Krankenhausreform: Neu- oder Fehlstart in die Zukunft der Krankenhausversorgung?
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Forum Krankenhausreform: Neu- oder Fehlstart in die Zukunft der Krankenhausversorgung? Prof. Dr. med. habil. Andreas J. W. Goldschmidt Ergebnisse aus einem Workshop der Krankenhausversorgung diskutieren nen und -trägern unterschiedlicher Kran- mit Oberärztinnen und Oberärz- zu können, wurden eine Gruppe von kenhäuser andererseits. Dabei sollten die ten aus Kassel sowie Besuchern Oberärztinnen und -ärzten am 10. Febru- Antworten am Ende möglichst auch eines Krankenhausmanagement- ar 2023 nach Hofgeismar bei Kassel [2] durch die Sicht der (meist ja noch gesun- kongresses in Wiesbaden sowie Teilnehmerinnen und Teilnehmer den) Versicherten der Gesetzlichen Kran- eines Krankenhausmanagementkongres- kenkassen ergänzt werden. Also im Kon- Die heute noch weitestgehend vorhande- ses am 2. März 2023 in Wiesbaden [3] sens mit fast der gesamten Bevölkerung ne, flächendeckende Patientenversorgung zur jeweils aktiven Mitwirkung an einem könnte auch gefragt werden: „Welche lässt sich immer schwieriger aufrecht er- vom Autor geführten Workshop eingela- Krankenhausversorgung wollen wir – und halten. Die entscheidenden Treiber dieser den. Als Grundlage diente zunächst die welche können wir uns leisten?“ Entwicklung bringt der Präsident der Lan- von Bundesgesundheitsminister Prof. Mit den Wunschvorstellungen von Versi- desärztekammer Hessen, Dr. med. Edgar Dr. med. Karl Lauterbach im Dezember cherten ist es naturgemäß so eine Sache, Pinkowski, in seinem Editorial vom April 2022 angestoßene Krankenhausreform. denn: „Was die Menschen nicht verstehen: 2023 wie folgt treffend auf den Punkt: Es Das Krankenhaus um die Ecke ist nicht sind „die demografische Entwicklung der Was wird an der aktuellen Kran- automatisch am besten geeignet“, wie Bevölkerung, die parallele Überalterung kenhausversorgung kritisiert? Ferdinand Gerlach aus Frankfurt in dem der Ärzteschaft bei gleichzeitig verringer- genannten FAZ-Beitrag treffend ergänzte. ter Arbeitszeit pro Kopf, abnehmendes Der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Er war bis Ende Januar Vorsitzender des Interesse an der selbstständigen Nieder- Krankenhausgesellschaft (DKG) Dr. rer. Sachverständigenrats (SVR) Gesundheit lassung, eingeschränkte Mittel für pol. Gerald Gaß sagte laut FAZ vom 20. der Bundesregierung. Fahrzeiten von drei- Gesundheitsversorgung, insolvenzgefähr- Februar 2023, es sei nicht möglich, „in ßig Minuten in ein spezialisiertes Kranken- dete Krankenhäuser, parallel bestehende den heutigen Versorgungsstrukturen die haus seien bei manchem Notfall besser als Über- und Unterversorgung, unzureichen- notwendigen Gesundheitsleistungen von zehn Minuten in ein nicht spezialisiertes de IT-Systeme inklusive leistungsstarke morgen zu erbringen“ [4]. Reinhard Bus- Krankenhaus. Sein Kollege im SVR Breitbandverfügbarkeit und einiges mehr. se, Gesundheitsökonom aus Berlin, emp- Gesundheit und Pflege aus Bielefeld, der Schon allein diese Liste zeigt ... die un- fahl im gleichen Beitrag: „Man muss nicht Gesundheitsökonom Wolfgang Greiner, zweifelhaft notwendige Reform der Kran- sagen, wie viele fallen weg, sondern wie sieht in einem Interview in der zeitgleich kenhäuser wie auch der Notfallversorgung viele brauchen wir?“ erschienenen Wirtschaftswoche „derzeit ...“ [1]. In unseren Workshops stellten wir aber eine planlose, kalte Strukturbereinigung“, Um sich fundiert über die geplanten die Frage: „Welche Krankenhausversor- die vermieden werden sollte. Andererseits Krankenhausreformen zu informieren gung wollen wir?“, und zwar aus Sicht von hätten wir viele kleine Häuser und zu we- und Alternativen sowie eigene Vorstel- Ärztinnen und Ärzten einerseits und von nig Spezialisierung in diesen Häusern. lungen für notwendige Veränderungen in administrativen Verantwortungsträgerin- Deshalb sei das Ergebnis von Behandlun- gen auch insgesamt schlechter, als es möglich wäre. [5] Zeitplan für die geplante Krankenhausreform Die für 2024 geplante Nach ihrem Auftakttreffen am 5. Januar formuliert werden, den das Bundeskabi- Krankenhausreform 2023, bei dem sich die Bund-Länder- nett im September beschließt. Das par- Gruppe darauf verständigt hat, die ge- lamentarische Verfahren soll möglichst Streng genommen handelt es sich bei der plante Krankenhausreform gemeinsam im Dezember abgeschlossen werden, angedachten Krankenhausreform ab anzugehen, liegt aus dem Bundesge- damit das Gesetz zum 1. Januar 2024 in voraussichtlich 2024 um ein grundsätzlich sundheitsministerium (BMG) nun ein Kraft treten kann. sehr einfaches Modell einer neuen Kran- konkreter Zeitplan vor. Eckpunkte sollen Quelle: www.bvmed.de [12] kenhausplanung, das wir auf ein Flipchart danach Mitte Juli 2023 stehen und vom Link zur Timeline: https://www.bvmed.de/ gezeichnet haben und das in groben BMG anschließend über die sitzungs- downloads-rostohar/timeline-fuer-die-ge Strukturen als Skizze auf ein bis zwei Bier- freie Zeit zu einem im Bundesrat zustim- plante-krankenhausreform oder Kurzlink: deckel passt (Abb. 2 und Kasten dazu). mungsbedürftigen Gesetzentwurf aus- https://tinyurl.com/4zarj7p6 Die Probleme liegen dann eher im Detail – bei der Zuordnung von Krankenhäusern Online-Ausgabe | Hessisches Ärzteblatt 5/2023
Forum zu Versorgungsstufen („Level“), der Defi- kenhäuser werden in zwei Typen unter- nerhalb der genannten Vorhaltekosten. nition von Leistungsgruppen (LG) und der teilt. Level In („n“) sind dann Kliniken der Beides soll die Grundfinanzierung der Kalkulation der reformierten DRGs Basisversorgung für Chirurgie und Innere Krankenhäuser stabilisieren. Letztlich er- (rDRG). Vor allem aber, welche Regeln Medizin mit einigen Intensivbetten und gibt sich die laufende Finanzierung dann davon auf Bundes- und welche auf Lan- einer Notaufnahme. Level Ii sind dann kei- auf Basis der Level, der DRGs, der Vorhal- desebene gelten sollen. ne Krankenhäuser im heutigen Sinne tekosten und noch neu zu definierender Da ist zunächst eine Hierarchie auf drei mehr, da gemäß der integrierten Versor- Leistungsgruppen (LG). Die sogenannte Ebenen („Level“): Die Maximalversorger gung vor allem die ambulante Behand- duale Finanzierung, also die Verantwor- auf Level III sind Universitätskliniken oder lung mit Allgemeinmedizin und Pflege im tung der Bundesländer für Krankenhaus- Großkrankenhäuser mit quasi sämtlichen Vordergrund stehen soll. Die bisherige investitionen über Fördermittel z. B. für Fachrichtungen inklusive Intensivmedizin Finanzierung der medizinisch-pflegeri- Neubauten, Sanierungen und Großgerä- und Notfallversorgung. Sie sollen also pri- schen Leistungen mit den DRG-Fallpau- te, soll erhalten bleiben. mär für die schweren und schwersten Fäl- schalen wird abgespeckt und stattdessen le zuständig sein. Mittelgroße Kranken- werden erstmals die Vorhaltekosten, die Eine gute Krankenhauszukunft häuser auf Level II sind Krankenhäuser der man früher meist Basis- oder Fixkosten gibt es nicht umsonst Regel- und Schwerpunktversorgung mit nannte, zu 40 %, für einige Bereiche wie einer Mindestzahl bestimmter Fachrich- die Pädiatrie und Geburtshilfe zu 60 % Bei den Modellvorschlägen für neue Kli- tungen und können daher fachbezogen finanziert. Das Budget für die Pflegeper- nikstrukturen, die derzeit diskutiert wer- ebenfalls schwere Fälle z. B. in der Kardio- sonalkosten soll erhalten bleiben, wobei den, lenkt aber leider kaum jemand das logie behandeln. Kleinere Level I-Kran- noch diskutiert wird, ob außer- oder in- Augenmerk darauf, wie viel Geld solche Die Fundamente für die Zukunft Nach Goldschmidt AJW 2020 [13] immensen Investitionsstau zu beheben. und Fachärzte hin zu den Patienten. Und Hessen hat sich in den letzten Jahren be- Patienten für elektive Behandlungen aus Finanzierung: Unser Finanzierungssys- reits etwas verbessert. der Peripherie z. B. mit Bussen hin zu den tem ist äußerst kompliziert sowie büro- Krankenhausdichte: Wir haben in ambulant-stationären Schwerpunkt- kratisch und bietet vielerlei Fehlanreize. Deutschland im Verhältnis zu fast allen oder stationären Maximalversorgern. Zunächst müsste die Finanzierung ver- anderen OECD-Ländern immer noch Digitalisierung: Für eine Neustrukturie- einfacht werden und eine maßvollere deutlich mehr Krankenhäuser und mit rung der Kliniklandschaft ist eine moder- Rechnungsprüfung durch den Medizini- gut acht Betten bezogen auf 1.000 Ein- nisierte, leistungsfähige Gesundheitslo- schen Dienst nach sich ziehen. Finanziel- wohner fast doppelt so viele wie im gistik verbunden mit Telematik notwen- le Fehlverteilungen entstehen auch durch OECD-Durchschnitt, obwohl diese be- dig. Voraussetzung dafür ist die Digitali- unsere relativ strikte Sektorentrennung reits seit Jahren abgebaut werden. Die sierung mit einer funktionierenden, flä- in ambulante und stationäre Versorgung. wirtschaftlichen Probleme eskalieren vor chendeckenden Telematikinfrastruktur, Gelänge es uns, diese beiden Sektoren allem, weil viele, meist kleinere ländliche die eine komplexe gesundheitslogisti- besser zu verzahnen, könnte sehr viel Krankenhäuser, Leistungsangebote vor- sche Planung und Steuerung effizient er- Geld gespart und gerechter verteilt wer- halten, ohne sich die zugehörige kost- möglicht. den. spielige Hochtechnologie für Diagnose Von Nachbarn lernen: Die Reformen bei Duale Finazierung: Betriebskosten be- und Therapie eigentlich leisten zu kön- unseren europäischen Nachbarn Nieder- ziehungsweise alle Kosten, die für die Be- nen. Beispielsweise weil ihnen das Perso- lande und Dänemark haben ein entschei- handlung von Patienten entstehen, wer- nal aufgrund des Fachkräftemangels dendes Merkmal: Der Staat hat eine klare den von den Kassen finanziert. Investiti- fehlt oder sie gar nicht genug Patienten Gesundheitsversorgungsstrategie. Er onskosten sollen von den Ländern finan- behandeln können, um diese so auszulas- lässt seine kleinen ländlichen Kliniken ziert werden. Das tun diese aber nur zu ten, dass Qualität und Einnahmen stim- nicht einfach wirtschaftlich sterben, son- einem Bruchteil, weshalb viele Kranken- men. Eine klassische Abwärtsspirale. dern investiert sehr umfangreich in gro- häuser am Personal sparen, notwendige Mobilitätskonzepte: Die Wege werden ße neue zentrale Krankenhäuser, in neue Sanierungen hinausschieben, Erlöse aus sowohl für Patienten als auch für die Ärz- Mobilitätskonzepte mit massiv verstärk- der Patientenbehandlung für Investitio- te bei einer neuen Verteilung von Versor- ten Rettungsdiensten, in die Telematikin- nen zweckentfremdet einsetzen oder gungsschwerpunkten länger – auch weil frastruktur sowie in ausgefeilte Personal- Kredite aufnehmen, die sie in die roten die Akutversorgung immer zentralisier- entwicklungskonzepte für die vorhande- Zahlen treiben. Hier müssen die Bundes- ter wird. Daher brauchen wir eine erwei- nen und neue Fachkräfte. länder im Zuge der Krankenhausreform terte Gesundheitslogistik. Dazu gehört, in die Pflicht genommen werden, um den dass alles in Bewegung ist: Pflegekräfte Hessisches Ärzteblatt 5/2023 | Online-Ausgabe
Forum Reformen beispielsweise in Dänemark kosteten. Der Vorsitzende des Gemeinsa- men Bundesausschusses (G-BA), Prof. Jo- sef Hecken, wies darauf hin, dass auf Bund und Länder bei der anstehenden Kranken- hausreform hohe Kosten zukommen würden. „Eine Krankenhausreform ohne Strukturveränderungen wäre eine ganz große vertane Chance und eine Bürde für die finanzielle Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung.“ Er rechnet mit einem „sehr langen und sehr teuren Pro- zess“. „Jeder Abgeordnete wird natürlich versuchen, sein Krankenhaus zu schützen, und jeder Ministerpräsident wird versu- Grafiken: Rechte beim Autor [15] chen, in seine Krankenhausstruktur mög- lichst wenig Unruhe zu bekommen.“ [9] Justierungen der geplanten Krankenhausreform durch die „Bund-Länder-Gruppe“ Es ist also davon auszugehen, dass einiges Abb. 1: Eigene Darstellung der künftigen Krankenhausfinanzierung in Anlehnung an [15]. davon nicht so umgesetzt wird, wie sich die Ideengeber das vorgestellt haben. nung in den Händen der Länder bleibe. chen Krankenhäuser. Doch sieht das im Dafür sorgt einerseits die „Bund-Länder- Die Kliniklandschaft in Hessen sei nun mal ländlichen Raum genauso aus? Wohl Gruppe“ für die geplante Krankenhausre- eine andere als in Bayern oder in einem kaum. Das nächste Krankenhaus ist ver- form und andererseits ist die verallgemei- Stadtstaat wie Berlin. Es gebe zu wenig mutlich deutlich weiter entfernt, so dass nerte Ausgestaltung einiger Überlegun- Personal. Als Beispiel nannte er die Schlie- sich die Transportwege verlängern. Das gen noch unausgereift und könnte ggf. ßung der Geburtshilfe in den Lahn-Dill- ist nicht bequem, lässt sich aber noch be- sogar gefährlich für die Patientenversor- Kliniken, weil sich trotz monatelanger Su- wältigen, zumal bei Häusern, die sich nicht gung in einigen Bundesländern und deren che keine Ärztinnen und Ärzte fanden. So an der Notfallversorgung beteiligen. Aber ländlichen Regionen sein. Das zeigte sich manche Struktur passe nicht mehr in die wird das Personal so einfach zum nächsten nicht zuletzt an der eiligen Nachjustierung heutige Zeit – etwa die strenge Trennung Krankenhaus wechseln? Zweifel sind ange- durch „Öffnungsklauseln“ für die Pla- von ambulanter und stationärer Behand- bracht, denn erfahrungsgemäß sind insbe- nungshoheit der Bundesländer z. B. bei lung. Die Pandemie habe die Löcher in den sondere Pflegekräfte relativ stark ortsge- der Einstufung von Krankenhäusern in die Kassen noch vergrößert [11]. Aber: Die bunden. Die gleichzeitig angestrebte „Level“ I (In und Ii), II und III [10]. hessische Landesregierung hat auch über sogenannte Ambulantisierung benötigt in Jahrzehnte an den gesetzlich verankerten der Konsequenz entsprechende Struktu- Die grundsätzlichen Probleme Investitionen gespart, auch wenn die Lan- ren, d. h. mehr ambulante Versorgungsan- machen vor Hessen nicht halt desregierung ihre Zuschüsse mittlerweile gebote vor allem in der Fläche. Die Bal- deutlich erhöht hat. Eine Insolvenz wird lungsräume sind zumindest vorerst noch Nicht die von Bundesgesundheitsminister für immer mehr Krankenhäuser bedroh- relativ gut versorgt. Werden sich die vor- Karl Lauterbach (SPD) angestoßene Neu- lich realistischer. herigen Krankenhausärztinnen und -ärzte ausrichtung würde zum großen Kranken- dann einfach im Umfeld des geschlossenen haussterben führen, sondern sie könne es „Was passiert, wenn ein Kranken- Krankenhauses niederlassen? So einfach verhindern, sagte der hessische Sozialmi- haus geschlossen wird?“ wird es vermutlich nicht werden.“ nister Kai Klose (Grüne) zur geplanten Damit wies er treffend auf die Vielschich- Krankenhausreform. Wenn es keine Pinkowskis Einschätzung und Fragen dazu tigkeit der angedachten Reform hin. Dass Reform gebe, würde es weniger Kranken- [1]: „Im städtischen Ballungsgebiet hat eine Reform nötig ist, bestreitet auch er häuser geben. Die Lage sei ernst, aber das wahrscheinlich keine allzu großen nicht. Doch die Lösung der Probleme kön- durch die angestoßenen Reformen könn- Auswirkungen. Es gibt genügend andere ne nur sinnvoll gelingen, wenn die Konse- ten am Ende kurze Wege für Notfälle und Krankenhäuser, die das frei werdende quenzen bedacht und mit den Betroffe- eine bessere Versorgungsqualität dank Personal gerne übernehmen. Auch die Pa- nen analysiert würden. Das gelte selbst- Spezialisierungen stehen. Gelingen werde tientinnen und Patienten verteilen sich verständlich auch für die Reform der Not- dies aber nur, wenn die Krankenhauspla- mutmaßlich ohne Probleme auf die restli- fallversorgung. Online-Ausgabe | Hessisches Ärzteblatt 5/2023
Forum BMG-Zeitplan für die geplante Krankenhausreform Wenn der Zeitplan eingehalten wird, soll das Gesetz für die Krankenhausreform am 1. Januar 2024 in Kraft treten (Tab. 1) [12]. Siehe Kasten „Zeitplan“ aus dem Bundesministerium für Gesundheit (BMG) für die geplante Krankenhausre- form lt. Wissenschaftlichem Institut des Bundesverbands Medizintechnologie e. V. (BVMed) vom 27. Jan. 2023 [12] Ergebnisse: „Welche Krankenhaus- versorgung wollen wir?“ Nach der Vorstellung der „Grundannah- men für beide Workshops“ (siehe Kasten „Fundamente für die Zukunft“) und der angedachten Reform einer neuen Kran- kenhausplanung wurden die Teilnehmerin- nen und Teilnehmer der beiden Work- shops gebeten, selbst Vorschläge zu machen, unsere Gesundheitsversorgung „neu zu denken“. Also unter dem Motto: „So stellen wir uns die Zukunft der Kran- Abb. 2: Eigene Darstellung der künftigen Krankenhausplanung in Anlehnung an [15]. kenhausversorgung vor“. Den Rahmen dafür bildeten vorab Hinter- gründe und Erfahrungen zu den vergan- genen Reformen in den Niederlanden und in Dänemark sowie Definitionen, Grund- Kasten 1: „Passt auf einen Bierdeckel“ satzfragen und Feststellungen z. B. zu den Themen Deutungshoheit für die Relevanz Das Modell ist recht unkompliziert, die lungen der Regierungskommission zwi- geplanter Maßnahmen, Zentralisierung Ausgestaltung im Detail dafür umso schen 11. Juli 2022 und 13. Febr. 2023 und Trägervielfalt. Beispiel „Deutungsho- mehr, wie z. B. Zuordnung von Kranken- [7] sowie die Stellungnahmen der Deut- heit“ unter der Prämisse „Relevanz häusern zu Versorgungsstufen („Level“), schen Krankenhausgesellschaft bis zum kommt vor Signifikanz“. Welche Parame- die Definition von Leistungsgruppen jeweiligen Zeitpunkt der Workshops. ter sind für eine Krankenhausplanung der (LG) und die Kalkulation der reformier- Wichtig war auch festzuhalten, dass zur Zukunft „relevant“? Wer soll darüber ent- ten DRGs (rDRG). Vor allem aber, wel- gesundheitspolitischen Akzeptanz, für scheiden? che Regeln davon auf Bundes- und wel- eventuelle Anpassungen und letztlich Wer legt die wesentlichen Parameter und che auf Landesebene gelten sollen. Basis zur Durchsetzung der Vorschläge der die zugehörigen Größenordnungen für beider Workshops war u. a. die Zusam- Regierungskommission als verbindliches die Gesundheitsversorgung z. B. für das menfassung des Vorschlags der „Regie- Bundesgesetz eine eigens dafür einge- fest, was „bedarfsgerecht“ ist? Zum Bei- rungskommission für eine moderne und richtete „Bund-Länder-Gruppe“ für die spiel für die Fahrzeiten von dreißig Minu- bedarfsgerechte Krankenhausversor- geplante Krankenhausreform eine ent- ten oder von Maximalentfernungen in ein gung“ (Regierungskommission) im scheidende Rolle spielt, die am 5. Jan. spezialisiertes Krankenhaus im Notfall. Deutschen Ärzteblatt [6]. 2023 zum vierten Mal getagt hatte [8]. Diese Deutungshoheit ist von größter Berücksichtigt wurden auch die wesent- Alle Aussagen der Regierungskommissi- Wichtigkeit und vergleichbar mit dem lichen Ergebnisse aller diesbezüglichen on haben daher nur einen empfehlenden Spannungsfeld zwischen Signifikanz und politischen Diskurse auf Bundes- und Charakter und sind nicht rechtsverbind- Relevanz als ein allgemeines Problem, mit Länderebene, die bislang vier Empfeh- lich. dem sich die medizinische Forschung vor jeder klinischen Studie neu beschäftigen muss [14]. Für diese Festlegung ist primär die Ärzte- schaft mit ihren Fachgesellschaften einzu- Hessisches Ärzteblatt 5/2023 | Online-Ausgabe
Forum binden. Wichtig sind auch die Pflege, die dem sei zu berücksichtigen, dass jetzige sowie die flächendeckende Versorgung Position der Patientinnen und Patienten große Krankenhäuser noch größer wer- durch Hebammen im Auge behalten und der sonstigen, meist ja noch gesun- den müssten, um den Wegfall kleinerer werden. den Versicherten. Und natürlich ist die Ex- Krankenhauskapazitäten auffangen zu Auf der Kostenträgerebene wurde die vor- pertise und Erfahrung aus der administra- können. Dringend sei eine forcierte Aka- handene Vielfalt der gesetzlichen Kran- tiven und unternehmerischen Leitung von demisierung der Pflegekräfte auf Bache- kenkassen kritisiert. Es sollte für die Leis- Krankenhäusern unabdingbar. Hier sind lor-Niveau zu fordern. Dies würde die tungserbringer nur noch einen gemeinsa- also erst in nachgeordneter Linie Statisti- Qualität der Pflege und die Zusammenar- men Ansprechpartner mit einheitlichen ken gefragt. beit miteinander weiter verbessern und Regelungen zur Leistungserstattung und diese darüber hinaus auch auf neue Ma- ein „wirkliches Bonussystem“ für die Versi- Ergänzende Vorschläge nagementaufgaben z. B. in künftig ambu- cherten geben. Eine gesetzliche Versiche- der Oberärztinnen und Oberärzte lant-stationären Level Ii-Häusern vorbe- rungspflicht für alle Bürger mit der Mög- aus Kassel reiten können. Dabei müsse insbesondere lichkeit einer privaten Zusatzversicherung auch die Organisation der ambulant- wurde als wünschenswert betrachtet, so Es wurde betont, dass vor der Umsetzung stationären Versorgung alter und betagter wie diese auch bei der Reform in den einer Krankenhausreform unbedingt eine Patientinnen und Patienten z. B. in geria- Niederlanden eingeführt wurde. gründliche Strukturanalyse der vorhande- trischen Zentren in Kooperation mit den Zur Kontrolle und Transparenz durch die nen Krankenhäuser erfolgen müsse. Zu- niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten gesetzlich Versicherten sollten die Defini- Kommentar Zunehmende Verantwortung durch Krankenhäuser der Maximalversorgung Warum brauchen wir überhaupt eine tet nach den Leistungsgruppen. Das er- ge Krankenhäuser in Hessen verfügen Krankenhausreform? Der Fachkräfteman- möglicht an den Standorten der Level III- über max. 100 Betten, und weit über gel ist eine treibende Kraft, denn nicht Häuser zukünftig das komplette Leistungs- 400 Krankenhäuser in Deutschland wur- nur in Medizin und Pflege, sondern auch angebot 24/7 sicherzustellen, die Quali- den in das Level Ii eingestuft. Das zeigt in den vielen anderen sehr wichtigen tätsrichtlinien auch zukünftig weiter ein- deutlich das in der Reform angedachte Fachberufen fehlen uns heute schon – halten zu können und die med. Leistungs- Potenzial für eine Konzentration auf. und morgen noch mehr – die Mitarbei- angebote wirtschaftlich zu gestalten. Aber selbstverständlich gibt es Unter- tenden. Die Rede ist von Fachpersonal Aber nicht jedes Krankenhaus muss alles schiede zwischen städtischen Gebieten, wie z. B. für Labor, Apotheke, Herzkathe- machen. Mit der geplanten dreiteiligen Ballungsräumen und ländlicher Struktur, terlabor, Endoskopie, Radiologie, IT, Me- Ausdifferenzierung der Versorgungsrollen die zu beachten sind. Hier sind die Bun- dizintechnik, Medizinphysik etc. Das sind der Krankenhäuser erhalten Patientinnen desländer gefordert,regionale Konzepte vielfach, anders als in der Medizin und der und Patienten eine nachvollziehbare Ori- zu entwickeln, ohne dass dafür der Rah- Pflege, nur kleinere Gruppen, aber es ist entierung, welches Krankenhaus für wel- men der Krankenhausreform auf Bun- um so empfindlicher, wenn diese hoch chen Versorgungsbedarf zuständig und desebene aufgeweicht werden muss. Die spezialisierten Gesundheitsfachkräfte geeignet ist. Gleichzeitig werden redun- Lage der Krankenhäuser jetzt ganz aktu- nicht ausreichend vorhanden sind. Die Fi- dante Strukturen verringert, so dass Fach- ell ist dramatisch, das heißt, es muss nanzierung im Krankenhaus passt schon personal effizienter eingesetzt werden schnell gehandelt werden. seit Jahren nicht mehr zur Realität: Weder kann und eine flächendeckende Versor- die nicht ausreichende Investitionsförde- gung bedarfsgerecht steuerbar ist. Die Le- Clemens Maurer rung der Länder noch die reine Betriebs- vel III-Krankenhäuser brauchen insbeson- Geschäftsführer der Klinikum Darm- kostenfinanzierung. Die Wahrscheinlich- dere die Häuser in Level I. Einerseits für die stadt GmbH; Vorstandsmitglied der keit, dass es mehr Geld für das System Überleitung von Patientinnen und Patien- Hessischen Krankenhausgesellschaft Krankenhaus geben wird, ist mehr als ten, die nicht mehr die Ressourcen eines e. V.; Vorstandsvor- fraglich. Beide Gründe erzwingen eine Level III-Hauses benötigen, aber noch sitzender des Konzentration der Leistungsangebote im pflegerisch betreut werden müssen. Klinikverbundes Foto: Markus Schmitt gesamten Gesundheitswesen mit Redu- Gleichzeitig können die Level I-Häuser Hessen e. V.; zierung der Krankenhäuser. sinnvoll für alle ambulanten Behandlungs- das Klinikum Daher begrüße ich aus Sicht eines Maxi- konzepte eingesetzt werden. Die Auswir- Darmstadt ist Mit- malversorgers und eines Krankenhauses kungsanalyse der DKG und auch das sehr glied in der Allianz der höchsten Stufe der Notfallversorgung transparente System IVENA in Hessen der kommunalen die Reformvorschläge zur Einstufung von spiegeln schon heute die Leistungsfähig- Großkrankenhäuser (AKG) Krankenhäusern in drei Level, ausgerich- keit der Krankenhäuser wider. Nicht weni- Online-Ausgabe | Hessisches Ärzteblatt 5/2023
Forum tion und Anpassung der Erstattungsfähig- terbach sind es nun zwei verbeamtete Fahrtzeit von einer Stunde bis zum nächs- keit von Leistungen und der Krankenversi- Staatssekretär:innen und zwei parlamen- ten Maximalversorger und von 30–45 Mi- cherungsbeiträge sowie der Beitragsbe- tarische. Vorher gab es sechs Abteilungen nuten bis zur Grundversorgung diskutiert. messungsgrenze genauer belegt und für und nun sieben sowie einen konsekutiv Die Berücksichtigung regionaler Beson- alle allgemein verständlich nachvollzieh- notwendigen personellen Zuwachs auf derheiten müsse in der Hoheit der Bun- barer gemacht werden. quasi allen Ebenen des BMG. Das BMG sol- desländer verbleiben, die dafür künftig Auf der übergeordneten Systemebene le wieder kleiner und effizienter werden aber auch ihrer gesetzlichen Pflicht zur Fi- wurde eine Verschlankung auf Bundes- und dadurch vielleicht weniger, dafür aber nanzierung von Investitionen, Sanierun- ebene gefordert bzw. die Vergrößerung besser akzeptierte und eher umsetzbare gen etc. in vollem Umfang nachkommen des Bundesministeriums für Gesundheit Gesetzesvorhaben vorantreiben. sollten. Die Trägervielfalt der Kranken- (BMG) bemängelt: Unter dem Vorgänger Es wird die Notwendigkeit bundeseinheit- häuser bzw. das Nebeneinander von Jens Spahn gab es noch einen verbeamte- licher Regelungen bei der Krankenhaus- öffentlichen, privaten und frei-gemein- ten Staatssekretär und zwei parlamentari- planung für alle Bundesländer gesehen. nützigen Trägern wird abgelehnt. Inner- sche Staatssekretär:innen, unter Karl Lau- Als eine solche Regel wurde z. B. über eine halb einer Region sollte es jeweils nur ein Kommentar Versorgungssicherheit in ländlichen Regionen durch kleine Standorte im Wandel Von der chronischen Unterfinanzierung Gute Idee, schlechte Umsetzung, denn die Grundversorger für flache Hierarchien, im Gesundheitssystem über mangelnde im Papier aufgeführte Neuordnung ist nicht starke Teamgefüge, familiäre Arbeits- Inflationsausgleiche und Energiekrise bis nur praxisfern, sie geht auch in der Folgen- atmosphäre und mehr Gestaltungsfrei- hin zu Fachkräftemangel und demografi- betrachtung an den selbst gesteckten Zie- heit. Die Annahme, man könne kleine schen Herausforderungen auf Personal- len vorbei. Aus Grundversorgersicht ist der Krankenhäuser schließen, um die medi- und Patientenseite: Die aktuellen He- Reformentwurf der Regierungskommission zinischen Fachkräfte an große Häuser rausforderungen für Krankenhäuser sind daher insbesondere unter folgenden Ge- zu bewegen, ist falsch. Ein solcher ebenso vielseitig wie fordernd. In einer sichtspunkten zu kritisieren: Schritt würde vielmehr zu noch mehr immer dynamischer werdenden Welt • Wettbewerb bleibt bestehen: Die DRG- Berufsausstiegen führen. schleppen sich Kliniken von Wirtschafts- Fallpauschalen bilden weiterhin die Fi- • Kleinen Krankenhäusern wird Leis- hilfe zu Wirtschaftshilfe – Planungssi- nanzierungsbasis, ein Hinzutreten von tungsqualität abgesprochen: Messbar- cherheit? Fehlanzeige. Vorhaltepauschalen ist nicht ausrei- keiten von Qualität in Krankenhäusern Insbesondere kleine Krankenhäuser, die chend, um den wirtschaftlichen Druck gibt es viele, aber keine einheitlichen. ihren Versorgungsschwerpunkt in der aus dem System zu nehmen. Klar ist, dass komplexe und seltene Ein- Behandlung von Volkskrankheiten ha- • Kalter Strukturwandel inbegriffen: Kleine griffe nur an Häusern mit ausreichend ben, stehen vor einem schwierigen Spa- ländliche Krankenhäuser werden je nach Erfahrung durchgeführt werden soll- gat, denn auf der einen Seite nimmt der Leistungseinteilung zur Umstrukturie- ten. Kleine Häuser verlegen daher sol- Versorgungsbedarf in der Bevölkerung rung in Pflegeheime mit Hausarztbetreu- che Fälle an die entsprechenden Exper- zu und auf der anderen Seite erhalten ung und MVZ gezwungen, damit sind ten und nehmen im Gegenzug pfle- Kliniken für die Befriedigung dieses Be- Krankenhäuser der „Level I i“ keine Kran- geaufwendige Normalpatienten auf, darfs keine adäquate Refinanzierung. kenhäuser mehr und werden entspre- demente, multimorbide und alte Pa- Dies führt in einer immer mehr an Fahrt chend aus der Klinik-Finanzierung ent- tienten. Hier punkten kleine Häuser mit gewinnenden Abwärtsspirale dazu, dass koppelt und an ambulante Abrechnun- individueller Betreuung und enger Bin- Foto: Sandra Schildwaechter – Kreisklinik Groß-Gerau die ohnehin raren Pflegekräfte noch we- gen geschlossen. Dass in ländlichen Re- dung zwischen Patient und Pflegekraft niger Zeit für ihre Patienten haben. Es gionen ein Maximalversorger flächen- bzw. Arzt. entsteht Frust und Stress, auch auf ärzt- deckend den klinischen Bedarf der Bevöl- licher Seite, der noch durch wachsende kerung decken soll, ist Wunschdenken – Prof. Dr. Bürokratiepflichten verstärkt wird. es verlängern sich die Rettungswege und Erika Raab Der Krankenhausreformentwurf des es entstehen Versorgungslücken. MBA, Geschäfts- Bundesgesundheitsministers hat diese • Der Patientenwille wird außer Acht ge- führerin der Probleme erkannt. Zukünftig soll der lassen: Viele Patienten entscheiden sich Kreisklinik Groß- schwere ökonomische Druck von den bewusst für eine wohnortnahe Behand- Gerau GmbH; Schultern der Kliniken genommen wer- lung in familiärer Atmosphäre. Vorstandsvorsit- den, damit der Patient wieder in den Fo- • Ärzte und Pflegekräfte werden wie Hum- zende der Deut- kus rücken kann. Auch die ländliche Ver- ankapital behandelt: Ärzte und Pfle- schen Gesellschaft für Medizincontrol- sorgung soll gesichert sein. gekräfte entscheiden sich bei einem ling e. V., Heidelberg Hessisches Ärzteblatt 5/2023 | Online-Ausgabe
Forum Foto: Jochen Kratschmer Foto: privat Oberärztinnen und -ärzte ergänzten mit eigenen Vorschlägen die geplante Rege Beteiligung beim Workshop „Versorgungsstrukturen für die Zukunft Krankenhausreform im Workshop „Nationales Gesundheitswesen. Vom Ge- gestalten. Welche Versorgungsstrukturen wollen wir?“ auf dem „Zukunft sundheitswesen zur Gesundheitswirtschaft – Herausforderungen und Gesundheit Fachkongress“ für das Krankenhausmanagement am 2. März Chancen“ bei der Managementqualifizierung der Gesundheit Nordhessen 2023 in Wiesbaden [3]. Kassel (GNH, Veranstalter) in Hofgeismar am 10. Februar 2023 (wissen- schaftlicher Leiter: Univ-Prof. Dr. Andreas J. W. Goldschmidt) [2]. hauptverantwortliches Krankenhaus ge- schäftsführer Clemens Maurer vom Klini- der Trägervielfalt, bei der aber innerhalb ben, das die Steuerung und Koordinierung kum Darmstadt und „Versorgungssicher- einer Versorgungsregion nur „einer den übernehme. In der Zukunft solle es nicht heit in ländlichen Regionen durch kleine Hut aufhaben“ sollte. um Wettbewerb, sondern um ein besse- Standorte im Wandel“ von Geschäftsfüh- res, integriertes Miteinander aller an der rerin Prof. Dr. Erika Raab von der Kreiskli- Diskussion der Ergebnisse Gesundheitsversorgung Beteiligten ge- nik Groß-Gerau. beider Workshops hen. Eventuell erwirtschaftete Gewinne Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des von Krankenhäusern sollten komplett in Workshops auf dem Krankenhausmanage- Einige Aussagen und Vorschläge waren zu der betreffenden Gesundheitseinrichtung mentkongress befürworteten mehrheit- erwarten, andere eher überraschend. reinvestiert werden. lich die Notwendigkeit von Reformen, Aber natürlich sind Ergebnisse solch kon- Es solle auch über die Krankenhausreform mehr Zentralisierung der Gesundheitsver- zentrierter Workshops mit kleinen Grup- hinaus über die Lehren aus der Pandemie sorgung, eine gesetzliche Krankenversi- pen nicht repräsentativ für die Grundge- nachgedacht werden, bei der es zu Eng- cherungspflicht für alle mit optionaler pri- samtheit aller an der Gesundheitsversor- pässen bei der Versorgung im Kranken- vater Zusatzversicherung und den Erhalt gung Beteiligten. Aber sie sind – wie Ex- haus mit einigen Medikalprodukten und Arzneimitteln kam. Neben daher besse- ren, zentralen Beschaffungsoptionen solle Biografisches zum Autor auf Bundesebene auch ein europäisches In-Sourcing der Produktion von Arznei- Univ.-Prof. Dr. med. habil. • Mitglied des Auf- © Fotostudio Pfeiffer mitteln und Medizinprodukten angestrebt Andreas J. W. Goldschmidt: sichtsrats der Klini- werden. • Leiter der Präsidiumskommission Ethi- kum Darmstadt sche Fragen der Deutschen Gesell- GmbH seit 2013 Reformvorstellungen schaft für Medizinische Informatik, Bio- • Mitglied des Auf- beim Managementkongresses metrie und Epidemiologie e. V. (GMDS) sichtsrats der Universitätskliniken des in Wiesbaden seit 2019 Saarlandes 2016–2019 • Gastwissenschaftler am Institut für Ar- • Mitglied der Klasse „Sozial-, Rechts- Dafür stellten wir zunächst zwei unter- beits-, Sozial- und Umweltmedizin der und Wirtschaftswissenschaften“ der schiedliche Geschäftsführungspositionen Goethe-Universität Frankfurt/Main Europäischen Akademie der Wissen- vor und diskutierten anschließend mit den seit 2018 schaften und Künste seit 2012 Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Siehe • Bis 2017 C4-Lehrstuhlinhaber für Ge- • Außerordentliches Mitglied der Arznei- dazu die beiden Kommentare „Zuneh- sundheitsmanagement im Fb WiSo an mittelkommission der Deutschen Ärz- mende Verantwortung durch Kranken- der Universität Trier teschaft seit 2012 häuser der Maximalversorgung“ von Ge- Online-Ausgabe | Hessisches Ärzteblatt 5/2023
Forum perteninterviews – Ideengeber für um- Fazit Ausblick fangreichere Umfragen unterschiedlicher Gruppen (nach Krankenhausgrößen, für Der gegenwärtige Überfluss ist nicht Akzeptanz ist sicherlich nicht der einzige, verschiedene Regionen und Gesundheits- mehr aufrecht zu erhalten. In beiden aber doch ein entscheidender Schlüssel berufe etc.) und regen daher zum Nach- Workshops wird die Notwendigkeit einer zum Gelingen einer Reform. Das zeigte denken an. Zur Wahrheitsfindung gehö- Krankenhausreform klar bejaht. Die in der der jahrzehntelange Misserfolg zur Ein- ren auch eine ehrliche Folgenabschätzung täglichen Versorgung aktiven Oberärztin- führung der eGK, bei dem eine hohe Bera- und eine Aufklärung der Versicherten, nen und -ärzte setzten dabei erwartungs- tungsresistenz im damaligen BGM beob- z. B. über künftig evtl. längere Wartezei- gemäß einige andere Schwerpunkte als achtet werden konnte, welches lieber auf ten für eine elektive Operation. Unklar ist das Krankenhausmanagement. Dennoch gefällige Gutachten hörte als auf wohl- auch, wie die de facto Lotsenfunktion der gibt es bei genauem Hinsehen viele Ge- meinende Mahner. Ob es vor diesem Hin- künftigen Ii-Häuser funktionieren wird. meinsamkeiten. Auch eine gemeinsame tergrund klug ist, sich bei dem noch viel Erfahrungen mit der Facharzt-Instanz Position der beiden sehr unterschiedli- weitreichenderen Vorhaben gleich mit (Specialist) im Krankenhaus als Schleuse chen Krankenhäuser konnte – trotz eini- den beiden größten Bundesländern Bay- hinter dem Hausarzt – bzw. hinter dem ger gegensätzlichen Interessenlagen – er- ern und Nordrhein-Westfalen anzulegen, General practitioner (GP) – als Lotse in arbeitet werden (siehe Kasten Zusam- darf daher bezweifelt werden. Am Ende ein Krankenhaus in Großbritannien und in menfassung). wird es schließlich auch darauf ankom- den Niederlanden sind da eher ernüch- men, dass die zusätzlichen Transformati- ternd. onskosten für die neu geordneten und notwendigerweise veränderten und/oder erweiterten Krankenhäuser sowie für die Zusammenfassung neuen ambulant-stationären Zentren • Eine Reform ist notwendig, da die Kran- • Eine Aufteilung der Krankenhäuser in übernommen werden. Das gleiche gilt kenhausfinanzierung an der Realität Versorgungsrollen, die auf den Versor- selbstverständlich auch für die nun gleich- vorbeigeht und auf wachsende Heraus- gungsbedarf ausgerichtet sind, ist zeitig vorgesehene, neue elektronische forderungen reagiert werden muss. wichtig – beim Vorgehen bzw. den Kri- Patientenakte (EPA) für alle Versicherten. • Unterschiede in der Versorgungsstruk- terien für die Einteilung eines Kranken- tur müssen an die Infrastruktur und den hauses und dessen Leistungsangeboten Prof. Dr. med. habil. Bevölkerungsbedarf angepasst werden bestehen jedoch unterschiedliche Auf- Andreas J. W. Goldschmidt (Städte, Ballungsgebiete, ländliche Re- fassungen. E-Mail: gionen). goldschmidt@med.uni-frankfurt.de Hessisches Ärzteblatt 5/2023 | Online-Ausgabe
Literatur zum Artikel: Krankenhausreform: Neu- oder Fehlstart ... von Prof. Dr .med. Andreas J. W. Goldschmidt [1] Pinkowski E: Editorial. Zu Patienten- Deutsches Ärzteblatt 119 (51–52) Rippegather J: Hessens Krankenhäu- rechten, Qualitätssicherung und Kran- 27. Dez. 2022: A2290-A2292 ser vor gewaltigem Umbruch. Frank- kenhausreform. Hessisches Ärzteblatt furter Rundschau, 2. März 2023 – 4/2023 [7] Regierungskommission für eine mo- URL:https://www.fr.de/rhein-main/ derne und bedarfsgerechte Kranken- landespolitik/hessens-krankenhaeu- [2] Goldschmidt AJW: Nationales Gesund- hausversorgung: Erste bis vierte Stel- ser-vor-gewaltigem-umbruch- 9211 heitswesen. Vom Gesundheitswesen lungnahme der Regierungskommissi- 9640.html – Abruf: 4. März 2023 zur Gesundheitswirtschaft – Heraus- on. https://www.bundesgesundheits 14:57 Uhr forderungen und Chancen. Workshop. ministerium.de/themen/gesundheits In: Gesundheit Nordhessen Kassel wesen/krankenhausreform.html – [12] Bundesverband Medizintechnologie (Veranstalter): Managementqualifi- Letztmaliger Abruf: 3. März 2023 e. V. (BVMed) (Hrsg.): Timeline für zierung für Oberärztinnen und Ober- 09:29 Uhr die geplante Krankenhausreform. ärzte (Wissenschaftlicher Leiter: Stand 27.01.20223. – URL: Goldschmidt AJW), Hofgeismar, 10. [8] Bund-Länder-Gruppe für die Kranken- https://www.bvmed.de/downloads- Febr. 2023 hausreform: Krankenhausreform – rostohar/timeline-fuer-die-geplan- Lauterbach: Es braucht eine neue Ver- te-krankenhausreform – Abruf: 7. [3] Maurer C, Raab E, Goldschmidt AJW: gütungs- und Planungsstruktur. März 2023 09:40 Uhr Versorgungsstrukturen für die Zu- https://www.bundesgesundheitsmi kunft gestalten. Welche Versorgungs- nisterium.de/ministerium/meldun [13] Goldschmidt AJW: Einfachere Finan- strukturen wollen wir? Workshop gen/krankenhausreform-4-sitzung- zierungswege und Gesundheitslogis- (Moderation: Goldschmidt AJW). In: bund-laender-gruppe-fuer-die-kran- tik können Kliniken helfen. Ärzte- Klinikverbund Hessen e. V. (Veranstal- kenhausreform.html – Letzter Abruf: blatt Rheinland-Pfalz 3/2020: 7+9 ter): Zukunft Gesundheit Fachkon- 3. März 2023 09:46 Uhr gress, Wiesbaden, 2. März 2023 [14] Goldschmidt AJW, Weißbach L: The- [9] Ärztezeitung (Hrsg.): G-BA-Chef He- rapieforschung im Spannungsfeld [4] Keller M: Lauterbachs Krankenhausre- cken warnt vor Kostenexplosion bei zwischen Signifikanz und Relevanz. form: Weniger Kliniken, bessere Ver- geplanter Klinikreform. Ärztezeitung, Hilfe durch die Methodik evidenz-ba- sorgung? FAZ Plus, 20. Febr. 2023 – 1.März 2023 – URL: https://www. sierter Medizin? Der Onkologe URL: https://www.faz.net/aktuell/ aerztezeitung.de/Politik/G-BA-Chef- 5/1999: 1008–1014 wissen/medizin-ernaehrung/karl-lau Hecken-warnt-vor-Kostenexplosion- terbachs-krankenhausreform-scha bei-geplanter-Klinikreform-437068. [15] Univ.-Prof. Dr. Andreas J. W. Gold- den-zu-viele-kliniken-18686017.html html – Abruf: 5.März 202308:50 Uhr schmidt, 9. & 28. Dez. 2022. Eigene – Abruf: 4. März 2023 07:27 Uhr Darstellung in Anlehnung an: Karagi- [10] Deutsches Ärzteblatt (Hrsg.): Bun- annidis C, Busse R, Augurzky B, [5] Greiner W, Tutt C: Wir sehen derzeit desländer setzen Ausnahmeregelun- Schmitt J, Bschor T: Vorschlag für ei- eine planlose, kalte Strukturbereini- gen bei Krankenhausreform durch. ne grundlegende Vergütungsreform. gung. Interview. Wirtschaftswoche, aerzteblatt.de, 23. Febr. 2023 – URL: Deutsches Ärzteblatt 119 (51–52) 20. Febr. 2023 – URL: https://www. https://www.aerzteblatt.de/nach 27. Dez. 2022: A2290A2292 wiwo.de/unternehmen/dienstleis richten/141220/Bundeslaender- ter/anstehender-umbau-deutscher- setzen-Ausnahmeregelungen-bei- krankenhaeuser-wir-sehen-derzeit- Krankenhausreform-durch – Abruf: eine-planlose-kalte-strukturbereini- 5. März 2023 09:16 Uhr gung/28985918.html – Abruf: 4. März 2023 07:50 Uhr [11] Klose K: Krankenhausreform: Politik und Praxis. Eröffnungsrede. In: Kli- [6] Karagiannidis C, Busse R, Augurzky B, nikverbund Hessen e. V. (Veranstal- Schmitt J, Bschor T: Vorschlag für eine ter): Zukunft Gesundheit Fachkon- grundlegende Vergütungsreform. gress, Wiesbaden, 1. März 2023. In: Online-Ausgabe | Hessisches Ärzteblatt 5/2023
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