Masern, Mumps und Röteln - eine Perspektive der Landesregierung Rheinland-Pfalz - Landesärztekammer Rheinland ...
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Gastbeitrag Foto: MSAGD Dennis Möbus Sabine Bätzing-Lichtenthäler Masern, Mumps und Röteln – eine Perspektive der Landesregierung Rheinland-Pfalz Impfungen gehören zu den wichtigsten medizinischen Vorsor- unsere Kampagne „Masern im Anzug“, die im letzten Jahr mit gemaßnahmen und stellen einen hochwirksamen Schutz vor allen Beteiligten der Arbeitsgruppe Impfen gestartet wurde. Sie Infektionskrankheiten dar. Primär schützt die Impfung den dient der Sensibilisierung und Aufklärung über den Stellenwert Einzelnen vor der Erkrankung. Werden in der Bevölkerung dar- der Impfprävention zur Bekämpfung der Masern. Mit dem Auf- über hinaus hohe Impfquoten erreicht, können sich Krankheits- takt zur Grippeimpfung im Landtag rufen wir alljährlichen im erreger nicht mehr von Mensch zu Mensch ausbreiten. Men- Herbst gemeinsam mit der Landesärztekammer dazu auf, sich schen, die aus medizinischen Gründen nicht geimpft werden gegen Grippe impfen zu lassen. dürfen, können auf diese Weise geschützt werden. Die Weltge- Besonders im Kindesalter kann sich das Ergebnis dieser Maß- sundheitsorganisation setzt zum Beispiel für eine Elimination nahmen sehen lassen: Die Impfquoten in Rheinland-Pfalz lie- der Masern einen dauerhaften Impfschutz von 95 Prozent der gen deutlich über dem Bundesschnitt. Kinder sind nach wie vor Menschen im impffähigen Alter mit beiden Masernimpfungen die Personengruppe mit den höchsten Impfquoten. Hingegen voraus, um eine Herdenimmuntät zu erreichen. Somit haben ist festzustellen, dass bei (jungen) Erwachsenen auch im Hin- Impfungen auch einen gesellschaftlichen Nutzen zum Ziel! blick auf Masern, aber auch bezüglich weiterer impfpräventab- ler Krankheiten wie Mumps, Röteln, Influenza, oft kein ausrei- Rheinland-Pfalz verfolgt das Ziel der Steigerung der Impfquo- chender Impfschutz vorhanden ist. Hier müssen wir weiterhin ten mit einer Reihe von Maßnahmen. Besonders effektiv war verstärkt ansetzen und den Impfschutz bei Erwachsenen die Einführung des Einladungs- und Erinnerungswesen zu den komplettieren. Deshalb stimme ich dem Gesetzentwurf des Vorsorgeuntersuchungen im Kindesalter mit dem Kinder- Masernschutzgesetzes grundsätzlich zu, weil er auch Erwach- schutzgesetz 2008. Dadurch konnten die Teilnahmequoten an sene und dabei die Berufsgruppen wie das Personal medizi den Kindervorsorgeuntersuchungen und damit an einer regel- nischer Einrichtungen sowie pädagogische Fachkräfte in Ge mäßigen Impfberatung auf über 98 Prozent gesteigert werden. meinschaftseinrichtungen und Lehrpersonal in Schulen in den Seither konnten die Impfquote der ersten Masernimpfung um Blick nimmt. Auch mit der Novellierung der Hygieneverord- circa zwei und die der zweiten Masernimpfung um fünf Prozent nung für medizinische Einrichtungen werden wir in diesem gesteigert werden. Auch durch die Einladung zur J1 – ohne Jahr in Rheinland-Pfalz die Arbeitgeber verpflichten, einen weitere Erinnerung – konnte eine Teilnahmerate von über 60 Immunschutz bei ihrem Personal sicherzustellen. Prozent erreicht werden. Entsprechend ist die Impfrate der HPV-Impfung in Rheinland-Pfalz auf der Basis der KV-Impfsur- Wichtig ist, dass trotz der kommenden Impfpflicht gegen veillance mit 35,7 Prozent über dem Bundesdurchschnitt und Masern weiter auf allen Ebenen über die Notwendigkeit aller innerhalb der westlichen Bundesländer auf einem Spitzenplatz. von der Ständigen Impfkommission am Robert Koch-Institut empfohlenen Impfungen aufgeklärt wird. Auf keinen Fall dür- In Zusammenarbeit mit den an der Arbeitsgruppe Impfen fen sich die Impfquoten anderer Impfungen zugunsten der Rheinland-Pfalz beteiligten verschiedenen Ärzteverbänden Masernimpfung verschlechtern, weil diese als weniger wichtig und Organisationen konnte in Rheinland-Pfalz ein „fachüber- angesehen werden. In Rheinland-Pfalz wollen wir: #MitImp- greifendes Impfen“ erreicht werden, was bedeutet, dass zum fungPunkten. Beispiel die Kinderärztin oder der Kinderarzt die Eltern mitimp- fen kann. Diese Maßnahme richtet sich insbesondere an junge Sabine Bätzing-Lichtenthäler Erwachsene, um Impflücken in dieser Altersgruppe zu schlie- Ministerin für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie ßen. Vor allem junge Erwachsene waren auch die Zielgruppe Rheinland-Pfalz 8 Ärzteblatt Rheinland-Pfalz ❙ 10/2019
Schwerpunkt Foto: Henrik Dolle/stock.adobe.com Impfen: Eine wichtige Präventionsmaßnahme, die immer wieder um Akzeptanz kämpfen muss Ines Engelmohr Impfungen gehören zu den wichtigsten und wirksamsten präventiven Maßnahmen, und Impfen ist eine der ureigensten ärztlichen Tätigkeiten. Ärztinnen und Ärzte sorgen sowohl für Grundimmunisierungen als auch für Auffrischimpfungen. Das Ziel: notwendigen Impfschutz ein Leben lang zu erhalten. E i ge ne r I m pfsch u t z s c h ü t z t au c h Was macht die Ständige Impfkommission (STIKO)? di e G e m e i nsc haf t Die Ständige Impfkommission (STIKO) am Robert Koch-Institut Impfen ist nicht nur ein wichtiges medizinisches Thema, son- (RKI) erarbeitet die Empfehlungen für Deutschland für Impfun- dern hat auch eine große gesellschaftliche Relevanz. Denn mit gen für Säuglinge, Kleinkinder, Jugendliche und Erwachsene Impfungen schützen die Bürgerinnen und Bürger nicht nur und veröffentlicht diese regelmäßig. Die Krankenkassen über- sich selbst vor ansteckenden Krankheiten, sondern auch die nehmen üblicherweise die Kosten für die von der STIKO allge- Gemeinschaft. Die sogenannte Herdenimmunität gibt denjeni- mein empfohlenen Impfungen. gen Schutz vor Ansteckung, die sich aus medizinischen Grün- den nicht impfen lassen können. Ist also ein großer Teil der Die STIKO ist ein unabhängiges Expertengremium, dessen Bevölkerung gegen eine Infektion immun, so schützt das auch Tätigkeit von der Geschäftsstelle im Fachgebiet Impfprävention den Teil der Bevölkerung, der selbst nicht geimpft ist, weil die des Robert Koch-Instituts koordiniert und beispielsweise durch Wahrscheinlichkeit, sich anzustecken, sinkt. Sind die meisten systematische Analysen der Fachliteratur unterstützt wird. Ziel Menschen geimpft, kann sich eine Erkrankung also kaum aus- ist es, die Impfempfehlungen an neue Impfstoffentwicklungen breiten oder sogar ganz zum Verschwinden gebracht werden. und Erkenntnisse aus der Forschung optimal anpassen zu können. Ärzteblatt Rheinland-Pfalz ❙ 10/2019 9
Schwerpunkt An da s RKI über m it telte I m p fq u o ten u n d Ante i l vo rg e l e g te r I mpf a u s we i s e i n Proze nt be i d e n S c h u l e i n g a n g sunter suchung en in D eu t sc h la n d 2008 b is 2017. St a n d : Apr i l 2 0 1 9 , Q u e l l e : R K I Die STIKO wurde im Jahr 1972 beim damaligen Bundesgesund- men haben. Und bei Kombinationsimpfungen (GOP 89200 bis heitsamt eingerichtet. Aufgrund der Bedeutung ihrer Impfemp- 89600) sind die Leistungen beziehungsweise die Patienten für fehlungen wurde sie mit dem Infektionsschutzgesetz im Jahr jeden darin inbegriffenen Anwendungsbereich gezählt worden. 2001 gesetzlich verankert. Seit dem Jahr 2007 sind die von der Das heißt: Ein Patient, der beispielsweise eine Impfung nach STIKO empfohlenen Impfungen Grundlage für die Schutzimp- der GOP 89600 erhalten hat, ist jeweils in sechs verschiedenen fungsrichtlinie (SI-RL) des Gemeinsamen Bundesausschusses Anwendungsbereichen gezählt. und werden mit Aufnahme in die SI-RL Pflichtleistung der ge setzlichen Krankenversicherung in Deutschland. Somit haben im vergangenen Jahr die Ärztinnen und Ärzte landesweit 786.066 Versicherte geimpft. Für 2018 registrierte Die Versorgung bei anerkannten Impfschäden durch öffentlich die KV RLP circa 3,65 Millionen Patientenkontakte. Das bedeu- empfohlene Impfungen wird durch die Bundesländer sicherge- tet, dass statistisch gesehen bei jedem vierten Patientenkon- stellt. takt eine Impfung erfolgte. I m pfdate n g es u c ht Die meisten Impfungen erfolgten bei den Allgemeinmedizi- nern und den hausärztlich tätigen Internisten. Sie impften ins- In Deutschland gibt es kein einheitliches umfassendes System gesamt 593.260 Patienten. Die meisten hiervon waren 65 Jahre zur Erhebung von Impfdaten. Zur Ermittlung des Impf- und und älter (317.807). An zweiter Stelle liegen die Kinder- und Immunstatus der Bevölkerung müssen nach Angaben des RKI Jugendärzte: Sie verabreichten 157.948 Impfungen. Bei den in Berlin daher Teilstichproben oder Querschnittsuntersuchun- Gynäkologen waren es 18.418 und bei den fachärztlichen Inter- gen herangezogen werden, die eine Einschätzung der Impfsi- nisten 11.497 Impfungen. Ermächtigte Vertragsärzte waren mit tuation ermöglichen. Daten zu durchgeführten Impfungen 3.644 dabei und Sonstige mit 1.199 Impfungen. werden in Deutschland überwiegend dezentral und regional erhoben. Regelmäßig erhobene Daten zum Impfstatus der Weitere Blicke in die Impfstatistik sind ebenfalls interessant. So Bevölkerung in allen Bundesländern liegen nur aus den Schu- zeigt sich beispielsweise bei der Influenza-Impfung, dass sich leingangsuntersuchungen und ab dem Geburtsjahrgang 2004 die Ärztinnen und Ärzte an die STIKO-Empfehlungen halten: auch aus dem vom RKI koordinierten Projekt „KV-Impfsurveil- Bei den älteren Patienten ist die Zahl der Geimpften deutlich lance” vor, das in Kooperation mit den 17 Kassenärztlichen Ver höher als bei den jüngeren Patienten: Bei den Patienten über einigungen durchgeführt wird. 65 Jahren waren es insgesamt 297.286 und bei den Patienten jünger als 65 Jahre 129.519 Influenza-Impfungen. Wi e o f t i m pfen Är z te i n R h ei n l an d - P f al z ? I mpfquo ten d er S chuleing ang suntersuchunge n Die rheinland-pfälzischen Ärztinnen und Ärzte sind beim Imp- fen gut aufgestellt. Das geht aus der Impfstatistik der KV Schuleingangsuntersuchungen sind die einzige gesetzlich Rheinland-Pfalz für das Jahr 2018 hervor. In der Statistik sind festgelegte systematische Quelle zur dauerhaften Erhebung alle abgerechneten Impfleistungen erfasst – auch die bei nicht bundesweiter Impfdaten. Möglich macht dies das Infektions- in Rheinland-Pfalz gemeldeten Versicherten. Nicht berücksich- schutzgesetz, auf dessen Basis seit 2011 regelmäßig der Impf- tigt sind Impfungen, die Versicherte auf Basis von Selektivver- status bei Kindern zum Schulstart erhoben wird. Die Gesund- trägen zwischen Krankenkassen und Ärzteverbänden bekom- heitsämter beziehungsweise die von ihnen beauftragten Ärz- 10 Ärzteblatt Rheinland-Pfalz ❙ 10/2019
Schwerpunkt tinnen und Ärzte erheben diese Impfdaten bei den Schulein- von 2,4 Prozentpunkten (Meningokokken-C-Impfung), 4,9 Pro- gangsuntersuchungen. Dabei werden alle dokumentierten zentpunkten (Pneumokokken-Impfung) sowie 1,4 und 5,0 Pro Impfungen registriert. Die Daten werden dem RKI zur Verfü- zentpunkten (erste und zweite Varizellen-Impfung). Betrachte gung gestellt. Daten zum Impfstatus von Kindern ohne Impf- man zudem die Spannweite der Impfquoten, die in den Bun- ausweis liegen nicht bundesweit vor. desländern erzielt würden, so bestünden die größten Unter- schiede zwischen den Ländern bei den Impfungen gegen Laut RKI lag der Anteil der in den Schuleingangsuntersuchun- Varizellen (erste Impfung: 75,0 bis 95,1 Prozent, Spannweite gen untersuchten Kinder mit vorgelegten Impfdokumenten im 20,1 Prozentpunkte; zweite Impfung: 69,8 bis 91,3 Prozent, Zeitraum 2008 bis 2015 beständig über 92 Prozent und ist in Spannweite 21,5 Prozentpunkte), Hepatitis B (78,1 bis 95,1 Pro- den Jahren 2016 und 2017 auf unter 92 Prozent gesunken zent, Spannweite 17,0 Prozentpunkte), Pneumokokken (77,0 bis (2016: 91,7 Prozent; 2017: 91,6 Prozent). 92,0 Prozent, Spannweite 15,0 Prozentpunkte) und Meningo- kokken C (85,1 bis 94,2 Prozent, Spannweite 9,1 Prozentpunkte). Ve rgl e i c h de r I m p fq u oten z w i s c h en d e n B u nde sl ä n d er n Z ahlen zur M asern-I mpfung Wie in den Vorjahren hatten die im Jahr 2017 in den östlichen Die Impfquote für die erste Masern-Impfung stieg laut RKI- Bundesländern untersuchten Kinder durchschnittlich einen Mitteilung bundesweit von 95,9 Prozent (2008) auf 96,7 Prozent besseren Impfschutz bei allen von der STIKO empfohlenen (2012) und erreichte 2017 (wie auch bereits im Jahr 2016) bun- Impfungen als Kinder in den westlichen Bundesländern. Das desweit 97,1 Prozent. Somit habe Deutschland bundesweit das geht aus dem Epidemiologischen Bulletin Nr. 18/2019 des RKI Ziel der Weltgesundheitsorganisation (WHO) einer Impfquote hervor. von mindestens 95 Prozent zumindest für die erste Masern- Impfung erreicht. Wie bereits 2016 sei dieses Ziel auch 2017 in Demnach lag die Quote für die Hepatitis-B-Impfung in den allen datenerhebenden Bundesländern erreicht worden. In östlichen Bundesländern mit 90,5 Prozent um 4,3 Prozent- Rheinland-Pfalz lag die Quote für die erste Masern-Impfung bei punkte höher als in den westlichen Bundesländern. Bei den 97,7 Prozent. Impfungen gegen Diphtherie, Tetanus, Poliomyelitis, Pertussis und Hib waren die Impfquoten in den östlichen Bundesländern Die Impfquote für die zweite Masern-Impfung stagniere nach durchschnittlich um zwei Prozentpunkte höher als in den west- deutlichem Anstieg, so das RKI in seiner Auswertung für das lichen Bundesländern. Impfquoten für die erste und zweite Jahr 2017. Im Jahr 2008 seien nur 89,0 Prozent der einzuschu- Impfung gegen Masern, Mumps und Röteln lagen 0,6 und 1,8 lenden Kinder zweimal gegen Masern geimpft gewesen. 2012 Prozentpunkte oberhalb derer in den westlichen Bundeslän- seien es 92,4 Prozent und 2017 insgesamt 92,8 Prozent gewe- dern. sen. Die für die Masern-Elimination angestrebte Impfquote von mindestens 95 Prozent für die zweite Impfung sei bisher und Auch die Inanspruchnahme der neueren Impfungen ist laut auch aktuell nur von Mecklenburg-Vorpommern und Branden- RKI-Angaben in den östlichen Bundesländern grundsätzlich burg erreicht worden, so das RKI. In Rheinland-Pfalz lag die höher als in den westlichen und zeigt sich in Unterschieden Quote bei 93,7 Prozent. Ärzteblatt Rheinland-Pfalz ❙ 10/2019 11
Schwerpunkt D ü r fe n a l l e Är z te i mp fen ? I mpf-Hotline b eim RKI Die Schutzimpfungs-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesaus- schusses regelt den Anspruch der Versicherten auf Leistungen Eine telefonische Beratung zur Auslegung der STIKO- für Schutzimpfungen. Sie orientiert sich hierbei an den Emp- Empfehlungen bietet das Robert-Koch-Institut in Berlin fehlungen der Ständigen Impfkommission beim Robert Koch- an. Diese Impf-Hotline (030-18754-0) ist montags von Institut – unter besonderer Berücksichtigung der Bedeutung 9:30 bis 11:30 Uhr und donnerstags von 12:00 bis 14:00 der Schutzimpfungen für die öffentliche Gesundheit. Die Richt- Uhr zu erreichen. (eb) linie konkretisiert den Umfang der im SGB V festgelegten Leis- tungspflicht der gesetzlichen Krankenkassen auf der Grundlage des Wirtschaftlichkeitsgebots im Sinne einer „notwendigen, ausreichenden, zweckmäßigen und wirtschaftlichen Versor- Grenzen für die Ausübung der fachärztlichen Tätigkeit durch- gung“ unter Berücksichtigung des allgemein anerkannten führen, um die Impfpflicht lückenlos umzusetzen. Standes der medizinischen Erkenntnisse. Darüber hinaus sieht das Masernschutzgesetz vor, dass der Die Richtlinie schreibt auch die Aufklärungspflichten sowie die Öffentliche Gesundheitsdienst wieder verstärkt freiwillige Rei- Dokumentation der impfenden Ärzte fest. henimpfungen in Schulen vornimmt. Daher werden die Kran- kenkassen verpflichtet, mit dem Öffentlichen Gesundheits- Die Richtlinie enthält zudem einen Passus zur Qualifikation dienst Vereinbarungen über die Erstattung der Kosten für diese der impfenden Ärzte. Demnach können Ärzte impfen, die nach Impfungen zu treffen. den berufsrechtlichen Bestimmungen über eine entspre- chende Qualifikation zur Erbringung von Impfleistungen Die Dokumentation von Schutzimpfungen soll laut Gesetz gemäß Weiterbildung verfügen. Impfungen zur Grippevor- auch in elektronischer Form möglich sein. Mit einem digitalen sorge, im Not- und Bereitschaftsdienst sowie zur Abwehr von Impfausweis könne der Patient automatisiert an Termine für bedrohlichen übertragbaren Erkrankungen zum Beispiel bei Folge- und Auffrischimpfungen erinnert werden. Epidemie/Pandemie können Ärzte nach dieser Richtlinie in Übereinstimmung mit dem Berufsrecht des jeweiligen Bundes- I mpfpflicht so ll Kind er vo r landes erbringen. M asern schützen I n R he i n l a nd-Pf al z d ü r fen al l e Är z te i m pfen Um das neue Masernschutzgesetz, dessen Entwurf im Juli 2019 im Bundeskabinett beschlossen wurde und das im März 2020 In Rheinland-Pfalz ist es bereits seit Langem so geregelt. Die in Kraft treten soll, gab es im Vorfeld viele Diskussionen. Sein derzeit gültige Weiterbildungsordnung regelt dies in den allge- Ziel: Schul- und Kindergartenkinder wirksam vor Masern zu meinen Inhalten für die Abschnitte B und C: Die Weiterbildung schützen. beinhaltet unter Berücksichtigung gebietsspezifischer Ausprä- So sollen künftig alle Kinder beim Eintritt in die Schule oder in gungen auch den Erwerb von Kenntnissen, Erfahrungen und den Kindergarten beide von der Ständigen Impfkommission Fertigkeiten in der Durchführung von Impfungen. empfohlenen Masern-Impfungen vorweisen müssen. Auch bei der Betreuung durch eine Tagesmutter muss ein Nachweis über Für die Abrechnung von Impfleistungen ist nach Angaben der die Masernimpfung erfolgen. KV Rheinland-Pfalz somit auch keine spezielle Genehmigung oder Qualifizierung nötig. Und: Auch fachübergreifendes Imp- Eine Impfpflicht ist in Deutschland nicht unbekannt. Zur Erin- fen ist möglich. Das heißt: Frauenärzte dürfen auch Männer nerung: Bis 1976 gab es in Deutschland die Pockenimpfpflicht. und Kinderärzte auch Erwachsene impfen. Inzwischen gelten die Pocken dank der Impfung weltweit als ausgerottet. Auch jetzt sieht das Infektionsschutzgesetz bei Mit dem Präventionsgesetz 2015 dürfen nun auch Betriebs- einer Ausbreitung von Erkrankungen eine mögliche Pflichtimp- ärzte, die nicht an der vertragsärztlichen Versorgung teilneh- fung vor. men, zu Lasten der Gesetzlichen Krankenversicherung impfen. Die wissenschaftliche Fachgesellschaft Deutsche Gesellschaft I mpfg eg ner meld en sich zu Wo r t für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin (DGAUM) hat inzwi- schen bundesweit die ersten Selektivverträge zur Regelung Gegner betonen immer wieder, dass Impfen eine ganz indivi- von Schutzimpfungen durch Betriebsärzte mit Krankenkassen duelle Entscheidung sei, die nicht per Gesetz bestimmt werden abgeschlossen. dürfe. Zu den erklärten Kritikern zählen nicht nur einzelne Pri- vatmenschen, sondern beispielsweise auch der Verein „Ärzte für Auch das neue Masernschutzgesetz sieht vor, dass alle Ärzte individuelle Impfentscheidung“. Der Verein betont auf seiner (ausgenommen Zahnärzte) Schutzimpfungen durchführen Internetseite, dass die ärztlichen Mitglieder keine Impfgegner dürfen. Sie dürfen Schutzimpfungen unabhängig von den seien, aber „Impfstoffe können – wie alle Arzneimittel – auch 12 Ärzteblatt Rheinland-Pfalz ❙ 10/2019
Schwerpunkt schwere unerwünschte Wirkungen hervorrufen, im Einzelfall Zudem forderte der Ärztetag alle Ärzte, Pflegende und in der mit bleibender Beeinträchtigung der Gesundheit“. Die STIKO- Erziehung in Gemeinschaftseinrichtungen Tätigen auf, ihren Empfehlungen würden „tatsächlich als Empfehlungen“ verstan- Impfstatus zu überprüfen: „Ein vollständiger Impfstatus ist Teil den; „ihre zunehmende Interpretation als medizinischer Stan- und Voraussetzung einer professionellen Berufsauffassung.“ dard beziehungsweise als Grundlage einer möglichen Impf- pflicht“ lehnt der Verein ab. Die aktuell geforderte Impfpflicht D ie R eg elung en d es M asernschutzg esetzes missachte diese Verantwortlichkeit des Einzelnen. Der Verein fordert daher den „Erhalt der freien, individuellen Impfentschei- Das neue Masernschutzgesetz regelt auch den Nachweis der dung nach differenzierter, umfassender und ergebnisoffener Impfung. Dieser kann mit dem Impfpass erbracht werden. Kin- ärztlicher Beratung“. Nur von den Eltern des Kindes könne „eine der, die schon jetzt im Kindergarten und in der Schule oder in Entscheidung dieser Tragweite getroffen werden“. Vertreter anderen Gemeinschaftseinrichtungen betreut werden, müssen des Vereins hatten im Juli in Berlin die Petition „Deutschland den Nachweis bis zum 31. Juli 2021 erbringen. Wurde die braucht keine Impfpflicht!“ mit über 143.000 Unterschriften an Krankheit schon einmal durchlitten, kann der Nachweis durch das Bundesgesundheitsministerium überreicht. Die Petition ein ärztliches Attest erbracht werden. fordert die Unterlassung sämtlicher Bemühungen zur Einfüh- rung einer Impfpflicht. Entsprechendes gilt für Personal in Gemeinschaftseinrichtun- gen und medizinischen Einrichtungen. Hierzu zählen unter De u t sc he r Et h i k rat : er fol g rei c h e I m p f p ol i tik anderem Krankenhäuser, Einrichtungen für ambulantes Ope- b ra u c ht u m fa ss en d en An s at z rieren, Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungen, in denen eine den Krankenhäusern vergleichbare medizinische Versor- Der Verein sieht sich mit seiner Haltung im Einklang mit dem gung erfolgt, Dialyseeinrichtungen, Tageskliniken, Entbindungs Deutschen Ethikrat. Doch schaut man genau in die Erklärung einrichtungen, Arztpraxen, Zahnarztpraxen, Praxen sonstiger des Ethikrates, liest sich das etwas anders. Der Deutsche Ethik- humanmedizinischer Heilberufe sowie ambulante Pflege- rat hatte im Frühjahr alle Anstrengungen zur Erhöhung von dienste. Impfquoten begrüßt – zugleich aber bei der Debatte um eine Flüchtlinge, Asylbewerberinnen und Asylbewerber müssen den Masernimpfflicht die „unzulässige Verengung der Diskussion Impfschutz vier Wochen nach Aufnahme in eine Gemein- auf Kinder, die unzureichende Berücksichtigung der Datenlage schaftsunterkunft nachweisen. sowie den unscharfen Begriff der Impfpflicht“ kritisiert und für einen „umfassenden Ansatz“ plädiert. Eine Debattenverkür- Die Länder und vor allem die Gesundheitsämter vor Ort sind für zung hält der Deutsche Ethikrat für „verfehlt“. Seine Begrün- die Umsetzung und auch die Kontrolle zuständig. Sie können dung: Fast die Hälfte aller an Masern Erkrankten in Deutschland einen Nachweis der Masernschutzimpfung anfordern – und seien Erwachsene. Maßnahmen mit dem Ziel, die Masern- zwar unabhängig davon, ob der schon der Leitung der Einrich- impfquote zu erhöhen, müssten daher als Adressaten sowohl tung vorliegt. Kinder als auch Erwachsene einbeziehen. Eine erfolgreiche Impfpolitik brauche zudem einen umfassenden Ansatz. Dieser müsse das ganze Spektrum von Akteuren, Adressaten, Instru- menten und Regelungsebenen auch in ihren Wechselbezie- hungen in den Blick nehmen. Erst auf dieser Grundlage könne geprüft werden, wie das Ziel eines hinreichenden Impfschutzes mit Maßnahmen von möglichst geringer Eingriffstiefe erreicht werden könne. Är zte t a g u nte rs t ü t z t M as er n - I mp f l i c ht Der Deutsche Ärztetag sieht dies anders. In einem entspre- chenden Beschluss begrüßt der Deutsche Ärztetag die Impf- pflicht gegen Masern und unterstützt sie. Ferner forderten die Abgeordneten alle Krankenkassen auf, Verträge über die Durchführung von Schutzimpfungen durch Betriebsärzte sowie Ärzte im öffentlichen Gesundheitsdienst abzuschließen, um Schutzimpfungen auch am Arbeitsplatz und in weiteren Lebensbereichen vornehmen zu können. In diesen Verträgen sei neben der Übernahme der Kosten des Impfstoffes eine angemessene Vergütung der ärztlichen Impf- leistung zu regeln. Ärzteblatt Rheinland-Pfalz ❙ 10/2019 13
Schwerpunkt WH O: Z a hl der M as er n f äl l e i s t we l t we i t g e st i eg en Was gehör t zur I mpfleistung? Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) gab es Die ärztliche Impfleistung umfasst laut RKI-Angaben global im ersten Halbjahr 2019 die höchste Zahl an gemelde- neben der Impfung: ten Masernfällen seit 2006. So seien bis Ende Juli 2019 in 182 • Informationen über den Nutzen der Impfung und die zu Ländern nach vorläufigen Zahlen fast 360.000 Masernfälle verhütende Krankheit, registriert gewesen. Laut WHO sind dies fast dreimal so viele • Hinweise auf mögliche unerwünschte Arzneimittelwir- wie im gleichen Zeitraum des vergangenen Jahres und mehr kungen und Komplikationen, als im Gesamtjahr 2018. • Erheben der Anamnese und der Impfanamnese ein- schließlich der Befragung über das Vorliegen möglicher 2018 wurden weltweit insgesamt gut 350.000 Masern-Erkran- Kontraindikationen, kungen gemeldet - mehr als doppelt so viele wie im Jahr davor. • Feststellen der aktuellen Befindlichkeit zum Ausschluss Die WHO betont aber, dass nur ein Bruchteil der tatsächlichen akuter Erkrankungen, Erkrankungen gemeldet werde. • Empfehlungen über Verhaltensmaßnahmen im An schluss an die Impfung, Die aktuellen WHO-Zahlen lassen auch einen Blick auf verschie- • Aufklärung über Beginn und Dauer der Schutzwirkung, dene Impfregionen zu. • Hinweise zu Auffrischimpfungen, • Dokumentation der Impfung im Impfausweis bezie- So sei beispielsweise in der WHO-Afrikaregion die Zahl der hungsweise Ausstellen einer Impfbescheinigung. (eb) gemeldeten Fälle in den ersten sechs Monaten dieses Jahres im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 900 Prozent gestiegen und in der Westpazifikregion um 230 Prozent. In der Europa- Region sei sie um 120 Prozent gestiegen, so die WHO-Angaben. Fazit Zu der Region zählen neben der EU auch Russland, die Türkei, Israel und die in Asien liegenden Länder Usbekistan und Aser- Impfschutz geht uns Alle an. Möglichst jeder Arztkontakt sollte baidschan. daher genutzt werden, um den Impfstatus zu überprüfen und um mit den Patientinnen und Patienten notwendige Impfun- Aus all diesen Gründen fordert die Weltgesundheitsorganisa- gen zu besprechen. Der Impfkalender der STIKO liefert gute tion mehr Impfungen. Übersichten. Und: Moderne Impfstoffe sind gut verträglich; bleibende gravierende unerwünschte Arzneimittelwirkungen werden nur in sehr seltenen Fällen beobachtet. 14 Ärzteblatt Rheinland-Pfalz ❙ 10/2019
Schwerpunkt Impfungen: Ängste und Mythen Markus Knuf, Fred Zepp Wie kaum eine andere medizinische Thematik rufen Impfungen Ängste hervor und werden emotional, zuweilen auch ideolo- gisch diskutiert. Impfprävention wird oftmals nicht als medizinische Innovation, sondern als Risiko und Gefahr für die eigene Gesundheit oder die Gesundheit eines Kindes betrachtet. Die Risikobeurteilung medizinischer Interventionen durch Laien, aber auch durch Mediziner wird nur nachgeordnet durch wissenschaftliche Argumente gestützt. Die Art und Weise wie Entscheidungen zu Impfungen getroffen werden, hat nur selten eine technische oder wissenschaftliche Basis. Dieses ist ein Nährboden für Gerüchte, Hypothesen, un bewiesene Behauptungen und eben „Impfmythen“. Impfmythos 1: Impfungen werden adressiert, gemeint sind gesellschaftspolitische Themen Abbi l d u n g 1 : U nte r s c h i e d l i c h e Ph a s e n d e r Wa h r n e h mung Es ist notwendig, die Bewertung der Wirksamkeit von Impfun- vo n E r k ra n k u n g s - u n d I mpf k o mpl i k ati o n e n gen und deren Nebenwirkungen auch vor dem Hintergrund Q u e l l e : a d a pti e r t n a c h K n u f u. a . grundlegender gesellschaftlicher Bewertungsprinzipien zu berücksichtigen. Ansteigende Impfquoten führen selbstverständlich auch zu einem höheren Vorkommen von Impfnebenwirkungen und Im Entscheidungsprozess für oder gegen eine Impfung hat die -komplikationen. Dieses führt zu einem Vertrauensverlust und Glaubwürdigkeit der Quelle die höchste Bedeutung. So war am in der Folge dann wieder vermehrt zu Infektionserkrankungen. 14.08.2018 in der FAZ zu lesen „Das Misstrauen gegen Impfspe- Wichtig ist dieses Phänomen plausibel zu erklären. zialisten und medizinische Fachleute bei einer wachsenden Zahl von Menschen speist sich möglicherweise aus der glei- In einer sehr gut geimpften Population kommen eben keine chen Quelle wie der Zorn vieler Wähler gegen die überkom- Erkrankungen mehr vor, sondern nur noch „Impfnebenwirkun- menden politischen Parteien. Es ist ein allgemeines Aufbegeh- gen“. Ein Beispiel hierfür ist die Kinderlähmung. In Kohorten, ren gegen Eliten: gegen die Politischen und die Publizistischen, die mit dem oralen Polioimpfstoff (OPV), einem Lebendimpf- gegen die Religiösen und die Intellektuellen und auch gegen die Wissenschaftlichen.“ In diesem Spannungsfeld wird sicher auch die Diskussion um eine Impfpflicht stattfinden. Mythos 2: Tradieren von historischen Daten sowie Fehlinterpretationen von Impfrisiken und Impfnebenwirkungen Im Mittelpunkt der Impfprävention steht immer der potenzielle Nutzen (Schutz vor Infektionskrankheit, Komplikationen von Infektionskrankheiten, Folgekrankheiten, Gemeinschafts-Effek te und andere) im Vergleich zu möglichen Risiken (Impfneben- wirkungen, Komplikationen). So ranken um Impfrisiken und Nebenwirkungen auch einige „Mythen“. Abb. 1 skizziert unterschiedliche Phasen der Wahrnehmung von Erkrankungs- und Impfkomplikationen. Ärzteblatt Rheinland-Pfalz ❙ 10/2019 15
Schwerpunkt stoff, geimpft wurden, ist Kinderlähmung vollständig ver- Beispielhaft sei die Datenlage zur Hypothese „Autismus nach schwunden. Übrig blieben einige wenige Fälle mit einer „Vak- Masern-Impfung” hier dargestellt. zine-assoziierten paralytischen Poliomyelitis“ (VAPP). Die Kon- sequenz konnte ja nicht ernsthaft sein, die Poliomyelitis-Imp- Tabelle 1 fasst verschiedene Studien zusammen, die den Zu fung wieder abzuschaffen und dafür eine Vielzahl an Wildinfek- sammenhang zwischen MMR-Impfung und Autismus eindeutig tionen in Kauf zu nehmen, sondern ernsthaft Alternativen widerlegen. so zu prüfen. Impfmythos 4: Impfrisiken und Nebenwirkungen sind Das ist in Deutschland auch geschehen: Empfohlen ist seit Jah- nicht hinreichend bekannt ren die inaktivierte Poliovakzine (IPV) – ein Totimpfstoff ohne Vielfach wird behauptet, dass Impfrisiken und Impfnebenwir- VAPP. Leider wird IPV immer noch mit VAPP in Zusammenhang kungen nicht bekannt sind. Richtig ist, dass Zulassungsstudien gebracht. Auch kommt es zu Analogieschlüssen: Wenn die OPV oftmals „nur“ einige Tausend Probanden haben und sehr sel- zu VAPP führt, so muss doch der Masern-Lebendimpfstoff zu tene oder genetisch bedingte Nebenwirkungen und -kompli- Masern führen. Das Gegenteil ist der Fall. Die Masernimpfung ist hoch-effektiv und führt zur Elimination von Masern in voll- ständig geimpften Populationen. Impfmythos 3: Impfungen werden schlecht toleriert Impfnebenwirkungen und -komplikationen werden innerhalb von (ausgedehnten) Studien, aber auch nach der Zulassung (Pharmakovigilanz der Hersteller, Paul-Ehrlich-Institut (PEI)) erfasst. Vergleichsweise häufige systemische (Fieber) Neben- wirkungen und Lokalreaktionen werden in der Regel gut akzeptiert. Abbildung 2 gibt den Anteil einzelner Reaktionen im zeitlichen Zusammenhang mit Impfungen aller 2013 gemeldeten Reakti- onen wieder. Fieber (etwa 5 Prozent) und Lokalreaktionen (bis 10 Prozent) werden am häufigsten erfasst. Dieses bedeutet umgekehrt, dass offenbar bei 90 Prozent der Geimpften keine Nebenwir- kungen aufgetreten sind. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Art des Meldesystems einen erheblichen Einfluss auf die Frequenz von Nebenwirkungen hat (Spontanmeldungen ver- sus aktive Erfassung). Andererseits tauchen immer wieder Hypothesen oder unbe- wiesene Behauptungen auf, die im Zusammenhang mit einer Impfung diskutiert werden. Bei solchen Hypothesen und unbe- wiesenen Behauptungen handelt es sich oft nur um eine The- matik, die einen Zusammenhang (Ko-Inzidenz) zwischen Imp- fung und Symptompräsentation beschreibt. Es liegen jedoch keine qualifizierten Studien vor, die eine Evidenz für den ursächlichen Zusammenhang der potenziellen Komplikation mit der Impfung finden konnten. Als Beispiele solcher Hypothesen seien genannt: • Autismus nach Masern-Mumps-Röteln (MMR)-Impfung • Morbus Crohn nach Haemophilus influenzae Typ b (Hib)- Impfung • Diabetes mellitus Typ 1 nach Hepatitis B-Impfung Abbi l d u n g 2 : Ante i l e i n ze l n e r R e a k ti o n e n i m ze i t li c hen Zu s a mme n h a n g mi t I mpf u n g e n a l l e r 2 0 1 3 g e me ldeten Diese hypothetischen Zusammenhänge sind vielfach widerlegt R e a k ti o n e n ( % ) worden und werden durch Wiederholen kein Faktum. Q u e l l e : mo d i f i z i e r t n a c h B f Ar m, PE I 16 Ärzteblatt Rheinland-Pfalz ❙ 10/2019
Schwerpunkt kationen nicht erfasst werden. Ein Beispiel hierfür sind Fälle von Narkolepsie in Skandinavien nach Influenza-H1N1-Impfung mit dem Adjuvanz ASO3. Andererseits sind gerade die in den vergangenen Jahren zugelas- senen Impfstoffe mit Adjuvanzien wissenschaftlich mit mehr als 100.000 Teilnehmern geprüft und zur Zulassung gebracht worden. Vor einigen Jahren wurde ein Zusammenhang von plötzlichem Kindstod mit Impfungen disku- tiert. Eine umfangreiche Untersu- chung des Robert-Koch-Institutes über mehrere Jahre konnte die- sen Verdacht nicht erhärten, im Gegenteil weisen Daten des Paul- Ehrlich-Institut (PEI) eher darauf- hin, dass das Risiko für SIDS durch Impfungen verringert wird. Tabelle 1: Studien, die den Zusammenhang z wischen MMR- I mpfung und Autismus ein d eu t ig wid e r l e g e n . Q u elle: a d a p t ie r t n a c h K n u f e t a l. Es bleibt festzuhalten, dass Imp- fungen selbstverständlich Neben- wirkungen aufweisen und bei genetisch suszeptiblen Indivi- Ein anderes Beispiel stellt die Enzephalitis durch Influenzaviren duen (zum Beispiel SCN1A-Mutation) auch schwerwiegende da, eine gefürchtete Komplikation der Influenza. Enzephaliti- Komplikationen hervorrufen können (Dravet-Syndrom, schwere den durch Influenza-Impfungen kommen nicht vor. Die Influ- myoklonische Epilepsie). enza ist eine komplikationsträchtige Infektionskrankheit. Insbe- sondere schwerwiegende Atemwegskomplikationen kommen Zusammenfassend betrachtet sind Impfrisiken und Impfneben- vor. Während der Influenza-Saison wird regelmäßig eine Über- wirkungen sehr gut bekannt und keinesfalls ein Argument, sterblichkeit durch Influenza beobachtet. eine Impfung zu verweigern. Es kann also keineswegs davon gesprochen werden, dass eine Impfmythos 5: Immunität nach Krankheit schützt besser Infektionskrankheit „benigne“ ist, die Impfung jedoch ein Risiko als Immunität durch Impfung darstellt. Eine Wild-Infektion kann im Vergleich zu einer Impfung zu höheren Antikörperspiegeln und einer quantitativ besseren Auch die Annahme, dass nach einer Keuchhusteninfektion eine Immunantwort führen. lebenslange Immunität besteht ist falsch. Eine Keuchhusten- Infektion führt nicht zu einer lebenslangen Immunität. Ähnlich Die klinische Bedeutung ist jedoch unklar. Im Gegenteil, einige wie nach der Keuchhusten-Impfung besteht eine Immunität, Infektionskrankheiten haben einen supprimierenden Effekt auf das Immunsystem. Die Masern-Infektion führt beispielsweise zu einer ausgeprägten Immunsuppression, die über Monate anhält und Einfluss auf die Sterblichkeit durch andere Infekti- onskrankheiten hat. Die akute Masern-Infektion induziert eine passagäre Immunsuppression, die gerade kleine Kinder für weitere Infektionskrankheiten prädisponiert. Im Gegensatz dazu scheint die Masern-Impfung eher das kindliche Immun- system zu stabilisieren. Bei einem unter 3.000 bis 10.000 Erkrankten kann es Jahre nach der Infektion zu einer immer tödlich verlaufenden subakuten, sklerosierenden Panenzepha- litis (SSPE) kommen, einer Komplikation, die bisher nie nach Masern-Impfung aufgetreten ist. Ärzteblatt Rheinland-Pfalz ❙ 10/2019 17
Schwerpunkt Impfung 1960 1980 2000 Pocken ca. 200 - - Diphtherie 1 1 1 Tetanus 1 1 1 Pertussis (Ganzkeim, 2000 azellulär) ca. 3.000 ca. 3.000 2-5 Poliomyelitis 15 15 15 Masern - 10 10 Mumps - 9 5 Röteln - 9 5 Hemophilus influenzae Typ b - - 2 Varizellen - - 69 Pneumokokken - - 8 Hepatitis B - - 1 Antigene gesamt ca. 3.217 ca. 3.041 ca. 123 – 126 Tabelle 2: Anzahl immunogener Proteine und Polysaccharide in Impfstoffen z wischen 1960 und 2000 Q ue lle: modifizier t n a ch O ffit et a l. die maximal zehn Jahre anhält. Auch nach einer Keuchhusten- sollten Laborverfahren zur Überprüfung des Impferfolgs nicht Infektion besteht somit wieder eine Ansteckungsmöglichkeit. eingesetzt werden; diese sind nur bei ganz speziellen Fragestel- lungen angezeigt. Impfmythos 6: Impfungen schaden ungeimpften Haushaltsmitgliedern Impfmythos 8: Kombinationsimpfstoffe sind eine zu Die MMR-Impfung zum Beispiel ist ansteckend. Der MMR- große Belastung für das Immunsystem Kombinations-Impfstoff gegen Masern-Mumps-Röteln ist ein Möglicherweise rührt diese Ansicht aus der Vorstellung, dass Lebendimpfstoff der zwar noch vermehrungsfähige, aber abge- viele Ganzkeimimpfstoffe kombiniert verabreicht werden und schwächte Impfviren enthält. Diese stellen keine Gefahr für das damit eine Vielzahl von Antigenen durch das Immunsystem zu Umfeld des Geimpften da. Sollte es beim Geimpften zu einer verarbeiten sind. Tabelle 2 fasst die Anzahl immunogener Pro- Impfkrankheit kommt, die einer leichten Masern-Mumps- teine und Polysaccharide in Impfstoffen zwischen 1960 und Röteln-Erkrankung ähnelt, ist diese nicht ansteckend. 2000 zusammen. Impfmythos 7: Auf der Basis von Antikörperspiegeln Moderne Impfstoffe sind hochgereinigt und auf wenige, immu- lassen sich individuelle Impfkalender gestalten nologisch wichtige antigene Strukturen reduziert. So enthalten Zu vermeintlichen Korrelaten des Schutzes nach Immunisie- die neuen Meningokokken Typ B-Impfstoffe lediglich zwei bis rung hat es in der Vergangenheit eine Vielzahl von Untersu- vier Komponenten und humane Papillomavirus-Impfstoffe chungen gegeben. Verlässliche Korrelate des Schutzes nach (HPV) enthalten als Antigen jeweils nur noch ein Proteinele- Immunisierung oder Erkrankung, die eine Beurteilung in der ment aus der Hülle der Viren. Praxis zulassen, gibt es nur wenige. Tabelle 2 zeigt, dass beispielsweise die heute genutzten azellu- Den „Goldstandard“ für den „Schutz nach Impfung“ stellen kli- lären Keuchhustenimpfstoffe mit zwei bis fünf Komponenten nische Wirksamkeitsstudien dar, die allerdings mit serologi- deutlich weniger antigene Strukturen enthalten, im Vergleich schen Ergebnissen (statistisch) übereinstimmen können. Die zu den früher genutzten Ganzkeim-Pertussis-Impfstoffen mit individuelle, zuverlässige Ermittlung des Impferfolges ist mit mehr als 3.000 unterschiedlichen Antigenen. serologischen Verfahren regelhaft nicht möglich. Limitationen der routinemäßigen Antikörpermessung liegen in den jeweili- So ist es gelungen, die Zahl der heute Säuglingen im ersten gen Messverfahren (ELISA), die unterschiedliche Spezifitäten Jahr verabreichten Impfstoffe mindestens um den Faktor zehn und Sensitivitäten aufweisen. auf unter 150 Antigene zu reduzieren. Eine Simulation hat erge- ben, selbst wenn ein Kind elf Impfungen auf einmal erhalten Auch der Zeitpunkt der Messung im individuellen Verlauf der würde, wären nur circa 0,1 Prozent des Immunsystems „be Immunreaktion auf ein Antigen kann sehr bedeutend sein und schäftigt”. Die Annahme hierfür waren Impfstoffe mit 100 Anti- zu erheblichen Unterschieden der Messergebnisse führen. Zur genen mit je zehn Epitopen. Diese 100 Epitope benötigen 100 Planung eines „individuellen Impfkalenders“ und in der Routine B-Zellen, die 10 ng/ml epitop-spezifische Antikörper produzie- 18 Ärzteblatt Rheinland-Pfalz ❙ 10/2019
Schwerpunkt ren. Theoretisch könnte daher ein Kind auf circa 10.000 Impf- heiten, nicht nur, aber auch durch den Einsatz von Impfstoffen, stoffe gleichzeitig reagieren. schwindet die Angst vor Infektionen und deren Komplikatio- nen. Kombinationsimpfstoffe führen darüber hinaus zu weniger Impfterminen und weniger Injektionen, sind also insgesamt Zugleich wächst die Sorge vor möglichen nachteiligen Effekten auch verträglicher. Zudem sind früher in den Impfstoffen ent- von Impfungen. Seit Einführung von Impfungen halten sich haltene Konservierungsstoffe wie Thiomersal mittlerweile aus Mythen über Risiken und Nebenwirkungen von Impfstoffen den heute verabreichten Formulierungen entfernt worden. hartnäckig. Keine der redundant beförderten Impfmythen ist bisher durch wissenschaftliche Evidenz bestätigt worden. Viel- Die Belastung durch das als Adjuvanz eingesetzte Aluminium- mehr belegen die vorliegenden seriösen Erkenntnisse, dass salz ist wesentlich geringer als die Menge an Aluminium, die heute eingesetzte Impfstoffe wirksam sind und eindeutig weni- durch Nahrungsmittel oder Kosmetika aufgenommen wird. ger Nebeneffekte haben als die Krankheiten, die durch sie ver- Ferner ist zu berücksichtigen, dass die Qualität des Immunsys- hindert werden können. tems eines Menschen bereits bei der Geburt („innate immu- nity“) nicht zu unterschätzen ist. Die Menge an Fremdantigen, welche wir täglich mit der Nahrung aufnehmen oder durch Kontakte mit unserer Umwelt erfahren, ist um ein vielfaches L iteratur b ei d en Auto ren höher als die Antigenmenge in Impfstoffen. Impfmythos 9: Impfungen sind für Autoimmunerkrankungen verantwortlich Auto ren: Die Bedeutung von Impfstoffen für die Entwicklung von Auto- Univ.-Prof. Dr. Markus Knuf immun-Erkrankungen wird immer wieder diskutiert. Unzweifel- Klinik für Kinder und Jugendliche haft sind die Ursachen von Autoimmun-Erkrankungen nicht Helios Dr. Horst Schmidt Kliniken hinreichend geklärt. Ludwig-Erhard-Straße 100 Foto: privat 65199 Wiesbaden Es wird angenommen, dass auf der Basis einer genetischen Pädiatrische Infektiologie, Prädisposition verschiedene Faktoren aus der Umwelt wie bei- Pädiatrische Intensivmedizin, spielsweise auch Infektionserkrankungen in der Pathogenese Universitätsmedizin Mainz eine Rolle spielen. Da Impfstoffe das Immunsystem zumindest markus.knuf@helios-gesundheit.de in ähnlicher Weise wie in der Natur vorkommende Infektions erreger adressieren, ist es grundsätzlich vorstellbar, dass auch Univ.-Prof. Dr. Fred Zepp Foto: Pulkowski/Universitäts- eine Impfung bei einem genetisch suszeptiblen Individuum zu Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin einer Auslösung der Autoimmunreaktion beitragen kann. Universitätsmedizin Mainz medizin Mainz Langenbeckstraße 1 Bislang gibt es jedoch keine definitive Evidenz, die einen kau- 55131 Mainz salen Zusammenhang zuverlässig belegt. Vor Jahren wurde von einer Forschergruppe das „Syndrom autoimmunologischer Erkrankungen durch Additive“ (ASIA) beschrieben. Hierbei wird angenommen, dass Impfstoffzusätze wie Konservierungsstoffe oder Adjuvanzien für eine Autoimmunerkrankung verantwort- lich sind. Obwohl ASIA in der wissenschaftlichen Literatur stark diskutiert worden ist, stellt es zunächst nur ein primär theoreti- sches Konzept dar. Es ist nicht gelungen, den hypothetischen Überlegungen formal-wissenschaftliche Evidenz für einen kausalen Zusammenhang von Impfstoffen und Autoimmun- Phänomen vorzulegen. Bisher haben alle Untersuchungen zur Inzidenz von Autoimmun-Erkrankungen kein erhöhtes Risiko für derartige Erkrankungen nach Impfungen nachweisen können. Zu sa m m e n fa ssu n g : Trotz der zweifelsohne großen Erfolge von Impfungen werden Impfstoffe und öffentliche Impfprogramme immer wieder kon- trovers diskutiert und in Frage gestellt. Angesichts des Ver- schwindens vieler früher lebensbedrohlicher Infektionskrank- Ärzteblatt Rheinland-Pfalz ❙ 10/2019 19
Tabelle 1: Impfkalender (Standardimpfungen) für Säuglinge, Kinder, Jugendliche und Erwachsene Alter in 316 Impfung Alter in Monaten Alter in Jahren 20 Wochen 6 2 3 4 11 – 14 15 – 23 2–4 5–6 7–8 9 – 14 15 – 16 17 ab 18 ab 60 Rotaviren G1 b G2 (G3) Tetanus G1 G2 G3 G4 N N A1 N A2 N A (ggf. N) e Schwerpunkt Robert Koch-Institut Diphtherie G1 G2 G3 G4 N N A1 N A2 N A (ggf. N) e Pertussis G1 G2 G3 G4 N N A1 N A2 N A3 e ggf. N Hib H. influenzae Typ b G1 G2 c G3 G4 N N Ärzteblatt Rheinland-Pfalz ❙ 10/2019 Poliomyelitis G1 G2 c G3 G4 N N A1 N ggf. N Hepatitis B G1 G2 c G3 G4 N N Pneumokokken a G1 G2 G3 N Sg Epidemiologisches Bulletin Nr. 34 Meningokokken C G1 (ab 12 Monaten) N Masern G1 G2 N Sf Mumps, Röteln G1 G2 N Varizellen G1 G2 N HPV Humane G1 d G2 d Nd Papillomviren Herpes zoster G1 h G2 h S Influenza (jährlich) a Frühgeborene erhalten eine zusätzliche Impfstoffdosis im Alter von 3 Monaten, d. h. insgesamt 4 Impfstoffdosen. Erläuterungen b Die 1. Impfung sollte bereits ab dem Alter von 6 Wochen erfolgen, je nach verwendetem Impfstoff sind 2 bzw. 3 Impfstoff- G Grundimmunisierung (in bis zu 4 Teilimpfungen G1 – G4) dosen im Abstand von mindestens 4 Wochen erforderlich. c Bei Anwendung eines monovalenten Impfstoffes kann diese Dosis entfallen. A Auffrischimpfung d Standardimpfung für Kinder und Jugendliche im Alter von 9 – 14 Jahren mit 2 Impfstoffdosen im Abstand von mindestens 5 Monaten, bei Nachholimpfung beginnend im Alter > 14 Jahren oder bei einem Impfabstand von < 5 Monaten zwischen S Standardimpfung 1. und 2. Dosis ist eine 3. Dosis erforderlich (Fachinformation beachten). N Nachholimpfung e Td-Auffrischimpfung alle 10 Jahre. Die nächste fällige Td-Impfung einmalig als Tdap- bzw. bei entsprechender Indikation als (Grund- bzw. Erstimmunisierung aller noch nicht Geimpften bzw. Tdap-IPV-Kombinationsimpfung. 22. August 2019 Komplettierung einer unvollständigen Impfserie) f Einmalige Impfung mit einem MMR-Impfstoff für alle nach 1970 geborenen Personen ≥ 18 Jahre mit unklarem Impfstatus, ohne Impfung oder mit nur einer Impfung in der Kindheit. g Impfung mit dem 23-valenten Polysaccharid-Impfstoff. h Zweimalige Impfung mit dem adjuvantierten Herpes-zoster-Totimpfstoff im Abstand von mindestens 2 bis maximal 6 Monaten. Quelle: Robert Koch-Institut, Epidemiologisches Bulletin Nr. 34
Schwerpunkt Präventionsgesetz macht Betriebsärzte erstmals zu SGB V-Akteuren Stephan Letzel, Thomas Nesseler, Dirk-Mathias Rose Betriebsärztinnen und Betriebsärzte haben unter anderem die medizin“, die nicht an der vertragsärztlichen Versorgung teil- Aufgabe, den Arbeitgeber beim Arbeitsschutz und bei der nehmen, berechtigt sind, Schutzimpfungen zu Lasten der Unfallverhütung in allen Fragen des Gesundheitsschutzes zu Krankenkassen vorzunehmen.“ unterstützen sowie die Arbeitnehmer vor dem Hintergrund einer Gefährdungsbeurteilung am Arbeitsplatz arbeitsmedizi- Neben den Impfungen bei einem erhöhten Risiko einer tätig- nisch zu beraten und deren Leistungsfähigkeit zu beurteilen keitsbedingten Infektion regelt das PrävG somit nun auch die sowie gegebenenfalls zu untersuchen. Die Verordnung zur Leistungserbringung von Betriebsärzten zu Lasten der GKV. arbeitsmedizinischen Vorsorge weist explizit darauf hin, dass Darüber hinaus enthält das Präventionsgesetz mit § 132e SGB Impfungen zur arbeitsmedizinischen Vorsorge gehören und V ein Kontrahierungsgebot sowie einen damit verbundenen den Beschäftigten anzubieten sind, soweit das Risiko einer Versorgungsauftrag sowohl für die Betriebsärzte als auch für Infektion tätigkeitsbedingt und im Vergleich zur Allgemeinbe- die Krankenkassen, der weder für die Betriebsärzte als Leis- völkerung erhöht ist. Dies gilt selbstverständlich nicht, wenn tungserbringer noch für die Krankenkassen als Kostenerstatter der oder die Beschäftigte bereits über einen ausreichenden ins Belieben gestellt ist. Der Gesetzgeber hat dieses Kontrahie- Immunschutz verfügt. rungsgebot zudem mit der Option eines Schiedsverfahrens verbunden, um den oben genannten Versorgungsauftrag zum Nach mehreren erfolglosen Anläufen ist im Jahr 2015 das Wohle der Versicherten ausdrücklich zu beglaubigen. Gesetz zur Stärkung der Gesundheitsförderung und der Präven- tion (Präventionsgesetz – PrävG) in Kraft getretenen. Das PrävG E rste S elek tiv ver träg e sind ab g eschlo ssen soll einen wichtigen Beitrag zur Impfprävention leisten. Die Umsetzung des PrävG hinsichtlich der Verbesserung der Die wissenschaftliche Fachgesellschaft Deutsche Gesellschaft Impfquote in der Bevölkerung ist ein nationales Gesundheits- für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin (DGAUM) hat inzwi- ziel und erfordert sinnvollerweise die Beteiligung der „Betriebs- schen bundesweit die ersten Selektivverträge zur Regelung ärzte“, das sind die Fachärzte für Arbeitsmedizin und die Ärzte von Schutzimpfungen durch Betriebsärzte mit Krankenkassen mit der Zusatzbezeichnung Betriebsmedizin. Die Arbeitswelt abgeschlossen. Die DGAUM hat ein datengestütztes, elektroni- mit ihren über 43 Millionen Beschäftigten stellt in unserer sches Abrechnungssystem (DGAUM-Selekt) etabliert, welches Gesellschaft das größte Präventionssetting dar. Dieses ist zu es unabhängig von der Kassenzugehörigkeit des Beschäftigten nutzen, wenn man das vorbenannte Gesundheitsziel umsetzen allen Betriebsärzten ermöglicht, ihren Versorgungsauftrag flä- will. In den Unternehmen und Betrieben sind Menschen zu chendeckend auch im Feld der gesetzlichen Krankenversiche- erreichen, die in der Vergangenheit häufig aus ganz unter- rung zu erbringen und effizient abzurechnen: https://www. schiedlichen Gründen die empfohlenen Schutzimpfungen dgaum.de/themen/impfungen-durch-betriebsaerzte/ . nicht haben durchführen lassen. Auto ren: Foto: Universitätsmedizin Mainz B et r i e bsä r zte d ü r fen z u G KV- L as ten i mp fen Univ.-Prof. Dr. med. Dipl.-Ing. Stephan Letzel Institut für Arbeits-, Sozial- und Mit dem PrävG wurden die Betriebsärzte erstmals im § 132e zu Umweltmedizin der Akteuren im Sozialgesetzbuch V (SGB V) und sind damit unter Universitätsmedizin Mainz anderem im Feld der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) verankert: „Die Krankenkassen oder ihre Verbände schließen Dr. Thomas Nesseler mit Kassenärztlichen Vereinigungen, geeigneten Ärzten ein- Hauptgeschäftsführer der Deutschen Foto: DGAUM schließlich Betriebsärzten, deren Gemeinschaften, Einrichtun- Gesellschaft für Arbeitsmedizin und gen mit geeignetem ärztlichen Personal oder den Behörden Umweltmedizin (DGAUM) der Länder, die für die Durchführung von Schutzimpfungen Foto: Universitätsmedizin Mainz nach dem Infektionsschutzgesetz zuständig sind, Verträge über Univ.-Prof. Dr. med. Dirk-Mathias Rose die Durchführung von Schutzimpfungen […]. Dabei haben sie Institut für Arbeits-, Sozial- und sicher zu stellen, dass insbesondere die an der vertragsärztli- Umweltmedizin der chen Versorgung teilnehmenden Ärzte sowie Fachärzte für Universitätsmedizin Mainz Arbeitsmedizin und Ärzte mit der Zusatzbezeichnung „Betriebs- Ärzteblatt Rheinland-Pfalz ❙ 10/2019 21
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