                                                                                                                                          !
                                                                                                    Bisher war der Pflichtteil sofort fällig und auszubezahlen.
              werden.
                                                                                                    Auf eine Leistungsfähigkeit des Erben wurde gesetzlich keine
                                                                                                    Rücksicht genommen.

18                                                                                                                                                                            19
N O TA R I AT

     Hinzu- und Anrechnung lebzeitiger Zuwendungen                               ist, damit bei mehreren pflichtteilsberechtigten Beschenkten nicht
                                                                                 jeder den vollen Pflichtteil vom Wert der anderen Geschenke erhält.
     Die bisherige Differenzierung zwischen Vorempfängen und Vor-
     schüssen sowie Schenkungen bzw. zwischen Nachlasspflichtteil und            Die Bewertung von Schenkungen erfolgt mit dem Wert zum Zeit-
     Schenkungspflichtteil wurde aufgegeben. Infolge der Erbrechtsre-            punkt, in dem die Schenkung wirklich gemacht wurde (siehe sogleich
     form werden sämtliche lebzeitigen Zuwendungen (Schenkungen)                 unten), wobei eine Aufwertung auf den Todeszeitpunkt anhand
     einheitlich behandelt.                                                      des von der Statistik Austria verlautbarten Verbraucherpreisindex
                                                                                 erfolgt. Einschränkungen der Verfügungsfreiheit oder Verwertbarkeit
     Anrechnung von Zuwendungen auf den Todesfall
                                                                                 (zB Wohnrechte) sind bei der Bewertung zu berücksichtigen.
     Alles, was Pflichtteilsberechtigte letztwillig oder als Erbteil erhalten,
     ist bei der Bestimmung ihres Pflichtteils in Anrechnung zu bringen.
                                                                                 Unverändert unterliegen folgende Schenkungen keiner Anrechnung,
     Hinzu- und Anrechnung von Schenkungen
                                                                                 sofern nichts anderes vereinbart wurde:
     Schenkungen (ohne weitere Differenzierung), die der Pflichtteilsbe-
     rechtigte erhalten hat, sind auf Verlangen eines Pflichtteilsberech-
                                                                                   • Schenkungen, die der Verstorbene ohne Schmälerung seines
     tigten oder Erben der Verlassenschaft hinzuzurechnen und auf den
                                                                                     Stammvermögens (aus bloßen Erträgnissen, Zinsen) gemacht hat,
     Geldpflichtteil des Geschenknehmers anzurechnen.
                                                                                   • Schenkungen zu gemeinnützigen Zwecken, in Entsprechung einer
     Schenkungen (ohne weitere Differenzierung), die ein Dritter vom                 sittlichen Pflicht oder aus Rücksicht des Anstandes,
     Verstorbenen erhalten hat, sind nur auf Verlangen eines Pflichtteils-         • Schenkungen, die früher als 2 Jahre vor dem Tod des Verstor-
     berechtigten hinzu- bzw. anzurechnen.                                           benen an nicht pflichtteilsberechtigte Personen (Dritte) gemacht
                                                                                     worden sind.
     Die Schenkung auf den Todesfall ist zukünftig wie eine Schenkung
                                                                                     Die zweijährige Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem die
     unter Lebenden zu behandeln. Der Beschenkte hat wie ein Vermächt-
                                                                                      Schenkung wirklich gemacht wurde. Dies ist der Fall, wenn der
     nisnehmer ein Forderungsrecht gegen die Verlassenschaft bzw. die
                                                                                      Verstorbene die Zuwendung endgültig erbracht hat. Noch nicht
     Erben.
                                                                                      endgültig erbracht ist eine Schenkung zB bei zurückbehaltenem
     Neu ist, dass die Anrechnung einer Schenkung an einen Pflichtteils-              Fruchtgenussrecht (das Recht das Haus nicht nur bewohnen zu
     berechtigten durch letztwillige Verfügung oder durch schriftliche                dürfen, sondern auch vermieten zu können). Ein bloßes Woh-
     Vereinbarung (Notariatsakt) unter Lebenden ausgeschlossen werden                 nungsgebrauchsrecht (das Recht das Haus zum eigenen Gebrauch
     kann. Zukünftig ist daher die Nichtanrechnung in der Schenkungs-                 bewohnen zu dürfen) schadet aber nicht; diesfalls beginnt die
     urkunde zu vereinbaren, wenn der Beschenkte die Zuwendung                        Zweijahresfrist mit dem Übergabezeitpunkt zu laufen.
     zusätzlich zu seinem späteren Pflichtteil erhalten soll. Ferner wird man
     regelmäßig vereinbaren, dass die Schenkung aber sehr wohl auf eine
     „Pflichtteilserhöhung wegen anderer Schenkungen“ anzurechnen

20                                                                                                                                                               21
N O TA R I AT

     Checkliste: Ermittlung des Pflichtteilsanspruches                                 BEISPIEL

                                                                                           Der Verstorbene schenkt mehr als zwei Jahre vor seinem
                                                                                                                                                              !
     PFLICHTTEILSBERECHNUNG                                            BETRAG
                                                                                           Tod seinem Sohn den Großteil seines Vermögens. Dieser hat
           Aktivvermögen des Verstorbenen laut Schätzung                                   viele Jahre zuvor (und ohne Zusammenhang mit der nunmeh-
      +
           (Verkehrswert)                                                                  rigen Schenkung) mittels Notariatsakt auf seinen gesetzlichen
       -   Schulden                                                                        Pflichtteil verzichtet.
                                                                                           Nach der derzeitigen Rechtsprechung des Obersten Gerichts-
       -   Todfallskosten (Begräbnis)
                                                                                           hofes kommt dem Beschenkten bei einem wirksamen Pflicht-
           Kosten der Regelung des Nachlasses (Gerichtskommissär,                          teilsverzicht die Zweijahresfrist des § 785 Absatz 3 ABGB
       -
           Gerichtsgebühr, Sachverständigenkosten)                                         zugute. Ist also z.B. noch eine Tochter vorhanden, kann diese
      +    Wertänderungen zwischen Todestag und Zuzählung                                  keine Schenkungsanrechnung verlangen!
                                                                                           Einziger Zweck des Pflichtteilsverzichtes darf dabei aber
      =    reiner Nachlass als Bemessungsgrundlage                                         nicht die Verhinderung von Pflichtteilsansprüchen sein,
                                                                                           dies wäre rechtsmissbräuchlich.
      +    auf Verlangen Hinzurechnung von Schenkungen

      =    erhöhter Nachlass als Bemessungsgrundlage
                                                                                Auskunftsanspruch
           Ermittlung der Pflichtteilsquote
                                                                                Bisher war ein eigener Auskunftsanspruch des Pflichtteilsberechtig-
           gegebenenfalls Anrechnung von letztwilligen Zuwendungen,             ten, zum Beispiel betreffend zurückliegender Schenkungen, Konto-
       -   des Erbteils und von Schenkungen beim jeweiligen Pflicht-            bewegungen vor dem Todestag, etc. im Erbrecht nicht geregelt.
           teilsberechtigten                                                    Unklar war, ob dieser Anspruch auch gegenüber dem Beschenkten
      =    Pflichtteilsanspruch                                                 bestand oder nur gegenüber der Verlassenschaft und dem Erben.
                                                                                Nunmehr wurde ein eigenständiger und weitgehender Auskunftsan-
                                                                                spruch im Erbrecht verankert.
                                                                                Auskunftsberechtigt ist nicht nur der Pflichtteilsberechtigte, sondern
                                                                                auch der Erbe sowie der Vermächtnisnehmer.
                                                                                Auskunftspflichtigt sind die Verlassenschaft, die Erben und die
                                                                                Geschenknehmer. Der die Auskunft Begehrende muss allerdings
                                                                                beweisen, dass der Anspruchsgegener tatsächlich eine anrechenbare
                                                                                Schenkung erhalten hat.

22                                                                                                                                                                23
N O TA R I AT

     Übergangene Kinder können im Ablebensfall der Eltern Pflichtteilsansprüche
     geltend machen. Diesen Pflichtteilsansprüchen sind über Verlangen lebzeitig
     erfolgte Schenkungen an andere Kinder hinzuzurechnen.
     Ist im Nachlass weniger vorhanden, als sich aufgrund dieser Bestimmungen
     rechnerisch an Anspruch ergibt, haben den Fehlbetrag die beschenkten
     Geschwister zu leisten.
     Daher wird aus Anlass der Vertragsbesprechung der Notar auf diese Ansprüche
     auch ausdrücklich aufmerksam machen und dazu raten, solche Pflichtteils-
     ansprüche bereits lebzeitig zu regeln. Nicht zuletzt deshalb, weil sich infolge
     von zukünftigen Aufwendungen (z.B. Aus- und Umbauten) erhebliche
     Bewertungsprobleme ergeben können.

                 BIS 31.12.2016

                    Unterschieden wird zwischen dem Nachlasspflichtteil
                                                                                        !
                    und dem Schenkungspflichtteil.
                    Nachlasspflichtteil
                    In den Nachlasspflichtteil haben sich alle Pflichtteilsberech-
                    tigten einrechnen zu lassen, was sie letztwillig erhalten. Der
                    Pflichtteilsberechtigte Ehegatte hat sich außerdem das gesetzli-
                    che Vorausvermächtnis (siehe Seite 9) einrechnen zu lassen.
                    Ferner haben sich alle Pflichtteilsberechtigten anrechnen zu
                    lassen, was sie zu Lebzeiten des Verstorbenen als Vorschluss
                    auf den Pflichtteil erhalten haben. Dies musste bei Hingabe der
                    Zuwendung vereinbart worden sein.
                    Pflichtteilsberechtigte Nachkommen müssen sich außerdem
                    sogenannte Vorempfänge anrechnen lassen. Darunter versteht
                    man die Ausstattung, Zuwendungen für den Berufsantritt und
                    Aufwendungen, die der Verstorbene zur Bezahlung der Schul-
                    den eines volljährigen Kindes getätigt hat.
                    Der Ausgleich zwischen den Kindern erfolgt nur mit mitteln
                    des Nachlasses. Bei der gesetzlichen Erbfolge bestehen - zur

24                                                                                          25
N O TA R I AT

     !   Vermeidung von Benachteiligungen - ähnliche Einrechnungs-
                                                                           Mein Pflichtteil ist weg!
                                                                           Die Übergabe aus Sicht der übergangenen Kinder
         vorschriften.                                                     In der notariellen Praxis taucht immer wieder die Frage auf, warum
         Die Schenkung auf den Todesfall wird bei Rechtslage bis           die Eltern die elterliche Liegenschaft einem Geschwisterteil zuwenden
         31.12.2016 bei Berechnung des Nachlasspflichtteils berück-        konnten, ohne dass die übrigen Kinder davon etwas wussten und
         sichtigt und nicht als Schenkung unter Lebenden bei der           die Eltern so „den Erbteil verschenkt“ haben.
         Berechnung des Schenkungspflichtteils.
                                                                           Grundsätzlich sind Schenkungen auch ohne Zuziehung der übrigen
         Schenkungspflichtteil                                             Geschwister möglich. Wird dabei auch den Eltern ein Recht einge-
         Durch die Schenkungsanrechnung wird verhindert, dass der          räumt (Wohn-, Fruchtgenussrecht, eine Rente), so liegt keine reine
         Pflichtteilsanspruch der Pflichtteilsberechtigten durch unent-    Schenkung, sondern eine Übergabe („gemischte Schenkung“) vor.
         geltliche Zuwendungen des Verstorbenen zu Lebzeiten, die nicht    Diese Verträge sind in der Regel notariatsaktspflichtig und es trifft
         als Vorempfang oder Vorschuss zu behandeln sind, geschmälert      den Notar als Urkundenerrichter eine umfassende Belehrungspflicht.
         oder gänzlich vereitelt wird.                                     So wird der Notar mit den Beteiligten die Rechtsfolgen dieser Über-
         Auf Verlangen eines pflichtteilsberechtigten Kindes oder Ehe-     gabe ausführlich besprechen, insbesondere was die Sicherstellung
         gatten sind deshalb bestimmte Schenkungen an pflichtteilsbe-      von Rechten der Übergeber im Grundbuch betrifft, aber auch die
         rechtigte Personen oder auch an Dritte rechnerisch dem aktiven    erb- und steuerrechtlichen Konsequenzen. Genauso wie den Notar
         Nachlassvermögen hinzuzufügen, so als wäre die Schenkung          jedoch eine umfassende Belehrungspflicht trifft, hat er gegenüber
         nicht vorgenommen worden.                                         Außenstehenden strikte Verschwiegenheit zu bewahren und ist nicht
         Von diesem rechnerisch erhöhten Nachlass ist sodann der           zur Auskunftserteilung an dritte Personen berechtigt.
         Schenkungspflichtteil zu berechnen. Der Pflichtteilsberechtigte
                                                                           Übergangene Kinder können im Ablebensfall der Eltern Pflichtteils-
         kann im Falle dessen, dass der Nachlass zur Erfüllung des
                                                                           ansprüche geltend machen. Diesen Pflichtteilsansprüchen sind über
         Schenkungspflichtteils nicht ausreicht, sich an den Beschenkten
                                                                           Verlangen lebzeitig erfolgte Schenkungen an andere Kinder hinzu-
         halten.
                                                                           zurechnen.
                                                                           Ist im Nachlass weniger vorhanden, als sich aufgrund dieser Bestim-
                                                                           mungen rechnerisch an Anspruch ergibt, haben den Fehlbetrag die
                                                                           beschenkten Geschwister zu leisten.
                                                                           Daher ist anzuraten, dass alle Kinder bei lebzeigigen Verträgen mit-
                                                                           einbezogen werden.

26                                                                                                                                                          27
N O TA R I AT

     Letztwillige Verfügungen                                                Testament
     Der Verstorbene kann zu Lebzeiten durch rechtsgeschäftliche Erklä-      Das eigenhändige Testament ist die einfachste Testamentsform. Es
     rung bestimmen, an wen nach seinem Tod sein Vermögen fallen soll.       kann leicht an geänderte Verhältnisse angepasst werden. Zu seiner
     Letztwillige Verfügungen werden immer dann errichtet, wenn der          Gültigkeit ist erforderlich, dass es eigenhändig geschrieben und
     Testator mit der gesetzlichen Erbfolgeregelung nicht oder nur teil-     eigenhändig unterschrieben wurde.
     weise einverstanden ist. Zu den einseitigen, jederzeit widerruflichen   In der notariellen Praxis tauchen aber immer wieder Schwierigkeiten
     Erklärungen von Todes wegen gehören:                                    mit eigenhändigen Testamenten auf, da hier oft Formfehler unter-
     • Das Testament                                                         laufen, wie z.B. folgender: Ein Testament wird eigenhändig mit der
     • Das Vermächtnis                                                       Schreibmaschine geschrieben und vom Verstorbenen unterschrieben.
     • Die Pflichtteilsminderung                                             Dieses Testament ist nichtig und wird in der Verlassenschaftsver-
     • Die Enterbung                                                         handlung nicht berücksichtigt!
     • Die Stiftung von Todes wegen
     •	Die widerrufliche Bezugsberechtigung der (Lebens-) Versicherung      Ein eigenhändiges Testament muss mit der Hand geschrieben werden
                                                                             und ist am Ende des Textes zu unterschreiben.Zur zeitlichen Ein-
                                                                             ordnung (es gilt immer das zeitlich letzte Testament) sollten Ort und
     Zu den zwei- oder mehrseitigen, nur im Einvernehmen unter den           Datum der Errichtung beigesetzt werden.
     jeweiligen Vertragspartnern abänderbaren Rechtsgeschäften von
     Todes wegen, zählen:                                                    Um solche Formfehler und damit die Nichtigkeit Ihres Testaments
     • Der Erbvertrag                                                        zu vermeiden, können Sie Ihr eigenhändig geschriebenes Testament
     • Der Erbverzichtsvertrag                                               kostenlos bei Ihrem Notar überprüfen lassen.
     • Der Pflichtteilsverzichtsvertrag
     • Der Schenkungs-, Übergabs- und Kaufvertrag auf den Todesfall
     • Gütergemeinschaft auf den Todesfall
                                                                                         BEISPIEL

                                                                                        Mein Letzter Wille!                                                   !
                                                                                        Ich, Rudolf Sorglos, Kaufmann, Salmstrasse 3, 9020 Klagen-
     • Rechtsnachfolgeklauseln in Gesellschaftsverträgen                                furt, setze zum Erben meines gesamten Vermögens meinen
     •	Die unwiderrufliche Bezugsberechtigung in der Lebensversicherung                Neffen, Rudi Strebsam, Badgasse 5, 9020 Klagenfurt, ein.
                                                                                        Klagenfurt, am 9.6.2016
                                                                                        						                                      Rudolf Sorglos
     Bei Unklarheiten oder umfangreicheren Verfügungen ist jedenfalls die
     rechtskundige Beratung bei einem Notar dringend anzuraten, da die
     Gültigkeit letztwilliger Verfügungen an sehr strenge Formvorschrif-     Um fremdhändige Testamente fälschungssicherer zu machen, wurden
     ten gebunden ist (der Testator kann ja nicht mehr gefragt werden,       strengere Formvorschriften eingeführt. Das fremdhändige Testament
     wie er eine konkrete Regelung gemeint hat!).                            muss der Verstorbene weiterhin selbst unterschrieben haben.
                                                                             Zusätzlich muss er eigenhändig einen Zusatz anbringen, mit dem er
                                                                             bekräftigt, dass das Testament seinen letzten Willen enthält: zB „Das
                                                                             ist mein letzter Wille“ .

28                                                                                                                                                                29
N O TA R I AT

              Außerdem muss die Unterschrift vor drei gleichzeitig anwesenden
              Zeugen gesetzt werden. Die Zeugen müssen ihren Namen, ihr                    ACHTUNG
              Geburtsdatum und/oder ihre Adresse angeben und mit dem Hinweis
              auf ihre Zeugeneigenschaft , zB „als Zeuge“, unterschreiben.
                                                                                              Ein nicht nach den Formvorschriften errichtetes Testament
              Sie müssen die Identität des Verstorbenen bestätigen können und                 ist nichtig und im Verlassenschaftsverfahren überhaupt
              dürfen nicht befangen sein. Befangen sind Begünstigte sowie deren               nicht zu berücksichtigen! So kommt es in vielen Fällen
              nahe Angehörige. Unter anderem sind daher als Zeugen ungeeignet:                zur gesetzlichen Erbfolge.
              Der Bedachte sowie dessen Ehegatte, eingetragener Partner oder
              Lebensgefährte, seine Eltern, Kinder und Geschwister oder die in diesem
              Grad Verschwägerten. Am geeignetsten sind außenstehende neutrale          Die Erstellung eines Testamentes bei einem Notar gibt die Sicher-
              Zeugen.                                                                   heit, ein formgültiges Testament errichtet zu haben, dessen Auffind-
                                                                                        barkeit durch Eintragung (nur der Errichtungsdaten nicht auch des

     !   Bis 31.12.2016 ist die eigenhändige Bekräftigung und die Anga-
                                                                                        Inhaltes) im Testamentsregister der Österreichischen Notariatskammer
                                                                                        sichergestellt ist.

         be des Geburtsdatums und/oder der Adresse bei den Zeugen noch                  In bestimmten Fällen, zum Beispiel wenn ein mündiger Minderjähriger
         nicht erforderlich. Die neuen Formvorschriften gelten nur für                  testieren möchte, ist die Form eines mündlichen Testaments vor
         Verfügungen die nach dem 31.12.2016 errichtet werden, können                   Gericht oder Notar vorgeschrieben.
         aber schon vorher angewendet werden.                                           Sie können sich durch Testamentserrichtung beim Notar auch sicher
                                                                                        sein, dass die Ansprüche der Verwandten (z.B. Pflichtteile!) und die steu-
         Können Personen, für die ein Sachwalter bestellt wurde, nur                    erlichen Folgen der Erbschaft durch einen Fachmann überprüft sind.
         mündliche vor Gericht oder Notar testieren, sofern dies vom
         Gericht vorgeschrieben wurde. Diese Gesetzesbestimmung                         Die Kosten der Errichtung und Verwahrung eines einfachen notariellen
         wurde durch das Erbrechtsänderungsgesetz ersatzlos gestrichen.                 Testamentes belaufen sich derzeit auf ca. EUR 400,-. Der Gewinn an
                                                                                        Sicherheit beträgt in der Regel ein Vielfaches!

              Zur Sicherung der Auffindbarkeit des Testaments - unabhängig
              davon, ob selbstgeschrieben oder nicht - sollte dieses bei einem
              Notar oder bei einem Bezirksgericht hinterlegt werden, die Auffind-
              barkeit wird dann durch Eintragung im Österreichischen Zentralen
              Testamentsregister sichergestellt.

30                                                                                                                                                                            31
N O TA R I AT

                                                                                       Ehegattentestament
              GOLDENE REGELN FÜR TESTAMENTE
                                                                                       Eine Sonderform des Testamentes ist das gemeinsame Testament von
                                                                                       Ehegatten. Wird es eigenhändig geschrieben, muss jeder Ehegatte (!)
     • L
        etztwillige Verfügungen werden niemals zu früh verfasst. Gerade auch          die gesamte Verfügung eigenhändig schreiben und unterschreiben.
       junge Paare mit minderjährigen Kindern sollten vorsorglich eine letztwillige    Ist es nur von einem Teil geschrieben und unterschrieben und hat der
       Verfügung errichten.
                                                                                       andere Ehegatte lediglich unterschrieben, ist es nur für den Schreiber
     • V
        erfügt werden sollte über alle wesentlichen Vermögenswerte,                   ein gültiges Testament!
       insbesondere über Unternehmen, Grundstücke, Eigentumswohnungen,
       Wohnungseinrichtung, Schmuck, Wertgegenstände, Kraftfahrzeuge,
       Sparbücher und Wertpapiere.                                                        ACHTUNG
     • W
        ichtiges Anliegen ist in der Regel die Vermögenserhaltung.
       Die letztwillige Anordnung sollte jedenfalls eine konkrete
                                                                                            Das eigenhändige Ehegattentestament muss von jedem Ehegatten
       Vermögensaufteilung unter den Erben beinhalten und einen
       klaren vollziehbaren Willen zum Ausdruck bringen.                                    zur Gänze selbst geschrieben und unterschrieben werden, sonst
                                                                                            ist es für den Ehegatten, der nur unterschreibt, ungültig!
     •	Komplizierte Verfügungen, die Unternehmensnachfolgen, grundbücher-
        liche Sicherstellungen (z.B. Belastungs- und Veräußerungsverbote, Wohn-
        oder Fruchtgenussrechte), oder Zuwendungen an mehrere Generationen
        (z.B. Überlassungsverpflichtungen oder Nacherbschaften) zum Inhalt             Vermächtnis
        haben, sollen unbedingt vom Fachmann erstellt werden.
                                                                                       Vom Testament unterscheidet sich das Vermächtnis dadurch, dass es
        Der Notar ist – durch seine Tätigkeit als Gerichtskommissär in
        Verlassenschaftsverfahren – erfahrener Experte, auch was die                   keine Erbeinsetzung beinhaltet. Nur hinsichtlich einzelner Vermö-
        Umsetzbarkeit letztwilliger Verfügungen betrifft.                              genswerte werden Verfügungen getroffen.

                                                                                                                                                                         !
     • D
        ie steuerlichen Auswirkungen von Testamenten sind zu beachten.
                                                                                                   BEISPIEL
       Vergleiche die steuerlichen Auswirkungen im Kapitel
       „Steuern und Gebühren“, Seite 53).                                                          Vermächtnis!
                                                                                                   Ich, Rudolf Sorglos, Salmstrasse 3, 9020 Klagenfurt,
     • B
        ei der Aufteilung des Nachlasses sind insbesondere Ansprüche Minder­
       jähriger, Pflegebefohlener und Pflichtberechtigter zu berücksichtigen.                      vermache meine Goldmünzensammlung meiner Nichte,
                                                                                                   Edeltraud Strebsam, Alter Platz 22, 9020 Klagenfurt.
     • D
        ie Formgültigkeit der Verfügung ist durch Errichtung beim Notar oder
       Überprüfung durch diesen sicherzustellen. (Was nützt ein formungültiges                     Klagenfurt am Wörthersee, am 9.6.2016
       Testament, das im Verlassenschaftsverfahren nicht berücksichtigt wird?)                                                                      Rudolf Sorglos
     • D
        ie Auffindbarkeit ist – durch Hinterlegung beim Notar oder
       Bezirksgericht – sicherzustellen.
     • D
        ie letztwillige Anordnung sollte regelmäßig (ungefähr alle 5 Jahre)           Für die Formerfordernisse gilt das zu Testamenten Gesagte.
       auf ihre Gültigkeit überprüft und – falls erforderlich – aktualisiert werden.

32                                                                                                                                                                           33
N O TA R I AT

     Pflegevermächtnis (ab 1.1.2017)
     Bisher musste sich derjenige aus der Familie, der die Pflege zB der     Entzogen werden kann es nur bei Vorliegen eines Enterbungsgrundes.
     Eltern auf sich genommen hat, die Abgeltung dieser Leistung häufig
                                                                             Von der Beitragspflicht zur Pflichtteilserfüllung ist der Pflegever-
     in aufreibenden Bereicherungsprozessen gegen die Verlassenschaft
                                                                             mächtnisnehmer ausgenommen. Es geht den Verlassenschaftsgläu-
     oder die Erben erkämpfen. Vielfach gingen diese Personen überhaupt
                                                                             bigern nach; gegenüber anderen Vermächtnissen ist es allerdings
     leer aus.
                                                                             vorrangig.
     Mit dem neuen Pflegevermächtnis wird die Abgeltung von Pflege-
                                                                             Die Höhe des Vermächtnisses richtet sich nach dem verschafften
     leistungen, die in vielen Fällen vor dem Tod nicht geklärt wird, für
                                                                             Nutzen (insb. den ersparten Aufwendungen) ohne Rücksicht auf den
     den Pflegenden erleichtert. Das Pflegevermächtnis ist zu den Pflicht-
                                                                             Verlassenschaftswert.
     teilsansprüchen vorrangig.
     Es handelt sich dabei um ein gesetzliches Vermächtnis, das gegenüber
     dem Verstorbenen in den letzten drei Jahren vor seinem Tod erbrachte
                                                                                        BEISPIEL

                                                                                        Rudolf Sorglos wurde von seiner Tochter Edeltraud
                                                                                                                                                              !
     Pflegeleistungen naher Angehöriger abgelten soll. Voraussetzung ist,               zwei Jahre lang gepflegt.
     dass der Angehörige insgesamt mindestens sechs Monate lang in nicht                Kommt es zur Erbfolge, erhält Edeltraud vor Berechnung
     bloß geringfügigem Ausmaß (durchschnittlich mehr als 20 Stunden pro                der Erbquoten eine Abgeltung für ihre Pflegeleistungen
     Monat) Pflegeleistungen erbracht hat.                                              (Pflegevermächtnis). Dies muss Rudolf Sorglos NICHT
                                                                                        extra verfügen, dieser Anspruch ergibt sich aus dem Gesetz.
     Dass die Leistungen im Rahmen einer familienrechtlichen Beistands-
     pflicht erbracht wurden, schadet dabei nicht.
                                                                             Der Gerichtskommissär hat im Verlassenschaftsverfahren auf eine
     Potentiell anspruchsberechtigt sind alle als gesetzliche Erben in
                                                                             einvernehmliche Festsetzung hinzuwirken. Es ist daher zukünftig
     Betracht kommenden Personen und deren Ehegatten, eingetragene
                                                                             für Sie als pflegende Person noch wichtiger, genaue Aufzeichnungen
     Partner, Lebensgefährten einschließlich der Kinder dieser Personen
                                                                             über die von Ihnen erbrachten Pflegeleistungen zu führen,
     sowie der Lebensgefährte des Verstorbenen und seine Kinder.
                                                                             um Streitigkeiten über die Höhe des Pflegevermächtnisses zu
     Das Vermächtnis fällt aus, wenn ein Entgelt vereinbart wurde bzw.       vermeiden.
     soweit die Pflegeleistungen durch anrechenbare letztwillige Zuwen-
     dungen des Verstorbenen oder durch Zuwendungen Dritter oder der
     öffentlichen Hand abgegolten sind.                                         ACHTUNG
     Ansonsten gebührt es als Vorausvermächtnis zusätzlich zum
     Pflichtteil und anderen Leistungen aus der Verlassenschaft, wobei            Um Ihre Pflegeleistungen später auch nachweisen zu können,
     der Verstorbene jedoch abgesehen vom Pflichtteil eine Anrechnung             sollten Sie darüber Aufzeichnungen führen.
     anordnen kann.

34                                                                                                                                                                35
N O TA R I AT

     Enterbung
     Es kann aus verschiedensten Gründen dazu kommen, dass der Ver-
     storbene den pflichtteilsberechtigten Personen nichts hinterlassen
                                                                                     Bis 31.12.2016 ist die Rechtslage bei der Enterbung im Wesentlichen        !
                                                                                     gleich wie ab 1.1.2017, eine Kausalität wurde nicht gefordert.
     will. Um einem Pflichtteilsberechtigten seinen Pflichtteil rechtswirk-
     sam zu entziehen, bedarf es der Enterbung.
     Einem Pflichtteilsberechtigten kann der Pflichtteil durch letztwillige    Die Enterbung sollte jedenfalls in einer letztwilligen Verfügung aus-
     Anordnung bei Vorliegen eines der im Gesetz genannten Enterbungs-         drücklich angeordnet werden.
     grundes gänzlich entzogen werden. Einen Enterbung auf Vorrat ist          Durch die Enterbung werden die Pflichtteilsansprüche der übrigen
     nicht (mehr) möglich, da nunmehr eine Ursächlichkeit (Kausalität)         Noterben erhöht, da der Enterbte als nicht vorhanden betrachtet wird.
     zwischen der konkret verwerflichen Handlung und der konkreten
                                                                               Zur sogenannten Enterbung in guter Absicht siehe das folgende
     letztwilligen Enterbungsverfügung bestehen muss.
                                                                               Kapitel „Der verschuldete Sohn“.
     Eine Entziehung des Pflichtteils (Enterbung) kann letztwillig angeord-
     net werden, wenn der Pflichtteilsberechtigte                              Stiftung von Todes wegen
       • gegen den Verstorbenen eine gerichtlich strafbare Handlung           Die Stiftung von Todes wegen ist ein immer seltener gewähltes
         begangen hat, die nur vorsätzlich begangen werden kann und mit        Instrument bei großen Vermögensmassen. Die Rücksprache mit
         mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedroht ist, oder                Notar und Steuerberater ist dringend zu empfehlen.
       • g egen den Ehegatten, eingetragenen Partner, Lebensgefährten oder
          Verwandten in gerader Linie, die Geschwister des Verstorbenen und
         deren Kinder, Ehegatten, eingetragenen Partner oder Lebensgefährten
                                                                               Pflichtteilsminderung
         sowie die Stiefkinder des Verstorbenen eine gerichtlich strafbare     „Der verschuldete Sohn“
         Handlung begangen hat, die nur vorsätzlich begangen werden
                                                                               Unter gewissen Umständen kann der den Kindern zustehende Erb-
         kann und mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedroht ist,
                                                                               bzw. Pflichtteil gemindert oder ganz entzogen werden. Hiezu bedarf
       • absichtlich die Verwirklichung des wahren letzten Willens des        es in der Regel einer letztwilligen Verfügung.
          Verstorbenen vereitelt oder zu vereiteln versucht hat,
                                                                               So zum Beispiel, wenn ein Kind verschwenderisch oder verschul-
       • d em Verstorbenen in verwerflicher Weise schweres seelisches Leid    det ist. Der Verstorbene kann das verschwenderische Kind auf den
          zugefügt hat,                                                        Pflichtteil setzen und diesen dessen Nachkommen zuwenden: Wenn
                                                                               bei einem sehr verschuldeten (oder verschwenderischen) Pflicht-
       • s onst seine familienrechtlichen Pflichten gegenüber dem Verstor-
                                                                               teilsberechtigten die wahrscheinliche Gefahr besteht, dass der ihm
          benen gröblich vernachlässigt hat, oder
                                                                               gebührende Pflichtteil zum größten Teil seinen Kindern entgehen
       •w
         egen einer oder mehrerer mit Vorsatz begangener strafbarer           würde, so kann der Verstorbene diesen Pflichtteil, statt ihn dem
        Handlungen zu einer lebenslangen oder zwanzigjährigen Frei-            Pflichtteilsberechtigten (seinem Sohn, seiner Tochter) zu belassen,
        heitsstrafe verurteilt worden ist.                                     dessen Kindern zuwenden. Dieser Enterbungsgrund ist übrigens
                                                                               auch auf den Ehegatten anwendbar.

36                                                                                                                                                                  37
N O TA R I AT

     !   Ein Vater überlegt sich, wie das Vermögen nach seinem
                                                                      BEISPIEL                          BEISPIEL

                                                                                                        Ein verwitweter Vater hat zwei Kinder. Zur Tochter bestand            !
         Tode unter seinen beiden Söhnen aufzuteilen sei. Einer der                                     nie eine Nahebeziehung, sie haben nie im gemeinsamen Fami-
         beiden Söhne, ein selbständiger Gewerbetreibender, war                                         lienverband gelebt und auch sonst keinen Kontakt unterhalten.
         zuvor mit seinem Unternehmen in Konkurs gegangen und                                           Lediglich Alimentationszahlungen wurden geleistet. Nun soll
         hat mit sehr hohen Forderungen seiner Gläubiger zu                                             das Vermögen dem ehelichen Sohn zugewendet werden.
         kämpfen. Der Vater will dennoch beide Söhne bedenken,                                          Die Tochter soll so wenig wie möglich erhalten.
         das Familienvermögen jedoch nicht dem Zugriff der
                                                                                                        Im Testament wird daher verfügt:
         Gläubiger des einen Sohnes aussetzen.
                                                                                                        Mein letzter Wille!
         Im Beispielfall sah der Vater in seinem Testament dann vor,                                    Zum Erben setze ich meinen Sohn Peter Sorglos ein. Den
         dass der eine, unverschuldete Sohn den ihm zukommenden                                         Pflichtteilsanspruch meiner Tochter, zu der zeitlebens kein
         Erbteil erhielt und anstatt des verschuldeten zweiten Sohnes                                   familiäres Naheverhältnis bestand, mindere ich auf die Hälfte.
         dessen Kinder den ansonsten ihrem Vater zufallenden Teil des                                   Klagenfurt am Wörthersee, am 9.6.2016
         Nach­lasses bekommen sollten. So konnte die Vermögensüber-                                     					                                       Rudolf Sorglos
         führung in der Familie geregelt werden und das Familienver-
                                                                                                        Die Tochter erhält 1/8 des Nachlasses als geminderten
         mögen dem Zugriff Außenstehender entzogen werden.
                                                                                                        Pflichtteil. Ohne Testament bekämen die beiden Kinder
                                                                                                        je die Hälfte des Nachlasses.
               Bei derartigen Verfügungen ist jedenfalls die Hilfe Ihres Notars angeraten.

               Das außereheliche Kind                                                        Übergeben oder Vererben?
               Außereheliche Kinder erben gleich wie eheliche Kinder. Erbrechtliche          Ein Beispielfall
               Unterschiede zwischen ehelichen und unehelichen Kindern sind seit             Soll ich mein Haus übergeben oder vererben? Diese Frage wird im
               1991 abgeschafft. Unter bestimmten Umständen kann der Pflichtteil             Zuge von Beratungen dem Notar oder Steuerberater oft gestellt. Sie
               unehelicher Kinder reduziert werden. Wenn der Verstorbene über einen          kann nur im Einzelfall nach Abwägung aller Aspekte beantwortet
               längeren Zeitraum vor dem Tod (rund 20 Jahre; bis 31.12.2016                  werden.
               zu keiner Zeit) zu seinen Kind kein Naheverhältnis hatte, wie es
                                                                                             Der grundsätzliche Unterschied zwischen Übergabe und testamenta-
               zwischen Familienangehörigen gewöhnlich besteht, dann kann der
                                                                                             rischer Regelung ist folgender:
               Pflichtteil halbiert werden. Diese Reduktion des Pflichtteils muss (im
                                                                                             •	Die Übergabe ist ein Vertrag, der einseitig nicht mehr abgeändert
               Testament) ausdrücklich verfügt werden. Die Pflichtteilsminderung
                                                                                                oder widerrufen werden kann („übergeben ist übergeben“).
               erhöht nach der Rechtslage ab 1.1.2017 die Pflichtteilsansprüche der
                                                                                             •	Ein Testament kann jedoch jederzeit abgeändert oder widerrufen
               anderen pflichtteilsberechtigten Nachkommen.
                                                                                                werden.

38                                                                                                                                                                                39
Sie können auch lesen