Liberté égalité musicalité - CAMERATA BERN Ilya Gringolts So 7.11.2021 - 17.00 Uhr Konservatorium Bern

 
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Liberté égalité musicalité - CAMERATA BERN Ilya Gringolts So 7.11.2021 - 17.00 Uhr Konservatorium Bern
Liberté
égalité
musicalité
 CAMERATA BERN
 Ilya Gringolts
 So 7.11.2021 — 17.00 Uhr
 Konservatorium Bern
 Werke von Leclair, Brunner
 und Beethoven
Liberté égalité musicalité - CAMERATA BERN Ilya Gringolts So 7.11.2021 - 17.00 Uhr Konservatorium Bern
Liberté, égalité, musicalité
                                                                2. Abokonzert
                                                                Kooperation mit der Stiftung für Freiheit
                                                                und Menschenrechte. Gemeinsamer
                                                                Anlass mit Konzert und Preisverleihung.

                                                                Ilya Gringolts – Leitung und Violine
                                                                Richard Henschel – Sprecher

                                                                Sonntag, 7. November 2021 – 17.00 Uhr
                                                                Bern, Konservatorium

                                                                Jean-Marie Leclair (1697–1764)
                                                                Konzert in g-Moll op. 10 Nr. 6 für Violine,
                                                                Streicher und Basso Continuo

                                                                Gabrielle Brunner (*1963)                     Ludwig van Beethoven (1770–1827)
                                                                Fragmente – Quartett für Viola,               33 Veränderungen über einen Walzer
                                                                zwei Celli und Kontrabass (Auftragskom-       von Diabelli op. 120, Fassung für Streich-
                                                                position der CAMERATA BERN,                   orchester arrangiert von Ilya Gringolts
                                                                Uraufführung)                                 (Schweizer Erstaufführung)

                                                                                                              Anschliessend: Preisverleihung der
                                                                                                              Stiftung Freiheit und Menschenrechte
                                                                                                              Preisträgerin 2021: Nusreta Sivac,
                                                                                                              Friedensaktivistin für die Rechte der
                                                                                                              Opfer in Bosnien und Herzegowina
Anstelle der Konzerteinführung vor Ort bieten wir auf unserer                                                 und weltweit. Laudatio von Christoph
Website einen Podcast mit SRF-Musikredaktor Benjamin                                                          Flügge, ehemaliger Richter am Inter-
Herzog an – auch zum Nachhören.                                                                               nationalen Strafgerichtshof für das
                                                                                                              frühere Jugoslawien (ICTY)
Dieses Konzert wird von Radio SRF2 Kultur aufgezeichnet und
am Donnerstag, 25. November, um 20.00 Uhr gesendet.                                                           Apéro, offeriert durch die Stiftung
                                                                                                              Freiheit und Menschenrechte

                                                                                                                                                           3
Liberté égalité musicalité - CAMERATA BERN Ilya Gringolts So 7.11.2021 - 17.00 Uhr Konservatorium Bern
Zum Programm
    Fragmente                                                                      Die grosse Fracht                               Aus der Zeit fallen
    Quartett für Viola, zwei Celli und Kontrabass im Auftrag der                   Die grosse Fracht des Sommers ist verladen,     – Ich muss gehn.
    CAMERATA BERN                                                                  das Sonnenschiff im Hafen liegt bereit,         – Wohin?
                                                                                   wenn hinter dir die Möwe stürzt und schreit.    – Zu ihm.
    «Fragmente ist das erste Werk meines vierteiligen Zyklus für                   Die grosse Fracht des Sommers ist verladen.     – Wohin?
    die CAMERATA BERN. Jedes dieser Werke beabsichtigt, den                                                                        – Zu ihm, nach dort.
    Klangkörper der CAMERATA BERN von verschiedenen Seiten                         Das Sonnenschiff im Hafen liegt bereit,         – An den Ort, wo es geschah?
    auszuleuchten. So entstand die Idee eines Kammermusikwer-                      und auf die Lippen der Galionsfiguren           – Nein, nein. Nach dort.
    kes für tiefe Streicher. Inspiriert wurde ich bei den Fragmenten               tritt unverhüllt das Lächeln der Lemuren.       – Was ist das: dort?
    von Beethovens Diabelli-Variationen, von der Art und Weise,                    Das Sonnenschiff im Hafen liegt bereit.         – Ich weiss nicht.
    wie sich Beethoven in jeder Variation radikal auf ein Minimum                                                                  – Du machst mir Angst.
    musikalischer Parameter beschränkt und in schöpferischer                       Wenn hinter dir die Möwe stürzt und schreit,    –	Nur noch einmal kurz ihn
    Analyse immer neue Welten entstehen lässt.                                     kommt aus dem Westen der Befehl zu sinken;         sehen.
                                                                                   doch offnen Augs wirst du im Licht ertrinken,   –	Was willst du jetzt noch sehn?
                         Während meines Arbeitsprozesses entstanden musi-          wenn hinter dir die Möwe stürzt und schreit.       Was ist noch übrig?
                         kalische Gestalten, deren Zusammenhang mir lange                                                          –	Vielleicht kann man dort etwas
                         selbst verborgen blieb und die sich erst ganz zum         Ingeborg Bachmann                                  sehen?
                         Schluss zu einer Form fügten. Der Titel Fragmente                                                            Vielleicht sogar sprechen?
                         beschreibt genau dieses Ahnen und Suchen eines Gan-                                                       – Sprechen?!
                         zen. Gleichzeitig aber bemerkte ich, dass die Teile in
                         sich auch immer wieder abbrachen, verstummten,            Mein Karren knarrt nicht mehr                   David Grossmann
                         so als ob sie nicht die Kraft hätten, weiter zu gehen.    Die Zeitlose holt
                         Inhaltlich und klanglich strukturierend werden Gedichte   Atem für tausend Herbste…
                         von Paul Celan, Ingeborg Bachmann und ein Dialog von      Das Herz der Espe
                         David Grossmann von einem Sprecher vorgetragen.»          setzt aus.

                         Composer in Residence Gabrielle Brunner über ihr Werk     Paul Celan
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                                                                                                                                                                       5
Liberté égalité musicalité - CAMERATA BERN Ilya Gringolts So 7.11.2021 - 17.00 Uhr Konservatorium Bern
Freiheit und                                                                       Leider sind diese für uns ferne Vorstel-
                                                                                        lungen vielerorts eine bittere Reali-
                                                                                        tät. Das heutige Abokonzert der CAME-
                                                                                                                                     «...(es sind viele)»
                                                                                                                                     Dass Ludwig van Beethoven einer der
                                                                                                                                     bekanntesten und grössten Musiker aller

     Menschenrechte
                                                                                        RATA BERN unter der Leitung von Ilya         Zeiten ist, muss ich Ihnen nicht erklären.
                                                                                        Gringolts steht ganz im Zeichen der Frei-    Viele haben ein gewisses Bild, wenn sie
                                                                                        heit und der Menschenrechte. Nebst           an Beethoven denken. Doch wie kennen
                                                                                        Leclair und Beethoven werden Sie in den      wir überhaupt Beethoven? Oder die wohl
                                                                                        Genuss der Uraufführung eines Werks          noch bessere Frage wäre, wie kennen wir
                                                                                        kommen, das Gabrielle Brunner für die        Beethoven nicht? Die Sieger schreiben
                                                                                        CAMERATA BERN komponiert hat. Im             die Geschichte, heisst es so schön, und
                                                                                        Anschluss an das Konzert wird die Preis-     ganz ähnlich wird es uns wohl bei Beet-
                                                                                        verleihung der Stiftung für Freiheit und     hoven gehen.
                                                                                        Menschenrechte stattfinden.
                                                                                                                                     Das Bild, das wir heute von Beethoven
«Die Freiheit des Menschen liegt             Menschen vernachlässigt, gerade, wenn      Die 1972 in Bern gegründete Stiftung         haben, ist deshalb als bereinigtes Konst-
nicht darin, dass er tun kann, was           man persönlich nicht in seiner Freiheit    setzt sich für die Förderung von Freiheit    rukt zu verstehen. Wären Sie Beethovens
er will, sondern, dass er nicht tun          eingeschränkt ist. Während der lange       und Menschenrechten ein, indem sie           Nachlassverwalter*in gewesen: Sie hät-
muss, was er nicht will.»                    andauernden Corona-Krise haben auch        regelmässig einen Preis an Persönlich-       ten auch nur seine positiven Seiten für
                                             wir in der Schweiz gewisse Einschrän-      keiten oder Institutionen verleiht, welche   die Nachwelt dokumentiert und negative
                                             kungen unserer Freiheit erfahren. Nur      sich in herausragender Weise selbstlos       Dinge gestrichen, nicht wahr?
Dieses Zitat aus dem 18.      Jahrhundert    ungern erinnere ich Sie an die mühsamen    für diese Werte einsetzen. Mit dem Preis
stammt vom Genfer Schriftsteller und         Massnahmen dieser Zeit. Stellen Sie sich   will die Stiftung solchen Einsatz anerken-   Auf jeden Fall sehen und betiteln wir
Philosoph Jean-Jacques Rousseau. Er          nun vor, wie es wäre, wenn Sie dauerhaft   nen, ehren und auch schützen. Seit 1973      Beethoven heute als den Revolutionär
spricht damit einen Grundgedanken des        in Ihrer Freiheit eingeschränkt wären,     fanden bereits 25 Preisverleihungen mit      unter den Komponisten. Nicht nur aus
Freiheitsbegriffes an, auch wenn dieser      wenn Sie keine Grundrechte hätten, Sie     insgesamt 28 geehrten Persönlichkeiten       musikalischen Gründen, wie etwa als
insgesamt viel tiefgründiger und kom-        unterdrückt oder verfolgt würden, wenn     statt, darunter Politiker*innen, Journa-     Wegbereiter der romantischen Musik,
plexer ist, als es aus diesem kurzen Zitat   Sie in einem Kriegsgebiet aufwachsen       list*innen oder Friedensaktivist*innen.      sondern auch politisch, als Anhänger der
hervorgeht. Freiheit ist ein Thema, das      würden und keine Perspektive hätten.       Wie nun die heute gespielte Musik mit der    Ideale der Französischen Revolution, in
uns alle betrifft. Sie gehört unweigerlich                                              Freiheit in Verbindung steht, versuche       welcher für die Freiheit und die Auflö-
zu den wichtigsten Menschenrechten in                                                   ich Ihnen nachfolgend näherzubringen.        sung der Zwänge der gesellschaftlichen
der modernen Gesellschaft. Viel zu oft                                                                                               Klassen und Stände gekämpft wurde.
wird die Freiheit als wichtiges Gut des                                                                                              Diese Werte spiegelten sich auch in sei-
                                                                                                                                     nen Kompositionen wider. So gibt es
                                                                                                                                     dazu Anekdoten wie beispielsweise zu
                                                                                                                                     seiner 3. Sinfonie, auch bekannt unter
                                                                                                                                     ihrem Beinamen «Eroica».

                                                                                                                                     Fortsetzung Seite 8  
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Liberté égalité musicalité - CAMERATA BERN Ilya Gringolts So 7.11.2021 - 17.00 Uhr Konservatorium Bern
Diese war ursprünglich Napoleon Bona-                                                     über einen Walzer von Diabelli op. 120
parte gewidmet, zumindest bis zum                                                         tatsächlich gesondert von den anderen
Moment, als Napoleon sich selbst zum                                                      Komponisten ein Jahr vor dem geplan-
Kaiser krönte. Enttäuscht über den Rück-                                                  ten Gemeinschaftswerk heraus. Das
schritt zur Monarchie, tilgte Beethoven                                                   Gemeinschaftswerk, bestehend aus 50
Napoleons Name wieder vom Titelblatt.        wirkender Komponisten zu schaffen.           Variationen, erschien dann 1824 unter      sche oder melodische Elemente, welche
Oder vielleicht kennen Sie den Mythos,       Dazu hat sich Diabelli an eine ganze Reihe   dem Titel «Vaterländischer Künstlerver-    den Bezug zum Thema hörbar machen.
dass Beethoven niemals seinen Hut vor        namhafter Komponisten und Pianisten          ein. Veränderungen für das Pianoforte      Dies alles gipfelt gegen Schluss mit der
der Obrigkeit zog.                           mit der Bitte gewandt, für das Gemein-       über ein vorgelegtes Thema.» Während       32. Variation in eine gewichtige Doppel-
                                             schaftswerk jeweils eine Variation eines     im Gemeinschaftswerk die Variationen       fuge, in welcher Beethoven erstmals
Inwiefern solche Geschichten der Wahr-       von ihm zu diesem Zweck komponierten         ganz einfach alphabetisch, nach Namen      den tonalen Rahmen von C-Dur bzw.
heit entsprechen oder uns doch nur ein       Walzers zu verfassen.                        der Komponisten, angeordnet wurden,        der Variante c-Moll verlässt. Nach einer
idealisiertes Bild Beethovens aufzei-                                                     legte Beethoven seiner Komposition eine    bemerkenswerten Überleitung folgt die
gen, bleibe dahingestellt. Auf jeden Fall    Es war also vorgesehen, dass jeder           wohlkalkulierte Gesamtanlage zugrunde.     letzte Variation, welche aber mehr als
lässt sich Beethoven damit sehr gut mit      Künstler jeweils eine Variation einsen-      Damit erschuf er nicht nur eine Folge      nur den Epilog des Werkes darstellt. Mit
dem Begriff der Freiheit vereinbaren.        det. Auch Beethoven muss eine Einla-         von Variationen, sondern einen in sich     ihrer eigentümlichen Heiterkeit endet
Dies zeigt auch sein Werdegang. Zuerst       dung für eine einzige Variation erhalten     abgeschlossenen Zyklus mit komplexer       sie in Forte mit obenliegender Terz im
bekannt als Pianist und Klaviervirtuose,     haben. Doch Beethoven – wir kennen ihn       Struktur.                                  Akkord, als ob die Variationen noch ewig
fokussierte er sich aufgrund seiner fort-    ja als Revolutionär – schrieb nicht nur                                                 weitergehen könnten. Die die am heuti-
schreitenden Taubheit zunehmend auf          eine Variation, sondern nahm sich die        Das vorgegebene Thema von Diabelli         gen Konzert gespielte Version der Dia-
das Komponieren. Anders als viele Musi-      Freiheit, innerhalb weniger Monate eine      ist ein Walzer, ein «Deutscher Tanz» in    belli Variationen wurden von Ilya Grin-
ker seiner Zeit blieb er jedoch zeitlebens   Vielzahl skizzierter Variationen zu Dia-     C-Dur, vivace. Beethoven, der Revolutio-   golts für Streichorchester arrangiert.
ein freier Künstler und machte sich nie      bellis Walzer zu komponieren. Da er aber     när, vollzog schon mit der ersten Varia-   Das Arrangement wird in diesem Kon-
von Kirche oder Adel abhängig. Nicht nur     daraufhin mit der Fertigstellung ande-       tion – überschrieben mit alla Marcia       zert schweizweit zum ersten Mal auf-
heute, sondern auch zu seinen Lebzeiten      rer Werke beschäftigt war, liess er sich     maestoso – einen gehörigen Bruch zum       geführt.
war Beethovens Musik sehr beliebt.           nahezu vier Jahre Zeit, bis er im April      Thema. Die darauffolgenden Variationen
                                             1823 das Autograf endlich abschloss.         mit piano leggiermente und dolce stel-     Musik verbindet
Dies zeigt die Entstehungsgeschichte                                                      len erneut einen starken Kontrast zur      Jean-Marie Leclair starb am 22. Oktober
seiner Diabelli-Variationen. 1819 hatte      Schlussendlich waren es 33 Variatio-         ersten Variation dar und zeigen sogleich   1764. Weshalb steht sein Todesdatum
der Wiener Musikverleger und Kompo-          nen. In einem Brief beschrieb Beethoven      die immense Weite und Variabilität in      am Anfang, fragen Sie sich? Es war ein
nist Anton Diabelli die Idee, ein Gemein-    seine Variationen wie folgt: «Variatio-      Beethovens Diabelli-Variationen auf. In    Mord. Wer genau die Tat begangen hat,
schaftswerk verschiedener in Österreich      nen über einen Walzer für Klawier allein     den weiteren Variationen sind es oft nur   weiss man bis heute nicht. Aber die Tat-
                                             (es sind viele)». Auch wenn Beethoven        einzelne Motive, Harmonien, rhythmi-       sache, dass – ganz wie im Krimi – der
                                             seine Variationen einiges später als die                                                Gärtner die Leiche fand und es sich dabei
                                             anderen Komponisten, darunter auch                                                      um einen mysteriösen, bis heute unge-
                                             Schubert und Liszt, einreichte, gab                                                     klärten Mordfall handelt, macht diese
                                             Diabelli Beethovens 33 Veränderungen                                                    Geschichte zur bekanntesten Anekdote

                                                                                                                                     Fortsetzung Seite 10  
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Liberté égalité musicalité - CAMERATA BERN Ilya Gringolts So 7.11.2021 - 17.00 Uhr Konservatorium Bern
Als Geigenvirtuose und Komponist                                                           Uraufführung
                                             kam er in ganz Europa herum und                                                            Wie bereits zu Beginn angekündigt, dür-
                                             besass diverse Anstellungen an Adels-                                                      fen wir uns nebst Leclairs Violinkonzert
                                             höfen, auch in Italien. Dort nahm er                                                       und Beethovens Diabelli-Variationen für
                                             Unterricht bei dem Corelli-Schüler                                                         das 2. Abokonzert einer neuen Auftrags-
 um den französischen Komponisten.           Somis. Der italienische Einfluss ist bei      Er kombinierte damit die besten Aspekte      komposition der diesjährigen Composer
 Auch wenn heute kaum noch jemand            Leclairs Kompositionen allgegenwärtig,        beider Nationalstile. So vermochte er es,    in Residence Gabrielle Brunner erfreuen.
 Jean-Marie Leclair kennt, galt er in sei-   auch wenn er sich selbst als Komponist        Arcangelo Corellis Lyrismus und Anto-        Es handelt sich um ein Werk für Viola,
 nem Jahrhundert als grösster Geigen-        explizit französischer Musik verstand.        nio Vivaldis dramatischen Konzertstil        zwei Celli und Kontrabass.
 virtuose und -komponist, den Frankreich     Er schrieb Musikgeschichte, als er als        mit dem goût français zu vereinen, für
 hervorgebracht hatte. Berühmt war er        erster französischer Komponist 1723           den der italienische Stil allgemein als zu   Passend zu der nachfolgenden Preisver-
 für seinen süssen und klaren Geigen-        sein Opus 1 aus Violinsonaten im reins-       schrill und brutal empfunden wurde.          leihung thematisiert die Komposition das
 klang. Die Violinist*innen unter Ihnen      ten italienischen Stil in Frankreich ver-                                                  Thema Freiheit. Freiheit hat für Gabrielle
 kennen Leclair vielleicht als Mitbegrün-    öffentlichte.                                 Durch diese Verbindung von französi-         Brunner nicht nur mit der inneren Freiheit
 der der Französischen Geigenschule, die                                                   schem und italienischem Stil lässt sich      zu tun, was man tun will und was nicht,
 er damit auch stark beeinflusst hatte.      Unter dem chauvinistischen Sonnenkö-          Leclair auch unter dem Motto dieses          wie beim Zitat von Rousseau, sondern es
 Er bereicherte etwa die Geigentechnik       nig Louis XIV. wäre solch eine Veröffentli-   Konzertes begreifen, nahm er sich doch       geht ihr auch um den Kern der Freiheit an
 durch das Tremolo mit der linken Hand,      chung undenkbar gewesen (obschon sein         grosse kompositorische Freiheit, etwas       sich, der weder verteidigt werden muss
 die sich bis zum heutigen Vibrato weiter-   Hofkomponist Lully selbst Italiener war).     bis dahin Undenkbares zu vollbringen         noch antastbar ist. Auf die musikalische
 entwickelt hat. Auch der Doppeltriller      Doch nach dessen Tod 1715 und während         und zwei für sich so stolze Nationen zu      Umsetzung dieser Gedanken dürfen wir
 und die peinlich genau notierte Vielfalt    der Regentschaft seines Nachfolgers           vereinen. Diese Idee lag in der Luft: Wie    alle gespannt sein. Viel Vergnügen beim
 an Artikulationen sind Innovationen, die    Louis XV. gab es immer mehr Platz für         sein Zeitgenosse Johann Sebastian Bach       Konzert!
 auf Leclair zurückgehen. Besonders das      den italienischen Stil, was Leclair auch      vollzog er damit einen Schritt hin zur
 von ihm entwickelte Akkordspiel beein-      zu seiner kompositorischen Hauptleis-         Europäisierung der Musik.                    Dominic Studer
 druckte seinerzeit selbst das italieni-     tung bewegte: Die Vermischung franzö-
 sche Publikum.                              sischer und italienischer Stilelemente in     Die Verbindung der beiden National-
                                             einer annähernd perfekten Art, wie man        stile dürfen Sie nun selbst entdecken
                                             sie bis dahin nicht kannte.                   anhand Leclairs 1745 veröffentlichtem
                                                                                           Violinkonzert in g-Moll Op. 10 Nr. 6. Wenn
                                                                                           Sie beispielsweise während des ener-
                                                                                           gischen Beginns des ersten Satzes an
                                                                                           Vivaldi denken, wissen Sie nun, weshalb.
                                                                                           Die Solovioline wird von Ilya Gringolts
                                                                                           gespielt.

                                                                                                                                        Dieser Text wurde im Rahmen eines Programmheftseminars
                                                                                                                                        am Institut für Musikwissenschaft der Universität Bern konzi-
                                                                                                                                        piert, diskutiert und redaktionell betreut.
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Biografien
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 Ilya Gringolts                                                                             tetts, das seither mit Auftritten u. a. bei
 Leitung und Violine                                                                        den Salzburger Festspielen, beim Edin-
                                                                                            burgh International Festival, dem Lucerne
 Der russische Geiger Ilya Gringolts über-                                                  Festival, dem Menuhin Festival Gstaad
 zeugt mit hochvirtuosem Spiel und fein-                                                    oder am Teatro La Fenice in Venedig Er-
 sinnigen Interpretationen. Als gefragter                                                   folge feiert. Im Sommer 2020 gründete
 Solist widmet er sich neben dem gros-                                                      Ilya Gringolts gemeinsam mit Ilan Volkov
 sen Orchesterrepertoire auch selten ge-                                                    die I&I Foundation zur Förderung zeitge-
 spielten sowie zeitgenössischen Werken;     Ilya Gringolts konzertierte mit namhaften      nössischer Musik, die Aufträge an junge
 Kompositionen von Peter Maxwell Davies,     Orchestern, wie dem Symphonieorches-           Komponistinnen und Komponisten ver-
 Christophe Bertrand, Bernhard Lang, Beat    ter des Bayerischen Rundfunks, City of         gibt. Eine erste Serie kurzer Solowerke
 Furrer und Michael Jarrell wurden von ihm   Birmingham Symphony Orchestra, BBC             entstand bereits in der letzten Saison.
 uraufgeführt. Daneben gilt sein künst-      Symphony Orchestra, Santa Cecilia Or-
 lerisches Interesse der historischen Auf-   chestra, Finnish Radio Symphony, Royal
 führungspraxis; virtuoses Repertoire wie    Stockholm Philharmonic, Israel Philhar-
 Paganini, Locatelli oder Leclair schmü-     monic, Singapore Symphony Orchestra,
 cken seine Konzertprogramme. Zu Beginn      den Wiener Symphonikern sowie dem
 des Jahres erfolgte die Uraufführung sei-   Mahler Chamber Orchestra.
 nes Arrangements von Beethovens Dia-
 belli-Variationen.                          Play-Conduct-Projekte führten ihn jüngst
                                             mit dem Australian Chamber Orchestra,
                                             Franz Liszt Chamber Orchestra, CAME-
                                             RATA BERN und dem Ensemble Resonanz
                                             zusammen. Für seine mit dem Diapa-
                                             son d’Or und dem Gramophone Editor’s
                                             Choice Award prämierte Einspielung von
                                             Locatellis L’Arte del violino leitete er das
                                             Finnish Baroque Orchestra ebenfalls vom
                                             Pult aus. Als Kammermusiker arbeitet er
                                             mit Künstlern wie Yuri Bashmet, Itamar
                                             Golan, Peter Laul, Nicolas Altstaedt,
                                             Andreas Ottensamer und Jörg Widmann
                                             zusammen und ist ausserdem Primarius
                                                                                                        Ilya Gringolts
                                                                                                          © Kaupo Kikkas
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                                                                                                                                          13
Liberté égalité musicalité - CAMERATA BERN Ilya Gringolts So 7.11.2021 - 17.00 Uhr Konservatorium Bern
Richard Henschel
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                                                                                                 Nach mehreren Lehrjahren im Jugend-
                                                                                                 ensemble des Brandenburger Thea-
                                                                                                 ters absolvierte Richard Henschel sei-
                                                                                                 ne Schauspielausbildung an der École
                                                                                                 internationale de théâtre LASSAAD in
                                                                                                 Brüssel. An kleineren und grösseren
                                                                                                 Häusern arbeitet er als Gast, unter an-   Immer wieder arbeitet er in freien Pro-
                                                                                                 derem am Staatstheater Wiesbaden,         duktionen, beispielsweise mit AKHE –
                                                                                                 am Zimmertheater Tübingen, im Neuen       St. Petersburg, Jerôme Bel, AernoutMik,
                                                                                                 Theater Halle, in der Kaserne Basel, im   Rikrit Tiravanija, Knut Remond, Britta
                                                                        Gabrielle Brunner
                                                                        © Lisa und Remo Ubezio   Gostner Hoftheater Nürnberg, in den       Pudelko, Franziska Henschel und Lau-
                                                                                                 Sophiensäle Berlin und im Tojo Bern.      rent Gröflin. Von 2007 bis 2018 war
 Gabrielle Brunner                                                                                                                         Richard Henschel festes Ensemble-
 Composer in Residence                                                                                                                     mitglied beim Internationalen Ton Und
                                                                                                                                           Kirschen Wandertheater mit weltweitem
 Gabrielle Brunner ist im In- und Ausland    Die Zusammenarbeit mit György Kurtág                                                          Tourneebetrieb. Sein Regiedebut feierte
 sowohl als Interpretin (Violine) als auch   und unzählige Ur- und Erstaufführungen                                                        er 2019 mit Unter falschen Brüdern (UA)
 als Komponistin tätig. Sie wuchs in einer   bildeten den Grundstein für ihren späte-                                                      im Theater Matte, Bern. Seit 2019 ist er
 Schweizer Musikerfamilie in München         ren kompositorischen Weg, der mit dem                                                         zudem Dozent für Schauspiel an der Hö-
 auf und wurde früh durch ihren Vater,       Studium für Komposition bei Daniel Glaus                                                      heren Fachschule für Zeitgenössischen
 den Klarinettisten Eduard Brunner, be-      2007–2009 in Zürich seinen Anfang nahm.                                                       und Urbanen Bühnentanz in Zürich.
 sonders mit der zeitgenössischen klas-      Seither schrieb sie zahlreiche Auftrags-
 sischen Musik vertraut. Bis zum Abitur      kompositionen, u. a. für das Lucerne
 war sie Schülerin der Geigerin Ana Chu-     Festival, das Musikfestival Bern, für die
 machenko. Nach dem Studium bei Max          CAMERATA BERN, das Berner Kammer-
 Rostal und Eva Zurbrügg besuchte sie die    orchester, das Ensemble Proton, das En-
 Meisterklasse von Igor Ozim.                semble Zora, das Ensemble Montaigne,
                                             für das Spyros Klaviertrio und für die Kir-
                                             che Pilgerweg Bielersee.

                                                                                                                                             Richard Henschel
                                                                                                                                             © Hitzigraphy
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                                                                                                                                                                                  15
CAMERATA BERN                                         Preisverleihung
                                                       Stiftung Freiheit und
 Ilya Gringolts
 Leitung und Violine                                   Menschenrechte
 1. Violine                        Viola
 Ilya Gringolts                    Manuel Hofer        Periodisch verleiht die in Bern ansässige
 Suyeon Kang                       Alejandro Mettler   Stiftung für Freiheit und Menschenrechte
 Hyunjong Reents-Kang              Friedemann Jähnig   einen Preis an Persönlichkeiten oder Or-
 Claudia Ajmone-Marsan                                 ganisationen, die sich in besonderer Weise
                                   Cello               für die grundlegenden Freiheits- und Men-
 2. Violine                        Thomas Kaufmann     schenrechte einsetzen und dafür grosses
 Michael Brooks Reid               Beatriz Blanco      persönliches Engagement an den Tag legen.
 Sibylla Leuenberger
 Christina Merblum-Bollschweiler   Kontrabass          Preisträgerin 2021
 Vlad Popescu                      Käthi Steuri        Nusreta Sivac, Friedensaktivistin für die
                                                       Rechte der Opfer in Bosnien und Herze-
                                   Cembalo             gowina und weltweit
                                                                                                                                   Nusreta Sivac
                                   Eriko Wakita                                                                                        © Amel Emric

                                                       «Meine Arbeit ist dem Kampf für die Wahr-
                                                       heit und Gerechtigkeit gewidmet, ins-
                                                       besondere den Frauen, die Gewalt wie in
                                                       Bosnien und Herzegowina so auch welt-        Während des Bosnienkriegs fanden viele
                                                       weit erlebt haben.» Nusreta Sivac, 2021      Kriegsverbrechen und Vergewaltigungen
                                                                                                    statt. Mit Nusreta Sivac wird 2021 eine
                                                                                                    Frau geehrt, die sich seit 1992 aktiv für die
                                                                                                    Vergewaltigungsopfer und die Aufklärung
                                                               STIFTUNG FREIHEIT
                                                               UND MENSCHENRECHTE                   der Kriegsverbrechen einsetzt. Sie hat
                                                                                                    dazu beigetragen, dass Vergewaltigungen
                                                                                                    während des Krieges als Kriegsverbrechen
                                                                                                    nach internationalem Recht anerkannt
                                                                                                    wurden. Durch ihren Mut, ihre Geschichte
                                                                                                    zu erzählen, durchbrach sie das Schwei-
                                                                                                    gen und die Stigmatisierung der sexuellen
                                                                                                    Gewalt.

         CAMERATA BERN
              © Julia Wesley
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                                                                                                                                                  17
Nächste Konzerte und
                                                      Veranstaltungen
                                                       Pink Panther und die                       Saitenzeiten
                                                      ­verschwundene Musik
                                                      Familienkonzert, ab ca. fünf Jahren         Sonntag, 13. Februar 2022 — 17.00 Uhr
                                                                                                  Bern, Zentrum Paul Klee
                                                      Sonntag, 21. November 2021 —                —
                                                      14.00 und 16.00 Uhr                         Rainer Schmidt – Leitung und Violine
                                                      Bern, Aula Progr                            Werke von Haydn, Brunner und Brahms
                                                      —
                                                      Michael Bollin – Konzept und Programm
                                                      Eine Geschichte mit Musik von Mancini,      Geister-Variationen
                                                      Tschaikowski, Anderson und Weiteren
Impressum                                                                                         Donnerstag, 10. März 2022 — 20.00 Uhr
                                                                                                  Grenoble, MC2
Redaktion                                             Herzbeben                                   Sonntag, 13. März 2022 — 17.00 Uhr
CAMERATA BERN                                                                                     Bern, Casino Bern
                                                      Sonntag, 12. Dezember 2021 — 17.00 Uhr      —
Lektorat                                              Bern, Zentrum Paul Klee                     Patricia Kopatchinskaja – Konzept,
Seidel – Lektorat & Text, Bern                        —                                           Leitung und Violine
                                                      Antje Weithaas – Leitung und Violine        Werke von Schütz, Brunner, Schumann
Gestaltung                                            Werke von Mendelssohn Bartholdy,            und Weiteren
diff. Kommunikation AG, Bern                          Weinberg und Beethoven

Druck                                                                                             Nach(t)schicht
Tanner Druck AG, Langnau                              Two Holy Trinities
                                                                                                  Samstag, 7. Mai 2022 — 19.30 Uhr
                                                      Sonntag, 9. Januar 2022 — 17.00 Uhr         Bern, Theatersaal National
Änderungen vorbehalten                                Bern, Zentrum Paul Klee
                                                      —                                           —
                                                      Steven Isserlis – Leitung und Violoncello   Reto Bieri – Gastgeber,
                                                      Werke von Bach, Haydn, Mozart               Klarinette, Leitung, Konzept
                                                      und Weiteren                                Lara Stanic – Audio-Design,
                                                                                                  Tonspur, Radio Nachtschicht
Danke                                                                                             Markus Güdel – Licht-Design
                                                                                                  Werke von Adams, Golijov,
                                                                                                  Beethoven und Weiteren
                                                      Weitere Konzerte und Informationen
                                                      finden Sie unter

                                 STIFTUNG FREIHEIT
                                 UND MENSCHENRECHTE
                                                      cameratabern.ch

                                                                                                                                          19
IN FLAGRANTI
«Wenn wir ein neues
Kapitel aufschlagen.»
Die Berner Privatkundenbank
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