Leichte Sprache Schwerpunkt - BAR | REHA-INFO - Bundesarbeitsgemeinschaft für ...
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Editorial Inhalt 3 Tipps & Tools 4 Schwerpunkt Leichte Sprache 4 Sprache als Wegbereiterin Prof. Dr. Helga Seel Geschäftsführerin der BAR 7 Der Wegweiser Rehabilitation in Leichter Sprache 9 Wenn Zahlen in die Irre führen Liebe Leserin und lieber Leser, 10 Interview: Kommunikation mit Menschen (mit Behinderung) Menschen mit Behinderungen, Politikerinnen und Politiker, aber auch ist so individuell, wie jeder Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltung sprechen oft eine einzelne Mensch selbst unterschiedliche Sprache. Und in einer digitalisierten Welt mit einer schier unüberschaubaren Fülle an Informationen ist es nicht selbst- 11 Reha-Entwicklung Zugfahren leicht gemacht verständlich, dass die Informationen nachvollziehbar bei der jeweili- gen Zielgruppe ankommen. Die große Herausforderung besteht da- 12 Recht rin, die richtigen Informationen verständlich aufzubereiten und zu- Anspruch auf einen höhenverstell- gänglich zu machen. baren Schreibtisch als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben Reha-Erfolg braucht Kommunikation. Für ein besseres Verständnis ist es wichtig, mit den Menschen mit Behinderungen selbst ins Ge- spräch zu kommen. Sprache ist vielfältig und muss für den Adressa- Impressum ten entsprechend eingesetzt werden. Das erfordert einen bewussten Reha-Info der BAR, Heft 5, September 2021 Umgang mit ihr und barrierefreien Zugang. Daher sind gerade auch Herausgeber: Bundesarbeitsgemeinschaft für Verwaltungsstellen wie die Reha-Träger gefordert, ihre Informatio- Rehabilitation (BAR) e. V., Solmsstr. 18, 60 486 Frankfurt am Main nen und Verfahrensabläufe so zu gestalten, dass sie keine Hürden Verantwortlich für den Inhalt: darstellen. Prof. Dr. Helga Seel Redaktion: Günter Thielgen (verantwortlich), Dr. Regina Ernst, Franziska Fink, Bernd Giraud, Dr. Teresia Widera Selbstbestimmung und Partizipation in allen Bereichen sowie die Rechtsbeitrag: Dr. Christiane Goldbach, Marcus Schian Umsetzung der Vorschriften, vor allem des SGB IX, können nur er- Statistik: Dr. Teresia Widera, Christian Brand reicht werden, wenn ein gewisses Maß an Verständlichkeit in der Telefon: 069/605018–0 „Bürger-Verwaltung-Kommunikation“ erreicht wird. Texte der Ver- E-Mail: info@bar-frankfurt.de Internet: www.bar-frankfurt.de waltungssprache sind immer noch Hürden des täglichen Lebens. Die Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation e. V. Möglicherweise ist es unrealistisch, Allgemeinverständlichkeit in al- (BAR) ist der Zusammenschluss der Reha-Träger. Seit 1969 fördert sie im gegliederten Sozialleistungssystem len Bereichen herstellen zu können. Das ist auch nicht unbedingt nö- die Teilhabe von Menschen mit Beeinträchtigungen. Die BAR koordiniert und unterstützt das Zusammenwirken tig, wenn die Reha-Träger in ihren Abstimmungsprozessen unter- der Reha-Träger, vermittelt Wissen und arbeitet mit an einander kommunizieren. Wenn es aber darum geht, von möglichst der Weiterentwicklung von Rehabilitation und Teilhabe. Ihre Mitglieder sind die Träger der Gesetzlichen Renten-, vielen Menschen verstanden zu werden, ist ein Höchstmaß an Ver- Kranken- und Unfallversicherung, die Bundesagentur ständlichkeit notwendig. für Arbeit, die Bundesländer, die Bundesarbeitsgemein- schaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen, die Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Trä- ger der Sozialhilfe und der Eingliederungshilfe, die Kas- Um Dinge verständlich zu kommunizieren, ist es notwendig, mit senärztliche Bundesvereinigung sowie die Sozialpartner. Sprache sorgfältig umzugehen und sie bewusst einzusetzen. Das hat Nachdruck und Vervielfältigungen, auch auszugsweise, sind nur mit Genehmigung der BAR gestattet. auch etwas mit einer anderen Haltung gegenüber Menschen mit Be- Druck: reha gmbh, Saarbrücken hinderungen und ihrem Selbstbestimmungsrecht zu tun – im Sinne Druckauflage: 2700 Exemplare von ernst gemeinter Kommunikation, Partizipation, Inklusion. Schlussredaktion und Grafik: Perfect Page, Karlsruhe Jill Köppe-Ritzenthaler, Clarissa Rosemann Titelbild: Robert Kneschke, adobe stock Ich wünsche Ihnen eine spannende Lektüre, Composing: Clarissa Rosemann Ihre Helga Seel Gedruckt auf Umweltpapier Circleoffset Premium White, FSC®-zertifiziert, Blauer Umweltengel und EU Ecolabel 2 Reha-Info der BAR | 5/2021
Tipps & Tools REHA GRUNDLAGEN Leichte Sprache Bundesarb eitsgemei nschaft für Rehabilita tion ● Weg-Weiser Reha und Teilhabe Das erste Heft der neu überarbeiteten BAR-Publikationsrei- he „Weg-Weiser in Leichter Sprache“ ist erschienen. Die Ausga- be „Reha und Teilhabe – Die wichtigsten Regeln“ widmet sich den neuen Gesetzesregelungen im SGB IX. In Leichter Sprache wird zum Beispiel erklärt, welche Reha-Leistungen es gibt, was eine Reha und Teilhabe – Teilhabeplanung ist und wo es Informationen und Beratung zu Die wichtigsten Regeln Reha- und Teilhabethemen gibt. Bei der Gestaltung und Aufbe- reitung der Inhalte kommen einfache Beispiele zum Einsatz sowie Bilder und Grafiken. Die Übersetzung der Texte in Leichte Sprache für die Weg-Weiser erfolgte durch einen Verein, in dem Menschen Weg-Weiser in Leichter Spr ache mit kognitiven Einschränkungen arbeiten und die Texte überprü- Heft 1 fen (Beitrag S. 7 in dieser Reha-Info). Die weiteren Hefte werden sich mit folgenden fünf Lebensbereichen beschäftigen: Gesund- heit und Pflege, Bildung und Ausbildung, Arbeit, Geld zum Leben sowie Familie, Freizeit und Wohnen. BAR-Frankfurt.de | 2021 www.bar-frankfurt.de > Service > Publikationen > Reha-Grundlagen Bild: MQ-Illustrations, adobe stock Digitale Dokumentation ● Fachveranstaltung 20 Jahre SGB IX Die Dokumentation der digitalen BAR-Fachveranstaltung „20 Jahre SGB IX: Ein langer Weg für die Teilhabe von Fokus-Seminar Menschen mit Behinderungen. Blicke zurück nach vorne“ ermöglicht interes- ● Umfassende Bedarfsermittlung in der Praxis sante Einblicke in die Fachbeiträge vom Im Fokus-Seminar am 3. November 2021 geht es darum zu verstehen, wie bei der 15. Juni 2021. Bedarfsermittlung konkret vorzugehen ist. Darüber hinaus bietet das Seminar Raum Die BAR hat in der Rückblende un- zum Austausch über Best-Practice-Beispiele, Instrumente und Verwaltungsverfah- ter www.20-jahre-sgb-ix.de die unter- ren, um Impulse für die eigene Arbeit zu bekommen. Das Seminar richtet sich vor al- schiedlichen Vorträge, Interviews und len Dingen an Fach- und Führungskräfte bei Reha-Trägern und Integrations- bzw. In- Diskussionen von Expertinnen und Ex- klusionsämtern, aber auch an alle anderen Fachkräfte, die sich mit Bedarfsermitt- perten aus Politik und Wissenschaften lung befassen. Es ist in Stuttgart als Präsenzveranstaltung geplant. Sollte das Semi- sowie von Menschen mit Behinderun- nar vor Ort nicht stattfinden können, wird die Veranstaltung als Online-Format über gen in Texten und Videobeiträgen auf- Zoom durchgeführt. bereitet und zusammengefasst. www.bar-frankfurt.de > Service > Fort-und-Weiterbildung > Bar-Seminare.html www.20-jahre-sgb-ix.de Reha-Info der BAR | 5/2021 3
Leichte Sprache Bild: metelsky25, adobe stock Inklusion und Teilhabe brauchen Verständigung Sprache als Wegbereiterin Inklusive Gesellschaft, Bewusstseinswandel, Paradigmenwechsel, Gleich- berechtigung, Perspektivwechsel – mit diesen sprachlichen Begriffen wer- den zentrale Ziele des SGB IX formuliert. Aber Hand aufs Herz: Wörter sind Schall und Rauch, wenn es nicht gelingt, sie mit Leben zu füllen. So hat auch Bundeskanzlerin Angela Merkel am 17. August 2021 in ihrer Rede beim Empfang des Bundesbehindertenbeauftragten Jürgen Dusel unter anderem ausgeführt: Eine Konvention schaffe noch keine Inklusion und Teilhabe las- se sich nicht alleine gesetzlich vorschreiben; es brauche die Übertragung Prof. Dr. Helga Seel, in die Alltagspraxis. Dafür braucht es Kommunikation und Verständigung. Geschäftsführerin der BAR D as SGB IX hat die Verhältnisse können, wenn wir sie bewusst und ge- auch sprachlich und rührt an den Aspekt zwischen Verwaltungen unter- zielt einsetzen. Die Bandbreite variiert der Verständlichkeit von Texten, von In- einander, zwischen Bürgerinnen zwischen Fachsprache bis hin zu leich- formationen. Nicht selten erschweren und Bürgern und Staat sowie zwischen ter Sprache und die geeignete Auswahl oder verwehren sprachliche Barrieren Verwaltungen und Bürgerinnen und Bür- muss sich nach dem Adressatenkreis den Zugang zu Information und damit gern neu definiert; darüber hinaus führt richten. dann auch zur Kommunikation miteinan- das Bundesteilhabegesetz Instrumente der. Wenn es an der dafür erforderlichen ein, die ohne Kommunikation, ohne sich Zugang zu Informationen Verständlichkeit fehlt, dann haben wir es gegenseitig zu verstehen und – wo nötig allein genügt nicht vor allem mit einer Fachsprachenbarrie- – sich zu verständigen nicht umzuset- An einer Gesellschaft teilhaben kann nur, re zu tun. zen sind. So formulieren die neuen Ins- wer Zugriff auf ihre Informations- und trumente „Bedarfsermittlung“, „Teilhabe- Kommunikationsangebote hat und vor Verständlichkeit ist keine planung“, „Teilhabeplankonferenz“ pro- allem diese versteht. Das gilt auch für die Selbstverständlichkeit fessionelle Anforderungen an Verwal- Teilhabe von Menschen mit Behinderun- Was ist eigentlich Verständlichkeit? Die- tungshandeln, die nicht nur die Ausrich- gen. Man möchte meinen, dass es noch ser allgemeinsprachlich relativ klar er- tung an den Bedürfnissen, Problemen nie so einfach war, in den Themenfeldern scheinende Begriff entzieht sich ei- und Rechten von Menschen mit Behin- Gesundheit, Teilhabe und Rehabilitation ner eindeutigen Definition und einer ein- derung verlangen, sondern deren aktive an Informationen zu kommen. Studien heitlichen Verwendung. So viel kann ge- Beteiligung erfordern. zeigen allerdings, dass es etwa jedem sagt werden: Wir verstehen immer auf zweiten Menschen schwerfällt, die Infor- der Basis dessen, was wir schon wis- Das Instrument, das uns hierfür zur mationen, die er braucht, zu finden und sen. Dies betrifft sowohl kognitive Aspek- Verfügung steht, ist unsere Sprache, mit vor allem auch sie zu verstehen. te als auch emotionale Faktoren, forma- der wir Verständlichkeit – Verstehen – Die Komplexität unserer modernen le Kenntnisse und Vertrautheit mit The- Verständnis – Verständigung herstellen Wissensgesellschaft äußert sich oft eben men, ebenso wie persönliche Interessen 4 Reha-Info der BAR | 5/2021
Leichte Sprache und situationsbezogene Einflüsse. Des- halb kann es eine allgemeingültige Fest- legung von Verständlichkeit nicht geben. Die Forderung nach „Allgemeinver- ständlichkeit“ wird in besonderem Maße gegenüber Gesetzen und der öffentlichen Verwaltung erhoben. Denn ein Großteil der Information und Kommunikation – schriftlich wie mündlich – folgt noch zu wenig den Bedürfnissen von Menschen mit Behinderungen. Anträge, Bewilli- gungsbescheide, Ablehnungsbescheide sind noch zu sehr juristische Dokumente. Hinter den Stichworten „Bürgernahe Ver- waltung“ oder „Behörden-Bürger-Kom- munikation“ verbirgt sich auch der Ruf nach Allgemeinverständlichkeit. Auf der einen Seite ist es unrealistisch anzuneh- men, dass immer und überall Allgemein- verständlichkeit für alle erzielt werden kann. Auf der anderen Seite kann durch konkrete Maßnahmen eine Anpassung in der Rechts- und Verwaltungssprache er- reicht werden. © BAR 2021 Prinzipiell sollte es allen Menschen mit Behinderungen ermöglicht werden, auch gegenüber Verwaltungsstellen ver- muniziert ist, kommt sowohl Menschen strument und auch für diese Zielgruppe schiedenster Art ihre vollen Bürgerrech- mit Behinderungen wie auch den Mitar- muss beim Verfassen von Informationen te wahrzunehmen. Die Verwaltungsstel- beitenden bei den Reha-Trägern zugu- oder auch im Beratungsprozess die Fra- len sind deshalb gefordert, Informatio- te. Im Ergebnis sind weniger Nachfragen ge nach Verständlichkeit ständige Beglei- nen, Strukturen und Prozesse so zu ge- und weniger Missverständnisse bei der terin sein. stalten, dass sie von den Menschen ver- Informationsverarbeitung und im Ver- standen werden und von möglichst allen waltungsvorgang zu erwarten. Gleichzei- Die Angebote in Leichter Sprache Menschen genutzt werden können. tig erhöht die Vereinfachung der Sprache sind einerseits noch viel zu gering. Dass das Vertrauen gegenüber den Behörden sich andererseits aber immer mehr Be- Inklusive Verwaltungskultur und verringert bestehende Vorbehalte bei hörden und Organisationen auf den Weg Immer noch stellen die verwaltungs- der Inanspruchnahme von Leistungen. gemacht haben und sich dafür professio- sprachlichen Texte der Behörden eine Es gibt bereits ausreichend Kriterien und neller Unterstützung durch Institute und Hürde im alltäglichen Leben dar. Ideen, wie Bescheide, Broschüren, Infor- Experten in eigener Sache bedienen, ist mationsmaterialien in einfach verständ- eine erfreuliche Entwicklung. Wir haben Von einer Verwaltungsstelle, die sich liche Formen und zugängliche Formate damit bei der BAR bereits sehr positive auf den Weg macht, diese Voraussetzun- gebracht werden. Erfahrungen gemacht. gen für Menschen mit Behinderungen zu schaffen, werden alle profitieren: in ers- Leichte Sprache Bürokratie abbauen, Orientierung an ter Linie die Menschen mit Behinderun- Die Wahl der Sprache muss sich am Ad- den tatsächlichen Bedürfnissen, Interes- gen und eben auch die Verwaltungsstel- ressatenkreis ausrichten. Für Menschen se, verstanden zu werden – dafür sollte len selbst. Ein abgestimmtes, verständli- mit kognitiven Beeinträchtigungen ist noch viel mehr ausprobiert werden, und ches Verfahren, das allen Akteuren kom- die Leichte Sprache das geeignete In zwar miteinander! Reha-Info der BAR | 5/2021 5
Leichte Sprache Einfache und Leichte Sprache im Umgang mit Behörden und Leistungserbringern Es gibt wohl kaum jemanden, die oder der nicht einmal Schwierigkeiten damit hatte, den Inhalt von Bescheiden oder Formularen zu erfassen. Die Rechtssprache ist mit ihren Fachbegriffen oft keine einfach verständli- che Sprache. Insoweit ist es nachvollziehbar, dass amtliche Informationen – mit dem Ziel, sie möglichst rechtssicher zu gestalten – nicht selten in schwerer Sprache, dem sogenannten „Behördendeutsch“, formuliert sind. Dr. Daniel Hlava, U Hugo Sinzheimer Institut der Hans-Böckler- m dem entgegen zu wirken und cherung Bund und bundesweit agieren- Stiftung, Frankfurt am Main die Inhalte adressatengerecht de Krankenkassen – mit Menschen mit für alle Bürgerinnen und Bürger geistiger oder seelischer Behinderung zugänglich zu machen, wurde an ver- in einfacher und verständlicher Spra- zu gibt es in der Barrierefreien-Infor- schiedenen Stellen die Forderung nach che kommunizieren sollen. Zudem sol- mationstechnik-Verordnung (BITV 2.0) möglichst einfacher Sprache in das Ge- len sie Bescheide, Allgemeinverfügun- sehr detaillierte Vorgaben, welche Infor- setz aufgenommen. So sollen alle So gen, öffentlich-rechtliche Verträge und mationen (z.B. die wesentlichen Inhalte zialleistungsträger nach § 17 Abs. 1 Nr. 3 auch Vordrucke den Betroffenen auf de- der Website und Hinweise zur Naviga- SGB I den Zugang zu Sozialleistungen ren Wunsch hin entsprechend erläutern. tion) auf der Startseite auf welche Wei- möglichst einfach gestalten und dafür se bereitzustellen sind. Diese Standards insbesondere allgemein verständliche Manchmal reichen einfachere Worte sind in Anlage 2 Teil 2 der BITV 2.0 ge- Antragsvordrucke verwenden. aber nicht aus, um Menschen mit Lern- regelt. Auf Länderebene existieren eben- schwierigkeiten die Inhalte zugänglich fallsLandes-Behindertengleichstellungs- Auch Produktinformationen von Arz- zu machen. Sie sind auf eine besondere gesetze, die sich größtenteils am BGG neimitteln (§ 10 Abs. 1 Arzneimittelge- Form barrierefreier Kommunikation an- orientieren und damit auch für öffentli- setz) sowie die ärztliche und therapeu- gewiesen: Leichte Sprache. Es gibt keine che Träger der Landesverwaltung Vorga- tische Aufklärung über eine Behandlung allgemeingültigen Regeln, was darunter ben treffen. Außerdem gelten die Regeln (§ 630e Abs. 2 Nr. 3 BGB) müssen ver- zu verstehen ist. Allgemein wird empfoh- auch bei der Ausführung von Sozialleis- ständlich sein. len, z. B. kurze Sätze und einfache Wör- tungen (§ 17 Abs. 2a SGB I). ter zu verwenden (keine Fachbegriffe Im Umgang mit Behörden sind Men- oder Fremdwörter) und die Adressaten Leichte Sprache nützt auch Men- schen mit behinderungsbedingten Lern- direkt anzusprechen. Außerdem ist eine schen ohne eine Behinderung, z.B. bei schwierigkeiten in besonderem Maße ausreichende Schriftgröße erforderlich mangelnden Deutschkenntnissen oder von Sprachbarrieren betroffen. Die UN- und es sollten ergänzend Piktogramme älteren Menschen. Generell kann ein in Behindertenrechtskonvention verlangt, bzw. Bilder verwendet werden, um die In- Leichte Sprache übersetzter Text diesen dass ihre besonderen Bedürfnisse in der halte zu illustrieren. Die Lebenshilfe hat aber nur ergänzen und nicht ersetzen. Kommunikation mit Behörden berück- hierzu ein Regelwerk veröffentlicht. Not- sichtigt werden. Dies ist wichtig, da die wendige Kosten für Erläuterungen in ein- Betroffenen nur auf diese Weise selbst- facher oder Leichter Sprache sind von Bundesfachstelle bestimmte Entscheidungen treffen kön- dem jeweiligen Träger zu übernehmen (§ Barrierefreiheit nen und eine gleichberechtigte Teilhabe 11 Abs. 3 BGG). Tel.: 030/259 36 78 – 0 möglich ist. Im Jahr 2016 hatte der Ge- Fax: 030/259 36 78 – 700 setzgeber daher erstmals in § 11 des Be- Doch auch ohne einen konkreten in- bundesfachstelle-barrierefrei- hindertengleichstellungsgesetzes (BGG) dividuellen Bedarf sollen mehr Informa- heit@kbs.de geregelt, dass Träger der Bundesverwal- tionen in Leichter Sprache bereitgestellt www.bundesfachstelle- tung – beispielsweise die Bundesagen- werden – beispielsweise auf der Home- barrierefreiheit.de tur für Arbeit, die Deutsche Rentenversi- page eines Rehabilitationsträgers. Hier- 6 Reha-Info der BAR | 5/2021
Leichte Sprache Der Wegweiser Rehabilitation in Leichter Sprache Arbeitsweise der Prüfgruppe des Vereins Leben mit Handicaps e. V. Leipzig Beate Schlothauer macht eine Qualifizie- Im Zuge der Änderungen des SGB IX mit Einführung des BTHG veröffent- rung zur Bildungs- und Inklusionsreferentin licht die BAR eine Aktualisierung des Wegweisers Rehabilitation in Leich- im Projekt ehemals QuaBIS der Universität ter Sprache. Der Wegweiser wird, wie bereits bei der ersten Übersetzung, Leipzig und gehört zum inklusiven Team in mehreren lebensweltbezogenen Einzelheften erscheinen. Das erste des Projekts Fachkraft Leichte Sprache. Heft zum BTHG und den Leistungen und Trägern der Reha ist durch Le- Sie hat langjährige Erfahrungen mit der ben mit Handicaps e. V. in Leichte Sprache übertragen, von Menschen mit Leichten Sprache und war Co-Forscherin im Projekt LeiSA (Leichte Sprache im Lernschwierigkeiten geprüft und wird zeitnah veröffentlicht. Arbeitsleben) der Uni Leipzig. Sie arbeitet E ehrenamtlich als Prüferin und Workshop- in wesentlicher Bestandteil der Er- die Zielgruppe leicht und intuitiv zugäng- referentin für Leichte Sprache im Verein arbeitung des Wegweisers Reha- lich ist. So ist es beispielsweise hilfreich, Leben mit Handicaps. bilitation in Leichter Sprache an- auf bestimmte Layout-Kritierien zu ach- hand der Regeln des Netzwerks Leich- ten. Absätze machen neue Gedanken te Sprache e. V., ist die Zusammenar- deutlich und helfen Leserinnen und Le- beit mit der Zielgruppe. Hauptzielgruppe sern Gedankenpausen vor dem nächs- der Leichten Sprache sind Menschen mit ten Thema einzulegen. Lernschwierigkeiten.1 Die Zusammen- arbeit bedeutet mindestens das Prüfen Darüber hinaus achten die Prüfperso- der Informationen in Leichter Sprache. nen außerdem auf folgende Fragen: Für eine gute Erarbeitung von Texten in Sind die Wörter bekannt? Leichter Sprache besteht idealerweise Gibt es Abkürzungen? eine inklusive Zusammenarbeit darüber Sind lange Wörter gut getrennt Jan Schlothauer arbeitet in der Werkstatt hinaus. Die Zusammenarbeit mit Men- mit Bindestrich? für behinderte Menschen der Diakonie schen mit Lernschwierigkeiten erleich- Sind Fremdwörter verständlich erklärt am Thonberg im Bereich Papier- und Verpackung und kam durch seine Frau zur tert den Übersetzerinnen und Überset- Werden immer die gleichen Wörter Leichten Sprache. Auch er interessiert sich zern das Einfühlen in deren Lebenswelt. für die gleiche Sache benutzt? sehr für die Leichte Sprache und prüft Texte Die Prüfungen von Texten in Leich- Sind die Bilder geeignet und bei Leben mit Handicaps e. V. ter Sprache sind aus mehreren Gründen aussagekräftig? wichtig. Die Texte und Informationen sol- len für die Zielgruppe verständlich sein. Die Prüfgruppe des Vereins Leben mit Handicaps e. V . hat das erste Heft des Weg- Das Textverständnis von Menschen mit weisers Rehabilitation in Leichter Sprache geprüft. Zwei Mitglieder der Prüfgruppe Lernschwierigkeiten kann sich von dem erzählen, wie sie die Informationen auf Verständlichkeit geprüft haben. anderer Menschen unterscheiden. Daher ist es notwendig, sie als Expertinnen und Experten ihrer Lebenswelt zu befragen, wie sie den Text wahrnehmen und ver- 1 Wie prüfen Sie? Prüfen Sie allein oder in einer Prüfgruppe? Text vor uns liegen und sollen die Regeln der Leichten Sprache prüfen. stehen. Die Informationen sollten auf ei- Manchmal weichen wir von den Regeln ne Art und Weise aufbereitet sein, die für J: In einer Gruppe prüfen wir. Momentan ab, wenn es nicht anders geht. Zum prüfen wir mit sechs Leuten an zwei Ta- Beispiel nutzen wir das Genderstern- 1 Der Begriff Menschen mit Lernschwierigkeiten ist gen jeweils zu dritt. chen, auch wenn es ein Sonderzeichen von den Selbstvertretern gewählt und wird hier B: Wir prüfen in der Gruppe an unter- ist. Textänderungen besprechen wir im deshalb für Menschen mit kognitiven Beeinträch- tigungen (geistigen Behinderungen) verwendet. schiedlichen Texten. Wir haben einen Team mit der Übersetzerin. Reha-Info der BAR | 5/2021 7
Leichte Sprache 2 Wie haben Sie den ersten Teil des Wegweisers Rehabilitation geprüft? Beispiel, ob lange schwierige Wörter mit Bindestrich getrennt sind. Auf die Ab- sätze achte ich noch, ob Aufzählungen praktisch eine Maßnahme. Deswegen ist die WfbM nicht der erste Arbeitsmarkt. B: Für mich ist Teilhabe wichtig. Dass übersichtlich sind und alles richtig ge- ich mehr darüber erfahren habe. Und J: Wegen Corona haben wir das über schrieben ist. über Arbeit. Welche Rechte ich habe. Zoom geprüft. B: Ich achte ganz streng auf die Regeln B: Das war anstrengend. Ich habe eine Seheinschränkung und kann nicht gut am Rechner arbeiten. Für mich ist es und auf die Farben. Außerdem, ob die Bil- der gut gemacht sind. Der Inhalt von Tex- ten in Leichter Sprache muss gut zu ver- 5 Welche Themen fanden Sie schwer zu verstehen? besser, wenn die Texte ausgedruckt vor stehen sein. Darauf achte ich. J: Ich fand nichts schwer. mir liegen in einer großen Schriftgröße. B: Ich fand es schwer, die Leistungs- J: Für das ganze Heft haben wir meh- rerer Termine gebraucht. Wir prüfen pro Termin zwei Stunden. 4 Welche Themen des ersten Heftes sind für Sie wichtig? Träger und die Gesetze zu verstehen. Welche Anträge man braucht, finde ich schwer zu verstehen, wenn es nicht in B: Wir haben darauf geachtet, ob der der Leichten Sprache ist. Deshalb ist der Text gut zu verstehen ist. Dazu hat die J: Teilhabe am Arbeitsleben und Reha- Text in Leichter Sprache gut. Prüfassistentin viele Fragen zum Text bilitation. Bei Teilhabe am Arbeitsleben gestellt. Es war schwer, die Fragen zu be- antworten. steht drin, dass Menschen mit Behinde- rung auch arbeiten können und wie. Und bei Rehabilitation steht drin, wie sie be- 6 Welche Themen wünschen Sie sich noch? 3 Worauf achten Sie beim Prüfen? handelt werden können. Damit sie wieder arbeiten können. Die WfbM ist im Prinzip auch ein Teil der Rehabilitation und ist B und J: Da fällt uns gerade nichts ein. Wir sind schon gespannt auf die nächs- ten Hefte. J: Ich achte darauf, dass es möglichst dazu da, um Leute in den ersten Arbeits- für jeden verständlich ist. Ich achte auch markt zu kriegen. Wenn das nicht klappt, Haben Sie vielen Dank darauf, die Regeln anzuwenden. Zum ist man trotzdem abgesichert. Das ist für das Gespräch. Wenn Zahlen in die Irre führen Gesundheitsrisiken leicht verständlich kommunizieren Was ist eine Statistik? In leichter Sprache ausgedrückt, zeigt eine Statistik viele Zahlen in Tabellen oder Abbildun- gen zu einem Thema. Beispielsweise wie viele Menschen heute in Deutschland leben und wie viele vor 50 Jahren. Die statistischen Informationen sind wichtig, damit Menschen sich eine Meinung bilden und Entscheidungen tref- fen können. Einige der gesammelten Zahlen beziehen sich auch auf die Gesundheit der Menschen. V iele Studien zeigen, dass so- lässt sich auch anhand des Themenfel- Nehmen wir statistische Aussagen wohl Laien wie auch Experten des Corona aufzeigen. So verwundert es zur Wirksamkeit von Corona-Impfstof- häufig Schwierigkeiten haben, nicht, dass bei einer repräsentativen Er- fen: Was bedeutet es zum Beispiel, dass grundlegende statistische Informationen hebung zu Einstellungen der deutschen ein Corona-Impfstoff zu 90 Prozent wirk- zu Gesundheitsrisiken richtig zu verste- Bevölkerung 30 Prozent der Befragten sam ist? Dazu befragt, wird häufig geant- hen. Fehleinschätzungen entstehen bei- der Aussage voll und ganz oder eher zu- wortet: „Von zehn Geimpften wird trotz- spielsweise dann, wenn Berechnungen stimmten: „Wissenschaft und Forschung dem einer krank“ oder „neun von zehn als Wahrscheinlichkeiten oder Risiken zu Corona sind so kompliziert, dass ich Menschen können durch die Impfung kommuniziert werden, statt sie in natür- vieles davon nicht verstehe“ (Wissen- vor einer Infektion geschützt werden“. lichen Häufigkeiten auszudrücken. Das schaftsbarometer Corona Spezial 2021). Aber: 90 Prozent wirksam heißt nicht, 8 Reha-Info der BAR | 5/2021
Leichte Sprache Abbildung 1: Wie man es den Adressaten leichter macht, statistische Gesundheitsrisiken einzuschätzen 1. Natürliche Häufigkeiten verwenden 2. Nutzen sowie fehlenden Nutzen angeben 3. Bezugsgrößen nennen 4. Lebenszeitrisiko darstellen 5. Risiko für verschiedene Altersgruppenberichten 6. Personen ohne Ereignis (z. B. Krankheit) aufführen 7. Vergleich zu anderen Gesundheits- risiken herstellen 8. Absolute Risikoreduktion darstellen 9. Risiko von falsch-positiven und falsch-negativen Befunden © BAR 2021 dass zehn Prozent (trotzdem) krank wer- multipliziert (= 20 %). In der Gruppe der bestimmten Form präsentieren (vgl. da- den. Denn die angegebene Wirksamkeit Geimpften erkrankten 10 von 500 Per- zu Abb.1). bezieht sich immer auf einen Vergleich sonen, das Risiko beträgt also 10/500 = Gesundheitliche Risikokompetenz zu der Krankheitshäufigkeit bei Geimpften 0,02. Um dies als Prozent-Zahl auszudrü- erwerben, heißt auch, die Prinzipien hin- und Ungeimpften. cken, wird der Wert mit hundert multipli- ter den wissenschaftlichen Methoden ziert (= 2 %). und statistischen Kennwerten zu ken- Bei der Impfstoff-Wirksamkeit wird Die Wirksamkeit gibt an, wie sehr die nen und damit besser zu verstehen, was die relative Verringerung des Risikos, zu Impfung das Risiko reduziert, zu erkran- passiert. erkranken, angegeben. Mit der folgen- ken. Dafür wird das Risiko der Geimpf- den Tabelle einer fiktiven Impfstoffstudie ten durch das Risiko der Ungeimpften kann dies veranschaulicht werden. In der geteilt: 2 Prozent/20 Prozent = 0,1. Um Literatur fiktiven Studie werden 500 Personen ge- auch dies als Prozent-Zahl auszudrü- Bonita, R.; Beaglehole, R. (2013): impft, 500 weitere erhalten ein Placebo. cken, wird der Wert mit hundert multipli- Einführung in die Epidemiolo- Nach einer gewissen Zeit wird gezählt, ziert (= 10 %). gie. Verlag Hans Huber: Bern. wie viele Personen in beiden Gruppen er- Das heißt: Im Vergleich zu den Un- Gigerenzer, G. (2020): krankten. geimpften infizieren sich nur zehn Pro- Unstatistik des Monats: zent der Personen. Das Risiko einer Er- Der Impfstoff ist zu 90 % Gesund Erkrankt Summe krankung wurde also um 90 Prozent re- wirksam. Pressemitteilung Ungeimpft 400 100 500 duziert – die Wirksamkeit eines Impf- vom 2. Dezember 2020. Geimpft 490 10 500 stoffs bezieht sich auf diese relative Ri- Online: www.rwi-essen.de/ Summe 890 110 1000 sikoreduktion. unstatistik/109/ Wie das Beispiel zeigt, können Sta- Razum, O.; Breckenkamp, J.; In der Gruppe der Ungeimpften in- tistiken dazu führen, die falschen Risi- Brzoska, P. (2017): Epidemio- fizierten sich im Beispiel 100 von 500 ken einzugehen. In der Regel können wir logie für Dummies. Wiley- Personen, das Risiko entspricht also es dem Adressaten leichter machen, Ge- VCH; 3. ergänzte Edition. 100/500 = 0,2. Um dies als Prozentzahl sundheitsrisiken einzuschätzen, wenn www.rwi-essen.de/unstatistik auszudrücken, wird der Wert mit 100 wir statistische Informationen in einer Reha-Info der BAR | 5/2021 9
Leichte Sprache Vier Fragen an Julia Hauffen Kommunikation mit Menschen (mit Behinderung) ist so individuell, wie jeder einzelne Mensch selbst Julia Hauffen, Teamleiterin Berufliche Rehabilitation und Teilhabe 1 Welche Rolle spielte das dig die ersten Beratungsgespräche. Mit Agentur für Arbeit, Meschede-Soest Thema Kommunikation Menschen offen zu kommunizieren, fiel während Ihres Studiums? mir zum Glück nie schwer, und so kon- zentrierte ich mich in der ersten Zeit da- ter Sprache, mal mit Händen und Füßen, Kommunikation war ein zentraler Be- rauf, aufmerksam zuzuhören und eine in Bildern, mit Hilfe von Dolmetschern, standteil meines dualen Studiums bei vertrauensvolle Gesprächsatmosphäre mit und ohne Blickkontakt, mal laut und der Bundesagentur für Arbeit (BA). Zur zu schaffen. In der Reha-Beratung geht deutlich und mal leise, um behördliche Schulung der Beratungskompetenz stan- es häufig um sehr sensible Themen; Entscheidungen transparent zu machen den diverse Beratungstheorien, Kommu- schlechte Erfahrungen mit Behörden, und komplexe Sachverhalte zu veran- nikationstechniken und -methoden so- Stigmatisierung, Diskriminierung, Sorgen schaulichen. Nicht immer ist man einer wie psychologische und pädagogische und Ängste aller Art. Hier brauchte es zu Meinung und Entscheidungen fußen auf Grundlagen auf dem Lehrplan. In Bera- Beginn meiner Zeit als Beraterin großen Gesetzen. In diesen Situationen braucht tungssimulationen wurde Kommunika- Mut und Selbstvertrauen, keine Angst zu es klare verständliche Sprache. Wenn tion mit verschiedenen Kundentypen haben, das Falsche zu sagen. Die Kom- man sich auf all das einlässt und sich die- eingeübt. Mit diesen Übungen habe ich munikation mit Menschen mit Behinde- sem wichtigen Auftrag bewusst ist, dann mich schwergetan, da ich die Kommu- rung – grundsätzlich mit allen Menschen passiert gute Teilhabeberatung fast auto- nikation als unnatürlich und inszeniert – ist so individuell, wie jeder einzelne matisch. empfunden habe. Erst in den praktischen Mensch selbst. Phasen mit „echten Kundinnen und Kun- den“ konnte ich erproben, welche Tech- niken im Gespräch zielführend sind und 3 Wie gelingt nach Ihren Erfahrungen eine teil- 4 Welche Rolle spielt für Sie Kommunikation in der trägerübergreifenden zu mir passen. Kommunikation sollte im- habeorientierte Beratung Zusammenarbeit? mer authentisch sein und sich individuell von Menschen mit auf sein Gegenüber beziehen. Vorgege- Behinderungen? Kommunikation ist ein Muss für jede Zu- bene Gesprächsstrukturen, die man auf sammenarbeit. Bei all der Komplexität im Biegen und Brechen versucht umzuset- Die persönliche Beratungskompetenz Teilhabegeschäft und den Eigenheiten zen, behindern die Kommunikation. braucht Zeit und Übung, um zu wachsen. der einzelnen Träger, kann trägerüber- Es ist eine Frage der Haltung, seinem Ge- greifende Zusammenarbeit nur funktio- 2 Wie gestaltete sich für Sie der Übergang in den Arbeitsalltag eines genüber mit Offenheit und Freundlichkeit zu begegnen und sich möglichst unvor- eingenommen auf ihn einzulassen. Im nieren, wenn man Transparenz schafft und auf möglichst kurzen Wegen mitein- ander kommuniziert. Für den Aufbau ei- Reha-Trägers? Beratungskontext kommen Menschen nes Netzwerks braucht es neben Initia- mit Behinderung mit einem bestimmten tive Informationsbereitschaft und Infor- Der Übergang vom Studium ins Arbeits- Anliegen zu uns – sie brauchen unsere mationskompetenz. Bei der Netzwerkbil- leben war eine Herausforderung. Unmit- Unterstützung und gute Beratung. Als Re- dung handelt es sich um einen stetigen telbar nach meinem Studium wurde mir ha-Träger ist es unser Auftrag, den Kun- Prozess; Kontakte müssen aufgebaut die Aufgabe der Beratungsfachkraft für den mit seinem Beratungsanliegen ernst und gepflegt werden. Damit eine Zusam- berufliche Rehabilitation und Teilhabe zu nehmen und ihn adressatengerecht menarbeit Bestand hat und Barrieren ab- für die Bereiche Erst- und Wiedereinglie- und zielführend zu beraten und zu infor- gebaut werden, braucht es die gegensei- derung übertragen. Nach wenigen Mo- mieren. Hier braucht es Kommunikation tige Bereitschaft, Informationen schnell naten übernahm ich bereits eigenstän- in allen Facetten; in einfacher oder leich- und unkompliziert auszutauschen. 10 Reha-Info der BAR | 5/2021
Reha-Entwicklung Zugfahren leicht gemacht Barrierefreie Angebote der Deutschen Bahn (DB) Ob eine Shoppingtour in der Großstadt oder ein Strand-Besuch an der Ost- oder Nordsee: Die Freude am Reisen hört nie auf! Die Bahn möchte auch Menschen mobil machen, die besondere Unterstützung benötigen. Damit jeder selbstbestimmt von A nach B reisen kann, arbeitet die Bahn daran, dem Ziel, das Bahn-Fahren ohne Barrieren für alle möglich zu ma- chen, ein Stück näher zu kommen. F ür Menschen mit Behinderungen Uneingeschränkt unterwegs Anne Gideon, ist es manchmal nicht so einfach, Die Mobilitätsservice-Zentrale (MSZ) un- Fachreferentin für selbstbestimmt unterwegs zu terstützt Fahrgäste mit Behinderungen mobilitätseingeschränkte Reisende, sein, denn sie haben spezifische Bedürf- bei ihrer Reiseplanung – von der Fahr- DB Vertrieb GmbH nisse. Die Bahn bietet deshalb viele An- karten-Buchung über die Reservierung gebote und Service-Leistungen rund um von Sitzplätzen bzw. Rollstuhl-Stellplät- das Reisen auf der Schiene an. zen bis zur Organisation von Hilfestel- Leichter informieren lungen beim Ein-, Um- und Aussteigen. Einen ersten Überblick über ihre Ange- Barriere-Freiheit bei Um einen bequemen und stressfrei- bote und Services hält die DB in ihrem der Deutschen Bahn en Ein- und Ausstieg zu gewährleisten, Flyer „Barrierefrei Reisen“ bereit. Der Fly- Der DB sind Menschen mit Behinderun- wird empfohlen, dass Reisende ihren er ist auf Deutsch, auf Englisch sowie gen wichtig, daher ist es ihr Ziel, Reisen- Wunsch nach Hilfestellung bis 20 Uhr in Leichter Sprache auf Anfrage in allen den mit den unterschiedlichsten Behin- des Vortages der Reise bei der MSZ an- Reisezentren der DB erhältlich. Mehr In- derungen eine selbstbestimmte Mobili- melden. Die geschulten Mitarbeiterinnen formationen zu Vergünstigungen beim tät zu ermöglichen. Schrittweise werden und Mitarbeiter der MSZ beraten gerne Reisen mit Schwerbehinderten-Ausweis hierfür Bahnhöfe modernisiert, neue Zü- bei allen Fragen zum barrierefreien Rei- und Wertmarke „zur kostenfreien Beför ge und Busse angeschafft, die barriere- sen. Die MSZ ist Montag bis Freitag von derung“ oder der Mitnahme-Regelungen frei nutzbar sind, und Mitarbeiterinnen 6 bis 22 Uhr und samstags, sonntags von Begleitpersonen, Assistenzhund und Mitarbeiter geschult. und an Feiertagen von 8 bis 20 Uhr er- und/oder Hilfsmitteln sowie viele span- reichbar: nende Themen mehr sind auf der ziel- Seit 2002 koordiniert die „Kontaktstel- gruppenspezifischen Internetseite „Bar- le für Behinderten-Angelegenheiten“ der Tel.: 030 65212888 rierefreies Reisen“ aufbereitet. Derzeit DB konzernübergreifend die Anliegen von msz@deutschebahn.com wird auch die Bahn-Seite in Leichter Kunden, Behinderten-Verbänden und po- Sprache weiter ausgebaut, sodass die litischen Gremien. Menschen mit Behin- DB in Zukunft noch einfacher informie- derungen werden dabei aktiv in die Arbeit ren kann. der DB eingebunden, um die Services und Produkte der DB an den spezifischen Be- Außerdem möchten die DB mit einer dürfnissen dieser Zielgruppe auszurich- spezifischen Website auf ihre Angebote ten. Mit dem 2021 veröffentlichten 4. Pro- „Barrierefreie Reiseziele“ in Deutschland gramm knüpft die DB an das bisher ge- und Österreich aufmerksam machen. meinsam Erreichte an und setzt weite- Hier sind umfassende Reisetipps und In- Bild: neuhold.photography, adobe stock re Meilensteine in Richtung Barrierefrei- formationen zusammengestellt. heit. Alle Programme sind online verfüg- bar unter: www.bahn.de/barrierefrei www.bahn.de/leichte-sprache www.bahn.de/programm- www.bahn.de/reiseziele- barrierefrei barrierefrei Reha-Info der BAR | 5/2021 11
Recht Eine täglich im Sitzen ausgeführte Arbeitstätigkeit kann die Erwerbsfähigkeit hinreichend schwer gefährden. Anspruch auf einen höhenverstellbaren Schreibtisch als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben gen einer erheblich gefährdeten oder ge- vorschriften und Unfallverhütungsvor- Orientierungssätze* minderten Erwerbsfähigkeit i. S. d. § 10 schriften ergäben sich Handlungsanlei- 1. Ein höhenverstellbarer Abs. 1 SGB VI sei jeweils auf die Fähig- tungen für die Gestaltung von Arbeitsplät- Schreibtisch kann als Hilfs- keit zur Ausübung des bisherigen Berufs zen. Hieraus folge insgesamt jedoch kei- mittel zur Berufsausübung oder der bisherigen Tätigkeit abzustellen. ne allgemeine Verpflichtung von Arbeit- der Rentenversicherung im Das LSG kommt insoweit zu dem Ergeb- gebern zur Ausstattung mit höhenver- Rahmen der Teilhabe am nis, dass die Erwerbsfähigkeit des Klä- stellbaren Schreibtischen und auch kein Arbeitsleben in Betracht gers zwar nicht gemindert sei, durch die dahingehender vorrangiger Anspruch ge- kommen. täglich sitzende Arbeitstätigkeit aber eine genüber dem Arbeitgeber. 2. Ein generell vorrangiger hinreichend schwere Gefährdung vorlie- Anspruch des Arbeitnehmers ge. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit Das LSG schließt sich damit im Er- auf eine solche Ausstattung könne auch durch die begehrte Leistung gebnis der Rechtsauffassung des LSG des Arbeitsplatzes gegen abgewendet werden (§ 10 Abs. 1 Nr. 2 lit.a Rheinland-Pfalz in einer Entscheidung über dem Arbeitgeber SGB VI). vom 2.3.2016 (Az.: L 6 R 504/14) zur leis- besteht nicht. Der Schreibtisch ist dem LSG zufol- tungsrechtlichen Einordnung eines hö- LSG Baden-Württemberg, Urteil ge kein Hilfsmittel im Rahmen der medi- henverstellbaren Schreibtischs an. Deut- v. 09.09.2020, Az.: L 2 R 2454/19 zinischen Rehabilitation (vgl. § 15 SGB VI lich wird dabei erneut die anspruchsvolle * Leitsätze oder Entscheidungsgründe des Gerichts i. V. m. § 42 Abs. 2 Nr. 6, § 47 SGB IX), Abgrenzung von Leistungen zur Arbeits- bzw. Orientierungssätze nach JURIS, redaktionell abge- weil es sich um einen Gebrauchsgegen- platzausgestaltung an der Schnittstelle wandelt und gekürzt stand des täglichen Lebens handele. Die zwischen Hilfsmitteln zur medizinischen Leistung wird vielmehr als Hilfsmittel zur Rehabilitation, Hilfsmitteln zur Teilhabe Sachverhalt und Berufsausübung nach § 49 Abs. 8 S. 1 am Arbeitsleben, technischen Arbeitshil- Entscheidungsgründe Nr. 4 SGB IX eingeordnet. Das LSG führt fen, begleitenden Hilfen und Arbeitgeber- hierfür u. a. an, dass das Hilfsmittel dem pflichten. Vor diesem Hintergrund ist auf D er 1971 geborene Kläger ist Kläger zum mittelbaren Ausgleich einer Ebene der BAR auch eine trägerübergrei- als Fertigungsleiter beschäf- Behinderung im Hinblick auf seine be- fende Verwaltungsvereinbarung zur Ab- tigt und erlitt 2017 einen Band- stimmte Berufsausübung als Fertigungs- grenzung der Leistungen zur Teilhabe am scheibenvorfall. In der Folge beantrag- leiter diene. Arbeitsleben zu der begleitenden Hilfe ge- te er nach ca. zwei Monaten Arbeitsun- Schließlich verneint das LSG eine vor- schlossen worden, die auch die Schnitt- fähigkeit 2018 bei der beklagten Renten- rangige Verpflichtung des Arbeitgebers stelle zu allgemeinen Arbeitgeberpflich- versicherung u. a. einen höhenverstellba- (§ 49 Abs. 8 S. 1 Nr. 4 lit. b SGB IX) zur ten aufgreift (www.bar-frankfurt.de>Ser- ren Schreibtisch. Die Beklagte lehnte die Ausstattung des Arbeitsplatzes mit dem vice>Publikatio- Bild: Editable line icons, adobe stock Leistung mit der Begründung ab, dass Schreibtisch. Es sei zwar grundsätzlich nen>Reha-Ver- die Erwerbsfähigkeit des Klägers nicht nicht die Aufgabe der Rentenversiche- einbarungen). erheblich gefährdet sei. Zudem müsse rungsträger, eine mangelnde ergonomi- vorrangig der Arbeitgeber die Ausstat- sche Grundausstattung des Arbeitsplat- tung des Arbeitsplatzes mit einem ent- zes durch den Arbeitgeber auszuglei- sprechenden Schreibtisch sicherstellen. chen. Aus den staatlichen Arbeitsschutz- Auf hiergegen gerichtete Klage folgte das SG dieser Rechtsauffassung, während das LSG im rechtskräftigen Berufungs- Lesen Sie in der nächsten Ausgabe: urteil anders entschied: Für das Vorlie- Digitalisierung und Barrierefreiheit Erscheinungstermin: 15.12.2021
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