Masern, Mumps und Röteln - eine Perspektive der Landesregierung Rheinland-Pfalz - Landesärztekammer Rheinland ...

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Masern, Mumps und Röteln - eine Perspektive der Landesregierung Rheinland-Pfalz - Landesärztekammer Rheinland ...
Gastbeitrag

                         Foto: MSAGD Dennis Möbus
                                                                Sabine Bätzing-Lichtenthäler

Masern, Mumps und Röteln – eine
Perspektive der Landesregierung
Rheinland-Pfalz
Impfungen gehören zu den wichtigsten medizinischen Vorsor-      unsere Kampagne „Masern im Anzug“, die im letzten Jahr mit
gemaßnahmen und stellen einen hochwirksamen Schutz vor          allen Beteiligten der Arbeitsgruppe Impfen gestartet wurde. Sie
Infektionskrankheiten dar. Primär schützt die Impfung den       dient der Sensibilisierung und Aufklärung über den Stellenwert
Einzelnen vor der Erkrankung. Werden in der Bevölkerung dar-    der Impfprävention zur Bekämpfung der Masern. Mit dem Auf-
über hinaus hohe Impfquoten erreicht, können sich Krankheits-   takt zur Grippeimpfung im Landtag rufen wir alljährlichen im
erreger nicht mehr von Mensch zu Mensch ausbreiten. Men-        Herbst gemeinsam mit der Landesärztekammer dazu auf, sich
schen, die aus medizinischen Gründen nicht geimpft werden       gegen Grippe impfen zu lassen.
dürfen, können auf diese Weise geschützt werden. Die Weltge-    Besonders im Kindesalter kann sich das Ergebnis dieser Maß-
sundheitsorganisation setzt zum Beispiel für eine Elimination   nahmen sehen lassen: Die Impfquoten in Rheinland-Pfalz lie-
der Masern einen dauerhaften Impfschutz von 95 Prozent der      gen deutlich über dem Bundesschnitt. Kinder sind nach wie vor
Menschen im impffähigen Alter mit beiden Masernimpfungen        die Personengruppe mit den höchsten Impfquoten. Hingegen
voraus, um eine Herdenimmuntät zu erreichen. Somit haben        ist festzustellen, dass bei (jungen) Erwachsenen auch im Hin-
Impfungen auch einen gesellschaftlichen Nutzen zum Ziel!        blick auf Masern, aber auch bezüglich weiterer impfpräventab-
                                                                ler Krankheiten wie Mumps, Röteln, Influenza, oft kein ausrei-
Rheinland-Pfalz verfolgt das Ziel der Steigerung der Impfquo-   chender Impfschutz vorhanden ist. Hier müssen wir weiterhin
ten mit einer Reihe von Maßnahmen. Besonders effektiv war       verstärkt ansetzen und den Impfschutz bei Erwachsenen
die Einführung des Einladungs- und Erinnerungswesen zu den      komplettieren. Deshalb stimme ich dem Gesetzentwurf des
Vorsorgeuntersuchungen im Kindesalter mit dem Kinder-           Masernschutzgesetzes grundsätzlich zu, weil er auch Erwach-
schutzgesetz 2008. Dadurch konnten die Teilnahmequoten an       sene und dabei die Berufsgruppen wie das Personal medizi­
den Kindervorsorgeuntersuchungen und damit an einer regel-      nischer Einrichtungen sowie pädagogische Fachkräfte in Ge­­
mäßigen Impfberatung auf über 98 Prozent gesteigert werden.     meinschaftseinrichtungen und Lehrpersonal in Schulen in den
Seither konnten die Impfquote der ersten Masernimpfung um       Blick nimmt. Auch mit der Novellierung der Hygieneverord-
circa zwei und die der zweiten Masernimpfung um fünf Prozent    nung für medizinische Einrichtungen werden wir in diesem
gesteigert werden. Auch durch die Einladung zur J1 – ohne       Jahr in Rheinland-Pfalz die Arbeitgeber verpflichten, einen
weitere Erinnerung – konnte eine Teilnahmerate von über 60      Immunschutz bei ihrem Personal sicherzustellen.
Prozent erreicht werden. Entsprechend ist die Impfrate der
HPV-Impfung in Rheinland-Pfalz auf der Basis der KV-Impfsur- Wichtig ist, dass trotz der kommenden Impfpflicht gegen
veillance mit 35,7 Prozent über dem Bundesdurchschnitt und Masern weiter auf allen Ebenen über die Notwendigkeit aller
innerhalb der westlichen Bundesländer auf einem Spitzenplatz. von der Ständigen Impfkommission am Robert Koch-Institut
                                                                 empfohlenen Impfungen aufgeklärt wird. Auf keinen Fall dür-
In Zusammenarbeit mit den an der Arbeitsgruppe Impfen fen sich die Impfquoten anderer Impfungen zugunsten der
Rheinland-Pfalz beteiligten verschiedenen Ärzteverbänden Masernimpfung verschlechtern, weil diese als weniger wichtig
und Organisationen konnte in Rheinland-Pfalz ein „fachüber- angesehen werden. In Rheinland-Pfalz wollen wir: #MitImp-
greifendes Impfen“ erreicht werden, was bedeutet, dass zum fungPunkten.
Beispiel die Kinderärztin oder der Kinderarzt die Eltern mitimp-
fen kann. Diese Maßnahme richtet sich insbesondere an junge Sabine Bätzing-Lichtenthäler
Erwachsene, um Impflücken in dieser Altersgruppe zu schlie- Ministerin für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie
ßen. Vor allem junge Erwachsene waren auch die Zielgruppe Rheinland-Pfalz

  8   Ärzteblatt Rheinland-Pfalz ❙ 10/2019
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Foto: Henrik Dolle/stock.adobe.com

Impfen: Eine wichtige
Präventionsmaß­nahme, die immer
wieder um Akzeptanz kämpfen muss
Ines Engelmohr

                                     Impfungen gehören zu den wichtigsten und wirksamsten präventiven Maßnahmen, und Impfen ist eine der ureigensten
                                     ärztlichen Tätigkeiten. Ärztinnen und Ärzte sorgen sowohl für Grundimmunisierungen als auch für Auffrischimpfungen.
                                     Das Ziel: notwendigen Impfschutz ein Leben lang zu erhalten.

E i ge ne r I m pfsch u t z s c h ü t z t au c h                                               Was macht die Ständige Impfkommission (STIKO)?
di e G e m e i nsc haf t
                                                                                               Die Ständige Impfkommission (STIKO) am Robert Koch-Institut
Impfen ist nicht nur ein wichtiges medizinisches Thema, son-                                   (RKI) erarbeitet die Empfehlungen für Deutschland für Impfun-
dern hat auch eine große gesellschaftliche Relevanz. Denn mit                                  gen für Säuglinge, Kleinkinder, Jugendliche und Erwachsene
Impfungen schützen die Bürgerinnen und Bürger nicht nur                                        und veröffentlicht diese regelmäßig. Die Krankenkassen über-
sich selbst vor ansteckenden Krankheiten, sondern auch die                                     nehmen üblicherweise die Kosten für die von der STIKO allge-
Gemeinschaft. Die sogenannte Herdenimmunität gibt denjeni-                                     mein empfohlenen Impfungen.
gen Schutz vor Ansteckung, die sich aus medizinischen Grün-
den nicht impfen lassen können. Ist also ein großer Teil der                                   Die STIKO ist ein unabhängiges Expertengremium, dessen
Bevölkerung gegen eine Infektion immun, so schützt das auch                                    Tätigkeit von der Geschäftsstelle im Fachgebiet Impfprävention
den Teil der Bevölkerung, der selbst nicht geimpft ist, weil die                               des Robert Koch-Instituts koordiniert und beispielsweise durch
Wahrscheinlichkeit, sich anzustecken, sinkt. Sind die meisten                                  systematische Analysen der Fachliteratur unterstützt wird. Ziel
Menschen geimpft, kann sich eine Erkrankung also kaum aus-                                     ist es, die Impfempfehlungen an neue Impfstoffentwicklungen
breiten oder sogar ganz zum Verschwinden gebracht werden.                                      und Erkenntnisse aus der Forschung optimal anpassen zu können.

                                                                                                                  Ärzteblatt Rheinland-Pfalz ❙ 10/2019    9
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An da s RKI über m it telte I m p fq u o ten u n d Ante i l vo rg e l e g te r I mpf a u s we i s e i n Proze nt be i d e n S c h u l e i n g a n g sunter­
suchung en in D eu t sc h la n d 2008 b is 2017. St a n d : Apr i l 2 0 1 9 , Q u e l l e : R K I

Die STIKO wurde im Jahr 1972 beim damaligen Bundesgesund-                     men haben. Und bei Kombinationsimpfungen (GOP 89200 bis
heitsamt eingerichtet. Aufgrund der Bedeutung ihrer Impfemp-                  89600) sind die Leistungen beziehungsweise die Patienten für
fehlungen wurde sie mit dem Infektionsschutzgesetz im Jahr                    jeden darin inbegriffenen Anwendungsbereich gezählt worden.
2001 gesetzlich verankert. Seit dem Jahr 2007 sind die von der                Das heißt: Ein Patient, der beispielsweise eine Impfung nach
STIKO empfohlenen Impfungen Grundlage für die Schutzimp-                      der GOP 89600 erhalten hat, ist jeweils in sechs verschiedenen
fungsrichtlinie (SI-RL) des Gemeinsamen Bundesausschusses                     Anwendungsbereichen gezählt.
und werden mit Aufnahme in die SI-RL Pflichtleistung der ge­­
setzlichen Krankenversicherung in Deutschland.              Somit haben im vergangenen Jahr die Ärztinnen und Ärzte
                                                            landesweit 786.066 Versicherte geimpft. Für 2018 registrierte
Die Versorgung bei anerkannten Impfschäden durch öffentlich die KV RLP circa 3,65 Millionen Patientenkontakte. Das bedeu-
empfohlene Impfungen wird durch die Bundesländer sicherge- tet, dass statistisch gesehen bei jedem vierten Patientenkon-
stellt.                                                     takt eine Impfung erfolgte.

I m pfdate n g es u c ht                                                      Die meisten Impfungen erfolgten bei den Allgemeinmedizi-
                                                                              nern und den hausärztlich tätigen Internisten. Sie impften ins-
In Deutschland gibt es kein einheitliches umfassendes System                  gesamt 593.260 Patienten. Die meisten hiervon waren 65 Jahre
zur Erhebung von Impfdaten. Zur Ermittlung des Impf- und                      und älter (317.807). An zweiter Stelle liegen die Kinder- und
Immunstatus der Bevölkerung müssen nach Angaben des RKI                       Jugendärzte: Sie verabreichten 157.948 Impfungen. Bei den
in Berlin daher Teilstichproben oder Querschnittsuntersuchun-                 Gynäkologen waren es 18.418 und bei den fachärztlichen Inter-
gen herangezogen werden, die eine Einschätzung der Impfsi-                    nisten 11.497 Impfungen. Ermächtigte Vertragsärzte waren mit
tuation ermöglichen. Daten zu durchgeführten Impfungen                        3.644 dabei und Sonstige mit 1.199 Impfungen.
werden in Deutschland überwiegend dezentral und regional
erhoben. Regelmäßig erhobene Daten zum Impfstatus der                         Weitere Blicke in die Impfstatistik sind ebenfalls interessant. So
Bevölkerung in allen Bundesländern liegen nur aus den Schu-                   zeigt sich beispielsweise bei der Influenza-Impfung, dass sich
leingangsuntersuchungen und ab dem Geburtsjahrgang 2004                       die Ärztinnen und Ärzte an die STIKO-Empfehlungen halten:
auch aus dem vom RKI koordinierten Projekt „KV-Impfsurveil-                   Bei den älteren Patienten ist die Zahl der Geimpften deutlich
lance” vor, das in Kooperation mit den 17 Kassenärztlichen Ver­               höher als bei den jüngeren Patienten: Bei den Patienten über
einigungen durchgeführt wird.                                                 65 Jahren waren es insgesamt 297.286 und bei den Patienten
                                                                              jünger als 65 Jahre 129.519 Influenza-Impfungen.
Wi e o f t i m pfen Är z te i n R h ei n l an d - P f al z ?
                                                                              I mpfquo ten d er S chuleing ang suntersuchunge n
Die rheinland-pfälzischen Ärztinnen und Ärzte sind beim Imp-
fen gut aufgestellt. Das geht aus der Impfstatistik der KV                    Schuleingangsuntersuchungen sind die einzige gesetzlich
Rheinland-Pfalz für das Jahr 2018 hervor. In der Statistik sind               festgelegte systematische Quelle zur dauerhaften Erhebung
alle abgerechneten Impfleistungen erfasst – auch die bei nicht                bundesweiter Impfdaten. Möglich macht dies das Infektions-
in Rheinland-Pfalz gemeldeten Versicherten. Nicht berücksich-                 schutzgesetz, auf dessen Basis seit 2011 regelmäßig der Impf-
tigt sind Impfungen, die Versicherte auf Basis von Selektivver-               status bei Kindern zum Schulstart erhoben wird. Die Gesund-
trägen zwischen Krankenkassen und Ärzteverbänden bekom-                       heitsämter beziehungsweise die von ihnen beauftragten Ärz-

 10     Ärzteblatt Rheinland-Pfalz ❙ 10/2019
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tinnen und Ärzte erheben diese Impfdaten bei den Schulein-     von 2,4 Prozentpunkten (Meningokokken-C-Impfung), 4,9 Pro-
gangsuntersuchungen. Dabei werden alle dokumentierten          zentpunkten (Pneumokokken-Impfung) sowie 1,4 und 5,0 Pro­
Impfungen registriert. Die Daten werden dem RKI zur Verfü-     zentpunkten (erste und zweite Varizellen-Impfung). Be­­trachte
gung gestellt. Daten zum Impfstatus von Kindern ohne Impf-     man zudem die Spannweite der Impfquoten, die in den Bun-
ausweis liegen nicht bundesweit vor.                           desländern erzielt würden, so bestünden die größten Unter-
                                                               schiede zwischen den Ländern bei den Impfungen gegen
Laut RKI lag der Anteil der in den Schuleingangsuntersuchun-   Varizellen (erste Impfung: 75,0 bis 95,1 Prozent, Spannweite
gen untersuchten Kinder mit vorgelegten Impfdokumenten im      20,1 Prozentpunkte; zweite Impfung: 69,8 bis 91,3 Prozent,
Zeitraum 2008 bis 2015 beständig über 92 Prozent und ist in    Spannweite 21,5 Prozentpunkte), Hepatitis B (78,1 bis 95,1 Pro-
den Jahren 2016 und 2017 auf unter 92 Prozent gesunken         zent, Spannweite 17,0 Prozentpunkte), Pneumokokken (77,0 bis
(2016: 91,7 Prozent; 2017: 91,6 Prozent).                      92,0 Prozent, Spannweite 15,0 Prozentpunkte) und Meningo-
                                                               kokken C (85,1 bis 94,2 Prozent, Spannweite 9,1 Prozentpunkte).
Ve rgl e i c h de r I m p fq u oten z w i s c h en
d e n B u nde sl ä n d er n                                    Z ahlen zur M asern-I mpfung

Wie in den Vorjahren hatten die im Jahr 2017 in den östlichen Die Impfquote für die erste Masern-Impfung stieg laut RKI-
Bundesländern untersuchten Kinder durchschnittlich einen Mitteilung bundesweit von 95,9 Prozent (2008) auf 96,7 Prozent
besseren Impfschutz bei allen von der STIKO empfohlenen (2012) und erreichte 2017 (wie auch bereits im Jahr 2016) bun-
Impfungen als Kinder in den westlichen Bundesländern. Das desweit 97,1 Prozent. Somit habe Deutschland bundesweit das
geht aus dem Epidemiologischen Bulletin Nr. 18/2019 des RKI Ziel der Weltgesundheitsorganisation (WHO) einer Impfquote
hervor.                                                       von mindestens 95 Prozent zumindest für die erste Masern-
                                                              Impfung erreicht. Wie bereits 2016 sei dieses Ziel auch 2017 in
Demnach lag die Quote für die Hepatitis-B-Impfung in den allen datenerhebenden Bundesländern erreicht worden. In
östlichen Bundesländern mit 90,5 Prozent um 4,3 Prozent- Rheinland-Pfalz lag die Quote für die erste Masern-Impfung bei
punkte höher als in den westlichen Bundesländern. Bei den 97,7 Prozent.
Impfungen gegen Diphtherie, Tetanus, Poliomyelitis, Pertussis
und Hib waren die Impfquoten in den östlichen Bundesländern Die Impfquote für die zweite Masern-Impfung stagniere nach
durchschnittlich um zwei Prozentpunkte höher als in den west- deutlichem Anstieg, so das RKI in seiner Auswertung für das
lichen Bundesländern. Impfquoten für die erste und zweite Jahr 2017. Im Jahr 2008 seien nur 89,0 Prozent der einzuschu-
Impfung gegen Masern, Mumps und Röteln lagen 0,6 und 1,8 lenden Kinder zweimal gegen Masern geimpft gewesen. 2012
Prozentpunkte oberhalb derer in den westlichen Bundeslän- seien es 92,4 Prozent und 2017 insgesamt 92,8 Prozent gewe-
dern.                                                         sen. Die für die Masern-Elimination angestrebte Impfquote von
                                                              mindestens 95 Prozent für die zweite Impfung sei bisher und
Auch die Inanspruchnahme der neueren Impfungen ist laut auch aktuell nur von Mecklenburg-Vorpommern und Branden-
RKI-Angaben in den östlichen Bundesländern grundsätzlich burg erreicht worden, so das RKI. In Rheinland-Pfalz lag die
höher als in den westlichen und zeigt sich in Unterschieden Quote bei 93,7 Prozent.

                                                                                  Ärzteblatt Rheinland-Pfalz ❙ 10/2019   11
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D ü r fe n a l l e Är z te i mp fen ?
                                                                     I mpf-Hotline b eim RKI
Die Schutzimpfungs-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesaus-
schusses regelt den Anspruch der Versicherten auf Leistungen       Eine telefonische Beratung zur Auslegung der STIKO-
für Schutzimpfungen. Sie orientiert sich hierbei an den Emp-       Empfehlungen bietet das Robert-Koch-Institut in Berlin
fehlungen der Ständigen Impfkommission beim Robert Koch-           an. Diese Impf-Hotline (030-18754-0) ist montags von
Institut – unter besonderer Berücksichtigung der Bedeutung         9:30 bis 11:30 Uhr und donnerstags von 12:00 bis 14:00
der Schutzimpfungen für die öffentliche Gesundheit. Die Richt-     Uhr zu erreichen. 			                        (eb)
linie konkretisiert den Umfang der im SGB V festgelegten Leis-
tungspflicht der gesetzlichen Krankenkassen auf der Grundlage
des Wirtschaftlichkeitsgebots im Sinne einer „notwendigen,
ausreichenden, zweckmäßigen und wirtschaftlichen Versor- Grenzen für die Ausübung der fachärztlichen Tätigkeit durch-
gung“ unter Berücksichtigung des allgemein anerkannten führen, um die Impfpflicht lückenlos umzusetzen.
Standes der medizinischen Erkenntnisse.
                                                                Darüber hinaus sieht das Masernschutzgesetz vor, dass der
Die Richtlinie schreibt auch die Aufklärungspflichten sowie die Öffentliche Gesundheitsdienst wieder verstärkt freiwillige Rei-
Dokumentation der impfenden Ärzte fest.                         henimpfungen in Schulen vornimmt. Daher werden die Kran-
                                                                kenkassen verpflichtet, mit dem Öffentlichen Gesundheits-
Die Richtlinie enthält zudem einen Passus zur Qualifikation dienst Vereinbarungen über die Erstattung der Kosten für diese
der impfenden Ärzte. Demnach können Ärzte impfen, die nach Impfungen zu treffen.
den berufsrechtlichen Bestimmungen über eine entspre-
chende Qualifikation zur Erbringung von Impfleistungen Die Dokumentation von Schutzimpfungen soll laut Gesetz
gemäß Weiterbildung verfügen. Impfungen zur Grippevor- auch in elektronischer Form möglich sein. Mit einem digitalen
sorge, im Not- und Bereitschaftsdienst sowie zur Abwehr von Impfausweis könne der Patient automatisiert an Termine für
bedrohlichen übertragbaren Erkrankungen zum Beispiel bei Folge- und Auffrischimpfungen erinnert werden.
Epidemie/Pandemie können Ärzte nach dieser Richtlinie in
Übereinstimmung mit dem Be­­rufsrecht des jeweiligen Bundes- I mpfpflicht so ll Kind er vo r
landes erbringen.                                               M asern schützen

I n R he i n l a nd-Pf al z d ü r fen al l e Är z te i m pfen     Um das neue Masernschutzgesetz, dessen Entwurf im Juli 2019
                                                                  im Bundeskabinett beschlossen wurde und das im März 2020
In Rheinland-Pfalz ist es bereits seit Langem so geregelt. Die    in Kraft treten soll, gab es im Vorfeld viele Diskussionen. Sein
derzeit gültige Weiterbildungsordnung regelt dies in den allge-   Ziel: Schul- und Kindergartenkinder wirksam vor Masern zu
meinen Inhalten für die Abschnitte B und C: Die Weiterbildung     schützen.
beinhaltet unter Berücksichtigung gebietsspezifischer Ausprä-     So sollen künftig alle Kinder beim Eintritt in die Schule oder in
gungen auch den Erwerb von Kenntnissen, Erfahrungen und           den Kindergarten beide von der Ständigen Impfkommission
Fertigkeiten in der Durchführung von Impfungen.                   empfohlenen Masern-Impfungen vorweisen müssen. Auch bei
                                                                  der Betreuung durch eine Tagesmutter muss ein Nachweis über
Für die Abrechnung von Impfleistungen ist nach Angaben der        die Masernimpfung erfolgen.
KV Rheinland-Pfalz somit auch keine spezielle Genehmigung
oder Qualifizierung nötig. Und: Auch fachübergreifendes Imp- Eine Impfpflicht ist in Deutschland nicht unbekannt. Zur Erin-
fen ist möglich. Das heißt: Frauenärzte dürfen auch Männer nerung: Bis 1976 gab es in Deutschland die Pockenimpfpflicht.
und Kinderärzte auch Erwachsene impfen.                        Inzwischen gelten die Pocken dank der Impfung weltweit als
                                                               ausgerottet. Auch jetzt sieht das Infektionsschutzgesetz bei
Mit dem Präventionsgesetz 2015 dürfen nun auch Betriebs- einer Ausbreitung von Erkrankungen eine mögliche Pflichtimp-
ärzte, die nicht an der vertragsärztlichen Versorgung teilneh- fung vor.
men, zu Lasten der Gesetzlichen Krankenversicherung impfen.
Die wissenschaftliche Fachgesellschaft Deutsche Gesellschaft I mpfg eg ner meld en sich zu Wo r t
für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin (DGAUM) hat inzwi-
schen bundesweit die ersten Selektivverträge zur Regelung Gegner betonen immer wieder, dass Impfen eine ganz indivi-
von Schutzimpfungen durch Betriebsärzte mit Krankenkassen duelle Entscheidung sei, die nicht per Gesetz bestimmt werden
abgeschlossen.                                                 dürfe. Zu den erklärten Kritikern zählen nicht nur einzelne Pri-
                                                               vatmenschen, sondern beispielsweise auch der Verein „Ärzte für
Auch das neue Masernschutzgesetz sieht vor, dass alle Ärzte individuelle Impfentscheidung“. Der Verein betont auf seiner
(ausgenommen Zahnärzte) Schutzimpfungen durchführen Internetseite, dass die ärztlichen Mitglieder keine Impfgegner
dürfen. Sie dürfen Schutzimpfungen unabhängig von den seien, aber „Impfstoffe können – wie alle Arzneimittel – auch

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schwere unerwünschte Wirkungen hervorrufen, im Einzelfall           Zudem forderte der Ärztetag alle Ärzte, Pflegende und in der
mit bleibender Beeinträchtigung der Gesundheit“. Die STIKO-         Erziehung in Gemeinschaftseinrichtungen Tätigen auf, ihren
Empfehlungen würden „tatsächlich als Empfehlungen“ verstan-         Impfstatus zu überprüfen: „Ein vollständiger Impfstatus ist Teil
den; „ihre zunehmende Interpretation als medizinischer Stan-        und Voraussetzung einer professionellen Berufsauffassung.“
dard beziehungsweise als Grundlage einer möglichen Impf-
pflicht“ lehnt der Verein ab. Die aktuell geforderte Impfpflicht    D ie R eg elung en d es M asernschutzg esetzes
missachte diese Verantwortlichkeit des Einzelnen. Der Verein
fordert daher den „Erhalt der freien, individuellen Impfentschei-   Das neue Masernschutzgesetz regelt auch den Nachweis der
dung nach differenzierter, umfassender und ergebnisoffener          Impfung. Dieser kann mit dem Impfpass erbracht werden. Kin-
ärztlicher Beratung“. Nur von den Eltern des Kindes könne „eine     der, die schon jetzt im Kindergarten und in der Schule oder in
Entscheidung dieser Tragweite getroffen werden“. Vertreter          anderen Gemeinschaftseinrichtungen betreut werden, müssen
des Vereins hatten im Juli in Berlin die Petition „Deutschland      den Nachweis bis zum 31. Juli 2021 erbringen. Wurde die
braucht keine Impfpflicht!“ mit über 143.000 Unterschriften an      Krankheit schon einmal durchlitten, kann der Nachweis durch
das Bundesgesundheitsministerium überreicht. Die Petition           ein ärztliches Attest erbracht werden.
fordert die Unterlassung sämtlicher Bemühungen zur Einfüh-
rung einer Impfpflicht.                                             Entsprechendes gilt für Personal in Gemeinschaftseinrichtun-
                                                                    gen und medizinischen Einrichtungen. Hierzu zählen unter
De u t sc he r Et h i k rat : er fol g rei c h e I m p f p ol i tik anderem Krankenhäuser, Einrichtungen für ambulantes Ope-
b ra u c ht u m fa ss en d en An s at z                             rieren, Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungen, in denen
                                                                    eine den Krankenhäusern vergleichbare medizinische Versor-
Der Verein sieht sich mit seiner Haltung im Einklang mit dem gung erfolgt, Dialyseeinrichtungen, Tageskliniken, Entbindungs­
Deutschen Ethikrat. Doch schaut man genau in die Erklärung einrichtungen, Arztpraxen, Zahnarztpraxen, Praxen sonstiger
des Ethikrates, liest sich das etwas anders. Der Deutsche Ethik- humanmedizinischer Heilberufe sowie ambulante Pflege-
rat hatte im Frühjahr alle Anstrengungen zur Erhöhung von dienste.
Impfquoten begrüßt – zugleich aber bei der Debatte um eine Flüchtlinge, Asylbewerberinnen und Asylbewerber müssen den
Masernimpfflicht die „unzulässige Verengung der Diskussion Impfschutz vier Wochen nach Aufnahme in eine Gemein-
auf Kinder, die unzureichende Berücksichtigung der Datenlage schaftsunterkunft nachweisen.
sowie den unscharfen Begriff der Impfpflicht“ kritisiert und
für einen „umfassenden Ansatz“ plädiert. Eine Debattenverkür- Die Länder und vor allem die Gesundheitsämter vor Ort sind für
zung hält der Deutsche Ethikrat für „verfehlt“. Seine Begrün- die Umsetzung und auch die Kontrolle zuständig. Sie können
dung: Fast die Hälfte aller an Masern Erkrankten in Deutschland einen Nachweis der Masernschutzimpfung anfordern – und
seien Erwachsene. Maßnahmen mit dem Ziel, die Masern- zwar unabhängig davon, ob der schon der Leitung der Einrich-
impfquote zu erhöhen, müssten daher als Adressaten sowohl tung vorliegt.
Kinder als auch Erwachsene einbeziehen. Eine erfolgreiche
Impfpolitik brauche zudem einen umfassenden Ansatz. Dieser
müsse das ganze Spektrum von Akteuren, Adressaten, Instru-
menten und Regelungsebenen auch in ihren Wechselbezie-
hungen in den Blick nehmen. Erst auf dieser Grundlage könne
geprüft werden, wie das Ziel eines hinreichenden Impfschutzes
mit Maßnahmen von möglichst geringer Eingriffstiefe erreicht
werden könne.

Är zte t a g u nte rs t ü t z t M as er n - I mp f l i c ht

Der Deutsche Ärztetag sieht dies anders. In einem entspre-
chenden Beschluss begrüßt der Deutsche Ärztetag die Impf-
pflicht gegen Masern und unterstützt sie.

Ferner forderten die Abgeordneten alle Krankenkassen auf,
Verträge über die Durchführung von Schutzimpfungen durch
Betriebsärzte sowie Ärzte im öffentlichen Gesundheitsdienst
abzuschließen, um Schutzimpfungen auch am Arbeitsplatz
und in weiteren Lebensbereichen vornehmen zu können. In
diesen Verträgen sei neben der Übernahme der Kosten des
Impfstoffes eine angemessene Vergütung der ärztlichen Impf-
leistung zu regeln.

                                                                                       Ärzteblatt Rheinland-Pfalz ❙ 10/2019    13
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WH O: Z a hl der M as er n f äl l e i s t
we l t we i t g e st i eg en                                      Was gehör t zur I mpfleistung?

Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) gab es         Die ärztliche Impfleistung umfasst laut RKI-Angaben
global im ersten Halbjahr 2019 die höchste Zahl an gemelde-       neben der Impfung:
ten Masernfällen seit 2006. So seien bis Ende Juli 2019 in 182    • Informationen über den Nutzen der Impfung und die zu
Ländern nach vorläufigen Zahlen fast 360.000 Masernfälle            verhütende Krankheit,
registriert gewesen. Laut WHO sind dies fast dreimal so viele     • Hinweise auf mögliche unerwünschte Arzneimittelwir-
wie im gleichen Zeitraum des vergangenen Jahres und mehr            kungen und Komplikationen,
als im Gesamtjahr 2018.                                           • Erheben der Anamnese und der Impfanamnese ein-
                                                                    schließlich der Befragung über das Vorliegen möglicher
2018 wurden weltweit insgesamt gut 350.000 Masern-Erkran-           Kontraindikationen,
kungen gemeldet - mehr als doppelt so viele wie im Jahr davor.    • Feststellen der aktuellen Befindlichkeit zum Ausschluss
Die WHO betont aber, dass nur ein Bruchteil der tatsächlichen       akuter Erkrankungen,
Erkrankungen gemeldet werde.                                      • Empfehlungen über Verhaltensmaßnahmen im An­­
                                                                    schluss an die Impfung,
Die aktuellen WHO-Zahlen lassen auch einen Blick auf verschie-    • Aufklärung über Beginn und Dauer der Schutzwirkung,
dene Impfregionen zu.                                             • Hinweise zu Auffrischimpfungen,
                                                                  • Dokumentation der Impfung im Impfausweis bezie-
So sei beispielsweise in der WHO-Afrikaregion die Zahl der          hungsweise Ausstellen einer Impfbescheinigung. (eb)
gemeldeten Fälle in den ersten sechs Monaten dieses Jahres im
Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 900 Prozent gestiegen
und in der Westpazifikregion um 230 Prozent. In der Europa-
Region sei sie um 120 Prozent gestiegen, so die WHO-Angaben. Fazit
Zu der Region zählen neben der EU auch Russland, die Türkei,
Israel und die in Asien liegenden Länder Usbekistan und Aser- Impfschutz geht uns Alle an. Möglichst jeder Arztkontakt sollte
baidschan.                                                    daher genutzt werden, um den Impfstatus zu überprüfen und
                                                              um mit den Patientinnen und Patienten notwendige Impfun-
Aus all diesen Gründen fordert die Weltgesundheitsorganisa- gen zu besprechen. Der Impfkalender der STIKO liefert gute
tion mehr Impfungen.                                          Übersichten. Und: Moderne Impfstoffe sind gut verträglich;
                                                              bleibende gravierende unerwünschte Arzneimittelwirkungen
                                                              werden nur in sehr seltenen Fällen beobachtet.

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Impfungen: Ängste und Mythen
Markus Knuf, Fred Zepp

Wie kaum eine andere medizinische Thematik rufen Impfungen
Ängste hervor und werden emotional, zuweilen auch ideolo-
gisch diskutiert.

Impfprävention wird oftmals nicht als medizinische Innovation,
sondern als Risiko und Gefahr für die eigene Gesundheit oder
die Gesundheit eines Kindes betrachtet. Die Risikobeurteilung
medizinischer Interventionen durch Laien, aber auch durch
Mediziner wird nur nachgeordnet durch wissenschaftliche
Argumente gestützt.

Die Art und Weise wie Entscheidungen zu Impfungen getroffen
werden, hat nur selten eine technische oder wissenschaftliche
Basis. Dieses ist ein Nährboden für Gerüchte, Hypothesen, un­­
bewiesene Behauptungen und eben „Impfmythen“.

Impfmythos 1: Impfungen werden adressiert,
gemeint sind gesellschaftspolitische Themen                      Abbi l d u n g 1 : U nte r s c h i e d l i c h e Ph a s e n d e r Wa h r n e h mung
Es ist notwendig, die Bewertung der Wirksamkeit von Impfun-      vo n E r k ra n k u n g s - u n d I mpf k o mpl i k ati o n e n
gen und deren Nebenwirkungen auch vor dem Hintergrund            Q u e l l e : a d a pti e r t n a c h K n u f u. a .
grundlegender gesellschaftlicher Bewertungsprinzipien zu
berücksichtigen.                                                 Ansteigende Impfquoten führen selbstverständlich auch zu
                                                                 einem höheren Vorkommen von Impfnebenwirkungen und
Im Entscheidungsprozess für oder gegen eine Impfung hat die -komplikationen. Dieses führt zu einem Vertrauensverlust und
Glaubwürdigkeit der Quelle die höchste Bedeutung. So war am in der Folge dann wieder vermehrt zu Infektionserkrankungen.
14.08.2018 in der FAZ zu lesen „Das Misstrauen gegen Impfspe- Wichtig ist dieses Phänomen plausibel zu erklären.
zialisten und medizinische Fachleute bei einer wachsenden
Zahl von Menschen speist sich möglicherweise aus der glei- In einer sehr gut geimpften Population kommen eben keine
chen Quelle wie der Zorn vieler Wähler gegen die überkom- Erkrankungen mehr vor, sondern nur noch „Impfnebenwirkun-
menden politischen Parteien. Es ist ein allgemeines Aufbegeh- gen“. Ein Beispiel hierfür ist die Kinderlähmung. In Kohorten,
ren gegen Eliten: gegen die Politischen und die Publizistischen, die mit dem oralen Polioimpfstoff (OPV), einem Lebendimpf-
gegen die Religiösen und die Intellektuellen und auch gegen
die Wissenschaftlichen.“

In diesem Spannungsfeld wird sicher auch die Diskussion um
eine Impfpflicht stattfinden.

 Mythos 2: Tradieren von historischen Daten sowie
 Fehlinterpretationen von Impfrisiken und
 Impfnebenwirkungen
 Im Mittelpunkt der Impfprävention steht immer der potenzielle
 Nutzen (Schutz vor Infektionskrankheit, Komplikationen von
 Infektionskrankheiten, Folgekrankheiten, Gemeinschafts-Effek­
­te und andere) im Vergleich zu möglichen Risiken (Impfneben-
 wirkungen, Komplikationen). So ranken um Impfrisiken und
 Nebenwirkungen auch einige „Mythen“.

Abb. 1 skizziert unterschiedliche Phasen der Wahrnehmung
von Erkrankungs- und Impfkomplikationen.

                                                                                          Ärzteblatt Rheinland-Pfalz ❙ 10/2019                15
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stoff, geimpft wurden, ist Kinderlähmung vollständig ver-         Beispielhaft sei die Datenlage zur Hypothese „Autismus nach
schwunden. Übrig blieben einige wenige Fälle mit einer „Vak-      Masern-Impfung” hier dargestellt.
zine-assoziierten paralytischen Poliomyelitis“ (VAPP). Die Kon-
sequenz konnte ja nicht ernsthaft sein, die Poliomyelitis-Imp-    Tabelle 1 fasst verschiedene Studien zusammen, die den Zu­­
fung wieder abzuschaffen und dafür eine Vielzahl an Wildinfek-    sam­­menhang zwischen MMR-Impfung und Autismus eindeutig
tionen in Kauf zu nehmen, sondern ernsthaft Alternativen          widerlegen.
so zu prüfen.
                                                                  Impfmythos 4: Impfrisiken und Nebenwirkungen sind
Das ist in Deutschland auch geschehen: Empfohlen ist seit Jah-    nicht hinreichend bekannt
ren die inaktivierte Poliovakzine (IPV) – ein Totimpfstoff ohne   Vielfach wird behauptet, dass Impfrisiken und Impfnebenwir-
VAPP. Leider wird IPV immer noch mit VAPP in Zusammenhang         kungen nicht bekannt sind. Richtig ist, dass Zulassungsstudien
gebracht. Auch kommt es zu Analogieschlüssen: Wenn die OPV        oftmals „nur“ einige Tausend Probanden haben und sehr sel-
zu VAPP führt, so muss doch der Masern-Lebendimpfstoff zu         tene oder genetisch bedingte Nebenwirkungen und -kompli-
Masern führen. Das Gegenteil ist der Fall. Die Masernimpfung
ist hoch-effektiv und führt zur Elimination von Masern in voll-
ständig geimpften Populationen.

Impfmythos 3: Impfungen werden schlecht toleriert
Impfnebenwirkungen und -komplikationen werden innerhalb
von (ausgedehnten) Studien, aber auch nach der Zulassung
(Pharmakovigilanz der Hersteller, Paul-Ehrlich-Institut (PEI))
erfasst. Vergleichsweise häufige systemische (Fieber) Neben-
wirkungen und Lokalreaktionen werden in der Regel gut
akzeptiert.

Abbildung 2 gibt den Anteil einzelner Reaktionen im zeitlichen
Zusammenhang mit Impfungen aller 2013 gemeldeten Reakti-
onen wieder.

Fieber (etwa 5 Prozent) und Lokalreaktionen (bis 10 Prozent)
werden am häufigsten erfasst. Dieses bedeutet umgekehrt,
dass offenbar bei 90 Prozent der Geimpften keine Nebenwir-
kungen aufgetreten sind. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass
die Art des Meldesystems einen erheblichen Einfluss auf die
Frequenz von Nebenwirkungen hat (Spontanmeldungen ver-
sus aktive Erfassung).

Andererseits tauchen immer wieder Hypothesen oder unbe-
wiesene Behauptungen auf, die im Zusammenhang mit einer
Impfung diskutiert werden. Bei solchen Hypothesen und unbe-
wiesenen Behauptungen handelt es sich oft nur um eine The-
matik, die einen Zusammenhang (Ko-Inzidenz) zwischen Imp-
fung und Symptompräsentation beschreibt. Es liegen jedoch
keine qualifizierten Studien vor, die eine Evidenz für den
ursächlichen Zusammenhang der potenziellen Komplikation
mit der Impfung finden konnten.

Als Beispiele solcher Hypothesen seien genannt:

• Autismus nach Masern-Mumps-Röteln (MMR)-Impfung
• Morbus Crohn nach Haemophilus influenzae Typ b (Hib)-
  Impfung
• Diabetes mellitus Typ 1 nach Hepatitis B-Impfung
                                                                  Abbi l d u n g 2 : Ante i l e i n ze l n e r R e a k ti o n e n i m ze i t li c hen
                                                                  Zu s a mme n h a n g mi t I mpf u n g e n a l l e r 2 0 1 3 g e me ldeten
Diese hypothetischen Zusammenhänge sind vielfach widerlegt        R e a k ti o n e n ( % )
worden und werden durch Wiederholen kein Faktum.                  Q u e l l e : mo d i f i z i e r t n a c h B f Ar m, PE I

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kationen nicht erfasst werden. Ein
Beispiel hierfür sind Fälle von
Narkolepsie in Skandinavien nach
Influenza-H1N1-Impfung mit dem
Adjuvanz ASO3.

Andererseits sind gerade die in
den vergangenen Jahren zugelas-
senen Impfstoffe mit Adjuvanzien
wissenschaftlich mit mehr als
100.000 Teilnehmern geprüft und
zur Zulassung gebracht worden.

Vor einigen Jahren wurde ein
Zusammenhang von plötzlichem
Kindstod mit Impfungen disku-
tiert. Eine umfangreiche Untersu-
chung des Robert-Koch-Institutes
über mehrere Jahre konnte die-
sen Verdacht nicht erhärten, im
Gegenteil weisen Daten des Paul-
Ehrlich-Institut (PEI) eher darauf-
hin, dass das Risiko für SIDS durch
Impfungen verringert wird.            Tabelle 1: Studien, die den Zusammenhang z wischen MMR- I mpfung und Autismus
                                      ein d eu t ig wid e r l e g e n .
                                      Q u elle: a d a p t ie r t n a c h K n u f e t a l.
Es bleibt festzuhalten, dass Imp-
fungen selbstverständlich Neben-
wirkungen aufweisen und bei genetisch suszeptiblen Indivi-      Ein anderes Beispiel stellt die Enzephalitis durch Influenzaviren
duen (zum Beispiel SCN1A-Mutation) auch schwerwiegende          da, eine gefürchtete Komplikation der Influenza. Enzephaliti-
Komplikationen hervorrufen können (Dravet-Syndrom, schwe­­re    den durch Influenza-Impfungen kommen nicht vor. Die Influ-
myoklonische Epilepsie).                                        enza ist eine komplikationsträchtige Infektionskrankheit. Insbe-
                                                                sondere schwerwiegende Atemwegskomplikationen kommen
Zusammenfassend betrachtet sind Impfrisiken und Impfneben- vor. Während der Influenza-Saison wird regelmäßig eine Über-
wirkungen sehr gut bekannt und keinesfalls ein Argument, sterblichkeit durch Influenza beobachtet.
eine Impfung zu verweigern.
                                                                Es kann also keineswegs davon gesprochen werden, dass eine
Impfmythos 5: Immunität nach Krankheit schützt besser           Infektionskrankheit „benigne“ ist, die Impfung jedoch ein Risiko
als Immunität durch Impfung                                     darstellt.
Eine Wild-Infektion kann im Vergleich zu einer Impfung zu
höheren Antikörperspiegeln und einer quantitativ besseren Auch die Annahme, dass nach einer Keuchhusteninfektion eine
Immunantwort führen.                                            lebenslange Immunität besteht ist falsch. Eine Keuchhusten-
                                                                Infektion führt nicht zu einer lebenslangen Immunität. Ähnlich
Die klinische Bedeutung ist jedoch unklar. Im Gegenteil, einige wie nach der Keuchhusten-Impfung besteht eine Immunität,
Infektionskrankheiten haben einen supprimierenden Effekt auf
das Immunsystem. Die Masern-Infektion führt beispielsweise
zu einer ausgeprägten Immunsuppression, die über Monate
anhält und Einfluss auf die Sterblichkeit durch andere Infekti-
onskrankheiten hat. Die akute Masern-Infektion induziert eine
passagäre Immunsuppression, die gerade kleine Kinder für
weitere Infektionskrankheiten prädisponiert. Im Gegensatz
dazu scheint die Masern-Impfung eher das kindliche Immun-
system zu stabilisieren. Bei einem unter 3.000 bis 10.000
Erkrankten kann es Jahre nach der Infektion zu einer immer
tödlich verlaufenden subakuten, sklerosierenden Panenzepha-
litis (SSPE) kommen, einer Komplikation, die bisher nie nach
Masern-Impfung aufgetreten ist.

                                                                                    Ärzteblatt Rheinland-Pfalz ❙ 10/2019    17
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 Impfung                                           1960                          1980                          2000
 Pocken                                           ca. 200                           -                            -
 Diphtherie                                          1                             1                             1
 Tetanus                                             1                             1                             1
 Pertussis (Ganzkeim, 2000 azellulär)             ca. 3.000                     ca. 3.000                       2-5
 Poliomyelitis                                       15                            15                           15
 Masern                                               -                            10                           10
 Mumps                                                -                            9                             5
 Röteln                                               -                            9                             5
 Hemophilus influenzae Typ b                          -                             -                            2
 Varizellen                                           -                             -                           69
 Pneumokokken                                         -                             -                            8
 Hepatitis B                                          -                             -                            1
 Antigene gesamt                                 ca. 3.217                     ca. 3.041                  ca. 123 – 126

Tabelle 2: Anzahl immunogener Proteine und Polysaccharide in Impfstoffen z wischen 1960 und 2000
Q ue lle: modifizier t n a ch O ffit et a l.

die maximal zehn Jahre anhält. Auch nach einer Keuchhusten- sollten Laborverfahren zur Überprüfung des Impferfolgs nicht
Infektion besteht somit wieder eine Ansteckungsmöglichkeit. eingesetzt werden; diese sind nur bei ganz speziellen Fragestel-
                                                                lungen angezeigt.
Impfmythos 6: Impfungen schaden ungeimpften
Haushaltsmitgliedern                                            Impfmythos 8: Kombinationsimpfstoffe sind eine zu
Die MMR-Impfung zum Beispiel ist ansteckend. Der MMR- große Belastung für das Immunsystem
Kombinations-Impfstoff gegen Masern-Mumps-Röteln ist ein Möglicherweise rührt diese Ansicht aus der Vorstellung, dass
Lebendimpfstoff der zwar noch vermehrungsfähige, aber abge- viele Ganzkeimimpfstoffe kombiniert verabreicht werden und
schwächte Impfviren enthält. Diese stellen keine Gefahr für das damit eine Vielzahl von Antigenen durch das Immunsystem zu
Umfeld des Geimpften da. Sollte es beim Geimpften zu einer verarbeiten sind. Tabelle 2 fasst die Anzahl immunogener Pro-
Impfkrankheit kommt, die einer leichten Masern-Mumps- teine und Polysaccharide in Impfstoffen zwischen 1960 und
Röteln-Erkrankung ähnelt, ist diese nicht ansteckend.           2000 zusammen.

Impfmythos 7: Auf der Basis von Antikörperspiegeln               Moderne Impfstoffe sind hochgereinigt und auf wenige, immu-
lassen sich individuelle Impfkalender gestalten                  nologisch wichtige antigene Strukturen reduziert. So enthalten
Zu vermeintlichen Korrelaten des Schutzes nach Immunisie-        die neuen Meningokokken Typ B-Impfstoffe lediglich zwei bis
rung hat es in der Vergangenheit eine Vielzahl von Untersu-      vier Komponenten und humane Papillomavirus-Impfstoffe
chungen gegeben. Verlässliche Korrelate des Schutzes nach        (HPV) enthalten als Antigen jeweils nur noch ein Proteinele-
Immunisierung oder Erkrankung, die eine Beurteilung in der       ment aus der Hülle der Viren.
Praxis zulassen, gibt es nur wenige.
                                                                 Tabelle 2 zeigt, dass beispielsweise die heute genutzten azellu-
Den „Goldstandard“ für den „Schutz nach Impfung“ stellen kli-    lären Keuchhustenimpfstoffe mit zwei bis fünf Komponenten
nische Wirksamkeitsstudien dar, die allerdings mit serologi-     deutlich weniger antigene Strukturen enthalten, im Vergleich
schen Ergebnissen (statistisch) übereinstimmen können. Die       zu den früher genutzten Ganzkeim-Pertussis-Impfstoffen mit
individuelle, zuverlässige Ermittlung des Impferfolges ist mit   mehr als 3.000 unterschiedlichen Antigenen.
serologischen Verfahren regelhaft nicht möglich. Limitationen
der routinemäßigen Antikörpermessung liegen in den jeweili-      So ist es gelungen, die Zahl der heute Säuglingen im ersten
gen Messverfahren (ELISA), die unterschiedliche Spezifitäten     Jahr verabreichten Impfstoffe mindestens um den Faktor zehn
und Sensitivitäten aufweisen.                                    auf unter 150 Antigene zu reduzieren. Eine Simulation hat erge-
                                                                 ben, selbst wenn ein Kind elf Impfungen auf einmal erhalten
Auch der Zeitpunkt der Messung im individuellen Verlauf der      würde, wären nur circa 0,1 Prozent des Immunsystems „be­­
Immunreaktion auf ein Antigen kann sehr bedeutend sein und       schäftigt”. Die Annahme hierfür waren Impfstoffe mit 100 Anti-
zu erheblichen Unterschieden der Messergebnisse führen. Zur      genen mit je zehn Epitopen. Diese 100 Epitope benötigen 100
Planung eines „individuellen Impfkalenders“ und in der Routine   B-Zellen, die 10 ng/ml epitop-spezifische Antikörper produzie-

 18    Ärzteblatt Rheinland-Pfalz ❙ 10/2019
Schwerpunkt

ren. Theoretisch könnte daher ein Kind auf circa 10.000 Impf- heiten, nicht nur, aber auch durch den Einsatz von Impfstoffen,
stoffe gleichzeitig reagieren.                                 schwindet die Angst vor Infektionen und deren Komplikatio-
                                                               nen.
Kombinationsimpfstoffe führen darüber hinaus zu weniger
Impfterminen und weniger Injektionen, sind also insgesamt Zugleich wächst die Sorge vor möglichen nachteiligen Effekten
auch verträglicher. Zudem sind früher in den Impfstoffen ent- von Impfungen. Seit Einführung von Impfungen halten sich
haltene Konservierungsstoffe wie Thiomersal mittlerweile aus Mythen über Risiken und Nebenwirkungen von Impfstoffen
den heute verabreichten Formulierungen entfernt worden.        hartnäckig. Keine der redundant beförderten Impfmythen ist
                                                               bisher durch wissenschaftliche Evidenz bestätigt worden. Viel-
Die Belastung durch das als Adjuvanz eingesetzte Aluminium- mehr belegen die vorliegenden seriösen Erkenntnisse, dass
salz ist wesentlich geringer als die Menge an Aluminium, die heute eingesetzte Impfstoffe wirksam sind und eindeutig weni-
durch Nahrungsmittel oder Kosmetika aufgenommen wird. ger Nebeneffekte haben als die Krankheiten, die durch sie ver-
Ferner ist zu berücksichtigen, dass die Qualität des Immunsys- hindert werden können.
tems eines Menschen bereits bei der Geburt („innate immu-
nity“) nicht zu unterschätzen ist. Die Menge an Fremdantigen,
welche wir täglich mit der Nahrung aufnehmen oder durch
Kontakte mit unserer Umwelt erfahren, ist um ein vielfaches L iteratur b ei d en Auto ren
höher als die Antigenmenge in Impfstoffen.

Impfmythos 9: Impfungen sind für
Autoimmunerkrankungen verantwortlich                            Auto ren:
Die Bedeutung von Impfstoffen für die Entwicklung von Auto-     Univ.-Prof. Dr. Markus Knuf
immun-Erkrankungen wird immer wieder diskutiert. Unzweifel-     Klinik für Kinder und Jugendliche
haft sind die Ursachen von Autoimmun-Erkrankungen nicht         Helios Dr. Horst Schmidt Kliniken
hinreichend geklärt.                                            Ludwig-Erhard-Straße 100

                                                                                                             Foto: privat
                                                                65199 Wiesbaden
Es wird angenommen, dass auf der Basis einer genetischen        Pädiatrische Infektiologie,
Prädisposition verschiedene Faktoren aus der Umwelt wie bei-    Pädiatrische Intensivmedizin,
spielsweise auch Infektionserkrankungen in der Pathogenese      Universitätsmedizin Mainz
eine Rolle spielen. Da Impfstoffe das Immunsystem zumindest     markus.knuf@helios-gesundheit.de
in ähnlicher Weise wie in der Natur vorkommende Infektions­
erreger adressieren, ist es grundsätzlich vorstellbar, dass auch Univ.-Prof. Dr. Fred Zepp

                                                                                                             Foto: Pulkowski/Universitäts­-
eine Impfung bei einem genetisch suszeptiblen Individuum zu Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin
einer Auslösung der Autoimmunreaktion beitragen kann.              Universitätsmedizin Mainz                 medizin Mainz

                                                                   Langenbeckstraße 1
Bislang gibt es jedoch keine definitive Evidenz, die einen kau- 55131 Mainz
salen Zusammenhang zuverlässig belegt. Vor Jahren wurde
von einer Forschergruppe das „Syndrom autoimmunologischer
Erkrankungen durch Additive“ (ASIA) beschrieben. Hierbei wird
angenommen, dass Impfstoffzusätze wie Konservierungsstoffe
oder Adjuvanzien für eine Autoimmunerkrankung verantwort-
lich sind. Obwohl ASIA in der wissenschaftlichen Literatur stark
diskutiert worden ist, stellt es zunächst nur ein primär theoreti-
sches Konzept dar. Es ist nicht gelungen, den hypothetischen
Überlegungen formal-wissenschaftliche Evidenz für einen
kausalen Zusammenhang von Impfstoffen und Autoimmun-
Phänomen vorzulegen. Bisher haben alle Untersuchungen zur
Inzidenz von Autoimmun-Erkrankungen kein erhöhtes Risiko für
derartige Erkrankungen nach Impfungen nachweisen können.

Zu sa m m e n fa ssu n g :

Trotz der zweifelsohne großen Erfolge von Impfungen werden
Impfstoffe und öffentliche Impfprogramme immer wieder kon-
trovers diskutiert und in Frage gestellt. Angesichts des Ver-
schwindens vieler früher lebensbedrohlicher Infektionskrank-

                                                                                  Ärzteblatt Rheinland-Pfalz ❙ 10/2019                        19
Tabelle 1: Impfkalender (Standardimpfungen) für Säuglinge, Kinder, Jugendliche und Erwachsene
                                                                                      Alter in
                                                                                                                                                                                                                                                                     316

                                         Impfung                                                                     Alter in Monaten                                                                   Alter in Jahren

20
                                                                                      Wochen

                                                                                            6            2    3             4           11 – 14   15 – 23        2–4          5–6         7–8         9 – 14        15 – 16        17       ab 18            ab 60

                                         Rotaviren                                       G1 b            G2          (G3)

                                         Tetanus                                                         G1   G2            G3           G4          N            N           A1            N                  A2                  N           A (ggf. N) e
                                                                                                                                                                                                                                                                                         Schwerpunkt
                                                                                                                                                                                                                                                                     Robert Koch-Institut

                                         Diphtherie                                                      G1   G2            G3           G4          N            N           A1            N                  A2                  N           A (ggf. N) e

                                         Pertussis                                                       G1   G2            G3           G4          N            N           A1            N                  A2                  N         A3 e        ggf. N

                                         Hib
                                         H. influenzae Typ b
                                                                                                         G1   G2 c          G3           G4          N            N

Ärzteblatt Rheinland-Pfalz ❙ 10/2019
                                         Poliomyelitis                                                   G1   G2 c          G3           G4          N                         N                               A1                  N                ggf. N

                                         Hepatitis B                                                     G1   G2 c          G3           G4          N                                            N

                                         Pneumokokken a                                                  G1                 G2           G3          N                                                                                                        Sg
                                                                                                                                                                                                                                                                     Epidemiologisches Bulletin Nr. 34

                                         Meningokokken C                                                                             G1 (ab 12 Monaten)                                           N

                                         Masern                                                                                          G1         G2                                            N                                           Sf

                                         Mumps, Röteln                                                                                   G1         G2                                            N

                                         Varizellen                                                                                      G1         G2                                            N

                                         HPV
                                         Humane                                                                                                                                                     G1 d G2 d                 Nd
                                         Papillomviren

                                         Herpes zoster                                                                                                                                                                                                 G1 h G2 h
                                                                                                                                                                                                                                                            S
                                         Influenza
                                                                                                                                                                                                                                                        (jährlich)
                                                                                                                                 a   Frühgeborene erhalten eine zusätzliche Impfstoffdosis im Alter von 3 Monaten, d. h. insgesamt 4 Impfstoffdosen.
                                       Erläuterungen
                                                                                                                                 b   Die 1. Impfung sollte bereits ab dem Alter von 6 Wochen erfolgen, je nach verwendetem Impfstoff sind 2 bzw. 3 Impfstoff-
                                       G Grundimmunisierung (in bis zu 4 Teilimpfungen G1 – G4)                                      dosen im Abstand von mindestens 4 Wochen erforderlich.
                                                                                                                                 c   Bei Anwendung eines monovalenten Impfstoffes kann diese Dosis entfallen.
                                       A Auffrischimpfung                                                                        d   Standardimpfung für Kinder und Jugendliche im Alter von 9 – 14 Jahren mit 2 Impfstoffdosen im Abstand von mindestens
                                                                                                                                     5 Monaten, bei Nachholimpfung beginnend im Alter > 14 Jahren oder bei einem Impfabstand von < 5 Monaten zwischen
                                       S Standardimpfung
                                                                                                                                     1. und 2. Dosis ist eine 3. Dosis erforderlich (Fachinformation beachten).
                                       N Nachholimpfung                                                                          e   Td-Auffrischimpfung alle 10 Jahre. Die nächste fällige Td-Impfung einmalig als Tdap- bzw. bei entsprechender Indikation als
                                         (Grund- bzw. Erstimmunisierung aller noch nicht Geimpften bzw.                              Tdap-IPV-Kombinationsimpfung.
                                                                                                                                                                                                                                                                     22. August 2019

                                         Komplettierung einer unvollständigen Impfserie)                                         f   Einmalige Impfung mit einem MMR-Impfstoff für alle nach 1970 geborenen Personen ≥ 18 Jahre mit unklarem Impfstatus,
                                                                                                                                     ohne Impfung oder mit nur einer Impfung in der Kindheit.
                                                                                                                                 g   Impfung mit dem 23-valenten Polysaccharid-Impfstoff.
                                                                                                                                 h   Zweimalige Impfung mit dem adjuvantierten Herpes-zoster-Totimpfstoff im Abstand von mindestens 2 bis maximal 6 Monaten.
                                       Quelle: Robert Koch-Institut, Epidemiologisches Bulletin Nr. 34
Schwerpunkt

Präventionsgesetz macht Betriebsärzte
erstmals zu SGB V-Akteuren
Stephan Letzel, Thomas Nesseler, Dirk-Mathias Rose

Betriebsärztinnen und Betriebsärzte haben unter anderem die       medizin“, die nicht an der vertragsärztlichen Versorgung teil-
Aufgabe, den Arbeitgeber beim Arbeitsschutz und bei der           nehmen, berechtigt sind, Schutzimpfungen zu Lasten der
Unfallverhütung in allen Fragen des Gesundheitsschutzes zu        Krankenkassen vorzunehmen.“
unterstützen sowie die Arbeitnehmer vor dem Hintergrund
einer Gefährdungsbeurteilung am Arbeitsplatz arbeitsmedizi-       Neben den Impfungen bei einem erhöhten Risiko einer tätig-
nisch zu beraten und deren Leistungsfähigkeit zu beurteilen       keitsbedingten Infektion regelt das PrävG somit nun auch die
sowie gegebenenfalls zu untersuchen. Die Verordnung zur           Leistungserbringung von Betriebsärzten zu Lasten der GKV.
arbeitsmedizinischen Vorsorge weist explizit darauf hin, dass     Darüber hinaus enthält das Präventionsgesetz mit § 132e SGB
Impfungen zur arbeitsmedizinischen Vorsorge gehören und           V ein Kontrahierungsgebot sowie einen damit verbundenen
den Beschäftigten anzubieten sind, soweit das Risiko einer        Versorgungsauftrag sowohl für die Betriebsärzte als auch für
Infektion tätigkeitsbedingt und im Vergleich zur Allgemeinbe-     die Krankenkassen, der weder für die Betriebsärzte als Leis-
völkerung erhöht ist. Dies gilt selbstverständlich nicht, wenn    tungserbringer noch für die Krankenkassen als Kostenerstatter
der oder die Beschäftigte bereits über einen ausreichenden        ins Belieben gestellt ist. Der Gesetzgeber hat dieses Kontrahie-
Immunschutz verfügt.                                              rungsgebot zudem mit der Option eines Schiedsverfahrens
                                                                  verbunden, um den oben genannten Versorgungsauftrag zum
Nach mehreren erfolglosen Anläufen ist im Jahr 2015 das Wohle der Versicherten ausdrücklich zu beglaubigen.
Gesetz zur Stärkung der Gesundheitsförderung und der Präven-
tion (Präventionsgesetz – PrävG) in Kraft getretenen. Das PrävG E rste S elek tiv ver träg e sind ab g eschlo ssen
soll einen wichtigen Beitrag zur Impfprävention leisten. Die
Umsetzung des PrävG hinsichtlich der Verbesserung der Die wissenschaftliche Fachgesellschaft Deutsche Gesellschaft
Impfquote in der Bevölkerung ist ein nationales Gesundheits- für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin (DGAUM) hat inzwi-
ziel und erfordert sinnvollerweise die Beteiligung der „Betriebs- schen bundesweit die ersten Selektivverträge zur Regelung
ärzte“, das sind die Fachärzte für Arbeitsmedizin und die Ärzte von Schutzimpfungen durch Betriebsärzte mit Krankenkassen
mit der Zusatzbezeichnung Betriebsmedizin. Die Arbeitswelt abgeschlossen. Die DGAUM hat ein datengestütztes, elektroni-
mit ihren über 43 Millionen Beschäftigten stellt in unserer sches Abrechnungssystem (DGAUM-Selekt) etabliert, welches
Gesellschaft das größte Präventionssetting dar. Dieses ist zu es unabhängig von der Kassenzugehörigkeit des Beschäftigten
nutzen, wenn man das vorbenannte Gesundheitsziel umsetzen allen Betriebsärzten ermöglicht, ihren Versorgungsauftrag flä-
will. In den Unternehmen und Betrieben sind Menschen zu chendeckend auch im Feld der gesetzlichen Krankenversiche-
erreichen, die in der Vergangenheit häufig aus ganz unter- rung zu erbringen und effizient abzurechnen: https://www.
schiedlichen Gründen die empfohlenen Schutzimpfungen dgaum.de/themen/impfungen-durch-betriebsaerzte/ .
nicht haben durchführen lassen.
                                                                  Auto ren:
                                                                                                                 Foto: Universitätsmedizin Mainz

B et r i e bsä r zte d ü r fen z u G KV- L as ten i mp fen        Univ.-Prof. Dr. med. Dipl.-Ing. Stephan Letzel
                                                                  Institut für Arbeits-, Sozial- und
Mit dem PrävG wurden die Betriebsärzte erstmals im § 132e zu Umweltmedizin der
Akteuren im Sozialgesetzbuch V (SGB V) und sind damit unter Universitätsmedizin Mainz
anderem im Feld der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV)
verankert: „Die Krankenkassen oder ihre Verbände schließen Dr. Thomas Nesseler
mit Kassenärztlichen Vereinigungen, geeigneten Ärzten ein- Hauptgeschäftsführer der Deutschen
                                                                                                                    Foto: DGAUM

schließlich Betriebsärzten, deren Gemeinschaften, Einrichtun- Gesellschaft für Arbeitsmedizin und
gen mit geeignetem ärztlichen Personal oder den Behörden Umweltmedizin (DGAUM)
der Länder, die für die Durchführung von Schutzimpfungen
                                                                                                                    Foto: Universitätsmedizin Mainz

nach dem Infektionsschutzgesetz zuständig sind, Verträge über Univ.-Prof. Dr. med. Dirk-Mathias Rose
die Durchführung von Schutzimpfungen […]. Dabei haben sie Institut für Arbeits-, Sozial- und
sicher zu stellen, dass insbesondere die an der vertragsärztli- Umweltmedizin der
chen Versorgung teilnehmenden Ärzte sowie Fachärzte für Universitätsmedizin Mainz
Arbeitsmedizin und Ärzte mit der Zusatzbezeichnung „Betriebs-

                                                                                     Ärzteblatt Rheinland-Pfalz ❙ 10/2019                             21
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