Krankenhausreform: Neu- oder Fehlstart in die Zukunft der Krankenhausversorgung?

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Krankenhausreform: Neu- oder Fehlstart in die Zukunft der Krankenhausversorgung?
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Krankenhausreform: Neu- oder Fehlstart
in die Zukunft der Krankenhausversorgung?
Prof. Dr. med. habil. Andreas J. W. Goldschmidt

Ergebnisse aus einem Workshop                 der Krankenhausversorgung diskutieren       nen und -trägern unterschiedlicher Kran-
mit Oberärztinnen und Oberärz-                zu können, wurden eine Gruppe von           kenhäuser andererseits. Dabei sollten die
ten aus Kassel sowie Besuchern                Oberärztinnen und -ärzten am 10. Febru-     Antworten am Ende möglichst auch
eines Krankenhausmanagement-                  ar 2023 nach Hofgeismar bei Kassel [2]      durch die Sicht der (meist ja noch gesun-
kongresses in Wiesbaden                       sowie Teilnehmerinnen und Teilnehmer        den) Versicherten der Gesetzlichen Kran-
                                              eines Krankenhausmanagementkongres-         kenkassen ergänzt werden. Also im Kon-
Die heute noch weitestgehend vorhande-        ses am 2. März 2023 in Wiesbaden [3]        sens mit fast der gesamten Bevölkerung
ne, flächendeckende Patientenversorgung       zur jeweils aktiven Mitwirkung an einem     könnte auch gefragt werden: „Welche
lässt sich immer schwieriger aufrecht er-     vom Autor geführten Workshop eingela-       Krankenhausversorgung wollen wir – und
halten. Die entscheidenden Treiber dieser     den. Als Grundlage diente zunächst die      welche können wir uns leisten?“
Entwicklung bringt der Präsident der Lan-     von Bundesgesundheitsminister Prof.         Mit den Wunschvorstellungen von Versi-
desärztekammer Hessen, Dr. med. Edgar         Dr. med. Karl Lauterbach im Dezember        cherten ist es naturgemäß so eine Sache,
Pinkowski, in seinem Editorial vom April      2022 angestoßene Krankenhausreform.         denn: „Was die Menschen nicht verstehen:
2023 wie folgt treffend auf den Punkt: Es                                                 Das Krankenhaus um die Ecke ist nicht
sind „die demografische Entwicklung der       Was wird an der aktuellen Kran-             automatisch am besten geeignet“, wie
Bevölkerung, die parallele Überalterung       kenhausversorgung kritisiert?               Ferdinand Gerlach aus Frankfurt in dem
der Ärzteschaft bei gleichzeitig verringer-                                               genannten FAZ-Beitrag treffend ergänzte.
ter Arbeitszeit pro Kopf, abnehmendes         Der Vorstandsvorsitzende der Deutschen      Er war bis Ende Januar Vorsitzender des
Interesse an der selbstständigen Nieder-      Krankenhausgesellschaft (DKG) Dr. rer.      Sachverständigenrats (SVR) Gesundheit
lassung, eingeschränkte Mittel für            pol. Gerald Gaß sagte laut FAZ vom 20.      der Bundesregierung. Fahrzeiten von drei-
Gesundheitsversorgung, insolvenzgefähr-       Februar 2023, es sei nicht möglich, „in     ßig Minuten in ein spezialisiertes Kranken-
dete Krankenhäuser, parallel bestehende       den heutigen Versorgungsstrukturen die      haus seien bei manchem Notfall besser als
Über- und Unterversorgung, unzureichen-       notwendigen Gesundheitsleistungen von       zehn Minuten in ein nicht spezialisiertes
de IT-Systeme inklusive leistungsstarke       morgen zu erbringen“ [4]. Reinhard Bus-     Krankenhaus. Sein Kollege im SVR
Breitbandverfügbarkeit und einiges mehr.      se, Gesundheitsökonom aus Berlin, emp-      Gesundheit und Pflege aus Bielefeld, der
Schon allein diese Liste zeigt ... die un-    fahl im gleichen Beitrag: „Man muss nicht   Gesundheitsökonom Wolfgang Greiner,
zweifelhaft notwendige Reform der Kran-       sagen, wie viele fallen weg, sondern wie    sieht in einem Interview in der zeitgleich
kenhäuser wie auch der Notfallversorgung      viele brauchen wir?“                        erschienenen Wirtschaftswoche „derzeit
...“ [1].                                     In unseren Workshops stellten wir aber      eine planlose, kalte Strukturbereinigung“,
Um sich fundiert über die geplanten           die Frage: „Welche Krankenhausversor-       die vermieden werden sollte. Andererseits
Krankenhausreformen zu informieren            gung wollen wir?“, und zwar aus Sicht von   hätten wir viele kleine Häuser und zu we-
und Alternativen sowie eigene Vorstel-        Ärztinnen und Ärzten einerseits und von     nig Spezialisierung in diesen Häusern.
lungen für notwendige Veränderungen in        administrativen Verantwortungsträgerin-     Deshalb sei das Ergebnis von Behandlun-
                                                                                          gen auch insgesamt schlechter, als es
                                                                                          möglich wäre. [5]
 Zeitplan für die geplante Krankenhausreform
                                                                                          Die für 2024 geplante
 Nach ihrem Auftakttreffen am 5. Januar       formuliert werden, den das Bundeskabi-      Krankenhausreform
 2023, bei dem sich die Bund-Länder-          nett im September beschließt. Das par-
 Gruppe darauf verständigt hat, die ge-       lamentarische Verfahren soll möglichst      Streng genommen handelt es sich bei der
 plante Krankenhausreform gemeinsam           im Dezember abgeschlossen werden,           angedachten Krankenhausreform ab
 anzugehen, liegt aus dem Bundesge-           damit das Gesetz zum 1. Januar 2024 in      voraussichtlich 2024 um ein grundsätzlich
 sundheitsministerium (BMG) nun ein           Kraft treten kann.                          sehr einfaches Modell einer neuen Kran-
 konkreter Zeitplan vor. Eckpunkte sollen                    Quelle: www.bvmed.de [12]    kenhausplanung, das wir auf ein Flipchart
 danach Mitte Juli 2023 stehen und vom        Link zur Timeline: https://www.bvmed.de/    gezeichnet haben und das in groben
 BMG anschließend über die sitzungs-          downloads-rostohar/timeline-fuer-die-ge     Strukturen als Skizze auf ein bis zwei Bier-
 freie Zeit zu einem im Bundesrat zustim-     plante-krankenhausreform oder Kurzlink:     deckel passt (Abb. 2 und Kasten dazu).
 mungsbedürftigen Gesetzentwurf aus-          https://tinyurl.com/4zarj7p6                Die Probleme liegen dann eher im Detail –
                                                                                          bei der Zuordnung von Krankenhäusern

Online-Ausgabe | Hessisches Ärzteblatt 5/2023
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zu Versorgungsstufen („Level“), der Defi-      kenhäuser werden in zwei Typen unter-          nerhalb der genannten Vorhaltekosten.
nition von Leistungsgruppen (LG) und der       teilt. Level In („n“) sind dann Kliniken der   Beides soll die Grundfinanzierung der
Kalkulation der reformierten DRGs              Basisversorgung für Chirurgie und Innere       Krankenhäuser stabilisieren. Letztlich er-
(rDRG). Vor allem aber, welche Regeln          Medizin mit einigen Intensivbetten und         gibt sich die laufende Finanzierung dann
davon auf Bundes- und welche auf Lan-          einer Notaufnahme. Level Ii sind dann kei-     auf Basis der Level, der DRGs, der Vorhal-
desebene gelten sollen.                        ne Krankenhäuser im heutigen Sinne             tekosten und noch neu zu definierender
Da ist zunächst eine Hierarchie auf drei       mehr, da gemäß der integrierten Versor-        Leistungsgruppen (LG). Die sogenannte
Ebenen („Level“): Die Maximalversorger         gung vor allem die ambulante Behand-           duale Finanzierung, also die Verantwor-
auf Level III sind Universitätskliniken oder   lung mit Allgemeinmedizin und Pflege im        tung der Bundesländer für Krankenhaus-
Großkrankenhäuser mit quasi sämtlichen         Vordergrund stehen soll. Die bisherige         investitionen über Fördermittel z. B. für
Fachrichtungen inklusive Intensivmedizin       Finanzierung der medizinisch-pflegeri-         Neubauten, Sanierungen und Großgerä-
und Notfallversorgung. Sie sollen also pri-    schen Leistungen mit den DRG-Fallpau-          te, soll erhalten bleiben.
mär für die schweren und schwersten Fäl-       schalen wird abgespeckt und stattdessen
le zuständig sein. Mittelgroße Kranken-        werden erstmals die Vorhaltekosten, die        Eine gute Krankenhauszukunft
häuser auf Level II sind Krankenhäuser der     man früher meist Basis- oder Fixkosten         gibt es nicht umsonst
Regel- und Schwerpunktversorgung mit           nannte, zu 40 %, für einige Bereiche wie
einer Mindestzahl bestimmter Fachrich-         die Pädiatrie und Geburtshilfe zu 60 %         Bei den Modellvorschlägen für neue Kli-
tungen und können daher fachbezogen            finanziert. Das Budget für die Pflegeper-      nikstrukturen, die derzeit diskutiert wer-
ebenfalls schwere Fälle z. B. in der Kardio-   sonalkosten soll erhalten bleiben, wobei       den, lenkt aber leider kaum jemand das
logie behandeln. Kleinere Level I-Kran-        noch diskutiert wird, ob außer- oder in-       Augenmerk darauf, wie viel Geld solche

 Die Fundamente für die Zukunft
 Nach Goldschmidt AJW 2020 [13]                immensen Investitionsstau zu beheben.          und Fachärzte hin zu den Patienten. Und
                                               Hessen hat sich in den letzten Jahren be-      Patienten für elektive Behandlungen aus
 Finanzierung: Unser Finanzierungssys-         reits etwas verbessert.                        der Peripherie z. B. mit Bussen hin zu den
 tem ist äußerst kompliziert sowie büro-       Krankenhausdichte: Wir haben in                ambulant-stationären        Schwerpunkt-
 kratisch und bietet vielerlei Fehlanreize.    Deutschland im Verhältnis zu fast allen        oder stationären Maximalversorgern.
 Zunächst müsste die Finanzierung ver-         anderen OECD-Ländern immer noch                Digitalisierung: Für eine Neustrukturie-
 einfacht werden und eine maßvollere           deutlich mehr Krankenhäuser und mit            rung der Kliniklandschaft ist eine moder-
 Rechnungsprüfung durch den Medizini-          gut acht Betten bezogen auf 1.000 Ein-         nisierte, leistungsfähige Gesundheitslo-
 schen Dienst nach sich ziehen. Finanziel-     wohner fast doppelt so viele wie im            gistik verbunden mit Telematik notwen-
 le Fehlverteilungen entstehen auch durch      OECD-Durchschnitt, obwohl diese be-            dig. Voraussetzung dafür ist die Digitali-
 unsere relativ strikte Sektorentrennung       reits seit Jahren abgebaut werden. Die         sierung mit einer funktionierenden, flä-
 in ambulante und stationäre Versorgung.       wirtschaftlichen Probleme eskalieren vor       chendeckenden Telematikinfrastruktur,
 Gelänge es uns, diese beiden Sektoren         allem, weil viele, meist kleinere ländliche    die eine komplexe gesundheitslogisti-
 besser zu verzahnen, könnte sehr viel         Krankenhäuser, Leistungsangebote vor-          sche Planung und Steuerung effizient er-
 Geld gespart und gerechter verteilt wer-      halten, ohne sich die zugehörige kost-         möglicht.
 den.                                          spielige Hochtechnologie für Diagnose          Von Nachbarn lernen: Die Reformen bei
 Duale Finazierung: Betriebskosten be-         und Therapie eigentlich leisten zu kön-        unseren europäischen Nachbarn Nieder-
 ziehungsweise alle Kosten, die für die Be-    nen. Beispielsweise weil ihnen das Perso-      lande und Dänemark haben ein entschei-
 handlung von Patienten entstehen, wer-        nal aufgrund des Fachkräftemangels             dendes Merkmal: Der Staat hat eine klare
 den von den Kassen finanziert. Investiti-     fehlt oder sie gar nicht genug Patienten       Gesundheitsversorgungsstrategie.        Er
 onskosten sollen von den Ländern finan-       behandeln können, um diese so auszulas-        lässt seine kleinen ländlichen Kliniken
 ziert werden. Das tun diese aber nur zu       ten, dass Qualität und Einnahmen stim-         nicht einfach wirtschaftlich sterben, son-
 einem Bruchteil, weshalb viele Kranken-       men. Eine klassische Abwärtsspirale.           dern investiert sehr umfangreich in gro-
 häuser am Personal sparen, notwendige         Mobilitätskonzepte: Die Wege werden            ße neue zentrale Krankenhäuser, in neue
 Sanierungen hinausschieben, Erlöse aus        sowohl für Patienten als auch für die Ärz-     Mobilitätskonzepte mit massiv verstärk-
 der Patientenbehandlung für Investitio-       te bei einer neuen Verteilung von Versor-      ten Rettungsdiensten, in die Telematikin-
 nen zweckentfremdet einsetzen oder            gungsschwerpunkten länger – auch weil          frastruktur sowie in ausgefeilte Personal-
 Kredite aufnehmen, die sie in die roten       die Akutversorgung immer zentralisier-         entwicklungskonzepte für die vorhande-
 Zahlen treiben. Hier müssen die Bundes-       ter wird. Daher brauchen wir eine erwei-       nen und neue Fachkräfte.
 länder im Zuge der Krankenhausreform          terte Gesundheitslogistik. Dazu gehört,
 in die Pflicht genommen werden, um den        dass alles in Bewegung ist: Pflegekräfte

                                                                                       Hessisches Ärzteblatt 5/2023 | Online-Ausgabe
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Reformen beispielsweise in Dänemark
kosteten. Der Vorsitzende des Gemeinsa-
men Bundesausschusses (G-BA), Prof. Jo-
sef Hecken, wies darauf hin, dass auf Bund
und Länder bei der anstehenden Kranken-
hausreform hohe Kosten zukommen
würden. „Eine Krankenhausreform ohne
Strukturveränderungen wäre eine ganz
große vertane Chance und eine Bürde für
die finanzielle Stabilität der gesetzlichen
Krankenversicherung.“ Er rechnet mit
einem „sehr langen und sehr teuren Pro-
zess“. „Jeder Abgeordnete wird natürlich
versuchen, sein Krankenhaus zu schützen,
und jeder Ministerpräsident wird versu-

                                                                                                                                              Grafiken: Rechte beim Autor [15]
chen, in seine Krankenhausstruktur mög-
lichst wenig Unruhe zu bekommen.“ [9]

Justierungen der geplanten
Krankenhausreform durch
die „Bund-Länder-Gruppe“

Es ist also davon auszugehen, dass einiges    Abb. 1: Eigene Darstellung der künftigen Krankenhausfinanzierung in Anlehnung an [15].
davon nicht so umgesetzt wird, wie sich
die Ideengeber das vorgestellt haben.         nung in den Händen der Länder bleibe.             chen Krankenhäuser. Doch sieht das im
Dafür sorgt einerseits die „Bund-Länder-      Die Kliniklandschaft in Hessen sei nun mal        ländlichen Raum genauso aus? Wohl
Gruppe“ für die geplante Krankenhausre-       eine andere als in Bayern oder in einem           kaum. Das nächste Krankenhaus ist ver-
form und andererseits ist die verallgemei-    Stadtstaat wie Berlin. Es gebe zu wenig           mutlich deutlich weiter entfernt, so dass
nerte Ausgestaltung einiger Überlegun-        Personal. Als Beispiel nannte er die Schlie-      sich die Transportwege verlängern. Das
gen noch unausgereift und könnte ggf.         ßung der Geburtshilfe in den Lahn-Dill-           ist nicht bequem, lässt sich aber noch be-
sogar gefährlich für die Patientenversor-     Kliniken, weil sich trotz monatelanger Su-        wältigen, zumal bei Häusern, die sich nicht
gung in einigen Bundesländern und deren       che keine Ärztinnen und Ärzte fanden. So          an der Notfallversorgung beteiligen. Aber
ländlichen Regionen sein. Das zeigte sich     manche Struktur passe nicht mehr in die           wird das Personal so einfach zum nächsten
nicht zuletzt an der eiligen Nachjustierung   heutige Zeit – etwa die strenge Trennung          Krankenhaus wechseln? Zweifel sind ange-
durch „Öffnungsklauseln“ für die Pla-         von ambulanter und stationärer Behand-            bracht, denn erfahrungsgemäß sind insbe-
nungshoheit der Bundesländer z. B. bei        lung. Die Pandemie habe die Löcher in den         sondere Pflegekräfte relativ stark ortsge-
der Einstufung von Krankenhäusern in die      Kassen noch vergrößert [11]. Aber: Die            bunden. Die gleichzeitig angestrebte
„Level“ I (In und Ii), II und III [10].       hessische Landesregierung hat auch über           sogenannte Ambulantisierung benötigt in
                                              Jahrzehnte an den gesetzlich verankerten          der Konsequenz entsprechende Struktu-
Die grundsätzlichen Probleme                  Investitionen gespart, auch wenn die Lan-         ren, d. h. mehr ambulante Versorgungsan-
machen vor Hessen nicht halt                  desregierung ihre Zuschüsse mittlerweile          gebote vor allem in der Fläche. Die Bal-
                                              deutlich erhöht hat. Eine Insolvenz wird          lungsräume sind zumindest vorerst noch
Nicht die von Bundesgesundheitsminister       für immer mehr Krankenhäuser bedroh-              relativ gut versorgt. Werden sich die vor-
Karl Lauterbach (SPD) angestoßene Neu-        lich realistischer.                               herigen Krankenhausärztinnen und -ärzte
ausrichtung würde zum großen Kranken-                                                           dann einfach im Umfeld des geschlossenen
haussterben führen, sondern sie könne es      „Was passiert, wenn ein Kranken-                  Krankenhauses niederlassen? So einfach
verhindern, sagte der hessische Sozialmi-     haus geschlossen wird?“                           wird es vermutlich nicht werden.“
nister Kai Klose (Grüne) zur geplanten                                                          Damit wies er treffend auf die Vielschich-
Krankenhausreform. Wenn es keine              Pinkowskis Einschätzung und Fragen dazu           tigkeit der angedachten Reform hin. Dass
Reform gebe, würde es weniger Kranken-        [1]: „Im städtischen Ballungsgebiet hat           eine Reform nötig ist, bestreitet auch er
häuser geben. Die Lage sei ernst, aber        das wahrscheinlich keine allzu großen             nicht. Doch die Lösung der Probleme kön-
durch die angestoßenen Reformen könn-         Auswirkungen. Es gibt genügend andere             ne nur sinnvoll gelingen, wenn die Konse-
ten am Ende kurze Wege für Notfälle und       Krankenhäuser, die das frei werdende              quenzen bedacht und mit den Betroffe-
eine bessere Versorgungsqualität dank         Personal gerne übernehmen. Auch die Pa-           nen analysiert würden. Das gelte selbst-
Spezialisierungen stehen. Gelingen werde      tientinnen und Patienten verteilen sich           verständlich auch für die Reform der Not-
dies aber nur, wenn die Krankenhauspla-       mutmaßlich ohne Probleme auf die restli-          fallversorgung.

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                                                                                           BMG-Zeitplan für die geplante
                                                                                           Krankenhausreform

                                                                                           Wenn der Zeitplan eingehalten wird, soll
                                                                                           das Gesetz für die Krankenhausreform am
                                                                                           1. Januar 2024 in Kraft treten (Tab. 1)
                                                                                           [12]. Siehe Kasten „Zeitplan“ aus dem
                                                                                           Bundesministerium      für   Gesundheit
                                                                                           (BMG) für die geplante Krankenhausre-
                                                                                           form lt. Wissenschaftlichem Institut des
                                                                                           Bundesverbands Medizintechnologie e. V.
                                                                                           (BVMed) vom 27. Jan. 2023 [12]

                                                                                           Ergebnisse: „Welche Krankenhaus-
                                                                                           versorgung wollen wir?“

                                                                                           Nach der Vorstellung der „Grundannah-
                                                                                           men für beide Workshops“ (siehe Kasten
                                                                                           „Fundamente für die Zukunft“) und der
                                                                                           angedachten Reform einer neuen Kran-
                                                                                           kenhausplanung wurden die Teilnehmerin-
                                                                                           nen und Teilnehmer der beiden Work-
                                                                                           shops gebeten, selbst Vorschläge zu
                                                                                           machen, unsere Gesundheitsversorgung
                                                                                           „neu zu denken“. Also unter dem Motto:
                                                                                           „So stellen wir uns die Zukunft der Kran-
Abb. 2: Eigene Darstellung der künftigen Krankenhausplanung in Anlehnung an [15].          kenhausversorgung vor“.
                                                                                           Den Rahmen dafür bildeten vorab Hinter-
                                                                                           gründe und Erfahrungen zu den vergan-
                                                                                           genen Reformen in den Niederlanden und
                                                                                           in Dänemark sowie Definitionen, Grund-
 Kasten 1: „Passt auf einen Bierdeckel“                                                    satzfragen und Feststellungen z. B. zu den
                                                                                           Themen Deutungshoheit für die Relevanz
 Das Modell ist recht unkompliziert, die         lungen der Regierungskommission zwi-      geplanter Maßnahmen, Zentralisierung
 Ausgestaltung im Detail dafür umso              schen 11. Juli 2022 und 13. Febr. 2023    und Trägervielfalt. Beispiel „Deutungsho-
 mehr, wie z. B. Zuordnung von Kranken-          [7] sowie die Stellungnahmen der Deut-    heit“ unter der Prämisse „Relevanz
 häusern zu Versorgungsstufen („Level“),         schen Krankenhausgesellschaft bis zum     kommt vor Signifikanz“. Welche Parame-
 die Definition von Leistungsgruppen             jeweiligen Zeitpunkt der Workshops.       ter sind für eine Krankenhausplanung der
 (LG) und die Kalkulation der reformier-         Wichtig war auch festzuhalten, dass zur   Zukunft „relevant“? Wer soll darüber ent-
 ten DRGs (rDRG). Vor allem aber, wel-           gesundheitspolitischen Akzeptanz, für     scheiden?
 che Regeln davon auf Bundes- und wel-           eventuelle Anpassungen und letztlich      Wer legt die wesentlichen Parameter und
 che auf Landesebene gelten sollen. Basis        zur Durchsetzung der Vorschläge der       die zugehörigen Größenordnungen für
 beider Workshops war u. a. die Zusam-           Regierungskommission als verbindliches    die Gesundheitsversorgung z. B. für das
 menfassung des Vorschlags der „Regie-           Bundesgesetz eine eigens dafür einge-     fest, was „bedarfsgerecht“ ist? Zum Bei-
 rungskommission für eine moderne und            richtete „Bund-Länder-Gruppe“ für die     spiel für die Fahrzeiten von dreißig Minu-
 bedarfsgerechte     Krankenhausversor-          geplante Krankenhausreform eine ent-      ten oder von Maximalentfernungen in ein
 gung“ (Regierungskommission) im                 scheidende Rolle spielt, die am 5. Jan.   spezialisiertes Krankenhaus im Notfall.
 Deutschen Ärzteblatt [6].                       2023 zum vierten Mal getagt hatte [8].    Diese Deutungshoheit ist von größter
 Berücksichtigt wurden auch die wesent-          Alle Aussagen der Regierungskommissi-     Wichtigkeit und vergleichbar mit dem
 lichen Ergebnisse aller diesbezüglichen         on haben daher nur einen empfehlenden     Spannungsfeld zwischen Signifikanz und
 politischen Diskurse auf Bundes- und            Charakter und sind nicht rechtsverbind-   Relevanz als ein allgemeines Problem, mit
 Länderebene, die bislang vier Empfeh-           lich.                                     dem sich die medizinische Forschung vor
                                                                                           jeder klinischen Studie neu beschäftigen
                                                                                           muss [14].
                                                                                           Für diese Festlegung ist primär die Ärzte-
                                                                                           schaft mit ihren Fachgesellschaften einzu-

                                                                                     Hessisches Ärzteblatt 5/2023 | Online-Ausgabe
Krankenhausreform: Neu- oder Fehlstart in die Zukunft der Krankenhausversorgung?
Forum

binden. Wichtig sind auch die Pflege, die      dem sei zu berücksichtigen, dass jetzige         sowie die flächendeckende Versorgung
Position der Patientinnen und Patienten        große Krankenhäuser noch größer wer-             durch Hebammen im Auge behalten
und der sonstigen, meist ja noch gesun-        den müssten, um den Wegfall kleinerer            werden.
den Versicherten. Und natürlich ist die Ex-    Krankenhauskapazitäten auffangen zu              Auf der Kostenträgerebene wurde die vor-
pertise und Erfahrung aus der administra-      können. Dringend sei eine forcierte Aka-         handene Vielfalt der gesetzlichen Kran-
tiven und unternehmerischen Leitung von        demisierung der Pflegekräfte auf Bache-          kenkassen kritisiert. Es sollte für die Leis-
Krankenhäusern unabdingbar. Hier sind          lor-Niveau zu fordern. Dies würde die            tungserbringer nur noch einen gemeinsa-
also erst in nachgeordneter Linie Statisti-    Qualität der Pflege und die Zusammenar-          men Ansprechpartner mit einheitlichen
ken gefragt.                                   beit miteinander weiter verbessern und           Regelungen zur Leistungserstattung und
                                               diese darüber hinaus auch auf neue Ma-           ein „wirkliches Bonussystem“ für die Versi-
Ergänzende Vorschläge                          nagementaufgaben z. B. in künftig ambu-          cherten geben. Eine gesetzliche Versiche-
der Oberärztinnen und Oberärzte                lant-stationären Level Ii-Häusern vorbe-         rungspflicht für alle Bürger mit der Mög-
aus Kassel                                     reiten können. Dabei müsse insbesondere          lichkeit einer privaten Zusatzversicherung
                                               auch die Organisation der ambulant-              wurde als wünschenswert betrachtet, so
Es wurde betont, dass vor der Umsetzung        stationären Versorgung alter und betagter        wie diese auch bei der Reform in den
einer Krankenhausreform unbedingt eine         Patientinnen und Patienten z. B. in geria-       Niederlanden eingeführt wurde.
gründliche Strukturanalyse der vorhande-       trischen Zentren in Kooperation mit den          Zur Kontrolle und Transparenz durch die
nen Krankenhäuser erfolgen müsse. Zu-          niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten            gesetzlich Versicherten sollten die Defini-

 Kommentar
 Zunehmende Verantwortung durch Krankenhäuser der Maximalversorgung
 Warum brauchen wir überhaupt eine             tet nach den Leistungsgruppen. Das er-           ge Krankenhäuser in Hessen verfügen
 Krankenhausreform? Der Fachkräfteman-         möglicht an den Standorten der Level III-        über max. 100 Betten, und weit über
 gel ist eine treibende Kraft, denn nicht      Häuser zukünftig das komplette Leistungs-        400 Krankenhäuser in Deutschland wur-
 nur in Medizin und Pflege, sondern auch       angebot 24/7 sicherzustellen, die Quali-         den in das Level Ii eingestuft. Das zeigt
 in den vielen anderen sehr wichtigen          tätsrichtlinien auch zukünftig weiter ein-       deutlich das in der Reform angedachte
 Fachberufen fehlen uns heute schon –          halten zu können und die med. Leistungs-         Potenzial für eine Konzentration auf.
 und morgen noch mehr – die Mitarbei-          angebote wirtschaftlich zu gestalten.            Aber selbstverständlich gibt es Unter-
 tenden. Die Rede ist von Fachpersonal         Aber nicht jedes Krankenhaus muss alles          schiede zwischen städtischen Gebieten,
 wie z. B. für Labor, Apotheke, Herzkathe-     machen. Mit der geplanten dreiteiligen           Ballungsräumen und ländlicher Struktur,
 terlabor, Endoskopie, Radiologie, IT, Me-     Ausdifferenzierung der Versorgungsrollen         die zu beachten sind. Hier sind die Bun-
 dizintechnik, Medizinphysik etc. Das sind     der Krankenhäuser erhalten Patientinnen          desländer gefordert,regionale Konzepte
 vielfach, anders als in der Medizin und der   und Patienten eine nachvollziehbare Ori-         zu entwickeln, ohne dass dafür der Rah-
 Pflege, nur kleinere Gruppen, aber es ist     entierung, welches Krankenhaus für wel-          men der Krankenhausreform auf Bun-
 um so empfindlicher, wenn diese hoch          chen Versorgungsbedarf zuständig und             desebene aufgeweicht werden muss. Die
 spezialisierten     Gesundheitsfachkräfte     geeignet ist. Gleichzeitig werden redun-         Lage der Krankenhäuser jetzt ganz aktu-
 nicht ausreichend vorhanden sind. Die Fi-     dante Strukturen verringert, so dass Fach-       ell ist dramatisch, das heißt, es muss
 nanzierung im Krankenhaus passt schon         personal effizienter eingesetzt werden           schnell gehandelt werden.
 seit Jahren nicht mehr zur Realität: Weder    kann und eine flächendeckende Versor-
 die nicht ausreichende Investitionsförde-     gung bedarfsgerecht steuerbar ist. Die Le-                                Clemens Maurer
 rung der Länder noch die reine Betriebs-      vel III-Krankenhäuser brauchen insbeson-              Geschäftsführer der Klinikum Darm-
 kostenfinanzierung. Die Wahrscheinlich-       dere die Häuser in Level I. Einerseits für die         stadt GmbH; Vorstandsmitglied der
 keit, dass es mehr Geld für das System        Überleitung von Patientinnen und Patien-             Hessischen Krankenhausgesellschaft
 Krankenhaus geben wird, ist mehr als          ten, die nicht mehr die Ressourcen eines         e. V.; Vorstandsvor-
 fraglich. Beide Gründe erzwingen eine         Level III-Hauses benötigen, aber noch                    sitzender des
 Konzentration der Leistungsangebote im        pflegerisch betreut werden müssen.                   Klinikverbundes
                                                                                                                                                Foto: Markus Schmitt

 gesamten Gesundheitswesen mit Redu-           Gleichzeitig können die Level I-Häuser                    Hessen e. V.;
 zierung der Krankenhäuser.                    sinnvoll für alle ambulanten Behandlungs-                 das Klinikum
 Daher begrüße ich aus Sicht eines Maxi-       konzepte eingesetzt werden. Die Auswir-           Darmstadt ist Mit-
 malversorgers und eines Krankenhauses         kungsanalyse der DKG und auch das sehr            glied in der Allianz
 der höchsten Stufe der Notfallversorgung      transparente System IVENA in Hessen                 der kommunalen
 die Reformvorschläge zur Einstufung von       spiegeln schon heute die Leistungsfähig-                         Großkrankenhäuser (AKG)
 Krankenhäusern in drei Level, ausgerich-      keit der Krankenhäuser wider. Nicht weni-

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Krankenhausreform: Neu- oder Fehlstart in die Zukunft der Krankenhausversorgung?
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tion und Anpassung der Erstattungsfähig-     terbach sind es nun zwei verbeamtete           Fahrtzeit von einer Stunde bis zum nächs-
keit von Leistungen und der Krankenversi-    Staatssekretär:innen und zwei parlamen-        ten Maximalversorger und von 30–45 Mi-
cherungsbeiträge sowie der Beitragsbe-       tarische. Vorher gab es sechs Abteilungen      nuten bis zur Grundversorgung diskutiert.
messungsgrenze genauer belegt und für        und nun sieben sowie einen konsekutiv          Die Berücksichtigung regionaler Beson-
alle allgemein verständlich nachvollzieh-    notwendigen personellen Zuwachs auf            derheiten müsse in der Hoheit der Bun-
barer gemacht werden.                        quasi allen Ebenen des BMG. Das BMG sol-       desländer verbleiben, die dafür künftig
Auf der übergeordneten Systemebene           le wieder kleiner und effizienter werden       aber auch ihrer gesetzlichen Pflicht zur Fi-
wurde eine Verschlankung auf Bundes-         und dadurch vielleicht weniger, dafür aber     nanzierung von Investitionen, Sanierun-
ebene gefordert bzw. die Vergrößerung        besser akzeptierte und eher umsetzbare         gen etc. in vollem Umfang nachkommen
des Bundesministeriums für Gesundheit        Gesetzesvorhaben vorantreiben.                 sollten. Die Trägervielfalt der Kranken-
(BMG) bemängelt: Unter dem Vorgänger         Es wird die Notwendigkeit bundeseinheit-       häuser bzw. das Nebeneinander von
Jens Spahn gab es noch einen verbeamte-      licher Regelungen bei der Krankenhaus-         öffentlichen, privaten und frei-gemein-
ten Staatssekretär und zwei parlamentari-    planung für alle Bundesländer gesehen.         nützigen Trägern wird abgelehnt. Inner-
sche Staatssekretär:innen, unter Karl Lau-   Als eine solche Regel wurde z. B. über eine    halb einer Region sollte es jeweils nur ein

 Kommentar
 Versorgungssicherheit in ländlichen Regionen durch kleine Standorte im Wandel
 Von der chronischen Unterfinanzierung       Gute Idee, schlechte Umsetzung, denn die         Grundversorger für flache Hierarchien,
 im Gesundheitssystem über mangelnde         im Papier aufgeführte Neuordnung ist nicht       starke Teamgefüge, familiäre Arbeits-
 Inflationsausgleiche und Energiekrise bis   nur praxisfern, sie geht auch in der Folgen-     atmosphäre und mehr Gestaltungsfrei-
 hin zu Fachkräftemangel und demografi-      betrachtung an den selbst gesteckten Zie-        heit. Die Annahme, man könne kleine
 schen Herausforderungen auf Personal-       len vorbei. Aus Grundversorgersicht ist der      Krankenhäuser schließen, um die medi-
 und Patientenseite: Die aktuellen He-       Reformentwurf der Regierungskommission           zinischen Fachkräfte an große Häuser
 rausforderungen für Krankenhäuser sind      daher insbesondere unter folgenden Ge-           zu bewegen, ist falsch. Ein solcher
 ebenso vielseitig wie fordernd. In einer    sichtspunkten zu kritisieren:                    Schritt würde vielmehr zu noch mehr
 immer dynamischer werdenden Welt            • Wettbewerb bleibt bestehen: Die DRG-           Berufsausstiegen führen.
 schleppen sich Kliniken von Wirtschafts-      Fallpauschalen bilden weiterhin die Fi-      • Kleinen Krankenhäusern wird Leis-
 hilfe zu Wirtschaftshilfe – Planungssi-       nanzierungsbasis, ein Hinzutreten von          tungsqualität abgesprochen: Messbar-
 cherheit? Fehlanzeige.                        Vorhaltepauschalen ist nicht ausrei-           keiten von Qualität in Krankenhäusern
 Insbesondere kleine Krankenhäuser, die        chend, um den wirtschaftlichen Druck           gibt es viele, aber keine einheitlichen.
 ihren Versorgungsschwerpunkt in der           aus dem System zu nehmen.                      Klar ist, dass komplexe und seltene Ein-
 Behandlung von Volkskrankheiten ha-         • Kalter Strukturwandel inbegriffen: Kleine      griffe nur an Häusern mit ausreichend
 ben, stehen vor einem schwierigen Spa-        ländliche Krankenhäuser werden je nach         Erfahrung durchgeführt werden soll-
 gat, denn auf der einen Seite nimmt der       Leistungseinteilung zur Umstrukturie-          ten. Kleine Häuser verlegen daher sol-
 Versorgungsbedarf in der Bevölkerung          rung in Pflegeheime mit Hausarztbetreu-        che Fälle an die entsprechenden Exper-
 zu und auf der anderen Seite erhalten         ung und MVZ gezwungen, damit sind              ten und nehmen im Gegenzug pfle-
 Kliniken für die Befriedigung dieses Be-      Krankenhäuser der „Level I i“ keine Kran-      geaufwendige Normalpatienten auf,
 darfs keine adäquate Refinanzierung.          kenhäuser mehr und werden entspre-             demente, multimorbide und alte Pa-
 Dies führt in einer immer mehr an Fahrt       chend aus der Klinik-Finanzierung ent-         tienten. Hier punkten kleine Häuser mit
 gewinnenden Abwärtsspirale dazu, dass         koppelt und an ambulante Abrechnun-            individueller Betreuung und enger Bin-
                                                                                                                                           Foto: Sandra Schildwaechter – Kreisklinik Groß-Gerau

 die ohnehin raren Pflegekräfte noch we-       gen geschlossen. Dass in ländlichen Re-        dung zwischen Patient und Pflegekraft
 niger Zeit für ihre Patienten haben. Es       gionen ein Maximalversorger flächen-           bzw. Arzt.
 entsteht Frust und Stress, auch auf ärzt-     deckend den klinischen Bedarf der Bevöl-
 licher Seite, der noch durch wachsende        kerung decken soll, ist Wunschdenken –                   Prof. Dr.
 Bürokratiepflichten verstärkt wird.           es verlängern sich die Rettungswege und               Erika Raab
 Der Krankenhausreformentwurf des              es entstehen Versorgungslücken.                 MBA, Geschäfts-
 Bundesgesundheitsministers hat diese        • Der Patientenwille wird außer Acht ge-               führerin der
 Probleme erkannt. Zukünftig soll der          lassen: Viele Patienten entscheiden sich        Kreisklinik Groß-
 schwere ökonomische Druck von den             bewusst für eine wohnortnahe Behand-               Gerau GmbH;
 Schultern der Kliniken genommen wer-          lung in familiärer Atmosphäre.                  Vorstandsvorsit-
 den, damit der Patient wieder in den Fo-    • Ärzte und Pflegekräfte werden wie Hum-          zende der Deut-
 kus rücken kann. Auch die ländliche Ver-      ankapital behandelt: Ärzte und Pfle-           schen Gesellschaft für Medizincontrol-
 sorgung soll gesichert sein.                  gekräfte entscheiden sich bei einem                                ling e. V., Heidelberg

                                                                                     Hessisches Ärzteblatt 5/2023 | Online-Ausgabe
Krankenhausreform: Neu- oder Fehlstart in die Zukunft der Krankenhausversorgung?
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                                                                                                                                                                   Foto: Jochen Kratschmer
Foto: privat

               Oberärztinnen und -ärzte ergänzten mit eigenen Vorschlägen die geplante     Rege Beteiligung beim Workshop „Versorgungsstrukturen für die Zukunft
               Krankenhausreform im Workshop „Nationales Gesundheitswesen. Vom Ge-         gestalten. Welche Versorgungsstrukturen wollen wir?“ auf dem „Zukunft
               sundheitswesen zur Gesundheitswirtschaft – Herausforderungen und            Gesundheit Fachkongress“ für das Krankenhausmanagement am 2. März
               Chancen“ bei der Managementqualifizierung der Gesundheit Nordhessen         2023 in Wiesbaden [3].
               Kassel (GNH, Veranstalter) in Hofgeismar am 10. Februar 2023 (wissen-
               schaftlicher Leiter: Univ-Prof. Dr. Andreas J. W. Goldschmidt) [2].

               hauptverantwortliches Krankenhaus ge-                schäftsführer Clemens Maurer vom Klini-         der Trägervielfalt, bei der aber innerhalb
               ben, das die Steuerung und Koordinierung             kum Darmstadt und „Versorgungssicher-           einer Versorgungsregion nur „einer den
               übernehme. In der Zukunft solle es nicht             heit in ländlichen Regionen durch kleine        Hut aufhaben“ sollte.
               um Wettbewerb, sondern um ein besse-                 Standorte im Wandel“ von Geschäftsfüh-
               res, integriertes Miteinander aller an der           rerin Prof. Dr. Erika Raab von der Kreiskli-    Diskussion der Ergebnisse
               Gesundheitsversorgung Beteiligten ge-                nik Groß-Gerau.                                 beider Workshops
               hen. Eventuell erwirtschaftete Gewinne               Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des
               von Krankenhäusern sollten komplett in               Workshops auf dem Krankenhausmanage-            Einige Aussagen und Vorschläge waren zu
               der betreffenden Gesundheitseinrichtung              mentkongress befürworteten mehrheit-            erwarten, andere eher überraschend.
               reinvestiert werden.                                 lich die Notwendigkeit von Reformen,            Aber natürlich sind Ergebnisse solch kon-
               Es solle auch über die Krankenhausreform             mehr Zentralisierung der Gesundheitsver-        zentrierter Workshops mit kleinen Grup-
               hinaus über die Lehren aus der Pandemie              sorgung, eine gesetzliche Krankenversi-         pen nicht repräsentativ für die Grundge-
               nachgedacht werden, bei der es zu Eng-               cherungspflicht für alle mit optionaler pri-    samtheit aller an der Gesundheitsversor-
               pässen bei der Versorgung im Kranken-                vater Zusatzversicherung und den Erhalt         gung Beteiligten. Aber sie sind – wie Ex-
               haus mit einigen Medikalprodukten und
               Arzneimitteln kam. Neben daher besse-
               ren, zentralen Beschaffungsoptionen solle              Biografisches zum Autor
               auf Bundesebene auch ein europäisches
               In-Sourcing der Produktion von Arznei-                 Univ.-Prof. Dr. med. habil.                   • Mitglied des Auf-
                                                                                                                                                                   © Fotostudio Pfeiffer

               mitteln und Medizinprodukten angestrebt                Andreas J. W. Goldschmidt:                      sichtsrats der Klini-
               werden.                                                • Leiter der Präsidiumskommission Ethi-         kum      Darmstadt
                                                                        sche Fragen der Deutschen Gesell-             GmbH seit 2013
               Reformvorstellungen                                      schaft für Medizinische Informatik, Bio-    • Mitglied des Auf-
               beim Managementkongresses                                metrie und Epidemiologie e. V. (GMDS)         sichtsrats der Universitätskliniken des
               in Wiesbaden                                             seit 2019                                     Saarlandes 2016–2019
                                                                      • Gastwissenschaftler am Institut für Ar-     • Mitglied der Klasse „Sozial-, Rechts-
               Dafür stellten wir zunächst zwei unter-                  beits-, Sozial- und Umweltmedizin der         und Wirtschaftswissenschaften“ der
               schiedliche Geschäftsführungspositionen                  Goethe-Universität      Frankfurt/Main        Europäischen Akademie der Wissen-
               vor und diskutierten anschließend mit den                seit 2018                                     schaften und Künste seit 2012
               Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Siehe                 • Bis 2017 C4-Lehrstuhlinhaber für Ge-        • Außerordentliches Mitglied der Arznei-
               dazu die beiden Kommentare „Zuneh-                       sundheitsmanagement im Fb WiSo an             mittelkommission der Deutschen Ärz-
               mende Verantwortung durch Kranken-                       der Universität Trier                         teschaft seit 2012
               häuser der Maximalversorgung“ von Ge-

               Online-Ausgabe | Hessisches Ärzteblatt 5/2023
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perteninterviews – Ideengeber für um-         Fazit                                        Ausblick
fangreichere Umfragen unterschiedlicher
Gruppen (nach Krankenhausgrößen, für          Der gegenwärtige Überfluss ist nicht         Akzeptanz ist sicherlich nicht der einzige,
verschiedene Regionen und Gesundheits-        mehr aufrecht zu erhalten. In beiden         aber doch ein entscheidender Schlüssel
berufe etc.) und regen daher zum Nach-        Workshops wird die Notwendigkeit einer       zum Gelingen einer Reform. Das zeigte
denken an. Zur Wahrheitsfindung gehö-         Krankenhausreform klar bejaht. Die in der    der jahrzehntelange Misserfolg zur Ein-
ren auch eine ehrliche Folgenabschätzung      täglichen Versorgung aktiven Oberärztin-     führung der eGK, bei dem eine hohe Bera-
und eine Aufklärung der Versicherten,         nen und -ärzte setzten dabei erwartungs-     tungsresistenz im damaligen BGM beob-
z. B. über künftig evtl. längere Wartezei-    gemäß einige andere Schwerpunkte als         achtet werden konnte, welches lieber auf
ten für eine elektive Operation. Unklar ist   das Krankenhausmanagement. Dennoch           gefällige Gutachten hörte als auf wohl-
auch, wie die de facto Lotsenfunktion der     gibt es bei genauem Hinsehen viele Ge-       meinende Mahner. Ob es vor diesem Hin-
künftigen Ii-Häuser funktionieren wird.       meinsamkeiten. Auch eine gemeinsame          tergrund klug ist, sich bei dem noch viel
Erfahrungen mit der Facharzt-Instanz          Position der beiden sehr unterschiedli-      weitreichenderen Vorhaben gleich mit
(Specialist) im Krankenhaus als Schleuse      chen Krankenhäuser konnte – trotz eini-      den beiden größten Bundesländern Bay-
hinter dem Hausarzt – bzw. hinter dem         ger gegensätzlichen Interessenlagen – er-    ern und Nordrhein-Westfalen anzulegen,
General practitioner (GP) – als Lotse in      arbeitet werden (siehe Kasten Zusam-         darf daher bezweifelt werden. Am Ende
ein Krankenhaus in Großbritannien und in      menfassung).                                 wird es schließlich auch darauf ankom-
den Niederlanden sind da eher ernüch-                                                      men, dass die zusätzlichen Transformati-
ternd.                                                                                     onskosten für die neu geordneten und
                                                                                           notwendigerweise veränderten und/oder
                                                                                           erweiterten Krankenhäuser sowie für die
 Zusammenfassung                                                                           neuen ambulant-stationären Zentren
 • Eine Reform ist notwendig, da die Kran-    • Eine Aufteilung der Krankenhäuser in       übernommen werden. Das gleiche gilt
   kenhausfinanzierung an der Realität          Versorgungsrollen, die auf den Versor-     selbstverständlich auch für die nun gleich-
   vorbeigeht und auf wachsende Heraus-         gungsbedarf ausgerichtet sind, ist         zeitig vorgesehene, neue elektronische
   forderungen reagiert werden muss.            wichtig – beim Vorgehen bzw. den Kri-      Patientenakte (EPA) für alle Versicherten.
 • Unterschiede in der Versorgungsstruk-        terien für die Einteilung eines Kranken-
   tur müssen an die Infrastruktur und den      hauses und dessen Leistungsangeboten                           Prof. Dr. med. habil.
   Bevölkerungsbedarf angepasst werden          bestehen jedoch unterschiedliche Auf-                    Andreas J. W. Goldschmidt
   (Städte, Ballungsgebiete, ländliche Re-      fassungen.                                                                  E-Mail:
   gionen).                                                                                       goldschmidt@med.uni-frankfurt.de

                                                                                     Hessisches Ärzteblatt 5/2023 | Online-Ausgabe
Literatur zum Artikel:

Krankenhausreform: Neu- oder Fehlstart ...
von Prof. Dr .med. Andreas J. W. Goldschmidt

[1] Pinkowski E: Editorial. Zu Patienten-        Deutsches Ärzteblatt 119 (51–52)               Rippegather J: Hessens Krankenhäu-
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    kenhausreform. Hessisches Ärzteblatt                                                        furter Rundschau, 2. März 2023 –
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                                                  derne und bedarfsgerechte Kranken-            landespolitik/hessens-krankenhaeu-
[2] Goldschmidt AJW: Nationales Gesund-           hausversorgung: Erste bis vierte Stel-        ser-vor-gewaltigem-umbruch- 9211
    heitswesen. Vom Gesundheitswesen              lungnahme der Regierungskommissi-             9640.html – Abruf: 4. März 2023
    zur Gesundheitswirtschaft – Heraus-           on. https://www.bundesgesundheits             14:57 Uhr
    forderungen und Chancen. Workshop.            ministerium.de/themen/gesundheits
    In: Gesundheit Nordhessen Kassel              wesen/krankenhausreform.html        –    [12] Bundesverband Medizintechnologie
    (Veranstalter): Managementqualifi-            Letztmaliger Abruf: 3. März 2023              e. V. (BVMed) (Hrsg.): Timeline für
    zierung für Oberärztinnen und Ober-           09:29 Uhr                                     die geplante Krankenhausreform.
    ärzte (Wissenschaftlicher Leiter:                                                           Stand    27.01.20223.     –    URL:
    Goldschmidt AJW), Hofgeismar, 10.         [8] Bund-Länder-Gruppe für die Kranken-           https://www.bvmed.de/downloads-
    Febr. 2023                                    hausreform: Krankenhausreform –               rostohar/timeline-fuer-die-geplan-
                                                  Lauterbach: Es braucht eine neue Ver-         te-krankenhausreform – Abruf: 7.
[3] Maurer C, Raab E, Goldschmidt AJW:            gütungs-    und     Planungsstruktur.         März 2023 09:40 Uhr
    Versorgungsstrukturen für die Zu-             https://www.bundesgesundheitsmi
    kunft gestalten. Welche Versorgungs-          nisterium.de/ministerium/meldun          [13] Goldschmidt AJW: Einfachere Finan-
    strukturen wollen wir? Workshop               gen/krankenhausreform-4-sitzung-              zierungswege und Gesundheitslogis-
    (Moderation: Goldschmidt AJW). In:            bund-laender-gruppe-fuer-die-kran-            tik können Kliniken helfen. Ärzte-
    Klinikverbund Hessen e. V. (Veranstal-        kenhausreform.html – Letzter Abruf:           blatt Rheinland-Pfalz 3/2020: 7+9
    ter): Zukunft Gesundheit Fachkon-             3. März 2023 09:46 Uhr
    gress, Wiesbaden, 2. März 2023                                                         [14] Goldschmidt AJW, Weißbach L: The-
                                              [9] Ärztezeitung (Hrsg.): G-BA-Chef He-           rapieforschung im Spannungsfeld
[4] Keller M: Lauterbachs Krankenhausre-          cken warnt vor Kostenexplosion bei            zwischen Signifikanz und Relevanz.
    form: Weniger Kliniken, bessere Ver-          geplanter Klinikreform. Ärztezeitung,         Hilfe durch die Methodik evidenz-ba-
    sorgung? FAZ Plus, 20. Febr. 2023 –           1.März 2023 – URL: https://www.               sierter Medizin? Der Onkologe
    URL: https://www.faz.net/aktuell/             aerztezeitung.de/Politik/G-BA-Chef-           5/1999: 1008–1014
    wissen/medizin-ernaehrung/karl-lau            Hecken-warnt-vor-Kostenexplosion-
    terbachs-krankenhausreform-scha               bei-geplanter-Klinikreform-437068.       [15] Univ.-Prof. Dr. Andreas J. W. Gold-
    den-zu-viele-kliniken-18686017.html           html – Abruf: 5.März 202308:50 Uhr            schmidt, 9. & 28. Dez. 2022. Eigene
    – Abruf: 4. März 2023 07:27 Uhr                                                             Darstellung in Anlehnung an: Karagi-
                                              [10] Deutsches Ärzteblatt (Hrsg.): Bun-           annidis C, Busse R, Augurzky B,
[5] Greiner W, Tutt C: Wir sehen derzeit           desländer setzen Ausnahmeregelun-            Schmitt J, Bschor T: Vorschlag für ei-
    eine planlose, kalte Strukturbereini-          gen bei Krankenhausreform durch.             ne grundlegende Vergütungsreform.
    gung. Interview. Wirtschaftswoche,             aerzteblatt.de, 23. Febr. 2023 – URL:        Deutsches Ärzteblatt 119 (51–52)
    20. Febr. 2023 – URL: https://www.             https://www.aerzteblatt.de/nach              27. Dez. 2022: A2290A2292
    wiwo.de/unternehmen/dienstleis                 richten/141220/Bundeslaender-
    ter/anstehender-umbau-deutscher-               setzen-Ausnahmeregelungen-bei-
    krankenhaeuser-wir-sehen-derzeit-              Krankenhausreform-durch – Abruf:
    eine-planlose-kalte-strukturbereini-           5. März 2023 09:16 Uhr
    gung/28985918.html        –    Abruf:
    4. März 2023 07:50 Uhr                    [11] Klose K: Krankenhausreform: Politik
                                                   und Praxis. Eröffnungsrede. In: Kli-
[6] Karagiannidis C, Busse R, Augurzky B,          nikverbund Hessen e. V. (Veranstal-
    Schmitt J, Bschor T: Vorschlag für eine        ter): Zukunft Gesundheit Fachkon-
    grundlegende       Vergütungsreform.           gress, Wiesbaden, 1. März 2023. In:

Online-Ausgabe | Hessisches Ärzteblatt 5/2023
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