Leicht beschleunigte kognitive Alterung bei HIV-Patienten?

 
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Leicht beschleunigte kognitive Alterung bei HIV-Patienten?
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                                   Leicht beschleunigte kognitive
                                   ­Alterung bei HIV-Patienten?
                                   Studienlage mit eindeutiger Tendenz -- Autor: M. Hüll

                                   Ein Vierteljahrhundert nach Einführung moderner               Die Querschnittsanalysen zeigten großteils eine ko-
Quelle: Aung HL, Aghvinian M,      HIV-Therapien sind Phänomene wie die AIDS-­                   gnitive Leistungsminderung der HIV-Patienten im
Gouse H et al. Is there any evi-
dence of premature, accentuated
                                   Demenz rar geworden. Doch zeigen Studien, dass                Alter über 50 Jahren im Vergleich zu einer Kontroll-
and accelerated aging effects on   eine HIV-Infektion den kognitiven Verfall im Alter            gruppe. Auch die meisten longitudinalen Studien
neurocognition in people living
with HIV? A systematic review.
                                   durchaus leicht beschleunigen könnte.                         zeigten eine stärkere alterungsassoziierte kognitive
AIDS Behav. 2021;25:917–60                                                                       Leistungsminderung bei Menschen mit HIV. Insge-
                                   Ausgewertet wurden Studien zu HIV, Kognition und              samt waren aber die meisten Studien zu klein, um
                                   Alter mit mindestens 30 Teilnehmern, von denen                signifikante Ergebnisse zu liefern.
                                   mindestens 30% eine antiretrovirale Therapie (ART)            Die Autoren folgern, dass künftige Studien mit ab-
                                   einnahmen. Im Zeitraum seit Einführung der ART                gestimmten neuropsychologischen Instrumenten ar-
                                   im Jahr 1996 wurden 31 Querschnitts- und 6 Längs-             beiten sollten. Sie müssten zudem so aufgebaut sein,
                                   schnittstudien gefunden. Die neuropsychologischen             dass auch ein vermutlich kleiner Effekt noch signifi-
                                   Messinstrumente bzw. klinischen Kriterien waren               kant nachgewiesen werden kann.
                                   für eine gepoolte Analyse aber zu heterogen.
                                                                                                 MMW-Kommentar
                                                                                                 Dank der modernen ART ist die Lebenserwartung
                                                                                                 von HIV-Infizierten fast normalisiert. Trotzdem per-
                                                                                                 sistiert das Virus auch in den Zellen des Immunsys-
                                                                                                 tems im zentralen Nervensystem. Die bisherigen Stu-
                                                                                                 dien geben noch kein genaues Bild, ob HIV hier auch
                                                                                                 unter jahrelanger ART Schaden anrichten kann. Der
                                                                                                 Großteil der Betroffenen ist noch unter 60 Jahre alt
                                                                                                 und hat das Risikoalter für Demenzerkrankungen
                                                                                                 noch vor sich. Immerhin zeigt diese Übersicht, dass
                                                                                                 man eher nur kleinere Effekte erwarten kann.
                                                                                                 Ohne ART sähe es allerdings düster aus. In Afrika
                                                                                                 zeigen trotz geringerer Lebenserwartung bis zu 80%
                                                                                                 der HIV-Betroffenen eine HIV-assoziierte kognitive
  Irgendwann läuft das Denken nicht mehr rund (Symbolbild).                                      Störung (HAND).

                                   Teleprogramm für COVID-19-Reha                                                                                        © Ika84 / Getty Images / iStock (Symbolbild mit Fotomodell)

                                   App-unterstützt schneller wieder fit -- Autor: D. Reinhardt

                                   In China wurde ein Trainingsprogramm mit App-                 Für die Studie wurden 120 Patienten unmittelbar
                                   Unterstützung zur physischen Rehabilitation nach              nach der Entlassung aus einer von drei großen Kli-
                                   einer stationären COVID-19-Behandlung unter-                  niken in zwei Gruppen randomisiert. 59 nahmen
                                   sucht. Zwar wurden die spirometrischen Daten nicht            sechs Wochen lang an einem ambulanten Telepro-
                                   verbessert, wohl aber die Leistungsfähigkeit.                 gramm teil, das ihnen über eine Smartphone-App

24         MMW Fortschr Med. 2021; 163 (15)
Leicht beschleunigte kognitive Alterung bei HIV-Patienten?
Leicht beschleunigte kognitive Alterung bei HIV-Patienten?
KRITISCH GELESEN

                                                                    physische Trainingsaufgaben vermittelte. Die Pa­        Ventilationsgeschwindigkeit, die nach der Therapie-
                                                                    tienten im Alter von 17–75 Jahren hatten initial noch   phase signifikant, nach 28 Wochen aber nicht mehr
                                                                    eine leichte bis mittelschwere Dyspnoe des Schwere-     verbessert war. Generell zeigten aber alle Lungen-
                                                                    grads 2–3. Klinische Kontrollen durch das Studien-      funktionswerte eine sukzessive Spontanbesserung
                                                                    team erfolgten in der jeweiligen Klinik zu Beginn       über den gesamten B ­ eobachtungszeitraum.
                                                                    und am Ende der 6-wöchigen Testphase sowie nach         Bei Erfassung der Lebensqualität ergaben sich signi-
                                                                    28 Wochen. Zudem wurden wöchentlich telefo­             fikante Hinweise auf einen positiven Effekt der Re-
                                                                    nische Konsultationen durchgeführt.                     habilitationsmaßnahmen nach sechs Wochen (p <
                                                                    Das Teleprogramm wurde von Physiotherapeuten            0,004) wie auch nach 28 Wochen (p < 0,045). Das
                                                                    speziell für COVID-19-Genesene entwickelt und ba-       subjektive Gefühl einer Verbesserung der Lebens-
                                                                    sierte auf drei- bis viermaligen intensiven Übungen     qualität hatte aber mit der Zeit abgenommen.
                                                                    pro Woche mit Atemübungen, körperlicher Belas-
                                                                    tung (z. B. Kniebeugen) und isometrischem Muskel-       MMW-Kommentar
                                                                    training. Per Telemetrie wurde auch die Herzfre-        Die Daten zeigen, dass ein Smartphone-vermitteltes
                               Quelle: Li J, Xia W, Zhan C et al.   quenz überwacht. Zur Erfolgskontrolle diente die        ambulantes Rehabilitationsprogramm zahlreiche
                               A telerehabilitation programme
                               in post-discharge COVID-19
                                                                    6-Minuten-Gehstrecke und ein statischer Test, bei       Symptome und Funktionen in Bezug auf die körper-
                               ­p atients (TERECO): a randomised    dem eine hockende Haltung mit Hüft- und Kniege-         liche Fitness von COVID-19-Patienten in der Rekon-
                                controlled trial. Thorax 2021,
                                ­o nline 26. Juli; doi:
                                                                    lenken im 90-Grad-Winkel möglichst lang gehalten        valeszenzphase verbessern kann, was auch die Le-
                                 10.1136/thoraxjnl-2021-217382      werden musste („Squat“). Hinzu kamen die vollstän-      bensqualität steigert. Diese Effekte bestanden auch
                                                                    dige Spirometrie und die Beurteilung der Lebens-        noch Wochen nach Beendigung der Therapie. Die
                                                                    qualität zwei internationalen Scores.                   im Rahmen der Infektion auftretende Lungenfunk-
                                                                    Nach der sechswöchigen Therapie schafften die App-      tionseinschränkung konnte durch die Telerehabili-
                                                                    Patienten im Mittel 65,45 Meter mehr in der 6-Minu­     tationstherapie nicht beeinflusst werden – allerdings
                                                                    ten-Gehstrecke als die Kontrollpatienten (p < 0,001).   zeigte sich, dass sich die Lungenfunktion über den
                                                                    Auch 28 Wochen später lag die App-Gruppe im             gesamten Untersuchungszeitraum sukzessive und
                                                                    Schnitt um 68,62 Meter vorn (p < 0,001). Den Squat      spontan besserte.
                                                                    hielten die App-Patienten nach sechs Wochen 20,12       Die initiale Verbesserung der maximalen Ventila­
                                                                    Sekunden länger (p < 0,001), nach 28 Wochen sogar       tionsgeschwindigkeit in der Therapiegruppe dürfte
                                                                    22,23 Sekunden länger.                                  auf einer verbesserten Kraft der Atemmuskulatur
                                                                    Alle spirometrisch erfassten dynamischen und sta-       beruhen. Hierfür spricht auch, dass dieser Effekt
                                                                    tischen Lungenfunktionsparameter dagegen konn-          nicht persistierte. Die Ergebnisse legen nahe, dass
                                                                    ten durch das Rehabilitationsprogramm nicht beein-      physikalische Therapiemaßnahmen nach C    ­ OVID-19
                                                                    flusst werden. Einzige Ausnahme war die maximale        sehr langfristig angelegt werden müssen.

                        Unglaublich, aber dokumentiert:
                        Sprechen induziert atriale Tachykardie
                                                                                          Ein 58-jähriger Mann kam mit einer           einer einzigen Silbe ausgelöst werden,
                                                                                           höchst ungewöhnlichen Symptomkon­           nicht aber durch tonlose Mundbewegun-
                                                                                           stellation in die Notaufnahme. Seit einem   gen, tiefe Atmung oder inspiratorischen
                                                                                          Monat verspürte er intermittierenden         Atemstop. Echokardiografie und CT
                                                                                           Schwindel und Herzklopfen beim Spre-         zeigten ein strukturell normales Herz.
                                                                                                                                                                                                           © Lordn / Getty Images / iStock (Symbolbild mit Fotomodell)

                                                                                           chen. Bei der kontinuierlichen EKG-Auf-     Nach oraler Gabe des Betablockers Meto­
                                                                                           zeichnung bestätigte sich: Bei einzelnen     prolol über drei Monate verschwanden
                                                                                          Worten traten isolierte supraventrikuläre    ­sofort alle Symptome. Bei Kontrollunter-
                                                                                          Extrasystolen auf (Abb. A), bei ganzen        suchungen war der Patient nach drei Jah-
© N Engl J Med. 2021;384:e83

                                                                                           Sätzen anhaltende Tachykardien mit          ren – ohne Betablocker und ohne Kathe-
                                                                                           einer Frequenz bis 167/min (Abb. B).
                                                                                           ­                                            terablation – völlig beschwerdefrei.
                                                                                          ­Hörte er auf zu sprechen, endete die                                       H. Holzgreve
                                                                                          Rhythmusstörung sofort (Abb. C). Die         Quelle: Zimerman A, d’Avila A. Speech-induced atrial tachycardia.
                                                                                                                                       N Engl J Med. 2021;384:e83
                               A, B: Rhythmusstörungen. C: Normal-EKG.                    Extrasystolen konnten durch Sprechen

                               26          MMW Fortschr Med. 2021; 163 (15)
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