Kooperation von Ärzten und Selbsthilfegruppen - für alle ein Gewinn - Ergebnis einer Untersuchung - BKK ...

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Praxishilfe

Ergebnis einer Untersuchung

Kooperation von Ärzten
und Selbsthilfegruppen –
für alle ein Gewinn
Prof. Dr. Wolfgang Slesina, Astrid Knerr
Inhalt                                                                  Vorwort

              Vorwort                                                            3
                                                                                     Die Bereitschaft von Menschen mit einer chro-    und der kooperativen Ergänzung von Selbst-
              Zusammenarbeit von Ärzten der ambulanten/stationären Versorgung        nischen Erkrankung oder Behinderung, sich        hilfegruppen, niedergelassenen Ärzten und
              und Selbsthilfegruppen – Eine Quer- und Längsschnittstudie         4   dauerhaft oder phasenweise einer Selbsthilfe-    Krankenhäusern sowie Beispiele guter Koope-
                Ziel und Teilnehmer der Studie                                   4   gruppe anzuschließen, wächst seit Jahren. Dies   rationspraxis gewonnen werden als Grundlage
                Kooperationsbegriff                                              6   drückt sich auch in einer wachsenden Zahl von    und Anregung für weitere Entwicklungen.
              Kontakte und Kooperationen mit Selbsthilfegruppen:                     Gesundheits-Selbsthilfegruppen aus. Maßgeb-
              niedergelassene Ärzte berichten                                    7   lich dafür ist insbesondere das Interesse der    Die erfreulich hohe Beteiligung an der Befra-
              Kontakte und Kooperationen mit Selbsthilfegruppen:                     Betroffenen an umfassender Information über      gung von Selbsthilfegruppen, niedergelassenen
              Krankenhausmitarbeiter berichten                                   8   ihre Krankheit oder Behinderung, über deren      Ärzten, Krankenhausärzten und Sozialdiensten
              Kontakte und Kooperationen mit Ärzten:                                 Auswirkungen, über bestmögliche Therapien,       wurde durch die hervorragende Unterstützung
              Selbsthilfegruppen berichten                                      10   aber auch über das Leben mit der Krankheit       seitens zahlreicher Personen und Institutionen
                                                                                     und das Zurechtkommen mit den krankheits-        ermöglicht, und sie ist Anlass für Dank an alle
              Kooperationen: Voraussetzungen, Schwellen, Möglichkeiten          11
                                                                                     bedingten Einschnitten und Veränderungen.        Beteiligten und Mitwirkenden.
                Kooperationsschwellen für Ärzte                                 11
                                                                                     Daher sind die meisten Gruppen an einem Aus-     Wir danken den Kontakt- und Informations-
                Kooperationsschwellen für Selbsthilfegruppen                    12   tausch mit Ärzten sehr interessiert.             stellen für Selbsthilfegruppen, den Kassen-
              Beispiele guter Praxis                                            13                                                    ärztlichen Vereinigungen Westfalen-Lippe und
              Acht gute Gründe für eine Zusammenarbeit                               Im Zuge der Entwicklung hat sich bei             Sachsen-Anhalt, dem Zentralinstitut (ZI) für die
              von Ärzten und Selbsthilfegruppen                                 16   Betroffenen und den Gesundheitsberufen eine      kassenärztliche Versorgung in der Bundesrepu-
                Mehr Eigenkompetenz der Betroffenen                             16   „kooperative Grundhaltung“ durchgesetzt.         blik Deutschland und der Krankenhausgesell-
                Betroffenenkompetenz als spezifische Hilfe                      17   Verbreitet werden Gesundheits-Selbsthilfe-       schaft Sachsen-Anhalt für ihre Unterstützung.
                                                                                     gruppen und das professionelle medizinische      Namentlich danken wir besonders Frau J. von
                Psychosoziale Unterstützung                                     18
                                                                                     Versorgungssystem in einem Ergänzungsver-        Borstel (BIGS), Frau Dr. L. Franke (Geschäfts-
                Lerngewinn für Ärzte                                            18   hältnis gesehen, meist im Sinne der Ergänzung    führerin der Krankenhausgesellschaft Sachsen-
                Beitrag zur verbesserten Versorgungsstruktur und -qualität      18   der medizinischen Versorgung durch Selbsthil-    Anhalt), Herrn Dr. med. B. John (Vorsitzender
                Beiträge zur Verbesserung der Lebensqualität im Alltag          19   fegruppen. Von einer stärkeren Vernetzung der    der KV Sachsen-Anhalt), Herrn Dr. H. Koch
                Beitrag zur ganzheitlichen Versorgung                           19   ärztlichen Patientenversorgung und der Arbeit    (ZI), Frau Dr. med. C. Kramer (Leiterin der KV
                Zuwachs an Reputation und Patientengewinn                       19   von Selbsthilfegruppen, dem Austausch von        Bezirksstelle Bielefeld), Frau A. Kresula (BKK
                                                                                     Expertenwissen und Betroffenenwissen wer-        Bundesverband), Herrn J. Matzat (Leiter der
              Kooperationspotentiale praktisch umsetzen                         20
                                                                                     den Vorteile für eine umfassende Unterstüt-      Kontaktstelle für Selbsthilfegruppen, Gießen)
                Was können niedergelassene Ärzte tun?                           20   zung chronisch Kranker und Behinderter sowie     Frau M. R. Meye (KOSA, KV Nordrhein), Herrn
                Was können Krankenhäuser tun?                                   21   eine höhere Versorgungsqualität und -wirksam-    E. Pennekamp (Selbsthilfekontaktstelle Luther-
                Was können Selbsthilfegruppen tun?                              22   keit erwartet.                                   stadt Wittenberg), Frau D. Schlömann (KOSA,
              Fazit: Vom Nebeneinander zum Miteinander                          23                                                    KV-Westfalen-Lippe), Frau C. Steinhoff-Kem-
              Literaturverzeichnis                                              24   Der BKK-Bundesverband förderte von 2003 –        per (Leiterin der BIKIS) und Frau M. Voigt (Lei-
                                                                                     2005 die Studie „Zusammenarbeit von Ärzten       terin der DPWV-Kontaktstelle für Selbsthilfe-
              Wichtige Adressen und Kontakte                                    26
                                                                                     der ambulanten/stationären Versorgung und        gruppen Halle-Saalkreis).
              Impressum                                                         27   Selbsthilfegruppen – Ziele, Formen, Verläufe,
                                                                                     Erfahrungen. Eine Quer- und Längsschnittstu-     Zur besseren Lesbarkeit wird im Folgenden nur
                                                                                     die“. Damit sollten aktuelle Daten über den      eine Sprachform verwendet, sie bezieht sich
                                                                                     Stand der Kontakte, des Zusammenwirkens          gleichermaßen auf Frauen und Männer.

                                                                                                                                      Prof. Dr. Wolfgang Slesina

      2                                                                                                                                                                                  3
Selbsthilfe                                                                                                                                                                              Selbsthilfe
Zusammenarbeit von Ärzten der ambulanten/stationären
              Versorgung und Selbsthilfegruppen –
              Eine Quer- und Längsschnittstudie
                                                                                                                 Tabelle 1: Thematische Schwerpunkte der Befragungen

              Dass Selbsthilfegruppen und Ärzte mitein-        liche Studie, den Status quo der Zusammen-                                                                Thematische Schwerpunkte
              ander kooperieren, ist noch keineswegs           arbeit zu beschreiben. Der BKK Bundesver-                                           Bisherige Kontakte zu Ärzten
              selbstverständlich. Persönlich sehr engagier-    band förderte diese Quer- und Längsschnitt-                                             Zeitraum, Häufigkeit und Art des Kontakts zu Ärzten
              te Menschen mit chronischer Erkrankung/          studie der Universität Halle-Wittenberg. Das                                            Kontaktinitiative und -entwicklung

                                                                                                                     der Selbsthilfegruppen
                                                                                                                     Schriftliche Befragung
              Behinderung oder mitbetroffene Angehörige        Arzt-Selbsthilfegruppen-Verhältnis wurde                                                Beurteilung der Kontakte
              treffen auf Ärzte mit großem Zeit- und Leis-     durch Befragungen erfasst und mit älteren                                           Zugang neuer Mitglieder
              tungsdruck. Um mögliche Ansatzpunkte für         Ergebnissen verglichen. Durch die Analyse                                           Wahrnehmung der ärztlichen Haltung zu Selbsthilfegruppen
              eine intensivere Kooperation identifizieren zu   der Ergebnisse sollen auch praxisorientierte                                            Wahrnehmung der ärztlichen Einstellungen zu Selbsthilfegruppen
              können, versuchte eine aktuelle wissenschaft-    Handlungsempfehlungen generiert werden.                                                 Wahrnehmung der ärztlichen Beziehungen zu Selbsthilfegruppen
                                                                                                                                                   Kooperationswünsche, -erwartungen, -erschwernisse
                                                                                                                                                       Nutzen einer Zusammenarbeit für Ärzte und für Gruppen
                                                               Ziel und Teilnehmer der Studie                                                          Informations- und Unterstützungswünsche
                                                                                                                                                       Kooperationserschwernisse
                                                               Im Zeitraum 2003-2005 wurde die Studie                                              Verbesserung der Arbeitsqualität von Selbsthilfegruppen
                                                               „Zusammenarbeit von Ärzten der ambulanten/                                          Kontakte zu Krankenhäusern (in Halle und Wittenberg)
                                                               stationären Versorgung und Selbsthilfegrup-
                                                               pen“ durchgeführt.

                                                                                                                  Telefonische Befragung
                                                               Ziel der Studie war es, den Stand der Zusam-                                        Bisherige Kontakte zu Selbsthilfegruppen

                                                                                                                     von Krankenhaus-
                                                               menarbeit von Ärzten und Selbsthilfegruppen                                             Zeitraum, Häufigkeit und Art des Kontakts zu Selbsthilfegruppen

                                                                                                                        mitarbeitern
                                                                                                                                                       Kontaktinitiative und -entwicklung
                                                               sowie Beispiele gelungener Kooperation exem-
                                                                                                                                                       Beurteilung der Kontakte
                                                               plarisch für zwei Regionen zu beschreiben: für
                                                                                                                                                   Wahrnehmung von Selbsthilfegruppen
                                                               den Raum östliches Westfalen (Bielefeld und
                                                                                                                                                       Beurteilung des Nutzens von Kontakten zwischen Selbsthilfegruppen und
                                                               Kreis Gütersloh), wo 1988 bis 1992 bereits eine                                         Krankenhäusern
                                                               ähnliche Studie durchgeführt wurde, sowie für                                           Selbsthilfegruppen in Krankenhäusern
                                                               den Bereich Halle/S. und Regierungsbezirk
                                                               Wittenberg. Hinzu kam eine explorative Da-
                                                               tensammlung in einigen Krankenhäusern in                                            Bisherige Kontakte zu Selbsthilfegruppen
                                                               Düsseldorf und Köln.                                                                    Zeitraum, Häufigkeit und Art des Kontakts zu Selbsthilfegruppen
                                                               Die Datenerhebungen sollen Anstöße für kon-                                             Kontaktinitiative und -entwicklung

                                                                                                                     von niedergelassenen Ärzten
                                                               zeptionelle und praktische Weiterentwicklun-                                            Beurteilung der Kontakte

                                                                                                                       Telefonische Befragung
                                                               gen geben. Die thematischen Schwerpunkte                                            Empfehlung zur Gruppenteilnahme
                                                                                                                                                       Anzahl und Gründe der Empfehlung(en)
                                                               der Befragungen sind in Tabelle 1 dargestellt.
                                                                                                                                                       Reaktionen von Patienten auf Empfehlungen
                                                                                                                                                   Wahrnehmung von Selbsthilfegruppen
                                                                                                                                                       Beurteilung von Selbsthilfegruppen
                                                                                                                                                       Beurteilung des Nutzens von Selbsthilfegruppen für Patienten
                                                                                                                                                       Beurteilung des Nutzens einer Kooperation zwischen Ärzten und
                                                                                                                                                       Selbsthilfegruppen
                                                                                                                                                   Kooperationsbereitschaft und -schwellen
                                                                                                                                                       Bereitschaft zur künftigen Kooperation
                                                                                                                                                       Kooperationshindernisse
                                                                                                                                                       Informationswünsche

      4                                                                                                                                                                                                                        5
Selbsthilfe                                                                                                                                                                                                                    Selbsthilfe
Kontakte und Kooperation mit Selbsthilfegruppen –
                                                                                                                                niedergelassene Ärzte berichten

              Im Bereich Bielefeld/Gütersloh wirkten 140                                                                      Nach eigenen Angaben hatten von den nie-               Vortrag bei einem Gruppentreffen oder einer
              zufallsausgewählte niedergelassene Ärzte (47 %                                                                  dergelassenen Ärzten im Bereich Bielefeld/             öffentlichen Veranstaltung,
              der Stichprobe) und 167 Selbsthilfegruppen                                                                      Gütersloh bereits 59 % und im Bereich Hal-             Betreuung bzw. Begleitung einer Gruppe
              (69 % der Stichprobe) an der Befragung mit.                                                                     le/Wittenberg ca. 44 % einmal eine Form des            durch den Arzt.
              Im Bereich Halle/S., Saalkreis und Regierungs-                                                                  Kontaktes zu Selbsthilfegruppen (brieflich,
              bezirk Wittenberg beteiligten sich 127 Ärzte                                                                    telefonisch, Treffen). Für die zurückliegenden      Die Teilnahme an einer Selbsthilfegruppe ha-
              (58 % der Stichprobe) und 100 Selbsthilfegrup-                                                                  12 Monate teilten 36 % der niedergelassenen         ben knapp 80% der niedergelassenen Ärzte in
              pen (64% der Stichprobe) an der Befragung.                                                                      Ärzte im Raum Bielefeld/Gütersloh und 21 %          Bielefeld/Gütersloh und 73% im Bereich Halle/
                                                                                                                              der niedergelassenen Ärzte im Bereich Hal-          Wittenberg in den letzten 12 Monaten Patien-
                                                                                                                              le/Wittenberg Kontakte zu Selbsthilfegruppen        ten empfohlen. Vorwiegend erging der Rat an
              Tabelle 2: Mitwirkung von niedergelassenen Ärzten, Selbsthilfegruppen und                                       mit. Ein Teil dieser Ärzte pflegt eine intensive,   Patienten mit Alkohol-, Krebs- und rheumati-
                         Krankenhäusern                                                                                       feste Zusammenarbeit mit Selbsthilfegruppen,        schen Erkrankungen. Mehrheitlich berichteten
                                                                                                                              meist in Form der kontinuierlichen Begleitung       die Ärzte von positiven Reaktionen der Patien-
                                                     Bielefeld /               Halle /                   Köln /               und Betreuung einer Gruppe. Eine weitere            ten auf die Empfehlung.
                                                     Gütersloh               Wittenberg                Düsseldorf             Teilgruppe von Ärzten kooperiert auf äußeren
               Niedergelassene Ärzte                     140                       127                                        Anlass hin, aber nicht unerheblich mit Selbst-      Der Nutzen von Selbsthilfegruppen für Patien-
               Selbsthilfegruppen                        167                       100                      25   *            hilfegruppen (z. B. bei Anfragen oder Einladun-     ten ist unter niedergelassenen Ärzten weitge-
               Krankenhausärzte                                                    42                        12               gen von Gruppen). Eine dritte Teilgruppe bilden     hend unbestritten: bessere Informiertheit der
                                                                                                                              Ärzte mit sehr seltenen und zumeist nur indi-       Patienten über ihre Krankheit, höhere Patien-
               Sozialdienstmitarbeiter                                             11                        1
                                                                                                                              rekten Kontakten (Gruppe sendet Broschüre           tenkompetenz im Umgang mit der Krankheit,
                                                                   * Telefonische Befragung zu Kontakten mit Krankenhäusern   u. ä., Auslegen in der Praxis).                     eine tendenziell bessere Patienten-Compli-
                                                                                                                                                                                  ance, emotionale und lebensweltliche Hilfen
              Ein explorativer Teil der Studie bezog 9 Kranken-    Kooperationsbegriff                                        Meist geht die Herstellung eines Kontakts von       durch die Gruppenarbeit.
              häuser aus Sachsen-Anhalt und 4 Krankenhäu-          Als „direkte“ Kooperation werden der Gedan-                den Selbsthilfegruppen, seltener von Ärzten
              ser aus Düsseldorf und Köln ein. Die Kranken-        ken-, Meinungs- und Informationsaustausch,                 aus. Bei den Kontaktanliegen der Gruppen            Vorteile einer Zusammenarbeit mit Selbst-
              häuser sind sinngemäß den Versorgungsstufen          gemeinsame Treffen und Veranstaltungen,                    handelt es sich überwiegend um:                     hilfegruppen für die eigene ärztliche Arbeit werden
              der Regel- und Zentralversorgung zuzuordnen.         alle Formen der symbolischen und materiel-                    Zusendung bzw. Aushändigung von Infor-           auch verbreitet gesehen. Hierzu einige Beispiele:
              Tabelle 2 zeigt die Zahl der Mitwirkenden bei        len Unterstützung bezeichnet. All dies kann                   mationsmaterial seitens einer Gruppe zur             die interne Informations- und Aufklärungsar-
              dieser Untersuchung.                                 eine geringere bis stärkere Intensität des Aus-               Auslage in der Praxis,                               beit der Gruppen trage vielfach zur besseren
                                                                   tauschs umfassen.                                             Bitte um einen Vortrag oder Einladung zu             Patienten-Compliance bei,
              Einige Untersuchungsergebnisse werden im             Zu den „indirekten“ Kooperationen zählen z. B.                einem Gruppentreffen,                                Entlastung für Ärzte durch „Arbeitsteilung“,
              Folgenden getrennt nach niedergelassenen             schriftliche Kontakte oder ärztliche Empfehlun-               Klärung einer medizinischen Frage der                d.h. durch Anerkennung und Nutzung der
              Ärzten, Krankenhäusern und Selbsthilfegrup-          gen zur Teilnahme an einer Selbsthilfegruppe.                 Gruppe,                                              psychosozialen Kompetenzen der Gruppen
              pen dargestellt.                                     Kooperative Einstellung bedeutet: eine positive               Wunsch nach Betreuung bzw. Begleitung                bei der Krankheitsverarbeitung,
                                                                   Haltung zu den genannten Formen der Zusam-                    der Gruppe.                                          das erweiterte ärztliche Beratungsangebot
                                                                   menarbeit.                                                                                                         (Hinweis auf Selbsthilfegruppen) findet An-
                                                                                                                              Für die zurückliegenden 12 Monate nannten die           erkennung bei vielen Patienten, die Arzt-
                                                                                                                              niedergelassenen Ärzte in erster Linie folgende         Patient-Beziehung könne insbesondere bei
                                                                                                                              Kooperationsinhalte mit Gruppen, geordnet               SHG-offenen Patienten dadurch gestärkt
                                                                                                                              nach abnehmender Häufigkeit:                            werden,
                                                                                                                                 Auslegen von Informationsmaterial über               viele Gruppen verfügen über erhebliche
                                                                                                                                 Selbsthilfegruppen in der Arztpraxis,                Kompetenz in sozialrechtlichen und sozial-
                                                                                                                                 Teilnahme an einem Gruppentreffen,                   versicherungsrechtlichen Fragen, was die
                                                                                                                                 medizinische Beratung einer Gruppe,                  ärztliche Tätigkeit entlaste,

      6                                                                                                                                                                                                                                 7
Selbsthilfe                                                                                                                                                                                                                             Selbsthilfe
die Versorgung von Patienten mit Heil- und       Ärzte gewinnen durch die Zusammenarbeit        Ergänzend noch einige repräsentative Zah-       Den Nutzen von Selbsthilfegruppen sehen
                 Hilfsmitteln werde unterstützt, indem ent-       mit Gruppen erfahrungsgestützte Informa-       lenangaben von Selbsthilfegruppen im Bereich    Krankenhausärzte insbesondere in ihrem Bei-
                 sprechende Anträge durch Beratung und            tionen über therapiebezogene Aspekte wie       Halle/Wittenberg über ihre Kontakte und Koo-    trag
                 Mitwirkung der Gruppe vorbereitet wer-           Auswirkungen auf das alltägliche Leben,        perationen mit Krankenhäusern:                     zum vertieften Krankheits- und Therapiever-
                 den,                                             die Erfahrungen der Gruppenmitglieder             60% der befragten Gruppen haben oder            ständnis der Betroffenen,
                 die Kooperation führe zum Teil zum Zugang        mit Medikamenten (Wirksamkeit, Neben-             hatten Kontakt zu Krankenhäusern, 53% der       zum Empowerment und zur höheren Selbst-
                 neuer Patienten, denn die Gruppen ermu-          wirkungen), Erfolge bestimmter Therapien          Gruppen zu Reha-Kliniken,                       kompetenz der Erkrankten im Umgang mit
                 tigen Mitglieder (z. B. Osteoporosekranke),      oder Reha-Maßnahmen.                              die Gruppe sendet Informationsmaterial          ihrer Erkrankung einschließlich einer ten-
                 die mit ihrem Leiden noch nicht fachärztlich                                                       (44%) oder legt es selbst im Krankenhaus        denziell besseren Patienten-Compliance,
                 versorgt werden, zur entsprechenden Arzt-                                                          aus (38% der Gruppen),                          zur Krankheitsverarbeitung und -bewälti-
                 konsultation,                                                                                      die Gruppe wird von Krankenhausärzten in        gung, insbesondere in der nachstationären
                                                                                                                    medizinischen Fragen beraten (27%),             Phase.
                                                                                                                    die Gruppe wirkt an Patientenschulungen
                                                                                                                    oder Arzt-Patienten-Seminaren mit (27%),     Für die eigene ärztliche Arbeit sei es zeitlich und
                                                                                                                    das Krankenhaus stellt der Gruppe Räum-      inhaltlich überwiegend entlastend, den Betrof-
                Kontakte und Kooperationen mit Selbsthilfegruppen:                                                  lichkeiten zur Verfügung (32%),              fenen mit Hilfe der Gruppen ein psychosoziales
                                                                                                                    die Gruppe führt Patientenbesuche im Kran-   Versorgungsangebot machen zu können. Ferner
                Krankenhausmitarbeiter berichten                                                                    kenhaus durch zwecks Information und Be-     verstärke die Kooperation mit Selbsthilfegrup-
                                                                                                                    ratung (33%),                                pen den Bekanntheitsgrad des Krankenhauses
                                                                                                                    Krankenhausärzte informieren Patienten       in der Region und trage zu einem positiven Bild
              Die explorative Befragung von Krankenhausab-        Mitwirkung von Gruppen an Patientenschu-          über die Adresse der Gruppe (46%).           in der Öffentlichkeit bei. Die Gruppen wirken
              teilungen (Sachsen-Anhalt, Düsseldorf/Köln)         lungen, Arzt-Patienten-Seminaren,                                                              als Multiplikatoren und es könne die Patienten-
              zeigt die Vielgestaltigkeit kooperativer Bezie-     „Zuweisung“ von Patienten zum Kranken-                                                         bindung an das Krankenhaus bzw. die Abteilung
              hungen. Der weit überwiegende Teil der be-          haus(arzt) durch die Gruppe,                                                                   gefördert werden.
              fragten Krankenhausabteilungen bestätigte           Einbeziehung einer Gruppe in die Elternbe-
              Kontakte mit Selbsthilfegruppen. Teilweise          ratung (bei Down Syndrom),
              handelt es sich um regelmäßige und aufwen-          Durchführung von Treffen der Gruppe im
              dige Kooperationen. Zum breiten Spektrum der        Krankenhaus; Nutzung räumlicher Ressour-
              Aktivitäten zählen z. B.:                           cen des Krankenhauses durch Gruppen
                  Aushang oder Auslegen des Informations-         (Physiotherapie, Bewegungsbecken u.a.),
                  materials von Gruppen,                          vorübergehende Supervisionstätigkeit von
                  Hinweise auf Selbsthilfegruppen, Weiterga-      Therapeuten der Klinik für eine Gruppe,
                  be entsprechender Adressen an Patienten,        Durchführung öffentlicher Veranstaltungen
                  Vermittlung von Patienten in Gruppen,           von Krankenhaus und Gruppen (z. B. Pati-
                  Teilnahme von Gruppen an Informationsver-       entenforen) mit Vorträgen von Ärzten und
                  anstaltungen in der Klinik, z. B. wöchentlich   Selbsthilfegruppen,
                  stellt sich eine Selbsthilfegruppe (Alkohol-    Unterstützung von Gruppen bei Anträgen,
                  abhängiger) in der Klinik im Rahmen eines       sozialrechtlichen Einsprüchen, organisatori-
                  festen Informationsprogramms für Patien-        schen Fragen u.a.,
                  ten der Entgiftungsstation vor,                 Beantwortung der Anfragen von Gruppen
                  Patientenbesuchsdienste von Gruppen zur         (zum Teil gewünschte Zweitmeinung),
                  präoperativen und postoperativen Patien-        Abschluss einer Kooperationsvereinbarung
                  tenberatung (Angstabbau, Kontakte ver-          mit Gruppen im Rahmen der Zertifizierung
                  mitteln, Hilfsangebote, Informationen zur       der Einrichtung (bspw. zum Brustzentrum),
                  Krankheit und über eigene Krankheits- und       Mitwirkung von Krankenhausärzten an der
                  Therapieerfahrungen),                           Gründung von Selbsthilfegruppen.
      8                                                                                                                                                                                                                9
Selbsthilfe                                                                                                                                                                                                            Selbsthilfe
Kontakte und Kooperationen mit Ärzten:
                Selbsthilfegruppen berichten

              Welches Bild der Kontakte und Kooperationen      In der Regel verfügen die Gruppen trotz aller          men Treffen mit Ärzten zu besprechen und           als Gruppe praktische Unterstützung durch
              mit niedergelassenen oder Krankenhaus-Ärz-       Informationssammlung nur über ein medizini-            ihnen zur Verfügung zu stellen,                    Ärzte zu erhalten,
              ten zeichnen die Selbsthilfegruppen?             sches Teilwissen. Aus diesem Grund wird der            durch Kontakte von Ärzten zu anderen               das ärztliche Verständnis für die betreffende
              80% der Gruppen im Bereich Bielefeld/            Arzt als Vermittler von Fachkenntnissen und            Einrichtungen gezielt neue Kontakte (z. B.         Krankheit (z. B. bei seltenen Erkrankungen)
              Gütersloh und 69% der Gruppen im Bereich         als Interpret gewünscht, der in der Fülle der          Referenten) für die Gruppe zu gewinnen,            zu erhöhen, ferner auch, das ärztliche Inter-
              Halle/Wittenberg hatten bereits einmal als       Medieninformationen, Meldungen und Mei-                durch eine vermehrte ärztliche Patienten-          esse und die ärztliche Anerkennung für die
              Gruppe Kontakt zu Ärzten (niedergelassenen       nungen eine fundierte Klärung und Orientie-            beratung zur Gruppenteilnahme Betroffene           Gruppe und ihre Arbeit zu fördern.
              und/oder Krankenhausärzten). Mit Blick auf die   rung ermöglicht.                                       zu informieren und mögliche Schwellen-
              letzten 12 Monate bestätigten 65% der Grup-      Viele Gruppen sind daher auch an einer niedrig-        angst abzubauen,
              pen im Bereich Bielefeld/Gütersloh und 35%       schwelligen Ansprechmöglichkeit von Ärzten,
              der Gruppen im Bereich Halle/Wittenberg sol-     insbesondere Fachärzten, interessiert. Zumeist
              che Kontakte.                                    wird keine hohe Kontaktfrequenz beabsich-
              Feste, regelmäßige Kontakte zu Ärzten liegen     tigt. Es geht den Gruppen um die mögliche
              bei 29% der Gruppen (Bielefeld/Gütersloh)        Ansprechbarkeit für Fragen, die in der Konsul-
              bzw. 27% (Halle/Wittenberg) vor.                 tation beim Arztbesuch nicht gestellt werden          Kooperationen:
                                                               bzw. offen geblieben sind.
              Als häufigste Anlässe und Anliegen für die                                                             Voraussetzungen, Schwellen, Möglichkeiten
              Kontaktaufnahme zu niedergelassenen Ärzten       Etwas mehr als die Hälfte (52%) der Selbsthil-
              bzw. Krankenhausärzten nannten die Gruppen       fegruppen in Bielefeld/Gütersloh und 49% der
              für die letzten 12 Monate:                       Gruppen im Bereich Halle/Wittenberg erhielten       Die zum Teil schon bestehenden erfolgreichen       Zudem sinkt nach einer Zahl von Ablehnungen
                  Anfrage an einen Arzt wegen eines            in den letzten 12 Monaten neue Mitglieder auf-      Kooperationen von Ärzten und Selbsthilfegrup-      die Motivation, weitere Ärzte um Kooperation
                  gewünschten Vortrags (44% der Gruppen        grund der ärztlichen Beratung von Patienten.        pen sind ganz wesentlich von einer Reihe von       zu bitten.
                  Bielefeld/Gütersloh, 35% Halle/Witten-                                                           Voraussetzungen abhängig. Sie beruhen zum
                  berg),                                       Eine Reihe von Selbsthilfegruppen ist sehr          einen auf dem Engagement und der kommuni-          Kooperationsschwellen für Ärzte:
                  Einladung eines Arztes zu einem Gruppen-     zufrieden mit Umfang und Art ihrer bisherigen       kativen Kompetenz der beteiligten kooperieren-     Das mit Abstand bedeutsamste Hemmnis für
                  treffen (39,5% Bielefeld/Gütersloh, 33%      Kontakte und Kooperationen mit niedergelasse-       den Ärzte. Zum anderen gibt es im Bereich der      die Kooperation mit Selbsthilfegruppen bildet
                  Halle/Wittenberg),                           nen Ärzten und Krankenhausärzten. Sie schät-        Selbsthilfegruppen sowohl eher arztnah als         für Ärzte der eigene Zeitmangel. Bei nieder-
                  die Zusendung bzw. Aushändigung von          zen den Nutzen der Kooperation. Doch nicht          auch eher arztfern oder arztkritisch eingestell-   gelassenen Ärzten kommen teilweise weitere
                  Informationsmaterial mit der Bitte um Aus-   alle Gruppen wünschen einen Kontakt oder            te Gruppen, was auf Kooperationen gleichfalls      Hemmnisse hinzu:
                  lage der Unterlagen (37% / 31%),             eine verstärkte Kooperation mit Ärzten. Man-        wesentlichen Einfluss hat. Bei den erfolgrei-         fehlende Information über die für die eigene
                  die Klärung einer konkreten medizinischen    che gehen lieber ihren eigenen Weg.                 chen Kooperationen handelt es sich jeweils um         Fachrichtung bedeutsamen Gruppen in der
                  Frage (33% / 27%),                                                                               spezifische, stark personell geprägte Konstel-        Region,
                  die Betreuung bzw. Begleitung der Gruppe     Ein großer Teil der Gruppen ist aber an mehr        lationen seitens des Arztes und der Gruppe,           Unsicherheit über Arbeitsweise und Quali-
                  durch einen Arzt (19% / 8%).                 Kontakt- und Austauschmöglichkeiten mit Ärz-        es gibt bisher kaum institutionalisierte Grund-       tät der Arbeit der Gruppen,
                                                               ten sowie an mehr ärztlicher Unterstützung          lagen. Steht z. B. der bisher mit der Gruppe          unklarer Nutzen einer Zusammenarbeit,
              Diese Anliegen führten zumeist zu fakti-         interessiert. Im Einzelnen sind es u. a. Anliegen   kooperierende Arzt nicht mehr zur Verfügung,          unwissenschaftliche Vorstellungen mancher
              schen Kooperationen. Darüber hinaus gab es       wie:                                                ergibt sich für die Gruppe zumeist der Aufwand        Gruppen (Sorge vor möglichen Auseinan-
              eine Fülle weiterer Kooperationsaktivitäten:         zusätzliche Informationen und aktuelle          eines neuen Kooperationsaufbaus.                      dersetzungen mit verfestigten, einseitigen
              öffentliche Veranstaltungen, Patientensemina-        Erkenntnisse über Krankheitsursachen,           Einige Ärzte signalisierten in den Telefonin-         Krankheits- und Therapievorstellungen in
              re, Besuchsdienste der Gruppen, Aufbau einer         -diagnostik und -therapie zu erhalten,          terviews, sie seien gerne zu einer Koopera-           manchen Gruppen),
              neuen Gruppe.                                        einen Arzt als Ansprechpartner zu finden für    tion mit einer Selbsthilfegruppe bereit, nur          fehlender finanzieller Ausgleich,
                                                                   Anfragen und Rat bei Bedarf,                    sollte die Anfrage von der Gruppe ausgehen.           eine geringe Anzahl von Selbsthilfegruppen
              Warum die zahlreichen Anfragen und Einladun-         das eigene krankheits- und therapiebe-          Für die Gruppen besteht aber vielfach eine            in der Umgebung (insbesondere im länd-
              gen an Ärzte zu Treffen oder Veranstaltungen?        zogene Erfahrungswissen bei gemeinsa-           Unsicherheit, welcher Arzt ansprechbar ist.           lichen Bereich).

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Selbsthilfe                                                                                                                                                                                                              Selbsthilfe
Beispiele guter Praxis

              Die genannten Kooperationsschwellen geben            Zeitmangel und Überlastung vieler Ärzte,       Bei den Befragungen der Ärzte zeigten sich         Ein niedergelassener Arzt berichtete von
              zugleich Hinweise auf mögliche Ansatzpunk-           Desinteresse mancher Ärzte an Koopera-         einige Beispiele guter Kooperation, von denen      einem festen Kontakt zu einer Selbsthilfegrup-
              te für eine Kooperationsentwicklung. Begrüßt         tion,                                          hier mehrere exemplarisch beschrieben wer-         pe, die sich mit Spätfolgen der Poliomyelitis
              würden aktuelle, inhaltlich gut gegliederte und      eine zum Teil mangelnde Anerkennung der        den:                                               beschäftigt. Neben medizinischen Fragen wer-
              mit Angaben zur Arbeitsweise und Besonder-           Gruppe als gleichberechtigtem Partner, z. B.                                                      den zwischen ihm und der Gruppe auch sozial-
              heiten versehene Verzeichnisse zu den regio-         eine geringe Akzeptanz des Erfahrungswis-      Eine niedergelassene Gynäkologin hat seit          medizinische Probleme, die beispielsweise die
              nal bestehenden Gruppen sowie, bei seltenen          sens der Gruppe,                               10 Jahren einen festen und klar umrissenen         Berentung oder Rehabilitationsmaßnahmen
              Erkrankungen, zu Gruppen mit überregionalem          ein zum Teil begrenztes Fachwissen von Ärz-    Kontakt (Umfang und Inhalt) zu einer Selbst-       betreffen, erörtert. Umgekehrt stellt die Grup-
              Einzugsbereich. Die Zusammenarbeit mit Grup-         ten über die betreffende Krankheit, gerade     hilfegruppe von Brustkrebspatientinnen. Die        pe ihm häufig wissenschaftliche Beiträge und
              pen könnte für einen Teil der Ärzte zudem er-        bei seltenen Erkrankungen,                     Ärztin nimmt im Jahr an zwei Gruppentreffen        Veröffentlichungen zur Verfügung, z. B. über
              leichtert werden (Unsicherheit vor der „black        finanzielle Vergütungswünsche für Vorträge.    teil und hält zwei Vorträge. Sie berät die Grup-   problematische Medikamente bei Post-Polio-
              box“ Kooperation), wenn klare Verhaltensori-                                                        pe zu konkreten medizinischen Fragen, eine         Syndrom.
              entierungen gegeben werden könnten.               Einige Gruppen nannten als Kooperations-          ärztliche Betreuung findet aber nur bei „ihren“
                                                                schwelle auf der eigenen Seite aber auch:         Patientinnen statt. Die Selbsthilfegruppe stellt   Hier ein Beispiel für die regelmäßige Koope-
              Kooperationsschwellen für                            Ängste in der Gruppe vor fehlender ärzt-       Informationsmaterial über ihre Arbeit für die      ration eines niedergelassenen Frauenarztes,
              Selbsthilfegruppen:                                  licher Akzeptanz,                              Auslage im Wartezimmer zur Verfügung. Zwi-         der vor sechs Jahren an der Gründung einer
              Die größten Erschwernisse für eine (stärke-          krankheitsbedingt eingeschränkte Kommuni-      schenzeitlich gibt es vereinzelt telefonische      lokalen Selbsthilfegruppe (Selbsthilfegruppe
              re) Zusammenarbeit sehen die Gruppen fast            kationsfähigkeit und Organisationsfähigkeit    Anfragen, die aber, da die Kooperationspartner     zur Inkontinenz) beteiligt war. Der Kontakt zu
              durchgängig auf Seiten der Ärzte durch:              der Gruppe.                                    einander kennen, zügig bearbeitet werden.          dieser Gruppe ist regelmäßig und definiert.
                                                                                                                  Als positiv beschreibt die Gynäkologin die sehr    Der Arzt nimmt sowohl an den monatlichen
                                                                                                                  hohe sozialrechtliche Kompetenz, die sich in       Gruppentreffen als auch an den ebenso häu-
                                                                                                                  der Gruppe findet. Davon profitiert sie bei der    figen Sitzungen des Gruppenvorstandes teil.
                                                                                                                  Beratung ihrer Patientinnen und sie weiß die       Ein Fachvortrag ist einmal jährlich vereinbart, es
                                                                                                                  Frauen, die sich der Gruppe anschließen, dies-     findet eine medizinische Beratung der Gruppe
                                                                                                                  bezüglich gut aufgehoben. Durch die Zusam-         und eine ärztliche Betreuung von einigen Grup-
                                                                                                                  menarbeit mit der Gruppe sah sich die Ärztin       penmitgliedern statt. Informationsmaterial der
                                                                                                                  veranlasst, sich auch mit Themen auseinander       Selbsthilfegruppe liegt im Wartezimmer des
                                                                                                                  zu setzen, die sie im beruflichen Alltag bisher    niedergelassenen Gynäkologen aus.
                                                                                                                  weniger beachtet hatte. Dies beschreibt die        Die Selbsthilfegruppe informiert sich über
                                                                                                                  Frauenärztin als persönlichen Gewinn. Als          Einrichtungen, die auf die Behandlung ihres
                                                                                                                  weiterer positiver Aspekt der Zusammenarbeit       Leidens spezialisiert sind (Besichtigungen
                                                                                                                  wurde die Möglichkeit genannt, Verständnis         von Kliniken mit Arztvorträgen), und besucht
                                                                                                                  für die Situation (der Ärzte) im Gesundheits-      Kongresse. Bei diesen Aktivitäten begleitet der
                                                                                                                  wesen in die Selbsthilfegruppe zu bringen. Der     Frauenarzt, wenn möglich, die Gruppe.
                                                                                                                  zeitliche Aufwand für sie sei eher gering, die     Dieser Arzt beschreibt seine Kontakte zu der
                                                                                                                  Entlastung bedeutsam.                              Selbsthilfegruppe als sehr positiv. Er wert-

 12                                                                                                                                                                                                                       13
Selbsthilfe                                                                                                                                                                                                               Selbsthilfe
schätzt, dass durch die Arbeit der Gruppe bzw.   Betroffene, sich regelmäßig zu treffen und eine     den „Thementagen“ kommen Experten der            sen, wo sie nach der 10-tägigen, stationären
              in der Gruppe offen über das „Thema“ geredet     Selbsthilfegruppe zu gründen. Die Klinik unter-     Klinik, Betroffene und Interessierte am runden   Behandlung Unterstützung finden können. Die
              wird, das viele Patienten in der Sprechstunde    stützt seither diese Gruppe, indem sie einen        Tisch zusammen. Auch Selbsthilfegruppen          Form der Zusammenarbeit hat sich als günstig
              nicht anzusprechen wagen. Die Teilnehmer der     Raum für die Treffen bereitstellt. Die Gruppe       werden eingeladen, sich vorzustellen und von     erwiesen, da den Patienten Berührungsängste
              Gruppe sind neuen wissenschaftlichen Metho-      arbeitet selbständig. Eine Oberärztin der Klinik    ihrer Arbeit zu berichten. Die „Thementage“      genommen werden. Für die Klinik ist es wich-
              den gegenüber aufgeschlossen. Die Koopera-       für Innere Medizin ist Ansprechpartnerin, die       werden zum Teil mit Vorträgen von Ärzten und     tig, einen direkten Weg in die Selbsthilfegrup-
              tion mit der Selbsthilfegruppe führt nebenbei    aber nur auf Einladung der Gruppe an den Tref-      evtl. auch von Selbsthilfegruppen gestaltet.     pen anbieten zu können, da die Patienten in der
              auch zu neuen Patientinnen in der Praxis.        fen teilnimmt. Die Oberärztin hält einmal im        Diskussionen, moderierte und offene Gesprä-      Regel nach der stationären Entgiftung auf die
              Gefragt nach dem Grund für seine engagierte      Jahr einen Vortrag vor der Gruppe und unter-        che ergänzen die Veranstaltung.                  Entwöhnungstherapie warten müssen. Die Teil-
              Kooperation gibt der Frauenarzt sein Interesse   stützt diese, indem sie für Fragen zur Verfü-                                                        nahme an einer Selbsthilfegruppe könne den
              an der Thematik Inkontinenz an.                  gung steht, bei Interesse/Bedarf der Gruppe         Ein Beispiel für eine intensive und regelmä-     Patienten helfen, diese Zeit zu überbrücken.
                                                               Mitarbeiter (z. B. Diabetesassistentin) für einen   ßige Kooperation zwischen Krankenhäusern         Weiterhin stellen die Gespräche in den Grup-
              Als weiteres Beispiel die Schilderung einer      Gruppenbesuch freistellt oder der Gruppe bei        und Selbsthilfe stammt aus dem Bereich der       pen für die Erkrankten auch ein Übungsfeld
              Selbsthilfegruppe. Durch gemeinsame Ini-         der Gewinnung von Referenten hilft. Als posi-       Therapie von Abhängigkeitserkrankungen.          für die Gesprächstherapie in der Entwöhnungs-
              tiative einer Dermatologin und einer Patientin   tive Resultate der Kooperation sieht die Inter-     Die entsprechende Fachabteilung des Kran-        behandlung dar.
              entstand eine Selbsthilfegruppe Systemischer     nistin u. a., dass der Kontakt zu den chronisch     kenhauses führt stationäre Entgiftungen durch.   Die Selbsthilfegruppen erhalten vom Kranken-
              Lupus Erythematodes. Auf eine Phase der          Kranken aufrecht erhalten wird und dass die         Der Entzug vom Alkohol wird durch Diagnostik     haus (wenn gewünscht) einen Raum für ihre
              intensiven Betreuung zu Beginn ergab sich mit    Patienten bei erforderlicher Behandlung oder        und Therapie begleitet mit Komponenten wie:      Treffen zur Verfügung gestellt. Bei Fragen dür-
              zunehmender Selbständigkeit der Gruppe ein       einem anstehenden Eingriff bekannt sind. Die        medizinische Behandlung der Alkoholkrankheit     fen sich die Gruppen an die Mitarbeiter der
              Wandel zu einem lockereren Kontaktnetz. Doch     Teilnehmer, die sich in der Selbsthilfegruppe       sowie der Folgeerkrankungen, Suchtanamne-        Abteilung (inkl. einen Suchtberater) und den
              nach wie vor steht die Ärztin der Gruppe für     engagieren, entwickelten sich häufig zu aktiven     se, Motivations- und Ergotherapie, professio-    Chefarzt wenden. Dieser steht den Gruppen
              alle relevanten Fragen zur Verfügung. Für die    und positiv mitarbeitenden Patienten.               nelle Suchtberatung.                             auch auf Einladung als Referent zur Informa-
              Gruppe ist sie „ihre“ betreuende Ärztin und      Die erwähnte eintägige Veranstaltung für            In dem Konzept der Klinik werden Selbsthil-      tion über medizinische Themen zur Verfügung.
              Bezugsperson.                                    Patienten mit Diabetes Mellitus ist einer der       fegruppen als therapeutischer Faktor in die      Dabei geht er allerdings nicht in das „Innere
              Im Laufe der Zeit erhielt die Gruppe auch        „Thementage“, die manche Krankenhäuser              Behandlung einbezogen. Verschiedene Sucht-       Treffen“, sondern referiert oder beantwortet
              Anfragen und Betreuungsangebote von Ärz-         jeweils zu einer bestimmten Krankheit durch-        Selbsthilfegruppen kommen ins Krankenhaus        Fragen vorab.
              ten anderer Fachrichtungen, so dass sich ein     führen und dazu öffentlich Patienten, Ange-         und stellen sich den Patienten vor. Die Pati-    Senden bisher nicht bekannte Selbsthilfegrup-
              breiteres Kontaktnetz entwickelte.               hörige und weitere Interessierte einladen. Bei      enten können so Kontakte knüpfen und wis-        pen Materialien mit der Bitte um Auslage an
                                                                                                                                                                    die Klinik oder äußern neue Gruppen einen
              Auch im stationären Bereich berichten Ärzte                                                                                                           Kooperationswunsch, wird ein Vertreter der
              von positiven Kooperationen mit Selbsthilfe-                                                                                                          Gruppe zu einem Kennenlern-Gespräch ein-
              gruppen. Dazu folgendes Beispiel:                                                                                                                     geladen. Dies geschieht zum einen, damit die
              Anlässlich einer eintägigen Veranstaltung, zu                                                                                                         Ansprechpartner bekannt sind, aber auch um
              der die Klinik alle Patienten mit einem Diabe-                                                                                                        einen persönlichen Eindruck von der Qualität
              tes Mellitus Typ 1 einlud, entschieden einige                                                                                                         und Arbeitsweise der Gruppe zu gewinnen.

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Selbsthilfe                                                                                                                                                                                                           Selbsthilfe
Acht gute Gründe für eine Zusammenarbeit
                von Ärzten und Selbsthilfegruppen

              Die Kooperation von Ärzten und Selbsthilfe-         Was für die Betroffenen zutrifft, gilt parallel    Betroffenenkompetenz als                          – schafft emotionale Nähe und ein Gefühl
              gruppen ermöglicht Vorteile und Nutzen für          auch für mitbetroffene Angehörige. Sie haben       spezifische Hilfe                                 der Akzeptanz, des Verständnisses und des
              die Betroffenen, für Ärzte und das Gesund-          die psychosoziale Krankheitslast des engen         Selbsthilfegruppen sind mögliche Partner von      Angenommenseins in der Gruppe, wie es
              heitssystem.                                        Familienmitglieds und häufig die häusliche Ver-    Ärzten und anderen Berufen im Gesundheits-        professionelle Helfer so nicht geben können.
                                                                  sorgungslast mit zu tragen. Selbsthilfegruppen     wesen. Ihre Hilfeleistungen konkurrieren nicht    Damit tragen Selbsthilfegruppen auf ihre Wei-
              Mehr Eigenkompetenz der                             für Mitbetroffene (Eltern, PartnerInnen, Kinder)   mit den Leistungsangeboten anderer Berufs-        se wesentlich zur seelischen Stabilisierung
              Betroffenen                                         können durch ärztliche Information und Aufklä-     gruppen. Sie ermöglichen den von chronischer      der Betroffenen bei, zum Aufbau einer neuen
              Die Zusammenarbeit schafft Lernmöglichkeiten        rung ihr Krankheits-, Therapie- und Situations-    Krankheit und Behinderung Betroffenen eine        Lebensperspektive mit der Krankheit und den
              durch Informationstransfer für die Gruppen. Das     verständnis erweitern und an Kompetenz im          Art von Hilfe, die professionelle Berufe und      mit ihr verbundenen Einschränkungen. Sich
              Wissen der Gruppenmitglieder über ihre Erkran-      Umgang mit der Erkrankung und dem erkrank-         Einrichtungen im Gesundheitswesen so nicht        mit anderen Menschen in gleichartiger Notla-
              kung, über Therapiemöglichkeiten sowie über         ten Familienmitglied gewinnen.                     zu leisten vermögen.                              ge austauschen zu können, ist eine spezifische
              Krankheits- und Therapiefolgen wird durch die       Ärztliche Aufklärung bei Betroffenen und Mit-      Diese Art der Hilfe erwächst insbesondere aus     Form der Hilfe.
              Informationsarbeit von Ärzten gestärkt. Dies kann   betroffenen kann zudem unzutreffende Vorstel-      der Gleichbetroffenheit der Gruppenmitglieder     Ärzte mit ihrer besonderen Verantwortung für
              durch die Teilnahme des Arztes an einem gemein-     lungen über Krankheitsursachen und Therapien       durch eine bestimmte Krankheit, die gemein-       die Organisation des Therapieprozesses der
              samen Diskussionsabend mit der Gruppe, durch        korrigieren helfen sowie moralische Schuldzu-      same Leidenserfahrung und gleichartige krank-     Patienten können in der Patientenberatung die
              einen Vortrag bei einem Gruppentreffen oder bei     schreibungen des Alltags durch objektive Fakten    heitsbedingte psychosoziale Probleme.             Selbsthilfe konsequent berücksichtigen und
              größeren Selbsthilfe-Veranstaltungen erfolgen.      und Erkenntnisse ersetzen. Wenngleich solche       Das Gespräch der Betroffenen über ihre            den Betroffenen dieses Feld der Hilfe näher
              Der Wissenszuwachs für die Betroffenen trägt        Aufklärungsarbeit Ärzte auch in der normalen       Betroffenheit – körperlich, seelisch und sozial   bringen.
              zum Empowerment, zu ihrer Selbstbefähigung/         Patientenberatung leisten, so bietet die Zusam-
              Kompetenz im Umgang mit der Krankheit und           menarbeit mit Selbsthilfegruppen die Chance
              damit auch zur verbesserten Therapieumsetzung       für die Multiplikation der Informationen und für
              bei. Nach Einschätzung von Ärzten haben Selbst-     die gemeinsame Informationsverarbeitung und
              hilfegruppen-Mitglieder eine vergleichsweise        Meinungsbildung in der Gruppe.
              günstigere Therapie-Compliance.

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                  Krankheitswissen                    Empowerment,
                                                    Selbstmanagement
                                                                                           Krankheits-
                                                                                           kompetenz
                                                                                                                       1234
                                                                                                                         emotionale
                                                                                                                         Entlastung
                                                                                                                                                  psychische
                                                                                                                                                 Stabilisierung
                                                                                                                                                                           Krankheits-
                                                                                                                                                                          bewältigung/
                                                                                                                                                                                                  Leben mit der
                                                                                                                                                                                                    Krankheit
                                                                                                                                                                          Aufbau einer
                                                                                                                                                                            Zukunfts-
                                                                                                                                                                           perspektive

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Selbsthilfe                                                                                                                                                                                                             Selbsthilfe
Psychosoziale Unterstützung                       Nebenwirkungen der Therapie auf die eigene          Die Einbeziehung von Selbsthilfegruppen in           den Patienten ein psychosoziales Versorgungs-
              Schwere chronische Erkrankungen und Behin-        körperliche Verfassung und das Befinden. Sie        Maßnahmen der Qualitätssicherung, wie sie            angebot über die eigene ärztliche Behandlung
              derungen gehen häufig mit Verlusterlebnissen      erleben die Probleme der Therapieumsetzung          bereits erfolgreich z. B. in hessischen Qualitäts-   hinaus. Sie nutzen damit die Möglichkeit zu
              im Berufs- und Lebensalltag einher. Ob krank-     unter den Gegebenheiten und Anforderungen           zirkeln erprobt wurde, eröffnet Chancen für die      einer stärker ganzheitlichen, professionell und
              heitsbedingter Berufsverlust oder berufliche      des Lebensalltags.                                  Steigerung der Versorgungsqualität durch Ein-        selbsthilfegestützten Versorgung für Patien-
              Einschränkungen, ob Rollenverluste oder Rol-      In Selbsthilfegruppen steht aufgrund der            beziehung der Betroffenenperspektive.                ten, die somatische, psychische und soziale
              lenveränderungen in der Familie sowie Ver-        Betroffenheit durch die gleiche Erkrankung ein                                                           Aspekte umfasst.
              änderungen der Partner-Partnerin-Beziehung        vielfaches Erfahrungswissen zur Verfügung.          Beiträge zur Verbesserung der                        Bisher beteiligt sich ein eher geringer Pro-
              – zu den krankheitsbedingten körperlichen und     Für Ärzte, in deren Klientel manche Krankheiten     Lebensqualität im Alltag                             zentsatz der Menschen mit einer bestimmten
              seelischen Problemen treten die Probleme der      eher selten vertreten sind, ergeben sich daraus     Chronisch Kranke und Behinderte sind vielfach        chronischen Erkrankung oder Behinderung an
              sozialen Krankheitsfolgen. Auch zu solchen kon-   Möglichkeiten, aus den Erfahrungen der Grup-        Einschränkungen im Lebensalltag ausgesetzt.          Selbsthilfegruppen. Durch die ärztliche Patien-
              kreten lebensweltlichen Problemen und psychi-     penmitglieder zu lernen. Ganz allgemein gilt        Krankheitsbedingt beeinträchtigte körperliche        tenberatung könnten weitere Betroffene dazu
              schen Belastungen vermitteln die Gespräche in     dies auch für selten auftretende Krankheiten.       und psychisch-mentale Funktionen haben Pro-          motiviert werden, eigene Erfahrungen mit
              der Gruppe emotionale und praktische Unter-       Aus diesem Grund teilen viele Ärzte die Auffas-     bleme der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben       dieser zusätzlichen Hilfe durch Selbsthilfe zu
              stützung. Der Erfahrungsfundus in der Gruppe      sung, dass die Zusammenarbeit mit Selbsthilfe-      zur Folge – sei es im Beruf, im Wohnumfeld           machen und daraus Nutzen zu ziehen.
              ermöglicht einen Austausch und Lernprozess        gruppen den ärztlichen Blick für die Probleme       oder im erweiterten Lebensumfeld. Manche             Auch die Arztbindung von Patienten kann davon
              über Möglichkeiten der alltagsweltlichen Pro-     chronisch Kranker und Behinderter schärfe und       Gruppen legen daher besonderen Nachdruck             gewinnen. Wie Studienergebnisse zeigen, rea-
              blembewältigung.                                  die ärztliche Beratung der Patienten mit chro-      auf eine möglichst barrierefreie Gestaltung der      gieren Patienten auf die ärztliche Beratung zu
              In vielen Selbsthilfegruppen findet zudem eine    nischer Erkrankung und Behinderung verbes-          Lebensbedingungen, was scheinbar so ein-             Selbsthilfegruppen mehrheitlich positiv.
              wechselseitige Beratung und Unterstützung         sere.                                               fache Sachverhalte wie die Zugänglichkeit zu
              im Sinne sozialversicherungsrechtlicher Mög-                                                          Einrichtungen, Institutionen, Verkehrsmitteln,       Zuwachs an Reputation und
              lichkeiten und Verfahrenswege statt. Während      Beitrag zur verbesserten                            aber auch die Übermittlung und Präsentation          Patientengewinn
              große Selbsthilfeverbände und -zusammen-          Versorgungsstruktur und -qualität                   von Informationen u. a. betrifft. Indem Selbst-      Selbsthilfegruppen erfahren das besondere
              schlüsse hier über ein hohes Kompetenzniveau      Selbsthilfegruppen als organisierte Patienten-      hilfegruppen den Gedanken der Teilhabe prak-         Engagement kooperierender Ärzte für ihre
              verfügen, fehlen vielen kleinen, lokalen Grup-    gruppen verfügen anhand der Erfahrungen ih-         tisch verfolgen, tragen sie zur Verbesserung         Gruppe und für Menschen mit ihrer Erkrankung
              pen hinreichende Verfahrenskenntnisse.            rer Mitglieder mit Einrichtungen des medizini-      der Lebensqualität von Betroffenen und Ange-         als wertvoll. In diesem Sinne stellen Selbst-
              Es gilt: Selbsthilfegruppen können durch ihre     schen Versorgungssystems und aufgrund ihres         hörigen im Alltag bei.                               hilfegruppen auch wichtige Meinungsbildner
              Arbeit Ärzte von zahlreichen lebensweltlichen     vergleichenden Blicks über ein erhebliches          Ärzte können zur möglichst barrierefreien            dar. Die Erfahrungen, die sie in der Gruppe
              und behördenbezogenen Patientenerwartun-          Wissen, was Schwachpunkte von Strukturen            Gestaltung medizinischer Versorgungseinrich-         und u. U. darüber hinaus kommunizieren, kön-
              gen und Beratungswünschen entlasten. Umge-        und Prozessen in medizinischen Versorgungs-         tungen einen wichtigen Beitrag leisten.              nen für die Entscheidungen von Betroffenen
              kehrt bedürfen viele Gruppen aber auch selbst     einrichtungen sowie Defizite im Gesundheits-        Hinzu kommen die Möglichkeiten des medi-             bei ihrer Arztwahl und der Inanspruchnahme
              der Beratung zu solchen Fragen, wozu Ärzte        wesen regional oder insgesamt betrifft. So          zinischen Fortschritts, die bisher irreversible      von Behandlungseinrichtungen von Bedeutung
              durch Informationsaustausch und Zusammen-         haben Gruppen Selbstbetroffener und Ange-           Behinderungen partiell reversibel machen.            sein.
              arbeit wertvoll beitragen können.                 hörigengruppen wiederholt auf unzureichende         Auch hier ergeben sich Anknüpfungspunkte für         Dieser Aspekt einer Kooperation von Ärzten und
                                                                medizinische und psychosoziale Versorgungs-         die Information und Kooperation mit Selbsthil-       Selbsthilfegruppen wird, wie die Studienergeb-
              Lerngewinn für Ärzte                              strukturen in bestimmten Feldern aufmerksam         fegruppen.                                           nisse zeigen, von medizinischen Leistungsan-
              Ärzte können aus den Erfahrungen der Grup-        gemacht. Hinzu kommt das Interesse vieler                                                                bietern durchaus wahrgenommen.
              pen lernen. Liegt bei Ärzten die wissenschaft-    Gruppen an einer bestmöglichen Versorgungs-         Beitrag zur ganzheitlichen
              lich-medizinische Fachkompetenz, so verfü-        qualität für die betreffende Erkrankung. Sie        Versorgung
              gen Selbsthilfegruppen und Betroffene über        setzen sich für den strukturellen Ausbau des        Indem Ärzte Patienten mit chronischer Krank-
              Erfahrungskompetenz in mehrfacher Hinsicht.       Gesundheitswesens und für die konsequente           heit und Behinderung über Selbsthilfegruppen
              Die Betroffenen erleben die Krankheit in ihrer    Nutzung des medizinischen Erkenntnisfort-           informieren, zur Teilnahme anregen und mögli-
              spezifischen Ausprägung und Symptomatik.          schritts ein. In der Verfolgung dieser Ziele sind   che Schwellen, Vorbehalte und Ängste im Be-
              Sie erleben die individuellen Wirkungen und       sie an Kooperationen mit Ärzten interessiert.       ratungsgespräch thematisieren, vermitteln sie

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Selbsthilfe                                                                                                                                                                                                                Selbsthilfe
Kooperationspotentiale praktisch umsetzen

              Aus den Aufgaben, Zielen und Wünschen der                Bei der örtlichen Kontaktstelle für          Was können Krankenhäuser tun?
              Berufsgruppen im professionellen Gesund-                 Selbsthilfegruppen und / oder Instituti-     Aus den vielen Möglichkeiten der Koope-
              heitssystem und der Selbsthilfegruppen er-               onen der ärztlichen Selbstverwaltung         ration im Folgenden eine Auswahl für Kranken-
              geben sich verschiedene Möglichkeiten der                (z. B. bei der KOSA – Kooperationsbera-      häuser:
              Zusammenarbeit.                                          tung für Ärzte und Selbsthilfegruppen)
              Viele Ärzte, sowohl Krankenhausärzte als                 die Bereitschaft zur Kooperation mit               Bei der örtlichen Kontaktstelle für Selbsthilfegruppen eine Aufstellung der in der Region
              auch niedergelassene, erklärten, sie seien auf           Selbsthilfegruppen signalisieren (ggf.             vertretenen Selbsthilfegruppen anfordern.
              Ansprache zur Kooperation mit Selbsthilfegrup-           Fachgebiet, Erkrankungen eingren-                  Sich bei Gruppen, die für die Fachrichtung relevant sind, informieren, ob Patienten in die
              pen bereit. Die Initiative müsse ihres Erachtens         zen).                                              Gruppe geschickt werden können.
              aber von den Gruppen ausgehen, da es sich um             Mit einer Gruppe eine Ansprechpart-                Gruppen um Informationen über ihre Arbeit (Ziele und Arbeitsweise) bitten.
              Selbsthilfe handele. Sie möchten einerseits kei-         nerschaft (speziell für die betreffende            Gruppen um Materialien für den Aushang bzw. Auslage bitten.
              nen „Einfluss“ in der Gruppe und nicht bei jedem         Krankheit) vereinbaren. Damit ist keine            Selbsthilfegruppen zu Veranstaltungen in der Klinik einladen (z. B. Tag der offenen Tür).
              Treffen anwesend sein, andererseits die Gruppe           jederzeitige unmittelbare Verfügbarkeit            Selbsthilfegruppen in Veranstaltungen der Klinik (Patientenforen, „Thementage“)
              aber im Bedarfsfall mit der Sicht und dem Fach-          und Beantwortung bzw. Klärung von                  einbeziehen.
              wissen des Mediziners unterstützen. Der Bedarf           Fragen und Anliegen verbunden, aber                Gruppen einen Raum für Gruppentreffen und ggf. weitere räumliche Ressourcen zur
              solle von den Gruppen signalisiert werden.               die Bereitschaft zu einer möglichst                Verfügung stellen.
                                                                       raschen Antwort im Rahmen des Mög-                 Einen zentralen Ansprechpartner für Selbsthilfegruppen benennen (ggf. auf Homepage),
              Was können niedergelassene Ärzte                         lichen. Ggf. die Gruppe auf Zeitengpäs-            der Anfragen von Gruppen empathisch annimmt und dann weiterleitet.
              tun?                                                     se hinweisen.                                      Einen ärztlichen Ansprechpartner für medizinische Fragen der Gruppe benennen.
              Aus den vielen Möglichkeiten der Kooperation             Wenn gewünscht, einer Gruppe bei                   Bei Bedarf einer Gruppe einen Mitarbeiter der Einrichtung als Referenten/Teilnehmer zur
              im Folgenden eine nach steigendem Aufwand                der Referentengewinnung für einen                  Verfügung stellen.
              geordnete Auswahl für niedergelassene Ärzte:             Vortragsabend behilflich sein.                     Im Sinne einer Qualitätssicherung Gruppenmitglieder um Bewertungen der Klinik aus
                                                                       Bereitschaft zur aktiven Teilnahme an              „Betroffenensicht“ bitten.
                    Bei der örtlichen Kontaktstelle für                einem Gruppenabend (als Vortragender,              Mit Gruppen einen Kooperationsvertrag abschließen.
                    Selbsthilfegruppen eine Aufstellung der            Gesprächspartner) signalisieren.
                    in der Region vertretenen Selbsthilfe-             Gegenüber der einzelnen Gruppe, der          Modellprojekt Qualitätssiegel
                    gruppen anfordern.                                 örtlichen Kontaktstelle für Selbsthilfe-     Selbsthilfefreundliches Krankenhaus
                    Patienten mit chronischer Erkrankung               gruppen und/oder Institutionen der ärzt-     KISS Hamburg führt derzeit zusammen mit            Das Projekt ist auf zwei Jahre angelegt (An-
                    bzw. Eltern chronisch kranker oder                 lichen Selbstverwaltung Bereitschaft         mehreren Krankenhäusern und Gesundheits-           fang 2005 bis Ende 2006) und wird inhaltlich
                    behinderter Kinder auf Gruppen im                  zur Mitwirkung an einer öffentlichen         Selbsthilfegruppen vor Ort ein innovatives         und finanziell gefördert durch den BKK Bundes-
                    Umfeld oder ggf. auf eine einschlägige             Veranstaltung mit Selbsthilfegruppen         Kooperationsmodell durch: „Qualitätssiegel         verband, Essen. Während dieser Zeit erbringen
                    überregionale Gruppe hinweisen.                    bekunden.                                    Selbsthilfefreundliches Krankenhaus“. Das          die beteiligten Krankenhäuser als Teil ihrer Qua-
                    Interesse an Gruppen bekunden:                                                                  Modellprojekt soll die Akzeptanz der Selbsthilfe   litätssicherung verbindlich den Nachweis einer
                    Patienten mit chronischer Erkrankung         Bei Unsicherheit über die Qualität einer Selbst-   in der professionellen stationären Versorgung      breiten und systematischen Zusammenarbeit
                    fragen, ob sie bereits Mitglied              hilfegruppe könnte eine schriftliche Selbst-       fördern und die Umsetzung der gesetzlichen         mit Selbsthilfegruppen und qualifizieren sich für
                    einer Gruppe sind, und dies in der           beschreibung (über Ziele und Arbeitsweise)         Vorgaben zur Patientenorientierung und Patien-     ein imagewirksames Qualitätssiegel.
                    Patientenakte dokumentieren.                 der Gruppe erbeten werden. Vielleicht ist es       tenbeteiligung unterstützen.
                    Informationsmaterial von Gruppen in          auch möglich, den/die GruppensprecherIn für                                                             Nähere Informationen dazu bei:
                    der Praxis auslegen bzw. wahrnehmbar         ein 15minütiges Kennenlern-Gespräch in die                                                              Monika Bobzien, KISS Hamburg,
                    machen (Wartezimmer, schwarzes               Praxis einzuladen. Denkbar auch, zunächst zur                                                           Wandsbeker Chaussee 8, 22089 Hamburg
                    Brett). Auch bei Gruppen wegen               eigenen Orientierung an einem Gruppentreffen                                                            Tel. 0 40 / 41 52 01 72,
                    Informationsmaterials anfragen für           teilzunehmen.                                                                                           monika.bobzien@paritaet-hamburg.de
                    solche Krankheiten, die im eigenen
                    Patientenstamm öfter vorkommen.

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Selbsthilfe                                                                                                                                                                                                                Selbsthilfe
Fazit: Vom Nebeneinander zum Miteinander

              Was können Selbsthilfegruppen                       z. B. die Wahrscheinlichkeit, dass die Existenz   Es gibt zahlreiche Formen des Miteinander         größer, als die bisherige faktische Zusammen-
              tun?                                                der Gruppe durch Kommunikation der Ärzte          von Selbsthilfegruppen und Ärzten. Stabilere      arbeit. Mancher Arzt wartet auf ein Signal, eine
              Einige Hinweise, die das Zustandekommen             untereinander auch jenen bekannt wird, die        Formen des Zusammenwirkens finden sich z.         Kooperationsanfrage von Gruppen, um aktiv
              einer Kooperation mit Ärzten unterstützen           bisher keine Kenntnis von ihr hatten.             B. bei Herzgruppen und zum Teil bei Erkran-       zu werden. Daher ist zu überlegen, wie solche
              können:                                             Treffen mit Ärzten in der Gruppe vorberei-        kungen des rheumatischen Formenkreises            ärztliche Kooperationsbereitschaft für Grup-
                 Info-Schreiben über die Selbsthilfegrup-         ten und Unterlagen (schriftlich formulierte       oder bei Karzinomgruppen. Sonst handelt es        pen – inhaltlich möglichst konkret – erkennbar
                 pe, ihre Ziele und Arbeitsweise erstellen.       Fragen, Medienberichte etc.), auf die sich        sich zumeist um vereinzelte oder gelegentliche    gemacht werden kann. Das Gleiche gilt aber
                 Ansprechperson der Gruppe und mögliche           die Gruppe bei dem Treffen mit einem Arzt         Kontakte, was von den Gruppen nicht als nach-     auch in der umgekehrten Richtung: Wie kön-
                 Kontaktzeiten benennen. Zeit und Ort der         beziehen will, rechtzeitig vorab an den Arzt      teilig empfunden wird, soweit die Möglichkeit     nen Ärzte die Kooperationswünsche der loka-
                 Treffen der Gruppe darstellen.                   senden.                                           besteht, bei Bedarf (z. B. im Sinne einer ärzt-   len und regionalen Gruppen erkennen? Solche
                 Im Rahmen von Arzt-Patientenkontakten            Klare Absprachen mit Ärzten treffen über          lichen Ansprech-Partnerschaft) Fragen und         Fragen können z. B. auf regionaler Ebene in
                 den Arzt über die eigene Mitgliedschaft in       die gewünschten Kontakte (bspw. Anwe-             Kooperationswünsche zu realisieren.               dem von der Kassenärztlichen Vereinigung
                 einer Selbsthilfegruppe informieren.             senheit bei zwei Gruppentreffen im Jahr).                                                           Westfalen-Lippe und Selbsthilfe-Institutionen
                 Fachärzte bzw. Ärzte der Gegend, die für die     Ärzten auch Verständnis für ihre beruflichen      Krankenhäuser sehen Selbsthilfegruppen vor        eingerichteten „Round Table“ erörtert werden.
                 Erkrankung/Behinderung relevant sind, über       Anforderungen (Zeit, Bürokratie etc.) signa-      allem (aber nicht nur) als wichtige Partner/      Die KV Westfalen-Lippe prüft zudem zusätz-
                 die Selbsthilfegruppe informieren. Dies erhöht   lisieren; den ärztlichen Einsatz anerkennen.      Akteure im Bereich der nachstationären Krank-     liche Wege durch Modellprojekte mit regio-
                                                                                                                    heitsbewältigung und berücksichtigen dies         nalen Kontakt- und Informationsstellen Selbst-
                                                                                                                    in der Patientenberatung. Zum Teil bestehen       hilfegruppen (Westfälisches Ärzteblatt 2004).
                                                                                                                    bereits stabilere Beziehungs- und Koopera-
                                                                                                                    tionsformen zwischen Krankenhäusern und           Die Stärke der Selbsthilfegruppen liegt in der
                                                                                                                    Selbsthilfegruppen. Doch liegen hier weitere,     Betroffenennähe. Eine Beteiligung regionaler
                                                                                                                    für die Unterstützung der Patienten bisher noch   Selbsthilfegruppen an einer stärker institutio-
                                                                                                                    nicht genutzte Kooperationspotentiale.            nell verankerten Zusammenarbeit mit Ärzten
                                                                                                                                                                      ist gerade wegen ihrer Betroffenenkompetenz
                                                                                                                    Die Bereitschaft unter niedergelassenen Ärz-      wesentlich für die Ausgestaltung des Koopera-
                                                                                                                    ten zur Kooperation mit Selbsthilfegruppen ist    tionsprozesses.

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Selbsthilfe                                                                                                                                                                                                              Selbsthilfe
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