HEIMAT WESTFALEN - NATUR ENTDECKEN UND ERFAHREN - NACHHALTIGES LERNEN IM NAHRAUM - WESTFÄLISCHER HEIMATBUND
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I N H A LT 3 Editorial SErVIcEbüro WHb NATUr ENTdEckEN UNd ErFAHrEN – NAcHHALTIgES LErNEN 39 WHB bietet seinen Mitgliedsvereinen GEMA-Gesamtvertrag IM NAHrAUM 40 Wegweiser zu einer verlässlichen Partnerschaft in Kürze erhältlich. Heimatakteure als Bildungspartner von Schule 4 ArMIN LUdE Naturkontakte und Kinder – Neun begründete Gedanken WHb-SEMINArE 41 Aktuelle Fortbildungen des WHB 14 JAN oLE krIEgS UNd bErNd TENbbErgEN Ehrensache – die naturkundliche Erforschung Westfalens ENgAgIErT Vor orT gestern, heute und morgen. LWL-Museum für Naturkunde, 42 Heimatmacher-Praxisbeispiele aus Ihrer Arbeit Münster TAgUNgEN UNd VErANSTALTUNgEN 23 gISELA LAMkoWSky UNd kATHrIN kobIALkA 46 Heimatpflege muss sich stärker aktuellen Fragen widmen. BNE-Regionalzentren in Nordrhein-Westfalen. Kreisheimatbund Minden-Lübbecke tagte Impulsgeber für natur- und umweltschutzbezogene 47 Heimatvereine aus dem Kreisgebiet Borken informieren sich Bildung und die Vernetzung in Ihrer Region über den WHB 48 Vormerken – Forum „Citizen Science“ 2019 in Münster 27 AckErdEMIA E. V. Ackern auf dem eigenen Schul- oder Kitagelände. NAcHrIcHTEN UNd NoTIZEN Bildungsprogramm „GemüseAckerdemie“ – 49 Junger Verein macht auch Kinder fit für Europa. noch ein freier Platz in Westfalen Stockhausen für Europa e. V. 31 MEINE HEIMAT WESTFALEN prEISE UNd AUSScHrEIbUNgEN Norbert Dodt 50 Schreibwettbewerb GEMEINSAM. Schülerinnen und Schüler aus dem Ennepe-Ruhr-Kreis sind gefragt FüNF FrAgEN ZUM THEMA HEIMAT 32 an Prof. Dr. Heribert Prantl AUSSTELLUNgEN UNd MUSEEN 51 Experimente für Jung und Alt. PHÄNOMENTA Lüdenscheid JUNgES ENgAgEMENT 52 Was für ein Zufall! Sonderausstellung des Mathematikums 34 Neustart für die Ortsheimatpflege in Bielefeld-Senne Gießen e. V. zu Gast im Bielefelder Naturkunde-Museum mit Jascha Bondzio 53 Westfälisches Storchenmuseum „Haus · Heimat · Himmel“ in Petershagen-Windheim FAcHSTELLEN UNd ArbEITSkrEISE 36 Umfangreiches Programm des Glockenseminars dANk UNd ANErkENNUNg lockte nach Borghorst, Steinfurt. Arbeitskreis Glocken 54 Dr. Wingolf Lehnemann im Westfälischen Heimatbund 2008–2023 55 Dr. Christof Spannhoff 56 Ilsemarie von Scheven NEUE MITgLIEdEr IM WHb 37 Heimatverein Birlenbach e. V., Siegen-Birlenbach NEUErScHEINUNgEN 57 Die vorindustrielle Wirtschaft in Westfalen AUS gEScHäFTSSTELLE UNd grEMIEN 57 Sauerland. 55 Highlights aus der Geschichte 38 Gremiensitzungen von Vorstand und Verwaltungsrat 58 Sie sprechen aber gut Deutsch 58 Haymatland HEIMAT WESTFALEN ISSN 2569-2178 / 32. Jahrgang, Ausgabe 2/2019 Herausgeber: Westfälischer Heimatbund e. V., Kaiser-Wilhelm-Ring 3, 48145 Münster. Verantwortlich im Sinne des Presserechts: Dr. Silke Eilers Telefon: 0251 203810 - 0 · Fax: 0251 203810 - 29 E-Mail: whb@whb.nrw · Internet: www.whb.nrw Schriftleitung: Dr. Silke Eilers redaktion: Dr. Silke Eilers, Frauke Hoffschulte, Christiane Liedtke, Sarah Pfeil, Astrid Weber Layout: Gaby Bonn, Münster druck: Griebsch & Rochol Druck GmbH, Hamm Gefördert von: Für namentlich gezeichnete Beiträge sind die Verfasser persönlich verantwortlich. Diese Zeitschrift erscheint im Februar, April, Juni, August, Oktober, Dezember. Titelbild: Mädchen auf Esche. Foto/ Armin Lude
e d it o r ial Z u einer verantwortungsvollen Gestaltung von Heimat gehört auch ein sorgsamer Umgang mit Natur und Landschaft. Das Bewusstsein für unsere Umwelt wird – hier sind sich viele Wis- senschaftler einig – bereits in der Kindheit geweckt. Erfahrungen in Naturräumen fördern dabei auch soziale Kompetenzen. Studien der letzten Jahre machen eine Ent- fremdung der jungen Generation von der Natur Foto/ Greta Schüttemeyer und abnehmende Kenntnisse über natürliche Gegebenheiten aus. Zugleich sind viele derzeit besorgt über Klima- und Umweltveränderungen. Das zeigen aktuell u. a. die Demonstrationen der Initiative „Fridays for Future“. Junge Menschen sind heute durchaus sensibilisiert für Themen wie Klimawandel, Artenschutz, biologische Vielfalt und Nachhaltigkeit. Damit aus allgemeinem Interesse konkretes Engage- ment für den Nahraum erwachsen kann, müssen Natur und Landschaft noch stärker in der Lebenswirk- lichkeit der jungen Generation ankommen. Dazu können auch Angebote von Heimatakteuren beitragen. Ausgabe 2 der Heimat Westfalen legt bewusst einen Fokus auf Naturerfahrungen und Zugänge für ein nachhaltiges Lernen. Prof. Dr. Armin Lude von der Pädagogischen Hochschule in Ludwigsburg liefert neun Gründe für den Naturkontakt von Kindern. Der Leiter des LWL-Museums für Naturkunde Dr. Jan Ole Kriegs und sein Kollege Dr. Bernd Tenbergen beleuchten das Zusammenspiel ehrenamtlicher und beruflicher Naturforschung. Wie BNE-Regionalzentren als Impulsgeber für natur- und umweltschutz- bezogene Bildung wirken, zeigen Gisela Lamkowsky, Landeskoordination BNE-Landesnetzwerk NRW, und Kathrin Kobialka, Mitarbeiterin im Fachbereich Wandern des WHB. Zudem stellt der Verein Ackerdemia e. V. das Bildungsprogramm „GemüseAckerdemie“ vor. Fünf Fragen zum Thema Heimat hat sich dieses Mal Prof. Dr. Heribert Prantl gestellt. In unserem Servicebereich gehen wir auf unseren neuen Vertrag für unsere Mitgliedsvereine mit der GEMA und eine in der Realisierung befindliche Handreichung mit Bildungspartner NRW für die Zusammenarbeit von Heimatakteuren und Schulen ein. Ich wünsche Ihnen gute Impulse für Ihre Arbeit und würde mich freuen, mich mit Ihnen auf unseren Veranstaltungen im Themenjahr persönlich auszutauschen! Herzliche Grüße Ihre Dr. Silke Eilers Geschäftsführerin des WHB HEIMAT WESTFALEN – 2/2019 / 3
Natur entdecken und erfahren Naturkontakte und Kinder – neun begründete Gedanken Von Armin Lude Der achtsame Umgang mit Natur und Tieren muss vorgelebt werden. Foto/ Armin Lude 4 / HEIMAT WESTFALEN – 2/2019
nachhaltiges Lernen im Nahraum N aturkontakte und Naturerfahrungen sind wert- Flächen (im Vergleich zu normalen Spielplätzen) viel- voll, denn Natur wirkt vielfältig und tut gut – fältiger, intensiver und kreativer. Ganz nebenbei fördert so ließe sich mein Beitrag auf den Punkt brin- eine naturnahe Umgebung die körperliche Bewegung gen. Viele in der Umweltbildung tätige Menschen haben und trägt zur Gesundheit und Krankheitsresistenz das Gefühl, dass sie das doch schon intuitiv wussten. bei. Weitere Effekte sind Wirkungen auf das Umwelt- Aber dies mit Studien zu unterlegen ist wichtig, um die bewusstsein wie Naturverbundenheit, Umweltwissen, Bedeutung von Natur zu kommunizieren. Denn – und -einstellung und -handeln. Deutliche positive Effekte das sagt uns unser Gefühl ebenfalls –, Naturkontakte von Natur gab es auch bei der Sozialkompetenz, was werden seltener. sich im Sozialverhalten, in Kooperationen und in der Nachfolgend werden neun Gedanken zum Thema Kommunikation äußerte. Naturkontakte und Kinder formuliert. Diese werden mit Solche Wirkungen konnten wir – Andreas Raith Studien belegt und weiterführende Literaturquellen zur und ich – in einer umfangreichen Literaturstudie zur Vertiefung angegeben. Wirkung von Natur auf die kindliche Entwicklung zusammentragen. Wissenschaftliche Datenbanken (Sammlungen von Veröffentlichungen in Büchern und Was ist was …? Fachzeitschriften) wurden nach Suchbegriffen (z. B. Naturerfahrung, Kind, Natur) durchforstet. Für einen Naturkontakte und Naturerfahrungen werden in der Suchzeitraum von 15 Jahren kamen wir auf mehr als Bildungspraxis oft als gleichbedeutende Begriffe ver- 15.000 Treffer. Diese haben wir nach Passung zum wendet. Jedoch steckt ein anderes Konzept dahinter: Thema und zu definierten Mindestanforderungen ge- Naturkontakte (oder synonym Naturbegegnungen) prüft. Es blieben 115 Veröffentlichungen, die wir in un- finden statt, wenn Natur auf unsere Sinne wirkt. Bei serem Buch „Startkapital Natur“ (s. unten) tabellarisch Naturerfahrungen wird ein Naturkontakt in einem Aus- zusammengestellt und ausgewertet haben. einandersetzungsprozess verarbeitet – dabei wird das Erlebte reflektiert. Naturerfahrungen gehören so zur „Innenwelt“ des Menschen, Naturkontakte hingegen ... und die Natur braucht Kinder, zur „Außenwelt“. die umsichtig mit ihr umgehen Bei wissenschaftlichen Untersuchungen ist es oft schwer zu unterscheiden, ob Naturkontakte oder Na- Ein naturpf leglicher und umsichtiger Umgang ist turerfahrungen stattgefunden haben. Manche Au- nicht angeboren. Kinder sind neugierig. Im Krabbelal- torinnen und Autoren verwenden daher den Begriff ter sind der Entdeckungstrieb und die Neugier groß. Naturerfahrungen als Oberbegriff, wobei eigentlich Alles wird erkundet – mit allen Sinnen (!). So werden Naturkontakte der treffendere Oberbegriff wäre. So ver- etwa Blüten nicht nur angesehen, sondern auch in ihre wende ich ihn im Folgenden. Bestandteile zerlegt. Manche Pflanzen sind selten und sollten nicht gerade als Zutat zu einem Gebräu im Rah- men eines kindlichen Rollenspiels dienen. Echte Tie- Gedanke 1: Kinder brauchen Natur ... re sind nicht so robust wie Duplikate aus Plastik oder Stoff. Sie brauchen einen umsichtigen Umgang. Eltern Naturerfahrungen sind wichtig für die Entwicklung. sowie Erzieherinnen und Erzieher sollten dies selbstver- Studien konnten Effekte von Natur zeigen auf das ständlich zum Thema machen. Sie müssen eine Balance Wohlbefinden, auf die Selbstwahrnehmung und die finden zwischen Neugier befriedigen lassen und einem Selbstkompetenz (wie Kreativität, Lernmotivation, sorgsamen Umgang mit der Natur. Unseren eigenen Selbstdisziplin, Konzentration, Sprachkompetenz) sowie Kindern hatten wir gezeigt, dass man Blüten anpusten auf die Sachkompetenz (wie Lernprozesse und Lerner- kann, anstelle sie zu zerlegen. So ist immer noch eine folge). Das kindliche Spiel war auf naturbestimmten sinnliche Tätigkeit damit verbunden statt eines Verbots. HEIMAT WESTFALEN – 2/2019 / 5
Natur entdecken und erfahren Frühe Kontakte prägen – Kleinkind und Buschwindröschen. Foto/ Armin Lude Gedanke 2: Je früher desto besser Kinder lernen stetig – und wir Eltern oder Erzieherin- dass schon der Blick aus dem Fenster auf ein Stück Na- nen und Erzieher – sind ihre Wegbereiterinnen und tur eine messbare Wirkung hat. Die von ihm untersuch- Wegbereiter. Aber nicht nur von uns lernen sie, sondern ten Patientinnen und Patienten verlangten nach einer ebenso von anderen Kindern und von ihrer Umwelt. Je Gallen-Operation weniger nach starken Schmerzmit- früher sie positive Kontakte zur Natur bekommen, des- teln, wenn sie von ihrem Bett aus Laubbäume anstelle to besser, da so das Naturbild in der frühen Kindheit einer Ziegelsteinmauer sehen konnten. Ernest O. Moore gefestigt wird. Eine hervorragende Einrichtung hierfür führte eine ähnliche Studie in Gefängnissen durch: sind die naturbezogenen Kindergärten wie Waldkin- Zellen mit Naturblick wirkten sich steigernd auf das dergärten. Es ist aber auch wichtig, dass das Elternhaus Wohlbefinden der Inhaftierten aus. mitzieht. Dann kann das Elternhaus einen fehlenden Waldkindergarten ersetzen. Dennoch sind Naturerfahrungen drinnen nicht mit Sinneserfahrungen in der Natur draußen gleichzuset- zen. Draußen werden einerseits in einem viel höheren Gedanke 3: DrauSSen ist es besser als Maße alle Sinne angesprochen, andererseits ist die drinnen Lichtintensität im Freien ungleich stärker. Licht hat ver- schiedene positive Wirkungen. Wenn es fehlt, kann kein Ein Aufenthalt in der Natur wirkt vielfältig positiv auf Vitamin D produziert werden, und es kann zu Kurzsich- uns. Psychologinnen und Psychologen erklären es da- tigkeit kommen. mit, dass unsere Vorfahren Naturwesen waren und die Schaffung von Kulturräumen und naturfremden Behau- Und das Mehr an Bewegung ist förderlich für unsere sungen evolutionär betrachtet erst kurze Zeit zurück- Gesundheit. Schwedische Forscherinnen und Forscher liegt. In einer Studie konnte Roger Ulrich sogar belegen, haben bei Schülerinnen und Schülern die Intensität von 6 / HEIMAT WESTFALEN – 2/2019
nachhaltiges Lernen im Nahraum „Schlechtes Wetter“ wird mehr von Erwachsenen und weniger von Kindern beklagt. Foto/ Armin Lude Bewegungen mit Beschleunigungsmessern an Armbän- dern untersucht. Im Freien bei körperlicher Bewegung trat die höchste Bewegungsintensität auf. Erst an zwei- ter Stelle folgte der Sportunterricht. Wurden die Werte über den Tag hinweg summiert, zeigte sich, dass die freien Bewegungen (draußen gefolgt von drinnen) den höchsten Beitrag lieferten. Auch kann im Freien das Wetter in allen Facetten erlebt werden. Unsere Abneigung gegen Regen scheint kultu- rell tradiert zu werden. Ich las in der Zeitung, dass Tou- risten, die aus dem arabischen Raum zum Shopping in die großen europäischen Metropolen reisten, sich bei Regen erfreuten. Unsere eigenen Kinder tanzten gerne im Regen, bis sie pitschnass und erdverschmiert waren, bis dann eines Tages die Oma ihnen diese Er- fahrung mit besorgtem Blick untersagte. Auch Befra- gungen von Schulkindern zeigen immer wieder, dass „schlechtes Wetter“ mehr von den Lehrkräften und weniger von den Schülerinnen und Schülern beklagt wird. HEIMAT WESTFALEN – 2/2019 / 7
Natur entdecken und erfahren Naturkontakte können vielfältig angebahnt werden – Natur kann auch reingeholt werden wie beim Malen mit Erdfarben. Foto/ Armin Lude Gedanke 4: Die Natur kann reingeholt werden Natur und Kultur werden oft als Gegensätze darge- stellt. Das Draußen gegen das Drinnen, das Natürliche und Unberührte gegen das vom Menschen beeinflusste Künstliche – kurz: das Gute gegen das Böse. Die Argu- mentation, dass die Natur per se das Heilmittel sei, ist nahe an einer romantischen Naturverklärung, in der die Natur nur als positiv und schön ohne jegliche ne- gativen Seiten gesehen wird. Natur und Kultur lassen sich aber nicht nur als Gegensätze darstellen. Sie kön- nen ebenso als Kontinuum, als „gemeinsame Welten“, aufgefasst werden. Dann lässt sich argumentieren, dass Zudem kann mit dem Ansatz eines Kontinuums von es pädagogische Zugänge gibt, bei denen die Natur rein- Kultur zu Natur ein Übergang vom Drinnen zum Drau- geholt wird. Beispielsweise Naturmaterialien, mit denen ßen geschaffen werden. Im Freien lassen sich gleichfalls drinnen gebastelt wird. Statt Farben aus dem Farbkasten Kunstwerke gestalten. „Landart“ ist eine Kunstform, in können aus Erde oder aus Pflanzen Farben hergestellt der als Rohstoffe und Materialien nur Gegenstände aus und damit gemalt werden. Selbst Pflanzen, die in den der Natur dienen. Raum geholt werden, zeigen positive Wirkung auf das Wohlfühlen. In Schulen verhängten Lehrerinnen und Lehrer weniger Disziplinarmaßnahmen, wenn in einer Gedanke 5: Die Natur ist ein Spielplatz Klasse Topfpflanzen im Zimmer standen, als in einem Klassenzimmer ohne Pflanzen. Schülerinnen und Schü- Das Foto zum Spielplatz habe ich am Rande unseres ler, die sich um die Pflanzen kümmerten, berichteten, Dorfes aufgenommen. Unmittelbar grenzt hier – nur sich besser von Stress zu erholen, als Mitschülerinnen durch einen Fußweg getrennt – ein großes Waldgebiet und Mitschüler in Klassen ohne diese Aufgabe. an, das auch von Kindergartengruppen genutzt wird. 8 / HEIMAT WESTFALEN – 2/2019
nachhaltiges Lernen im Nahraum Ich frage mich, wie man auf die Idee kommen kann, hier einen solchen Spielplatz anzulegen. Möchte man etwa den Eltern von jungen Kindern die Botschaft ver- mitteln, bis hierher, aber doch besser nicht weiter …? Hans Joachim Schemel und Kollegen haben schon vor mehr als zehn Jahren klassische Spielplätze im Ver- gleich zu naturnahen Flächen untersucht. Das Ergebnis war: Das Spiel auf den naturnahen Flächen war kreati- ver und oft hochkomplex (z. B. in Form von Rollenspie- Überraschende Phänomene in der Natur regen auch die Entwick- lung der Sprachkompetenz an. len). Die Dauer der Spiele war länger, und die Kinder Foto/ Armin Lude spielten öfter mit anderen Kindern zusammen und be- richteten häufig begeistert darüber. Ganz ähnlich waren die Ergebnisse von Forschergruppen, die das Kinderspiel einem größeren Vokabular. Die Kinder ringen nach im Wald untersuchten. Der Vergleich vom Spielen im Möglichkeiten, die überraschenden Phänomene oder Regelkindergarten mit dem im Waldkindergarten wur- die Umgebung zu beschreiben und zu verstehen. So de mit „Dreiradfahren versus Rollenspiele“ pointiert. wird beim Spiel oder bei anderen gemeinsamen Akti- Dass der Wald waldtypische Gefahren mit sich vitäten in der Natur die Entwicklung der Sprachkom- bringt, soll nicht verschwiegen werden. Insbesondere petenz angeregt. bei starkem Wind ist ein Aufenthalt nicht mehr gefahr- los. Dürre Äste können abbrechen. Daher ist es nicht ratsam unter Bäumen, die Totholz abwerfen können, Gedanke 7: Die intrinsische Motivation wie etwa der Buche, einen Sammelplatz zu gründen. ist ein Motor Ein Blick nach oben ins Geäst bringt Klarheit. Spaß, (Spiel-)Freude, Enjoyment – wie auch immer von verschiedenen Autoren bezeichnet und konkret Gedanke 6: Die Natur ist eine Lehrkraft definiert – führen zu einer intrinsischen Motivation. Die Kinder treffen in der Natur auf vielfältigere und Das Spiel auf naturnahen Flächen ist kreativer als auf klassischen unvorhersehbarere Situationen als drinnen. Dies er- Spielplätzen. fordert komplexere sprachliche Ausdrucksformen mit Foto/ Armin Lude HEIMAT WESTFALEN – 2/2019 / 9
Natur entdecken und erfahren Dies ist ein von innen heraus selbst gesteuertes Bestre- rungen machen, haben den Wunsch, noch mehr davon ben, etwas ohne Zwang oder äußere Anreize nochmals zu machen. tun zu wollen. Intrinsische Motivation baut Interessen auf und führt zu Lernzuwachs. Sie kann aber auch zu einem Flow-Erleben führen, einem Zustand völliger Ver- Gedanke 8: Wir kamen einst von den tiefung und restlosem Aufgehen in einer Tätigkeit wie Bäumen ... beispielsweise dem Bau eines Hauses aus Stöcken. ... und Kinder lieben sie noch immer. Alles Neue führt zu intrinsisch gesteuerter Hinwen- dung. Dieser Neugiereffekt nimmt mit der Zeit ab. Bei Unsere frühen Vorfahren waren Baumbewohner, sie Naturerfahrungen scheint es jedoch keine Sättigung zu besiedelten dann die Steppen und entwickelten sich geben. Kinder und Jugendliche, die häufig Naturerfah- zum Homo sapiens. Was das Erklimmen von Bäumen 10 / HEIMAT WESTFALEN – 2/2019
NAcHHALTIgES LErNEN IM NAHrAUM bei Naturerfahrungen scheint es keine Sättigung zu geben. Foto/ Armin Lude HEIMAT WESTFALEN – 2/2019 / 11
Natur entdecken und erfahren betrifft, so lieben es Kinder noch immer. Nach einer von Bäumen absägen lassen, um damit ein Beklet- Studie von Ellen Sandseter zum Kinderspiel fasziniert tern zu erschweren. sie die zunehmende Höhe. Schrittweises Klettern baut auch Höhenängste ab und stärkt das Selbstvertrauen. Gut angeleitet gehört Baumklettern zu den siche- Klettern ist eine Herausforderung, die uns an Grenzen ren sportlichen Betätigungen. Keine dünnen oder stoßen lässt und beim Scheitern vertretbaren Schaden dürren Äste nutzen, immer eine Hand an einem mit sich bringt. Wenn die bisherige Grenze aber über- sicheren Halt, nahe am Stamm klettern: Mehr Re- schritten wird und die Herausforderung gelingt, werden geln braucht es kaum – außer vielleicht noch ein wichtige Lernerfahrungen gemacht. Diese werden als bisschen Mut zum Wagnis. so bedeutsam für Kinder angesehen, dass Dieter Breit- hecker (Bundesarbeitsgemeinschaft für Haltungs- und Bewegungsförderung e. V.) beim Klettern und sportli- Gedanke 9: Die Zukunft von morgen chen Herausforderungen Schäden von Prellungen bis wird heute gestaltet hin zu Knochenbrüchen als vertretbar ansieht. Nach einer repräsentativen EMNID-Studie vom Fe- Natur hat viele unmittelbare positive Wirkungen bruar 2015 sind nur etwa die Hälfte der bis zu 12-Jähri- auf uns. Am augenfälligsten ist dabei die entspan- gen ohne fremde Hilfe auf einen Baum geklettert. Dies nende Wirkung. Naturerlebnisse können aber spiegelt gleichfalls das hohe Sicherheitsbedürfnis vieler obendrein zu einer längerfristigen Bindung und zu Eltern wider – und das von Gemeinden ebenso, die mit einem persönlichen Engagement für die Natur füh- steter Regelmäßigkeit an Spielplätzen die unteren Äste ren. Thomas Tanner und Kollegen haben Umwelt- Schrittweises Klettern baut auch Höhenängste ab und stärkt das Selbstvertrauen. Foto/ Armin Lude 12 / HEIMAT WESTFALEN – 2/2019
NAcHHALTIgES LErNEN IM NAHrAUM schützer und -aktivisten nach Einflüssen in ihrem Leben befragt, die sie dahingehend motiviert haben, heute die Umwelt zu schützen. In den meisten der Fälle waren es Naturerlebnisse, die sie in ihrer Kindheit oder Jugend- zeit gemacht haben. Die Zukunft von morgen wird schon heute gestaltet. Wir können aktiv dazu beitragen, sie lebenswert zu gestal- ten. Hierzu gehören viele Ansätze, die im Rahmen des Alle können aktiv dazu beitragen, die Natur lebenswert zu gestalten. UNESCO-Weltaktionsprogramms Bildung für nachhal- Foto/ Armin Lude tige Entwicklung vorgeschlagen werden. Das beginnt schon im Kindesalter – z. B., sich gemeinsam für den Schutz von Natur und von biologischer Vielfalt einzu- INFo setzen. Der Nachhaltigkeitsansatz kann und sollte alle Armin Lude ist Professor für Biologie und ihre Didaktik Bildungseinrichtungen durchdringen. Von Bildungs- an der Pädagogischen Hochschule in Ludwigsburg. projekten über die Gestaltung der Gebäude, die Verpfle- Seine Arbeits- und Forschungsschwerpunkte sind gung bis hin zu Kooperationen mit Partnern. Und der Naturerfahrungen, Umweltbildung und Bildung für Beginn liegt schon im Kindergarten – und natürlich nachhaltige Entwicklung sowie das mobile orts- auch im Elternhaus. bezogene Lernen im Schnittbereich mit diesen Themen. lude@ph-ludwigsburg.de http://www.ph-ludwigsburg.de/wp/lude/ LITErATUrAUSWAHL • Raith, Andreas/Lude, Armin: Startkapital Natur – wie Naturerfahrung die kindliche Entwicklung fördert. München 2014. • Lude, Armin: Abenteuerspielplatz Natur. In: Gehirn & Geist 6/2017, S. 38–44. • Raith, Andreas: Das Potential naturnah gestalteter Schulhöfe für informelle Naturerfahrungen. Dissertation, Pädagogische Hochschule Ludwigsburg 2017. https://phbl-opus.phlb.de/frontdoor/index/index/docId/526 (zuletzt abgerufen am 10.04.2019) • Kohler, Beate/Lude, Armin (Hrsg.): Garten und Natur erfahren mit dem Bilderbuch „Was wächst denn da?“ von Gerda Muller. 40 Projektideen für die Kita. Weinheim 2015. • Gebhard, Ulrich: Kind und Natur. Die Bedeutung der Natur für die psychische Entwicklung. Wiesbaden 2013. Eine ausführliche Literaturliste versendet der WHB gerne auf Anfrage. Bitte fordern Sie diese als E-Mail an: whb@whb.nrw Der Artikel ist bereits in ähnlicher Form erschienen: Lude, Armin: Naturkontakte im Kindergartenalter – 9 Thesen und 9 Fotos. In: Verband der Naturparke Österreichs (Hrsg.). Naturpark-Kindergärten und Biodiversität. Graz 2017, S. 17–26. https://www.naturparke.at/vnoe/veroeffentlichungen/studien/ HEIMAT WESTFALEN – 2/2019 / 13
Natur entdecken und erfahren Ein Mädchen beim Ausschlämmen von Fossilien unter sachkundiger Anleitung der Paläontologen des Museums. Foto/ Christoph Steinweg/ LWL-Museum für Naturkunde 14 / HEIMAT WESTFALEN – 2/2019
nachhaltiges Lernen im Nahraum Ehrensache – die naturkundliche Erforschung Westfalens gestern, heute und morgen LWL-Museum für Naturkunde, Münster Von Jan Ole Kriegs und Bernd Tenbergen J eder bringt mit dem Begriff Heimat etwas An- Geschichte der Natur und Landschaft deres in Verbindung. Der Geburtsort, der Men- schenschlag, historische Gebäude oder die Westfalens traditionelle Küche gehören zweifellos dazu. Für die meisten Menschen sind auch die Landschaft und die Die Vielfalt an Tieren und Pflanzen, die in Westfalen heimischen Tier- und Pflanzenarten untrennbar mit vorkommen, wird schon in mittelalterlichen Quellen der Heimat verbunden. Für viele Menschen ist die Na- erwähnt (z. B. Levold von Northof, um 1300). Erste Ar- tur dabei vielleicht so etwas wie schmückendes Beiwerk, tenlisten zu heimischen Fischen, Vögeln und Säugetieren das eher zum Gesamtbild gehört und nur unbewusst finden sich bei Johann Diederich von Steinen (1699–1759) wahrgenommen wird. Für einige andere macht die oder Christian Friedrich Meyer (1748–1834). Westfälische heimische Natur jedoch das Wesen von Heimat aus. Pflanzen listete der Linné-Schüler Jakob Friedrich Ehrhart Sie widmen sich der Erforschung der heimischen Ar- (1742–1795) auf, dessen Herbarium sich in den Sammlun- tenvielfalt oftmals in jeder freien Minute. Von diesem gen des LWL-Museums für Naturkunde befindet. Menschenschlag, zu dem sich auch die beiden Autoren Naturkundliches Ehrenamtsforum im LWL-Museum für Naturkunde. zählen, und vom Zusammenspiel zwischen Ehrenamt LWL-Direktor und WHB-Vorsitzender Matthias Löb (3. v. r.) gibt das und Museum handelt dieser Beitrag. Buch „Seltene Vögel in Nordrhein-Westfalen“ an die ehrenamtlichen Bearbeiter aus. Das meiste, was wir heute über die westfälische Natur Foto/ Christoph Steinweg/ LWL-Museum für Naturkunde wissen, verdanken wir privatem Wissensdurst. Seit vie- len Jahrhunderten beobachten die Menschen die belebte und unbelebte Natur, legen Sammlungen an, schreiben ihr Wissen auf und teilen es auf diese Weise mit ande- ren. Eigentlich wollten wir hier beschreiben, wie die ehrenamtliche Forschung durch das LWL-Museum für Naturkunde gefördert wird. Das wäre jedoch zu einsei- tig. Seit der Gründung des Museums lassen sich ehren- amtliche und berufliche Naturforschung am Museum kaum trennen. Sie unterstützen sich gegenseitig und gehen Hand in Hand. HEIMAT WESTFALEN – 2/2019 / 15
Natur entdecken und erfahren Das LWL-Museum für Naturkunde in Münster heute Foto/ Christoph Steinweg/ LWL-Museum für Naturkunde Die Grenzen zwischen beruflicher und ehrenamtlicher schon damals der Westfälische Provinzialverband, also Forschung waren früher fließend. Forstwissenschaftler der Rechtsvorgänger des heutigen Landschaftsverbandes und andere Landnutzer, Ärzte oder Apotheker hatten be- Westfalen-Lippe (LWL). Die Idee zur Gründung kam aber rufsbedingt einen Zugang zu den Naturwissenschaften. nicht von der preußischen Verwaltung, sondern aus ei- Oftmals befassten sie sich aber mit Themen, die weit über nem damals aktiven Kreis ehrenamtlicher Naturforscher. den eigenen beruflichen Fokus hinausgingen. Zu den Zu denen gehörten neben Gründungsdirektor Prof. Her- Menschen, die ausreichend Zeit mann Landois (1835–1905) auch andere namhafte Natur- und Möglichkeiten zum Forschen forscher ihrer Zeit wie zum Beispiel Ferdinand Freiherr hatten, gehörten früher vor allem von Droste zu Hülshoff (1841–1874) oder Bernard Altum Adlige, Geistliche und Lehrer. (1824–1900). Ein Wunsch dieser privaten Forscher war es, in Westfalen ein Landesmuseum für Naturkunde als Ort für fachlichen Austausch und zum Aufbewahren der Hand in Hand: Ehren- umfangreichen naturkundlichen Privatsammlungen amt und Museum zu gründen. Diese sollten als Referenzsammlungen für die heimische Artenvielfalt und zur naturkundlichen Das heutige LWL-Museum für Na- Bildung der Bevölkerung dienen. Die ehrenamtlichen turkunde wurde im Jahre 1892 Forscher, die auf die Museumsgründung hinarbeiteten, als Westfälisches Provinzialmu- waren Mitglieder der 1872 gegründeten zoologischen seum für Naturkunde eröffnet. und botanischen Sektionen des Westfälischen Provinzial- Der Träger des Museums war vereins für Wissenschaft und Kunst, in deren Statuten die Gründung eines Landesmuseums für Naturkunde sogar als Vereinsziel genannt wird (Freiherr von Droste zu Hüls- Ferdinand Freiherr von Droste zu Hülshoff (1873) hoff 1873). Die privaten Sammlungen der Vereinsmitglie- der sowie die zunächst im Krameramtshaus behelfsmäßig Foto/ Sammlung des LWL-Museums für Naturkunde untergebrachten naturkundlichen Sammlungen der 16 / HEIMAT WESTFALEN – 2/2019
nachhaltiges Lernen im Nahraum botanischen und zoologischen Sektionen bildeten bei Tierarten ausgewertet. Dabei sind zahlreiche umfassen- der Eröffnung im Jahr 1892 den fachlichen Grund- de Werke über die westfälische Natur veröffentlicht wor- stock des neuen Museums. Schon damals dürfte es sich den, viele in Zusammenarbeit zwischen Ehrenamt und um zigtausende von Objekten gehandelt haben. Heute Museum. Die Naturkundler des 19. Jahrhunderts veröf- bewahrt und pflegt das LWL-Museum für Naturkun- fentlichten ihre Erkenntnisse in Schriftenreihen wie „Na- de in Münster in den Sammlungen über 2,3 Millionen tur und Offenbarung“ oder in den Jahresberichten der Objekte. botanischen und der zoologischen Sektionen des West- Seit der Gründungszeit ist das Museum nicht nur wich- fälischen Provinzialvereins. Hermann Landois brachte tiger Sammlungsort für naturkundliche Belege aus der die Buchreihe „Westfalens Tierleben“ heraus, die sich in Region: Die Wissenschaftler des Hauses, die in der Regel Form von Monographien mit den heimischen Vögeln, selbst ihr Hobby zum Beruf gemacht haben, haben von Säugetieren, Amphibien, Reptilien und Fischen befas- Beginn an gemeinsam mit ehrenamtlichen Forschern ste. Zahlreiche Artikel sind im 20. und 21. Jahrhundert die Natur Westfalen-Lippes erforscht und die Arbeiten in in den Zeitschriften des Museums „Natur und Heimat“, unterschiedlichen Schriftenreihen des Museums oder in „Abhandlungen aus dem Westfälischen Museum für Na- Form von Buchpublikationen veröffentlicht. turkunde“ oder „Geologie und Paläontologie in Westfa- len“ sowie in anderen Fachzeitschriften erschienen. Wissen erwerben und weitergeben Einige wegbereitende Werke, die überwiegend auf ehrenamtlicher Forschung beruhen, beschreiben die Während der letzten 200 Jahre wurden unzählige Einzel- heimische Flora und Fauna für bestimmte Artengrup- beobachtungen notiert, zahlreiche Forschungen durch pen in großer Detailgenauigkeit. Oftmals wird darin Naturinteressierte durchgeführt, Objekte gesammelt nicht nur die Verbreitung der Arten hierzulande und und die gewaltigen Sammlungen später für Verbrei- zu einer bestimmten Zeit dargestellt, sondern vieles zu tungserhebungen zu verschiedensten Pflanzen- oder den Lebensräumen und ökologischen Ansprüchen der Blick in die Schmetterlingssammlung Foto/ Berenika Oblonczyk/ LWL-Museum für Naturkunde HEIMAT WESTFALEN – 2/2019 / 17
Natur entdecken und erfahren Arten berichtet. Zu den bedeutendsten zoologischen Zudem betreibt das Museum bürgerwissenschaftliche Werken Westfalens gehören die „Avifauna von West- Projekte (Citizen Science) wie den Online-Atlas der Säuge- falen“ (1969), „Die Säugetiere Westfalens“ (1984) und tiere Nordrhein-Westfalens (saeugeratlas-nrw.lwl.org) in „Die Amphibien und Reptilien Westfalens“ (1981) oder Zusammenarbeit mit der Arbeitsgemeinschaft Säugetier- aktueller das „Handbuch der Amphibien und Repti- kunde. Zu diesem wachsenden Projekt können alle Inter- lien“ (2011). Für die Botanik sind beispielsweise die essierten beitragen und online Beobachtungen melden. „Rubi Westfalici – Die Brombeeren Westfalens“ (1985) oder die vielen pilzkundlichen Arbeiten von Hermann Im Rahmen solcher Projekte zur heimischen Biodiversi- Jahn mit seinen „Westfälischen Pilzbriefen“ (1957- tät kann in den Museumssammlungen des LWL-Museums 1986) und von Annemarie Runge (1981) zu erwähnen. für Naturkunde recherchiert werden, um Datum und Ort Beeindruckend sind beispielsweise auch die umfang- des Vorkommens einer Art zu erfassen und die Bestim- reichen floristischen Untersuchungen des Ehepaars mung zu überprüfen. Für fachliche Auswertungen bie- Sonneborn in der Senne (Sonneborn & Sonneborn tet die Museumsbibliothek zudem einen Literaturservice. 2018). Hier findet man nahezu alles, was für die Auswertung westfälischer Daten benötigt wird. Der Bestand dieser Zuletzt wurden in Zusammenarbeit mit unterschiedli- Bibliothek hat seine Schwerpunkte auf den Feldern Bio- chen Vereinen und Arbeitsgruppen und unter Beteiligung diversität, Artenkenntnis, Systematik, Ökologie, Land- tausender Ehrenamtlicher verschiedene Bücher am LWL- schaftsgeschichte, Geologie und Paläontologie, jeweils Museum für Naturkunde herausgebracht. Dazu gehören: auch mit regionalem Fokus, und umfasst mehr als 50.000 „Die Brutvögel Nordrhein-Westfalens“ (Grüneberg et al. Titel, darunter über 12.000 Zeitschriftenreihen. 2013), „Die Libellen Nordrhein-Westfalens“ (Menke et al. 2016), „Seltene Vögel in Nordrhein-Westfalen“ (Avifau- Die Arbeit der naturkundlich forschenden Vereine und nistische Kommission Nordrhein-Westfalen 2017) oder Arbeitsgruppen wurde auf dem „1. Ehrenamtsforum“, „Die Orchideen Nordrhein-Westfalens“ (Arbeitskreis Hei- einer Messe im LWL-Museum für Naturkunde, vorge- mische Orchideen 2018). stellt. Im November 2017 präsentierten sich die ehren- AG Säugtierkunde 2015 zur Veröffentlichung des Online-Atlas der Säugetiere Nordrhein-Westfalens Foto/ Bernd Tenbergen/ LWL-Museum für Naturkunde 18 / HEIMAT WESTFALEN – 2/2019
nachhaltiges Lernen im Nahraum amtlichen Forscher bei Vorträgen und an 24 Ständen den über 1.600 Besucherinnen und Besuchern. Auf diese Weise sollte diese wichtige Arbeit bekannt ge- macht werden. Auf vielfachen Wunsch wird nun das „2. Ehrenamtsforum“ am 7. Dezember 2019 im Museum stattfinden. Partner sind zahlreiche Vereine, so auch der Westfälische Heimatbund. Frühexkursionen, Barber-Fallen und Herbarien Die Menschen, die sich in ihrer Freizeit mit der Erfor- schung der heimischen Artenvielfalt beschäftigen, sind so verschieden wie die Objekte ihres Interesses. Manche sind zu nachtschlafender Zeit unterwegs, um Fleder- mäuse zu erfassen oder Eulen zu kartieren. Andere gra- ben Bodenfallen für Insekten ein oder hängen Fotofallen zur Erfassung der Säugetiere in den Wald. Botanikerin- nen und Botaniker brauchen viel Zeit, um wenige Meter zurückzulegen. Dabei werden Pflanzen gesammelt oder Auf der Suche nach Käfern in Totholz fotografiert und alles, was nicht direkt im Gelände ange- Foto/ Jan Ole Kriegs/ LWL-Museum für Naturkunde sprochen werden konnte, wird zuhause nachbestimmt. Belege werden gepresst und ins heimische Herbarium paläontologische Bodendenkmalpflege, Planetarium, aufgenommen. In der Feldsaison verbringen Feldbio- Besucherzentrum „Kahler Asten“ sowie Bildungs- und logen praktisch die gesamte Zeit im Freien. Alles was Forschungszentrum „Heiliges Meer“. Als wichtiges Ziel liegen bleibt, wird auf die langen Winterabende ver- ist dort benannt, das Museum in seiner Funktion als schoben. Denn so viel Freude die Geländearbeit auch regionales Forum und Kompetenzzentrum in naturwis- bereitet, sie zieht stets eine Reihe weiterer Tätigkeiten senschaftlichen Fragen sowie als Servicepartner für die im Arbeitszimmer nach sich. Die Belege und Beobach- ehrenamtliche Forschung weiterzuentwickeln. Es sollen tungen müssen archiviert, Fotos gesichtet, Daten aus- neue partnerschaftliche Projekte und Publikationen gewertet und schließlich Artikel geschrieben werden. unterstützt oder initiiert werden. Fachliche Arbeit und Nur wenn all dies ebenso sorgfältig geschieht wie die fachlicher Austausch sollen am Museum in eigenen neu Erfassung im Gelände, kann das Wissen auch dauerhaft entstehenden Räumlichkeiten möglich werden. gesichert und der Fachwelt zur Verfügung gestellt wer- den. Ehrenamtliche Forschung ist ebenso professionell Umgekehrt ist ehrenamtliche Forschung auch für wie Berufswissenschaft. die Erfüllung der Aufgaben des Museums unerläs- slich: Das LWL-Museum für Naturkunde ist für den Landesteil Westfalen-Lippe beispielsweise mit der Pa- Gemeinsam für die Zukunft läontologischen Bodendenkmalpflege nach dem Denk- aufgestellt malschutzgesetz NRW betraut. Bei der Erfüllung dieser Aufgabe arbeiten die drei Paläontologen des Museums Im Juni 2018 wurde für das LWL-Museum für Naturkun- eng mit einem Netzwerk Ehrenamtlicher zusammen, de in Münster ein Museumsentwicklungsplan vorgestellt ohne die die vielen potenziellen Bodendenkmäler un- und politisch durch die LWL-Landschaftsversammlung entdeckt bleiben würden. Das Museum unterstützt beschlossen. Der Plan umfasst eine allgemeine Moderni- umgekehrt die Hobby-Paläontologen fachlich bei der sierung des Museums in den Tätigkeitsfeldern Ausstel- Ausübung und Publikation ihrer Projekte. Künftig soll lungen, Wissenschaft und Forschung, Sammlungen, es am Hause regelmäßige Arbeitsgruppentreffen und HEIMAT WESTFALEN –2/2019 / 19
Natur entdecken und erfahren Kursbetrieb auf dem Heiligen Meer Foto/ Christoph Steinweg/ LWL-Museum für Naturkunde Tagungen für Interessierte geben. Neben dem Ausbau den Universitäten seit Jahrzehnten zurückgefahren, dieser Zusammenarbeit ist hausintern geplant, die sodass den Naturkundemuseen eine immer wichtiger Präparationswerkstätten zu modernisieren und zum werdende Funktion als Horte der Artenkenntnis zu- Beispiel auch ein chemisches Präparationslabor einzu- kommt. Hier sehen sich die naturwissenschaftlichen richten, in dem paläobotanisch und pollenanalytisch Museen im Deutschen Museumsbund schon seit Jahren gearbeitet werden kann. in der Pflicht, dem allgemeinen Wissensverlust gegen- zusteuern. Nachwuchsförderung: Junge Arten- Eine der wichtigsten Zukunftsaufgaben besteht für das kennerinnen und Artenkenner – Museum also darin, bei jungen Menschen Interesse für die Expertinnen und Experten von die Natur zu wecken und sie zu Artenkennerinnen und Artenkennern von morgen auszubilden. Um das zu er- morgen reichen, sollen die Ausstellungen, das museumspädago- gische Programm und vor allem das Kursprogramm am Wie in vielen Bereichen der ehrenamtlichen Vereins- LWL-Bildungs- und Forschungszentrum Heiliges Meer arbeit gibt es auch in der Naturkunde erhebliche ständig modernisiert und weiterentwickelt werden. Seit Nachwuchssorgen. Für viele Eltern und Lehrer ist es vielen Jahren unterstützt das Museum „Jugend forscht“- schwierig, bei Kindern Interesse für heimische Tiere Projekte. Zu den besonderen Erfolgen zählten dabei die und Pflanzen zu wecken, da ihnen oftmals selbst der Schmetterlingsforschung am Heiligen Meer von Simon Zugang fehlt. Ist das Interesse da, so fehlt es oft an Fach- Chen (Bundessieger 2019) und die Libellenarbeit von leuten, die den Nachwuchs ausbilden können. Meike Terlutter (Landessiegerin 2019). Die Grundausbildung neuer Artenkennerinnen und Bei Recke im Kreis Steinfurt besitzt der LWL über Artenkenner wird auch im professionellen Bereich an 100 ha Fläche mit Heide, Moor und Erdfallseen im 20 / HEIMAT WESTFALEN – 2/2019
NAcHHALTIgES LErNEN IM NAHrAUM oFFENE kUrSE Für ALLE AM HEILIgEN MEEr kUrSE IM LWL-bILdUNgS- UNd ForScHUNgSZENTrUM „HEILIgES MEEr“: • mehrtägige Kurse zur Gewässerökologie für Schüler und Studierende oFFENE kUrSE Für ALLE INTErESSIErTEN: • Schlauchpilzkurs • Emskurs • Planktonkurs • Moore – Entstehung und Erhaltung • Amphibienkurs Für Interessierte jeden Alters: kurse am Heiligen Meer • Laufkäferkurs Foto/ Berenika Oblonczyk/ LWL-Museum für Naturkunde • Avifaunistischer Kurs • Gräserkurs • Pflanzenkurs Naturschutzgebiet „Heiliges Meer-Heupen“. Hier be- • Libellenkurs treibt das LWL-Museum für Naturkunde sein Bildungs- • Vegetation der Seen und Weiher und Forschungszentrum. Diesem Zentrum wird in im NSG Heiliges Meer Zukunft eine immer wichtigere Rolle beim Wecken • Schwebfliegenkurs von Interesse und beim Ausbilden von Nachwuchsfor- • Crustaceenkurs scherinnen und Nachwuchsforschern zukommen. Hier • Insektenkurs finden mehrtägige Schüler- und Studierendenkurse zur • Reptilienkurs Gewässerökologie statt, die von Lehrerinnen, Lehrern, • Fledermauskurs Schülerinnen und Schülern aus ganz NRW und darüber • Spinnenkurs hinaus hochgeschätzt werden und die weithin ausge- • Heuschreckenkurs bucht sind. Zusätzlich gibt es offene Kurse und Work- • Säugetierkurs shops zu Biodiversität, Artenkenntnis und Ökologie, an • Workshop Pilzbestimmung denen alle Interessierten teilnehmen können. Im Laufe • Pilzkurs der Jahrzehnte wurde bei vielen späteren Expertinnen • Fischkurs und Experten am Heiligen Meer das fachliche Feuer erst • Mooskurs entfacht. Damit das auch künftig so bleibt, soll auch • Flechtenkurs diese Außenstelle des Museums im Sinne des Museum- • Einführung in die Pilzmikroskopie sentwicklungsplans mit der Zeit gehen. Das Kurspro- • Einführung in die Gesteinsbestimmung gramm wird ebenso wie die Inventare der Labor- und Geländegerätschaften regelmäßig der Zeit angepasst Die Kurse richten sich an alle Interessierten. und modernisiert. Vorkenntnisse sind nicht erforderlich. Alle Infos finden Sie auf der Webseite des Zentrums. Neue Forschungsprojekte am Heiligen Meer werden künftig ein großes Alleinstellungsmerkmal des Ge- HEIMAT WESTFALEN – 2/2019 / 21
Natur entdecken und erfahren bietes nutzen: die bestens bekannten Arteninventare. anderen Instituten sollen zudem zusätzliche Arbeits- Seit 1927 ist das Gebiet im Besitz des LWL. Was die Ar- plätze für Gastwissenschaftlerinnen und Gastwissen- tenlisten diverser systematischer Gruppen sowie die schaftler im Museum sowie im neuen Magazingebäude Ökologie des Gebietes anbelangt, ist es eines der am geschaffen werden. besten untersuchten Naturschutzgebiete in Deutsch- land. Dieser Schatz soll nun dazu dienen, aktuelle Das Museum versteht seine Funktion als Bildungs- und Veränderungen in der Biodiversität zu beurteilen wie Veranstaltungsort sowie als Kompetenzzentrum viel- etwa das Insektensterben, ökologische Einflüsse land- seitig. Neben naturkundlicher Bildungsarbeit, eigener wirtschaftlicher Einträge oder die Auswirkungen des Forschung, fachlicher Beratung und Unterstützung eh- Klimawandels. renamtlicher Forschung gehört die Förderung des na- turwissenschaftlichen Nachwuchses zu den wichtigsten Aufgaben. Ziel: Talentschmiede und Heimat für das Ehrenamt I nf o Die fachliche, logistische und finanzielle Unterstützung ehrenamtlicher naturkundlicher Arbeit in Westfalen- LWL-Museum für Naturkunde Lippe gehört zu den immer wichtiger werdenden Auf- Westfälisches Landesmuseum mit Planetarium gaben des LWL-Museums für Naturkunde. Das Museum Sentruper Str. 285 · 48161 Münster selbst soll sich mehr und mehr zu einem Ort des fachli- Öffnungszeiten: chen Austausches zwischen ehrenamtlich und beruflich Museum: Di–So (und feiertags) 9 bis 18 Uhr Forschenden sowie anderen Interessierten entwickeln. Planetarium: Das Planetarium bietet zu festgelegten, Dafür ist unter anderem der Bau eines großen Vortrags- jedoch stetig wechselnden Zeiten Veranstaltungen saals und kleinerer Seminarräume geplant. Für ehren- innerhalb der Öffnungszeiten des Museums an. amtliche Forschungsprojekte oder Kooperationen mit https://www.lwl-naturkundemuseum-muenster.de/de/ Kurse zur heimischen Biodiversität für Jung und Alt Foto/ Berenika Oblonczyk/ LWL-Museum für Naturkunde 22 / HEIMAT WESTFALEN – 2/2019
nachhaltiges Lernen im Nahraum Vor allem Kinder lassen sich für Natur- und Umweltthemen begeistern. Foto/ Maximilianpark Hamm BNE-Regionalzentren in Nordrhein-Westfalen Impulsgeber für natur- und umweltschutzbezogene Bildung und die Vernetzung in Ihrer Region Von Gisela Lamkowsky und Kathrin Kobialka Wie können wir unser heutiges Leben so gestalten, dass auch zukünftige Generationen in einer lebenswerten Umgebung aufwachsen? Und wie können wir leben, damit es nicht auf Kosten von Menschen in anderen Regionen der Welt sowie unserer Natur und Umwelt geht? HEIMAT WESTFALEN – 2/2019 / 23
Natur entdecken und erfahren Die 17 Ziele nachhaltiger Entwicklung Abbildung/ ENGAGEMENT GLOBAL: https://17ziele.de/downloads.html B ildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) be- Fach- und Koordinierungsstelle für BNE in der Natur- gegnet diesen Fragen durch die Befähigung und Umweltschutz-Akademie NRW (NUA) eingerichtet. von Menschen, die Auswirkungen ihres eige- Ein Schwerpunkt der BNE-Aktivitäten liegt im Aufbau ei- nen Handelns zu verstehen und verantwortungsvolle nes landesweiten BNE-Netzwerkes von außerschulischen Entscheidungen zu treffen. Dabei ist BNE kein neuer Bildungseinrichtungen, die in der natur- und umwelt- oder zusätzlicher Lernstoff, sondern vielmehr eine schutzbezogenen Bildung tätig sind. Möglichkeit, Lernende zu motivieren neue Perspektiven Das landesweite Netzwerk außerschulischer Lern- einzunehmen, Zusammenhänge zu erkennen und sich orte der Umweltbildung wird seit Herbst 2016 durch Erkenntnisse selbstständig zu erarbeiten. Bereitstellung von Fördermitteln schrittweise aufge- baut. Mittlerweile sind 23 BNE-Regionalzentren im Agenda 2030 für nachhaltige Übersicht über die Kreise und kreisfreien Städte mit Entwicklung BNE-Regionalzentren Abbildung/ BNE-Agentur NRW Im Jahr 2014 wurde auf der Weltkonferenz für nachhal- tige Entwicklung das UNESCO-Weltaktionsprogramm Bildung für nachhaltige Entwicklung beschlossen. Das fünfjährige Programm (2015–2019) zielt darauf ab, langfristige Veränderungen des Bildungssystems zu bewirken und BNE vom Projekt in die Struktur zu bringen. Dabei leistet es einen wesentlichen Beitrag zur Agenda 2030, die im September 2015 von den Vereinten Nationen verabschiedet wurde und die 17 Ziele nachhaltiger Entwicklung umfasst. Die sogenannten Sustainable Development Goals (kurz: SDGs) berücksichtigen erstmals alle drei Di- mensionen der Nachhaltigkeit – Soziales, Ökologie, Ökonomie – gleichermaßen. In Nordrhein-Westfalen liegt der Fokus der im Januar 2016 verabschiedeten BNE-Landesstra- tegie auf strukturbildenden Maßnahmen. Zur Unterstützung und Umsetzung dieses Prozesses hat die Landesregierung die BNE-Agentur NRW als 24 / HEIMAT WESTFALEN – 2/2019
nachhaltiges Lernen im Nahraum BNE-Landesnetzwerk miteinander verbunden. Diese Umweltbildungseinrichtungen zeichnen sich dabei durch ihr Engagement und ihre vielfältigen Bildungs- angebote für Natur, Umwelt, Klimaschutz und weitere Themen der Nachhaltigkeit aus. In didaktisch gestalteten „Bildungs(frei)räumen“ werden komplexe Themen hand- lungs- und erfahrungsorientiert für Zielgruppen jeden Alters erlebbar. BNE ergänzt und erweitert hierbei die klassische Umweltbildung. Langfristig wird angestrebt, dass jeder Kreis beziehungsweise jede kreisfreie Stadt ein Kindgerechte Vermittlung von Wissen am Mikroskop Regionalzentrum aufweisen kann. Foto/ Jürgen Gölzenleuchter/ Liz Vernetzung in der Region – auch mit eine besondere Verzahnung. Die Mitglieder des Heimat- Heimatvereinen vereins beteiligen sich nicht nur am Veranstaltungs- programm, wie etwa durch Angebote naturkundlicher Ein wichtiges Handlungsfeld, welches neben den BNE-Bil- Führungen, vielmehr werden sie auch in weiterfüh- dungsangeboten sowie der Mitwirkung im Landesnetz- rende Entscheidungen miteinbezogen, indem für eine werk auch zu den Aufgaben eines BNE-Regionalzentrums Vertreterin oder einen Vertreter des Heimatvereins im gehört, sind Netzwerkaktivitäten in der Region. Mögli- Vorstand des Liz ein fester Platz vorgesehen ist. che Kooperationspartner sind dabei auch Heimatvereine. Neben möglichen Kooperationen beinhalten die Netzwerkaktivitäten in der Region auch die Beratung Dabei wird häufig nicht nur ein einzelnes Projekt, und Unterstützung von Akteurinnen und Akteuren bei sondern vielmehr eine langfristig angelegte Zusam- der Verknüpfung lokaler Nachhaltigkeitsthemen mit ih- menarbeit zwischen Heimatvereinen und einem BNE-Re- ren Bildungsaktivitäten. Heimatvereine, die sich bereits gionalzentrum angestrebt. So arbeiten beispielsweise die in der Umwelt- und Naturschutzbildung stark machen, Heimatvereine Lübbecke und Gehlenbeck mit dem NABU können BNE-Regionalzentren als kompetente Ansprech- Besucherzentrum Moorhus in Lübbecke zusammen. partner kennenlernen, von der vorhandenen fachlichen Für interessierte Besucherinnen und Besucher bieten Expertise profitieren oder auch Fortbildungsangebote in die örtlichen Heimatvereine Moorführungen auf Platt- Anspruch nehmen. deutsch an, zeigen die früher schwere „Das Besucherzentrum Moorhus wurde verstärkter Ansprechpartner und eine Arbeit des Handtorf- stichs und teilen Anlauf- und Beratungsinstitution für die Bildungsarbeit im Kreis. Besonderer ihr Wissen über die Wert wird auf die Pflege und Förderung der Gremien- und Netzwerkarbeit Flora und Fauna des gelegt, die in der Region von großer Bedeutung ist. In allen Dörfern rund um Moores sowie über die Geschichte der das Große Torfmoor arbeitet das Moorhus mit den Heimatvereinen zusammen.“ Region. Gegenseitige Unterstützung bei Projekten und ein enger inhaltlicher So besteht für naturinteressierte Personen in vielen Austausch zeichnen auch die Zusammenarbeit des Hei- Regionen die Möglichkeit, ein Zertifikat als Natur- matvereins Möhnesee mit dem Landschaftsinformati- und Landschaftsführer beziehungsweise Natur- und onszentrum Wasser und Wald Möhnesee (kurz: Liz) aus. Landschaftsführerin zu erlangen. In dem von den Na- Begründet in der Entstehungsgeschichte des Liz, welches turschutzverbänden in Zusammenarbeit mit der NUA aus der Initiative und dem großen Engagement des Hei- angebotenen Lehrgang werden die Teilnehmenden so matvereins hervorgegangen ist, besteht zwischen dem geschult, dass sie vielfältige Exkursionen durch Natur örtlichen Heimatverein und dem BNE-Regionalzentrum und Landschaft anbieten können. Diese Qualifikation HEIMAT WESTFALEN – 2/2019 / 25
Natur entdecken und erfahren kann wiederum in die Arbeit in den Heimatvereinen sieht Frau Budde für Heimatvereine die Chance, andere oder aber auch über eine Kooperation in die der BNE- Zielgruppen zu erreichen und Wissenswertes zu Natur Regionalzentren eingebracht werden. und Umwelt, aber auch die Bedeutung von Heimat zu Ein weiteres Fortbildungsangebot, welches vor dem vermitteln. Kerstin Heim-Zülsdorf, Leiterin des Liz, weist Hintergrund von BNE bei der Arbeit mit Kindern ansetzt, darauf hin, dass sich Heimatvereine und BNE-Regional- ist das Naturtrainer-Projekt des NABU NRW. Bei der NABU- zentren in ihren Intentionen und Zielrichtungen häufig Naturschutzstation Münsterland nahm Edith Budde vom stark überschneiden. Von einem thematischen Austausch Heimatverein Herbern an insgesamt 12 Workshops über und einer Zusammenarbeit können beide profitieren, so- einen Zeitraum von 16 Monaten teil. In Theorie und Pra- dass sie empfiehlt, aufeinander zuzugehen und Kontakt xis lernte sie Methoden zur kindgerechten Vermittlung aufzunehmen, wenn dieser noch nicht besteht. von Wissen kennen. Als ein Bestandteil der Ausbildung hospitierte sie in Kindergärten, wo sie eigenständig Pro- INFO jekte und Aktionen entwickelte, die sie mit den Kindern durchführte. Angestoßen durch die Fortbildung und die Gisela Lamkowsky erlangte Qualifikation hat sie ihre Erfahrungen auch in Landeskoordination des BNE-Landesnetzwerks NRW ihre Arbeit im Heimatverein übertragen, wo sie mittler- BNE-Agentur NRW weile für den Kinder- und Jugendbereich zuständig ist. In Siemensstraße 5 · 45689 Recklinghausen diesem Jahr möchte sie den Kita-Kindern die durch den 02361 305-3078 Heimatverein betreute Streuobstwiese näherbringen. So gisela.lamkowsky@nua.nrw.de sollen die Kinder etwa alte Sorten und die Herstellung von Apfelsaft kennenlernen. In der Kinder- und Jugendarbeit Näheres unter: Landesnetzwerktreffen der BNE-Regionalzentren https://www.bne.nrw.de/ im Maximilianpark Hamm https://www.bne-portal.de/ Foto/ Henrik Wiemer http://www.bne-landesnetzwerk.nrw.de 26 / HEIMAT WESTFALEN – 2/2019
nachhaltiges Lernen im Nahraum Kita-Kinder unter Palmkohl – bis zu 30 verschiedene Gemüsearten bauen Kinder in der GemüseAckerdemie an. Foto/ Katharina Kühnel Ackern auf dem eigenen Schul- oder Kitagelände Bildungsprogramm „GemüseAckerdemie“– noch ein freier Platz in Westfalen Von Ackerdemia e. V. D ie Idee zur Entwicklung des Bildungsprogramms schaft funktionieren. Daraufhin schrieb er 2012 die GemüseAckerdemie kam dem studierten Land- wissenschaftliche Arbeit „Entfremdung der Gesell- wirt Christoph Schmitz bereits während seiner schaft von Nahrungsmitteln“ und entwarf darin seine Dissertation am Potsdam-Institut für Klimafolgenfor- Idee eines neuartigen Bildungsprogramms. Gemein- schung. Der Ausflug einer Schulklasse auf den Hof sei- sam mit seiner Schwester – einer Pädagogin – und ihrer ner Eltern brachte den Stein ins Rollen: Schmitz stellte Schulklasse testete er die GemüseAckerdemie in einem sich die Frage, ob Kinder an nur einem Tag nachhaltig Pilotprojekt und ließ den Versuch wissenschaftlich lernen können, wie natürliche Prozesse und Landwirt- begleiten. Die Begeisterung der Kinder auf dem Acker HEIMAT WESTFALEN – 2/2019 / 27
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