LICHTBLICK DIE ELTERNHAUS-ZEITUNG 2021 - ELTERNHILFE FÜR DAS KREBSKRANKE KIND GÖTTINGEN E.V.
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In meinem Haus, da wohne ich, da schlafe ich, da esse ich. Und wenn du willst, dann öffne ich die Tür und lass dich ein. In meinem Haus, da lache ich, da weine ich, da träume ich. Und wenn ich will, dann schließe ich die Tür und bin allein. Gina Ruck-Pauquèt 33. Elternhaus Zeitung Impressum Herausgeber Verwaltung: Elternhilfe für das krebskranke Kind Göttingen e.V. Tel: 0551 / 37 44 94 c/o Elternhaus an der Universitätskinderklinik Göttingen Fax: 0551 / 37 44 95 Am Papenberg 9 37075 Göttingen Psychosoziales Team Elternhaus: Redaktion: Tel: 0551 / 50 31 20 Moritz Brummer, Julia Dolle, Sandra Faust, Otfried Gericke, Nachsorge: Dagmar Hildebrandt-Linne Tel: 0551 / 50 31 211 Layout: verwaltung@elternhaus-goettingen.de Micky Bartl / micosy.com www.elternhaus-goettingen.de 2
VORWORT Liebe Leserinnen, liebe Leser, wenn Sie den „Lichtblick“ regelmäßig erhalten, waren Sie sicher über- rascht, als Sie die neue Ausgabe in Händen hielten. Seit 20 Jahren ist der „Lichtblick“ in immer gleicher Aufmachung erschienen. Da wurde es Zeit für ein neues Gesicht. Ob es Ihnen gefällt? Allerdings hat unsere Entscheidung auch eine bittere Seite. Unser Grafiker Frank Hoppe, der diese Zeitschrift so lange gestaltet hat, ist schwer erkrankt und kann seine Arbeit zurzeit nicht fortsetzen. Wir möchten ihm auch auf diese Weise für seine immer wieder kreativen Ideen für die Gestaltung des „Lichtblicks“ ganz herzlich danken. In Micky Bartl haben wir eine Nachfolgerin gefunden, die uns mit ihren neuen Vorschlägen überzeugt hat. Und so zeigt sich der „Lichtblick“ im ganz neuen Gewand und auch inhaltlich gibt es neben den typischen Rubriken auch besondere Schwerpunkte in dieser Ausgabe. Noch eine persönliche Bemerkung: Sie finden in dieser Ausgabe den Abschiedsbrief von Erika Söder. Sie hat fast 30 Jahre als psychosoziale Fachkraft die Arbeit des Teams im Elternhaus ganz entscheidend ge- prägt. Wir verdanken ihr viel, insbesondere die Arbeit mit verwaisten Fa- milien, Eltern und Geschwistern. Und sie war es auch, die 1996 die Idee für eine Elternhauszeitung hatte und seitdem entscheidenden Anteil an der inhaltlichen Gestaltung hatte. Ganz herzlichen Dank, liebe Erika Sö- der!! In der kommenden „Lichtblick“-Ausgabe werden wir noch einmal einen Rückblick über ihre Tätigkeit über all die Jahre hinweg geben. Natürlich hat Corona auch die Arbeit im Elternhaus und darüber hin- aus in den letzten 12 Monaten deutlich eingeschränkt. Lesen Sie dazu die Berichte von Dagmar Hildebrandt-Linne auf S. 13 und von Moritz Brummer auf S. 11. Wir sind jedoch froh, dass wir bis jetzt das Haus offen lassen konnten, wenn auch nur für deutlich weniger Familien. Auch in Coronazeiten tut sich Neues: So hat sich ein „Arbeitskreis schwerkranke Kinder“ gebildet, zu dem sich verschiedene Elternvereine und andere Einrichtungen, die sich um schwerkranke Kinder kümmern, zusammengeschlossen haben. Es hat schon eine erste gemeinsame Aktion gegeben. Für dieses Jahr sind weitere geplant. Vielen Dank an Sina für die Ausarbeitung einer Seite, die speziell für betroffene Kinder und Jugendliche gestaltet ist. Eine wunderbare Idee! Auf der onkologischen Kinderstation 4031 hat eine neue Fachärztin ihre Arbeit aufgenommen. Sie können sie beim Interview auf S. 50 ken- nen lernen. Darüber hinaus finden Sie wieder Berichte von betroffenen Eltern, einen Überblick über Aktionen für das Elternhaus, aktuelle Infor- mationen über unsere Netzwerkpartner und vieles andere. Wir wünschen Ihnen, dass Sie gut durch die Coronakrise kommen. Herzliche Grüße, Ihr Redaktionsteam 3
Inhaltsverzeichnis Erfahrungsberichte Gestrandet in Göttingen 6 Brief von Fam. Osmanaj 7 4 Wochen ein neues Zuhause gefunden 8 Dieser Reichtum 10 Das Elternhaus Die Coronakrise im Elternhaus 11 Ein starkes Team 13 Rückmeldebogen Elternhaus 14 Abschiedsbrief Erika – Ein letztes Mal 17 Interview Abschied Marianne Ahlborn 20 Dienstjubiläum Marion Bellmann 22 Kurz notiert 26 Die Nachsorge Von der Kunst sich überflüssig zu machen 23 Das Wochenende für verwaiste Familien 24 Kinder- und Jugendseite Die Kinderseite von Sina 32 Buchrezension „Freischwimmen“ 34 Das Ehrenamtsteam Vielleicht 35 Gesichter des Ehrenamtsteams 37 4
Inhaltsverzeichnis Aktionen Regenbogenfahrt 2020 38 Kinderkrebstag 39 Lichterlaufwoche 42 Netzwerkpartner Kinderklinik: Das Psychosoziale Team 44 Klänge zur Entspannung – Musiktherapie 45 Der Dachverband der Elternvereine 47 Arbeitskreis schwerkranke Kinder und Jugendliche 48 G-CCC-Spitzenzentrum 49 Das Interview Frau Dr. Sinning 50 Spendenaktionen Förderpenny 52 Aktionen in Coronazeiten 53 weitere Spendenaktionen 57 Verschiedenes Unser Ferienhaus 64 Aufgabenbereiche der Elternhilfe 65 So können Sie uns helfen 66 Beitrittserklärung 67 Der Vorstand 68 Das Team im Elternhaus 70 5
ERFAHRUNGSBERICHTE Gestrandet in Göttingen FAMILIE GÜDESEN Strand klingt gut. In der Tat waren Als dann nach ein paar Tagen Bo nach unsere Koffer schon gepackt. Anfang Göttingen kam, um in unserer Nähe zu Juli wollten wir an die Ostsee und ein sein, fing auch für das Elternhaus ein bisschen Auszeit genießen. Aber es neues Kapitel an. Ein anderer Junge kam anders. wurde schnell Bos Spielkamerad, mit „Ich habe leider keine guten Nach- dem er das Spielzimmer auf den Kopf richten für Sie.“ Bei diesem Satz denkt stellte oder im Garten herumflitzte. man doch eher an einen schlechten Aber irgendetwas fehlte… Genau, das Film. Aber genau das sagte der Neuro- Sandspielzeug. Das war seit Beginn loge, der für unseren Sohn Tomte ein des ersten Lockdowns im Schuppen MRT veranlasst hatte. Um herauszu- verstaut. Nun war es an der Zeit, die finden, woher seine Entwicklungsverzö- verstaubten Kisten herauszuholen. Für gerungen kamen. Wir haben mit vielem Moritz Brummer war das ein bewegen- gerechnet, aber nicht mit einem Hirn- des Erlebnis und die Kinder waren nicht tumor. Von jetzt auf gleich wurden wir mehr zu halten. aus unserem bisherigen Leben katapul- tiert. Statt im Auto ans Meer ging es mit dem Rettungswagen nach Göttingen in die Uniklinik. Dort saß ich nun mit unserem zehn- Für Gerrit und Bo hieß es Ende Juli, in monatigen Tomte. Die großen Jungs, das alte Leben zurückzukehren. Wir mein Mann Gerrit und unser Dreijäh- hatten da ja auch noch ein Haus, das riger Sohn Bo, waren noch zu Hause. saniert werden wollte. Im Kindergar- In Windeseile musste umorganisiert ten sei es fast genauso schön wie im werden. Freunden überließen wir unse- Elternhaus, meinte Bo. Er fragte noch re Ferienwohnung, Bo wurde von den lange nach seinem Kumpel Feyssal, im Großeltern abgeholt. Gerrit griff ein Kinderzimmer hängen Fotos von den paar unserer Reisetaschen und kam zu beiden an der Wand. Tomte und mir nach Göttingen. Tomte und ich waren noch häufig auf Wir können von Glück sprechen, dass Station 4031. Jedes bekannte Gesicht im Elternhaus Platz für uns war und vor der Tür, jedes kurze Gespräch mit nicht, wie befürchtet, Aufnahmestopp Für Bo war die Zeit im Elternhaus wie anderen Bewohnern des Elternhauses, wegen Corona. Ein paar Tage war Gerrit Urlaub. Genau das hat mir die meiste jedes „Zwischendurch-Drüben-Hallo- allein in unserer zur Verfügung gestell- Kraft und Trost geschenkt. Nach und Sagen“ hat die Zeit angenehmer ge- ten Wohnung, besuchte uns auf Station nach wurden auch die Kontakte zu den macht und uns das Gefühl gegeben, in - oder wir verbrachten gemeinsame anderen Bewohnern offener und gesel- dieser schwierigen Situation stärkende Auszeiten im idyllischen Innenhof. Die liger. Natürlich hatten alle die notwen- Weggefährten zu haben. Gespräche mit den Mitarbeitern und digen Abstands- und Hygieneregeln im Somit hatten wir dieses Jahr zwar anderen Bewohnern haben uns gutge- Kopf, aber wir genossen umso mehr die keinen Strand, dafür aber unzählige tan und schnell für eine vertraute Um- wieder aufblühenden Rituale des ge- Sandkörner der Hoffnung und des Mut- gebung gesorgt. meinsamen Kochens und Essens. machens. Dafür sind wir ewig dankbar. 6 ERFAHRUNGSBERICHTE
ERFAHRUNGSBERICHTE 4 Wochen ein neues Zuhause gefunden, vor allem im Lockdown FAMILIE DRENGK Am Samstag, dem 7. März 2020, wur- dem Auto auf den Weg nach Göttin- so immer in der Nähe unseres Sohnes de unser Sohn Justus, sechs Wochen gen. Dort angekommen, mussten erst- sein. Die erste Nacht verbrachte ich zu früh, im St. Ansgar Krankenhaus in mal sehr viele Dokumente ausgefüllt noch allein in Göttingen, fühlte mich Höxter geboren. Bei meiner Frau hat- werden. Dabei fragte mich eine nette aber im Elternhaus sehr gut aufgeho- te eine schnell eskalierende Schwan- Schwester von der Station 133, ob ich ben. gerschaftsvergiftung eingesetzt und denn schon wüsste, wo ich übernach- Am nächsten Nachmittag kam auch nachmittags wurde Justus per Kai- ten werde. Damit hatte ich mich noch meine Frau aus Höxter und Justus serschnitt geholt. Gegen 21 Uhr – wir gar nicht beschäftigt. Sie erzählte mir, Operation am Mittwoch war glückli- waren gemeinsam bei unserem Sohn dass es hier nebenan ein Elternhaus cherweise auch sehr erfolgreich. Jetzt gewesen und ich wollte mich gerade gibt und sie dort mal nachfragen wird, hieß es Ruhe bewahren und auf eine verabschieden – sollte ich nochmal auf ob sie noch ein Zimmer für mich frei gute Genesung in den folgenden Wo- die Frühgeborenen-Station kommen. haben. Keine zwei Minuten später kam chen hoffen. In den ersten Tagen war Man hatte bei Routineuntersuchungen sie wieder zu mir und sagte, dass das auch alles noch „normal“. Wir konnten festgestellt, dass seine Speiseröhre Elternhaus noch ein Zimmer frei hätte, nach einem stärkenden Frühstück, das nicht mit dem Magen verbunden war. ich müsste mich aber beeilen, da für wir uns in der Küche des Elternhauses Diese Diagnose kam für uns aus dem heute nur noch zehn Minuten jemand hergerichtet haben, dann gemeinsam Nichts und wir konnten die vielen Er- da sei und ansonsten könnte ich erst in die Klinik gehen. Dort hatte die Men- eignisse in den wenigen Stunden erst- morgen nochmal nachfragen. Ich ging sa noch geöffnet und wir haben im mal nicht verarbeiten. Dank der lieben also sofort rüber und klingelte am El- Kiosk einen kleinen Minihubschrauber Schwestern im Krankenhaus durfte ich ternhaus. als Erinnerung für Justus ersten Flug die Nacht bei meiner Frau bleiben. Da Es öffnete mir Herr Brummer und gekauft. Diese alltäglichen Dinge halfen ahnte noch niemand, dass wenige Tage bat mich herein. Er muss wohl sofort sehr, die Situation zu verkraften zwi- später so etwas unmöglich wäre. Am gemerkt haben, dass ich sehr nervös schen Milchpumpe und Inkubator. nächsten Tag wurden wir dann über und mit meiner Situation überfordert Aber schon wenige Tage später kam die Folgen aufgeklärt: Justus sollte am war. Er bot mir einen Tee an und ich dann der erste Lockdown. Plötzlich Montag, 9. März nach Göttingen ge- musste ihm erstmal unsere Geschichte mussten wir einen Fragenkatalog am bracht und dort dann operiert werden. erzählen. Anschließend zeigte mir Herr Eingang der Klinik beantworten und es Am Montagmorgen wurde Jus- Brummer das Haus und erklärte mir wurde die Temperatur gemessen. Wir tus zum Hubschrauber gebracht und die Hausordnung. Wir konnten ein Ein- durften dann nur noch getrennt in die gegen 10.30 Uhr machte ich mich mit zelzimmer mit Beistellbett haben und UMG. Zwischendurch hieß es, es darf 8 ERFAHRUNGSBERICHTE
ERFAHRUNGSBERICHTE überhaupt nur noch einer zu unserem sich strikt an die Anwei- Sohn, wobei wir einfach froh waren, sungen zu halten und mög- dass Kinder weiter besucht werden lichst keinen Kontakt unter- dürfen. Aber man war zusätzlich zu der einander zu haben, um das Situation sehr angespannt, weil man Elternhaus geöffnet lassen nicht wusste, welche Regeln der nächs- zu können. Wir waren so- te Tag bringen würde. undso schon so dankbar, Nach einigen Tagen wurden die Mas- dass wir im Elternhaus wohnen konn- wir im Innenhof einen Kaffee getrunken ken knapp und auf den Toiletten der ten und nicht in ein Hotel mussten. haben, war man wie für sich alleine, Klinik war auf einmal das Desinfekti- Nun im Lockdown hätte es die Option keine störenden Geräusche, die Sonne, onsmittel weg. Die Mensa wurde für Ex- einer anderen Übernachtung gar nicht wenn sie dann schien, wärmte einen terne geschlossen, genauso wie vieles gegeben. Wir haben oft an die Familien und man konnte die Sorgen vergessen. andere. Und man hatte einfach Angst, gedacht, denen solch eine Situation Wir hatten sehr viel Glück. dass man sich erkältet und nicht mehr während des Lockdowns passiert und Mit unserem Sohn, dass alles gut ge- zu unserem Sohn dürfte. die Einschränkungen diese noch viel gangen ist und er sich bis jetzt prächtig Auch im Elternhaus änderte sich komplizierter machen. entwickelt. fast alles. Die von den Ehrenamtlichen Dank der Disziplin aller und der guten Mit der Tatsache, dass wir beide die organisierten Kochabende wurden ab- Organisation konnte das Elternhaus ge- ganze Zeit gemeinsam in Göttingen gesagt, es durfte sich nur noch eine öffnet bleiben. sein konnten. Familie in der Küche aufhalten. Keiner Wir haben uns im Elternhaus sehr Mit dem Elternhaus, das uns so nett wusste, was auf uns zukam: Kann das wohl gefühlt und für uns war es ein aufgenommen hat und uns das Gefühl Elternhaus auf bleiben oder muss es Rückzugsort, an dem wir abschalten, gab, zu Hause zu sein. geschlossen werden? Darf die Küche Kraft sammeln und uns auch gegensei- Ganz liebe Grüße und noch einmal weiter benutzt werden? Darf man die tig wiederaufbauen konnten. vielen Dank an Alle Waschmaschinen benutzen? Reicht Alle Mitarbeiter des Hauses waren Familie Justus, Sonja und Bernd das Toilettenpapier? immer sehr herzlich und hatten ein Drengk Die Hausleitung bat alle Bewohner, paar freundliche Worte für uns. Wenn ERFAHRUNGSBERICHTE 9
Dieser Reichtum M A NUEL A LIEBSCHER Es gibt etwas auf dieser Erde, das man Ich weiß noch, dass ich in den ersten Sie haben sich die Zeit mit mir genom- nicht mit allem Gold und Geld bezahlen Wochen mit niemandem reden wollte men viel geredet und mit mir viel durch- kann, die größten Diamanten wiegen es und ich lief immer mit gesenktem Kopf gestanden und überstanden. Darum: nicht auf. Alles scheint wertlos zu sein, durch die Gegend. Händchenhalten war Was Sie hier leisten und schaffen ist wenn man das Elternhaus mit dem ein Gewinn für mich in meinem Herzen nicht selbstverständlich und keines- Team kennen lernen durfte. Ich durfte und Kraft für meinen Sohn Andy. wegs bloße Pflicht. Ihre Hilfe war sehr dieses Glück in dem Moment erfahren, groß und tröstlich, darum ein ganz be- in dem es bei uns am Schwersten war. Es ist in dieser stressigen und sehr sonders herzliches Jeder Aufenthalt in der Klinik war eine schnellen Welt nicht selbstverständ- DANKESCHÖN Zerreißprobe und auch immer mehr ein lich, dass man so ein Zuhause auf Zeit von ganzem Herzen. Abschied von meinen Sohn, aber ohne geschenkt bekommt. Gerade wenn Ihr Tun hätte ich diesen Weg nicht so man mit der Last auf der Schulter, mit Ich werde Sie vermissen, Ihre Hilfe war durchstehen können. All die Unterstüt- den Gedanken im Kopf und mit dem mir sehr viel wert. zung, Gespräche und immer ein offe- Schmerz im Herzen so alleine steht In Erinnerung an die gemeinsame Zeit, nes Ohr haben mir in den letzten drei ,wie ich gestanden habe, weiß man Andy hat sich bei Ihnen im Garten auch Jahren mehr Stärke gegeben, als ich in das Elternhaus sehr zu schätzen. Am immer sehr wohl gefühlt. mir gesehen habe. Anfang war ich sehr schüchtern, aber Ihre dankbare Frau Manuela Liebscher mit jedem Aufenthalt – und die wurden und R.I.P Andy immer häufiger – wurde ich auch offe- ner und fühlte einfach diese Wärme des Hauses und ich fühlte mich nicht mehr so alleine. Auf einmal bist du nicht mehr da, Und immer sind da und keiner kann‘s versteh‘n. Spuren deines Lebens, Im Herzen bleibst du uns ganz nah Gedanken, Bilder und Augenblicke. bei jedem Schritt, den wir nun geh‘n. Sie werden uns an dich erinnern, Du bist nicht mehr da, wo du warst, uns glücklich und traurig machen aber du bist überall, wo wir sind. und dich nie vergessen lassen. 10
DAS ELTERNHAUS Wie die Corona-Krise für einige Monate das Herz des Elternhauses hat abkühlen lassen MORITZ BRUMMER Im Elternhaus zu arbeiten hat schon niken kamen, als in den Jahren zuvor. such (nicht einmal der Vorstand) das immer eine besondere Aufmerksam- Natürlich mussten sich neben unserem Elternhaus betreten. Wir wollten unbe- keit und Achtsamkeit beim Thema Team alle Eltern im Elternhaus an die dingt dafür sorgen, dass sich die im El- Hygiene und Sauberkeit gefordert. Abstandsregelungen halten, wodurch ternhaus wohnenden Eltern sicher und Somit gibt es schon im normalen All- über Monate keine wirkliche „Hausge- wohl fühlen, Beratungen in der Nach- tag unserer Arbeit immer mal wieder meinschaft“ entstehen konnte. Dies ist sorge und alle weiteren Aktivitäten wie Mund-Nasen-Schutz, klare Vorsicht eigentlich typisch im Elternhaus, dass Freizeiten, Wochenenden für verwaiste im Umgang mit möglichen Anste- Eltern sich gegenseitig kennen lernen, Geschwister oder Familien, mussten ckungen durch Erkältungen und auch Kontakte halten, sich gegenseitig unter- ausfallen. Wir haben zwar nach Alter- Rücksicht bei der Ansammlung von stützen und einfach in ähnlichen Erfah- nativlösungen außerhalb des Eltern- Menschenmengen. Wir sind gut ge- rungen voneinander verstanden fühlen. hauses gesucht, jedoch keine wirklich schult mit sensiblen Personengrup- Doch für Monate huschten die Familien befriedigenden gefunden. pen angemessen Kontakt oder auch in vorsichtig durch die Küche und die Gän- Von dem, was das Elternhaus eigent- ihrem Sinne bewusst keinen Kontakt ge, manche waren nur bei An-und Ab- lich ausmacht, ist letztendlich für Mo- zu haben. reise zu sehen. nate nur noch das reine Wohnen übrig Als wir im März 2020 dann die Nach- geblieben. richt bekommen haben, dass behörd- Von dem, was das Zwar ist das zunächst die wichtigs- liche Regelungen im Umgang mit Co- te Funktion des Elternhauses, dass Elternhaus eigentlich rona umgesetzt werden sollen, klang Eltern während der Behandlung in den dies zunächst nach gar nicht so großen ausmacht, ist letztendlich Kinderkliniken in der Nähe ihrer Kinder Veränderungen. In der konkreten Um- für Monate nur noch das bleiben können. Das, was das Eltern- setzung gestaltete sich dies jedoch reine Wohnen geblieben. haus jedoch für die meisten Familien nicht nur als recht kompliziert, weil die zu solch einem besonderen Ort macht, Vorgaben der Behörden, aber auch der hat jedoch mit Nähe, Zusammenkom- Kinderkliniken, sich in kurzen Abstän- Für unser Team mussten wir durch men, Austausch und Herzlichkeit zu den veränderten. Es wurde auch deut- unsere räumlichen Begrenzungen in tun – alles Dinge, die in dieser Zeit ein- lich, dass die Corona-Regelungen unse- ein Arbeitsmodell wöchentlich wech- fach nicht oder einfach nur ganz an- ren Arbeitsalltag und das Elternhaus in selnder Teams in allen Bereichen um- ders möglich waren. seinen wesentlichen Werten und auch schalten. So arbeitete in der Verwal- Zum Glück kamen in dieser Zeit im- Funktionen eingeschränkt hatten. tung, dem psychosozialen Team und in mer mehr Erkenntnisse über das Co- Konkret bedeutete dies zunächst, der Hauswirtschaft jeweils eine Person rona-Virus zusammen und so konnten dass wir nur noch die Hälfte aller Zim- pro Woche, gewechselt wurde dann am wir in Zusammenarbeit mit dem Ge- mer vergeben konnten, um im Haus kommenden Montag. Das hieß auch, sundheitsamt im Juli gemeinsam mit (vor allem in der Küche) die Abstandsre- dass wir im Haus weniger präsent wa- den Kinderkliniken einige Dinge ver- gelungen möglich zu machen. Dies war ren und in der Konsequenz viel weniger ändern. Unter Einhaltung aller Corona- zunächst ohne weiteres umsetzbar, vor für Beratungen angefragt wurden. Dies Regelungen konnten wir wieder mehr allem weil auch in den Frühlingsmona- war auch besonders in der Nachsorge Familien aufnehmen, Beratungen im ten 2020 wegen Corona viel weniger zu spüren, denn in den ersten Monaten Elternhaus stattfinden lassen und so- Zimmeranfragen von den Kinderkli- der Corona-Krise durfte keinerlei Be- gar einige Aktivitäten, wie eine Escape- DAS ELTERNHAUS 11
DAS ELTERNHAUS Room-Tour durch Göttingen, machen. Zeit der Pandemie. Dies werden wir in Das wöchentliche Mittagessen konnte den nächsten Monaten und Jahren se- wieder angeboten werden und dort hen. Es war jedoch schön zu sehen, wie wurde spürbar, wie groß das Bedürfnis wir in all den Monaten nur verständnis- nach Austausch und Nähe ist. volle und rücksichtsvolle Eltern im El- Ein magischer Moment war, als ternhaus erleben durften. Unser Team uns nach Monaten der „Funkstille“ im hat es gut geschafft, durch diese Krise Elternhaus, ein Vater morgens beim zu gehen, wir haben schnell und klar re- Frühstück nicht nur erzählte, wie es sei- agiert, konnten uns so sicher, auch für nem Kind ging, sondern auch von den die Familien sicher, fühlen. Kindern der anderen Familien im Haus. Mit Blick in die Zukunft würde ich Es zeigte sich, wie die Familien wieder mir wünschen, dass dieser Text hier in den Austausch kommen und, bei Ein- in der Tat ein Rückblick ist, auf eine haltung aller Corona-Regelungen, das Zeit, in der auf spezielle Art und Wei- Elternhaus für mehr als nur das Woh- se spürbar wurde, was das Elternhaus nen nutzen. mit all seinen Facetten so besonders Zum Zeitpunkt des Schreibens (Sep- macht. tember 2020) dieses Artikels können wir noch gar nicht sagen, ob dieser Text eigentlich ein Rückblick ist oder nur ein Ausschnitt aus einer langanhaltenden 12 DAS ELTERNHAUS
DAS ELTERNHAUS Ein starkes TEAM Elternhausteam, Vorstandsteam und Ehrenamtsteam in Zeiten der Pandemie DAGM AR HILDEBRANDT-LINNE An dieser Stelle möchte ich Ihnen, lie- schränkte die Begleitung der Familien Ich denke, nun können Sie erahnen, vor be Leser*innen, einen kleinen Einblick stark ein, was überhaupt nicht unserer welchen Herausforderungen der eh- in die personelle Situation des letzten eigentlichen Haltung entsprach, und renamtliche Vorstand der Elternhilfe Corona-Jahres geben. schließlich begleitete uns immer auch stand, als er dem Elternhaus fernblei- Mitte März 2020 mussten wir von die Sorge vor Ansteckung. Auch sollte ben und die alltäglichen Geschäfte mit jetzt auf gleich mit einer gehörigen das letzte Arbeitsjahr von Erika Söder der dazugehörigen Verantwortung der Portion Unwissen- und Unsicherheit vor Rentenbeginn besonders schön ge- Geschäftsführung überlassen musste. den Elternhausbetrieb herunterfahren. staltet werden. Dennoch ist es erstaun- Krisen dieser Art und dann in der Mit Hilfe eines starken Teams und der lich, welche Möglichkeiten, vor allem noch nie dagewesenen Schwere und guten Zusammenarbeit mit der UMG digital, wir in verschiedenen Bereichen Länge können nur mit Menschen, die und dem Gesundheitsamt, die uns ins- erkannt haben und erfolgreich umset- einander vertrauen und füreinander ein- besondere in den Anfangszeiten sehr zen konnten. stehen, gemeistert werden. Das ist uns geholfen hat, sind wir bis heute gut Unser aktives und aus knapp 30 en- im Elternhaus gemeinsam mit Bravour und sicher durch die Krise gekommen. gagierten Menschen bestehende Eh- gelungen. Seit April 2020 arbeitet das Elternhaus- renamtsteam befindet sich ebenfalls Daher ist es mir persönlich ein gro- team in Kurzarbeit, Schichtbetrieb und bis dato im Teil-Lockdown und sehnt ßes Anliegen, mich bei meinen Kollegin- Homeoffice. Die Kolleginnen und Kolle- sich nach den Aktivitäten für die Eltern- nen und Kollegen, beim Vorstand, beim gen sehen sich teilweise über Monate hilfe, vor allem auch die persönliche Ehrenamts- und Lichterlauf-Orgateam nicht persönlich. Vorstandssitzungen, Nähe zum Elternhaus. An dieser Stel- für das Vertrauen, das herausragende Gesamtteamsitzungen, Ehrenamtstref- le sei all unseren ehrenamtlichen Mit- Engagement, das Fernbleiben, das Mit- fen, Spendenübergaben mit Gruppen, arbeiter*innen herzlich gedankt für die machen und für die hohe Akzeptanz Hausführungen, öffentliche Veranstal- köstliche kulinarische Versorgung an der doch sehr strengen Maßnahmen- tungen, .... all das kann bis heute nicht drei Wochentagen und den hunderten regelungen zu bedanken. persönlich stattfinden. selbstgenähten Alltagsmasken für die Ich bin sehr stolz darauf, ein Teil Wie auch viele andere Menschen im Elternhaus lebenden Familien. Dan- dieser starken Teams zu sein, und bin arbeitet das hauptamtliche Elternhaus- ke für jeden bemalten Stein, für jeden sicher, wir kommen gemeinsam und team seit Beginn der Pandemie unter von 1.000 aufgefädelten Kranichen, wohlbehalten am Ende der Pandemie extrem hoher emotionaler Belastung. die Gestaltung des Blumenbeetes, vor an! Die Infektionszahlen und die damit ver- allem aber Danke für die guten Gedan- bundenen Maßnahmen änderten sich ken und Wünsche in dieser herausfor- ständig, das coronabedingte Arbeiten dernden Zeit. ÜBERNACHTUNGEN ÜBER DAS JAHR HINWEG 600 Mittel seit 2010 450 2020/21 300 150 0 MÄRZ APRIL MAI JUNI JULI AUG SEPT OKT NOV DEZ JAN DAS ELTERNHAUS 13
DAS ELTERNHAUS Und jetzt mal ganz ehrlich...! Warum denn eigentlich ein Feedback- Fragebogen an das Elternhaus?! JULI A DOLLE Schon seit längerem bewegte uns als Mitarbei- ter*innen des Elternhauses die Idee eines Feed- back-Fragebogens für Familien im Haus, doch setzten wir diese Idee vielleicht bislang nicht um, weil wir zumeist einen guten persönlichen Aus- tausch mit den Familien im Haus hatten. Doch mit der Zeit verkürzt sich die Aufenthaltsdauer von Familien bei uns im Haus mehr und mehr, so dass der persönliche Kontakt zeitlich und auch in seiner Qualität z.T. weniger ausgeprägt ist. Seit Beginn der Coronapandemie sind nun leider alle Gespräche auf ein Minimum konzentriert und Fa- milien sind am Ende ihres Aufenthaltes bei uns meist einfach nur froh und dankbar, das Eltern- haus genutzt haben zu können, ebenso wie sie froh und dankbar sind, nun auch wieder nach Hause zu dürfen! Da wir im Zuge der Weiterentwicklung und Ver- besserung unserer Arbeit allerdings stets daran interessiert sind, wie wir das Elternhaus für des- sen Bewohner*innen bzw. deren Nutzungsan- sprüche verbessern können, brauchen wir Rück- meldung, neue Ideen und wo es dran ist, auch kritische Bemerkungen und Hinweise darauf, wo etwas fehlt. Denn wir als Mitarbeiter*innen ha- ben einen anderen Blick als die im Haus wohnen- den Familien und brauchen daher ihre Perspek- tive. Mit Hilfe des folgenden teilstandardisierten Fragebogens möchten wir nun versuchen, uns ein kompaktes Bild der unterschiedlichen Sicht- weisen von Familien zur Nutzung aller Angebo- te des Hauses zu verschaffen, und freuen uns, wenn künftig möglichst viele Familien vor ihrer Abreise den im Zimmer befindlichen Feedback- Fragebogen ausfüllen und an uns zurückgeben. Wir danken allen Familien, die sich die Zeit neh- men für ihre Rückmeldungen an uns, und freuen uns, wenn es auch zum Feedback-Fragebogen Ergänzungs- oder Veränderungsvorschläge gibt! Vielen Dank! 14
DAS ELTERNHAUS Feedback an das Elternhaus Liebe Familien, um auch in Zukunft unser Angebot so wert- und sinnvoll wie möglich für Sie zu gestalten, freuen wir uns, wenn Sie sich zum Ende Ihres Aufenthalts im Elternhaus kurz Zeit nehmen, um uns unverblümt Rückmeldung zu geben. Bitte teilen Sie uns mit, wenn Ihnen etwas für Ihr persönliches Wohlbefinden gefehlt hat, Sie etwas besonders geschätzt haben und was wir ansonsten verbessern können.Vielen herzlichen Dank hierfür, alles Gute für Sie und Ihre Familie und vielleicht ja auch bis zum nächsten Mal! Ihr Elternhausteam AN KU NF T / AUFN A H M E IM H AU S Wie wurden Sie im Elternhaus empfangen? O O O O O In welchem Zustand haben Sie Ihr Zimmer / Ihre Wohnung vorgefunden? O O O O O Welchen Gesamteindruck hatten Sie von der Atmosphäre im Haus? O O O O O Verbesserungsvorschläge zur Ankunft / Aufnahme im Haus ___________________________________________________________________ _________________________________________________________________________________________________________________________________ WÄH R E ND IH R E S AU FE NT H ALTS nicht Wie hat Ihnen die Ausstattung der Gemeinschaftsräume gefallen? genutzt • Spielzimmer O O O O O O • Küche O O O O O O • Wohnzimmer O O O O O O • Halle O O O O O O • Garten O O O O O O Besonders gut gefallen an der Ausstattung hat ________________________________________________________________________________ In der Ausstattung gefehlt hat _________________________________________________________________________________________________ Wünsche / Verbesserungsvorschläge zur Ausstattung des Hauses ____________________________________________________________ _________________________________________________________________________________________________________________________________ DAS ELTERNHAUS 15
DAS ELTERNHAUS Wie hat Ihnen der Kontakt mit den Mitarbeiter*innen kein des Elternhauses gefallen? Kontakt • psychosoziales Team O O O O O O • Verwaltung und Geschäftsführung O O O O O O • Reinigungsteam O O O O O O • Ehrenamtliche Mitarbeiter O O O O O O • Hausmeister O O O O O O Gibt es aus Ihrer Sicht bestimmte Zeiträume, in denen die Präsenz des psychosozialen Teams besonders sinnvoll ist? Welche? _______________________________________________________________________________________________________________________________ Inwiefern haben Sie Begleitung durch unser psychosoziales Team in Anspruch genommen? ________________________________________________________________________________________________________________________________ An welcher Stelle hätten Sie sich mehr Begleitung gewünscht? ________________________________________________________________________________________________________________________________ Wie viele Nächte haben Sie im Haus verbracht? ______________________________________________________________________________ Wenn Sie, ganz frei, einen Wunsch äußern könnten über Angebote / Gegenstände / Einrichtung im Elternhaus, was wäre das? ________________________________________________________________________________________________________________________________ Ich möchte eine Kontaktaufnahme / Einladungen bekommen (Bitte zutreffendes ankreuzen) O einfach weiter über das Elternhaus informiert bleiben O Geschwisteraktivitäten O Familienaktivitäten O Angebote für Eltern O Angebote für Großeltern O Feste (Sommerfest, Weihnachtsfeier, etc.) O Angebote für verwaiste Geschwister O Angebote für verwaiste Familien O Ich möchte eine Kontaktaufnahme wegen __________________________________________________________________________________ Meine E-Mail Adresse zur Kontaktaufnahme __________________________________________________________________________________ O Ich möchte ausführlichere Informationen zu den Tätigkeiten und Aktivitäten des Elternhauses und des Vereins bekommen und würde gerne Mitglied im Verein werden, um seinen Fortbestand zu unterstützen. 16 DAS ELTERNHAUS
DAS ELTERNHAUS EIN LETZTES MAL… ERIKA SÖDER „Es war ein anderer Sommer, punkt und mir eine große Her- es war ein anderes Jahr“, zensangelegenheit. heißt der Song der Gruppe Doch warum hat mich die- Silbermond vom Herbst 2020 se Arbeit überhaupt so lange und er beschreibt sehr tref- begeistert, erfüllt und beseelt? fend die Lebenssituation der Da gibt es einige Gründe und meisten Menschen – so auch einer der zentralen ist, dass die meine. die Familien mit ihren An- Anfang März 2020 startete liegen immer im Mittelpunkt ich eine Reha, wollte nochmal stehen konnten. Natürlich ein bisschen Energie sam- gab es auch in dieser Institu- meln, fit werden, um dann tion Regeln und es mussten meine letzten eineinhalb Jah- Kompromisse entwickelt wer- re bis zur Rente im Elternhaus den, doch die Abhängigkeit zu gestalten. Doch in den von Spendengeldern hatte Wochen stiegen erstmals die den großen Vorteil, dass wir Zahlen der an Corona infizier- inhaltlich unabhängig und ten Menschen an, der erste nur an unsere Satzung gebun- Lockdown begann. Gegen den waren – also die Beglei- Ende der Reha rief mich Dag- tung und Unterstützung von mar Hildebrandt-Linne an, um Familien mit einem lebens- zu besprechen, wie es weiter- bedrohlich erkrankten Kind! gehen könnte. Keine politischen, religiösen Im Elternhaus war vieles oder andere Sichtweisen be- anders geworden, weniger El- einflussten die Ausrichtung tern im Haus, keine Geschwis- der inhaltlichen Arbeit. Diese ter, keine Besucher*innen, keine Grup- nen Ausnahmen geblieben. Seit Januar konnte zudem am Bedarf der Familien penangebote, keine Hausbesuche und 2021 bin ich nun zu 100% in Kurzarbeit! weiterentwickelt werden wie z.B. mit anderes mehr. In der Konsequenz bedeu- Ich habe mir mein gut letztes Jahr im Hausbesuchen bei Familien mit einem tet dies, viel weniger mögliche Arbeit für Elternhaus nach über 28 Jahren Tätig- Kind in der letzten Lebensphase bereits zu viel Personal und alle machen Kurz- keit dort ganz anders vorgestellt, doch Mitte der 90ziger Jahre – lange Zeit vor arbeit. Für mich bedeutete dies, dass ich das Corona-Virus hat gehörig dazwi- dem ambulanten Kinder-Palliativ-Team zunächst meinen restlichen Urlaub vom schen gefunkt. Ich habe in all den Jahren der Kinderklinik. Vorjahr nehmen musste, um dann eben- mit großer Leidenschaft und Freude dort Die Arbeit war immer vielfältig, Freu- falls mit der Kurzarbeit zu starten und gearbeitet und diese verordnete Voll- de und Leid lagen sehr dicht beieinan- dies hieß den Rückzug aus dem soge- bremsung war/ist nicht leicht zu akzep- der und die Tage hielten viele Überra- nannten Alltagsgeschäft im Elternhaus, tieren, wenngleich es inhaltlich natürlich schungen bereit, denn das Wenigste da wir nicht mit mehreren Personen absolut Sinn macht. Letztendlich geht war planbar, sondern orientierte sich an wegen der Abstandsregeln im Büro sein es auch nicht um meine Befindlichkeit, der Befindlichkeit der Familien. Ich fand durften. Außerdem bin ich ja die „Alte“ im sondern um die Sicherheit der Familien es überwiegend absolut spannend, mor- Team und mein Rentenbeginn im Som- und dass ich nun auf diese Weise mit gens nicht zu wissen, was der Tag an mer 2021 war/ist in Sicht. So machte ich Abschied konfrontiert bin, entbehrt auch Begegnungen und Herausforderungen hauptsächlich Beratungen „to-go“ mit nicht einer gewissen Ironie, denn in all bringen würde. verwaisten Eltern und Geschwistern bei den langen Jahren war immer das The- Spaziergängen und dabei ist es mit klei- ma Abschied und Trauer mein Schwer- DAS ELTERNHAUS 17
DAS ELTERNHAUS Da das Schicksal, ein lebens- auch kein richtig oder falsch, bedrohlich krankes Kind zu sondern im Mittelpunkt ste- bekommen, keiner Regel hen nur die Befindlichkeit der folgt, gehören zur Zielgruppe Familie und ihre ganz per- im Elternhaus Familien aus sönlichen Vorstellungen, ihre verschiedenen Kulturen, aus Werte und Wünsche – wenn allen sozialen Gruppierungen sie schon ihr Kind nicht auf- und unterschiedlichsten Al- wachsen erleben dürfen! Un- ters. In kaum einer sozialen zählige Situationen, Kinder Institution ist eine solche und Familien ziehen gerade, Bandbreite zu finden und ich während ich dies schreibe, habe dies als große Bereiche- an meinem inneren Auge vor- rung erlebt, denn im persönli- Erika Söder (rechts) zusammen mit Slawik und seiner Mama bei und jede war ein Unikat chen Alltag wäre ich mit ganz im Jahr 1995 für mich! Jedes Mal habe ich vielen dieser Menschen nicht mich mit der Familie auf den in Kontakt gekommen. ses Angebot immer wieder Familien zu Weg gemacht, um zu schauen, wie es für Bereits in meinem zweiten Jahr dort machen. Dies war der Beginn, dass die eben diese Familie sich stimmig entwi- habe ich eine alleinerziehende Mutter be- Arbeit mit Familien, denen der Tod ihres ckeln konnte – von ganz traditionell mit gleitet, die mit ihrer Tochter deren letzte Kindes zugemutet wurde, die Gestal- dem Rosenkranz-Beten im katholischen Lebensphase unbedingt zu Hause ge- tung von Trauerfeiern und etwas später Eichsfeld bis hin zu keinem religiösen In- stalten wollte und dies auch gemacht dann auch Wochenenden für verwaiste halt mit allen möglichen Zwischentönen. hat. Einmal die Woche machte ich dort Familien mein Schwerpunkt wurde, der Auch bei den Wochenenden für ver- über ein halbes Jahr einen Hausbesuch mir ein zentrales Anliegen blieb. Vieles waiste Familien, den Tagen für verwaiste und es kristallisierte sich heraus, dass im Leben kann, wenn es denn mal nicht Eltern oder auch den Wochenenden für die Familie nicht kirchlich gebunden ist, so gelungen verlaufen ist, beim nächs- verwaiste junge erwachsene Geschwis- so dass die Trauerfeier Thema wurde. ten Mal verändert, verbessert werden. ter war es für mich von zentraler Bedeu- Recht spontan habe ich angeboten, dass Doch alles, was rund um den Tod eines tung, dass es sehr unterschiedliche An- wir diese selbst gestalten könnten, was Kindes geschieht, sollte IMMER so sein, gebote sind, die an den Tagen gemacht wir dann einige Wochen später auch ge- dass die Familie es bei aller Trauer, bei werden, denn nicht wir als psychosoziale macht haben. Bis heute sind mir nahe- allem Schmerz als für sich stimmig er- Kolleg*innen wissen, was hilfreich ist, zu alle Details in Erinnerung und es war leben darf und nicht mit einem Gefühl sondern nur die Betroffenen selbst kön- ein so persönlicher facettenreicher Ab- zurückbleibt, dieses oder jenes hätte nen dies für sich einschätzen. Je viel- schied, der mich sehr ermutigt hat, die- ganz anders verlaufen sollen. Da gibt es fältiger unsere methodischen Übungen 18 DAS ELTERNHAUS
DAS ELTERNHAUS „Die Arbeit war immer vielfältig, Freude und Leid lagen sehr dicht beieinander und die Tage hielten viele Überraschungen bereit...“ und Einladungen zu Phantasiereisen, zu dem wir vielen betroffenen Eltern, Ge- bereichern! Gesprächsinhalten, zu kreativen Dingen, schwistern und ehemals erkrankten Kin- Die Arbeit mit dem Team fehlt mir zu sportlichen Aktivitäten und anderem dern/Jugendlichen eine Stimme geben ebenfalls sehr, denn sie war geprägt mehr, desto größer die Chance, dass die möchten. Es ist einfach wunderbar auf von einem hohen Maß an Miteinander Betroffenen etwas entdecken, das für meiner Zielgeraden im Elternhaus noch – trotz und mit allen Unterschiedlich- sie in ihrer Trauer passend ist und das an einem ganz neuen Projekt miteinan- keiten. Danke daher auch Euch für all die sie in ihren Alltag integrieren können. Wir der zu arbeiten! Im Jahr 2022 wird es facettenreichen Erfahrungen! Eine für können einen Rahmen bieten, innerhalb erscheinen und darf dann reichlich ge- mich so wertvolle Zeit. dessen ausgewählt wird oder vielleicht kauft werden. Ich möchte zum Schluss noch beto- sogar entdeckt wird, dass der Rahmen Diesen Abschiedsbrief möchte ich nen, wie schön und besonders es war, nicht passt und beides ist möglich. auch nutzen, den Familien zu danken, im Elternhaus immer auch zusammen Besonders geschätzt habe ich in all die mir oft so viel Vertrauen geschenkt lachen zu können – natürlich hat das den Jahren, dass der Vorstand uns in haben. In einer Zeit größter Heraus- Weinen dort seinen Platz und darf ihn der inhaltlichen Gestaltung von Ver- forderungen zeigten sich die meisten dort haben. anstaltungen für Familien mit großer Familien offen für eine wie auch immer Das Leben macht vor dem Tod nicht Offenheit begegnet ist und wir all die umfangreiche psychosoziale Begleitung halt! entwickelten Ideen umsetzen konnten. – nicht selbstverständlich, wie ich finde. Möge es allen, in welcher Weise auch Natürlich gab es in der langen Zeit auch Diese Begegnungen, Gespräche, Ange- immer, Familien, Ehrenamtlichen, Spen- Konflikte, doch es gab auch immer Lö- bote für und mit den Familien oder ein- der*innen, Mitarbeiter*innen, Vorstands- sungen und zumeist ein gemeinsames zelnen Familienmitgliedern fehlen mir mitgliedern gelingen, sich dem Leben Ziel. Danke daher auch an dieser Stelle sehr, denn sie waren auch immer Ge- (wieder) zuzuwenden – vielleicht anders für das Engagement der ganzen Vor- schenk und Bereicherung für mich! als gehofft, anders als geplant und den- standsmitglieder, die ich erlebt habe! Es Danke auch der gesamten Elternhaus- noch hoffnungsvoll und mutig! ist ja schwierig, jemand als Einzelnen Crew sowie dem Ehrenamtsteam für Alles Gute und allerliebste Grüße, hervorzuheben, doch an dieser Stelle er- die gemeinsame Arbeit, teilweise über Erika Söder laube ich es mir und möchte Herrn Geri- Jahrzehnte. Ebenso ein herzliches Dan- cke nennen, den ich von Anfang bis heu- ke an die unzähligen Spender*innen, die PS: Ich würde mich riesig über das eine te als jemanden schätzen gelernt habe, die Institution Elternhaus unterstützen oder andere Lebenszeichen von Euch in der ein extrem hohes Maß an Einsatz und sich immer wieder neue Aktionen welcher Form auch immer freuen… zeigt, immer offen für neue Wege ist und einfallen lassen oder auch Bewährtes DANK! HERZLICHEN sich auch gegenüber kritischen Stim- über einen langen Zeitraum engagiert men nicht verschließt. Jetzt arbeiten wir durchführen! Ebenfalls ein buntes Völk- an einem gemeinsamen Buchprojekt, in chen, die die Arbeit nicht nur finanziell DAS ELTERNHAUS 19
DAS ELTERNHAUS Liebe Marianne, DAGM AR HILDEBR ANDT-LINNE du hast vom 18.2.2019 bis 31.03.2021 die El- Wir sind neugierig, wie Du rückblickend deine ternzeitvertretung in der Verwaltung für Anne Zeit im Elternhaus wahrgenommen hast, und Wucherpfenning im Bereich der Finanzbuchhal- wir sind auch neugierig, mit wem und mit was tung übernommen. Gleich vom ersten Tag an war du deine Zeit nach dem Elternhaus verbringen uns klar, dass wir in dir eine fachlich kompetente möchtest. Nachstehend ein paar Fragen an Dich, Kollegin gefunden haben, die mit Struktur, Ruhe auf deren Antworten wir gespannt sind. und Gelassenheit den oft unvorhergesehenen El- ternhausalltag mit uns stemmen wird. „Ich bin noch immer beeindruckt, mit welcher Offenheit, Anteilnahme und Herzlichkeit jedem, der ins Elternhaus kommt, begegnet wird – egal ob betroffene Familie, Mitarbeiter, Ehrenamtlicher oder „nur“ Besucher.“ Du hast dich vor zwei Jahren mit 61 IT-Unternehmen als kaufmännische An- bengebiet sehr regelmäßig wiederkeh- Jahren auf die befristete Stelle in der gestellte tätig. rende termingebundene Tätigkeiten gab, Verwaltung beworben. Wer oder was musste ich immer wieder auf unvorherge- hat dich dazu motiviert? Ein Arbeitsalltag im Elternhaus ist im- sehene Herausforderungen reagieren – Zum einen wollte ich weiter im kauf- mer wieder besonders und fast nie sei es im Austausch mit dem gesamten männischen Bereich arbeiten und zum planbar – auch wenn der Arbeits- Team, beim Umgang mit Handwerkern anderen reizte es mich aber, in einem schwerpunkt in der Verwaltung liegt. oder auch vereinzelt im Umgang mit den sozialen und damit für mich neuem Um- Wie würdest du deinen Arbeitsalltag in Familien. Aber genau das habe ich be- feld tätig zu werden. Zuvor war ich in einem Satz beschreiben? sonders gemocht. verschiedenen kleinen Handwerks- und Obwohl es gerade in meinem Aufga- 20 DAS ELTERNHAUS
DAS ELTERNHAUS Welches war deine größte Herausfor- Was wirst Du ganz bestimmt nicht ver- lien und das Team im Elternhaus mit derung in der Elternhauszeit? missen? der so wichtigen Nähe, wenn sie ge- Die größte Herausforderung war Da fällt mir auf Anhieb eigentlich wünscht ist. Bald wieder die so wich- wohl mein Start im Elternhaus durch nichts ein. Die kleinen Stolpersteine des tigen Gruppenangebote für Eltern, den Ausfall meiner „Vorarbeiterin“. Ich Alltags gehören einfach dazu und wer- Geschwister und ganze Familien. Wei- war in der ersten Woche ab dem zwei- den aus dem Weg geräumt. Sonst wäre terhin die so tolle Unterstützung durch ten Tag auf mich gestellt und musste es auch langweilig. die vielen Spender. mich erstmal alleine in die neuen Auf- gaben „reinwurschteln“. Was wirst du mit deiner vielen freien Welches Zitat würdest Du dem Eltern- Zeit anstellen? hausteam zum Abschied mit auf den Teilst Du mit uns eine oder mehrere Bei sechs (bald sieben) Enkelkindern Weg geben? besondere Begegnungen oder Mo- im Alter bis 7 Jahren mache ich mir kei- Du musst dich zu sehr vielen Dingen, mente in deiner Vertretungszeit? ne Sorgen, zu viel freie Zeit zu haben. willst du sie tun, geradzu zwingen! Schon mein erster Eindruck vom El- Außerdem ist mein Mann bereits Rent- Trotzdem wirkt das – was dir gelungen – ternhaus war außerordentlich positiv ner und wir hoffen, jetzt mehr Raum oft zwingend leicht und ungezwungen. und ich fühlte mich bereits im Vorstel- für spontane Unternehmungen und (Heinz Erhardt) lungsgespräch herzlich willkommen. Kurzreisen zu haben. Und es lässt sich Als ich dann loslegen durfte, habe ich auch super ohne schlechtes Gewissen Ergänze bitte folgenden Satz: Wenn mich vom ersten Tag an als „vollwer- einfach so oder mit einem guten Buch ich in fünf Jahren das Elternhaus be- tiges“ Mitglied des Teams gefühlt und „chillen“. suche, dann ... nie nur als Vertretung. Dadurch habe …..hat sich bestimmt einiges verän- ich auch gerade bei dem unplanmä- Welche drei Wünsche würdest du in dert, aber das Gefühl, willkommen zu ßigen Einstieg einen tollen Rückhalt Bezug auf die Zukunft des Elternhau- sein, empfindet noch immer jeder, der durch alle Kollegen erfahren. Das Ge- ses nennen? ins Haus kommt. fühl, Teil eines funktionierenden Teams Meine Wünsche sind durch diese gewesen zu sein auch und gerade wäh- „verrückte“ Pandemie bestimmt: Bald Vielen Dank für die letzten zwei Jahre. rend der herausfordernden Pandemie- wieder „normales“ Leben für die Fami- Zeit, wird mir immer in guter Erinnerung bleiben. Ich bin noch immer beeindruckt, mit welcher Offenheit, Anteilnahme und Herzlichkeit jedem, der ins Elternhaus kommt, begegnet wird – egal ob be- troffene Familie, Mitarbeiter, Ehrenamt- licher oder „nur“ Besucher. Gibt es etwas, auf das Du richtig stolz bist? Na klar! Es freut mich sehr, dass ich viel Anerkennung für meine Arbeit er- fahren habe und dass ich den Arbeits- platz gut organisiert an Anne Wucher- pfennig zurückgeben konnte. Was wird dir am meisten fehlen? Mir wird sicher der Kontakt zu den Kollegen und zu unseren Ehrenamtli- chen fehlen und die damit verbundene Wertschätzung, die ich immer wieder spüren konnte. DAS ELTERNHAUS 21
DAS ELTERNHAUS 25jähriges Dienstjubiläum von Marion Bellmann Liebe Marion, herzlichen Glückwünsch zu dei- nem 25jährigen Dienstjubiläum, auch im Namen des Eltern- hausteams und DANKE für eine vertrauensvolle und verlässliche Basis unserer Zusammenarbeit. In dir haben wir eine wunderbare Kollegin im Elternhaus. DAGM AR HILDEBRANDT-LINNE Du bist eine Kollegin, … auf die wir uns die besonnen in stressigen die Ruhe und verlassen können Situationen bleibt Gelassenheit ausstrahlt der auch Familien die immer für Familien die wie der Fels in der gern ihr Herz und das Elternhausteam Brandung ist, nämlich ausschütten ansprechbar ist fast immer da die dafür sorgt, die den Überblick in der ein freundlicher und dass wir immer was allen Räumen des hilfsbereiter Umgang zu liegen haben ;-) Elternhauses hat miteinander wichtig ist die zu einer harmonischen mit der wir Spaß haben - 1.9.2020 1.9.1995 Teamatmosphäre und von Herzen lachen beiträgt können die einen guten Blick für mit der wir gut und Deko hat und für Sauber- sicher durch keit im Elternhaus sorgt Coronakrisen kommen Du bist eine Kollegin, die ihren Job sehr gerne macht und mit der wir einfach sehr gerne zusammenarbeiten. Wir wünschen uns mit Dir noch ganz viele engagierte Jahre im Dienst des Elternhauses und hoffen, dass wir noch viele gemeinsame Arbeitszeiten miteinander gesund verbringen werden. 22 DAS ELTERNHAUS
DIE NACHSORGE Von der Kunst sich überflüssig zu machen die Rolle der psychosozialen Arbeit im Elternhaus H ANS-HERM ANN MIEST Früher, als Kind, haben mich die „Das Ziel ist immer die Wie- werden. Nach dem Motto: So viel Unter- Abenteuergeschichten des Baron von derherstellung der Autonomie stützung wie nötig, so wenig wie mög- Münchhausen fasziniert, besonders lich. von Patient*innen und Fami- als er sich am eigenen Schopfe pa- Ist es nicht erstaunlich, wie viele Pa- lien. Das Gefühl, nach einer ckend aus dem Sumpf herauszog, in rallelen es zwischen einer körperlichen schweren Erkrankung wieder dem er zu versinken drohte. und einer psychischen Unterstützung sagen zu können: »Ich packe gibt? Heute, als Erwachsener, mache ich das genaue Gegenteil. Ich bemühe es wieder allein. Ich fühle Denn in unserem Selbstverständnis mich, mich selbst überflüssig zu ma- mich wieder in der Lage, selb- befolgen wir als psychosoziales Team chen. Also nicht wirklich ich als Person, ständig und selbstwirksam im Elternhaus ähnliche Regeln. Wir sondern meine Arbeit. mein Leben in die Hand zu sind da, wenn uns jemand benötigt und Wie das??? Drei Fragezeichen. nehmen.« Dieses Gefühl muss unsere Hilfe möchte. Wir bieten Unter- Um das zu erklären, gehe ich gedank- doch einfach großartig sein.“ stützung da an, wo sie angefragt wird. lich ungefähr ein Jahr zurück: Beginn Wir sind eine Stütze unter vielen, die je- der Coronakrise, erster Lockdown, gro- mand aufgrund einer Krise in Anspruch ße Unsicherheit. Wie gehen wir mit die- nehmen möchte. Wir bieten so viel an ser Situation um? Wir, also die psychosozialen Mitarbei- wie nötig und so wenig wie möglich. Einige Nachsorgeteams aus Eltern- ter*innen, sollten uns immer wieder Denn das Ziel ist immer die Wiederher- vereinen in verschiedenen Städten, bewusst machen, in welcher Lebens- stellung der Autonomie von Patient*in- auch Göttingen, begannen, sich über situation Familien uns kennenlernen. nen und Familien. Das Gefühl, nach ei- Videositzungen regelmäßig auszutau- Ein Kind der Familie ist gerade er- ner schweren Erkrankung wieder sagen schen. „Wie ist die Situation bei euch? krankt, schwer erkrankt. Das bisherige zu können: „Ich packe es wieder allein. Welche Regeln habt ihr? Wie gestaltet Familienleben wird durcheinander ge- Ich fühle mich wieder in der Lage, selb- ihr den Kontakt zu Familien? Was bietet wirbelt, bisherige Regeln und Alltags- ständig und selbstwirksam mein Leben ihr an?“ Es war enorm, mit wieviel Ener- abläufe passen nicht mehr, Angst vor in die Hand zu nehmen.“ Dieses Gefühl gie kreativ Ideen entwickelt wurden, um einer ungewissen Zukunft. Dafür gibt muss doch einfach großartig sein, ein Familien Kontaktmöglichkeiten anzu- es ein kurzes Wort: Krise. In einer Kri- Gefühl von innerer Kraft und Stärke. bieten. Ein immer wieder genanntes se gelten andere Regeln als sonst, ge- Und es wäre doch schade, wenn wir Motiv war: „Die Familien dürfen uns wohnte Rituale fallen aus. Wertigkeiten durch ein Überangebot an psychosozi- nicht vergessen.“ verschieben sich, soziale Beziehungen aler Unterstützung das Erlangen dieses Diese Frage ließ mich nachdenken. verändern sich. Das Leben ist instabil. Gefühls behindern würden. Ist dies ein legitimes Argument? Für In dieser Instabilität ist es durchaus Daher zum Abschluss zwei Sätze an wen ist es wichtig, dass Familien die hilfreich, Unterstützung zu erhalten, so alle betroffenen Familien: Angebote von psychosozialen Teams wie Gehhilfen nach einer Beinoperation „Wir freuen uns, wenn wir Sie in Ihrer nicht vergessen? Die Frage ist doch: nützlich sind. Und auch die Gehhilfen Krise unterstützen können. Und wir Warum dürfen uns die Familien nicht sollen nur für einen begrenzten Zeit- freuen uns, wenn Sie Ihr Leben wieder vergessen? Ja, ist es nicht vielmehr ein raum so lang genutzt werden, wie der eigenständig sinngebend gestalten erstrebenswertes Ziel, dass die Fami- eigene Körper sie braucht. Denn die können.“ lien unsere Unterstützung nicht mehr Selbstheilungskräfte sollen gleichzeitig Es ist schön zu merken, wenn die benötigen und uns vergessen? aktiviert und der Organismus gestärkt eigene Arbeit überflüssig wird. DIE NACHSORGE 23
DIE NACHSORGE „Das Leben kann nur rückwärts verstanden und muss doch vorwärts gelebt werden…“ ERIKA SÖDER „Das zentrale Element dieser Wochenenden ist das Miteinander der betroffenen Eltern! Sie geben einander so wertvolle Unter- stützung – allein indem die ganz neuen Eltern erleben, dass dieses Schicksal zwar für immer das Leben verändert, doch dass es möglich ist, auch wieder Lebensfreude zu entwickeln, dass es möglich ist, mit der Trauer leben zu lernen.“ Dies war das Leitmotiv für das Wo- weitig betreuen zu lassen und für man- Der Freitagabend wird traditionell damit chenende für verwaiste Eltern im che war es undenkbar, ohne Kinder an- gestaltet, dass die verstorbenen Kinder August 2020. Wer aufmerksam die zureisen, freuen sich doch gerade die symbolisch in die Mitte geholt und den Artikel im Lichtblick verfolgt, wird viel- etwas Größeren dabei zu sein. Für die anderen in ihren Besonderheiten vor- leicht stutzen und sich fragen, wieso meisten ist es nämlich die einzige Ge- gestellt werden. Wir haben die Anwe- Eltern und nicht Familien wie in all den legenheit im Jahr, mit anderen betroffe- senden eingeladen, sich einen vielleicht Jahren seit etwa Mitte der Neunziger. nen Geschwistern zusammen zu sein. sogar magischen Moment mit ihrem An dieser Stelle kommt das Corona- Andererseits gab es auch Eltern, für Kind auszuwählen, an den sie sich be- Virus bereits in den Fokus, denn wir die diese Konstellation etwas einfacher sonders gern erinnern und von diesem haben im Vorfeld schon entschieden, schien, denn ist das einzige Kind ver- den anderen zu berichten. Diese Runde dass wir das Wochenende ohne Kinder storben, ist ein Wochenende ohne Ge- ist immer hoch emotional, oft mit vielen planen, denn die Herausforderung des schwister mutmaßlich emotional weni- Tränen verbunden und lässt eine große Regelwerkes wie Abstand etc. hielten ger belastend. Nähe in der Gruppe entstehen. wir für zu groß. Gleichzeitig war uns Wir haben mit unserer Entscheidung Wir hatten jedoch die Planung ohne klar, dass wir damit Familien ausgren- sozusagen das kleinere „Übel“ gewählt, die Masken gemacht… Natürlich saßen zen, denn es war nicht allen möglich, ein Wochenende nur mit Eltern besser wir mit entsprechendem Abstand im ihre Kinder für ein Wochenende ander- als gar nicht angesehen… Kreis, nur die Paare durften nah beiei- 24 DIE NACHSORGE
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