Leibniz Nordost - INP Greifswald
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Leibniz Nordost Journal der Leibniz-Institute MV ISSN 1862-6335 Nr. 33-2022 Neues Wissen im Transfer LIKAT: Wasserstoff aus der Batterie INP: Weltneuheit gegen tödliche Sporen IOW: Riskantes Kratzen am Fundament IAP: VAHCOLI – ein Kubikmeter Hightech Gast FBN: Stadt – Land – Stall
Editorial Gruß Wort Wissen und Orientierung Liebe Leserin, Ende des Jahres wird eine Gruppe von Wissenschaftlern darüber Was bedeutet das für die Wissenschaft? lieber Leser, entscheiden, welche „Typlokalität“ den Eintritt ins Anthropozän Dies zu betrachten wird wohl zu einer Auf- repräsentieren soll. Auch das IOW ist mit einem Sedimentkern aus gabe der Community werden. Nach Ansicht in Mecklenburg-Vorpommern haben wir ein der zentralen Ostsee für eine solche „Typlokalität“ des neuen Erd- von Jürgen Renn gelte es unter anderem, exzellentes Netz der Wissenschaft, das sich zeitalters im Rennen. Mit dem Anthropozän als neuer geologischer „völlig neu über das Verhältnis von Kultur einer Vielzahl von Forschungsthemen widmet. Erdepoche würde dann jener Abschnitt in der Entwicklung unseres und Natur nachzudenken“, ein Bewusst- Die Erforschung der Klimaveränderung, die Planeten bezeichnet, in dem der Mensch dominanten Einfluss auf sein für die eigenen Grenzen zu entwickeln Entwicklung von Katalysatoren zur effizien- irdische Vorgänge erlangte, gleichviel ob sie belebte oder unbelebte und Räume „für Reflexion“ zu öffnen, ins- ten Nutzung von Ressourcen, die Erzeugung Materie betreffen. besondere in den naturwissenschaftlichen von Plasmen als „Werkzeug“ in der Medizin, und technischen Fächern. Umwelt oder Produktionstechnik sowie die Er- Inzwischen hat sich die Erde durch Menschenhand so stark verän- forschung der Ökosysteme der Ostsee – das dert, dass die Wissenschaft mit dem Begriff „Mensch-Erde-System“ In Krisenzeiten spüren Menschen offenbar sind nur einige Beispiele für die vielseitigen etwas grundsätzlich Neues in den Fokus ihrer Forschung rückt. Da- das Bedürfnis, sich als Teil einer, wenngleich Forschungsschwerpunkte der Leibniz-Institute rauf machte Jürgen Renn, Gründer des neuen Max-Planck-Instituts fragilen, Gemeinschaft zu empfinden und in unserem Land. für Geoanthropologie in Jena, jüngst in einem Interview aufmerk- sich ihres Platzes in der Welt zu vergewis- sam1. Was treibt die epochalen Veränderungen an? Wie verläuft sern. Die Wissenschaft sieht sich zuneh- Entscheidend ist dabei vor allem die praktische, deren Dynamik? Welche Eingriffe in das System vermögen sie auf- mend mit der Erwartung konfrontiert, „zu wirtschaftsnahe Umsetzung der Erkenntnisse Reinhard Meyer. Foto: Danny Gohlke zuhalten? einem solchen Orientierungsrahmen beizu- aus der anwendungsorientierten Forschung. tragen“. Wäre nicht auch das ein sinnvoller Die Wissenschaft trägt die große Verantwor- Und selbstverständlich sind die Erwartungen an die Wissenschaft – Transfer in die Gesellschaft? tung, erzielte Forschungsergebnisse auch an Eingebettet in das Netz der Wissenschaft können die ansässigen bei aller, auch irrationaler, Skepsis – sehr hoch. Der Ruf nach mehr ansässige Unternehmen zu vermitteln und die- Unternehmen von den Erkenntnissen profitieren, wenn aus den „Transfer“ von Wissen und Technologie ist nicht zu überhören. Hat Freude und Erkenntnis beim Lesen! se bei der Anwendung zu begleiten. Deshalb Verbundforschungsprojekten international wettbewerbsfähige Wissenschaft nicht in hunderten von Jahren stets aufgeklärt und Ihre ist insbesondere die Integration gesellschaftli- Produkte entstehen, die am Ende der Wertschöpfungskette in Lösungswege aufgezeigt? Gewiss. Sie trägt aber ihren eigenen An- cher Fragestellungen in die Forschung wichtig, Mecklenburg-Vorpommern produziert werden. Um dieses Ziel zu teil zu den bedrohlichen Veränderungen im System Erde-Mensch um der Verantwortung der Wissenschaft für erreichen, sollen die ansässigen Forschungsinstitute kompetenter bei. Wissenschaftshistoriker Jürgen Renn sagt: „Die Evolution des die regionale Wirtschaft gerecht zu werden. Partner für Unternehmen im Land bleiben und werden. Mit speziell Wissens hat uns ins Anthropozän katapultiert.“ darauf ausgerichteten Förderinstrumenten für Vorhaben im Bereich Die Landesregierung unterstützt Unterneh- Forschung, Entwicklung und Innovation wird das Wirtschaftsmi- 1 men, auch im Verbund mit regionalen For- nisterium bestmöglich unterstützen. Sprechen Sie uns gern an! Christian Schwägerl: „Wir müssen umsteuern“ – Interview mit dem Wissen- schungseinrichtungen, bei der Entwicklung schaftshistoriker Jürgen Renn. FAZ vom 21. September 2022 und Einführung innovativer Produkte und Verfahren. Durch eine gezielte Förderung der Zusammenarbeit von Wirtschaft und Wissen- schaft können qualifizierte Industriearbeits- Reinhard Meyer plätze sowie Wertschöpfung für die Regionen Minister für Wirtschaft, Infrastruktur, Tourismus des Landes entstehen. und Arbeit Mecklenburg-Vorpommern Titelbild: Das Leibniz-Institut für Katalyseforschung in Rostock aus der Luft. Mit der roten Fassade: das im Sommer eröffnete Technikum. Foto: Thomas Müller, LIKAT 2 | Leibniz Nordost 33 - 2022 Leibniz Nordost 33 - 2022 | 3
Einblick Wasserstoff aus Schutz vor Riskantes Kratzen Ein Kubikmeter Stadt – Land – Synergien und News Nachgefragt der Batterie tödlichen am Fundament Hightech Stall Symbiosen Personalia und Projekte: Die Meeresbiologin Maren Voß Bakterien- Aktuelles aus den Instituten.n erhielt den schwedischen Björn- Das LIKAT entwickelte gemein- Am IOW wird ein Projekt ko- Am IAP entsteht mit einem Am FBN, einem „Außerschu- Wie keine andere Wissen- Carlson-Baltic-Sea-Award. Und sam mit Apex ein katalytisches sporen ordiniert, das die ökologischen kompakten Gerät namens lischen Lernort“, ermöglichen schaftsorganisation ist die Leib- zwar für ihre wegweisenden 17 System, das Wasserstoff che- Folgen der Schleppnetzfischerei VAHCOLI erstmals weltweit Forscherinnen Kindern und Ju- niz-Gemeinschaft mit den Uni- Forschungen zu marinen Stick- misch speichert und in hoch- Eine Ausgründung des INP, das auf das System Ostsee unter- ein mobiles Lasersystem für gendlichen altersgerecht einen versitäten verbunden. Aktuelle stoffkreisläufen in der Ostsee. reiner Form beliebig wieder ab- Startup Nebula Biocides, ent- sucht. die Atmosphärenforschung. realen Bezug zur Landwirtschaft. Projekte. Seit 1992 forscht sie am IOW. geben kann. wickelt aus einer schlauen Idee 14 16 eine Weltneuheit. 6 8 10 12 21 4 | Leibniz Nordost 33 - 2022 Leibniz Nordost 33 - 2022 | 5
Text: Martha Höhne Wasserstoff aus der Batterie Das LIKAT entwickelte gemeinsam mit Apex ein katalytisches System, Grafik: Die Wasserstoff-Batterie basiert auf der kohlen- das Wasserstoff (H2) chemisch speichert und in hochreiner Form stoffneutralen chemischen Speicherung und Freisetzung von H2: CO2, Aminosäure (AA) und H2 werden zu beliebig wieder abgeben kann. Formiat, dem Salz der Ameisensäure (FA), umgewandelt. Das CO2 verbleibt im Kreislauf (fette Pfeile), was Vorteile hat gegenüber dem CO2-Recycling (gepunktete Pfeile). Grafik: LIKAT Batterien und Akkus erleichtern den Alltag Die Wasserstoff-Batterie, gemeinsam ent- CO2-neutraler Prozess ßergewöhnlich hohe Gesamt-TON“ (TON enorm. Mit ihnen können wir – unabhängig wickelt mit der Apex Group, speichert Wie Teammitarbeiter Duo Wei herausfand, = turnover number, Umsatzzahl) noch nach vom Stromnetz – Computer, Telefon oder Wasserstoff unabhängig von Ort und Zeit laufen die Prozesse katalytisch mit einem zehn Ladungszyklen. Rasenmäher betreiben. Wie wäre es, be- in einer deutlich unbedenklicheren chemi- Mangan-Komplex ab. Das System folgt säßen wir eine Batterie für Wasserstoff, die schen Substanz und kann ihn beliebig wie- dem Prinzip einer elektrischen Batterie, mit Ein Verfahren auf dieser Basis wird seinen künftig jenen Rohstoff und Energieträger der abgeben, um z. B. Brennstoffzellen zu dem Unterschied, dass anstelle von elekt- vollen Charme künftig vor allem dann ent- lieferte, auf dem seit der Klima- und Ener- betreiben. rischem Strom Wasserstoff genutzt wird. falten, wenn der zu speichernde Wasser- giekrise große Hoffnungen liegen? Eine solche Batterie wird zu Beginn einmal stoff aus erneuerbaren Quellen der Region Für die Fachwelt ein Highlight mit CO2 aus der Luft befüllt und durchläuft kommt, also durch Elektrolyse mittels Strom Tatsächlich ist eine solche Batterie am Leib- Das Fachjournal Nature Energy hat der Ver- dann mehrmals den Zyklus der H2-Speiche- aus Windkraft oder Photovoltaik. „Solche niz-Institut für Katalyse entwickelt worden. öffentlichung im Sommer den Status eines rung (chemisch: Hydrierung) und H2-Frei- Quellen sprudeln ja nicht kontinuierlich“, Und zwar von einem Team im Bereich von wissenschaftlichen Highlights verliehen. setzung (Dehydrierung). Dabei wird stets sagt Henrik Junge. „Deshalb braucht die LIKAT-Direktor Matthias Beller. Damit kann Das gemeinsame Patent wurde von Apex wieder neuer Wasserstoff in den Speicher Wasserstoffwirtschaft auf grüner Basis gro- Wasserstoff ein stückweit für den Alltags- beantragt. Und im neuen Technikum des geladen. ße Speicherkapazitäten, vorzugsweise che- gebrauch gezähmt werden. „Denn Knack- LIKAT, das Anfang Juli feierlich eröffnet mischer Art, auch lokal vor Ort.“ punkte sind Transport und Speicherung“, wurde, überführen die Chemiker ihre Er- Henrik Junge: „Üblicherweise wird bei einer wie Teamleiter Henrik Junge erläutert. Als kenntnisse zur H2-Batterie derzeit in den solchen Reaktion das Kohlendioxid wieder Gas ist H2 unter normalen Bedingungen Pilotmaßstab – eine Vorrausetzung für den frei. Wir hingegen halten es dauerhaft in flüchtig und von geringer Dichte sowie in Transfer in die Praxis. unserem Reaktionssystem fest.“ Der Trick Gegenwart von Sauerstoff explosiv. besteht darin, dass die Forscher das CO2 an „Als Speichermedium dienen Salze der eine Aminosäure binden, im Grunde eine Ameisensäure, sogenannte Formiate“, er- gewöhnliche Substanz, die in Flora und läutert Henrik Junge die Chemie hinter die- Fauna vorkommt. ser Arbeit. Schon 2021 beschrieb sein Team im Fachjournal Chemical Science, wie sie Der Vorzug für die Wie in dieser Montage können wir uns die Wasserstoff- Batterie der Zukunft vorstellen: Die Sonne liefert den mittels Kohlendioxid (CO2) aus der Luft und regionale Versorgung Strom für die elektrolytische Produktion (rechts im Bild) der Aminosäure L-Lysin katalytisch Wasser- Das Journal Nature Energy bewertete die- von Wasserstoff (H2, weiße Kugeln) aus Wasser. Der H2 wird in den Batteriespeicher (Kasten in der Mitte) gela- stoff in Formiaten speichern. Henrik Junge: se bahnbrechende Entwicklung in einem Ansprechpartner: den und dort mit CO2 (Kombination aus schwarzen und „Natürlich wäre es elegant, wenn wir im Kommentar, der u.a. die hohen Ausbeuten Dr. Henrik Junge roten Kugeln) mittels eines Katalysators und einer Ami- selben System den Wasserstoff bei Bedarf – mehr als 90 Prozent für die H2-Speiche- henrik.junge@catalysis.de nosäure zu Formiat (Kombination aus roten, schwarzen und weißen Kugeln) umgewandelt, bei Bedarf wieder wieder freisetzen können, um ihn zu nut- rung und 80 Prozent H2-Freisetzung – her- +49 381 1281-174 freigesetzt (Ableitung von H2 über die gekrümmten zen.“ Genau das ist mit der aktuellen Arbeit vorhebt. Das sei eine „bemerkenswerte Rohre) und z. B. in einer Brennstoffzelle (links im Bild) genutzt. Bildmontage: LIKAT gelungen. Aktivität“ des Katalysators und eine „au- 6 | Leibniz Nordost 33 - 2022 Leibniz Nordost 33 - 2022 | 7
Text: Stefan Gerhardt Schutz vor tödlichen Bakteriensporen Die INP-Ausgründung Nebula Biocides entwickelt aus einer schlauen Idee eine Weltneuheit. Etwas Luft, Wasser, Strom und eine große zu Mitteln auf Alkoholbasis werden auch Portion Forschergeist. Diese Zutaten lie- Bakteriensporen abgetötet, beispiels- ferten die Idee für ein neuartiges Desin- weise der Krankenhauskeim Clostri- fektionsmittel, das Bakterien, Viren, Pilze dioides difficile, der bei geschwächten und Bakteriensporen sicher und schnell Patientinnen und Patienten oftmals töd- bekämpft. Unter dem Markennamen Spo- liche Durchfälle auslöst. Gleichzeitig ist rosan soll die Weltneuheit für saubere das neue Produkt sehr gut biologisch ab- Hände und klinisch reine Medizinproduk- baubar. te und Flächen sorgen. Im Unterschied Von der Idee zum Prototyp lichst schnell an den Markt zu kommen, bis zur Anwendung in getrennten Flüssig- Dr. Jörn Winter und Dr. Katja Fricke von Nebula Biocides forschen im Labor an Die Idee resultiert aus jahrelangen Arbeiten gewann das Startup namhafte Koopera- keitstanks vorgehalten.“ neuartigen Desinfektionsmitteln. im Bereich Plasmamedizin am Leibniz-In- tionspartner aus der Industrie. Mit ihnen An öffentlicher Ehrung mangelt es dem Foto: Stefan Gerhardt, INP stitut für Plasmaforschung und Technolo- zusammen entwickeln die Gründer ange- Start-up mit seinen mittlerweile fünf Mit- gie (INP). Getreu dem INP-Motto „Von der passte Desinfektionsgeräte mit bisher nicht arbeitenden nicht. Das belegen der Baltic- Idee zum Prototyp“ entstanden erste Um- dagewesener Leistungsfähigkeit. Sea-Region Healthcare Award (2020), der setzungskonzepte. Öffentlich geförderte Leibniz Gründungspreis (2021) und der Einrichtungen dürfen solche Entdeckun- Höchst wirksam und umweltfreundlich Greifswald Research Award (2022). Auch gen aber nicht selbst kommerzialisieren. Winter erläutert die Innovation: „Unser pa- Investoren fanden sich schnell. Geduld ist Hier ist privater Unternehmergeist gefragt tentiertes System basiert auf den zwei Kom- bei den notwendigen Genehmigungen ge- – Persönlichkeiten mit Mut und Durchhal- ponenten Wasserstoffperoxid und Nitrit. fragt. Voraussichtlich 2024 wird Sporosan tevermögen, wie die einstigen INP-Forscher Bringt man sie zusammen, entsteht ein Des- für die Desinfektion von Medizingeräten Jörn Winter und Ansgar Schmidt-Bleker. infektionsmittel, das für kurze Zeit höchst zugelassen. Als Hand- und Flächendesinfek- Ansprechpartner: Gemeinsam mit INP-Direktor Klaus-Dieter wirksam ist und dann umweltfreundlich tion soll das Mittel 2028 erhältlich sein. Dr. Jörn Winter Weltmann gründeten sie 2019 in Greifs- zerfällt. Die Idee stammt aus Versuchen mit info@nebula-biocides.de wald die Nebula Biocides GmbH. Plasmatechnologie, bei der wir die Wirkung +49 3834 550701 Winter und Schmidt-Bleker erkannten das der Komponenten entdeckten. In unseren Dr. Ansgar Schmidt-Bleker von Nebula Biocides kontrolliert das Wachstum sporenbildender Bakterien. Foto: Nebula Biocides. Potenzial der neuen Technologie. Um mög- Systemen werden die beiden Bestandteile 8 | Leibniz Nordost 33 - 2022 Leibniz Nordost 33 - 2022 | 9
Text: Barbara Hentzsch Unsichtbare Störungen Wer dachte, dass sich dafür Meeresschutzgebiete be- Seit zwei Jahren läuft ein Projekt, das über die augen- sonders gut eignen, hat leider Unrecht. Schleppnetz- fälligen Folgen der Schleppnetzfischerei hinaus unter- fischerei ist dort immer noch nicht verboten und So- sucht, wie sich die Störung des Meeresbodens auf naraufnahmen vom Meeresboden belegen, dass die die grundlegenden Funktionen der Ökosysteme, wie Fischerei diese Räume auch nicht freiwillig ausspart Riskantes Kratzen Bereitstellung von Nährstoffen und Energie, sowie die Ausgewogenheit der Nahrungsnetze auswirkt. (siehe Bild unten). Aber zurzeit deutet sich an, dass es in baldiger Zukunft zu einem Ausschluss kommen wird. am Fundament „Zu einem intakten Ökosystem gehört mehr, als wir mit bloßem Auge erkennen können”, erläutert Klaus Hoffen auf den Ausschluss Jürgens, Leiter des Projektes. „Wir Biologen unterschei- „Wir arbeiten jetzt an einer Detailaufnahme des Ist- den neben dem Makrozoobenthos – 0,5 bis 50 mm Zustandes in den Meeresschutzgebieten, damit wir ab Am IOW wird ein Projekt koordiniert, das die ökologi- großen wirbellosen Tieren – auch noch die Meiofauna, dem Tag X erkennen können, wie die unterschiedli- Tiere am und im Boden mit einer Größe von etwa 0,04 chen Gruppen auf den Ausschluss reagieren“, erläutert schen Folgen der Schleppnetzfischerei untersucht. bis 1 mm, sowie Mikroalgen wie Diatomeen und noch Klaus Jürgens seinen Forschungsansatz. kleinere Mikroorganismen mit und ohne Zellkern. Sie In über 70 % der europäischen Meere wird rungen am Meeresboden, wirbeln das Se- alle sind in ihren Ernährungsweisen auf einander ab- Neben den dafür erforderlichen regelmäßigen Unter- regelmäßig Schleppnetzfischerei betrie- diment auf und hinterlassen tiefe Rinnen. gestimmt und erfüllen fundamentale Funktionen im suchungen führt das Team auch direkte Schleppnetz- ben. Global ist jedes Jahr in etwa ein Ge- Offensichtlich sind ihre Auswirkungen auf Ökosystem.“ studien durch. „Dabei messen wir unmittelbar nach biet von der Größe Russlands betroffen. am Boden lebende Fische und Wirbellose, einem Schleppnetzeinsatz auf einem hinter dem Fi- Wir reden von rund 15 Millionen km2. Was wie Muscheln und Schnecken: Nach je- Referenzflächen gesucht schereischiff herfahrenden Forschungsschiff die Was- passiert da eigentlich? dem Einsatz von Schleppnetzen sind nicht Geht es einer dieser Gruppen schlecht, werden die serchemie und die Umlagerung der Sedimente“, (siehe Grundschleppnetze sind mit so genannten nur die Gemeinschaften, sondern auch ihr anderen in Mitleidenschaft gezogen, so die Theorie. Illustration links). Anschließend wird im Labor auch die Scherbrettern ausgestattet, die das Netz Siedlungsraum zerstört. Die Konsequen- Letztlich könnte auf diesem Weg das gesamte Ökosys- direkte Einwirkung auf die Fauna untersucht. Die Pro- offen halten sollen. Während das Netz ge- zen für die Artenvielfalt sind hinlänglich tem aus dem Ruder laufen. Die Wichtigkeit der Mission jektergebnisse werden zum ersten Mal einen komplet- zogen wird, durchpflügen sie die Ablage- beschrieben. ist also klar. Aber wo finden sich Vergleichsflächen, an ten Blick auf die Folgen von Schleppnetzfischerei für denen sich untersuchen lässt, wie das unbeeinträchtig- die marinen Nahrungsnetze bieten. te System funktioniert? Das DAM-Projekt „Ausschluss mobiler, grund- berührender Fischerei in Schutzgebieten der deutschen AWZ der Ostsee“ wird vom Klaus Jürgens, Leiter der Arbeitsgruppe „Mikrobielle Bundesministerium für Ökologie“ am IOW. Foto: K. Beck, IOW Bildung und Forschung gefördert. Mehr Informationen unter: www.io-warnemuende.de/ dam-mgf-ostsee-start.html Ansprechpartner: Prof. Dr. Klaus Jürgens klaus.juergens@io-warnemuende.de Spuren der Grundschleppnetzfischerei, aufgenommen von einem Prinzip der Schleppnetzstudie. Grafik: I. Piehl Fächerecholot. Quelle: M. Schönke, IOW 10 | Leibniz Nordost 33 - 2022 Leibniz Nordost 33 - 2022 | 11
Text: Thorben Mense und Josef Höffner Vermessung der mittleren Als erster Forschungsschwerpunkt interes- Ein Kubikmeter Hightech Atmosphäre sieren uns Schwerewellen, denn sie trans- portieren Energie und Impuls von den unte- Hierbei schicken wir einen Laserpuls in die ren Luftschichten in die obere Atmosphäre. Atmosphäre, der von unterschiedlichen Be- Dort brechen sie und beeinflussen so u. a. Am IAP entsteht mit einem kompakten Gerät standteilen der Atmosphäre gestreut wird. die Temperatur massiv, und zwar je nach namens VAHCOLI ein mobiles Lidar-System für Über die zurückgestreuten Photonen, wel- Atmosphärenschicht um bis zu 100 Grad. che mittels eines Teleskops gesammelt wer- die Atmosphärenforschung. den, ermitteln wir dann die Atmosphären- Deutlich tiefere Einblicke in parameter. die Atmosphäre Am IAP entsteht ein komplett neues Lid- ar-System für Netzwerke, das gleichzeitig Die Ausdehnung dieser Wellen liegt ver- Die Atmosphäre über uns ist gekenn- an fünf Laserstrahlen entlang messen wird. tikal um 10 km und horizontal bei einigen zeichnet durch eine Vielzahl von dy- CAD-Zeichnung eines VAHCOLI-Systems Wir nennen es VAHCOLI (Vertical And Ho- hundert km. Um sie in der mittleren At- namischen Prozessen: Von meter- mit fünf Sichtfeldern und eingezeichneten rizontal COverage by LIdar). Es kombiniert mosphäre zu beobachten, nutzen wir bis- Laserstrahlen. Grafik: IAP großen Turbulenzzellen bis hin zu modernste Messtechniken in einem Ge- her große Hochleistungs-Lidar-Systeme in Strömungen, die den gesamten Globus häuse mit einer Kantenlänge von weniger Kühlungsborn und auf ALOMAR1. Der 3-di- umspannen. als einem Meter. mensionale Charakter der Bewegungen in VAHCOLI dient der Erforschung der mittle- der Atmosphäre wird dabei aber nicht di- Um dieses komplexe System besser ren Atmosphäre (10 – 100 km), es ist klein, rekt erfasst. Schon ein einziges VAHCOLI- zu verstehen, werden vertikal und ho- leicht und kostengünstig und dennoch ver- System mit seinen fünf Sichtfeldern hin- rizontal aufgelöste Messungen von gleichbar mit der Leistungsfähigkeit von gegen kann neue Erkenntnisse liefern, und Wind und Temperatur benötigt. Mittels deutlich größeren Systemen. Damit quali- im Netzwerkverbund von mehreren Lidar- Lidar-Systemen lassen sich diese Pa- fiziert es sich für den Einsatz im Netzwerk- Systemen erhalten wir noch deutlich tiefe- rameter messen. verbund, womit diese Geräte, anders als re Einblicke in die horizontale und vertikale ihre gebäudegroßen Geschwister, mobil Wellenstruktur der Atmosphäre. sind und weltweit aufgestellt und konfigu- VAHCOLI ist das Ergebnis eines konsequen- Das neue VAHCOLI-System mit fünf Sichtfeldern bereit für eine Messung. riert werden können. ten Wissenschafts-Transfers. Vom Alexand- Im Hintergrund der Prototyp mit nur rit-Laser, über die Messelektroniken bis hin einem Sichtfeld. Foto: Franco-Diaz, IAP Im Visier: einflussreiche zum kompakten universellen Lidargehäuse Schwerewellen entstanden viele Komponenten in direk- ter Zusammenarbeit mit Industriepartnern Um die Systeme so kompakt zu gestalten, und wirtschaftsnahen Forschungsinstitu- kombiniert die Arbeitsgruppe um Josef ten, wofür auch notwendige Fördermittel Höffner ein neues Messverfahren, welches eingeworben wurden. Gerade für den Bau ultra-schmalbandige Filter nutzt, mit mo- von mehreren Systemen für ein Netzwerk dernen additiven Fertigungstechnologien. bietet diese Strategie Vorteile bei der Ska- Gemeinsam mit dem Fraunhofer Institut für lierbarkeit entsprechend der wachsenden Lasertechnologie in Aachen entwickelten wissenschaftlichen Fragestellungen. wir einen neuartigen diodengepumpten Alexandrit-Ringlaser, der für den Einsatz in Ansprechpartner: VAHCOLI präzise in der Frequenz gesteuert Josef Höffner werden kann und es erlaubt, die Spektren hoeffner@iap-kborn.de des zurückgestreuten Lichtes genau zu ver- +49 38293 68-130 Die VAHCOLI-Arbeitsgruppe vor einem ihrer messen. Aus diesen Spektren können dann 1 ALOMAR: Arctic Lidar Observatory for Middle Prototypen (v. l. n. r.): Alsu Mauer, Josef Höffner, Thorben Mense, Ronald Eixmann und Jan Froh. direkt Wind, Temperatur und Aerosolbela- Atmosphere Research, Observatorium auf der Foto: Th. Mense, IAP dung ermittelt werden. norwegischen Insel Andøya 12 | Leibniz Nordost 33 - 2022 Leibniz Nordost 33 - 2022 | 13
Text: Josephine Almstädt Gast Es begann mit einer Vision von Marianne Angebot an die Jugend im Umfeld Kinder ihr erworbenes Wissen testen. Das bildung zur Bauernhofpädagogin, was ihr Zenk. Sie wollte Kinder mit ihrer Leiden- Mitstreiterinnen fand Marianne Zenk in dazu passende Heft über Rinder ist derzeit jetzt schon nutzt. Denn aktuell kommen die schaft für die Landwirtschaft anstecken. ihren Kolleginnen am FBN Anja Baufeld, in Arbeit. Kindergruppen wieder zahlreicher. „Heutzutage fehlt Heranwachsenden Franziska Koch und Manuela Reichelt. 2018 2021 wurde das FBN zum „Außerschulischen Was planen die vier enthusiastischen Frau- oftmals der reale Bezug dazu“, sagt die riefen die vier das Projekt „Stadt – Land – Lernort“ ernannt. Für Marianne Zenk ist das en für die Zukunft? Gerade erweiterten sie Agraringenieurin und Leiterin der Schwei- Stall“ (SLS) für Kinder und Jugendliche aus ein „wichtiger Meilenstein“, denn nun ist die Materialien durch Videos und interakti- neanlage am Forschungsinstitut für Nutz- den umliegenden Städten und Dörfern ins ihr Projekt im Arbeitskreis der Außerschuli- ve Elemente, wie Marianne Zenk berichtet. tierbiologie, FBN. Selten wüssten sie, wo Leben. Sie erarbeiteten ein Konzept, dis- schen Lernorte der Universität Rostock und Nun hoffen die Forscherinnen, dass ihr neu- die Lebensmittel, die sie täglich kaufen, kutierten über Zielgruppen und konkrete im MINT-Forum des Landes vernetzt. Lehr- er Projektantrag genehmigt wird: gemein- herkommen. Vorhaben. In der coronabedingten Besu- amtstudierende aller Fachrichtungen der sam mit der Kommune Dummerstorf Ak- cherpause am FBN entwickelten die Frauen, Universität Rostock sammelten im Modul tionstage zu gestalten: „Wir laden unsere Am FBN in Dummerstorf gibt es die be- spezialisiert auf unterschiedliche Bereiche, „Außerschulische Lernorte“ eigene Erfah- ‚Nachbarn‘ ein, als Teil unserer Community sondere Möglichkeit, bei einem Besuch in altersgerechte Materialien für das junge rungen im Stall, setzten ihre Ideen für einen am Institut selbst einen Beitrag zu einem den Schweinestall zu schauen oder For- Publikum. „Unterricht im Stall“ vor Ort um und stell- Forschungsprojekt zu leisten.“ schenden im Kuhstall über die Schulter zu Dazu zählen Leporellos zu Schweinen und ten das Ganze während der „Langen Nacht Natürlich wissen Marianne Zenk und ihre blicken. Auf diese Weise ließe sich, so die Rindern für Kindergartenkinder und ein der Wissenschaft“ in Rostock vor. Kolleginnen: Solche Gemeinschaftsprojek- Idee, Einblick in die Haltung von Tieren, die Heft über Schweine für Schulkinder der Se- te fördern die Akzeptanz ihres Umfelds für Herkunft unserer Lebensmittel und auch kundarstufe I mit Aufklebern von allen Tie- Nachbarschaft forscht mit Tierhaltung und Forschung. Und natürlich in aktuelle Themen wie Tierwohl, Umwelt- ren, die am FBN leben. Das Material greift Um auch pädagogisch besser auf ihr jun- zählt auch dies, wie Marianne Zenk be- und Klimaschutz geben. das beim Besuch Erlebte, Gehörte und Ge- ges Publikum eingehen zu können, begann tont, zum Transfer von Wissen in die Ge- sehene auf. Mit Quiz und Rätsel können die Marianne Zenk eine einjährige Zusatzaus- sellschaft. Sie ermöglichen den Heranwachsenden einen Einblick in Stall und Nutztierhaltung (v. l. n. r.): Anja Baufeld Realer Bezug zur Landwirtschaft: Wo kommen die (links hinten), Franziska Koch (links vorne), Marianne Lebensmittel her? Unter anderem aus diesem Stall. Zenk und Manuela Reichelt. Foto: J. Almstädt, FBN Foto: M. Reichelt, FBN Stadt – Land – Stall „Wie die Welt von morgen aussehen wird, hängt Ansprechpartnerin: Marianne Zenk in großem Maße von der Einbildungskraft jener zenk@fbn-dummerstorf.de ab, die gerade jetzt lesen lernen.“ Das stammt +49 38208 68-950 www.fbn-dummerstorf.de/stadt-land-stall/ von Astrid Lindgren und wird am FBN, einem „Außerschulischen Lernort“, gelebt. 14 | Leibniz Nordost 33 - 2022 Leibniz Nordost 33- 2022 | 15
Synergien und Text: Barbara Hentzsch News Symbiosen: IOW: Maren Voß erhielt Björn Carlson-Ostsee-Preis Anfang Juni wurde Maren Voß in Stockholm von der schwedischen Kronprinzessin Victoria mit dem Björn Carlson Ostsee-Preis ausgezeichnet. Der mit 3 Mio. schwedischen Kronen Unterwasserarbeiten im gemeinsamen DFG-Graduiertenkolleg Baltic Transcoast. dotierte Preis der Björn Carlson Baltic Sea Foundation wurde dieses Jahr erstmalig ver- IAP: Verabschiedung Foto: Hanna Schade liehen. Die Stiftung würdigte damit die wegweisende Forschung der Wissenschaftlerin zu von Direktor marinen Stickstoff-Kreisläufen in der Ostsee. Mit innovativen Methoden erfasste Maren Voß die unterschiedlichen Eintragsquellen und Umsetzungsprozesse dieses Nährstoffs und Franz-Josef Lübken trug so dazu bei, dass bei der Bekämpfung der Ostsee-Überdüngung der Fokus verstärkt auf Stickstoff gelegt wurde. Maren Voß forscht seit 1992 am IOW und war maßgeblich am Der langjährige Direktor des IAP, Franz- Ausbau des Bereiches Biologische Meereskunde beteiligt. Josef Lübken, wurde am 24. Juni mit einem Festkolloquium verabschiedet. Die Festredner betonten durchweg, wie sehr die Bekanntheit des Instituts durch ihn geprägt worden ist, und zwar durch die Kombination von wissenschaftlicher Qualität, begeisternder Kommunikation und umsichtiger Organisation. Zahlreiche Doktoranden waren gekom- Kronprinzessin Viktoria men, um ihren einstigen Doktorvater zu bei der Überreichung des ehren. Sie forschen inzwischen, auch Björn-Carlson Ostsee- das ist eine vielsagende Einzelheit, in Preises an Maren Voß. Foto: AxlMedia aller Welt. Beispiel Graduierten-Schulen: Das IAP gestaltet gemeinsam mit dem IOW die Studien- Leibniz und die richtung „Ocean, Atmosphere and Space” im Fachbereich Physik. Ausgehend von einer INP: Plasmadruckverfahren bald Universitäten Leibniz-Förderung hat sich die Graduiertenschule ILWAO etabliert, die Ausbildungseinhei- ten zum Thema Schwerewellen in Atmosphäre und Ozean anbietet. kommerziell verfügbar Wie keine andere Wissenschaftsorga- Das von der DFG geförderte Graduiertenkolleg Baltic Transcoast ist ein weiteres Beispiel. nisation ist die Leibniz-Gemeinschaft Die Universität Rostock und das IOW betreuen gemeinsam Promovierende, die die Folgen Moderne Diagnoseverfahren der Mikrofluidik basieren auf Mikrochips, die gleichzeitig eine mit den Universitäten verbunden: Viele des Klimawandels für Küstenmoore und -gewässer erforschen. In der ersten Kohorte Vielzahl von Untersuchungen mit minimalsten Mengen an Flüssigkeiten durchführen kön- leitende Leibniz-Wissenschaftlerinnen (2016 – 2019) schafften 10 junge Forschende die Promotion. Seit 2020 forschen insge- nen. Ein am INP entwickeltes Plasmadruckverfahren, SurfAP3® genannt, ermöglicht che- und Wissenschaftler haben einen in samt 26 weitere Promovierende am Thema. misch strukturierte Oberflächen im Submillimeter- bis Mikrometerbereich, die derartige gemeinsamer Berufung erworbenen Beispiel WissenschaftsCampi: Sie werden von der Leibniz-Gemeinschaft gefördert, um Analysen gestatten. Lehrstuhl inne. Sie übernehmen Lehr- ihre Institute und Hochschulen thematisch fokussiert zusammenzubringen. In Mecklen- verpflichtungen und betreuen Quali- burg-Vorpommern etablierten sich gleich zwei. In ComBioCat entwickeln Promovierende Weitere Anwendungsbereiche sind Biosen- fizierungsarbeiten. In gemeinsamen am LIKAT und am INP neuartige Katalysatoren für eine nachhaltige Chemie. Dazu soren, Biochips und die Mikroelektronik. Projekten erhalten Forschende und verbinden sie unterschiedliche Prinzipien ihrer Disziplinen miteinander: der Chemie, der Unter dem Namen MICROQUASAR plant Studierende der Universitäten Zugang Biochemie, des Protein-Engineering und der Plasmaphysik. Solcher Zugang zu den die INP-Forscherin Laura Barillas-Mora eine zu hochmoderner Infrastruktur der Nachbarfächern macht sie fit für interdisziplinäre Spitzenforschung in zukunftsträchtigen Ausgründung mit Systemen für den indus- Greift noch einmal kräftig in die Tasten: Franz-Josef Leibniz-Institute. Themen, wie Photokatalyse und Metalloenzyme. triellen Einsatz des neuen Plasmadruckver- Lübken (am Keyboard) mit seiner Band Swingin´ Im Leibniz-WissenschaftsCampus Phosphorforschung Rostock sind gleich vier Leibniz- fahrens. Die ersten Geräte sind voraussicht- Seagulls: Christian Ahnsehl (Gitarre), Andreas Pasternack (Saxophon) und Enrique Marcano- Institute sowie das FBN vertreten, die gemeinsam mit Forschenden aus 5 Fakultäten der lich 2023 erhältlich. González (Bass). Foto: Mense, IAP Universität Rostock wissenschaftliche Grundlagen schaffen, um künftige Wirtschaftskreis- Während des Plasmadrucks entsteht auf einem Silizium- läufe weitgehend unabhängig von den begrenzten mineralischen Phosphatlagerstätten wafer ein chemisches Mikromuster in Form einer Spira- zu gestalten. le, das einem Quasar ähnelt. Foto: L. Barillas-Mora, INP 16 | Leibniz Nordost 33 - 2022 Leibniz Nordost 33 - 2022 | 17
IOW: Erster Ostseetag nach INP: 30 Jahre Plasmaforschung IAP: Corona-Pause Das Leibniz-Institut für Plasmaforschung und Technologie e.V. (INP) feierte Ende Sep- Abschlusskolloquium tember sein 30-jähriges Jubiläum. Die Plasmaforschung hat Tradition in Greifswald. Unter dem Motto „Die Ostsee im Zeichen des Klimawandels“ Seit den 1920er Jahren experimentierten Pioniere wie Rudolf Seeliger in der Hanse- „Dynamic Earth“ luden am 8. Juni wieder die vier Institutionen zum Ostseetag stadt mit ionisierten Gasen. Aus der 1946 von Paul Schulz gegründeten „Forschungs- ein, die in Mecklenburg-Vorpommern dafür sorgen, dass Ost- stelle für Gasentladungsphysik“ entstand nach der deutschen Wiedervereinigung im Das „Dynamic Earth“-Schwerpunktpro- FBN: Bessere Open-Science-Praxis see-Expertise in nationale und internationale Meerespolitik Jahr 1992 das „Institut für Niedertemperatur-Plasmaphysik“ (INP Greifswald)‚ das von gramm beendete seine sieben erfolgreichen einfließen kann: das IOW, das Bundesamt für Seeschifffahrt Anfang an zur Leibniz-Gemeinschaft gehörte. Es erhielt 2007 seinen heutigen Namen. Jahre im Jahr 2022. Das Abschlusskollo- Transparenz und breite Zugänglichkeit von Forschungsergebnissen und Hydrographie Rostock, das Deutsche Meeresmuseum Die rund 200 Mitarbeitenden begingen den Ehrentag gemeinsam mit Gästen aus Poli- quium fand am 31. Mai und 2. Juni 2022 helfen u. a. den Transfer von innovativen Erkenntnissen zu verbes- Stralsund sowie das Thünen-Institut für Ostseefischerei. Rund tik, Forschung, Wirtschaft und Gesellschaft mit einem Festakt und Barbecue. am IAP statt. In dem Programm arbeitete sern. Der schon Mitte der 1980er Jahre geprägte Begriff „Open 1000 Gäste besuchten im Rostocker Stadthafen die drei For- eine breit gefächerte Gruppe von Forschern Science“ steht dabei für alle Praktiken, die Forschungserkenntnis- schungsschiffe an der Kaikante sowie die Themeninseln für erfolgreich in einem etablierten internatio- se für jedermann zugänglich und somit auch reproduzierbar ma- den Bürger-Dialog. In der Bühne 602 gab es eine hochkarätig nalen Forschungsrahmen für Gravitation, chen. Forschende des FBN haben jetzt gemeinsam mit Kollegen besetzte Podiumsdiskussion für Fachpublikum sowie die Preis- Geomagnetismus, Weltraum- und Atmo- aus Frankreich, USA, Portugal, Finnland und Irland einen Leitfaden verleihung des Schülerwettbewerbs „Meine Ostsee im Jahr sphärenwissenschaften zusammen. Die zu- mit sieben Schritten entwickelt, der dazu beitragen soll, „Open 2100“. gehörigen Projekte nutzten Satellitendaten Science“ in der Nutztierforschung zu stärken. Die Empfehlungen und befassten sich mit Studien, die auf bo- sind im Kern auch auf andere Wissenschaftszweige anwendbar. dengestützten Beobachtungen und Simula- in einem Leitartikel der renommierten Fachzeitschrift PNAS Nexus, tionen basieren. Das Kolloquium bot dem abrufbar unter https://academic.oup.com/pnasnexus/article/1/3/ gesamten Team und dem Bewertungsaus- pgac106/6639893. schuss u. a. die Gelegenheit, die Erkennt- nisse sowie wissenschaftliche Fragen dar- zustellen, die sich auf dieser dynamischen LIKAT: Auszeichnungen für Forscher Reise um die Erde neu ergeben haben. Martina Brockmeier, Präsidentin der Leibniz-Gemeinschaft, gratulierte dem INP beim Festakt am 29. September 2022 zum 30-jährigen Bestehen. Foto: INP Mit gleich drei Auszeichnungen wurden zwei Chemikerinnen und ein Chemiker am Gehörten zur Diskussionsrunde über die Folgen des Klimawandels (v. l. n. r.) : LIKAT für ihre Leistungen beim Transfer von HELCOM-Generalsekretär Rüdiger Stempel, Maritime Koordinatorin Claudia LIKAT: Technikum eröffnet LIKAT: Italienische Müller, Direktor des Thünen-Instituts für Ostseefischerei Christopher Zimmer- Wissen und Forschungserkenntnissen in mann und Klimamodellierer Markus Meier vom IOW. Foto: K. Beck, IOW Chemische Gesellschaft Öffentlichkeit, Gesellschaft und Wirtschaft Anfang Juli ist am LIKAT das neue Technikum feierlich eröffnet worden. Die Forscher geehrt. Doktorandin Nora Jannsen „über- können dort nun selbst die Anwendungsreife ihrer Erkenntnisse aus dem Labor im ehrt Matthias Beller setzte“ beim Wettbewerb „Rostocks 11“ Pilotmaßstab überprüfen. Es bietet u.a. Versuchsständen für chemische Reaktionen mit ihrem Vortrag „Öffne die Blackbox! Jola Pospech. Foto: privat im Kilogramm-Bereich Platz, womit vor allem die Grundlagenforschung näher an die LIKAT-Direktor Matthias Beller wurde mit Mechanismus-Forschung in der Katalyse“ FBN: Ausgezeichnete Praxis heranrücken wird. Das Technikum entstand in einer Bauzeit von etwa dreiein- der Luigi-Sacconi-Medaille 2022 geehrt. einem Laienpublikum ihre Forschung und halb Jahren und wurde mit ca. 12 Mio Euro vom Bund und Land Mecklenburg-Vor- Es ist die höchste Auszeichnung der Itali- molekularbiologische belegte den zweiten Platz. Für „sehr gute pommern gefördert. enischen Chemischen Gesellschaft im Be- Lehrleistungen am Institut für Chemie“ ver- Nutztierforschung reich der Anorganischen Chemie und wird lieht die Mathematisch-Naturwissenschaft- Wietje Nolte. alljährlich verliehen. Die Laudatio würdig- liche Fakultät an der Universität Rostock ih- Im September 2022 wurde Wietje Foto: Peter Leukert te die Pionierarbeiten von Beller und seiner ren diesjährigen Lehrpreis an Jola Pospech, Nolte von der Deutschen Gesellschaft für Züchtungskunde Rostocker Forschungsgruppe auf dem Ge- Themenleiterin am LIKAT. Außerdem wur- Esteban Mejìa. e.V. (DGfZ) mit dem Preis für die beste Dissertation in Deutsch- biet metallorganischer Katalysatoren für die Foto: LIKAT de das Projekt „Schwefelreiche Polymere land im Bereich Nutztierforschung ausgezeichnet. Das Thema Entwicklung ressourcen- und umweltscho- als Klebstoff bei der Herstellung von Solar- der prämierten Doktorarbeit, die Nolte am FBN durchführte, nender chemischer Reaktionen. Diese Kata- batterien“ unter Beteiligung von Themen- lautet „Identifizierung und Charakterisierung der Rolle langer lysatoren ermöglichen die Entwicklung von leiter Esteban Mejìa mit dem „Science and nichtkodierender RNA (lncRNA) bei der Genregulation von alternativen Energietechnologien auf Basis Innovation Prize“ der University von Island Stoffwechselprozessen beim Rind“. Die Forscherin, die schon von Wasserstoff. in der Kategorie „Technologie und Fort- ihren Master am FBN absolvierte, deckte spezielle moleku- Links: Zur Eröffnung des Technikums am 4. Juli über- schritt“ ausgezeichnet. larbiologische Mechanismen auf, die bei Kühen regulieren, gaben Wirtschaftsminister Reinhard Meyer (rechts) und Wissenschaftsministerin Bettina Martin den Fördermit- wieviel der aufgenommenen Nahrung für das Wachstum der telbescheid für das PtX-Transfer-Projekt an LIKAT-Direk- Nora Jannsen. Foto: privat Tiere und wieviel für die Milchproduktion verwendet wird. tor Matthias Beller. Foto: LIKAT 18 | Leibniz Nordost 33 - 2022 19
Leibniz-Gemeinschaft Die Leibniz-Gemeinschaft ist ein Zusammenschluss von knapp Hundert Forschungseinrichtun- gen, die wissenschaftliche Fragestellungen von gesamtstaatlicher Bedeutung bearbeiten. Sie stellen Infrastruktur für Wissenschaft und Forschung bereit und erbringen forschungsbasierte Nach- Name: Institut: Prof. Dr. Maren Voß Leibniz-Institut für Ostseeforschung gefragt Warnemünde (IOW) Dienstleistungen für Öffentlichkeit, Politik, Wissenschaft und Wirtschaft. Sie forschen auf den Beruf: Meeresbiologin Gebieten der Natur-, Ingenieurs- und Umweltwissenschafts-, Sozial- und Raumwissenschaften Funktion: Leitung der Arbeitsgruppe bis hin zu den Geisteswissenschaften. www.leibniz-gemeinschaft.de Mariner Stickstoffkreislauf am IOW Leibniz im Nordosten Was wollten Sie werden, als Sie zehn Jahre alt waren? Leibniz-Institut für Atmosphärenphysik (IAP) Meeresbiologin! Als Schleswig-Holsteinerin haben mich die großen Das IAP erforscht die mittlere Atmosphäre im Höhenbereich von ca. 10 bis 110 km, mit Forschungsschiffe in Kiel total begeistert. Da wollte ich mitfahren Schwerpunkt auf die Mesosphäre. Erkundet werden u.a. die Kopplung der Schichten, deren und mitmachen. Davon konnte mich auch nicht abhalten, dass ich Langzeitverhalten sowie Zusammenhänge zum Klima, und zwar mittels Lidar, Radar, Ballon bei der Studienberatung zu hören bekam, dass das nichts für Frau- und Höhenforschungsraketen sowie mit Modellrechnungen. www.iap-kborn.de en ist. Leibniz-Institut für Katalyse e. V. (LIKAT) Sie erhielten in diesem Jahr für Ihre wissenschaftliche Arbeit Das LIKAT erforscht die Grundlagen des Phänomens Katalyse in all ihren Facetten. Es entwi- den Björn-Carlson-Baltic-Sea-Award. Was war bei Ihrer ckelt neue katalytische Verfahren mit dem Ziel, Reaktionsausbeuten zu erhöhen, Ressourcen Forschung der größte Aha-Effekt? zu schonen und Emissionen zu vermeiden. Diese „grüne“ Chemie soll zunehmend fossile Vor rund 10 Jahren habe ich als einzige Meereswissenschaftlerin Energieträger und Rohstoffe durch nachwachsende Rohstoffe ersetzen. www.catalysis.de an einer großen europäischen Auswertung von Stickstoffströmen mitgewirkt. Diese gleichzeitige Betrachtung der Ströme an Land, Leibniz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde (IOW) im Meer und in der Luft machte mir klar, wie eng alles miteinander Das IOW erforscht Küstenmeere wie die Ostsee in einem interdisziplinären Ansatz. Seine Er- verbunden ist. Auf der großen globalen Skala wird deutlich: Jeder kenntnisse dienen der Entwicklung von Zukunftsszenarien, mit denen die Reaktion der Meere Eingriff in den Stickstoffkreislauf löst Reaktionen aus, wenngleich und ihrer Ökosysteme auf die Nutzung durch die menschliche Gesellschaft oder auf Klima- das auch nicht immer unmittelbar erkennbar ist. änderungen veranschaulicht werden kann. www.io-warnemuende.de Diesjährige Preisträgerin des Björn-Carlson- Wie erklären Sie Ihre Arbeit einem Kind? Leibniz-Institut für Plasmaforschung und Technologie e. V. (INP) Baltic-Sea-Awards: Maren Voß. Foto: AxlMedia Stickstoff gehört zu den Grundbausteinen des Lebens auf der Erde. Das INP fördert neben der Anwendung anwendungsorientierter Grundlagenforschung die Ent- Bevor die Menschen anfingen, in die Natur einzugreifen, gab es wicklung plasmagestützter Verfahren und Produkte. Im Mittelpunkt stehen Plasmen für Materia- ein Gleichgewicht zwischen dem Angebot und der Nutzung dieses 1988: Diplom in Biologie, Universität Kiel lien & Energie, Umwelt & Bioökonomie, Hygiene & Gesundheit. Das INP ist die größte außeruni- Nährstoffes durch Tiere und Pflanzen. Ich untersuche, was passiert, 1991: Promotion in Biologischer Meereskun- versitäre Forschungseinrichtung zu Niedertemperaturplasmen in Europa. www.leibniz-inp.de wenn dieses Gleichgewicht nicht mehr da ist, weil zum Beispiel von de, Universität Kiel den Äckern zu viel Nährstoffe abfließen und ins Meer geraten. 1992 – 1996: PostDoc, Biologische Meeres- Gast Forschungsinstitut für Nutztierbiologie (FBN), Dummerstorf kunde, Leibniz-Institut für Ostseeforschung Das FBN erforscht die biologischen Prozesse von Nutztieren auf den Ebenen des Genoms, des Vor welcher großen Herausforderung steht Ihre Warnemünde (IOW) Stoffwechsels und des Verhaltens. Dies dient dem Verständnis und der Bewahrung der Biodi- Wissenschaftsdisziplin gerade? Seit 1996: Seniorwissenschaftlerin, Leiterin versität und einer Nutztierhaltung, die dem Tierwohl, dem Klima und der Umwelt verpflichtet Wissenschaftlich fordert uns der Klimawandel heraus: wir wis- der Arbeitsgruppe Mariner Stickstoffkreis- ist sowie die globale Ernährungslage sichern hilft. www.fbn-dummerstorf.de sen noch lange nicht, wie die Meeresbewohner damit umgehen lauf, IOW werden. Das zwingt uns über den Tellerrand unserer Fachwissen- 2003: Habilitation an der Universität Rostock schaften zu schauen und gemeinschaftlich nach Erkenntnissen zu seit 2003: Mitglied des Lenkungsausschusses Impressum Leibniz Nordost Nr. 33, November 2022 Redaktion: suchen. Aber es gibt noch einen anderen Aspekt: die Gesellschaft der „European Nitrogen Initiative (INI)“ Herausgeber: Stefan Gerhardt (INP), Dr. Martha Höhne (LIKAT), erwartet von uns, dass wir unsere Ergebnisse mit allen teilen. seit 2015: Außerplanmäßige Professur für Die Leibniz-Institute in MV und das FBN Dr. Barbara Hentzsch (IOW), Dr. Christoph Zülicke (IAP), Auch darauf muss sich die nächste Generation an Forschenden Marine Biogeochemie, Universität Rostock Anschrift: Josephine Almstädt (FBN), Regine Rachow einstellen. Redaktion Leibniz Nordost Grafik: Werbeagentur Piehl c/o Regine Rachow, Druck: STEFFEN MEDIA GmbH Habern Koppel 17 a, Auflage: 1050, gedruckt auf Recyclingpapier aus 100 % Altpapier 19065 Gneven. Die nächste Ausgabe von Leibniz Nordost E-Mail: reginerachow@gmail.com erscheint im Frühjahr 2023. Leibniz Nordost 33 - 2022 | 20 Leibniz Nordost 33 - 2022 | 21
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