SCHWEIZ. APOTHEKER-ZEITUNG JOURNAL SUISSE DE PIIARMACIE GIORNJ LE SVIZZER,Q Dl ;FARMACIA

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SCHWEIZ. APOTHEKER-ZEITUNG JOURNAL SUISSE DE PIIARMACIE GIORNJ LE SVIZZER,Q Dl ;FARMACIA
SCHWEIZ. APOTHEKER-ZEITUNG
JOURNAL SUISSE DE PIIARMACIE
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SCHWEIZ. APOTHEKER-ZEITUNG JOURNAL SUISSE DE PIIARMACIE GIORNJ LE SVIZZER,Q Dl ;FARMACIA
Gesundheitswesen · Sante publique
Informationen aus der Literatur und Erfahrungen an der                                                       liegt Methadon zu durchschnittlich
                                                                                                             88 Prozent proteingebunden und nur
Psychiatrischen Beratungsstelle für Jugend- und                                                              zu 12 Prozent in freier - und damit
Drogenprobleme, Drop-in, Zürich                                                                              pharmakologisch aktiver - Form vor;

lVIet __a _ -_abgai · ,-~                                                                                    nur freies Methadon kann die Blut-
                                                                                                             Hirn-Schranke passieren und damit
                                                                                                             die dortliegenden Opiatrezeptoren
                                                                                                             erreichen. Die proteingebundene
A                                                                                                            Methadonfraktion hängt «von der
                                                                                                             Plasmakonzentration des a 1-Glyco-
                                                                                                             proteins (Orosomucoid), einem bei
                                                                                                             vielen akuten und nekrotisierenden
H enriette H aas                                                                                             Erkrankungen vermehrt gebildeten
                                                                                                             Plasmaprotein ab, das Methadon in
                                                                                                             starkem Masse bindet und bis zu 40
Die Behandlung der Heroinsucht mit Methadon wurde 1963 in                                                    Prozent für die individuellen Unter-
                                                                                                             schiede der Proteinbindung von Me-
New York vom Pharmakologen Vincent Dole und der Psychiaterin                                                 thadon verantwortlich zu sein schein
Mary Nyswander eingeführt, um damit den Süchtigen eine ambu-                                                 [Romach et al. 1981].
lante Psychotherapie zugänglicher zu machen. Experimente mit                                                 An dieser Stelle seien an die von allen
Morphium oder an4~rn synthetischen Opioiden als Heroinsubsti-                                                Autoren [z.B. Inturrisi und Verebely
tute bewiesen die Uberlegenheit von Methadon und traten aus                                                  1972] hervorgehobenen enormen
                                                                                                             individuellen     Unterschiede      der
therapeutischen Gründen bald in den Hintergrund [BA G 1984                                                  Absorption und Pharmakokinetik er-
s. 7].                                                                                                       innert. Dabei weisen nicht nur ver-
                                                                                                             schiedene Personen nach einer glei-
                                                                                                             chen Dosis Methadon grosse Diffe-
Der Aufsatz soll einige grundlegende                             Es produziert subjektiv ein ähnliches       renzen der Plasmakonzentration auf,
Informationen aus der Literatur und                              Gefühl des Wohlbefindens wie Mor-           sondern diese schwankt auch beim
Erfahrungen basierend auf der Arbeit                             phium. Der Opiathunger des Süchti-          gleichen Individuum von Tag zu Tag
in der Jugend- und Drogenbera-                                   gen wird auf diese Weise gestillt, und      teils beträchtlich. Bei 21 Personen,
tungsstelle Drop-in des Sozialpsy-                               es treten keine Entzugssymptome auf         die unter Spitalbedingungen über
chiatrischen Dienstes der psychiatri-                            [Platt 1986 S. 64]. Aufgrund der           längere Zeit die gleiche Dosis Meth
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Bei der intravenösen Applikation von        Lernfähigkeit nicht beeinträchtigt Anderseits kann die Methadonbe-
Methadon durch Süchtige erreicht            sind, anderseits aber gegen weiteren handlung niemals eine Zwangsbe-
die Substanz in wenigen Sekunden            Opiatkonsum sehr gut abgeschirmt handlung sein. Daher wäre es ebenso
das ZNS und entwickelt wegen der            werden [BAG 1984, S. 13].                unangebracht, einem Patienten, der
langen Verweildauer im Körper eine          Die Dosisfrage muss wegen der ge- nach der Erörterung der besten
noch grössere Gefährlichkeit als die        nannten pharmakologischen Eigen- Abbaustrategie immer noch ein an-
anderen Opiate [Gäumann 1981,               schaften des Medikaments indivi- deres, schnelleres Abbauprozedere
S. 22]. Auch führt das Spritzen von         duell differenziert betrachtet werden. wünscht, dies zu verweigern, obwohl
Methadon zu einem euphorisieren-            Als Analgetikum wird Methadon in erfahrungsgemäss ein allzu frühes
den Gefühl, dem für den Heroin-             Dosen von 5 bis 10 mg (max. 30 mg) Entwöhnen oft genug zu einem Be-
schuss typischen «flash», während.          verabreicht, hingegen schwankt die handlungsabbruch führt. In Ausnah-
die orale Applikation beim Gewöhn-          therapeutische Dosis in der Substitu- mefällen, zum Beispiel beim Über-
ten eine eher beruhigende als eupho-        tionsbehandlung von Heroinsüchtigen tritt in eine stationäre Institution,
risierende Wirkung entfaltet [Fuchs         von 30 mg bis 150 mgl die [Gäumann kann schnelles Abbauen oder medi-
l 988c, S. 4].                               1981, S. 29].                           kamentenfreier (sog. «kalter») Ent-
Die Toleranzentwicklung betrifft bei        Der Methadonabbau, den man am zug vorzuziehen sein.
Morphin zuerst die euphorisierende          besten erst nach einigen (d. h. 2 bis 5) Der medikamentenfreie Methadon-
und erst später die analgetische Wir-       Jahren erfolgreicher Behandlung mit entzug setzt etwas später ein als der
kung [Platt, S. 67]. Bei Methadon           sozialer und psychischer Stabilisie- Heroinentzug. Die ersten Symptome
entwickelt sich die Toleranz in allen       rung des Patienten versucht, dauert setzen nach ungefähr 8 bis 24 Stun-
Bereichen etwas später als bei Mor-         nach der Erfahrung des Drop-in län- den ein und erreichen nach ungefähr
phin [Platt, S. 64]. Hinsichtlich der       gere Zeit. Damit der Opiathunger des sechs Tagen ihren Höhepunkt. Im
psychoaktiven und opiathungerstil-          Exfixers nicht wieder durch Entzugs- Gegensatz zu Gerüchten in der He-
lenden Wirkung zeigt Methadon un-           symptome neu geweckt wird, sollte roinszene ist das Abstinenzsyndrom
ter peroraler Verabreichung [Deglon         der Abbau am vorteilhaftesten in unter Methadon erwiesenermassen
1982, S. 25ff] keine Toleranz. Zu er-       kleinen, physiologisch kaum merk- erträglicher als unter Heroin [Good-
wähnen wäre vielleicht im weiteren          baren Schritten von - 5 bis - 10 mg man and Gilman's 1985, S. 518].
der, in der heutigen Literatur kaum         der Tagesdosis geschehen (unter Schwere, komplikationsreiche Ent-
erwähnte schwache antipsychotische          30 mg sind 10-Prozent-Schritte an- züge treten nur dann auf, wenn Pa-
Effekt von Methadon, der nach den           gezeigt). Nach jeder 5- bis 10-mg-Re- tienten nicht mehr monosymptoma-
Erfahrungen aus dem Drop-in keiner          duktion sollte der Patient mindestens tisch methadonabhängig sind, son-
Gewöhnung unterworfen ist.                  einige Wochen warten, bis er sich auf dern sich gleichzeitig von anderen
Die weitaus grösste Mehrheit der            der tieferen Dosis stabilisiert hat.     Substanzen (Benzodiazepinen, Bar-
Patienten halten während Jahren ein         Aus psychischen Gründen bleiben bituraten, Cocain) entziehen müssen
stabiles     Dosisniveau.    Kleinere       viele erfolgreiche Methadonpatien- [Fuchs 1988c, S. 2].
Schwankungen ( ± 30 mg) anlässlich          ten am Schluss der Behandlung mo-
von somatischen Krankheiten, Kri-           natelang (z. T. jahrelang) auf einer Gemäss BAG-Bericht [1984, S. 26]
sen, oder umgekehrt auch Erfolgen           Placebo-Dosis (1 bis 10 mg/ die) ste- soll Methadon toxikologisch auch
und Fortschritten können vorkom-            hen. Sie wünschen und brauchen die nach jahrelanger (sachgemässer) An-
men. Unersättliche Dosissteigerun-          Stütze des Methadonprogramms wendung kaum und insbesondere
gen bei einigen wenigen Patienten,          vorübergehend noch, auch wenn sie keine irreversiblen Gesundheitsschä-
die zusätzlich beruhigende oder             körperlich nicht mehr süchtig sind. den bewirken. In einer systemati-
betäubende Medikamente konsu-               Auf keinen Fall sollte man in einem schen Untersuchung zur Toxizität
mieren, hat unserer Erfahrung nach          eigenen «Erfolgstaumel» diese Pa- von Methadon [Braude zit. in
wenig mit Toleranzbildung zu tun.           tienten zu einer raschen Beendigung Cooper, S. 287ff] wurden im Tierver-
Vielmehr steht dahinter ein grund-          der Behandlung drängen. Eine an- such vor allem pathologische Verän-
sätzlich unlösbares, schweres Pro-          dauernde psychische Reifung kann derungen der Leberzellen und eine
blem zum Beispiel die Hoffnungslo-          nur dann stattfinden, wenn der Pa- erhöhte Neigung zu Chromosomen-
sigkeit Aidskranker oder eine hinter        tient die Gewissheit hat, dass er wie- brüchen 'festgestellt, nebst einer
der Sucht verborgene endogene Psy-          der zu den alten, süchtigen Befriedi- Reihe physiologischer und bioche-
chose.                                      gungsmodi zurückkehren könnte, mischer Auffälligkeiten. Alle Verän-
Die Toleranzentwicklung hinsicht-           auch wenn er das nicht mehr braucht. derungen bildeten sich jedoch Wo-
lich der atemdepressiven Wirkung            Manche Patienten wünschen sich chen bis Monate nach dem Absetzen
zeigt in Abhängigkeit der Dosierung         einen «blindem> Abbau, weil sie den- des Pharmakons zurück. Im Ver-
nicht einen linearen sondern einen          ken, so die Entzugssymptome weni- gleich zu anderen Medikamenten
exponentiellen Verlauf. Das bedeu-          ger zu spüren. Wir befürworten dies scheint Methadon (und andere Opia-
tet, dass Patienten mit einer höheren       aber nicht, denn dahinter steht eine te) ein immerhin nur minimes terato-
Methadondosis (80 bis 120 mg) bei           immer noch sehr grosse psychische genes Potential zu besitzen [Fuchs
der Einnahme zusätzlicher atemde-           Abhängigkeit und emotionale Beset- 1988b].
pressiv wirkender Substanzen besser         zung der Droge, die eine echte Auto- Im Prinzip wäre bei Schwangerschaft
geschützt sind als Patienten mit nied-      nomie von der pharmakologischen eine vollständige Abstinenz von Me-
riger Dosis [Fuchs 1988 c].                 Wirkung unwahrscheinlich erschei- thadon und Drogen aller Art wün-
Zusammenfassend stellen wir fest,           nen lässt. Viel sinnvoller ist, wenn der schenswert. Leider sind aber dazu
dass Exheroinsüchtige durch die             Patient spürt, dass ein ihm bekannte nicht alle heroinsüchtigen Schwan-
günstige differentielle Toleranzent-        Dosisreduktion von 5 bis 10 mg keine geren bereit oder fähig, so dass in
wicklung bei der Methadoneinnahme           Folgen hat und er bewusst zur diesem Fall sowohl für den Embryo
in ihrer sozialen Funktionsfähigkeit,       Kenntnis nimmt, wie er zunehmend als auch für die Schwangere eine
einschliesslich Fahrtüchtigkeit und         unabhängiger von der Substanz wird.      möglichst tiefe Methadondosis ge-

Schweiz. Apotheker-Zeitung· Journal suisse de pharmacie Nr. 21, 19.10.1989 · 127. Jahrgang                          541
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 genüber dem Heroinabusus vorzu-           wiederholt zu Todesfällen wegen         als wissenschaftlich unergiebig und
 ziehen ist [BAG 1984, S. 13ff].           Nichteinhaltens dieser Regel [Hart-     unzutreffend erwiesen von einer
 Die häufigsten unerwünschten Ne-          mann, Uchtenhagen, Fuchs und Pasi       «Suchtpersönlichkeit» per se zu spre-
 benwirkungen sind Obstipation (70          1984]. Die Initialdosis 30 mg gilt auchchen.
 Prozent der Behandelten im ersten         für diejenigen Süchtigen, die versi-    Zur ersten Gruppe, die zugleich auch
 Jahr), exzessives Schwitzen (50 bis       chern, sie würden sich täglich ein      zahlenmässig die kleinste ist, gehören
 60 Prozent), Libidoverlust (20 bis        Mehrfaches dieses Dosis spritzen und    Patienten, die an einer neurotischen
 35 Prozent) und Schlafstörungen           ebenso für Patienten, die schon ein-    Störung bei sonst weitgehend intak-
 (15 Prozent). [Häufigkeitsangaben         mal in einer Methadonsubstitutions-     tem Selbstwertgefühl leiden. Sie
 nach Gäumann 1981, S. 36]. Andere         behandlung waren. Beim Erreichen        brauchen das Suchtmittel nicht in er-
Autoren [z.B. BAG 1984] nennen ge-         der 60-mg/ die-Schwelle empfiehlt       ster Linie wegen seiner medikamen-
 ringere Häufigkeiten (
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lativ rigide. Sie halten sich peinlich      eventuell in den Behandlungsinstitu-         zu lassen. Sie nehmen Angebote die-
genau an die Regeln und sind ihrer-         tionen ausagiert.                            ser Art dankbar auf und beruhigen
seits sehr empört, wenn andere dies         Die Langzeitprognose für Heroin-             sich danach zunehmend.
nicht tun. Manche Patienten sind zu-        süchtige zeigt einen Trend zur Ge-           Auch eine andere, gegenteilige Reak-
verlässig aber ziemlich ängstlich (ge-      sundung von der Sucht und zum                tion von drogensüchtigen Aidspa-
rade auch was Dosis anbelangt). Ein         Aufholen der sozialen Defizite nach          tienten auf die tödliche Bedrohung
~µcksichtsvoller Umgang mit dieser          der Adoleszenz. Präventiv sollten            konnten wir beobachten. Einige
Angstlichkeit hat sich erfahrungsge-        darum möglichst viele solcher Ju-            scheinen immer oder zumindest zeit-
mäss bewährt.                               gendlicher über die kritische Zeit           weise psychisch stabiler zu werden.
                                            hinaus getragen und in ihrem Inte-           Sie versuchen äusserst mutig, ihr Le-
Nebenbei gilt es zu erwähnen, dass          grationswillen unterstützt werden            ben schliesslich doch noch in den
 «Störungen» der ersten und zweiten         [Uchtenhagen und Zimmer 1985]. Je            Griff zu bekommen, setzen sich für
Art überaus verbreitet sind, auch in        ausgeprägter die Pathologie eines            ihre Gesundheit und ihre soziale Si-
der nicht süchtigen Bevölkerung, und        Patienten ist, desto schwieriger wird        tuation sehr verantwortungsbewusst
vom Laien in der Regel nicht als sol-       es natürlich, die angestrebten Inte-         ein und bauen neue Beziehungen auf.
che erkannt werden. Die Klassifika-         grationsziele zu erreichen.
tion solcher Symptome besitzt denn          Die Mehrzahl [80 Prozent nach Haas           Das Methadonprogramm in
eigentlich nur für den Rahmen einer         und Meier 1986] der terminal an Aids         psychiatrischer und psychologischer
Psychotherapie eine Relevanz. Im            erkrankten Drogenabhängigen sind             Hinsicht
Alltag können Menschen mit einer            für alle Kontaktpersonen eine nicht
leichteren Abweichung von einer             zu unterschätzende Belastung. Viele          Das Methadonprogramm, wie es in
Idealnorm psychischer «Gesundheit»          dieser Patienten schwanken in ihrer          Zürich konzeptualisiert wurde, ist
für die gerade gegebene Gesellschaft        Verzweiflung zwischen totaler Ver-           eine psychosoziale Langzeitbehand-
durchaus ein normales und erfülltes         leugnung der Todesfurcht, einem              lung, die im besten Falle mit einer
Leben führen. Zu einer Sucht kann es        ständigen angsterfüllten Beobachten          eigentlichen Psychotherapie verbun-
in diesen Fällen unter Beteiligung          des Körpers und drittens einer exhi-         den werden kann. Man geht davon
von ungünstigen sozialen Umständen          bitionistischen      Zurschaustellung        aus, dass eine Methadonsubstitution
kommen. Im Falle der Heroinsucht            ihrer Symptome. Manche haben                 eine palliative Massnahme von un-
hat sich in breitangelegten empiri-         Mühe, den Tag sinnvoll zu gestalten          begrenzter Dauer sein wird, während
schen Untersuchungen gezeigt, dass          (Aidskranke sind nur zeitweilig bett-        nur ein Teil der Patienten wirklich
solche Jugendliche familiär, ausbil-        lägrig) und klammern sich an die             rehabilitiert und von der Sucht be-
dungsmässig und sozial gegenüber            Behandlungsinstitutionen. Realisti-          freit werden kann. Deshalb ist die
ihren Altersgenossen schwer benach-         scherweise besitzen einige der Pa-           Methadonbehandlung im Grunde
teiligt waren.                              tienten wegen ihrer hoffnungslosen           nach wie vor als Therapie zweiter
Personen der dritten und auch unab-         Prognose keine Motivation zur Be-            Wahl, wenn eine abstinente stationä-
hängig von der Betäubungsmittelab-          handlung der psychischen Störung             re Behandlung aus irgendwelchen
hängigkeit psychiatrisch auffälligen        mehr; und sie versuchen darum, den           Gründen nicht in Frage kommt, in-
Gruppe von Süchtigen, sind für je-          grösstmöglichen Gewinn aus ihrer             diziert [Zimmer-Höfler, Uchtenha-
dermann sofort als Problemfälle er-         psychopathologischen Symptomatik             gen und Fuchs 1987]. Entscheidend
kennbar. Die Patienten fallen trotz         zu erzielen. In einer trügerischen Ge-       für den Behandlungseffekt und den
Behandlung von einer Krise in die           wissheit, dass sie wegen ihrer Krank-        Erfolg nach Abschluss der Behand-
andere und fühlen sich todunglück-          heit nicht mehr zum Methadonpro-             lung ist die Programmretention, die
lich im Leben. Nach einer Schätzung         gramm hinausgeworfen werden kön-             einerseits durch eine flexible indivi-
betrug früher der Anteil dieser Pa-         nen, betäuben sie sich öfter als andere      duelle Dosis des Medikaments, an-
tienten ungefähr 10 Prozent [Erlan-         mit Alkohol, Haschisch und allen             derseits durch ein attraktives psy-
ger, Haas und Baumann 1986], wobei          ihnen verfügbaren Medikamenten.              chosoziales und psychotherapeuti-
aber damit zu rechnen ist, dass mit         Wegen der körperlichen und psychi-           sches Angebot gewährleistet wird.
der Zunahme der Aidserkrankungen            schen Erschöpfung sind aber nicht            Zeitlich begrenzte oder kurzfristige
unter Heroinsüchtigen die Gruppe            alle gefährdet, illegale harte Drogen        Methadonabgaben zur Entwöh-
sich vergrössern wird. Nicht selten         weiter zu fixen. Viele könnten in den        nungsbehandlung haben sich nach
hat der extrem selbstschädigende            rauhen Sitten der Geldbeschaffung            amerikanischen Erfahrungen nicht
Lebensstil dieser Patienten, zu dem         auf der Gasse gar nicht mehr beste-          bewährt, denn der Rückfall folgt der
Suizidversuche, schwere psychoso-           hen und neigen (nach der bisherigen          Behandlung fast so unausweichlich
matische Erkrankungen, Unfälle und          Erfahrung des Drop-in) eher dazu,            wie bei den «selbstgebastelten» Ent-
Selbstverstümmelungen gehören, be-          die Methadondosis auf das Maxi-              zügen Süchtiger und werden deshalb
reits bleibende Schäden hinterlassen,       mum (150 mg/die) zu heben und da-            von uns als obsolet betrachtet [Zim-
so dass die Patienten als zusätzliche       für am Gassenleben mehr beobach-             mer-Höfler, Uchtenhagen und Fuchs
Komplikation, körperlich dauernd            tend teilzunehmen. Auch anklam-              1987].
krank, entstellt oder invalid sind. In      mernd-regressive und/ oder aggressi-         Therapieziele der Methadonbehand-
dieser Gruppe von Personen, die oft         ve Strebungen unterstehen angesichts         lung [Gmür 1979] sind deshalb in
schon eine lange Psychiatrie-, Heim-        des bevorstehenden Todes weniger             dieser Reihenfolge (und nicht umge-
und Gefängniskarriere hinter sich           den Hemmungen und werden in Kri-             kehrt), wobei der erste Punkt seit dem
gebracht haben, kann von Heilung            sen an den beteiligten professionellen       Auftreten der Aidsepidemie neuhin-
keine Rede mehr sein. Der Therapeut         Helfern ausgelebt. Es hat sich erfah-        zugekommen ist und natürlich abso-
muss sich darauf beschränken, dem           rungsgemäss bewährt, solche Krisen           lute Priorität hat:
Patienten das Leben zu erleichtern,         im Moment anzusprechen, um die               1. Schutz vor der HIV-Infektion,
obwohl dieser oft nach wie vor an sei-      betreffenden Patienten ihre wirkli-             oder wenn diese schon stattge-
ner Symptomatik festhält und diese          chen Ängste und Sorgen aussprechen              funden hat, die möglichst lange

Schweiz. Apotheker-Zeitung· Journal suisse de pharmacie Nr.21, 19. 10.1989 · 127. Jahrgang                                 543
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    Erhaltung der Gesundheit und           und zweitens die möglichst konflikt-         Kritische Situationen bei der
    Unterstützung der Verantwor-           freie Sphäre des Behandlungsver-             Methadonabgabe
    tungsfähigkeit des Patienten ge-       trags.
    genüber anderen Personen bezüg-        Gemäss Zimmer- Höfler, Uchtenha-             Das Methadonprogramm (wie alle
    lich Ansteckung.                       gen und F uchs [ 1987, S. 23] «ist die       Suchtbehandlungen) erfordert rech t
 2. Resozialisierung (Ausbildung, Ar-      Beziehung zum begleitenden Thera-            strenge Kontrollen und Regeln. Die-
    beit, Schuldensanierung, Stabili-     peuten in ihrer Struktur bereits ambi-        se sind für den Süchtigen nur schwer
    sierung der Beziehungen).              valent und belastet, indem der thera-        ztr ertragen, trotzdem er diese Be-
 3. Entfremdung von der Drogen-            peutische Gesprächspartner derselbe          handlung freiwillig gewählt hat.
    szene, Reifung der Persönlichkeit.     ist, mit dem über Methadonabgabe             Denn gerade die Unfähigkeit, sich an
 4. Suchtfreiheit.                         und Dosierung verhandelt werden              Spielregeln zu halten und Abma-
 Uer Einwand, der Methadonpatient          muss, demgegenüber sich der Patient          chungen nicht zu missbrauchen, ge-
 sei ja eigentlich noch süchtig, sollte    verpflichtet, die Bedingungen des            hört zu den markanten Symptomen
 relativiert werden, denn genauso we-      Methadonvertrages einzuhalten, der           einer floriden Heroinsucht. Die
 nig kann man sagen, ein schizophre-       die somatische Situation aufmerksam          Überschreitung und die Ausnahmen
 ner Patient unter Neuroleptika sei        wahrnimmt und betreut und zusätz-            von diesen Regeln sind darum für alle
 immer noch psychotisch. Eine er-          lich noch in die Übertragungsrolle           an der Behandlung Mitbeteiligten ein
 folgreich stabilisierte Abhängigkeit      (das heisst die Wiederbelebung von           ständiges Gesprächsthema.
 im Methadonprogramm unterschei-           familiären Beziehungsmustern am              Die ausführliche Besprechung sol-
 det sich in ganz wesentlichen Punkten     Therapeuten, Anmerkung der Ver-             cher, möglicher Konfliktsituationen
 von einer floriden, «wildem> Heroin-      fasserin) gerät».                            soll den engagierten Apotheker /in
 sucht.                                    Jedoch ist die Beziehung zum Thera-         keinesfalls von der Methadonabgabe
 Erstens verfügt ein Patient, der nicht   peuten für den Patienten von grosser         abhalten. Im Gegenteil, gerade ein
 auf andere zusätzliche Suchtmittel        Bedeutung. Helbling [zitiert nach           detailliertes Wissen über den Um-
 ausweicht, nicht mehr über das           Zimmer-Höfler, Uchtenhagen und               gang damit, ermöglicht die erfolgrei-
 Suchtmittel in täglich bis stündlich     Fuchs 1987, S. 24] zeigte in einer em-       che Behandlung der weitaus grössten
 frei wählbarer Dosis. Er ist somit       pirischen Untersuchung, dass von 80          Mehrheit der Patienten und gestalte!
 auch nicht mehr in der Lage, willkür-    Prozent der Methadonpatienten die-           sie so zu einer befriedigenden und
lich alle ihm unangenehmen Stim-          se Beziehung als ganz enorm wichtig          dankbaren Aufgabe.
mungen und Affekte zu übertünchen,        eingeschätzt wurde. Der Therapeut            Vom therapeutischen Standpunkt
 sondern muss sich mit ihnen ausein-      rangiert auch an oberster Stelle von         aus ist weder eine konfliktvermei-
 andersetzen. Zweitens fällt die ganze    Personen, etwa gleichwertig mit dem          dende Laissez-faire-Haltung noch
 Beschaffungssymptomatik mit ihren        Partner, von denen man sich in               eine rigide Disziplin im Stil der
schwer destruktiven Folgen weg, und       schwierigen Situationen Rat und              preussischen Armee angebracht. Ge-
der Patient ist nun im Prinzip in der     Hilfe holen würde.                           rade zum Aufbau der teilweise feh -
Lage, ein soweit normales gesell-         Die Behandlungsvereinbarungen, die           lenden innern psychischen Struktu r
schaftliches Leben zu führen.             tägliche Methadoneinnahme unter              vieler Süchtiger ist es wichtig, dass
Die medikamentöse Substitution des        Sichtkontrolle, die regelmässigen            der Therapeut und das therapeuti -
Suchtmittels allein genügt aber aus       (mindestens einmal/Monat, besser             sche Umfeld ein relativ strenges, aber
verschiedenen Gründen noch nicht          einmal/ Woche) Urinkontrollen und            eben doch liebevolles Gewissen vor-
für die Resozialisierung eines Hero-      die Einhaltung der begleitenden              demonstrieren, indem sie den Pa-
insüchtigen. Erstens fallen viele Fixer   Therapiegespräche anderseits sollen          tienten auf diese Weise «halten» und
durch den Wegfall des Beschaffungs-       sich jedoch möglichst in einer kon-          mittels äusserer Struktur stützen .
stress zuerst einmal in ein depressives   fliktfreien Sphäre abspielen. Der Pa-        Entsprechend müssen die Regeln und
Loch. Die verpassten Lebenschancen        tient hat die Freiheit, seine Dosis sel-     allfällige Abweichungen davon i rn-
der vergangenen Jahre werden mit          ber zu wählen (bis zur maximalen             mer genau durchdacht werden, und
aller Wucht bewusst. Aber auch die        Grenze von 150 mg/die), und er soll-         zwar vor allem im Hinblick auf d k
objektiven Belastungen, die länger-       te für die Methadonabgabe jeweils            längerfristige therapeutische Wirk
fristig auf einen Exfixer zukommen,       auch nicht zu lange warten müssen.           samkeit der jeweiligen Handlu11 r„
wenn er ins Methadonprogramm              Zum Schutze der konfliktfreien               Ausnahmen, die aus Bequemlichkci t
eintritt, sind enorm. Die vertrackten     Sphäre und somit der ganzen Be-              für den Patienten oder den Beha11
sozialen Umstände: Schuldenberge,         handlung sollte der Einflussnahme            delnden gewährt werden, haben
die saniert werden müssen, Arbeits-       von Aussenstehertden und Angehöri-           langfristig für die Behandlung äu s
und Wohnungssuche und nicht zu-           gen auf Dosis oder Verwaltung von            serst destruktive Konsequenzen un d
letzt die Beziehungsschwierigkeiten       Methadonrationen (zum Beispiel in            können sie (und weitere Behandl1111
wären auch für einen «gesunden»           den Ferien) unbedingt widerstanden           gen!) gar verunmöglichen.
Menschen eine derartige Hypothek,         werden                                       Eine grosszügige Haltung ist w111
dass er sie ohne fachliche Hilfe kaum     Die konfliktfreie Sphäre ist leider in       Beispiel bei neuen Patienten ode1
bewältigen könnte.                        der Praxis trotz allem nicht so einfach      schwierigen Patienten, die sich stt\ 11
Gmür [ 1979] unterscheidet zwei           zu handhaben und wird gerade von             dig Ausnahmen erbitten oder ;11
Aspekte der Behandlung: erstens die       schwierigen Patienten besonders und          selbstinszenierte Notsituationen •,t'
konfliktorientierte Sphäre der regel-     anstelle anderer Themata konfliktu-          raten, wenig sinnvoll. Gerade hn
mässigen        psychotherapeutischen     alisiert. Der Umgang hiermit soll im         denjenigen Patienten, bei denen rn.:1 11
Einzelgesprächen und der sozialpä-        abschliessenden Kapitel über kriti-          sich ein bisschen vor der aggressi ven
dagogischen Führung, wo der Patient       sche Situationen bei der Methadon-           oder autoaggressiven Reaktion •1H I
sich intensiv mit seinem Verhalten,       abgabe behandelt werden.                     Enttäuschung fürchtet, kann m ~l! t
seinen innerpsychischen Nöten und                                                      absolut sicher sein, dass die einmali p.1·
Konflikten auseinandersetzen kann,                                                     Ausnahme keineswegs genügen wird

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Im Gegenteil, je länger das Verhalten halbes Jahr bis sie auf illegale Opiate            BAG 1984, S. 29]. Pharmakologisch
geduldet worden ist, desto aggressi- wirklich ganz verzichten können. Wir                ist es nicht zu rechtfertigen, dass das
ver und unberechenbarer wird die rechnen auch damit, dass in Krisen-                     Methadon zu einer bestimmten Ta-
Reaktion des Patienten auf die erst- zeiten die Symptomatik wieder auf-                  geszeit eingenommen, oder auf zwei
malige Verweigerung der Sonder- treten kann und tendieren so eher auf                    Portionen aufgeteilt werden müsste.
wünsche ausfallen werden. Umge- eine langfristige Besserung, ohne so-                    Die grosse Wahrscheinlichkeit, dass
kehrt führt bei vertrauenswürdigen fortige Abstinenz zu verlangen. Der                   durch diese Aufweichungen der
Patienten, die sich seit längerem sta- Missbrauch von Barbituraten geht im               Richtlinien des BAG sehr viel Me-
bilisiert haben, und die eine be- Verlauf der Methadonbehandlung                         thadon illegal auf der Gasse gehan-
trächtliche Leistung und Verantwor- durchschnittlich zurück, nicht aber                  delt wird, ist ein weiterer Faktor, der
tung für ihre Behandlung auf sich ge- der Benzodiazepin- und Kokainkon-                  ein solches Vorgehen verbietet.
nommen haben, das Erlauben einer sum [Zimmer-Höfler, Uchtenhagen                         Ein leidiges Kapitel sind Patienten,
gelegentlichen Ausnahme zu einer und Fuchs 1987]. Falls ein Patient                      die verladen mit Alkohol Medika-
Vertiefung der therapeutischen Be- diese Substanzen nicht mehr selber                    menten oder gar einer Überdosis zur
ziehung und zu einem Ansporn für abbauen kann oder will, empfiehlt                       Methadonabgabe erscheinen. Dies
weitere Fortschritte, den man nicht sich ein stationärer Teilentzug unter                muss unbedingt unter dem Aspekt
blockieren möchte.                     Methadon, bevor das Programm                      des Notsignals an den Apothek~r ge-
Grundregel Nummer 1 jeder zu- weitergeführt wird [Fuchs 1988 a].                         sehen und behandelt werden. Bei der
kunftsträchtigen Behandlung und Mancher Patient, vor allem am An-                        Meldung an den behandelnden Arzt
besonders in allen schwierigen oder fang der Behandlung oder bei neuen                   (oder wenn dieser nicht erreichbar ist,
konflikthaften Situationen ist die Mitarbeitern, versucht die Sichtkon-                  einer Anfrage an die nächstgelegene
enge Zusammenarbeit von Therapeut trolle zu umgehen und den Apotheker                    Drogenberatungsstelle) kann dann
und Apotheker. Ohne regelmässige auszutricksen. Er schüttet das Me-                      gemeinsam beraten werden, ob eine
Kontaktnahmen kann es leicht ge- thadon in einen versteckten Becher                      Klinikeinweisung, eine Verlegung der
schehen, dass die eine Hand nicht oder behält es beim Verlassen des                      Methadonabgabe zu einer späteren
weiss, was die andere tut und das vom Raumes im Mund, in der Absicht,                    Tageszeit oder auch ein Gespräch
Patienten weidlich ausgenützt wird. sich später eine Spritze zu verabrei-                vonnöten ist. Nichtsdestoweniger
Die Erfahrung lehrt, dass gewisse Pa- chen oder es zu verdealen (cave: be-               fühlt man sich oft in solchen Situa-
tienten sich (vollkommen glaubwür- sonders viel Orangensaft oder Sirup                   tionen sehr hilflos.
dig) jeweils bei allen beteiligten hält den eingefleischten Fixer nicht                  Das Ersetzen von verlorenem oder er-
Fachleuten über alle andern bitter von der Spritzerei ab!). Der richtige                 brochenem Methadon ist in den Me-
beklagen und diese «erfolgreich» ge- Umgang in der Situation ist, die Sa-                thadonrichtlinien [BAG, S. 29] ganz
geneinander aufhetzen können.          che anzusprechen, und zwar am be-                 eindeutig geregelt; es soll nämlich
Dosisänderungen muss der Patient sten mit Freundlichkeit und Humor.                      prinzipiell nicht mehr ersetzt werden.
beim Arzt verlangen. Die Verabrei- Schwindeln und Schummeln von                          Der Praktiker ist durch diese Rege-
chung einer vom Patienten zusam- Süchtigen überhaupt können sehr                         lung einerseits vor den Druckversu-
men mit dem Arzt festgelegten Dosis unterschiedliche Bedeutungen ha-                     chen gefährdeter oder neuer Patien-
(und dazu gehören auch die hohen ben. Wenn es eine ernste und beschä-                    ten geschützt und kann auf der
Dosen von über 100 mg/ die) hat sich mende Angelegenheit für den Pa-                     Abmachung bestehen. Ein positiver
in empirischen Untersuchungen denn tienten ist, soll die therapeutische                  Opiatbefund im nächsten Urin ist
auch als ausschlaggebend für den Intervention auch eher ernst und                        langfristig weniger behandlungsge-
Therapieerfolg von Methadonpa- streng, aber taktvoll sein. Bei andern                    fährdend als das Einsetzen eines
tienten erwiesen [Zimmer-Höfler, wiederum ist das Austricksen der                        regelmässigen Verlust-Nachschub-
Uchtenhagen und Fuchs 1987, S. 12]. Fachleute geradezu ein Spiel, «a                     Mechanismus [Gmür 1979, S. 1582].
Nichterscheinen zur Methadonein- practical joke», und die Beziehung                      Die neue Situation der schwerkran-
nahme des Patienten ist vor allem am verbessert sich besonders dann, wenn                ken und sterbenden Aidspatienten
Anfang oder wenn es mehr als ein Tag der Helfer mit Gewitztheit beweisen                 wird in den Richtlinien nirgends ab-
dauert, Grund zur unmittelbaren kann, dass er sich nicht so leicht aufs                  gehandelt. Da eine Haltung ausser-
Reaktion der Abgabestelle. Der be- Kreuz legen lässt.                                    halb dem Bereich des Möglichen
treuende Arzt/Drogenberater sollte Manche Patienten möchten wegen                        liegt, sollte für diese Gruppe von
sofort in Kenntnis gesetzt werden, einer Arbeitsstelle oder aus prakti-                  Patienten unbedingt ein neues
damit ein klärendes Gespräch statt- schen Gründen regelmässig Metha-                     rein palliativ, lebensverlängerndes
finden kann. Häufiges Schwänzen don gleich für mehrere Tage mitneh-                      Methadonbehandlungskonzept           in
dient fast in jedem Fall dem Absturz men. Andere wiederum überreden                      Kombination mit neuen geeigneten
in den Heroinkonsum und ist ein den Apotheker, ihnen das Methadon                        halbstationären Pflegeeinrichtungen
ernstzunehmendes Zeichen der Be- jedesmal mitzugeben, so dass sie es                     und Spitexpflege entworfen werden
handlungsunfähigkeit eines Patien- am nächsten Tag selber ohne Sicht-                    [vgl. Fuchs 1988 a]. Bezüglich Alko-
ten [Gmür 1979, S. 1581].              kontrolle einnehmen können. In die-               hol- und Medikamentenabusus soll-
Immer wieder werden wir im Drop-in sen Fällen ist die Jugend- und Dro-                   ten diese Patienten weniger streng
gefragt, ob eine oder mehrere positive genberatungsstelle sehr streng auch               beurteilt werden (was übrigens ge-
Urinkontrollen sofort zum Ausschluss gegenüber zuverlässigen Patienten.                  mäss den Richtlinien des BAG, die
aus dem Programm führten. Die Die tägliche Einnahme unter Sicht-                         Urinkontrollen nur auf Opiate und
Antwort lautet nein, aber wir bespre- kontrolle ist eine Bedingung sine qua              Kokain zwingend verlangen, grund-
chen natürlich mit dem Patienten die non, und der Vorrang einer Behand-                  sätzlich möglich wäre). Es hat sich
Gründe, die zum Betäubungsmittel- lung lege artis dieser, immerhin le-                   auch schon bewährt, Methadon zu-
konsum geführt haben. In der Regel bensgefährlichen Sucht gegenüber                      sammen mit einem Antidepressivum
brauchen die meisten Patienten nach von Arbeitsverpflichtungen muss                      zu kombinieren.
Beginn der Behandlung ungefähr ein absolut gewährleistet bleiben [vgl.

Schweiz. Apotheker-Zeitung· Journal suisse de pharmacie Nr. 21, 19.10.1989 · 127. Jahrgang                                  545
SCHWEIZ. APOTHEKER-ZEITUNG JOURNAL SUISSE DE PIIARMACIE GIORNJ LE SVIZZER,Q Dl ;FARMACIA
Gesundheitswesen · Sante publique
       Das Verschreiben von Beruhigungs-          anmeldet. Nicht zu vergessen ist                      thadonbehandlung. Unveröffentlichte empirische
      mitteln und Schlaftabletten ist hinge-      auch, dass Methadon trotz Toleranz-                    Untersuchung am Drop-in Zürich 1986.
                                                                                                        Hartmann H., Uchtenhagen A., Fuchs W und
      gen eine äusserst heikle Angelegen-         bildung eine analgetische Restwir-                    Pasi A.: Hausärztliche Methadon-Behandlung
      heit. Es würde den Rahmen dieser            kung aufweist, die die Wahrnehmung                    bei Heroinabhängigen. Schweiz. Rundschau
      Arbeit indessen sprengen, eine ab-          von Schmerzsignalen gefährlich ver-                   Med. (Praxis) 1984 (73), S. 299-304.
      schliessende Lehrmeinung zu formu-          zögern kann.                  ·                       Holmstrand J. et al.: Methadone Maintenance:
                                                                                                        Plasma Levels and Therapeutic Outcome. Clin.
      lieren über die Indikation von Ben-         Viele Heroinsüchtige,__so paradox das                 Pharmacol. Ther. 1978 (2312), S. 175-180.
      zodiazepinen bei aidskranken Me-            klingt, haben grosse Angste vor dem                   lnturrisi Ch. und Verebely R.: The Levels of
       thadonpatienten. Nur soviel sei an-        Arztbesuch und insbesondere vor der                   Methadone in the Plasma in Methadone Main-
      gemerkt: Die Verschreibung von Ro-          Verabreichung von Spritzen und an-                    tenance. Clin. Pharmacol. Ther. 1972 (13! 5),
      hypnol im ambulanten Rahmen an              dern Manipulationen an ihrem Kör-
                                                                                                        s. 633-636.
                                                                                                        lnturrisi Ch. und Verebely R.: Disposition of
      Süchtige gilt bei uns injedem Fall als      per. Es kommt auch vor, dass sie                      Methadone in Man after a Single Oral Dose.
      obsolete Praxis. Dieses Medikament          lebenswichtige      (nichtbetäubende)                 Clin. Pharmacol. Ther. 1972 (1316), S. 923-
      wird von den Süchtigen ausschliess-         Medikamente verweigern. Aus die-                      929.
                                                                                                        P/a// J.J.: Heroin Addiction- Theory, Research,
      lich zur Suchterweiterung miss-             sem Grund hat sich die tägliche Ab-                   and Treatment. Malabar, Florida, Krieger Pu-
      braucht und führt zu einer nur schwer       gabe von allenfalls notwendigen                       blishing Company 1986.
      behandelbaren Poli toxikomanie.             begleitenden Medikamenten (z. B.                      Romach M. K. et al.: M ethadone Einding to
      Aidspatienten sind häufig nicht bett-       Antibiotika, AZT, Antiepileptika,                     Orosomucoid: Determinant of Free Fraction in
                                                                                                        Plasma. Clin. Pharmacol. Ther. 1981 (2912), S.
      lägrig, oder nur gerade für wenige          Neuroleptika) gemeinsam mit dem                       211-217.
      Tage, so dass eine Spitalaufenthalt         Methadon in der Drogenberatungs-                      Rost WD.: Psychoanalyse des Alkoholismus.
      fast nicht zu planen ist. Sie haben         stelle als sehr günstig erwiesen.                     Stu//gart, K/e//-Co//a 1987.
      zum Beispiel einen Fieberschub von          Sicher gäbe es noch viele wichtige                    Uchtenhagen A . und Zimmer-Höjler D.: He-
                                                                                                        roinabhängige und ihre «normalem> Altersge-
      nahezu 40 Grad, sind aber am näch-          Diskussionspunkte, die hier zu kurz                   nossen. Bern, Haupt 1985.
      sten Tag schon wieder beschwerde-           kamen. Deshalb bleibt für den Ab-                     Verebely R. et al.: Methadone in Man: Pharma-
      frei. Trotzdem ist es auch hier nicht       schluss nur zu sagen, dass von seiten                 cokinetic and Excretion Studies in Acute and
      angebracht, dem Patienten mehrere           der Drogenberatungsstellen und der                    Chronic Treatment. Clin. Pharmacol. Ther.
                                                                                                        1975 (1812), S. 180-189.
      Methadonrationen aufs Mal mitzu-            sozialpsychiatrischen Diensten an                     Zimmer-Höjler D., Uchtenhagen A. und Fuchs
      geben oder das Methadon immer               ~e interessierten Apotheker und                       W: Methadon im Prüfstand. SPD-Manuskript
      wieder per Post zu schicken. Das            Arzte ein Angebot besteht, sich allge-                1988.
      Problem der nur kurzfristig bettläg-        mein oder auch in speziellen Situa-
      rigen Aidspatienten sollte vielmehr in      tionen beraten zu lassen oder ein
      Absprache mit dem betreuenden Arzt          konsiliarisches Gespräch mit dem
      oder Drogenberater gelöst werden,           Patienten zu vereinbaren.
      der dann die Gemeindekrankenpfle-                                                                   Korrespondenzadresse:
      ge, das Krankenzimmer für Obdach-           Literaturliste                                          Henriette Haas
      lose, die auch notfalls die Methadon-                                                               klinische Psychologin lic. phil. I
     ration abgeben oder ein Spital ein-           BAG: Methadonbericht. Beilage zum Bulletin             psychiatrische Jugend- und
                                                   des Bundesamtes für Gesundheitswesen 1984.
      schalten kann. Obwohl man vom                Cooper J.R., Altman F., Brown B.S. et al.: Re-         Drogenberatungsstelle
      Elend der jungen, aidskranken Pa-            search on the Treatment of N arcotic Addiction -       Drop-in
      tienten oft sehr erschüttert ist, sollten    State of the Art. Treatment Research Mono -            Asylstrasse 23
      auch hier gewisse Grenzen und Re-            graph Series, National Institute on Drug Abuse         8032 Zürich
                                                   (NJDA), Rockville, Maryland 1983.
     geln unbedingt eingehalten werden.            Deglon J.J.: Le traitement d lang terme des
      In beiderseitigem Interesse muss je-         heroiilomanes par la methadone. Geneve, Edi-           Sozialpsychiatrischer Dienst der
     der behandelnde Mitarbeiter seine             tions Medecine et Hygiene 1982.                        psychiatrischen Universität
     Kräfte dosieren können und darf es            Dole V.P.: Addictive behavior. Sei. Amer. 1980         Zürich
                                                   (2416), s. 136-143.
     deshalb nicht zulassen, dass er für           Erlanger A., Haas H. und Baumann I. : Thera-           Unter der Leitung von Prof. Dr.
     behandlungsfremde Zwecke miss-               pieerfolg von Methadonpatienten mit unter-              med. phil. A. Uchtenhagen
     braucht wird.                                 schiedlicher Indikation. Drog A lkohol 1987 ( 11),
      Nicht nur bei den aidskranken son-           s. 3-15.
                                                   Forth W, Henschler D. und Rummel W
      dern bei allen Methadonpatienten             (Hrsg.): A l/gemeine und spezielle Pharmakolo-
     (und auch Heroinsüchtigen!) ist es            gie und Toxikologie. Zürich, Bibliographisches
      sinnvoll, wenn der Apotheker/in so-          Institut 1980 (3. Aufl.).
     matische Auffälligkeiten (z. B. Abs-          Fuchs WJ.: Behandlung Drogenabhängiger mit
                                                   Methadon in der ärztlichen Praxis - Probleme
     zesse, Ausschläge, fiebriges Aussehen         der Behandlung Heroinabhängiger mit Metha-
     usw.) anspricht. Was für den Nicht-           don angesichts der HIV-Epidemie. Schweiz.
     süchtigen selbstverständlich sein            Rundschau Med. (Praxis) 1988 a (77), S. 354--
     sollte, dass er sich nämlich bei sol-        357.
                                                  Fuchs WJ.: Methadonforschung - Eine Über-
     chen Symptomen zum Arzt begibt, ist          sicht. Im Druck 1988 h.
     leider durch die herabgesetzte Kör-          Fuchs WJ.: Einige Anmerkungen zum «A rgu-
     perwahrnehmung von opiatabhängi-             men(ationspapier zum Thema Substitutionsbe-
     gen und verwahrlosten Patienten              handlung!! (herausgegeben vom Ministerium für
                                                  Arbeit, Gesundheit, Familie und Sozialordnung
     noch weniger der Fall. Der HIV-Po-           Baden-Wür//emberf{ l!t a/.) 1988 c.
     sitive, der befürchten muss, dass bei        Gäumann M.: Me1hadrm: Tox ikologische und
     jeder ärztlichen Untersuchung der            forensische Aspekte anhand von 14 Todesfällen.
     Ausbruch von Aids festgestellt wer-          Med. Diss. Universität Zürich 1981.
                                                  Gmür M.: Die Konw ptuali.i'ierung der Metha-
     den könnte, braucht eine besonders           don-Beha'!.d/1111t;    von     fleroinabhdngigen.
     verständnisvolle Aufmunterung und
i    Tröstung, damit er sich beim Arzt
                                                  Schweiz. Arzlezeilunp; 1IJ79 (32). S. 1577-I 583.
                                                  Haas H. und Meier II. : D
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