FAQ - Häufige Fragen zu Klimawandel und Klimaanpassung - Handlungsfeld: Stadtgrün, Naturschutz und Biodiversität

 
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FAQ - Häufige Fragen zu Klimawandel und Klimaanpassung - Handlungsfeld: Stadtgrün, Naturschutz und Biodiversität
Landesanstalt für Umwelt
                                        Baden-Württemberg

    FAQ – Häufige Fragen zu
Klimawandel und Klimaanpassung
       Handlungsfeld: Stadtgrün, Naturschutz und Biodiversität
FAQ - Häufige Fragen zu Klimawandel und Klimaanpassung - Handlungsfeld: Stadtgrün, Naturschutz und Biodiversität
IMPRESSUM

HERAUSGEBER                 LUBW Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg
                            Postfach 10 01 63, 76231 Karlsruhe, www.lubw.de

BEARBEITUNG                 LUBW Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg
                            Postfach 10 01 63, 76231 Karlsruhe, www.lubw.de
                            Abteilung 2 – Nachhaltigkeit und Naturschutz
                            Referat 23 – Medienübergreifende Umweltbeobachtung, Klimawandel
                            Christian Kotremba

BEZUG                       https://pd.lubw.de/10204

STAND                       Mai 2021

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AUFLAGE                     1. Auflage

TITELBILD                   Begrünte Gebäudefassade; Foto: Jordi C/Shutterstock.com

ZITIERVORSCHLAG             LUBW Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg (Hrsg., 2021):
                            FAQ – Häufige Fragen zu Klimawandel und Anpassung –
                            Handlungsfeld: Stadtgrün, Naturschutz und Biodiversität

Nachdruck – auch auszugsweise – nur mit Zustimmung des Herausgebers unter Quellenangabe
und Überlassung von Belegexemplaren gestattet.                                                D-138-00063
FAQ - Häufige Fragen zu Klimawandel und Klimaanpassung - Handlungsfeld: Stadtgrün, Naturschutz und Biodiversität
FAQ – Häufige Fragen zu Klimawandel und Klimaanpassung
Das Kompetenzzentrum Klimawandel und Anpassung der LUBW Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg errei-
chen immer wieder ähnliche Fragen zu grundsätzlichen Hintergründen des Klimawandels und der Klimaanpassung. Im
Folgenden haben wir daher unsere Antworten auf häufig gestellte Fragen (FAQ) für Sie in Themenblättern zusammen-
gestellt. In diesem Themenblatt wird das Handlungsfeld Stadtgrün, Naturschutz und Biodiversität betrachtet.

Die 10 wichtigsten FAQ in der Übersicht:

          Warum ist das Stadtgrün aus Sicht der Klimaanpassung
  01      besonders wertvoll?

                           Welche Ökosystemleistungen gehen von Stadtgrün aus
                    02     und wie hoch ist deren Wertigkeit?

  03      Wie können Grünflächen klimagerecht angelegt werden?

                           Sollen gebietsheimische oder nicht-heimische Arten auf
                    04     Grünflächen gepflanzt werden?

  05      Welche Stadtbäume sind zukunftstauglich?

                           Wie können Pflanzgruben für Straßenbäume
                    06     klimaangepasst gestaltet werden?

          Schotter ade –
  07      Was sind ökologisch und ökonomisch sinnvolle Alternativen?

                           Warum spielen Dach- und Fassadenbegrünungen bei der
                    08     Klimaanpassung eine so tragende Rolle und                                 © salim138/stock.adobe.com
                           wie können sie gezielt gefördert und ausgebaut werden?

          Wie können Hinterhöfe aus stadtplanerischer Sicht aufgewertet
  09      werden?

                           Welche planerischen Instrumente ermöglichen die Entwicklung
                    10     grüner Infrastruktur?

                                                            © LUBW   FAQ — Stadtgrün 3
FAQ - Häufige Fragen zu Klimawandel und Klimaanpassung - Handlungsfeld: Stadtgrün, Naturschutz und Biodiversität
Warum ist das Stadtgrün aus Sicht der Klimaanpassung
   01           besonders wertvoll?

Der Begriff „Stadtgrün“ bezeichnet die Gesamtheit aller          aufgrund von Schattenwurf und Transpiration (vgl. Abbil-
Flächen im urbanen Freiraum, die von Vegetation geprägt          dung 3) kühlend auf das Stadtklima aus: Durch den städ-
sind oder mindestens irgendeine Art von Vegetation ent-          tischen Wärmeinseleffekt kann die Temperatur in Städten
halten. Diese Flächen bilden so den Gegenpol zu allen ver-       um bis zu 10 °C höher liegen als im Umland [DWD o. J.].
siegelten Flächen und der Bebauung einer Stadt [Steidle-­ Stadtgrün mäßigt diese Temperaturunterschiede, es wird
Schwahn 2001]. Begrünte Städte erfüllen vielfältige              daher als „natürliche Klimaanlage“ bezeichnet. Durch eine
Funktionen für das Stadtklima, die Erholung und Freizeit.        Erhöhung des Grünanteils und durch gezieltes Anpflanzen
Sie dienen als Wasserspeicher, Kühloasen und Lebens-             geeigneter Bäume kann die Lufttemperatur in hitzebelaste-
raum. Das Stadtgrün steht vor großen Herausforderungen,          ten Stadtbereichen um bis zu 10 °C abgesenkt werden [SSB
wie dem Klimawandel mit höheren Temperaturen und                 2011]. Allgemein gilt: Je höher der Grünanteil einer Stadt,
zunehmender Trockenheit, dem Verlust der Artenvielfalt           desto ausgeglichener sein Klima.
oder anderen menschlichen Einflüssen (u. a. Platzmangel,
Nutzungskonkurrenzen, unsachgemäße Pflege).                      Leistungen am Fließband: Pflanzen bieten neben der Kli-
                                                                 maleistung weitere zahlreiche urbane Ökosystemleistun-
Stadtgrün als Klimaanlage: Stadtgrün wird in der Fach-           gen an (u. a.): Produktion von Sauerstoff, Reduzierung der
literatur synonym u. a. auch als urbanes Grün, Grünflä-          Schadstoffbelastung, Kohlenstoffbindung, Förderung der
chen oder Grünraum bezeichnet. Es ist vielfältig und um-         Biodiversität bei Ausbringung diverser Arten, Lärmminde-
fasst laut [BMUB 2015] und [FLL 2000] u. a. Straßenbäume,        rung, Wasserrückhalt oder Verschönerung des Stadtbildes
öffentliche Grünflächen (vgl. Abbildung 1), private Gärten,      [Mohaupt et al. 2018]. All diese Funktionen kann Stadtgrün
Parks, Friedhöfe, Gewerbegrün, Biotopflächen, stadtna-           nur bei entsprechender Vitalität (Pflanzengesundheit) bieten.
he Wälder, Straßenverkehrsgrün oder Gebäudebegrü-
nungen (vgl. Abbildung 2). Städtische Leitbilder, wie die        Integrative Lösungsansätze: Das Stadtgrün hat unter
grün-blaue Stadtentwicklung beinhalten das Stadtgrün als         den Witterungsbedingungen der letzten Sommer jedoch
wesentliches Element. Hinsichtlich der Klimaanpassung            stark gelitten. Es kämpft mit Trockenstress, Hitze und
unserer Städte ist Stadtgrün von essentieller Wichtigkeit,
denn alle Grünelemente erfüllen vielfältige Klimafunktio-
nen. Stadtgrün und Begrünungsmaßnahmen wirken sich

Abbildung 1: kommunale Grünfläche mit gestaffelter Mahd (Foto:   Abbildung 2: Fassadenbegrünung eines Parkhauses (Foto: Christian
Klaus Ullrich, RLP AgroScience GmbH)                             Kotremba, LUBW)

                                4 FAQ — Stadtgrün     © LUBW
FAQ - Häufige Fragen zu Klimawandel und Klimaanpassung - Handlungsfeld: Stadtgrün, Naturschutz und Biodiversität
Schädlingen. Eine nachhaltige, klimagerechte Entwick-                        Wasserrückhalt und somit Kühlung in der Fläche, wirken
lung von Stadtgrün kann daher nur unter Berücksichti-                        sich fördernd auf den Grundwasserhaushalt und die Bio-
gung klimatoleranter, standortgerechter Arten erfolgreich                    diversität aus.
sein. Zur Erfüllung der Klimafunktionen sollten Begrü-
nungsmaßnahmen unter Berücksichtigung naturschutz-
fachlicher Aspekte und der Biodiversität stets so geplant
sein, dass sie optimale stadtklimatische Effekte bewir-
ken. Eine ausreichende Wasserverfügbarkeit sollte auch
in Hitzesommern stets gewährleistet sein. Integrative
Ansätze zur Förderung des Stadtgrüns werden daher in
kommunalen Planungen immer wichtiger. Stadtgrün und
Stadtblau (Wasser) müssen in Planungen stets zusammen
gedacht werden. Denn Instrumente des dezentralen Re-
genwasserrückhalts, wie Versickerungsmulden, Tiefbeete
oder Regengärten bieten neben dem eigentlichen Regen-
wasserrückhalt, zahlreiche weitere positive Leistungen.                      Abbildung 3: Thermalaufnahme einer straßenbegleitenden
                                                                             Grünfläche (Foto: Christian Kotremba, LUBW)
Sie stellen u. a. wichtige Wasserreservoire (zur Bewässe-
rung) in Trockenzeiten dar, ermöglichen einen breiten

Quellen:
BMUB (2015): BMUB Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (Hrsg.): Grün in der Stadt – für eine lebenswerte Zu-
   kunft. Grünbuch Stadtgrün, https://bmi.bund.de/SharedDocs/downloads/DE/publikationen/themen/bauen/wohnen/gruenbuch-­stadtgruen.­
   pdf?__blob=publicationFile&v=3 (Zugriff: 15.04.2021)
DWD (o.J.): DWD Deutscher Wetterdienst (Hrsg.): Stadtklima – die städtische Wärmeinsel, www.dwd.de/DE/klimaumwelt/klimaforschung/
  klimawirk/stadtpl/projekt_waermeinseln/projekt_waermeinseln_node.html (Stand: 24.02.2021)
FLL (2000): FLL Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung Landschaftsb au e. V. (Hrsg.): Die wertsteigernde Bedeutung von Grün auf Im-
     mobilien. Bonn.
Mohaupt et al. (2018): Mohaupt, F.; Müller, R.; Riouss et, P.; Hitschfeld, J.; Welling, M.; Witzel, M.; Spreter, R.; Wiss el, S.; Biercamp, N.: Grünflä-
   chenmanagement im Kontext von Klimawandel und Biodiversität. Synthesebericht zum Modul 1 des Projekts STADTGRÜN. Berlin
SSB (2011): SSB Senatsverwaltung für Stadtentwicklung Berlin (Hrsg.): Stadtentwicklungsplan Berlin. Berlin, 84 S.
Steidle-Schwahn, A. (2001): Management von Stadtgrün. In W. Rothenburger (Hrsg.), Betriebswirtschafts- und Organisationslehre – für Land-
     schaftsarchitektur, Landschftsbau, Landschaftspflege und Naturschutz (2. Ausg., S. 169 – 191). Stuttgart: Verlag Eugen Ulmer.

                                                                                 © LUBW      FAQ — Stadtgrün 5
FAQ - Häufige Fragen zu Klimawandel und Klimaanpassung - Handlungsfeld: Stadtgrün, Naturschutz und Biodiversität
Welche Ökosystemleistungen gehen von Stadtgrün aus
   02           und wie hoch ist deren Wertigkeit?

Wertigkeit des Stadtgrüns: Von Stadtgrün werden zahl-
reiche positive Ökosystemleistungen erbracht. Das Institut
für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) hat durch das
Projekt „Stadtgrün wertschätzen“ (vgl. www.ioew.de/pro-
jekt/stadtgruen_wertschaetzen) die Wertigkeit von Stadt-
grün mittels eines Stadtgrün-Bewertungs-Tools ermittelt.
Für die Stadt Leipzig würde sich durch eine durchweg re­
alistische Einbringung von 15.000 neuen Straßenbäumen,
4 % neuer begrünter Rad- und Fußwege (vgl. Abbildung 4),
10 % mehr Dachbegrünung und ein Plus von 5 % natur­
naher Pflege ein zusätzlicher jährlicher Nutzen durch
urbane Ökosystemleistungen, wie u. a. Luftreinhaltung,             Abbildung 5: Kühlende, schattenspendende Baumgruppe (Foto:
                                                                   Christian Kotremba, LUBW)
Kohlenstoffspeicherung, Wasserrückhalt und Kühlung von
13 Millionen €/Jahr ergeben. Bei weiterem Ausbau grüner            Beachtliche Kühlleistung: Die aus Sicht der Klimaanpas-
Infrastruktur könnte ein theoretischer Zusatznutzen von            sung zentrale Dienstleistung ist die Kühlwirkung. Diese
65 Millionen €/Jahr durch Ökosystemleistungen generiert            ist durch den Klimawandel mit einer Zunahme von Hit-
werden [Hirschfeld et al. 2019]. Der ökologische und öko-          zetagen und Tropennächten noch bedeutsamer geworden.
nomische Stellenwert von Stadtgrün wird in Kommunen                In Studien der TU München wurde die Kühlleistung von
oft unterschätzt, andere Faktoren (u. a. Unterhaltungskos-         Winterlinden mit 2,3 KW beziffert, dies entspricht der
ten, Flächenknappheit, Konkurrenzen) höher gewichtet.              Leistung einer handelsüblichen Klimaanlage. Stadtbäu-
Für Stadtplanungen sollte es unter Berücksichtigung der            me können Asphalttemperaturen um bis zu 20 °C (vgl.
derzeitigen und zukünftigen Klimaentwicklungen (u. a.              ­Abbildung 5) und die Lufttemperatur um bis zu 2 °C ab-
Zunahme der Hitzetage) und des Artenschwunds das vor-              kühlen [Rahman 2016]. Ähnlich positive Kühlleistungen
dringliche Ziel sein, Stadtgrün entsprechend seiner viel-          gehen von weiteren Grünelementen einer Stadt aus. Sie
fältigen Leistungen zu erhalten und neu zu entwickeln.             schaffen kleine kühlende Wohlfühloasen in versiegelter
Hierzu zählt es auch über entsprechende Baumschutzsat-             und somit erwärmter Umgebung.
zungen das Stadtbauminventar zu erhalten.
                                                                   Vielfältige Ökosystemleistungen: Neben der Kühlwir-
                                                                   kung weist das Stadtgrün bei entsprechender Vitalität zahl-
                                                                   reiche weitere positive Ökosystemleistungen auf (u. a.):

                                                                   ◼   Milderung von Überflutungen durch Regenwasserrückhalt
                                                                   ◼   Verbesserung der Grundwasserneubildung
                                                                   ◼   Reduzierung der Schadstoffbelastung durch Luftrein-
                                                                       haltung
                                                                   ◼   Kohlenstoffspeicherung
                                                                   ◼   Förderung der Biodiversität bei Ausbringung diverser
                                                                       Pflanzen
                                                                   ◼   Biotopvernetzung bei geeigneter Anzahl kleiner und
                                                                       großer über das gesamte Stadtgebiet verteilter Grünflä-
Abbildung 4: radwegbegleitende, klimatolerante und schattenspen-
dende Amberbäume (Foto: Susanne Böll, LWG)                             chen (Funktion als Trittsteinbiotope)

                                6 FAQ — Stadtgrün     © LUBW
FAQ - Häufige Fragen zu Klimawandel und Klimaanpassung - Handlungsfeld: Stadtgrün, Naturschutz und Biodiversität
◼   Verschönerung des Stadtbildes & Verbesserung des                         ◼   Lärmminderung
    Stadtimages                                                              ◼   positive Effekte auf Unternehmensansiedlung und Tou-
◼   positive Effekte auf den physischen und psychischen                          rismusförderung [Mohaupt et al. 2018]
    Gesundheitszustand                                                       ◼   Senkung hitzebezogener Erkrankungs- und ­Sterbe­raten
◼   Reduktion von durch UV-Strahlung ausgelösten Ge-                             im Sommer (insbes. Herz-Kreislauf- und Atmungssystem­-
    sundheitsrisiken (Kronenüberschirmung)                                       Erkrankungen) [TEEB 2016]

Quellen:
Mohaupt et al. (2018): Mohaupt, F.; Müller, R.; Riouss et, P.; Hitschfeld, J.; Welling, M.; Witzel, M.; Spreter, R.; Wiss el, S.; Biercamp, N.: Grünflä-
   chenmanagement im Kontext von Klimawandel und Biodiversität. Synthesebericht zum Modul 1 des Projekts STADTGRÜN. Berlin
TEEB (2016): Naturkapital Deutschland – TEEB DE: Ökosystemleistungen in der Stadt – Gesundheit schützen und Lebensqualität erhöhen. Hrsg.
    von Ingo Kowarik, Robert Bartz und Miriam Brenck. Technische Universität Berlin, Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung – UFZ. Berlin,
    Leipzig.
Hirschfeld et al. (2018): Hirschfeld, J.; Mohaupt, F.; Müller, R.; Klein, M.; Riouss et, P.; Welling, M.: Stadtgrün wertschätzen! Städte können vom
     Ausbau der Grünflächen ökologisch, ökonomisch und sozial profitieren. In: GAIA 28/4(2019): 392 – 393.
Rahman M. (2016): Comparing the cooling benefits of different urban tree species at contrasting growth conditions. In: Gesellschaft für Ökologie
    e. V. (Hrsg.): Verhandlungen der Gesellschaft für Ökologie, Band 46. Jahrestagung der Gesellschaft für Ökologie, 5.-9. Sep. 2016 in Marburg.
    Görich & Weiershäuser, Marburg, S. 367 – 368.

                                                                                 © LUBW      FAQ — Stadtgrün 7
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03           Wie können Grünflächen klimagerecht angelegt werden?

Der Klimawandel macht ein Umdenken im kommunalen                     Grünflächen sollten nicht zu stark abgesenkt werden, denn
Grünflächenmanagement dringend erforderlich. In erster               Kaltluft sammelt sich in Senken und Mulden und kann bei
Linie sollte es Ziel einer jeden Kommune sein, Grünflä-              zu starker Absenkung weniger intensiv in die bebauten
chen unabhängig ihrer Größe zu sichern und auszubauen.               Siedlungsgebiete hineinfließen. Solange Parks und Grün-
Städte verfügen häufig über ungenutzte, größere Frei-                flächen der Stadt genug Wasser haben, kühlen sie nachts
flächenpotentiale, welche entsprechend in einem ersten               kräftig aus. Von dieser Kühle können Anwohnerinnen und
Schritt für Begrünungsmaßnahmen genutzt werden sollten.              Anwohner in bis zu dreihundert Metern Entfernung profi-
Das städtische Grün leidet insbesondere seit den letzten             tieren, im Normalfall aber geht der Kühleffekt nicht über
Sommern zunehmend unter großer Trockenheit und Hit-                  hundert Meter hinaus. Von wenigen großen Parks können
ze. Stadtbäume sterben ab, Grünflächen vertrocknen. Um               in überwärmten Nächten und am frühen Morgen daher
Grünflächen zukunftsfähig zu machen bedarf es Verände-               nur die unmittelbaren Anwohnerinnen und Anwohner
rungen in Gestaltung, Bewässerung, Pflege und Pflanzen-              profitieren. Verteilen sich hingegen viele kleinere Grün-
auswahl.                                                             flächen mit mindestens 1 Hektar Größe (Fußballplatz –
                                                                     Ausmaß, vgl. Abbildung 6) über das Häusermeer, so kön-
Verbesserung der Kühlleistung: Die Gestaltung von                    nen viele Anwohner vom nächsten Minipark profitieren
Grünflächen ist insbesondere hinsichtlich ihrer Klima-               [­Scherer 2007]. Aber auch kleinere nur mehrere Quadrat-
wirkung wichtig. Generell sind naturnah gestaltete Grün-             meter große Grüninseln wirken sich positiv auf das Stadt-
flächen robuster gegen Trockenheit und Hitze [Kompass                klima aus, wenn auch lokal begrenzt. Es gilt: Jede noch so
Nachhaltigkeit 2019]. Um für ausreichende Kühlung am                 kleine Grüninsel trägt einen Teil zur urbanen Kühlung bei.
Tage und in der Nacht zu sorgen ist nach einschlägiger Li-
teratur eine Mischung aus Großgehölzen, Sträuchern, Stau-            klimatolerante Pflanzenauswahl: Das Pflanzensortiment
den, Wiesenflächen und frei wachsendem Baumbestand                   sollte divers sein, sprich keine monotonen, pflegeinten-
am besten geeignet (vgl. Abbildung 6). Auf eine durch-               siven und zu Vertrocknung tendierenden Rasenflächen,
gängige Rahmenbegrünung mit bspw. Hecken oder Sträu-                 stattdessen Wildblumenwiesen, Kräuter- und Blumen-
chern sollte verzichtet werden, um Kaltluftbarrieren zu              rasen oder (begehbare) Bodendecker. Zum Schutz vor
minimieren, welche den Transport kühler Luft in die Um-              Austrocknung und zur Förderung der Biodiversität emp-
gebung unterbinden [Mathey et al. 2011]. Klimaangepasste             fiehlt es sich die Mäheinsätze zu reduzieren und gezielt
                                                                     Bereiche von der Mahd auszusparen (Staffelmahd, siehe
                                                                     Abbildung 1 & 6). Heimischen Arten ist der Vorzug zu
                                                                     geben. Wechselbeete mit einjährigen Pflanzen sind kos-
                                                                     ten- und pflegeintensiv, sie sollten durch vielfältige, eng
                                                                     bepflanzte Staudenbeete ersetzt werden. Stauden eignen
                                                                     sich aufgrund ihres breiten Sortiments optimal für heutige
                                                                     Klimaanforderungen. Auch unter den heimischen Stauden
                                                                     sind zahlreiche trockenheits- und hitzetolerante Arten zu
                                                                     finden. Dicht gesetzte Staudenbeete verringern zudem den
                                                                     Pflege- und Bewässerungsaufwand. Viele von Ihnen sind
                                                                     zudem wahre Insektenmagneten (vgl. Abbildung 7).

Abbildung 6: Vitale Parkfläche mit Staffelmahd und frei wachsendem
                                                                     Rückbau versiegelter Flächen: Versiegelte Flächen in
Baum- und Strauchbestand (Foto: Klaus Ullrich, RLP AgroScience
GmbH)                                                                Grünanlagen sollten möglichst geringgehalten werden, da

                                8 FAQ — Stadtgrün     © LUBW
FAQ - Häufige Fragen zu Klimawandel und Klimaanpassung - Handlungsfeld: Stadtgrün, Naturschutz und Biodiversität
sie viel Wärme speichern und so der gewünschten Kühl-                     Ressourcenschonende Bewässerung: Die Bewässerung
wirkung entgegenwirken. Versiegelte Flächen sollten auf-                  sollte ressourcenschonend sein, sprich Tropfbewässerung
gebrochen und naturnah gestaltet werden. Wege und Plät-                   statt großflächiger Wasserregner. Am besten sollte gesam-
ze sollten mit wasserdurchlässigen Oberflächenbelägen                     meltes Regenwasser zur Bewässerung eingesetzt werden.
gestaltet werden (z. B. Rasengittersteine, Rasenwaben). Es                Eine standortgerechte Pflanzenwahl benötigt außer bei
sollten helle Eindeckungen verwendet werden um die Auf-                   extremer Trockenheit keine Bewässerung [Kompass Nach-
heizung zu minimieren [Kompass ­Nachhaltigkeit 2019].                     haltigkeit   2019].

Abbildung 7: dicht bepflanztes, farbenprächtiges Staudenbeet (Foto: Kai Thomas, RLP AgroScience GmbH)

Quellen:
Kompass Nachhaltigkeit (2019): Naturnahe Grünflächen. Merkblatt Nachhaltige Beschaffung.
Kotremba, C. (2021): Grün, Blau, Beige: Klimaangepasste Kommunen zeigen wie’s geht. Abschlussdokumentation des Projektes KlimawandelAn-
    passungsCOACH RLP.
Mathey et al. (2011): Mathey, J.; Rössler, S.; Lehmann, I.; Bräuer, A.; Goldberg, V; Kurbju hn, C.; Westbeld, A.: Noch wärmer, noch trockener?
    Stadtnatur und Freiraumstrukturen im Klimawandel. - Naturschutz und Biologische Vielfalt Heft 111.
Scherer, D. (2007): Besseres Stadtklima durch viele Parks. www.pressestelle.tu-berlin.de/newsportal/forschungsberichte_aus_der_universitaet/2007/
     besseres_stadtklima_durch_viele_parks (Stand 24.02.2021)

                                                                              © LUBW     FAQ — Stadtgrün 9
FAQ - Häufige Fragen zu Klimawandel und Klimaanpassung - Handlungsfeld: Stadtgrün, Naturschutz und Biodiversität
Sollen gebietsheimische oder nicht-heimische Arten
   04           auf Grünflächen gepflanzt werden?

An dieser Stelle muss die freie Natur, also die „Landschaft       Verwendung finden. Die jeweiligen zertifizierten Saatgut­
außerhalb der besiedelten Bereiche“ und der städtische            anbieter haben hierfür je nach Grünlandtypus (u. a. Ma-
Raum unterschieden werden. Für die freie Natur gelten             gerrasen, Feuchtwiese, Böschung, Feldrain und Säume)
anderweitige Regelungen und Rahmenbedingungen. Laut               unterschiedliche standortspezifische Mischungen zusam-
§ 40 (4) BNatSchG wird die Ausbringung gebietsfremden             mengestellt. Auch für den städtischen Bereich werden
Saatguts (Arten, die in einem betreffenden Gebiet in der          ästhetische und hochwertige Mischungen für bspw. Park-
freien Natur nicht oder seit mehr als 100 Jahren nicht mehr       anlagen, Verkehrsinseln, Säume (vgl. Abbildung 8) oder
vorkommen, siehe § 7 Abs. 2 Ziff. 8 BNatSchG) hier unter-         zur Dachbegrünung angeboten. Sie stellen eine preiswerte
sagt, da diese die Florenverfälschung sowie die Ausbrei-          Alternative zu Wechselbepflanzungen dar. Hierdurch kann
tung invasiver Arten fördern und zu einem Rückgang der            den heimischen Tier- und Pflanzenarten wieder mehr Le-
biologischen Vielfalt führen. Dementsprechend ist in der          bensraum geboten werden, die natürliche regiotypische
freien Natur gebietseigenes Saatgut zu verwenden, dieses          Diversität wird gefördert.
stammt aus dem Ursprungsgebiet, in dem es ausgebracht
werden soll. Die Verwendung von gebietseigenem Saatgut            Ausbringung Mahd- und Druschgut: Eine weitere Mög-
ist für die freie Natur ab dem 1. März 2020 gesetzlich vorge-     lichkeit zur Entwicklung artenreicher, naturnaher Grün-
schrieben. Diese gesetzliche Vorgabe trifft für die Verwen-       flächen ist die Übertragung von naturraumtreuem Mahd-
dung im Siedlungsbereich nicht zu, aber auch hier wäre es         oder Druschgut auf Rohböden und bestehende, artenarme
aus naturschutzfachlicher Sicht wünschenswert, wenn das           Grünflächen. Bei der Mahdgutübertragung wird frisches
Saatgut aus demselben Ursprungsgebiet stammt.

Regio-Saatgut einsetzen: Es sollte daher stets gebiets­
eigenes Saatgut (Gewinnung innerhalb festgelegter Ur­
sprungsgebiete, siehe: udo.lubw.baden-wuerttemberg.de/
public/pages/map/default/index.xhtml?mapId=4df6591d-811a-
4ac0-876e-de6ef4dd9855&mapSrs=EPSG%3A25832&mapExte
nt=225148.92000000004%2C5253079.409473685%2C773257.0800
000001%2C5535697.679473684&overviewMapCollapsed=false)

Abbildung 8: verkehrsbegleitender Blühsaatstreifen (Foto: Klaus   Abbildung 9: Straßenbäume in durchgängigem Pflanzstreifen (Foto:
Ullrich, RLP AgroScience GmbH)                                    Christian Kotremba, LUBW)

                                10 FAQ — Stadtgrün      © LUBW
Schnittgut einer artenreichen Wiese (sog. Spenderfläche)                   Sonderstellung Straßenbäume: Den Straßenbäumen
auf eine aufzuwertende Fläche (sog. Empfängerfläche)                       kommt in diesem Kontext eine Sonderstellung zu. Aus Sicht
übertragen. Die Mahdgutspenderfläche muss in einem                         des Naturschutzes sind generell heimische Arten zu bevor-
­nahen räumlichen Zusammenhang zur Mahdgutempfän-                          zugen. Aufgrund der spezifischen Standortbe­
                                                                                                                      dingungen
gerfläche stehen, sodass es u. a. keine Qualitätsverluste des              und der klimatischen Veränderungen hin zu mehr Trocken-
Mahdguts gibt (weniger als eine Stunde Fahrzeit), auch                     heit und Hitze wird es zukünftig notwendig sein, das Pflan-
aufgrund der gesetzlichen Rahmenbedingungen zu § 40 (4)                    zensortiment auf ausgewählte, nicht-heim­
                                                                                                                   ische Straßen-
BNatSchG. Beerntet wird, wenn möglichst viele Kräuter                      bäume auszuweiten. Häufig wird ein mög­licher Rückgang
und Gräser der Spenderfläche samenreif sind, sodass die                    der Artenvielfalt bei nicht-einheimischen Stadtbäumen als
gesamte wertgebende Biomasse auf die Empfängerfläche                       Argument für heimische Arten aufgeführt. Untersucht und
übertragen werden kann.                                                    belegt wurden diese Aussagen bisher nur sehr wenig.

Bei der Druschgutübertragung wird auch eine Spender-                       Die LWG Veitshöchheim hat diese Fragestellung daher im
fläche beerntet, allerdings werden die reifen Samen im                     Projekt „Stadtgrün 2021 – Neue Bäume braucht das Land“
Dreschverfahren (Mähdrescher mit diversen Sieben) ge-                      näher untersucht und festgestellt, dass sich die Biodiversi-
erntet und unter Umständen getrocknet und als ungerei-                     tät heimischer und nicht-heimischer Baumarten in Baum-
nigtes Druschgut gelagert. Dieser Umstand ermöglicht den                   kronen nicht wesentlich unterscheidet. Über 40 % von 200
Transport über weitere Strecken und minimiert den Zeit-                    bis zur Art bestimmter Insekten kamen demnach sowohl
druck bei der Ausbringung. Bei der Ernte wird nur reife                    auf heimischen, als auch nicht-heimischen Baumarten vor,
Saat gewonnen, sodass die Wahl des Erntezeitpunkts bei                     ein Drittel nur auf heimischen, ein Viertel nur auf südost-
der Gewinnung von Arten maßgeblich ist [Stiftung Na-                       europäischen Baumarten.
turschutz    Schleswig-Holstein 2020].
                                                                           Von größerer Bedeutung für die Artenvielfalt ist die Pflanz-
Eignung berücksichtigen: Zu den geeigneten Flächen                         umgebung. Diese sollte als durchgängiger Pflanzstreifen
zählen: Parkflächen, Friedhöfe, Grünflächen in Wohn- und                   zwischen den Bäumen angelegt werden (vgl. Abbildung 9).
Gewerbegebieten, Straßenextensivbereiche, Ausgleichsflä-                   Pflanzstreifen dienen Wildbienen, Zikaden und anderen
chen, Abstandsgrün und Grünflächen mit Leitfunktionen                      Insekten als Lebensraum. Die Förderung der Artenvielfalt
(bedingt) und Straßenbankette (bedingt) [MELUND SH                         kann durch Mischalleen in Pflanzstreifen am besten geför-
2020]. Nicht geeignete Flächen sind z. B. Sport- und Spiel-                dert werden [Böll et al. 2019].
flächen.

Quellen:
MELUND SH (2020): MELUND SH Ministerium für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt, Natur und Digitalisierung des Landes Schleswig-
   Holstein (Hrsg.): Artenreiche Grünflächen. Handreichung zur Anlage und Pflege artenreicher Grünflächen an Straßen, Wegen und Plätzen
Böll et al. (2019): Böll, S.; Albrecht, R.; Mahsberg, D.: Stadtklimabäume – geeignete Habitate für die urbane Insektenvielfalt? Veitshöchheim.
Stiftung Naturschutz Schleswig-Holstein (2020): Praxisleitfaden BlütenMeer 2020.

                                                                               © LUBW     FAQ — Stadtgrün 11
05           Welche Stadtbäume sind zukunftstauglich?

Der Klimawandel führt bei Stadtbäumen immer häufiger               Tabelle 1: Kriterien zur Auswahl zukunftsträchtiger Stadtbaumarten

zu Trockenstress (vgl. Abbildung 10) und dadurch zu einer           Trockenstresstoleranz         Hitzetoleranz

Zunahme von Krankheiten und Schädlingen. Straßen­                   Frosthärte                    Spätfrosthärte

bäume unterliegen zudem häufig weiteren Stressoren, wel-            natürlicher Lebensbereich     Standortansprüche (z. B. pH-Toleranz)
                                                                    (Kiermeier)
che ­direkt durch den Menschen verursacht werden: u. a.             Krankheitsanfälligkeit        Schädlingsanfälligkeit (EPPO-Liste)
Urin- und Salzeintrag, Schadstoffemissionen, Bodenver-              Wuchsform                     Bewertung aus der Praxis
dichtung und Platzmangel.

                                                                   Baumarten am Limit? Die LWG Veitshöchheim unter-
                                                                   sucht in einem aktuellen Projekt „Stadtgrün 2021: Neue
                                                                   Bäume braucht das Land!“ die Klimaeignung etablierter
                                                                   und neu eingeführter Baumarten an 3 Extremstandorten
                                                                   in Bayern (Würzburg, Hof und Kempten) (vgl. www.lwg.
                                                                   bayern.de/landespflege/urbanes_gruen/085113/index.php).
                                                                   Die Ergebnisse sind auf Baden-Württemberg übertragbar
                                                                   und zeigen, dass die üblichen Straßenbaumarten, wie bspw.
                                                                   die Sommer- und Winterlinde (Trockenstress, Zweigster-
                                                                   ben), Spitzahorn (Trockenstress, Vertillicum), Bergahorn
                                                                   (Trockenstress, Rußrindenkrankheit), Platane (Massaria),
                                                                   Esche (Eschentriebsterben) und Rosskastanie (Kastanien-
                                                                   miniermotte) immer häufiger aufgrund von Trockenstress,
                                                                   Krankheiten und Schädlingsbefall ihre Toleranzgrenzen
                                                                   erreichen. Heimische Bäume, welche gut mit Trockenheit
                                                                   und Winterhärte auskommen sind bspw. der Feldahorn
                                                                   (Acer campestre) oder die Traubeneiche (Quercus petraea)
                                                                   [mündliche Auskunft K. Ullrich, RLP AgroScience]. Einen
                                                                   guten Überblick über heimische und nicht-heimische Zu-
                                                                   kunftsbäume bietet die Klima-Arten-Matrix (KLAM) [nach
Abbildung 10: vertrocknete Stadtbäume (Foto: Christian Kotremba,
LUBW)                                                              Roloff 2013]

Erweiterung des Stadtbaumsortiments: Das Ziel nach-                Nicht heimische Bäume: Nicht-heimische Baumarten aus
haltiger und zukunftsfähiger Pflanzungen von Straßen- und          wärmeren und trockeneren Regionen vermögen mit den
Parkbäumen muss in einer Erhöhung der Baumartenviel-               heutigen und zukünftigen Klimaextremen möglicherweise
falt liegen. Das Stadtbaumsortiment sollte in jeder Kom-           besser klar zu kommen. Hierbei haben sich aus dem eura-
mune um klimaadaptive Arten und Sorten erweitert wer-              sischen Raum folgende Stadtbäume bewährt (u. a.): Unga-
den [Roloff 2013]. Im übertragenen Sinne brauchen wir              rische Silberlinde (Tilia tomentosa), Ölweiden (­
                                                                                                                   Eleagnus
die Idee eines gesunden Mischwaldes auch bei der Pflan-            angustifolia), Europäischer Zürgelbaum (Celtis australis),
zenauswahl im kommunalen Raum, denn der für Stadtbäu-              Ungarische Eiche (Quercus frainetto), Europäische Hopfen-
me „Extremstandort Siedlungsraum“ wird in Zukunft noch             buche (Ostrya carpinifolia), Blumenesche (Fraxinus ornus, in
extremer werden. Die Kriterien besonders stressresistenter         Pflanzstreifen pflanzen) oder die Zerreiche (Quercus zerris).
Baumarten sind laut der LWG Veitshöchheim:                         Die Ungarische Silberlinde bspw. dreht ihre auf der Blatt-

                                12 FAQ — Stadtgrün     © LUBW
unterseite silbrig glänzende Oberfläche bei zu intensiver                senbaum (Gleditsia triacanthos) oder der Pflaumenblättrige
Sonneneinstrahlung in den oberen Kronenbereichen nach                    Weißdorn (Crataegus ­prunifolia) bewährt. Nähere Hinter-
oben und kann so mehr Sonneneinstrahlung reflektie-                      gründe zur Klimaeignung nicht-einheimischer Baumarten,
ren, die Überhitzung bleibt aus (vgl. Abbildung 11). Aus                 siehe aufgelistet: www.lwg.bayern.de/mam/cms06/landes-
dem asiatischen Raum sind der Japanische Schnurbaum                      pflege/dateien/stadtgruen_falzflyer_in.pdf
(­Sophora japonica) (vgl. Abbildung 12), Persischer Eisen-
holzbaum (Parrotia persica) oder die Kobushi-Magnolie                    Weiterführende Informationen:
(Magnolia kobus) zu nennen. Aus dem nordamerikanischen                   ◼   GALK-Straßenbaumliste (www.galk.de)
Raum haben sich in den letzten trocken-heißen Sommern                    ◼   citree – Gehölzdatenbank urbane Räume (www.citree.de)
der Amberbaum (Liquidambar styraciflua), der Lederhül-

Abbildung 11: Ungarische Silberlinde – perfekte Klimaanpassung           Abbildung 12: Japanischer Schnurbaum (Foto: Susanne Böll, LWG)
(Foto: Susanne Böll, LWG)

Quelle:
Roloff, A. (2013): Stadt- und Straßenbäume der Zukunft: Welche Arten sind geeignet? In: ProBaum 3/2013, S. 6 – 11.

                                                                             © LUBW     FAQ — Stadtgrün 13
Wie können Pflanzgruben für Straßenbäume
   06           klimaangepasst gestaltet werden?

In unseren Siedlungsräumen steht aufgrund von Nut-              verbessern, nur in geringem Maße erfüllen. Ziel von Kom-
zungskonkurrenzen (u. a. Leitungsträger, Verkehrssicher-        munen sollte es daher sein, bestmögliche Voraussetzungen
heit, Wasserwirtschaft) häufig kein ausreichender Platz für     für Straßenbäume zu schaffen. Wie kann dies erfolgreich
angemessen dimensionierte Baumscheiben zur Verfügung.           umgesetzt werden?
Der Wurzelraum ist daher oft auf ein Minimum bemessen
[BBSR 2015]. Dies führt häufig zu einem Vitalitätsverlust       Berücksichtigung von Mindeststandards: Mindeststan-
der Straßenbäume. Hinzu kommen weitere Faktoren, wie            dards für Baumscheiben und Pflanzgruben existieren be-
die Verdichtung der Böden und der hohe Versiegelungs-           reits, werden aber allzu oft nicht umgesetzt. Vorgaben für
grad. Diese führen ebenfalls zu einem gestörten Wasser-         die Gestaltung der Pflanzgruben von Straßenbäumen sind
haushalt des Bodens [Fellmer et al. 2016]. Zusammen mit         durch die DIN-Norm „DIN 18916 - Vegetationstechnik im
der klimawandelbedingten Zunahme von Sommertrocken-             Landschaftsbau; Pflanzen und Pflanzarbeiten“ sowie die
heit führt dies immer häufiger zu Trockenstress bin hin         Empfehlungen der Forschungsgesellschaft Landschaftsent-
zum Absterben der Stadtbäume. Untersuchungen der TU             wicklung Landschaftsbau (FLL) definiert [FLL 2010, 2015].
Dresden zeigen, dass Straßenbäume aufgrund der beson-           Als Mindeststandard gelten für Pflanzgruben Mindesttiefen
deren Belastungssituation im direkten Straßenraum nur           von 1,5 m und 12 m³ Fläche. Es gilt die Faustregel, dass
etwa 25 % ihres möglichen Lebensalters erreichen [Roloff        der zur Verfügung stehende Wurzelraum etwa so groß sein
2013]. Unter diesen Bedingungen können sie ihr Potential,       sollte wie die Krone des ausgewachsenen Baumes. Dazu
das Klima durch Beschattung und Verdunstung lokal zu            gehört eine mindestens 6 m² große Baumscheibe (vgl. Ab-
                                                                bildung 13). Genauso wichtig sind entsprechende Pflanz-
                                                                substrate, die eine gute Luft-, Nährstoff- und Wasserver-
                                                                sorgung gewährleisten [FLL 2015]. Selbst bei Einhaltung
                                                                dieser Empfehlungen können entsprechende Baumgruben
                                                                wüchsigen Bäumen nur in den ersten Jahren ausreichend
                                                                pflanzenverfügbares Wasser zur Verfügung stellen [Fellmer
                                                                et al. 2016].

                                                                Gezielte Niederschlagszuführung: Die Situation vor Ort
                                                                kann durch die gezielte Zuführung von Niederschlagswas-
                                                                ser verbessert werden. Daher ist es sinnvoll Baumscheiben
                                                                mit Maßnahmen der dezentralen Regenwasserrückhaltung
                                                                zu kombinieren [Fellmer et al. 2016]. Für die technische
                                                                Umsetzung gibt es drei Möglichkeiten:

                                                                ◼   Große Pflanzgruben, die mehr Wurzelraum bieten und
                                                                    dadurch eine verbesserte Versickerung sowie ein größe-
                                                                    res Wasserspeichervolumen ermöglichen
                                                                ◼   wasserdurchlässige Baumscheiben und Beläge oder
                                                                    eine gezielte Einleitung von Niederschlagswasser in die
                                                                    Pflanzgrube, um die Versickerung von Niederschlags-
Abbildung 13: ausreichend dimensionierte Pflanzgrube (Foto:         wasser in den Wurzelraum zu fördern
Christian Kotremba, LUBW)

                                14 FAQ — Stadtgrün     © LUBW
◼   eine Substratzusammensetzung, die eine gute Wasserspei-                sein, so dass auch verunreinigtes Wasser von Straßen
    cherung in der Pflanzgrube unterstützt [­Dickhaut et al. 2018]         in die Pflanzgrube eingeleitet werden kann. Die Baum-
                                                                           scheibe kann in diesem Fall nahezu komplett versie-
Pflanzgrubentypen: Es können drei Pflanzgrubentypen                        gelt sein. Durch diesen Typ kann auch Dachflächen-
unterschieden werden, die gute Voraussetzungen zur                         wasser, bspw. über offene Rinnen auf dem Gehweg in
Pflanzengesundheit bieten. Sie unterscheiden sich darin,                   die Pflanzgrube geleitet werden (Vorbild Stockholm)
wie Niederschlagswasser in die Pflanzgruben zugeleitet                     [Embrem et al. 2009]. Als Best-Practice Beispiel können
wird:                                                                      Baumrigole in Hamburg-Harburg (Hölertwiete) ge-
                                                                           nannt werden. Bei diesen wird den Baumgruben von
(1) Pflanzgrube mit oberirdischem Wasserzufluss –                          benachbarten Dächern Regenwasser über einen Be-
    Hierbei wird Wasser über die Oberfläche (Straße, Geh-                  wässerungsschacht zugeführt. In die Baumgrubensohle
    weg, Parkplatz) in eine offene oder wasserdurchlässige                 wurde eine dichtende Schicht eingebracht, wodurch
    (z. B. Baumroste) Baumscheibe eingeleitet (vgl. Abbil-                 etwa 1.000 L Wasser für Trockenzeiten gespeichert wer-
    dung 14 : Baumrigole mit Straßenzufluss). Überflüssiges                den [BlueGreenStreets 2020].
    Wasser wird über Drainagerohre abgeführt (Gutes-­ (3) Pflanzgruben mit oberirdischem Wasserzufluss und
    Praxis-Beispiel „Große Domsfreiheit“ in der Innenstadt                 Einstau – Straßenbäume sind in diesem Fall Teil von
    Osnabrücks [Fellmer et al. 2016].                                      Tiefbeeten und Mulden, die der Versickerung von
(2) Pflanzgrube mit unterirdischem Wasserzufluss –                         Niederschlagswasser dienen. Das Niederschlagswas-
    Über einen Luft- und Bewässerungsschacht gelangt das                   ser wird oberirdisch in die Gruben hineingeleitet. Das
    Wasser von der Oberfläche in die Pflanzgrube. Dieser                   Wasser wird bei stärkeren Niederschlägen in den be-
    kann mit einem Filter zur Vorreinigung ausgestattet                    pflanzten Mulden oder Tiefbeeten eingestaut. Bei die-

Abbildung 14: Baumrigole mit Straßenzufluss (Foto: Ingenieurgesellschaft Prof. Dr. Sieker mbH)

                                                                           © LUBW     FAQ — Stadtgrün 15
sem Pflanzgrubentyp sollten Bäume gewählt werden,                    der Verdichtung feiner Substratanteile vorzubeugen, kön-
    die größere Wassermengen tolerieren können. Beispie-                 nen sog. Strukturböden eingesetzt werden. Diese weisen
    le der Umsetzung finden sich in Melbourne, Portland                  einen hohen Anteil an grobkörnigem Material auf. Durch
    oder New York.                                                       dieses grobkörnige Material wird ein nicht weiter verdicht-
                                                                         bares Gerüst gebildet. In die Zwischenräume werden fei-
Ein weiterer Sondertyp stellen Pflanzgruben mit Zister-                  nere Substrate eingebracht, welche als durchwurzelbares
nen zur Bewässerung dar. Diese kann in Trockenzeiten                     Substrat zur Verfügung stehen. Die Feinbodenanteile in
die Bewässerung unterstützen. Hierbei wird das Wasser                    den Zwischenräumen können sandige oder lehmig-tonige
der angrenzenden Flächen (Dächer, Straßen, Gehwege)                      Substrate sein und mit Beimischungen von organischem
über einen Einlauf mit Filter in eine unterirdische Zisterne             Materialien (z. B. Humus, Pflanzenkohle) versehen wer-
geleitet. Dort wird das Wasser zwischengespeichert und                   den [BlueGreenStreets 2020]. Durch die gegebene Poro­
dient in Trockenphasen der Bewässerung (automatisch                      sität werden neben der Durchwurzelbarkeit auch die Was-
über spezielle Pumpen oder manuell) [Fellmer et al. 2016].               ser- und Sauerstoffverfügbarkeit sowie eine ausreichende
                                                                         Durchlässigkeit sichergestellt [CRWSA 2009]. Die Aus-
Verwendung von Strukturböden: Bei der Anlage von                         breitung der Wurzeln kann dadurch gezielt gelenkt wer-
Pflanzgruben ist es zudem wichtig eine Substratzusammen-                 den. Andere Bereiche, in die Bäume nicht hineinwurzeln
setzung zu wählen, die eine gute Wasserspeicherung unter-                sollen, werden dadurch von Wurzeln freigehalten [BBSR
stützt, denn Baumscheiben sind häufig stark verdichtet. Um               2015].

Quellen:
BlueGreenStreets (2020): BlueGreenStreets als multicodierte Strategie zur Klimafolgenanpassung – Wissenstand 2020, April 2020, Hamburg.
    ­Statusbericht im Rahmen der BMBF-Fördermaßnahme „Ressourceneffiziente Stadtquartiere für die Zukunft“ (RES:Z).
BBSR (2015): BBSR Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (Hrsg.): Überflutungs- und Hitzevorsorge durch die Stadtentwicklung.
    Strategien und Maßnahmen zum Regenwassermanagement gegen urbane Sturzfluten und überhitzte Städte. Bonn
CRWSA (2009): CRWSA Charles River Watershed Stromwater Association (Hrsg): Stormwater, Trees an the Urban Environment: A Comapartive
   Analysis of Conventional Street Tree Pits and Stormwater Tree Pits for Stormwater Management in Ultra Urban Enviroments.
Dickhaut et al. (2018): Dickhaut, W.; Fellmer, M., Lauer, J.; Winkelmann, A.: Dezentrale Regenwasserbewirtschaftung an Baumstandorten – Chan-
    cen und Risiken. Ausarbeitung im Projekt Stadtbäume im Klimawandel (SiK). HafenCity Universität Hamburg, 56 S.
Embren et al. (2009): Embrén, B.; Alvem, B. M.; Stål, A.; Orvesten, A.: Planting Beds In The City Of Stockholm: A Handbook.
Fellmer at al. (2016): Fellmer, M.; Kruse, E.; Dickhaut, W.: Pflanzgrubengestaltung in Kombination mit dezentraler Regenwasserbewirtschaftung.
FLL (2010): FLL Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung Landschaftsbau e. V.: Empfehlungen für Baumpflanzungen – Teil 2: Standort­
    vorbereitung für Neupflanzungen; Pflanzgruben und Wurzelraumerweiterung, Bauweisen und Substrate. Bonn.
FLL (2015): FLL Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung Landschaftsbau e. V.: Empfehlungen für Baumpflanzungen, Teil: Planung, Pflanz-
     arbeiten, Pflege. FLL, 2. Ausgabe. Bonn.
Roloff, A. (2013): Bäume in der Stadt – Besonderheiten, Funktion, Nutzen, Arten, Risiken. Ulmer. Stuttgart.

                                 16 FAQ — Stadtgrün       © LUBW
Schotter ade –
   07           Was sind ökologisch und ökonomisch sinnvolle Alternativen?

In vielen Kommunen ist es gängige Praxis Grünflächen,            Staudenbeete – ökologische Alternative: Stauden­beete
insbesondere Straßenbegleitflächen (vgl. Abbildung 15) auf-      bieten Kommunen einen ökologisch und ökonomisch
grund vermeintlicher Pflegeleichtigkeit und optischer Ord-       sinnvollen Gegenentwurf zu Schotterflächen. Ob durch-
nung zu schottern. Ein Modetrend dem in den letzten Jah-         lässig und locker mit heimischen Stauden durchsetzt,
ren immer mehr Kommunen gefolgt sind und aktuell folgen.         welche natürliche Rohbodenstandorte nachahmen und
                                                                 so eine hohe ökologische Wertigkeit besitzen oder dicht
Schotter – Modetrend mit Nebenwirkungen:                         bepflanzte Staudenbeete, welche klimatisch größere Kühl-
Schotter- und Kiesflächen haben zahlreiche negative Aus-         wirkungen entfalten (vgl. Abbildung 16). Stauden sind
wirkungen auf die Natur und das Klima. Sie heizen das            mannigfaltig und daher für alle klimatischen Gegebenhei-
Stadtklima auf, in dem sie verstärkt (abhängig von Farb-         ten geeignet. Zahlreiche heimische Stauden kommen gut
gebung) Sonneneinstrahlung absorbieren und diese als             mit Hitze, Trockenheit und intensiver Sonneneinstrahlung
Wärmestrahlung tagsüber und nachts an die Umgebung               aus. Sie fördern die Biodiversität und locken durch ihre
abgeben. Bei eingebrachtem wasserundurchlässigem Vlies           Blüten zahlreiche Insekten an. Auch ökonomisch rechnen
oder Beton kann zudem weniger Regenwasser versickern.            sich Staudenbeete. Die Kosten für Stauden (Einzelpreis
Der Oberflächenabfluss bei Starkregen wird gefördert,            2 – 5 Euro) liegen bei empfohlenen 6 Stauden pro Quadrat-
Hochwasser und Sturzfluten verstärkt. Das Niederschlags-         meter (dichte Staudenbepflanzung) zwischen 12 – 30 Euro.
wasser steht zudem nicht zur Grundwasserneubildung zur           Eine Fläche von 100 m² würde so zwischen 1200 – 3000 Euro
Verfügung. Das natürliche Bodengefüge wird durch eine            kosten, zuzüglich einmaliger Kosten für Einpflanzung und
Schotter- und Kieseindeckung vernichtet oder zumindest           Gestaltung (mündliche Auskunft Ollig, W. Gartenakademie
stark beeinträchtigt, der Boden verliert seine natürlichen       des DLR Rheinpfalz). Standortgerechte Stauden sind gene-
Funktionen. Die Biodiversität wird durch Schotter und            rell sehr pflegearm (Gießen beim Anwachsen, später nur
Kies stark dezimiert, da diese Flächen keinen Lebensraum         noch in Trockenzeiten, 1 – 2-maliger Rückschnitt pro Jahr),
für Insekten, Vögel und Kleintiere bieten. In Privatgärten       sodass hier in den Folgejahren nur wenig Arbeit und Kos-
sind Schotterungen nach §21a NatSchG unzulässig. Kom-            ten auf die Kommune zukommen. Schotter- und Kiesab-
munale Flächen unterliegen diesen rechtlichen Beschrän-          deckungen sind abhängig von Material und Schichtdicke
kungen nicht. Eine Schotterung sollte aufgrund der Vor-          deutlich teurer in der Erstanschaffung. Es werden zudem
bildfunktion von Kommunen dennoch nicht oder nur in              große Mengen an CO2 bei deren Herstellung freigesetzt.
Ausnahmefällen in Betracht gezogen werden. Vor allem             Eine naturnahe Bepflanzung mit Stauden, ggf. in Kombi-
vor dem Hintergrund, dass es pflegeleichte, kostengünsti-        nation mit Sträuchern und Gräsern ist daher aus jeglicher
ge, klimafreundliche und biodiversitätsfördernde Alternati-      Sicht eine lohnenswerte Alternative für die kommunale
ven gibt [Kotremba 2021].                                        Flächengestaltung. Weiterführende Tipps zur Gestaltung
                                                                 von kommunalem und privatem Grün können bspw. unter
                                                                 „www.naturgarten.org“ eingesehen werden.

                                                                 Wildpflanzeneinsaaten – Alternative Nr. 2: Immer häufi-
                                                                 ger sind Städte und Kreise an der Verwendung von regio-
                                                                 nalem Saatgut zur Umsetzung von Natur- und Artenschutz-
                                                                 maßnahmen in Siedlungsbereichen interessiert. Bunte,
                                                                 artenreiche und blühende Wiesen sind im Siedlungs- und
                                                                 Verkehrsbereich ein echter Blickfang. Eine weitere öko-
Abbildung 15: Schotterkreisel (Foto: Christian Kotremba, LUBW)   logisch sinnvolle und klimataugliche Alternative ist daher

                                                                    © LUBW   FAQ — Stadtgrün 17
Stauden-Exkurs: Stauden sind mehrjährige, krautige
  Pflanzen, die aus der Wurzel ausschlagen. Im Unter-
  schied zu Gehölzen (Bäume, Sträucher) verholzen sie
  oberirdisch nicht. Sie sind stattdessen krautig weich.
  Die oberirdischen Teile sterben in der Regel nach
  jeder Vegetationsperiode im Herbst ab. Die Über-
  winterung der meisten Stauden erfolgt durch Sproß-
  Ausläufer, Knollen, Rhizome oder Zwiebeln. In der
  neuen Vegetationsperiode, meist im Frühjahr, treiben
  die Staudenpflanzen von neuem aus. Man unterschei-
  det frühjahrs-, sommer- und herbstblühende Stauden
  (­www.de.wikipedia.org/wiki/Staude).

der Einsatz von Wildpflanzensaatgut, sprich von Pflanzen,
die in dem Gebiet in dem sie wachsen natürlicher Weise
verbreitet sind. Es sollte daher auch bei der städtischen Be-
grünung besonderer Wert auf regionale, zertifizierte und
standortgerechte Regiosaatgut-Mischungen gelegt werden
(vgl. FAQ 4). Einfache Rasenflächen hingegen sind in Zei-
ten des Klimawandels mit zunehmender Trockenheit auf-
                                                                     Abbildung 16: dicht bepflanztes Staudenbeet (Foto: Eva Hofmann,
grund ihres hohen Wasserbedarfs längst Auslaufmodelle.               DLR Rheinpfalz)
Sie sollten ebenso, wie Schotter- und Kiesbeete nicht
mehr als Gestaltungsvarianten von Grünflächen eingesetzt
werden.

Quellen:
Kotremba, C. (2021): Grün, Blau und Beige. Klimawandelangepasste Kommunen zeigen wie’s geht. Abschlussdokumentation des Projektes Klima­
    wandelAnpassungsCOACH RLP.

                               18 FAQ — Stadtgrün     © LUBW
Warum spielen Dach- und Fassadenbegrünungen bei der Klima­
   08           anpassung eine so tragende Rolle und wie können sie gezielt
                ­gefördert und ausgebaut werden?

In vielen dicht besiedelten urbanen Räumen besteht am               die Verschattung bewirkt, ein geringerer Teil durch die
Boden nur noch wenig Freiraum für Grünflächen. Zur                  Transpirationsleistung [Hoelscher et al. 2016].
Schaffung innerstädtischer Grünflächen stellen Gebäude-
begrünungen daher eine wichtige Option dar, da sie kaum             No-Regret-Maßnahme: Dachbegrünungen können zu-
zusätzlichen Raum benötigen. Sie werden unterschieden in            dem Niederschlagswasser speichern und reduzieren so
Dach- und Fassadenbegrünungen.                                      Sturzfluten und Hochwasser nach Starkregenereignissen.
                                                                    Grüne Dächer haben gleichzeitig positive Aspekte auf
Natürliche Klimaanlagen: Für Kommunen sind sie be-                  die lokale Luftqualität, verbessern die Situation bei der
deutend, da sie aufgrund von Schattenwurf (Fassade) und             Abwasserversorgung und haben zudem eine energiespa-
Verdunstungskühlung (Dach/Fassade) zu einer Reduzie-                rende Wirkung [UBA 2012]. Zahlreiche weitere positive
rung des Wärmeinseleffekts beitragen. Die Zahl an hitze-            Ökosystemleitungen sprechen für Gebäudegrün. Sie zäh-
bedingten Todesfällen kann laut dem [UBA 2012] durch                len zu den sogenannten No-regret-Maßnahmen (deutsch:
Dachbegrünungen reduziert werden. [Heusinger & Weber                Maßnahme ohne Bedauern). Hierunter sind Maßnahmen
2015] zeigten bei ihren Messungen in Braunschweig an                zu verstehen, die auch unabhängig vom Klimawandel
einem Sommertag eine um durchschnittlich 11 °C niedri-              ökonomisch (u. a. bei Dachbegrünungen: Verlängerung
gere Oberflächentemperatur auf einem extensiv begrünten             der Lebensdauer von Dächern und Erhöhung der Leis-
Dach im Vergleich zu einem konventionellen Dach. Die                tung von Photovoltaikanlagen aufgrund kühlerer Tem-
maximale gemessene Verringerung betrug sogar 17,4 °C.               peraturen) und ökologisch (Förderung der Biodiversität)
Auch für begrünte Fassaden zeigen zahlreiche Studien                sinnvoll sind. Zusätzlich zur Kühlung haben sie einen
eine Reduktion der Oberflächentemperatur. Diese betru-              gesellschaftlichen Nutzen (zahlreiche Ökosystemdienst-
gen bei [Eumorfopoulou & Kontoleon 2009] 1,9 – 8,3 °C               leitungen, geringere Sterbefälle bei starker/extremer Hit-
bei [Mazzali et al. 2013] 12 – 20 °C bzw. bis zu 15,5 °C bei        zebelastung), der den gesellschaftlichen Kosten gleich-
[­Hoelscher et al. 2016]. Die unterschiedlichen Ausprägun-          kommt oder diese übersteigt.
gen der Effekte sind auf die örtlichen klimatischen Bedin-
gungen sowie die verwendete Begrünung zurückzuführen.               Kommunale Förderansätze: Kommunen sollten laut dem
Der Haupteffekt der Oberflächenabkühlung wird durch                 UBA verstärkt Anreize für private Dachbegrünungen schaf-
                                                                    fen und entsprechende Förderungen anbieten. Dies wird in

Abbildung 17: extensive Dachbegrünung (Foto: Optigrün internatio-   Abbildung 18: Intensive Dachbegrünung als multifunktionaler Raum
nal AG)                                                             (Foto: Optigrün international AG)

                                                                       © LUBW     FAQ — Stadtgrün 19
vielen Kommunen schon mit Finanzierungs- und Anreiz-               geringen Lastreserven (z. B. Garagen, Industriebauten, Ge-
instrumenten praktiziert [Ansel 2008]. Bei niedrigen För-          werbeimmobilien, Wohnhäuser, Carports, Haltestellen).
dersätzen von 5 €/m² hat die Maßnahme in fast allen Fällen
ein positives Nutzen-Kosten Verhältnis [UBA 2012].                 Intensive Dachbegrünungen sind deutlich komplexer so-
                                                                   wohl was den Substrataufbau angeht, wie auch die Gestal-
Extensiv-/Intensive       Dachbegrünungen:           Bei   Grün­   tung. Sie verfügen über eine deutlich mächtigere Substrat-
dächern unterscheidet man extensive und intensive Be-              auflage aus mehreren Schichten. Die Bepflanzung erfolgt
grünungsformen. Das Retentionsvermögen liegt je nach               über Sträucher, Rasen, Stauden bis hin zu Bäumen. Als
Ausführung zwischen 10 und 70 %, das heißt, dass circa             Dachgarten ausgebaut kommen weitere Elemente der Ge-
30 – 90 % des Jahresniederschlags verdunsten können                staltung, wie Wege, Sitzplätze, Spielbereiche und Teiche in
[Freie und Hansestadt Hamburg 2006]. Extensiv begrünte             Betracht (vgl. Abbildung 18).
Dächer weisen meist dünne Substratschichten bis zu 20 cm
auf. Sie werden mit Moosen, Kräutern oder Sedumgewäch-             Die Dächer sind häufig multifunktional angelegt und wer-
sen bepflanzt, sind kostengünstig und leicht zu pflegen.           den entsprechend häufig begangen. Aufgrund der einge-
Aus ökologischer Sicht wäre es wichtig eine hohe Struktur-         brachten Elemente müssen bestimmte Voraussetzungen an
vielfalt zu ermöglichen. Extensivbegrünungen (vgl. Abbil-          die Statik erfüllt werden. Der Kühlungseffekt und Wasser-
dung 17) eignen sich besonders für alle Gebäudetypen mit           rückhalt ist entsprechend größer als bei extensiven Dach-
                                                                   begrünungen [StMUV 2020]. Grundsätzlich werden bei
                                                                   begrünten Dächern schnellwachsende Pflanzen eingesetzt,
                                                                   so dass die Wirkung der grünen Dächer schnell einsetzt
                                                                   [UBA 2012].

                                                                   Vorteile Fassadenbegrünungen: Fassadenbegrünungen
                                                                   haben gegenüber Dachbegrünungen den großen Vorteil,
                                                                   dass sie zur deutlichen Kühlung des Straßenraums beitra-
                                                                   gen. Der Kühlungseffekt ist in verhältnismäßig schmalen
                                                                   Straßen größer als bei breiteren Straßen, da hier die Luft-
                                                                   temperatur zunehmend von der horizontalen, versiegelten
                                                                   Straßenfläche beeinflusst wird [Alexandri & Jones 2008].
                                                                   Sie können zudem Luftschadstoffe mittels trockener De-
                                                                   position binden und tragen so zu einer Verbesserung der
                                                                   Luftqualität bei. Sie schützen die Fassade zudem vor nega-
                                                                   tiven Wettereinflüssen und werten die meist graue Bau-
                                                                   struktur in Städten optisch auf. Die Potentiale zum Regen-
                                                                   wasserrückhalt sind hingegen gering, sofern sie nicht mit
                                                                   anderen Elementen der Starkregenvorsorge (z. B. Rückhal-
                                                                   tekörpern) kombiniert werden [StMUV 2020].

                                                                   Boden-/wandgebundene Systeme: Bei den Fassadenbe-
                                                                   grünungen werden boden- und wandgebundene Systeme
                                                                   unterschieden. Bodengebundene Begrünungen erfolgen
                                                                   je nach Klettermodus mit oder ohne Kletterhilfe. Sie sind
                                                                   dadurch charakterisiert, dass die verwendeten Pflanzen
                                                                   „Kletterpflanzen” sind und direkt mit dem Boden verbun-
Abbildung 19: Fassadenbegrünung mit Efeu (Hedera helix) (Foto:     den sind. Sie sind Selbstklimmer (z. B. wilder Wein, Trom-
Christian Kotremba, LUBW)
                                                                   petenwinde, Kletterhortensie, Efeu (vgl. ­
                                                                                                            Abbildung 19)

                                20 FAQ — Stadtgrün     © LUBW
oder benötigen geeignete dauerhafte Kletterhilfen (z. B.                     für innerstädtische Bereiche. Ihre Vorteile liegen in einer
echter Wein, Clematis, Knöterich, Winterjasmin). Die                         sofortigen Wirksamkeit, große Gestaltungsspielräumen
Wasser- und Nährstoffversorgung findet meist über natür-                     („vertikale Gärten”) sowie in einem großen Spektrum
liche Einträge statt. Eine regelmäßige fachgerechte Pflege                   verwendbarer Pflanzen. Die Versorgung mit Wasser und
ist notwendig, jedoch in geringerem Maße als bei wand-                       Nährstoffen wird über eine automatische Anlage geregelt.
gebundenen Begrünungssystemen. Die Kosten für boden-                         Der Aufwand für Pflege und Wartung ist von der Art der
gebundene Fassadenbegrünungen (mit Kletterhilfe) be-                         Gestaltung und dem verwendeten System abhängig. Die
laufen sich je nach Aufbau und Größe auf etwa 100 bis                        Kosten liegen insgesamt höher als bei bodengebunde-
300 Euro/m². Wandgebundene Begrünungssysteme benö-                           nen Begrünungen (400 Euro/m² bis über 1.000 Euro/m²)
tigen keinen Bodenanschluss und eignen sich daher gut                        [BuGG 2020].

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