Kreislaufführung und Recycling Zero-Waste-Strategien - Kreislaufführung im verarbeitenden Gewerbe

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Kreislaufführung und Recycling Zero-Waste-Strategien - Kreislaufführung im verarbeitenden Gewerbe
Kreislaufführung und Recycling
Kreislaufführung im verarbeitenden
Gewerbe

Zero-Waste-Strategien

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Kreislaufführung und Recycling Zero-Waste-Strategien - Kreislaufführung im verarbeitenden Gewerbe
2   Was ist Zero Waste?

    WAS IST ZERO WASTE?
    Allgemein kann die Idee von Zero Waste definiert werden als der Erhalt aller
    Ressourcen durch verantwortungsbewusste Produktion, bewussten Konsum
    und die Wiederverwendung/Aufarbeitung aller Produkte, Verpackungen
    und Materialien ohne Verbrennung, Deponierung oder anderweitige um-
    welt- oder gesundheitsgefährdende Entsorgung [1]. Anstatt sich also darum
    zu kümmern, wie Abfall am umweltfreundlichsten entsorgt werden kann,
    soll sich damit befasst werden, dass dieser im besten Fall gar nicht erst ent-
    steht.

    Dieses Bestreben steht auch im Einklang mit dem Kreislaufwirtschaftsgesetz
    (KrWG), wonach vorrangig die Abfallvermeidung anzustreben ist. Das Ge-
    setz regelt vor allem [2]:

    1. die Vermeidung von Abfällen,

    2. die Verwertung von Abfällen,

    3. die Beseitigung von Abfällen und

    4. die sonstigen Maßnahmen der Abfallbewirtschaftung.

    Auch die in § 6 des KrWG aufgezeigte Abfallhierarchiespiegelt dies wider,
    wie in der nachfolgenden Abbildung zu sehen ist. Die anzustrebende Rang-
    folge unter den Abfallbewirtschaftungsmaßnahmen ist demnach klar festge-
    legt. [3]
Zero Waste als Unternehmensstrategie                                           3

Abbildung 1: Abfallhierarchie gemäß § 6 Kreislaufwirtschaftsgesetz

ZERO WASTE ALS UNTERNEHMENSSTRATEGIE
Was nach einer radikalen Utopie klingt, ist schon längst zu einer weltweiten
Bewegung geworden. Die Zero-Waste-Idee findet vor allem in der Lebensmit-
telbranche viel Anklang. Seit wenigen Jahren wird Zero Waste dank zahlrei-
cher Klima- und Kunststoffabfalldebatten mittlerweile jedoch auch zuneh-
mend in Industrieunternehmen thematisiert. Der Zero-Waste-Ansatz kann
dazu beitragen, Umweltbelastungen enorm zu reduzieren, und zudem für
die praktizierenden Unternehmen sehr profitabel sein. So hat z. B. die Brau-
erei Sierra Nevada allein durch das Wegfallen von Entsorgungskosten bis
zum Jahr 2012 insgesamt über 5,3 Mio. $ gespart und dabei mehr als
51.000 t Abfall und 11.000 t CO2 vermieden (siehe dazu auch weiter unten
„Gute-Praxis-Beispiele“) [4].
4   Voraussetzungen

    WELCHE VORAUSSETZUNGEN SIND IM UNTERNEHMEN FÜR
    ZERO WASTE NOTWENDIG?
    Um Zero Waste im Betrieb umsetzen zu können, ist es zunächst wichtig,
    dass der Unterschied zwischen Zero Waste und Zero Waste to Landfill be-
    wusst ist. Bei ersterem wird der Fokus explizit auf die Abfallvermeidung ge-
    legt, während bei letzterem lediglich dafür gesorgt wird, dass der Abfall am
    Ende nicht deponiert wird [5].

    Gemäß den Grundsätzen der Zero Waste Europe Foundation sollten Unter-
    nehmen nicht nur Abfall innerhalb des Unternehmens vermeiden, sondern
    auch außerhalb. Produkte sollten dementsprechend entwickelt und Produk-
    tionsprozesse optimiert werden, um das Recyclingpotenzial der Produkte im
    Lebensweg zu maximieren (u. a. Design for Recycling). Generell sollte der
    Fokus weg von der reinen Arbeitseffizienz, hin zur umfänglichen Ressour-
    ceneffizienz gesetzt werden. [6]

    Es existieren verschiedene Methoden, um dieses Ziel zu erreichen. Die
    oberste Priorität sollte darauf liegen, Produkte so zu gestalten, dass von vorn-
    herein gar nicht erst viel Abfall entstehen kann. Anschließend sollte der mit-
    telbar erzeugte Abfall weiter reduziert werden, indem im Einkauf möglichst
    auf rezyklierte Werkstoffe (Sekundär-Material) gesetzt wird und somit die
    benötigten Ressourcen (Primär-Material) in der Vorkette weiter minimiert
    werden [7]. Anschließend sollten Lösungen gefunden werden, wie z. B. der
    unvermeidbare Ausschuss sinnvoll weiterverwendet und das Produkt selbst
    möglicherweise genutzt werden kann, wenn es seinen ursprünglichen
    Zweck nicht mehr erfüllt. Material, das nicht mehr in seiner ursprünglichen
    Form eingesetzt werden kann, sollte möglichst betriebsintern rezykliert wer-
    den. Zuletzt wird ausgearbeitet, wie die restlichen Abfälle außerhalb des Un-
    ternehmens hochwertig und fachgerecht verwertet werden können. [6]
Voraussetzungen                                                              5

Um die oben genannten Punkte umzusetzen, muss zunächst analysiert wer-
den, welche Arten und Mengen an Abfall entstehen (siehe dazu auch Stoff-
stromanalyse) und ob er wiederverwertet werden kann. Dies erfordert oft-
mals innovative Lösungsansätze. Abfallvermeidung ist oft einfacher, als es
zunächst erscheint. So kann beispielsweise Papier eingespart werden, indem
von vornherein angestrebt wird, so viele Unterlagen wie möglich digital zu
verwalten. Auch beim Verpackungsmaterial kann viel eingespart werden,
beispielsweise, indem Ware in möglichst großen Mengen bestellt, Verpa-
ckungskartons zum Lagern oder Weiterverschicken von Ware verwendet,
wiederverwendbare Behälter implementiert oder geschreddertes Papier als
Polsterung herangezogen wird. Veraltete Betriebsmittel können oftmals wei-
terverkauft und in einem anderen Zusammenhang genutzt werden. [8, S.
89 – 99]

In der VDI-Richtlinie 4075 wird der Ansatz des produktionsintegrierten Um-
weltschutzes (PIUS) beschrieben. Im Rahmen eines kontinuierlichen Verbes-
serungsprozesses werden dabei für einen festgelegten Untersuchungsrah-
men Ein- und Ausgangsströme identifiziert sowie Kennzahlen und das Po-
tenzial für die Abfallvermeidung ermittelt. Anschließend lassen sich Maß-
nahmen zur Abfallvermeidung identifizieren, umsetzen und deren Erfolg
kontrollieren. Sämtliche Abfallströme werden somit hinterfragt und mini-
miert. [8]

Vor dem Etablieren von PIUS können bereits gering investive Maßnahmen
durchgeführt werden, wie z. B. [8]:

       •     Reduzierung der benötigten Anzahl an unterschiedlichen Mate-
             rialien,
6   Voraussetzungen

           •    Minimierung der Lagergrößen und -bestände, um Haltbarkeits-
                daten nicht zu überschreiten und den „Totbestand“ zu reduzie-
                ren,
           •    unkoordinierte Zwischenlager vermeiden, in denen durch un-
                sachgemäße Behandlung von Materialien Abfälle entstehen kön-
                nen,
           •    Inhalt von Gebinden und Behältern, wenn möglich, bei jedem Ar-
                beitsgang komplett aufbrauchen,
           •    hohe Sauberkeit der Arbeitsplätze, um Abfälle durch Verschmut-
                zung zu vermeiden.

    Weiterhin kann ein Benchmarking (Betriebsvergleich) sinnvoll sein, um
    überdurchschnittlich hohe Abfallmengen festzustellen.

    Um prozessbedingte Materialverluste aufzudecken, kann eine Materialfluss-
    kostenrechnung nach DIN EN ISO 14051 nützlich sein. Als erste Hilfestel-
    lung kann unter anderem der Materialflusskostenrechner des VDI ZRE die-
    nen. In dem Online-Tool können anhand von Material-Input- und -Output die
    Prozesskosten ermittelt und dabei die Höhe der monetären Materialver-
    schwendung aufgedeckt werden. Anhand dieser Informationen lässt sich
    einschätzen, wie hoch das Einsparpotenzial ist und welcher Prozess die
    höchsten Ausschussmengen verursacht, um dort mit der Prozessoptimie-
    rung zu beginnen.

    Um die Abfallziele des Betriebs zu erreichen, ist das Engagement der Mitar-
    beitenden unerlässlich. Das gilt insbesondere für Unternehmen mit Zero-
    Waste-Versprechen. Mitarbeitende sollten nicht nur für das Thema sensibi-
    lisiert, sondern auch aufgefordert werden, eigene Ideen für einen abfallfreien
    Arbeitsplatz einzubringen. Folgende Maßnahmen können dabei helfen, Mit-
    arbeitende zur Mithilfe bei der Abfallvermeidung zu motivieren [8]:
Gute-Praxis-Beispiele                                                          7

       •   eine Befragung durchführen, wo im Unternehmen Mitarbeitende
           Verschwendung beobachten,
       •   ein Vorschlagswesen etablieren und somit das operative Know-
           how der Mitarbeitenden nutzen,
       •   die Mitarbeitenden über die Gründe von Abfallvermeidungspro-
           jekten informieren und die zeitliche Abfolge verschiedener Pro-
           jekte offenlegen; die Motivation erhöht sich in der Regel, wenn
           der Sinn und Nutzen eines Projektes klar sind,
       •   in Schulungen und Workshops Wissen vermitteln, um die Mitar-
           beitenden zur Abfallminimierung zu befähigen,
       •   Ziele zur Abfallvermeidung für Abteilungen bzw. bestimmte Be-
           reiche vorgeben,
       •   Fortschritte im Rahmen des kontinuierlichen Verbesserungspro-
           zesses aufzeigen,
       •   in Betriebsanweisungen festlegen, wie Verschwendung durch
           konkrete Vorgehensweisen bei einzelnen Tätigkeiten reduziert
           werden kann.

GUTE-PRAXIS-BEISPIELE
Die momentan bereits nach Zero-Waste-Richtlinien handelnden Unterneh-
men sind in erster Linie Lebensmittelhersteller, Brauereien und kleinere
Start-ups. Unternehmen aus anderen Bereichen können sich jedoch von die-
sen Vorreitern inspirieren lassen, um anfallenden Abfall so weit wie möglich
zu reduzieren.

Eines dieser Vorreiter-Unternehmen ist die bereits oben genannte Brauerei
Sierra Nevada. Nahezu 100 % ihres Abfalls landet weder auf Deponien noch
in Verbrennungsanlagen oder auf irgendeine andere Art und Weise in der
8   Gute-Praxis-Beispiele

    Umwelt. Überschüssiger Hopfen und Gerste werden zu lokalen Farmen ge-
    schickt, um dort an Tiere weiterverfüttert zu werden. Alle anderen biologi-
    schen Abfälle werden mithilfe eigener Anlagen kompostiert und auf den
    Äckern der Farmen als Düngemittel genutzt. Kartons und Paletten werden
    ebenfalls wiederverwendet. Die Mitarbeiter sind für das Thema sensibilisiert
    (jeder bekommt z. B. am ersten Tag einen Thermobecher und Stoffbeutel ge-
    schenkt) und werden ermutigt, eigenständig Ideen einzubringen. Das ge-
    samte nicht vermeidbare, einseitig bedruckte Papier wird zu Notizbüchern
    für die Mitarbeiter weiterverarbeitet. [4]

    Ein weiteres positives Beispiel im Bereich der industriellen Abfallvermei-
    dung bietet das Unternehmen Project Automation & Engineering. Dieses hat
    ein Verfahren entwickelt, um den Verbrauch von Verpackungsmaterial beim
    Transport von PET-Flaschen zu verringern. Die Flaschen werden durch eine
    Kunststoffbanderole zusammengehalten, die 75 % weniger Material ver-
    braucht als eine Vollverpackung und trotzdem einen gleichwertigen Zusam-
    menhalt sicherstellt [9]. Somit wird Abfall in großem Umfang vermieden.

    Die hier genannten Unternehmen sind selbstverständlich nicht die einzigen
    mit vorbildlichem Abfallvermeidungs- bzw. -verringerungskonzept. Aller-
    dings behaupten einige Unternehmen, gemäß Zero-Waste zu handeln, erfül-
    len jedoch lediglich die Bedingungen des Zero Waste to Landfill und bezie-
    hen sich nur auf die Herstellung und nicht auf den Lebensweg ihrer Pro-
    dukte. Zero Waste to Landfill in Verbindung mit thermischer Verwertung ist
    keine Option im Sinne der hier dargestellten Ansätze für Kreislaufführungs-
    strategien. Um eine wahrhaftige Zero-Waste-Strategie verwirklichen zu kön-
    nen, ist es entscheidend, dass die Zero-Waste-Idee zu Ende gedacht wird
    (Cradle-to-Cradle) und nicht aufhört, sobald das Produkt die Fabrik verlässt
    (Cradle-to-Gate).
Literaturverzeichnis                                                         9

LITERATURVERZEICHNIS

[1] Zero Waste International Alliance, „Zero Waste Definition,“ zwia.org.
    2018. [Online]. Available: http://zwia.org/zero-waste-definition/.

[2] Umweltbundesamt (UBA), „Abfallvermeidung,“ 2017. [Online].
    Verfügbar unter: https://www.umweltbundesamt.de/themen/abfall-
    ressourcen/abfallwirtschaft/abfallvermeidung. [abgerufen am: 13.
    Mai 2020].

[3] U. (UBA), „Abfallrecht,“ 2019. [Online]. Verfügbar unter:
    https://www.umweltbundesamt.de/themen/abfall-
    ressourcen/abfallwirtschaft/abfallrecht. [abgerufen am: 13. Mai
    2020].

[4] Zero Waste International Alliance, „Case Study: Sierra Nevada,“ 24.
    Juli 2018. [Online]. Verfügbar unter: http://zwia.org/portfolio/case-
    study-sierra-nevada/. [abgerufen am: 13. Mai 2020].

[5] eco cycle solutions, „What zero waste isn't,“ [Online]. [abgerufen am:
    13. Mai 2020].

[6] Zero waste europe, „The zero waste business,“ [Online]. Verfügbar
    unter: https://zerowasteeurope.eu/zero-waste-in-business/.
    [abgerufen am: 7. Februar 2020].

[7] Zero Waste International Alliance, „Zero Waste Hierarchy of Highest
    and Best Use 7.0,“ [Online]. Verfügbar unter:
    http://zwia.org/zwh/#1533001676087-8dacadc9-5b2b. [abgerufen
    am: 2. Juli 2020].

[8] D. J. Paulo, Green Manufacturing Process and Systems, Heidelberg:
    Springer Verlag, 2013.
10   Literaturverzeichnis

     [9] Redaktion, WEKA. Abfallvermeidung im Unternehmen. [Online].
         Verfügbar unter:
         https://www.weka.de/umweltschutz/abfallvermeidung-im-
         unternehmen/ [abgerufen am: 13. Mai 2020].
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