Die Grabungsrichtlinien 2021 der LWL-Archäologie für Westfalen - wie verbindlich sind Durchführungsvorschriften? - DGUF
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Anonymus * Zusammenfassung – Im Rahmen des Verursacherprinzips werden Grabungen durchgeführt, für die in den einzelnen Bundesländern Grabungsrichtlinien zur einheitlichen Bewerkstelligung der Dokumentationen entwickelt wurden. Die im Februar 2021 veröffentlichten neuen Grabungsrichtlinien der westfälischen Landesarchäologie enthalten einige gravierende Neuerungen; u.a. sehen sie eine völlige Übertragung der Nutzungsrechte an den Grabungsergebnissen an die LWL-Archäologie für Westfalen vor.1 Der Beitrag lotet aus, welche rechtliche Bindungskraft diese Grabungsrichtlinien haben und legt dar, dass diese allein für Amtsgrabungen gelten; Firmengrabungen sind von ihnen nicht betroffen. Stichwörter – Archäologie; Grabungsrichtlinie; Dokumentationsrichtlinie; privatwirtschaftliche Archäologie; DSchG NRW; Nordrhein- Westfalen; LWL-Archäologie für Westfalen Title – The Excavation Guidelines 2021 of the Westphalian State Archaeology (“LWL-Archäologie für Westfalen”) - how legally binding are the implementation regulations? Abstract – Within the framework of the polluter-pays principle, excavations are carried out for which excavation guidelines have been developed in the individual federal states of Germany so that the procedures and documentation of the excavations are more uniform and comparable. The new excavation guidelines of the Westphalian State Archaeology (“LWL-Archäologie für Westfalen”) published in Febru- ary 2021 contain some serious innovations; among other things, they provide for a complete transfer of the rights of use to the excavation results to the LWL Archaeology for Westphalia. This article explores the legal binding force of these excavation guidelines. It shows that they apply only to stately excavations; company excavations are not affected by them. Key words – archaeology; excavation guideline; documentation guideline; private sector archaeology; DSchG NRW; North Rhine-West- phalia; LWL Archaeology for Westphalia Einleitung Im Februar 2021 hat die LWL-Archäologie für Westfalen ihre neuen Grabungsrichtlinien Im Zuge der beruflichen Ausdifferenzierung veröffentlicht (LWL-Archäologie, 2021). Die innerhalb der Archäologie gewinnt die Firmen- vorangehende Fassung stammte aus dem Jahr archäologie mit Einführung des Verursacher- 2017 (LWL-Archäologie, 2017), entstand also prinzips eine zunehmende Bedeutung bei der kurz nach der bis dato letzten Novellierung des Herstellung von archäologischen Dokumenta- nordrhein-westfälischen Denkmalschutzgesetzes tionen. Diese sind Grundlage für alle weitere (DSchG NRW). Als älteste Version dieses Schrift- darauf aufbauende Forschung. Im Sinne der werks findet man noch das Schreiben von 2015 Kulturhoheit der Länder ist jedes Bundesland im Internet. In der Entwicklung der unterschied- aufgefordert – schon mit Blick auf wissenschaft- lichen Versionen der Grabungsrichtlinien lässt liche und administrative Transparenz – einen sich mehr und mehr das – formale – Gewand normierten Tätigkeitsrahmen vorzugeben, der einer „Verwaltungsvorschrift“2 erkennen – unab- auch einer gerichtlichen Überprüfung standhält. hängig vom tatsächlichen rechtlichen Status der Dies ist auch international so üblich und gilt be- Richtlinie. Dabei stehen die Werke in der Tradi- sonders für die Zuständigkeitsbereiche, in denen tion der unterschiedlichen landesarchäologischen Firmenarchäologie möglich ist, aber nicht nur für Grabungsrichtlinien, welche letztlich alle auf diese. Solche Normierungen sind ein wichtiges die Grabungsstandards des Verbands der Lan- fachliches Werkzeug der Qualitätssicherung, das desarchäologen (VLA, 1999; 2006) zurückgreifen als grundsätzlich wichtig und sinnvoll einzu- und verweisen. Im Original lautet der Titel des schätzen ist. Umso wichtiger ist es daher für so VLA-Schriftwerks „Ausgrabungen und Prospek eingeführte Standards, dass sie rechtlich abgesi- tion – Durchführung und Dokumentation“, in seiner chert sind, damit eine allgemeingültige Verbind- aktuellen Version stammt es aus dem Jahr 2006, lichkeit erreicht wird. Dieses soll in dem analy- die Urversion wurde 1999 im Archäologischen sierten Beispiel aus dem Zuständigkeitsbereich Nachrichtenblatt veröffentlicht. Der Zweck war der LWL-Archäologie für Westfalen näher unter- ursprünglich deutlich formuliert: „Vor allem das sucht werden. in einigen Ländern der BRD durch die Landesgesetze Eingereicht: 21. Feb. 2021 Archäologische Informationen 44, Early View angenommen: 27. Juli 2021 CC BY 4.0 online publiziert: 7. August 2021 1 Weitere Aufsätze
Anonymus verankerte Verursacherprinzip, […] hat zu einem Novellierung des DSchG NRW sind eben diese starken Anstieg der Grabungstätigkeit geführt. Um in „Ausgleichsmaßnahmen“ – sprich Rettungsgra- dieser Situation mit den unterschiedlichen Vorausset bungen nach den §§ 9, 12 des DSchG NRW – vom zungen und Bedingungen Qualitätsstandards für ar Verursacher zu tragen. In den neuen Grabungs- chäologische Ausgrabungen zu erstellen, hat der Ver richtlinien der LWL-Archäologie wird das Ver- band der Landesarchäologen 1997 eine Arbeitsgruppe ursacherprinzip nach § 9 bzw. § 12 DSchG NRW eingesetzt, die die vorliegende Zusammenstellung im gesamten, 75 Seiten umfassenden Text jedoch als Empfehlung erarbeitet hat.“ (VLA, 2006, 2). Es nicht berücksichtigt. ging also um eine Empfehlung, wie vor allem bei Ausgrabungen, die dem Verursacherprinzip un- Verwaltungsrichtlinie? terliegen, ähnliche Standards der Ausgrabungs- Die Grabungsrichtlinien 2021 orientieren sich ih- dokumentation erreicht werden können. Dass rer Form nach scheinbar an den „Richtlinien für dieser Empfehlung nicht überall gefolgt wurde, den Erlass von Rechts- und Verwaltungsvorschriften zeigt sich besonders gut in einem Bundesland wie (Veröffentlichungsrichtlinien)“, einem Runderlass Nordrhein-Westfalen, wo – bei landesweit iden- des Ministeriums für Inneres und Kommunales tischem Denkmalschutzgesetz – die Grabungs- NRW vom 5. Oktober 2015.3 Die einzelnen Ab- standards der beiden Landschaftsverbände nicht schnitte und Kapitel der LWL-Grabungsricht- unterschiedlicher sein könnten. So weicht die linien sind mit Ordnungszahlen versehen und Dokumentation in Westfalen im Jahre 2021 z. B. damit in ihrer internen Gliederung besser erkenn- immer noch deutlich von der im Rheinland durch bar, und auch die Gliederung zwischen Kerntext den LVR im Jahr 2020 neu formulierten Richtlinie und Abdruck der Musterformulare als Anlagen ab (LVR Bodendenkmalpflege, 2020). entsprechen dem Anspruch. Lediglich der Ab- Gegenüber der Vorgängerfassung enthält die schnitt „Veröffentlichungen von Grabungsergebnis 2021er-Version für Westfalen zahlreiche Neue- sen und Öffentlichkeitsarbeit“ (S. 7) mit seinen Kapi- rungen. Unter anderem sollen neu der LWL-Ar- teln der unterschiedlichen Zuständigkeiten wird chäologie per „Einwilligungserklärung“ (Anhang ohne Ordnungszahlen den übrigen Abschnitten 41, S. 52) explizit „die uneingeschränkten Nutzungs (S. 11 ff.) gleich einer „Präambel“ vorausgeschickt. rechte aller Daten, die im Zuge der Dokumentation der Eine Verwaltungsvorschrift hätte jedoch zu- Ausgrabung […] entstanden sind“ übertragen wer- nächst einmal hauptsächlich eine verwaltungs- den, in Folge dessen „alle sich hieran anschließenden technische Innenwirkung – sie beinhaltet also Veröffentlichungen des Genehmigungsinhabers (sei es Vorschriften der Behörde selbst an ihre Mitarbei- in Wort, Bild oder Schrift, in gedruckter Form oder ter, wie in welchem denkmalbehördlichen Ver- elektronisch) zuvor mit der LWL-AfW einvernehmlich fahren zu handeln sei. Allerdings sei die Funktion abzustimmen“ sind. Sprich: den wissenschaftlichen dieser Schrift als Verwaltungsvorschrift zunächst Grabungsleitern werden ihre Verwertungsrechte dahingestellt, besagt doch § 42 DSchG NRW ein- genommen, sie damit auch ihrer Wissenschafts- deutig: „Der für die Denkmalpflege zuständige Mi freiheit beraubt. Eine rechtliche Begründung für nister erlässt die zur Ausführung dieses Gesetzes er diese Enteignung samt schwerwiegendem Ein- forderlichen Verwaltungsvorschriften.“ Da sich in griff in die Grundrechte der wissenschaftlichen dem gesamten Schriftwerk jedoch nicht erkennen Grabungsleiter findet sich in den Richtlinien lässt, wer diese Richtlinie eigentlich verfasst hat, nicht, das DSchG NRW enthält keinerlei Bestim- bleibt ihr rechtlicher Status offen. mungen, die solch‘ eine Übertragung verlangen. Die Inhalte sind im Vergleich zu den Vorgän- gerversionen der LWL-Archäologie umfangreich ergänzt: Schon die Vorbemerkung S. 6 mit Anm. Charakter der Grabungsrichtlinien 1-3 bezieht sich nicht nur auf die Empfehlungen des Verbandes der Landesarchäologen „Ausgra Dass Rettungsgrabungen vom Verursacher zu bungen und Prospektion – Durchführung und Doku finanzieren sind, hat seinen Ursprung im Arti- mentation“ (VLA 1999; 2006), sondern auch auf kel 6 in der Charta von Malta/La Valetta, der die die „Leitlinien zu einer Archäologie der Moderne“ Bundesrepublik im Jahre 2003 beigetreten ist und (DVA, 2018) und die Richtlinien des „Europae Ar die die Erhaltung der Bodendenkmäler als öffent- chaeologicae [sic!] Consilium“ (EAC, 2015). Es wird lichen Belang formuliert und dem Verursacher unmissverständlich darauf hingewiesen, dass die von Erschließungsmaßnahmen die Finanzierung „eingefügten Ergänzungen […] zur Erläuterung, Prä archäologischer Maßnahmen zum Ausgleich der zisierung und Anpassung an die aktuellen Erforder Eingriffe in das Bodendenkmal auferlegt. Mit der nisse und Verhältnisse auf Ausgrabungen bzw. bei Pro 2
Die Grabungsrichtlinien 2021 der LWL-Archäologie für Westfalen spektionsmaßnahmen in Westfalen-Lippe“ dienen und auf dieser Basis alle Nutzungsrechte an seiner Do- damit ebenso verbindlich seien „wie die Grabungs kumentation an die LWL-Archäologie abzutreten standards des Verbandes der Landesarchäologen.“ und die Veröffentlichungen entsprechend abzu- Die „Verbindlichkeit“ der Grabungsstandards des stimmen. Auch erschließt sich die Gesetzesgrund- VLA wird seit 2006 in ihrem Vorwort so erklärt: lage für dieses Abtreten der Nutzungsrechte „Es handelt sich um eine Empfehlung, die sich selbst nicht: Anlage 4.1 der LWL-Grabungsrichtlinien verständlich nach den jeweiligen Gegebenheiten richten (2021) ist dann auch als „Einwilligungserklärung“ muss.“ (VLA, 2006, 2). Danach richtet sich auch die tituliert, daher freiwillig.4 Somit ist die Außen- neue Grabungsrichtlinie der LWL-Archäologie für wirksamkeit/Verbindlichkeit dieser Passage der Westfalen, wenn sie betont, dass in allen Zweifels- Grabungsrichtlinien für Dritte zu hinterfragen, da fragen die Grabungsmethode im Einzelfall einver- sich in der Begründung die Verantwortung des nehmlich mit dem Fachamt abzustimmen ist. Es ist Landschaftsverbands, vertreten durch die LWL also nichts wirklich in Stein gemeißelt. Archäologie für Westfalen, wiederfindet und so- mit lediglich die Behörde bzw. ihre Mitarbeiter (inkl. Leiharbeitskräfte?) betroffen wären. Verbindlichkeit der Grabungsrichtlinien für Dass für die Umsetzung der Grabungsricht- Dritte linien vor allem die Denkmalbehörden zustän- dig sind, wird mit dem angeschlossenen Kapitel Hinsichtlich der Außenwirkung bestimmter norm verdeutlicht, das im Großen und Ganzen seinem interpretierender Auslegungen – also der Frage, Pendant der Vorgängerversion entspricht, nur ob auch die nicht dem LWL-Verwaltungsapparat dass eben „Veröffentlichungen von Grabungser angehörigen Archäologinnen und Archäologen gebnissen und Öffentlichkeitsarbeit“ als überge- von dieser Grabungsrichtlinie betroffen sind – ordneter Abschnitt ausgegliedert und darüber wurden in der Novellierung 2021 deutlichere Be- gestellt wurde: Während S. 7 „Veröffentlichungen züge entworfen als bei ihren Vorgängerinnen. An- von Grabungsergebnissen und Öffentlichkeitsarbeit“ ders als in den älteren Versionen findet sich in der als große Abschnitts-Überschrift erscheint, ist das 2021er-Version bereits im Vortext ein erster An- folgende Kapitel S. 7 „Zuständigkeit“ mit kleinerer wendungsbezug mit unterstellter Außenwirkung. Überschrift als Kapitel unterhalb des Abschnitts Im als Präambel der Bezifferung vorangestellten „Öffentlichkeitsarbeit“ gekennzeichnet. Das wirft Abschnitt „Veröffentlichungen von Grabungsergeb die Frage auf, ob die Zuständigkeit der LWL- nissen und Öffentlichkeitsarbeit“ auf Seite 7 heißt Archäologie gänzlich der Öffentlichkeitsarbeit es: „Bei allen auf vorliegender Genehmigung nach unterworfen ist? § 13 DSchG NRW beruhenden Ausgrabungen, gleich Eine subsidiäre Zuständigkeit5 oder ander- ob vom Genehmigungsinhaber oder von Dritten unter weitige Betroffenheit des Denkmalbesitzers/ der Verantwortung der LWL-Archäologie für Westfa Verursachers oder der privatwirtschaftlich or- len (im Folgenden LWL-AfW) durchgeführt, sind alle ganisierten Denkmalpflege wird auch in dieser sich hieran anschließenden Veröffentlichungen des Ge novellierten Richtlinie jedenfalls nicht formuliert, nehmigungsinhabers (sei es in Wort, Bild oder Schrift, auch scheint es keine Mitwirkung von Grabungs- in gedruckter Form oder elektronisch) zuvor mit der firmen bei diesen Richtlinien gegeben zu haben, LWL-AfW einvernehmlich abzustimmen; das Urheber wie es nachweislich in anderen Bundesländern recht bleibt davon unberührt (s. Anhang 4.1).“ Dazu wie etwa Niedersachsen geschah. Dort heißt es gegensätzlich schließt jedoch DSchG NRW § 13 (NLD, 2017, 1): „Wir danken allen Kolleginnen und Abs. 1 Satz 2 explizit eine Genehmigungspflicht Kollegen in der kommunalen und staatlichen Boden bei Ausgrabungen unter der Verantwortung der denkmalpflege sowie Forschungseinrichtungen, Mu LWL-Archäologie für Westfalen aus. Wörtlich seen und Grabungsfirmen in Niedersachsen und an heißt es dort: „Wer nach Bodendenkmälern graben deren Bundesländern für ihre Beiträge, Hinweise und oder Bodendenkmäler aus einem Gewässer bergen will, die fruchtbaren Diskussionen.“ Stattdessen gliedert bedarf hierzu der Erlaubnis der Oberen Denkmalbehör sich die Präambel der LWL-Grabungsrichtlinien de. Ausgenommen sind Nachforschungen, die unter im weiteren Verlauf in einzelne weitere Kapitel, der Verantwortung des Landes, des Landschaftsver in denen die unterschiedlichen Referate der LWL- bandes oder der Stadt Köln (§ 22 Abs. 5) stattfinden.“ Archäologie für Westfalen vorgestellt werden, Es ist schwer begreiflich, warum jemand eine von denen nur das erste Kapitel „Zuständigkeit“ Grabungsgenehmigung für eine Ausgrabung be- ins Inhaltsverzeichnis (S. 2) aufgenommen wur- nötigen soll, die unter Verantwortung der LWL- de. Hier wird explizit auf den Anwendungsbe- Archäologie für Westfalen stattfindet – nur, um reich der Grabungsrichtlinien in Verbindung mit 3
Anonymus der behördlichen Zuständigkeit hingewiesen: in seinen beruflichen Fähigkeiten für die Be- „Die LWL-AfW berät und unterstützt die Gemeinden nehmensherstellung der LWL-Archäologie an- und Kreise in der Denkmalpflege. Zu ihren Aufga erkannt zu werden, Grundkenntnisse in der ben gehören u. a. die Untersuchung und Erforschung Anwendung von Datenbanken, CAD- und GIS- von Denkmälern, die Ausgrabung und Bergung von Programmen sowie in Geologie und Bodenkunde Bodendenkmälern bzw. die Überwachung solcher besitzen. Der Grabungsleiter muss Erfahrung auf Maßnahmen und die Wahrnehmung der Interessen Ausgrabungen in Nordrhein-Westfalen oder in der Bodendenkmalpflege bei Planungen (§ 22 DSchG Gebieten mit vergleichbaren Bodenverhältnissen NRW).“ (LWL-Archäologie, 2021, 7). Die ent- nachweisen. Damit wäre, wenn man seine Kurz- schiedenste Normauslegung wird also für die Vita im Internet zugrunde läge, beispielsweise Anwendung des § 22 DSchG NRW und damit für der Landesarchäologe von Bayern ungeeignet, in den gesetzlichen Aufgabenbereich der LWL-Ar- Westfalen eine Grabung zu leiten, weil er nicht chäologie für Westfalen formuliert. genügend Erfahrung auf Ausgrabungen in Nord Unter dem nächsten Abschnitt „Dokumentati rhein-Westfalen hat…6 on von Ausgrabungen“ (LWL-Archäologie, 2021, Ohne die weiter angeführten Qualitätskriterien 11 ff.) findet sich mit dem Kapitel 1.1 „GRUND des geforderten Personals im Einzelnen bewerten SÄTZLICHES“ (tatsächlich ist diese Überschrift zu wollen, sei an dieser Stelle vermerkt, dass die in Kapitalen ausgeführt) eine weitere normin- Absolventen der Geoarchäologie z. B. der Philipps- terpretierende Auslegung des Denkmalschutz- Universität Marburg sicherlich gute Einwände gesetzes, dessen Außenwirkung zu untersuchen gegen den formulierten Qualitätsanspruch im Un- ist. Dort heißt es: „Die Bestimmungen des folgenden terkapitel 1.2.6 (reinweg übernommen von den aus Kapitels gelten für alle archäologischen Bodeneingriffe, dem Jahr 2006 stammenden Grabungsstandards ob Grabung oder „harte“ Prospektionsmethoden, wie des VLA) haben werden. Es lohnt sich, hierzu ei- Bohrungen, Siebtestlöcher oder Sondagen. Alle ent nen Blick auf den entsprechenden (mittlerweile sprechenden Bodeneingriffe bedürfen einer Grabungs auslaufenden) Studiengang zu werfen (Univ. Mar- erlaubnis nach § 13 DSchG NRW. Zuständig für die burg, 2021).7 Nach den neuen LWL-Grabungsricht Erteilung dieser Grabungserlaubnis sind die Oberen linien wären Archäologen, die einen nachweis- Denkmalbehörden. Für die kreisangehörigen Kommu lichen Universitätsabschluss in Geoarchäologie nen ist dies die jeweils zuständige Kreisverwaltung, erhalten haben, nicht geeignet, weil sie keinen Ab- für die kreisfreien Städte die zuständige Bezirksregie schluss in Geographie vorweisen können. Ebenso rung.“ Interessanterweise sind hier baubegleiten- dürften Kollegen, die im europäischen und nicht- de Maßnahmen ausgespart, wohl weil diese dem europäischen Ausland ihren (in Deutschland an- § 12 (in Verbindung mit § 9) DSchG NRW unter- erkannten) Berufsabschluss erhalten haben, von liegen würden. diesen doch recht „nationalbewussten“ Kriterien Das nächste Kapitel „1.2 Personal“ widmet nicht begeistert sein.8 Auch hier stellt sich im Ein- sich dem Personenkreis, der nach dieser grund- zelfall sicherlich die Zuständigkeitsfrage. Denn die sätzlichen Definition der Eingriffe, die einer Gra- Anerkennungen von Berufsabschlüssen werden bungserlaubnis nach § 13 DSchG NRW bedürfen, im Berufsqualifikationsfeststellungsgesetz NRW für eine genehmigte Ausgrabung bestimmt ist. (BQFG NRW)9 geregelt – und nicht im DSchG Da ist zunächst der Grabungsleiter, der auch na- NRW. Welche zuständigen Stellen z. B. für die mentlich im ausführlichen Grabungskonzept be- Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse zu- nannt werden muss. In weiteren Unterkapiteln ständig sind, lässt sich leicht über das Portal des werden die Qualifikationsvoraussetzungen des nordrhein-westfälischen Schulministeriums he- weiteren Personals definiert. Die Außenwirkung rausfinden.10 Danach ist das Ministerium für Inno- der Grabungsrichtlinien zielt also auf die Kontrol- vation, Wissenschaft, Forschung und Technologie le der fachlichen Qualifikation derjenigen ab, die zwecks Anerkennung der Hochschulausbildung mit genehmigungspflichtigen Ausgrabungen au- anzufragen – und was allgemein die Anerkennung ßerhalb der Verantwortung des Landschaftsver- der Berufsausbildung anbetrifft, beantworten die bandes betraut werden – und entspricht damit im örtlichen Industrie- und Handelskammern (IHK) Rückbezug auf die LWL-Archäologie für Westfa- entsprechende Anfragen. len ihrer Kontrollpflicht der Ausgrabungen, wie Bereits das nächste Kapitel „1.3 Grabungs sie in § 22 Abs. Satz 4 DSchG NRW als „Überwa vorbereitung“ nimmt eine ganze Reihe weiterer chung dieser Maßnahmen“ formuliert ist. Aufgaben der LWL-Archäologie für Westfalen Greift man sich ein Beispiel aus diesen For- auf. So zielt das Grabungskonzept (1.3.1) auf die derungen, so muss z. B. ein Grabungsleiter, um „fachliche Beratung und Erstattung von Gutachten 4
Die Grabungsrichtlinien 2021 der LWL-Archäologie für Westfalen in allen Angelegenheiten des Denkmalschutzes und Ministeriums, dann wäre sie nicht als Verwal- der Beratung und Erstattung von Gutachten in allen tungsrichtlinie zu werten. Es gäbe jedoch noch Angelegenheiten des Denkmalschutzes und der Denk die Möglichkeit, dass es sich um eine sogenannte malpflege“ (DSchG NRW § 22 Abs. 3 Satz 1) in Ver- ordnungsbehördliche Verordnung einer Sonder- bindung mit der „Wahrnehmung der Interessen der ordnungsbehörde in Bezug auf die Umsetzung Denkmalpflege bei Planungen und sonstigen Maßnah des DSchG NRW handelt. Hierzu lohnt sich ein men der Gemeinden und Gemeindeverbände oder an Blick in das Gesetz über Aufbau und Befugnisse derer öffentlicher Stellen als Träger öffentlicher Belan der Ordnungsbehörden – Ordnungsbehörden- ge“ (DSchG NRW § 22 Abs. 3 Satz 6). Hier wird ein gesetz (OBG).11 Dort sind Form und Inhalt einer ausführliches Grabungskonzept gefordert – mit ordnungsbehördlichen Verordnung beschrieben: der Außenwirkung, dass das Grabungskonzept verbindlich an den namentlich zu benennenden „(1) Ordnungsbehördliche Verordnungen müssen in Grabungsleiter gebunden wird, für den zuvor ihrem Inhalt bestimmt sein. Sie dürfen nicht lediglich der Antrag auf Grabungsgenehmigung nach § 13 den Zweck haben, die den Ordnungsbehörden oblie DSchG NRW eingereicht wurde. Es scheint hier gende Aufsicht zu erleichtern. (§ 29 OBG Abs. 1).“ also um die fachliche Stellungnahme der LWL- Archäologie innerhalb des Genehmigungsver- § 30 OBG NRW regelt die Form solcher Verord- fahrens mit Beschreibung des entsprechenden nungen: Umfangs zu gehen. Die folgenden Unterkapitel „Ordnungsbehördliche Verordnungen müssen betreffen die Einrichtung der Grabungsstelle 1. eine Überschrift tragen, die ihren Inhalt kenn (1.3.2) und die grundlegende Ausstattung (1.3.3) zeichnet; auf Ausgrabungen. Es folgen Kapitel zur Arbeits- 2. in der Überschrift als „Ordnungsbehördliche Ver sicherheit auf Ausgrabungen (1.4), Grabungs- ordnung“ bezeichnet sein; durchführung (1.5), Grabungsdokumentation 3. im Eingang auf die Bestimmungen des Gesetzes (1.6), Berichterstattung und Datenübergabe (1.7). Bezug nehmen, auf Grund deren sie erlassen sind; Bei der Ausführlichkeit der Ausführungen wäre 4. auf die Zustimmung der Stellen hinweisen, deren ein deutlicherer Hinweis auf die gesetzlichen Zustimmung gesetzlich vorgeschrieben ist; Zusammenhänge und die spezifische Außenwir- 5. den örtlichen Geltungsbereich angeben; kung der unterschiedlichen Aspekte wünschens- 6. das Datum angeben, unter dem sie erlassen sind; wert gewesen, d. h. ob hier lediglich der Aspekt für ordnungsbehördliche Verordnungen der Kreis der wissenschaftlichen Ausgrabungen durch die ordnungsbehörden und örtlichen Ordnungsbehör LWL-Archäologie für Westfalen oder insbeson- den ist dies das Datum des Tages, an dem die Ver dere jener der Überwachung dieser Maßnah- ordnung ausgefertigt worden ist; men vorgeschrieben wird (vgl. DSchG NRW § 22 7. die Behörde bezeichnen, die die Verordnung erlas Abs. 3 Satz 4). Schließlich haben Verursacher, sen hat.“ Grabungsfirmen, die genehmigenden Stellen und andere beteiligte Dritte durchaus ein Anrecht auf Schon allein die Aufzählung im 30 § OBG zeigt, eine eindeutige Darstellung des Rechtsrahmens. dass es sich bei der Grabungsrichtlinie der LWL- Es bleibt festzuhalten, dass die Grabungsrichtli- Archäologie für Westfalen wohl nicht um eine nien der Form nach zwar einer Verwaltungsricht- ordnungsbehördliche Verordnung handeln kann linie ähneln, jedoch in Bezug auf die Verbindlich- – und der Absatz 1 des § 29 OBG hinterlässt den keit sowie den Urheber und die Zuständigkeit Hinweis, dass die Grabungsrichtlinie kaum dazu der Schrift – nach DSchG NRW § 42 eigentlich dienen kann, lediglich in der oben ausgeführten der zuständige Minister – den Leser im Unklaren Weise die oben aufgezählten Aufgaben der LWL- lässt und die Autorenschaft (wie auch der vorlie- Archäologie zu erleichtern. Auch wäre eine Ver- gende Text) anonym ist. ordnung eigentlich von den Denkmalbehörden (Ministerium, Obere bzw. Untere Denkmal- Ordnungsbehördliche Verordnung? schutzbehörde) zu verfassen, denn die Aufgaben Da also offenbleibt, inwieweit es sich bei den einer Sonderordnungsbehörde nach § 12 OBG Grabungsrichtlinien um eine Verwaltungsrichtli- lägen ausschließlich bei ihnen, wie DSchG NRW nie handelt, sei an diesem Punkt auf ein anderes § 20 Abs. 3 betont. Die LWL – Archäologie für Medium norminterpretierender Umsetzung von Westfalen hingegen ist demgemäß KEINE Son- Gesetzen eingegangen: auf die Verordnung. derordnungsbehörde, auch wenn man durch die Gesetzt den Fall, die LWL-Grabungsrichtlinie Aufgabenstellung „Überwachung dieser Maßnah stammt nicht aus einem Erlass des zuständigen men“ in DSchG NRW § 22 Abs. 3 Satz 4 den Ein- 5
Anonymus druck eines allgemeinen „Überprüfungsamtes“ auf – das Subjekt bzw. der Betroffene der einzelnen dem Gebiet der Bodendenkmalpflege gewinnen Bedingungen, Anforderungen und Tätigkeiten könnte. Auf den Punkt gebracht gehört die LWL- nicht wirklich genannt wird – jedoch die Ab- und Archäologie, weil sie eben nicht in den Apparat Rücksprachen, das Einvernehmen mit der LWL- der Ordnungsbehörden eingebunden ist, nicht Archäologie für Westfalen stets betont werden. zur Eingriffsverwaltung – und darf KEINE Sank- Damit liegt die Hauptzuständigkeit wohl zu- tionen gegenüber im Verfahren beteiligten Drit- meist bei Angehörigen der LWL-Archäologie für ten (Verursacher, Firma), ob direkt oder indirekt, Westfalen selbst (Mitarbeiter?, Leiharbeiter?), wie verhängen. Zwar ist die LWL-Archäologie für ja das entsprechende Eingangskapitel der Gra- Westfalen im Rahmen der Benehmensherstellung bungsrichtlinien betont. am Grabungsgenehmigungsverfahren beteiligt, Jedoch zurück zur oben erwähnten Beneh- doch ebendiese Aufgabe der LWL-Archäologie mensverweigerung der LWL-Archäologie für ist ein interner Verwaltungsakt ohne Rechtswir- Westfalen. Die Rechtlichkeit und Verhältnismä- kung gegenüber dem Bürger. ßigkeit dieser Maßnahme scheinen in zweierlei Hinblick zweifelhaft: Fachfirmen als Adressat der Grabungsrichtlinien? Erstens will laut Text die LWL-Archäologie Sehr beachtenswert in dieser Hinsicht sind dann für Westfalen der „säumigen Fachfirma“ die Be- auch die Zeilen (LWL-Archäologie, 2021, 28): „Er nehmensherstellung zu weiteren Grabungsge- folgt die Abgabe der Dokumentation und Funde nicht nehmigungen versagen. Jedoch wird im Geneh- zum festgelegten Termin und wurde auch kein An migungsverfahren nicht das Benehmen zwischen trag auf Fristverlängerung gestellt, mahnt die LWL- Fachfirma und LWL-Archäologie für Westfalen AfW unter Einräumung einer Frist von 14 Tagen die hergestellt, sondern zwischen der Oberen Denk- Übergabe an. Sollte nach deren Ablauf kein Eingang malschutzbehörde und dem Landschaftsver- der Dokumentation und Funde zu verzeichnen sein, band. Die eigentlichen Parteien in der vom Gesetz wird die LWL-AfW der säumigen Fachfirma die Be vorgesehenen Benehmensherstellung sind daher nehmensherstellung zu weiteren Grabungsgenehmi grundsätzlich falsch benannt; denn: „Die Herstel gungen bis zur Abgabe, Prüfung und Abnahme der lung des Benehmens durch die Denkmalpflegeämter ausstehenden Dokumentation und Funde versagen.“ der Landschaftsverbände ist kein Verwaltungsakt, da Sehr auffällig wird hier der Begriff „Fachfir er gegenüber dem Bürger [= Fachfirma, Anm. Verf.] ma“ als direkter Adressat der LWL-Archäologie keine eigene und unmittelbare Rechtswirkung ent aufgeführt. Der Begriff „Firma“ taucht häufiger in faltet, sondern lediglich ein Verwaltungsinternum.“ den Grabungsrichtlinien auf, etwa auf Seite 16, in (Davydov et al., 2018, 275). dem die Dokumentation des Grabungsabschlus- Zweitens wird das hergestellte Benehmen der ses gegenüber der Grabungsfirma erwähnt wird. Oberen Denkmalschutzbehörde mit der LWL- Ansonsten wird der Begriff „Firma“ vor allem in Archäologie für Westfalen als Grundlage für eine Bezug auf Dokumentations- und Liefervorgaben Grabungsgenehmigung impliziert. Die Weigerung erwähnt: Verbot der Benennung der ausführen- der Benehmensherstellung kommt damit jedoch den Firma auf den von ihr erstellten Fotos (S. 19), einem Regulativ gleich. Dem widerspräche der aber Benennung im Beschriftungsfeld der Pläne Kommentar zum derzeitigen DSchG NRW – hier (S. 22), Benennung der Firma auf dem Deckblatt heißt es im Zusammenhang mit § 21 Abs. 4 DSchG des Zwischenberichtes und des Abschlussbe- NRW: „Allgemein ist zu sagen, dass der Einsatz ver richtes (S. 27), Absprache, wenn es darum geht, bindlicher Regelungsinstrumente unter Denkmal ob eine Grabungsfirma Fundkartons direkt beim schutz fällt, während beratende, forschende und för Anbieter bestellen darf (S. 42), Absprachen mit dernde Tätigkeit zur Denkmalpflege zählt.“ (Davydov der LWL-AfW bei Beauftragung geeigneter La- et al., 2018, 273). Im Klartext hieße das, dass zwar bors für naturwissenschaftliche Untersuchungen die LWL-Archäologie für Westfalen der Oberen (interessant ist dieser Aspekt, wenn eine Gra- Denkmalschutzbehörde beratend den Hinweis bungsfirma selbst in der Lage ist, Analysen geben kann, dass besagte Fachfirma bezüglich äl- durchzuführen) – und schlussendlich in den an- terer Dokumentationsabgaben säumig ist, letztlich gefügten Mustern und Formularvorlagen. Diese jedoch die Obere Denkmalschutzbehörde daraus wenigen Erwähnungen bilden eine deutliche sti- ihre eigenen Schlüsse bezüglich Erteilung einer listische Schwäche dieser 75 Seiten starken Richt- Grabungsgenehmigung zu ziehen hat und denk- linie ab: Zumeist bleibt die Zuständigkeit, also malrechtlich tätig werden muss! Dies könnte ja der Adressat der Ausführungen, unklar, da – in z. B. auch bei kleineren Versäumnissen die Folge direktem oder indirektem Imperativ geschrieben haben, dass die Fachfirma zwar die Grabungsge- 6
Die Grabungsrichtlinien 2021 der LWL-Archäologie für Westfalen nehmigung erhält, verbunden jedoch mit der Mah- Verweigerung bei der Benehmensherstellung für nung, dass die Versäumnisse nachzuholen bzw. – wohlgemerkt zukünftige Anträge auf Grabungs- nicht zu wiederholen sind. Denn für die regulie- genehmigung nach § 13 DSchG NRW – angedroht rende Genehmigungsbehörde gilt nach ständiger wird, nur weil ein Wissenschaftler, völlig geneh- Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts migungsfrei, die Ergebnisse seiner non-invasiven die sich aus dem Rechtsstaatsprinzip ableitende Forschung nicht zur (ausschließlichen) Nutzung übergreifende Leitregel allen staatlichen Handelns: an die LWL-Archäologie übergeben will? das Übermaßverbot. Dieses besagt, dass staatliche Den Abschluss bildet der Anhang – leider fehlt Eingriffe in den Rechtskreis der Bürger nur dann hier die Überschrift mit der Ordnungsziffer 4, wie rechtmäßig sind, wenn sie geeignet, erforderlich im Inhaltsverzeichnis angegeben – mit den Mu- (d. h. notwendig) und verhältnismäßig sind. Die- sterformularen, der etwas zweifelhaft ausgestal- ser Grundsatz der Verhältnismäßigkeit findet sich teten „Einwilligungserklärung“ (4.1, S. 52), welche dann auch im § 15 OBG wieder. Ein regulativer wieder den Bezug auf genehmigte Ausgrabungen vorübergehender Wettbewerbsausschluss einer nimmt, die unter Aufsicht der LWL-Archäologie Fachfirma durch die pauschalierte Verwehrung stattgefunden haben und daher eigentlich nicht der Grabungsgenehmigung aufgrund von (ggf. genehmigungspflichtig sind. Es sei auf die Aus- geringfügigen) Versäumnissen in einem anderen führungen über die „Veröffentlichungen von Gra (vielleicht nicht einmal im Zuständigkeitsbereich bungsergebnissen und Öffentlichkeitsarbeit“ (auf Sei- DIESER Oberen Denkmalschutzbehörde gehö- te 7 der Grabungsrichtlinien) am Anfang dieses rigen) Fall, ist sicherlich NICHT unbedingt erfor- Aufsatzes verwiesen. derlich und ohne entsprechende Rechtsgrundlage Etwas seltsam unter Ziffer 4.2 „dazwischenge auch nicht verhältnismäßig! schoben“ folgt eine Datenschutzerklärung. Endlich! Ob eine solche Maßnahme überhaupt geeignet Denn schließlich werden in den Dokumentationen ist, Säumnisse der Fachfirma aufzuholen, wäre auch personenbezogene Daten erhoben, was in der ggf. (verwaltungs-) gerichtlich zu prüfen. Denn Vorgängerversion von 2017 nicht berücksichtigt die Firma würde bei langzeitlicher genereller Ge- wurde, obwohl die Datenschutz-Grundverord- nehmigungsverweigerung ihre Liquidität verlie- nung bereits 2016 in Kraft getreten ist.12 ren und letztlich in die Insolvenz gehen. Vorteile Daran schließen sich, als wäre nichts gewesen, hätten lediglich ihre in den Wettbewerbsvorteil mit Ordnungszahl 4.3 die Dateneingabe in die Da- gesetzten Mitbewerber. Und eine Fachfirma, die tenbank AdiuvaBit und mit 4.4 die Vergabe von Pleite gegangen ist, hat weder das Interesse noch Bildmetadaten an, um weitere Formulare und die Kraft, die Säumnisse aufzuholen. Inwiefern Checklistenmuster (4.5-4.11) folgen zu lassen. Die hierbei auch das Wettbewerbsrecht verletzt wird, „ergänzenden Hinweise“ der Vorgängerversion hat wäre schlussendlich ebenfalls zu prüfen. man sich gespart. Weitere Bestimmungen Fazit Die weiteren Ausführungen der neuen Grabungs- Die neuen Grabungsrichtlinien der LWL-Ar richtlinien entsprechen dem Aufbau der Vorgän- chäologie für Westfalen (2021) treten als ein gerin, lediglich inhaltlich „aktualisiert“. Nur das ernsthafter Versuch auf, die Sache mit den Aus- Unterkapitel „2.6.2 Abzugebende Dokumentations grabungen in den Griff zu kriegen. Tatsächlich unterlagen“ wirft mit der lapidaren Anmerkung sind sie unausgereift und unfertig. Rechtlich „Ansonsten gelten die Bestimmungen des Kapitels sind sie weder eine Verwaltungsvorschrift, de- 1.7.2.“ abermals im Zusammenhang mit der ver- ren norminterpretierende Auslegungen durch- meintlichen Benehmensverweigerung ausgeführ aus Außenwirkung haben können, noch eine te Fragen auf – mehr noch: Wie will die LWL- ordnungsbehördliche Verordnung. Daher sind Archäologie „ihr Benehmen“ bei der Erteilung von sie allenfalls eine behördeninterne Leitlinie, wie Grabungsgenehmigungen „versagen“, wenn für die (eigenen) Grabungen der LWL-Archäologie eine non-invasive Prospektion nicht einmal ein für Westfalen durchzuführen sind. Insofern sind Antrag nach § 13 DSchG NRW notwendig ist? Es sie wissenschaftlich sehr zu begrüßen, da expli- sei auf o.g. Rechtsverhältnisse bez. Kapitel 1.7.2 zite Grabungsvorschriften und deren Einhalten (LWL-Archäologie, 2020, S. 28) verwiesen: So für spätere wissenschaftliche Auswertungen und stellt sich bei diesem Unterkapitel die entschiedene die stets nötige Quellenkritik einen großen Fort- Frage, auf welcher Rechtsbasis eine (potenzielle) schritt und Gewinn darstellen. 7
Anonymus Für die in Westfalen tätigen privatwirtschaft- liche Debatte im Fach zu eröffnen. Damit hoffe lichen Fachfirmen haben diese Grabungsrichtli- ich, einen Anstoß zu geben für eine handfeste nien jedoch keinerlei bindende Wirkung. Folglich Verbesserung eines von mir als schwerwiegend besteht auch keinerlei Notwendigkeit, die als An- dysfunktional wahrgenommenen Ist-Zustands. hang 4.1 erwünschte „Einwilligungserklärung“ zu Da ich in meinem Berufsleben in der Archäolo- unterzeichnen, mit der ein wiss. Grabungsleiter gie allzu oft die Erfahrung machen musste, dass „die uneingeschränkten Nutzungsrechte aller Daten, der Bote einer schwierigen Nachricht gescholten die im Zuge der Dokumentation der Ausgrabung […] wird, statt sich mit der schwierigen Nachricht entstanden sind“ an die LWL-Archäologie abtritt auseinanderzusetzen, und ich wirtschaftlich da- und sich verpflichtet, alle eigenen Verwendungen rauf angewiesen bin, weiterhin gedeihlich in der und Publikationen der Grabungsergebnisse „zu westfälischen Archäologie arbeiten zu können, vor mit der LWL-AfW einvernehmlich abzustimmen“. habe ich – mit Bedauern – die Herausgeber bitten Die Grabungsrichtlinien gewinnen ihre Wirk- müssen, diesen Beitrag als „Anonymus“ publizie- samkeit gegenüber Dritten – d. h. Investoren oder ren zu wollen. Fachfirmen – als „Anweisung“ lediglich durch das Druckmittel der Benehmensherstellung im Rah- men des § 13 DSchG NRW, ein Druckmittel, das – Anmerkungen wie oben dargelegt – rechtlich auf tönernen Füßen steht und daher allenfalls sozial seine Wirksam- 1 Dieser Aspekt der Übertragung hebt auf zwei Punkte ab: keit erzielen kann. Gewiss kann man fachlich die den Umgang mit archäologischen Primärdaten/dem Pro- blem der Langzeitarchivierung und dem rechtsstaatlichen Gedankengänge, Wünsche, Befürchtungen und Umgang auf Ebene des Denkmalrechts mit dem Fachgebiet Forderungen, die mit der Grabungsrichtlinie aus- Archäologie. Hier stoßen unterschiedliche Interessen wie gedrückt werden sollen, gut nachverfolgen – je- staatliche Regelungsansprüche, Eigentumsrechte, die Trä- doch sind diese sprachlich, stilistisch (auch in den gerschaft öffentlicher Belange usw. aufeinander. Rang- und Reihenfolgen) eher „dahingeschrieben“, 2 Es ist jedoch die Frage, ob Grabungsrichtlinien eine ohne Achtung dessen, was der Wortlaut wirklich Verwaltungsvorschrift oder ein selbst verpflichtendes zum Ausdruck bringt, was die Gesetzeslage vor- Werkzeug der fachlichen Selbstkontrolle und Qualitäts- gibt und wie die Außenwirkung dieser Richtlinie sicherung sind. Denn um die Verbindlichkeit einer Ver- vermittelt wird. waltungsvorschrift herzustellen, bedarf es einer Rechts- grundlage, die die Zuständigkeit, Handlungsziele usw. Nach der Lektüre der westfälischen Grabungs- erkennen lässt. Dieser Frage wird sich der Folgeabschnitt richtlinien gewinnt man den Eindruck, dass Gra- „Charakter der Grabungsrichtlinien“ widmen. bungsfirmen für den/die anonymen Autor/en dieses Werks eher als „generalverdächtig“ unter 3 Richtlinien für den Erlass von Rechts- und Verwaltungs- vorschriften (Veröffentlichungsrichtlinien), Runderlass Beobachtung gebracht und zu wissenschaft- des Ministeriums für Inneres und Kommunales NRW vom lichem Verhalten zu zwingen sind – auch wenn es 5. Oktober 2015; https://recht.nrw.de/lmi/owa/br_text_ die Rechtslage nur schwer hergibt. Dabei sind die anzeigen?v_id=52720151030135850307 [1.3.2021]. Ausgräber in den Fachfirmen oft ehemalige Kol- 4 Auf welcher Rechtsgrundlage die Anlage 4.1 steht, darf legen oder Volontäre aus den eigenen Reihen und also gefragt werden. verfolgen die gleiche Absicht, nämlich die qua- litätvolle Umsetzung denkmalpflegerischer Ret- 5 „Unter Denkmalpflege als Aufgabe werden im Allgemeinen tungsgrabungen im Sinne des Gesetzes. Für eine alle Handlungen nicht hoheitlicher Art verstanden, welche die gedeihliche Zukunft der westfälischen Archäolo- Erforschung, Erhaltung und Präsentation von (Kultur-) Denk mälern bezwecken; hierzu zählen die Tätigkeiten, die nicht nur gie wäre eine Grabungsrichtlinie wünschenswert, vom Staat und seinen Institutionen, sondern auch von Privaten die in fachlichem Austausch mit allen Beteiligten, […] ausgeübt werden können.“ (Davydov et al., 2008, 283). also auch mit der Privatwirtschaft, verfasst wür- de, partnerschaftlich statt rein regulativ. Andere 6 Vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/C._Sebastian_Som- mer [8.6.2021]. An dieser Stelle sei auch auf die Vita des Denkmalpflegeämter in Deutschland haben es Westfälischen Landesarchäologen aufmerksam gemacht: vorgemacht – durchaus mit Erfolg! https://de.wikipedia.org/wiki/Michael_Rind [8.6.2021]. 7 Universität Marburg (2021). M.sc. Geoarchäologie (aus- laufend). Studiengänge Vor- und Frühgeschichtliche Ar- Darlegung von Interessenskonflikten chäologie. https://www.uni-marburg.de/de/fb06/vfg/ studium/studiengaenge/m-sc-geoarchaeologie [1.3.2021]. Als Archäolog:in aus Leidenschaft ist es mein auf- richtiges Anliegen, zu einem m. E. nicht margina- len Thema archäologischen Arbeitens eine sach- 8
Die Grabungsrichtlinien 2021 der LWL-Archäologie für Westfalen 8 So lässt sich schwer begreifen, warum z. B. ein deutsch- EAC (2015). EAC guidelines for the use of geophysics in sprachiger Anthropologe, sagen wir aus der Schweiz, kei- archaeology. Questions to ask and points to consider. By ne Anerkennung findet, nur weil er kein „Zertifikat“ der A. Schmidt, P. Linford, N. Linford, A. David, Chr. deutschen Gesellschaft für Anthropologie aufweist – oder Gaffney, A. Saris & J. Fassbinder. (EAC Guidelines, warum ein deutschsprachiger Archäozoologe, sagen wir 2). Namur: Europae Archaeologia Consilium. http:// aus den Niederlanden, nur Zugang zur Ausgrabungsauf- www.archprospection.org/sites/archprospection. arbeitungen in Westfalen findet, wenn er dem deutschen Archäozoologenverband angehört, bei dem laut Website org/files/EAC_Guidelines_2_Geophysics.pdf lediglich 11 (!) Mitglieder im gesamten Bundesgebiet und [1.3.2021]. Stockholm (Schweden) verzeichnet sind: http://www. archaeozoologenverband.de/html/mitgliedschaft.html LVR – Bodendenkmalpflege (2020). Prospektions- und [8.6.2021]. Das sind, statistisch betrachtet, sehr wenige Grabungsrichtlinien für archäologische Maßnahmen. Referenzen. Auch ist es heutzutage durchaus auch üblich, Hrsg. v. LVR-Amt für Bodendenkmalpflege Analysen im europäischen Ausland anfertigen zu lassen. im Rheinland. Stand 1.4.2020 (PDF vom So gibt es z. B. ein anerkanntes Labor für 14C-Analysen in 3.12.2019). https://bodendenkmalpflege.lvr.de/ Polen, das m. W. auch von den archäologischen Fachbe- media/bodendenkmalpflege/service/pdf_3/ hörden in Westfalen beauftragt wird. Grabungsrichtlinien_2020.pdf [1.3.2021]. 9 Gesetz zur Feststellung der Gleichwertigkeit auslän- discher Berufsqualifikationen in Nordrhein-Westfalen (Be- LWL – Archäologie für Westfalen (2017). rufsqualifikationsfeststellungsgesetz NRW – BQFG NRW): Grabungsrichtlinien für archäologische Maßnahmen in https://recht.nrw.de/lmi/owa/br_text_anzeigen?v_ Westfalen-Lippe (Stand Juni 2017). PDF vom 14.6.2017: id=1720130807120343397 [1.3.2021]. https://www.lwl.org/wmfah-download/pdf/ Grabungsrichtlinien_06_2017.pdf [1.3.2021]. 10 Schulministerium NRW: „Anerkennung“: https://www. schulministerium.nrw.de/themen/internationales/ausla- endische-abschluesse/anerkennung [1.3.2021]. LWL – Archäologie für Westfalen (2021). Grabungsrichtlinien für archäologische Maßnahmen in 11 NRW: „Gesetz über Aufbau und Befugnisse der Ord Westfalen-Lippe (Stand 2020). PDF vom 3.2.2021 / nungsbehörden – Ordnungsbehördengesetz (OBG)“: ht- 5.5.201: https://www.lwl-archaeologie.de/media/ tps://recht.nrw.de/lmi/owa/br_text_anzeigen?v_ filer_public/2e/aa/2eaac8d6-3c97-41a7-b907- id=3220071121100536332 [1.3.2021]. f289c3ec8afa/lwl_grabungsrichtlinien_final.pdf [1.3.2021]. Aktuell: https://www.lwl-archaeologie. 12 Datenschutz-Grundverordnung – DSGVO: https:// dsgvo-gesetz.de/ [8.6.2021]. de/media/filer_public/d0/ff/d0ff97fe-99b6-470e- bc2d-5fa86390d45a/lwl_grabungsrichtlinien_final.pdf [8.6.2021] Literatur NLD (2017). Richtlinien zur Dokumentation archäologischer Maßnahmen/Ausgrabungen Davydov, D., Hönes, E. R., Ringbeck, B & Stellhorn, in Niedersachsen. August 2017. Hannover: H. (2018). Denkmalschutzgesetz Nordrhein-Westfalen, Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege. Kommentar. 6. Aufl. Nördlingen: Kommunal- und https://denkmalpflege.niedersachsen.de/service/ Schul-Verlag. dokumentation/fachinformation-archaeologie-145712. html [1.3.2021]. DSchG NRW: Gesetz zum Schutz und zur Pflege der Denkmäler im Lande Nordrhein-Westfalen VLA (1999). Archäologische Ausgrabungen und (Denkmalschutzgesetz – DSchG). Fassung vom Prospektionen, Durchführung und Dokumentation. 25.11.2016. https://recht.nrw.de/lmi/owa/br_text_ Hrsg. von den Landesarchäologen in der BRD. anzeigen?v_id=5720031106092634017 [1.3.2021]. Archäologisches Nachrichtenblatt, 4(1), 12-45. DVA (2018). Leitlinien zu einer Archäologie der VLA (2006). Ausgrabungen und Prospektion: Moderne. Blickpunkt Archäologie 2017, 236-245. https:// Durchführung und Dokumentation. Überarbeitete www.dvarch.de/fileadmin/redakteure/Blickpunkt_ Fassung, Stand 3.4.2006. https://landesarchaeologen. Archaeologie/PDF/DVA_000031_2018_Leitlinien_ de/kommissionen/grabungstechnik/mitglieder/ zur__Archaeologie_der_Moderne_BLICKPUNKT- grabungsstandards [1.3.2021]. ARCHAEOLOGIE-2017-4-01.pdf [1.3.2021]. 9
Anonymus Über den Autor – Anmerkung der Herausgeber herzlich für ihre Mühe! Nach Abwägung deren „Anonymus“ ist den Herausgebern namentlich drei Voten haben wir uns gemeinsam dafür ent- bekannt. Kommentare, Rückfragen etc. an den schieden, den Text zur Publikation anzunehmen. Autor sind möglich, als Kontakt und Übermittler dienen die Herausgeber dieser Zeitschrift. Die Herausgeber editor@dguf.de Die Herausgeber haben sich mit der Entschei- dung, einen anonymen Beitrag zu publizieren, schwergetan und sich intensiv Gedanken dazu gemacht. Denn Anonymität widerspricht dem Prinzip der Transparenz wissenschaftlichen Vor- gehens und auch dem Grundsatz, dass Auto- rinnen und Autoren öffentlich für das einstehen, was sie publizieren. Wir haben bei verschiedenen Autoritäten nach festen Regularien gesucht – es gibt sie nicht. Gelegentlich werden, stets als Aus- nahme, in seriösen wissenschaftlichen Zeitschrif- ten aus Gründen anonyme Beiträge oder solche unter Pseudonym publiziert. Gründe, die He- rausgeber hierzu angeben, sind beispielsweise das konkrete und nachvollziehbare Risiko des Verlusts der Arbeitsstelle des Autors/der Auto- rin (s. beispielsweise Council of Science Editors: Authorship and Authorship Responsibilities. https:// www.councilscienceeditors.org/resource-libra- ry/editorial-policies/white-paper-on-publica- tion-ethics/2-2-authorship-and-authorship-re- sponsibilities/ [27.7.2021). Wir haben uns, den Standards und Empfehlungen von COPE (htt- ps://publicationethics.org/ [22.7.2021]) folgend, davon überzeugt, dass hinter der Absenderadres- se des Manuskripts ein realer Autor steht, dass sein dringlicher Wunsch nach dieser Ausnahme subjektiv nachvollziehbar ist und die dargelegten Gründe des Autors glaubhaft sind (vgl. auch COPE: Anonymity versus author transparency. htt- ps://publicationethics.org/case/anonymity-ver- sus-author-transparency [27.7.2021]. Wir haben mit dem Autor eingehend diskutiert, ob der Text in alternativer, an manchen Stellen vorsichtigerer Fassung, dafür aber mit Autorenname, möglich wäre. Diese Möglichkeit schied für den Autor aus. Der Aufsatz greift keine Person an, sondern er setzt sich kritisch mit den generellen Handha- ben einer für das Fach wichtigen Institution aus- einander; auch das hat unsere Entscheidung be- einflusst. Wir haben uns kundig gemacht, ob die Verweigerung, den Aufsatz anonym publizieren zu dürfen, bedeuten würde, dass die Thematik gänzlich ungesagt bliebe. Dies wäre der Fall. Wir haben außerdem eine – ähnlich dem Peer Review – von den Herausgebern unabhängige sorgfäl- tige Risikobewertung des Aspekts „Anonymität“ durch drei erfahrene externe Expertinnen und Ex- perten vornehmen lassen. Wir danken Ihnen ganz 10
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