LEHRSTUHL FÜR UMFORMTECHNIK - Univ.-Prof. Dr.-Ing. Bernd Engel - Uni Siegen
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Übersicht Vorwort ................................................................................................................................ 1 1. Cyber Rüsten 4.0 - EFRE Leitmarktwettbewerb Produktion.NRW .............................. 2 2. Zentrum für Smart Production Design Siegen (SmaPS) ............................................. 4 3. Erweiterung des Rotationzugbiegens zu einem teilkinematischen Verfahren mit reduzierten Werkzeugflächen ..................................................................................... 6 4. Regelung des Werkstoffflusses zur Erhöhung der Bauteilqualität beim Rotationszugbiegen .................................................................................................... 8 5. Ofenlose In-Takt-Erwärmung mittels Induktion (OTTER) .......................................... 10 6. Umfangsformen endlosfaserverstärkter thermoplastischer Verbundrohre ................ 12 7. Auffinden von Materialfehlern in Thermoplasten mittels aktiver Lockin- Thermografie ............................................................................................................. 15 8. Verfahrensentwicklung des inkrementellen Schwenkbiegens ................................... 17 9. Flexibles Schwenkbiegen von Kegeln aus Blechhalbzeugen.................................... 19 10. 3D-Schwenkbiegen (SB³) ........................................................................................ 21 11. Remote Production .................................................................................................. 23 12. Entwicklung einer Methode zur Formsimulation faserverstärkter Thermoplaste ..... 25 13. Biegen von Profilen mit variablem Querschnitt ........................................................ 28 Kontakte ............................................................................................................................ 30 I
Vorwort Der im Jahr 2004 gegründete Lehrstuhl hat unter dem Label „Biegen in Sie- gen“ international Anerkennung erlangt. Mit 15 wissenschaftlichen Mitarbei- tern und ca. acht Hilfswissenschaftlern bearbeiten wir ausschließlich Themen der Biegeumformung von Profilen und Rohren. In drei Arbeitsgruppen haben wir unsere Inhalte überschrieben mit • Prozessregelung und cyberphysische Systeme • Biegen von Rohren und Profilen metallischer Werkstoffe • Biegen von Rohren und Profilen faserverstärkter Thermoplaste Das UTS betreibt eine anwendungsnahe Forschung, um einerseits aktuelle Fragestellungen der Industrie in Grundlagenforschung zu bearbeiten und um andererseits industrielle Forschung nutzbar zu machen. Der enge Bezug zur Industrie ist häufig Ansatzpunkt zu Innovation und auch die Motivation zu in- genieurmäßiger Grundlagenforschung. Eine besondere Kompetenz des Lehrstuhls ist die Verfahrensentwicklung für zukünftige Anforderungen. Insbesondere die sich ändernden Produkte und Losgrößen erfordern einen Paradigmenwechsel in der Umformtechnik. Auflösen von Werkzeugen, Beherrschung des Biegeprozesses und digitale Verkettung vom Halbzeug bis zur Umformmaschine werden methodisch entwickelt und in einem industrienahen Laborumfeld erprobt. Ziel ist die skalierbare Fertigung, die in einer Konfiguration Varianz in der Geo- metrie, im Werkstoff und in der Halbzeuggeometrie zulässt. Mit zunehmender Individualisierung der Produkte spielen auch Fragestellungen zum Rüsten der Maschinen und Integration des Kunden in den Prozess eine zunehmende Rolle. In einem industrienahen Labor sind wir in der Lage, cyberphysische Lösungen zum Richten, Anwen- dungen individueller Produktfertigung und die Validierung von Verfahrensentwicklungen vorzuführen. Hierzu stehen dem Lehrstuhl drei Rotationszugbiegemaschinen, zwei Dreirollenbiegemaschinen eine Schwenkbiegemaschine sowie zwei Pressen zur Verfügung. Auch die Lehre und hier insbesondere in der Themenstellung in Studien-, Bachelor- und Masterarbeiten stehen meist in engem Zusammenhang mit den aktuellen Forschungsschwerpunkten und Entwick- lungsprojekten. Siegen, im März 2021 Prof. Dr.-Ing. Bernd Engel 1
1. Cyber Rüsten 4.0 - EFRE Leitmarktwettbewerb Produktion.NRW Projektmanager / Verbundkoordinator: Dr.-Ing. Christopher Kuhnhen Bearbeiterin: Linda Borchmann, M. Eng. Heutiges Vorgehen beim Maschinenrüsten Das Bestücken von Bearbeitungswerkzeugen auf Produktionsmaschinen, das sogenannte Rüsten oder auch Einrüsten von Maschinen, erfolgt heute in der Regel durch hochqualifiziertes Fachpersonal. Die dabei involvierten Facharbeiter (meist Maschinenschlosser, Industrie- oder Werkzeugmechaniker) rüs- ten die Maschinen auf Basis ihrer beruflichen Ausbildung, zuzüglich eines sich in der Regel selbst an- gelernten Erfahrungswissens, basierend auf Learning by Doing. Sobald es dabei zu Änderungen in der Werkzeuggeometrie oder auch einer Adaption der Werkzeuge auf einer anderen Maschine kommt, ist dieses Erfahrungswissen nur noch bedingt einsetzbar. Insbesondere moderne Produktionsmaschinen mit umfangreichen Steuerungs- und Regelungsmöglichkeiten bedürfen einer guten Ausbildung an der Maschine selbst, um folgeschwere Fehler, bspw. durch Maschinencrashs zu vermeiden. Projektinnovation Cyberrüsten 4.0 – Werkzeugmontage und Maschineneinrüsten mit Rüstnavi Das Ziel des Verbundvorhabens war es, den Maschinenbediener beim Einrichten des beispielhaft aus- gewählten Umformprozesses Biegen mit einem cyber-physischen System zu unterstützen. Kerngegen- stand war hierbei die Entwicklung eines Demonstrator-Leitsystems, welches den Bediener bei den Ein- stellungen zum Rüsten der Maschine unterstützt und komplexe Sach- und Verständniszusammen- hänge aufbereitet, auf Basis deren sich der Maschinenbediener orientieren kann. Die Rüstunterstützung wurde im Rahmen des Funktionsdemonstrators als sogenannter Expert to Go implementiert. Dieser Expert to Go beinhaltet zum einen das Static Expert Module (SEM) und zum anderen das Dynamic Expert Module (DEM). Beide Teilsysteme agieren unabhängig auf verschiedenen Plattformen voneinander. Das SEM benutzt zur Visualisierung die Augmented Reality Brille MS-HoloLens, welche den Bediener die Montagerei- henfolge der einzelnen Werkzeuge und Füge- und Verbindungselemente mit Hilfe von als Hologram- men eingeblendeten Tabellen, Anweisungen, Bildern und Videos darstellt. Es funktioniert als eine Art Navigationssystem. Im Anschluss an das Projekt Derzeit existieren keine bekannten Verfahren, welche einen erfahrenen Maschinenbediener selbst in die Lage versetzen einen komplexen Fertigungsprozess in ein cyberphysisches Hilfsmittel einzu- teachen. Sowohl die Erstellung einer interaktiven AR-Anweisung als auch die Initialisierung eines Bild 1.1: Gefördert durch den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung im Förderverfahren EFRE.NRW Produktion 2
selbstlernenden Systems stellen, neben der erstmaligen zusammenhängenden Betrachtung des kom- pletten Rüstprozesses – bestehend aus statischen und dynamischen Rüstanteilen – die größten Inno- vationen dar. Dabei wird das wertvolle Fachwissen der Facharbeiter genutzt, um einerseits Anweisun- gen für den statischen Rüstprozess zu erstellen und andererseits die Konfigurationen und Zusammen- hänge des Fertigungsprozesses abzuleiten und in ein selbstlernendes System zu überführen. Damit wird erstmalig ein umfassendes Frame- work zur Verfügung gestellt, mit welchem Unternehmen wissensintensive statische und dynamische Rüstprozesse auf Basis vorhandener Erfahrungen erfassen kön- nen und in der Folge, angereichert durch Prozessdaten, wieder zur Verfügung stel- len können. Dieses Ziel wurde mit den Projektpartnern Bild 1.2: Sicht durch die Brille: Unterstützung des Maschinenbe- weiter verfolgt und komplettierte die Rüst- dieners beim Rüsten und Einrichten des Fertigungsprozesses unterstützung nach Beendigung der För- mittels Hollogrammdarstellung auf Realmaschinenkörper derphase. Derzeit wird im Projekt "Laara" - Lernen, Informieren und kompetent Agie- ren mit Augmented Reality im Arbeitsprozess (BMBF) untersucht wie das Verhalten im Umgang mit AR in der Ausbildung erfolgen kann. Berücksichtigt werden dabei u.a. die Erkenntnisse zum informellen Lernen am Arbeitsplatz. Es bleibt jedoch zu untersuchen, inwieweit diese Erkenntnisse, Theorien und Forschungsmethoden in Bezug auf semi-virtuelle Arbeitsräume übertragbar sind und welche Konse- quenzen sich für die organisatorische Gestaltung von Arbeitsplätzen und die didaktische Gestaltung des Lernens im Arbeitsprozess ergeben. Erste Untersuchungsergebnisse folgen in Kürze. (laara.info) Wesentliche umformtechnische Veröffentlichungen • Schulte, L.; Kuhnhen, C.; Abele, D.; Hoffmann, S.; Pinatti de Carvalho, F.; Engel, B.; Schweitzer, M; Wulf, V. (2017): Cyber equipping 4.0 - FE-simulation-based setting instructions for a rotary draw-bending machine. In: XIV International Conference on Computational Plasticity. Fundamental and Applications, COMPLAS 2017, Barcelona, Spanien, 05.-11.09.2017, ISBN: 978-84-946909-6-9, S. 754- 765 • Hoffmann, S.; Abele, N.-D.; Kuhnhen, C.; Ludwig, T.; Schäfer, W.; Schulte, L.; Schweitzer, M.; Wulf, V. (2017): Herausforderungen des Wissensmanagements im Rahmen betrieblicher Rüstprozesse Konferenz: Zukunftsprojekt Arbeitswelt 4.0, Ministerium für Wirt- schaft, Arbeit und Wohnungsbau in Kooperation mit den Forschungsinstituten IAW, ZEW, IAO, ISI und Universität Hohenheim, Stutt- gart. • Kuhnhen, C. (2018): Cyberrüsten 4.0 – Fachvortrag. 2. Technologietag Umformtechnik am Automotive Center Südwestfalen, At- tendorn, 14.03.2018 • Kuhnhen, C.; Engel, B.: Cyberphysisches Rüsten und smarte Prozesse beim Rotations-zugbiegen. – 13. Umformtechnisches Kollo- quium Darmstadt, TU-Darmstadt, 25.09.2018 • RTL-West. Sendung am 19.09.2018, 18 Uhr, http://www.rtl-west.de/beitrag/artikel/brille-mit-effekt/ und http://www.rtl-west.de/li- vestream/sendung/2018-09-19/PGM1909/ • Borchmann, L.; Kuhnhen, C.; Engel, B. (2019): Sensitivity analysis of the rotary draw bending process as a database of digital equip- ping support, SheMet 2019, Leuven, Belgien, 15.-17.04.2019 3
2. Zentrum für Smart Production Design Siegen (SmaPS) Bearbeiter: Jonas Knoche, M. Sc. Industrie 4.0 – regional und transparent für einen zukunftsträchtigen Mittelstand Der Begriff der Industrie 4.0 ist in aller Munde, nicht zuletzt aufgrund der strategischen Ausrichtung der Bundesregierung auf den Forschungsschwerpunkt Industrie 4.0. Dennoch bleibt der Begriff der Indust- rie 4.0 für den industriellen Mittelstand der Region Südwestfalen ein schwer bis gar nicht zu fassender einheitlicher Begriff, wie zahlreiche Diskussionsrunden und wissenschaftliche Fachtagungen der ver- gangenen Jahre zeigen. So zeigte sich oftmals, dass mit dem Begriff der Industrie 4.0 ganzheitliche Umstrukturierungen der Fertigung und damit einhergehende immense Investitionen verbunden werden. Konkret wird befürchtet, dass die neu angeschafften Industrie 4.0-fähigen Anlagen nicht in die beste- hende Netzinfrastruktur integriert werden können und es für einen hinreichenden Informationsaus- tausch einer neuen Netzinfrastruktur bedarf. Vor diesem Hintergrund soll ein Zentrum für Smart Produktion Design an der Universität Siegen aufge- baut werden. Ziel dieser Forschungsinfrastruktur ist die Entwicklung und der Bau intelligenter Werk- zeuge und Betriebsmittel. Damit soll dem industriellen Mittelstand der Region Südwestfalen ein trans- parenter Einstieg in die Technologien der Industrie 4.0 ermöglicht und gleichzeitig dessen internationale Wettbewerbsfähigkeit gefördert werden. Dieser Ansatz ist insofern Erfolg versprechend, weil die mit den Werkzeugen und Betriebsmitteln gewählte Ebene der Integration der Notwendigkeit entspringt, dass für neue Produkte auch in neue Werkzeuge investiert werden muss. Neben einer Evolution der eingesetzten Werkzeuge und Betriebsmittel wird auch der Mensch als Werker 4.0 in die Produktions- landschaft der Industrie 4.0 integriert. Einsatz innovativer Technologien für intelligente Werkzeuge und Betriebsmittel Für den Bau intelligenter, Industrie 4.0-fähiger Werkzeuge und Betriebsmittel werden ebenso innovative Fertigungstechnologien beschafft. So können mittels additiver Fertigungstechnologien die Grenzen der herkömmlichen Fertigungstechnologien erweitert und vollkommen neue Gestaltungskonzepte ermög- licht werden. Von zentralem Interesse ist dabei die Integration von Sensoren und Aktuatoren. Für die zerstörungsfreie Prüfung additiv gefertigter Strukturen wird ein System basierend auf aktiver Thermografie zum Einsatz kommen. Ziel ist die Erfassung etwaiger innenliegender Bauteilfehler. Die Untersuchung des mechanischen Verhaltens im Betrieb wird mit einem optischen Messsystem zur Deh- nungs- und Steifigkeitsvermessung erfolgen. Für die Immersion des Menschen als Werker 4.0 in die Fertigungslandschaft der Industrie 4.0 wird der Einsatz eines Motion Capture Anzug sowie eines Trackingsystem zur Erfassung der Bewegung des Menschen angestrebt. Hiermit können Montage- und Handhabungsvorgänge während der Fertigung von Produkten sowie während dem Umgang mit Maschinen erfasst und ggf. aufgezeichnet werden. 4
Konzept für Demonstratorwerkzeug Für die Befähigung der zu beschaffenden Technologien sollen Demonstratoren in Form von Umform- werkzeugen gebaut werden. Als erstes Konzept für ein Demonstratorwerkzeug ist ein einfaches Druck- werkzeug mit einer segmentierten Unterteilstruktur geplant, siehe nachfolgende Abbildungen. Bild 2.1 Konzept für erstes Demonstratorwerkzeug Herzstück des Konzeptes ist die segmentierte Struktur im Untergesenk des Demonstratorwerkzeuges. Die Struktur wird dabei so gestaltet, dass die ebene Oberseite durch eine entsprechende Zustellung an den Pyramidenstümpfen elastisch verformt werden kann. Mit der Änderung der Oberflächentopologie soll der sich unter Last einstellende Flächenpressungsverlauf beeinflusst werden. 5
3. Erweiterung des Rotationzugbiegens zu einem teilkinematischen Verfahren mit reduzierten Werkzeugflächen Förderprogramm: DFG Förderkennziffer: EN 698/9-1 Bearbeiter: Christopher Heftrich Motivation für das Halbzeug und den Biegeradius ange- passten Geometrien der Werkzeuge beim Ro- Formgebundene Umformverfahren wie das tationszugbiegen sollen hinsichtlich der Flexi- Rotationszugbiegen eignen sich zur Erstel- bilisierung des Biegeprozesses untersucht lung von komplex geformten Profilen. Das An- werden. Als Ergebnis sollen mit reduzierten wendungsspektrum umfasst eine Vielzahl von bzw. geometrisch vereinfachten Werkzeugan- Biegegeometrien, welche in industriellen und lageflächen und einer erweiterten Werkzeug- privaten Anwendungen zum Einsatz kommen. kinematik unterschiedliche Radien gebogen Der Hauptvorteil besteht darin, dass kleine oder Rohre mit unterschiedlichen Durchmes- Biegeradien herstellbar sind: Biegeradien klei- sern verarbeitet werden. ner 1 x Rohrdurchmesser sind erreichbar. Zudem sollen diese Werkzeuge später auch Beim Rotationszugbiegen sind die Werkzeug- die aktive Beeinflussung des Biegevorgangs flächen durch die Halbzeugdimensionen – ermöglichen. Sie stellen daher möglicher- Umfang und Wanddicke – und der Biegegeo- weise die Aktoren eines geregelten Rotations- metrie – Radien – bestimmt. Der Werkzeug- zugbiegens dar. Die Basis hierfür ist die ver- aufwand steigt dementsprechend mit der Pro- einfachte Geometrie der Kavitäten, die es er- duktvielfalt an. Ebenso ist die Auslegung der möglicht, die Biegeform zweigeteilt herzustel- zum Teil doppelt gekrümmten Werkzeugflä- len, wenn die Belastung, die im Grund der Ka- chen aufwendig, da die werkstoffbedingte vität auftritt, an anderer Stelle übertragen wird. Rückfederung, welche aus dem elastischen Dies eröffnet u.a. die Möglichkeit, den Abstand Formänderungsanteils nach dem Biegepro- der Werkzeughälften während des Umform- zess resultiert, berücksichtigt werden muss. prozesses aktiv zu variieren und so den wirk- Dies ist jedoch nur überschlägig möglich, da- samen Biegeradius zu verändern. Zudem ist her sind ggfs. Nacharbeiten an den Geomet- es möglich, die Form an Schwankungen der rien der Werkzeuge nötig. Rohrdurchmesser anzupassen. Halbzeuge Ziel aus Werkstoffen, die einen elastischen Anteil der Formänderung besitzen, federn nach dem Ziel ist die Erweiterung des werkzeuggebun- Biegen zurück. Die Veränderung des Biege- denen Rotationszugbiegens hin zu einem teil- winkels wird kompensiert, indem unter Last kinematischen Verfahren mit reduzierten ein größerer Biegewinkel gebogen wird. Die Werkzeugflächen. Hierdurch werden zukünf- Rückfederung führt auch zur Vergrößerung tige Forderungen nach weiterer Flexibilisie- des Biegeradius. Das Verschieben der geteil- rung der Umformprozesse und der wirtschaft- ten Biegeform gegeneinander gibt hier eine lichen Herstellung geringerer Stückzahlen hin Kompensationsmöglichkeit. zu individualisierten Produkten bedient. Die 6
Vorgehensweise 1. Ermittlung der Kontaktfläche Beim Biegen liegt das Rohr zu Beginn lediglich in einer sehr kleinen Zone an der Biegeform an. Diese Kontaktfläche nimmt beim Biegen mit steigendem Biegewinkel zu. FE-Simulatio- nen zeigen, dass die Kontaktnormalspannun- gen weder bzgl. des Umfangs der Kavität als auch bzgl. des Biegewinkels konstant sind. Als Wirkfläche wird die Fläche bezeichnet, die Kontakt mit dem Rohr aufweist. Diese ist ein Bild 3.1: Ermittlung Kontaktfläche Teil der Fläche der Kavitäten der Werkzeuge und variiert mit fortschreitendem Prozess. 2. Reduzierung der Werkzeugflächen auf Kon- taktflächen und Analyse einzelner Segmente Variationen der Werkzeuggeometrien werden Veränderungen der Wirkflächen und der dort herrschenden Kontaktnormalspannungen be- wirken. Daher werden sich die Geometrien der Rohrquerschnitte verändern. Bei derzeitigen Kavitäten der Biegeform treten auch Änderun- gen der Rohrquerschnitte auf. Der Außenbo- gen kann einfallen und das Rohr kann ovali- sieren. Die Ausprägung dieser Querschnitts- veränderungen ist abhängig vom Biegepro- zess und wird auch durch Halbzeugeigen- schaften beeinflusst. Bild 3.2: Reduzierung Werkzeugflächen auf Kontaktflächen und Analyse einzelner Segmente 3. Vereinfachung der Werkzeugflächen Die geometrischen Vereinfachungen der Werkzeugflächen führen wegen der Schmie- gungen zum Rohr zu höheren lokalen Flä- Biegeradius chenpressungen (ä. der Hertz’schen Pressun- Flexibilität: gen) bei geringeren Wirkflächen. Ein wesentli- ches Ergebnis der Untersuchungen sind Zu- sammenhänge zwischen den Vereinfachun- gen der Werkzeuggeometrien und den Verän- Halbzeug- derungen der Querschnitte der Rohrbögen. durchmesser Wesentliche umformtechnische Veröffentlichungen Heftrich, C., Engel, B., Steinheimer, R. (2018). Rotary-draw- Bild 3.3: Vereinfachung Werkzeugflächen bending unsing tools with reduced geometries. Metal Form- ing 2018, Toyohashi, Japan 7
4. Regelung des Werkstoffflusses zur Erhöhung der Bauteilqualität beim Rotationszugbiegen Bearbeiterin: Linda Schulte, M. Eng. Motivation Das Rotationszugbiegen ist ein Profilbiegeverfahren, welches vorzugsweise bei geringen Wanddicken und kleinen Biegeradien eingesetzt wird. Grenzen des Verfahrens sind das Auftreten von Rissen am Außenbogen und die Faltenbildung am Innenbogen. Maßnahmen zur Vermeidung der Faltenbildung erfolgen einerseits durch geometrische Änderungen der Werkzeugpositionen von Faltenglätter, Dorn und Gegenhalter und andererseits durch Korrekturen der Achsbewegungen (Gegenhalter, Transport und Gegenhaltervorschub). Diese Korrekturen erfolgen jeweils nach der Herstellung eines faltenbehafteten Bauteils. Die Faltenbildung ist eine Instabilität, die aufgrund der Vielfalt ihrer Einflüsse nur ungenau kalkulierbar ist. Zielsetzung Ziel ist es, während der Umformung die Faltenentstehung so früh zu erkennen, dass mit erweiterten Einstellmöglichkeiten eine Stabilisierung des Prozesses herbeigeführt werden kann. Es wird eine Möglichkeit zur Erfassung von Falten bei deren Entstehung entwickelt und erprobt. Gerät der Prozess in diese Instabilität, werden die Werkzeugkräfte bzw. -positionen geregelt angepasst. In situ-Erfassung der Faltenentstehung Ein Laserlinienscanner und Kraftsensoren wurden in praktischen Biegeversuchen eingesetzt, um nicht nur die Höhen und Abstände der Falten, sondern auch die Position und den Zeitpunkt der ersten Falte zu erkennen, siehe Bild 4.1. Mittels Linienscanner wurde die Rohrkontur im geraden Rohrbereich vor der Übergangsebene gemessen. Eine Kraftmessdose erfasste die Faltenglätter-Normalkraft und ein Zug-Druck-Sensor erfasste die Dornkraft in Rohrlängsrichtung. Die Stellgrößen Zustellung der Gegenhalterachse (s) und Geschwindigkeit der Transportachse (v) wurden genutzt, um den Falten entgegenzuwirken. Bild 4.1: Versuchsaufbau zur Messung der Falten mittels Laserlinienscanner und Kraftsensoren 8
Fuzzy-Regler zur Faltenreduzierung Eine Fuzzy-Regelung wurde entwickelt, die die Werkzeuge Gegenhalter und Transporteinheit nutzt, um Falten zu reduzieren, ohne dass ein Bediener in den Prozess eingreifen muss. Die Werkzeuge wurden so eingestellt, dass keine unnötig hohen Werkzeugkräfte erzeugt werden, sondern nur solche, die zur Vermeidung von Falten erforderlich sind. Fuzzy-Sets wurden für die drei Eingangsgrößen und zwei Ausgangsgrößen erstellt. Produktionsregeln stellten in Form einer Regelbasis die Verknüpfung zwischen den Ein- und Ausgangsgrößen her. Anhand von Kennfeldern konnte der Fuzzy-Regler theoretisch geprüft werden. In praktischen Versuchen wurde die Regelung iterativ angepasst und anschließend validiert. Unter Variation der Wanddicke, der Anzahl der Bögen und des Werkstoffs wurden die Biegeergebnisse anhand des Faltenbewertungsfaktors ausgewertet. Es wurde eine deutliche Faltenreduzierung erzielt. Bild 4.2 zeigt den geregelten Verfahrweg des Gegenhalters. Bild 4.2: Geregelter Verfahrweg des Gegenhalters zur Faltenreduzierung, Rohrkonturen mit und ohne Fuzzy-Regelung gebogen Das Werkzeug pendelt sich bei einer geeigneten Position und Gegenhalternormalkraft ein. Dadurch kann auf der einen Seite die Faltenbildung und auf der anderen Seite der Werkzeugverschleiß und die Gefahr der Rissbildung reduziert werden. Wesentliche umformtechnische Veröffentlichungen Borchmann L., Schneider D., Engel B. Design of a fuzzy controller to prevent wrinkling during rotary draw bending. 24th International Conference on Material Forming, ESAFORM 2021 (accepted manuscript). Borchmann L., Frohn-Sörensen P., Engel B. In situ detection and control of wrinkle formation during rotary draw bending. Procedia Manufacturing, Volume 50 (2020), Pages 589-596, ISSN 2351-9789, doi: 10.1016/j.promfg.2020.08.106. Borchmann, L., Heftrich, C. & Engel, B. Influence of the stiffness of machine axes on the formation of wrinkles during rotary draw bending. SN Appl. Sci. 2, 1627 (2020). doi: 10.1007/s42452-020-03419-1. Borchmann, L; Frohn, P.; Engel, B. Sensitivity analysis of the rotary draw bending process as a database of digital equipping support, SheMet 2019, doi: 10.1016/j.promfg.2019.02.100. 9
5. Ofenlose In-Takt-Erwärmung mittels Induktion (OTTER) Ansprechpartner: Jonas Reuter, M.Sc. Motivation und Zielsetzung Direktes und indirektes Presshärten sind etablierte Fertigungsverfahren, insbesondere zur Herstellung hochbeanspruchter Strukturbauteile im Automobilbau. Die Anzahl der hiermit erzeugten Bauteile steigt stetig an. Zur Erwärmung der Platinen werden heute unter anderem Durchlauföfen eingesetzt (i.d.R. Sonderanlagen) mit den Nachteilen eines großen Platz- und Energiebedarfs. Darüber hinaus ist im Fertigungsprozess das Austenitisieren der Platinen im Ofen von mehreren Minuten der taktzeitkritische Prozessschritt. Daher untersuchen der Lehrstuhl für Umformtechnik (UTS) und das Automotive Center Südwestfalen (ACS) in einem Verbundprojekt mit weiteren Praxispartnern die Potentiale einer induktiven Platinener- wärmung als Alternative zur Ofenerwärmung. Ziel des Projektes ist es, die Voraussetzungen für einen industriellen Einsatz dieser Technologie zu schaffen. Bild 5.1: Induktive Platinenerwärmung als Alternative zur Ofenerwärmung, Bildquelle: Dissertation T. Todzy (UTS) Folgende Fragen sollen im Verlauf des Projektes recherchiert, untersucht und beantwortet werden: - Wie muss eine Induktionsanlage gestaltet sein (Induktorgeometrie, Koppelabstand, Magnetfeldverstärker, Generatortechnik, etc.), um eine schnelle sowie homogene Erwärmung der Platinen zu ermöglichen? - Wie wirkt sich die schnelle Induktionserwärmung auf den Grundwerkstoff aus (Gefügestruktur, mechanische Eigenschaften) aus? - Welchen Einfluss hat die schnelle Induktionserwärmung auf die AlSi- bzw. Zn-Beschichtung? - Können mit der schnellen Induktionserwärmung vergleichbare Bauteileigenschaften wie mit der konventionellen Ofenerwärmung erzielt werden? 10
Vorgehensweise Im ersten Schritt werden im Labormaßstab grundlegende Erwärmungsversuche durchgeführt mit dem Ziel einer homogenen Platinenerwärmung auf rund 950°C (siehe Bild 5.2). Diese dienen als Referenz für den Aufbau eines belastbaren Simulationsmodells. Mit Hilfe dieses Simulationsmodells wird im nächsten Schritt der Erwärmungsprozess für ein Musterbauteil ausgelegt, woraufhin dieses in abschließenden Bild 5.2: FE-Simulation der induktiven Erwärmung mit LS-Dyna Presshärteversuchen hergestellt wird. Aus den bis dahin gewonnen Erkenntnissen wird eine Methode zur Prozessauslegung abgeleitet, die dann dazu genutzt wird, einen induktiven Erwärmungsprozess – auch im Hinblick auf eine partielle Platinenerwärmung - für ein seriennahes Bauteil vorauszulegen. Bild 5.3: Vorgehensweise 11
6. Umfangsformen endlosfaserverstärkter thermoplastischer Verbundrohre Förderprogramm: ZIM Förderkennziffer: ZF4358701RU6 Kooperationspartner: Transfluid Maschinenbau GmbH Bearbeiter: Jonas Reuter, M.Sc. Motivation Endlosfaserverstärkte thermoplastische Verbundrohre (EFTVR) eignen sich für vielfältige Leichtbauan- wendungen, beispielsweise als Strukturbauteile oder als hochdruckbeständige fluidführende Leitungen. In einem vorangegangenen Kooperationsprojekt (ZIM BiProFVR, Förderkennziffer KF2019226EB3) wurde zusammen mit der Firma AFPT GmbH ein Verfahren zum Biegen von tapegewickelten EFTVR entwickelt. In Funktionstests hielten die hergestellten Rohrbögen Berstdrücken von über 1500 bar stand, wenngleich sich die Quetschverbindungen der Hydraulikftittings in vielen Versuchsdurchführun- gen als Schwachstelle erwiesen und zu einem vorzeitigen Versagen führten. Zielsetzung Das Ziel dieses Projektes war daher, in Zusammenarbeit mit der Fa. Transfluid Maschinenbau GmbH, die Entwicklung eines Formprozesses sowie der benötigten Anlagentechnik, um Geometrien an den Rohrenden herzustellen, die ein formschlüssiges An- oder Verbinden der Rohre ermöglichen (siehe Bild 6.1). Bild 6.1: Zielgeometrien Versuchsanlage und Formprozess Der Formprozess wurde auf einer sog. Kombinationsmaschine des Maschinenherstellers Transfluid Maschinenbau GmbH aufgesetzt (siehe Bild 6.2). Diese ermöglicht mit ihren sieben Werkzeugplätzen eine Implementierung von Axial-, Rollier- und Taumelprozessen zur Endenbearbeitung von Rohren so- wie deren Kombination in mehrstufigen Prozessen. 12
Bild 6.2: Versuchsanlage Der Aufbau besteht im Wesentlichen aus drei funktionellen Einheiten, einer Spann-, Erwärmungs- und einer Umformeinheit (siehe Bild 6.2). Die Hauptspannbacke sorgt mit ihrem speziell für diese Anwen- dung entwickelten Elastomereinsatz für die Fixierung des Rohres und gleicht darüber hinaus Außen- durchmesserschwankungen der innenkalibrierten Rohre aus. Zur Erwärmung der EFTVR kommt erst- mals für diese Anwendung eine Induktionserwärmung zum Einsatz, die im Vergleich zu anderen gän- gigen Erwärmungsmethoden (Heißgas, Infrarot, etc.) den Vorteil von sehr hohen Aufheizraten bietet und sich somit insbesondere für die industrielle Verwendung empfiehlt. Der Induktor besitzt drei Win- dungen, der Generator des Herstellers COBES GmbH eine Leistung von 6 kW und der elektromagne- tische Schwingkreis eine Arbeitsfrequenz von rund 200 kHz. Die Erwärmung des Verbundrohres auf ungefähr Schmelztemperatur der thermoplastischen Matrix ist eine notwendige Voraussetzung für die Umformung, damit die Formmechanismen auf der Mikroebene, wie etwa das Abgleiten von Faserlagen, aufgrund der deutlich verringerten Viskosität der Matrix wirksam werden können. Die Umformeinheit besteht einerseits aus den Formwerkzeugen und andererseits aus einer Zwischen- spannbacke. Diese ist während des Erwärmungsvorgangs geöffnet. Daraufhin umschließt sie das er- wärmte und bis dahin freistehende Rohrende und stellt im formgebunden Formprozess die Kavität dar. Die Zwischenspannbacke kann, wenn es das Verformungsverhalten des EFTVR erforderlich macht, mittels Heizpatronen temperiert werden. 13
Ausgehend von denen bei der Endenbearbeitung metallischer Rohre etab- lierten Fertigungsverfah- ren, wurden verschiedene Werkzeugkonzepte aus- gearbeitet, erprobt und weiter-entwickelt (siehe Bild 6.3). Zur Herstellung des 37°-Bördels wird so- Bild 6.3: Werkzeugkonzepte und Werkzeugkinematik zur Herstellung unterschiedlicher wohl ein einstufiger Axial- Rohrendengeometrien formprozess als auch ein einstufiger Rollierprozess angewendet. Die Sicken werden mittels eines Rollierprozesses hergestellt. Zur Herstellung des 90°- Bördels wurden die Potentiale eines zweistufigen Verfahrens untersucht. Hierbei werden die Rohrenden zunächst rollierend aufgeweitet und im zweiten Schritt axial in Endkontur geformt, wobei vor dem zweiten Schritt eine erneute Erwärmung des Rohrendes stattfindet. Bei allen Verfahrensvarianten befindet sich ein Stützdorn im Rohrinneren, der zwei wesentliche Aufgaben erfüllt. Zum einen stellt er während des Aufheizprozesses die Formstabilität im erwärmten Zustand biegeschlaffen Rohrendes sicher. Zum anderen verhindert er, dass während der Umformung Material ins Rohrinnere geschoben wird. Während des gesamten Prozesses werden sämtliche Wege und Geschwindigkeiten der relevanten Maschinenachsen, die Generatorleistung-, spannung und strom sowie die Temperatur der Zwischenspannbacke, die von vier Pt100 Temperaturfühlern gemessen wird, aufgezeichnet und über eine OPC-UA Schnittstelle einer weiteren Auswertung zugänglich gemacht. Zeitsynchron überwacht eine Infrarotkamera die Temperatur des EFTVR vom Beginn der Erwärmung bis hin zum Schließen der Zwischenspannbacke. Ergebnisse Das Projekt wurde erfolgreich mit der Entwicklung eines Prozesses zum Umfangsformen von EFTVR abgeschlossen. Es wurde erstmals die induktive Erwärmung in einem Formprozess für EFTVR einge- setzt. Die Zielgeometrien konnten reproduzierbar hergestellt werden. Die Analysen der Bauteile wie z.B. lichtmikroskopische Untersuchun- gen von Querschliffen, Geometrievermessungen oder die Bestim- mung der Faserorientierungen liefern wichtige Daten zur Forschung zum Formverhalten von EFTVR. Bild 6.4: EFTVR mit 37°-Bördel und Hydraulikfitting Literatur Reuter, J., Böcking, J. and Engel, B. (2020). End-forming of continuous fibre-reinforced thermoplastic tubes. Procedia Manufacturing (accepted manuscript) 14
7. Auffinden von Materialfehlern in Thermoplasten mittels aktiver Lockin-Thermografie Bearbeiterin: Dipl.-Ing. Sonja Poleschke Motivation Die Sicherung der Produktqualität ist ein Bestandteil der industriellen Fertigung. Entweder genügt das Bauteil den Qualitätsanforderungen oder die Art, Größe und Lage des Fehlers führen zur Selektion des Teils [1]. Im Automobilsektor haben sich faserverstärkte Thermoplaste als Leichtbaumaterialien etabliert. Eine mögliche Qualitätsprüfung dieses Materials ist die aktive Lockin- Thermografie. Sie gehört zu den berührungslosen und zerstörungsfreien Prüfverfahren. Es beruht darauf, dass Materialfehler den Wärmediffusionsprozess in einem Objekt beeinflussen und so anhand des zeitlichen Verlaufs der Wärmestrahlung an der Objektoberfläche analysiert werden können [1]. Die ersten industriellen Thermografie Anwendungen sind hauptsächlich in der Luft- und Raumfahrtbranche zu finden. Diese Flugzeuginspektionen werden u. a. an Verklebungen von Flugzeugstrukturen durchgeführt [1]. Zielsetzung Das Ziel dieser Arbeit ist die Ermittlung des Zusammenhangs zwischen der Fehlerart in glasfaserverstärktem Polypropylen und der Bildinformation aus der aktiven Lockin Thermografie. Vorgehensweise Das Prinzip der aktiven Lockin- Thermografie mit zwei Halogenstrahlern, Computer, Wärmebildkamera und Materialprobe (Bild 7.1) wird im Folgenden beschrieben. Mit intensitätsmodulierten Halogenstrahlern wird die zu prüfende Bauteiloberfläche über längere Zeit mit elektromagnetischen Wellen sinusförmig angeregt [1]. In Folge dessen, breiten sich im Bauteil thermische Wellen aus. Dadurch variiert die Bauteiltemperatur. Die Zeit der Anregung ist von der Anregungsfrequenz und der Anzahl der Messperioden abhängig. Stoßen Wellen auf eine Grenzfläche, d.h. eine lokale Änderung der Effusivität, wird ein gewisser Anteil von ihnen reflektiert. Die Wärmeleitung unterscheidet sich in diesem Bereich von der des ungeschädigten Materials. Die Überlagerung der Oberflächentemperaturschwingung mit reflektierten thermischen Wellen bildet das Wellenfeld, das von der Infrarot-Kamera an Bild 7.1 Versuchsaufbau aktive Lockin-Thermografie der Probenoberfläche gemessen wird. Als Ergebnis einer Thermografieuntersuchung wird ein Phasenbild ausgegeben, welches die zeitliche Verzögerung einer thermischen Antwort in Korrelation zur Anregung auf einer festgelegten Frequenz 15
wiedergibt. Das Phasenbild kann Informationen aus Bauteiltiefen bis zu 6 mm enthalten. Die spektrale Trennung von Anregung und Messung wird durch je zwei Glasfilter vor den Halogenstrahlern unterstützt. Sie mindern den infraroten Anteil der Halogenstrahlung. So setzt sich die gemessene Temperatur überwiegend aus der emittierten Infrarotstrahlung des Bauteils zusammen. Das Prüfverfahren arbeitet kalibrierfrei. In dieser Arbeit werden Proben aus endlos glasfaserverstärktem Polypropylen mittels aktiver Lockin- Thermografie untersucht. Das Material besteht aus drei Gewebelagen und ist insgesamt 1,5 mm dick. Die Art des Gewebes wird als Köperbindung bezeichnet. Dabei wechseln sich Schuss- und Kettfäden nicht gleichmäßig ab. Es werden fehlerfreie und fehlerbehaftete Proben untersucht. Zu den definiert eingebrachten Fehlerarten gehören Faserbruch, lokale und globale Faserverschiebung, Delamination und unzureichende Konsolidierung. Faserbruch und Faserverschiebung werden in oberster als auch in mittlerer Gewebelage eingebracht. Zwei Fehlerarten werden als Ergebnis exemplarisch vorgestellt (Bild 7.2). Die unzureichende Konsolidierung wird auf dem linken Phasenbild als heller Bereich sichtbar. Unterbrochene schwarze Linien lassen den Faserbruch auf dem rechten Bild erkennen. Bild 7.2: Fehlerarten der unzureichenden Konsolidierung und Faserbruch Für die Erkennung eines Fehlers sind seine Größe und Lage von Bedeutung. Je größer der Fehler ist und je näher er sich an der betrachteten Obefläche befindet, desto besser ist er aufzufinden. Variationen von Anregungsfrequenzen, Anzahl von Mess- und Einschwingperioden und eine Intensitätsmodulation der optischen Wellen können zu genaueren und eindeutigeren Fehlerdarstellungen auf den Phasenbildern beitragen. Literatur [1] Dipl.-Ing. Mohammed Abuhamad: Spektrale Information in der Thermographie, Universität des Saarlandes, Saarbrücken 2011 16
8. Verfahrensentwicklung des inkrementellen Schwenkbiegens Bearbeiter: Peter Frohn-Sörensen Da die Zielgeometrie nicht bereits in den Motivation Werkzeugen vorgehalten ist (Bild 8.2), Kinematische Umformverfahren können durch müssen die Prozessparameter kinematischer ihre Fertigungsflexibilität industrielle Umformverfahren aus den geforderten Anforderungen an hohe Anpassbarkeit der geometrischen und materialbezogenen Produktion hinsichtlich Individualisierung und Eigenschaften des zu fertigenden Werkstücks Bedarfssteuerung („Fertigung on-demand“) abgeleitet werden. bedienen. Die Prozesse zeichnen sich durch eine von der individuellen Teilegeometrie unabhängige Werkzeugtechnik aus. Die zu fertigende Zielgeometrie wird daher nicht durch die Gestalt der Werkzeuge, sondern durch die Konfiguration der kinematischen Prozessparameter bestimmt (Bild 8.1). Bild 8.2: Forschungswerkzeug zur Profilbiegung mittels ISB. Offene Profilquerschnitte werden auf einem beweglichen Gliederdorn gestützt. Für verschiedene Verfahren wurden bereits Prozessmodelle erarbeitet. Beispielsweise Bild 8.1: Fertigungsflexibilität bei Profilbiegungen. Mittels inkrementellen Schwenkbiegens gebogene Profilquerschnitte wurden das Biegen mittels 3- und 4-Walzen aus AHSS. Biegemaschinen beschrieben und auch für die Profilbiegeverfahren 3-Rollenbiegen bzw. - schubbiegen liegen bereits Erkenntnisse über Durch den sequenziellen Fertigungsablauf die Zusammenhänge von kinematischen und bieten inkrementelle Umformverfahren material- bzw. geometriebezogenen zusätzlich die Möglichkeit die inkrementelle Parametern vor. Bei den inkrementellen Schrittweite an die Werkstoffbeanspruchung Verfahren sind vor allem Erkenntnisse zur in Abhängigkeit der zu fertigenden Geometrie Warmmassivumformung – insbesondere dem anzupassen. Die Flexibilität der Fertigung wird Freiformschmieden – vorhanden. bei inkrementeller Umformung zusätzlich gesteigert, da die Gestalterzeugung durch Diese Erkenntnisse werden üblicherweise in eine verhältnismäßig kleine Umformzone Form von Prozessmodellen beschrieben, die erfolgt, die sich ggf. mehrfach über das mittels FE-Simulationen und realen Werkstück bewegt. Experimenten bzw. Modellversuchen validiert werden können. 17
Zielsetzung worden. Bei der Verfahrensauslegung des Inkrementellen Schwenkbiegens ist daher Ziel ist die Beschreibung eines insbesondere die modellhafte Beschreibung Prozessmodells für das Inkrementelle des ungeschmierten Haftreibungszustandes Schwenkbiegen zur Vorhersage der notwendig. Durch die Modellierung der kinematischen Prozessparameter für die Umformzone des reibschlüssigen Erzeugung einer definierten Biegekontur unter Hochkantbiegens von Blechstreifen sollen die Berücksichtigung der tribologischen und plasto-mechanischen Zusammenhänge beim materialbezogenen Einflüsse. Hierdurch Biegen eines Inkrementes aufgestellt werden. können künftig kinematische inkrementelle Zudem erfolgt eine Beschreibung der Biegeverfahren, die auf reibschlüssiger inkrementellen Überlagerung mehrerer Kraftübertragung basieren, zur Vorauslegung Umformzonen. Für die Verfahrensauslegung von Bauteilgeometrien in Betracht gezogen des ISB werden Prozessfenster für das werden. Biegeinkrement und den segmentierten Methodischer Ansatz Biegebogen erarbeitet. Die Modellierung wird im Abgleich mit FE Simulationen und Das inkrementelle Schwenkbiegen wurde physikalischen Experimenten validiert. bereits anhand einer industrienahen Demonstratoranwendung als flexibles Relevante Literatur Profilbiegeverfahren erprobt (Bild 8.3). Frohn Sörensen, P., Mašek, B., Wagner, M. F. X., Ru- bešová, K., Khalaj, O., & Engel, B. (2019). Flexible manufac- turing chain with integrated incremental bending and QP heat treatment for on-demand production of AHSS safety parts. Journal of Materials Processing Technology, 275, 116312. Frohn, P., Borchmann, L. and Engel, B. (2019). On the form- ing mechanisms of frictionally engaged linear processes un- der consideration of incremental swivel bending (ISB). Pro- cedia Manufacturing, 29, 169-176. Frohn, P., Engel, B., & Groth, S. (2018). Analytic description of the frictionally engaged in-plane bending process incre- mental swivel bending (ISB). In AIP Conference Proceedings Bild 8.3: Profilbiegungen mittels ISB in zwei Biegeebenen an (Vol. 1960, No. 1, p. 160006). einem 90x120 mm Hutprofil aus DP800. Engel, B., Frohn, P., Hillebrecht, M., Knappe, A. (2017). In- Bisherige Erkenntnisse beschränken sich krementelles Schwenkbiegen zur kostengünstigen Herstel- lung von Trägerstrukturen (in Elektrofahrzeugen). Konfe- jedoch auf empirisch ausgelegte renzband ATZ Karosseriebautage Hamburg, Springer Vie- Probebiegungen mit Versuchswerkzeugen weg Verlag, 235-248. und auf simulationsbasierte Untersuchungen. Engel, B., Frohn, P., Hillebrecht, M., Knappe, A. (2017). In- Für inkrementelle Blechbiegeverfahren, die cremental swivel bending for scalable lightweight structures. auf dem physikalischen Prinzip der ATZ worldwide, 119(5), 26-31. reibschlüssigen Kraftübertragung basieren, sind bisher keine Prozessmodelle erarbeitet 18
9. Flexibles Schwenkbiegen von Kegeln aus Blechhalbzeugen Förderprogramm: ZIM (AiF) Förderkennziffer: ZF4162306US7 Bearbeiter: Peter Frohn-Sörensen Motivation Kegel aus Blechwerkstoffen finden verschie- dene Anwendungsmöglichkeiten, beispiels- weise eignen sie sich als Trichter für fließfä- hige Materialien, Verbindungsstücke zwi- schen Rohren mit unterschiedlichen Durch- messern, Möbelteilstücke, Abdeckungen oder Gehäuse im Apparate- und Behälterbau. Konische Blechbauteile können mit verschie- denen Metallumformverfahren hergestellt wer- den. Tiefziehen und Projizierstreckdrücken bieten eine hohe Fertigungsgenauigkeit bei Bild 9.1: Schwenkgebogene Blechkegel aus 3mm S235JR. vergleichsweise einfacher Prozessführung, da die herzustellende Geometrie bereits in Form einer Matrize vorgehalten wird. Diese gestalt- Da der Einsatz formgebundener Werkzeuge gebundenen Verfahren sind gegenüber vari- nicht erforderlich ist, kann das Schwenkbie- ablen Kegelgeometrien jedoch unflexibel, da gen zur Herstellung geometrisch variabler Ke- für unterschiedliche Kegel je ein anderer gel flexibel angewandt werden. Diese Ferti- Werkzeugsatz benötigt wird. Mittels Walzbie- gungsflexibilität wird im Allgemeinen entspre- gen auf Dreiwalzen-Rundmaschinen können chend VDI 3430 den kinematische Umform- konische Blechbauteile flexibel über die Ver- verfahren zugeschrieben. fahrensparameter hergestellt werden. Die Ra- dien sind jedoch in ihrem Mindestmaß an den Im Gegensatz zum Walzrunden, existieren für Durchmesser der Biegewalze gebunden. Das das Schwenkbiegen bisher keine Prozessmo- Schwenkbiegeverfahren kann, mit einer se- delle, mit denen die erforderlichen Prozesspa- quenziellen Betriebsweise, zur hochflexiblen rameter für definierte Kegel ausgelegt werden Fertigung von Blechkegeln eingesetzt werden können. Das Schwenkbiegen von konischen (Bild 9.1). Blechschalen ist bisher anhand einer sehr ver- suchs- und materialintensiven Fertigung im Dadurch eröffnet sich auch die Möglichkeit die Try-out Betrieb erfolgt, in der die Maschinen- konisch gebogenen Konturen auf der einge- bedienererfahrung einen zentralen Stellenwert setzten Schwenkbiegemaschine mit weiteren einnahm. Die geometrisch-umformtechnische geometrischen Bauteilmerkmalen, wie etwa Ableitung der relevanten sequenziellen Para- scharfen Biegekanten und Falzen, zu verse- meter der sich abwechselnden Biege- und hen, ohne dass ein Werkzeugwechsel erfor- Vorschubschritte war bis dato nicht möglich. derlich ist. 19
Der Lehrstuhl für Umformtechnik der Universi- tät Siegen entwickelt in Zusammenarbeit mit dem Unternehmen Dr. Hochstrate Maschinen- bau Umformtechnologien GmbH ein kinemati- sches Prozessmodell zum Schwenkbiegen geometrisch bestimmter Kegel, welches durch finite Elemente Simulationen (Bild 9.2) und Biegeexperimente validiert wird. Methodischer Ansatz Bild 9.2: Finite Elemente Simulationsmodell des sequenziel- Aufgrund der kreisförmigen Abwicklungen ko- len Schwenkbiegevorgangs von Kegeln. nischer Bauteile resultiert eine zirkuläre Ma- schinenkinematik beim Schwenkbiegen koni- scher Blechteile: Dabei wird der Maschine ein dem Kegelmantel entsprechender Blechzu- schnitt mit einer eigens entwickelten Vor- schubkinematik auf einer Kreisbahn zugeführt. Im Gegensatz zu der konventionellen Linear- bewegung der Vorschubeinheiten von Schwenkbiegemaschinen, wird das Blech- halbzeug auf einer Kreisbahn zugestellt. Zu- dem ist die Schrägstellung der Schwenkbiege- werkzeuge ein wesentlicher Bestandteil der Prozessführung, da über die Maschinenbreite ein Radienverlauf von klein nach groß entspre- chend dem oberen bzw. unteren Kegeldurch- Bild 9.3: Neuentwickelte Schwenkbiegemaschine zum Kegel- messer erzeugt werden muss. Während des biegen, hier mit ausgelenkter Oberwange. Prozesses sind keine festen Spannmittel erfor- derlich, da die fortlaufende Positionierung des Bleches durch den Maschinenvorschub er- Relevante Literatur folgt. Die Kegel können so in einer ununterbro- Frohn-Sörensen, P., Schneider, D., Schiller, M., Hochstrate, chenen Fertigungsfolge des Wechsels aus W., Engel, B. Incremental bending of conic profiles on CNC hydraulic folding machines. Proceedings of the Institution of Biegen und Zustellen hergestellt werden, ohne Mechanical Engineers, Part B: Journal of Engineering Manu- dass ein Umspannen benötigt wird. Auf diese facture. Art und Weise lassen sich konische Blech- Hochstrate, W., Engel, B., Frohn, P., Schiller, M. &. Schnei- schalen bis zu einem Schließwinkel von ca. der, D. (2019). Kegelförmige Bauteile lassen sich flexibel 270° herstellen, bevor die Oberwange der Ma- schwenkbiegen. Maschinenmarkt, 125 (14), 46-48. Vogel schine vollständig umschlungen wird. Für voll- Verlag. ständig geschlossene Kegel (360° Biegewin- Schneider, D., Frohn, P., Schiller, M., Hochstrate, W., Engel, kel) kann die Oberwange der speziell für das B. (2019). Inkrementelles Kegelbiegen auf Schwenkbiege- Kegelbiegen entwickelten Schwenkbiegema- maschinen. Tagungsband zum 38. Verformungskundlichen Kolloquium der Montanuniversität Leoben, 107-112. schine ausgelenkt werden (Bild 9.3). 20
10. 3D-Schwenkbiegen (SB³) Bearbeiter: Michael Schiller, M. Sc. Einleitung In allen Industriezweigen, insbesondere in produzierenden Branchen, kommt der nachhaltigen Res- sourcennutzung eine zentrale Bedeutung zu. Der Senkung eines stetig steigenden Schadstoffaussto- ßes wird dabei eine hohe Bedeutung beigemessen. Politisch, gesellschaftlich und industriell intensiv diskutierte Themen sind der Leichtbau und die Entwicklung alternativer Antriebstechniken. In Entwicklungen für Karosserien und Strukturbauteilen, z.B. in der Automobil- als auch Luft- und Raum- fahrtindustrie, kommen Profilbauteile zum Einsatz. Zum Leichtbau entsteht dabei die Forderung der Querschnitts- sowie der Belastungsanpassung über die Längsachse der Profilbauteile, um geometri- schen und funktionalen Anforderungen gerecht zu werden. Die Marktanforderungen sind in der Auto- mobilindustrie, wie auch branchenübergreifend die Individualisierung von Produkten, hochflexible (Groß-) Serienfertigungen und die Integration von Kunden und Geschäftspartnern. In der Entwicklung elektromobiler Antriebstechniken existieren im Vergleich zum konventionellen Antrieb verschiedene An- triebskonzepte. Damit geht einher, dass vergleichsweise kleinere und damit verschiedene Losgrößen produziert werden. Beide genannten Trends erfordern eine Befähigung der Fertigungstechniken der Forderung nach Fle- xibilisierung gerecht zu werden. Diese ist zukünftig nur dann wirtschaftlich zu erfüllen, wenn in Erwei- terung der Konstruktion auch die Haupttechniken (formgebende Verfahren) einen Wandel vollziehen. Die Anforderungen an Fertigungsverfahren, insbesondere an die Umformverfahren, sind eine werk- zeugarme Fertigung, ein schnelles Rüsten sowie ein schnell möglicher Produktwechsel. Insbesondere muss eine Skalierbarkeit hinsichtlich der Bauteilgeometrie, bearbeitbarer Werkstoffe sowie Losgrößen erzielt werden, um den Marktanforderungen gerecht zu werden. Verfahrensentwicklung Um die Fertigungstechnik des Schwenkbiegens zur Herstellung querschnittsvariabler und belastungs- angepasster Profilbauteile zu befähigen, ergeben sich folgende Hauptanforderungen an das Verfahren: Biegen nichtlinearer Biegekante, technisch günstige Konstruktion und Fertigung der Werkzeuge, werk- zeugarme Fertigung von Profilen, schnelles Rüsten, schnell möglicher Produktwechsel. Das etablierte, hochflexible Schwenkbiegeverfahren wird durch das 3D-Schwenkbiegen dahingehend erweitert, dass an längsorientierten Bauteilen, bspw. Profilen, Querschnittsänderungen in Form von gekrümmten Verläufen bereits während der Profilherstellung in das umzuformende Blech eingebracht werden können. Hierfür weisen die Biegewerkzeuge eine gekrümmte, auch als nichtlinear bezeichnete, Biegekante auf, die komplementär zur erforderlichen Kante am Bauteil ausgebildet sind. Dies stellt ei- nen wesentlichen technologischen Vorsprung dar, da damit das Schwenkbiegeverfahren zur Profilher- 21
stellung querschnitts- und belastungsangepasster Profilbauteile befähigt wird. Die Prozess- und An- wendungsgrenzen des etablierten Fertigungsverfahrens werden hiermit signifikant erweitert, da diese bisher auf die Fertigung geradliniger Produkte bzw. Bauteilkanten beschränkt ist. Das 3D-Schwenkbiegen zeichnet sich, im Vergleich zu alternativen Profilherstellungsverfahren, durch einen geringen Maschinen- und Werkzeugaufwand, eine besonders werkzeugarme Fertigung, kurze Einfahr- und Rüstzeiten sowie den damit verbundenen schnell möglichen Produktwechseln aus. Mit vergleichsweise geringen finanziellen Aufwendungen wird damit die Fertigung von Kleinserien begüns- tigt und eine höhere Fertigungsflexibilität gegenüber variablen Halbzeug- und Profilgeometrien und da- mit Produkten geschaffen. Damit bietet das 3D-Schwenkbiegen die Möglichkeit flexibel auf den Markt- bedarf an variablen Produkten sowie variablen, mittleren und kleineren Losgrößen zu reagieren und damit einen Leistungsvorsprung im Vergleich zu (etablierten) Referenztechniken. Im Vergleich zum konventionellen Schwenkbiegen ergeben sich für das 3D-Schwenkbiegen charakteristische plastische Längs- und Querdehnungen im Blechschenkel, vgl. Bild 10.1. Bild 10.1 FE-Simulation – charakteristische plastische Längs- und Querdehnungen im Blechschenkel des S-Schlags Anhand erster Vorversuche, mit der prinzipiellen Überlegung zur Machbarkeit, konnte eine quer- schnittsvariable Geometrie in Form eines S-Schlags mit einem einfachen und geometrisch abgeleite- ten Werkzeugaufbau gebogen werden, vgl. Bild 10.2. Bild 10.2 Vorversuch – Blechausformung (zwei Ansichten) Danksagung Das Forschungsprojekt 3D-Schwenkbiegen (SB³) wird durch die Europäische Union und das Land Nordrhein-Westfalen gefördert (www.efre.nrw.de; www.wirtschaft.nrw.de). 22
11. Remote Production Bearbeiter: Michael Schiller, M. Sc. Einleitung Bei der Marktbetrachtung verschiedener industrieller Umfelder wird deutlich, dass zunehmend Forde- rungen nach individualisierten Produkten in geringen Stückahlen (Losgröße 1), hoch flexiblen Großse- rienfertigungen und die Integration von Kunden und Geschäftspartnern entstehen. Im digitalen Wandel können durch Entwicklung von intelligenten Fertigungsverfahren, also smarten Prozessen, höhere Pro- duktivität und Effizienz in der industriellen Fertigung erzielt werden. Es wird eine Produktionsumgebung angestrebt in der sich Fertigungsanlagen selbst steuern oder durch intelligente Prozesse selbst gesteu- ert werden. Hierüber wird auch die Möglichkeit zur Adaption von Produktionsprozessen an individuelle und individualisierbare Produkte in Form von smarten Prozessen eröffnet. Das Potential von Industrie 4.0 bietet die Möglichkeit Produkte bis zum Zeitpunkt des Rüstens oder bei skalierbaren Fertigungsver- fahren sogar in Form von „Losgröße 1“ zu individualisieren. Integration des Kunden in den Produktionsprozess Für industrielle Prozesse ist eine individualisierte Produktion nur dann erfolgreich, wenn die heute typi- schen Verzögerungen, z.B. bei Geometrieänderungen, deutlich reduziert werden können. Bei Betrach- tung heutiger Produktentstehungsprozesse sind trotz Simultaneous Engineering Haltepunkte notwen- dig, ab denen eine neue Produktentstehungsphase stattfinden kann. Tritt in einem klassischen Prozess eine Geometrieänderung auf, muss die Produktion unmittelbar auf neue Betriebsmittel, Prozesse und Qualitätssicherungsmethoden ausgerichtet und nachfolgend erprobt werden. Die Fertigung von Einzelbauteilen unter dem Anspruch der Serienproduktion bedeutet im stren- gen Sinn eine stetige Änderung, die folgerichtig auch eine immer wiederkehrende Verzögerung und einen Stillstand der Produktionslinie bedeutet. Um den arbeits-, zeit-, und kostenintensiven Herausfor- derungen zu begegnen, sind optimierte Prozesse, Änderungen in der Fertigungs- wie auch der Produk- tionstechnik, sowie die Integration des Kunden in der Produktionstechnik erforderlich. Dabei sind vor allem die Prozessbeherrschung durch Regelung, das Rüsten als initialer Prozessschritt, sensorisch- aktuatorische Werkzeugkonzepte und die Entwicklung skalierbarer und flexibler Fertigungsprozesse zu verfolgen. Innerhalb des Forschungsvorhabens wurde ein Verfahren entwickelt, das es ermöglicht den Kunden in einen smarten Produktionsprozess einzubinden. Als Produktbeispiel dient ein individualisier- barer humanergonomischer Freischwinger, der aus Rohrhalbzeugen mit dem flexiblen und skalierbaren Fertigungsprozess Freiformbiegen hergestellt wird. Hier liegt eine Hard Customization vor, bei der die Individualisierung in der Produktion vollzogen wird. Neben der Fertigung eines individualisierten Pro- duktes – Production on Demand – erfolgt auch eine Produktion auf Anfrage. Anhand eines Körperscans, der mit der Kinect Sensorleiste oder auch mittels Smartphone-App von zu Hause aus durchgeführt werden kann, werden die erforderlichen Körperdaten des Kunden erfasst. Die durch den Kunden er- zeugten Daten, die als Grundlage für die Produktion dienen, werden in eine Cloud übermittelt und dort interpretiert. Ein Konstruktionsautomat passt in einer parametrisierten Grundkonstruktion den Frei- schwinger ergonomisch an die zuvor erfassten Körpermaße an, vgl. Bild 11.1. 23
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