PÄDIATRISCHE ALLERGOLOGIE - PRÄVENTION - IN KLINIK UND PRAXIS - Gesellschaft für Pädiatrische Allergologie und ...

Die Seite wird erstellt Hein-Peter Berger
 
WEITER LESEN
PÄDIATRISCHE ALLERGOLOGIE - PRÄVENTION - IN KLINIK UND PRAXIS - Gesellschaft für Pädiatrische Allergologie und ...
PÄDIATRISCHE ALLERGOLOGIE
                   IN KLINIK UND PRAXIS

SONDERHEFT

PRÄVENTION
PÄDIATRISCHE ALLERGOLOGIE - PRÄVENTION - IN KLINIK UND PRAXIS - Gesellschaft für Pädiatrische Allergologie und ...
2
PÄDIATRISCHE ALLERGOLOGIE - PRÄVENTION - IN KLINIK UND PRAXIS - Gesellschaft für Pädiatrische Allergologie und ...
GPA » Sonderheft „Prävention“ » Editorial   3

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
von Hippokrates von Kos soll folgende          wird aber auch darauf hingewiesen, was
Empfehlung im Blick auf ärztliches Han-        nicht hilft oder ggf. sogar schaden kann.
deln stammen:                                  Der Fokus dieses Hefts liegt dabei auf
                                               einer verständlichen Präsentation der
„Richtschnur bei der Behandlung des            Datenlage mit einem klaren Fazit für den
Kranken: stets zweierlei im Auge haben:        praktischen Alltag.
nützen oder wenigstens nicht schaden.“
                                               Nicht ganz zufällig erscheint dieses Son-
In Hinblick auf die Prävention allergi-        derheft zeitgleich zum 13. Deutschen
scher Erkrankungen bei Kindern sollten         Allergiekongress, der unter dem Motto
                                               ­
sinnvolle Maßnahmen möglichst noch             „Für eine Welt ohne Allergien“ steht.
vor dem Eintreten der Allergie, also im        Auch wenn wir im Moment noch weit von
Sinne der primären Prävention, beim po-        diesem Ziel entfernt sind, so offenbart
tenziell gefährdeten Gesunden greifen.         ein tieferer Blick in die verschiedenen
Manche Empfehlungen, die aufgrund von          Ansätze der Allergieprävention das Po-
Studien und klinischer Erfahrung ausge-        tenzial, eines Tages dort anzukommen.
sprochen werden, betreffen aber auch           Für die Anwendung der Empfehlungen
die sekundäre oder tertiäre Prävention         bei Ihren Patienten wünschen wir Ihnen
beim bereits Erkrankten. Mit dem vorlie-       gutes Gelingen,
genden Sonderheft, das auf Initiative der
Wissenschaftlichen Arbeitsgruppe Prä-          Ihre
vention/Allergie und Impfen der GPA ent-
standen ist, wird eine aktuelle Übersicht      Christian Vogelberg
über nützliche und sinnvolle Maßnahmen         und Sebastian Schmidt
zur Allergieprävention gegeben. Zugleich

  Prof. Dr. Christian Vogelberg                  PD Dr. Sebastian Schmidt

  Vorsitzender der GPA                           Koordinator
  Stlv. Koordinator WAG                          WAG Prävention /
  Prävention / Allergie und Impfen               Allergie und Impfen
  christian.vogelberg@uniklinikum-dresden.de     schmidt3@uni-greifswald.de
PÄDIATRISCHE ALLERGOLOGIE - PRÄVENTION - IN KLINIK UND PRAXIS - Gesellschaft für Pädiatrische Allergologie und ...
PÄDIATRISCHE ALLERGOLOGIE - PRÄVENTION - IN KLINIK UND PRAXIS - Gesellschaft für Pädiatrische Allergologie und ...
GPA » Sonderheft „Prävention“ » Inhalt/Impressum                    5

Inhalt / Impressum
Editorial                                                                                                         3

Einleitung
Allergie: Von der Genetik zu verschiedenen Präventionsstrategien                                                  6

Ernährung
Die Rolle der Ernährung in der Prävention atopischer Erkrankungen                                                 8

Immunologische Therapien
Einleitung                                                                                                       13
Pro- und Präbiotika                                                                                              13
Unspezifische Immunmodulation                                                                                    18
Impfung und Durchimpfungsrate                                                                                    20
Spezifische Immuntherapie                                                                                        23

Umwelt und Lebensweise
Hygienehypothese und Infektion                                                                                   25
Indoor-Allergene                                                                                                 28
Medikamente (Arzneimittel) und Allergieprävention                                                                30
Rauchen und Atopie                                                                                               34
Mütterlicher Stress in der Schwangerschaft und Geburtsmodus                                                      36
Anorganische Umweltfaktoren (Feinstaub/Toxine)                                                                   38
Prävention arbeitsbedingter allergischer Erkrankungen                                                            41

Das Leitbild der GPA                                                                                             44

Pädiatrische Allergologie in Klinik und Praxis,
Sonderheft „Prävention“

Herausgeber:                                                 Schriftleitung:                                          Bildnachweis: fotolia.com: Titelseite: galitsin, S. 9:
Gesellschaft für Pädiatrische Allergologie                   Prof. Dr. med. Christian Vogelberg,                      stanislav_uvarov, S. 10: bravissimos, S. 18: pegbes,
und Umweltmedizin e. V., Rathausstraße 10,                   Klinik u. Poliklinik f. Kinder- u. Jugendmedizin,        S. 28: Konstantin Aksenov, S. 37: GordonGrand,
52072 Aachen, Tel. 02 41 / 98 00-4 86,                       Universitäts AllergieCentrum (UAC) Dresden,              S. 39: Ingo Bartussek, S. 42: magdal3na, S. 45:
Fax 02 41 / 98 00-2 59, gpa.ev@t-online.de,                  christian.vogelberg@uniklinikum-dresden.de               StingerMKO (verändert iKOMM) | iKOMM GmbH:
www.gpau.de                                                  Dr. med. Sebastian Schmidt,                              S. 40, S. 47 | PD Dr. S. Schmidt: S. 3 | Prof. Ch.
                                                             Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendmedizin,     Vogelberg: S. 3 | Wikimedia Commons: S. 14:
Verlag:                                                      Universitätsmedizin Greifswald,                          Claes IJJ, Schoofs G, Regulski K, Courtin P,
iKOMM • Information und Kommunikation                        schmidt3@uni-greifswald.de                               Chapot-Chartier M-P, Rolain T, et al.
im Gesundheitswesen GmbH, Friesenstraße 14,
53175 Bonn, Tel. 02 28  / 37 38 41, Fax 02 28  / 37 38 40,   Redaktion:                                               Layout: kippconcept gmbh, Bonn
info@ikomm.info, www.ikomm.info                              Dr. med. Susanne Meinrenken,
                                                                                                                      ISSN: 2364-3455
Verlagsleitung: Dr. Ulrich Kümmel                            28759 Bremen,
                                                             susanne.meinrenken@sprachzeug.de                         Stand: September 2018
PÄDIATRISCHE ALLERGOLOGIE - PRÄVENTION - IN KLINIK UND PRAXIS - Gesellschaft für Pädiatrische Allergologie und ...
6     GPA » Sonderheft „Prävention“ » Einleitung
                                                   Einleitung  

             Allergie: Von der Genetik zu
             verschiedenen Präventionsstrategien
Einleitung

             Albrecht Bufe, Bochum

             Ätiologie und Pathophysiologie allergi-
             scher Erkrankungen sind multifaktoriell              Abbildung 1. Verschiedene Einflussfaktoren für die Entstehung
             bedingt. Die Prävalenzen der Neurodermi-             von allergischen Erkrankungen
             tis, des Heuschnupfens und des Asthmas,
             um die bedeutendsten zu nennen, unter-
             liegen damit unterschiedlichen Einfluss-
             und Risikofaktoren [4].

             Aktuelle Angaben zu Prävalenzen wur-
             den gerade publiziert: Die Zahlen aus der
             Welle 2 der KIGGS-Erhebung zeigen eine
             12-Monats-Prävalenz von 9,9 % für eine
             ärztliche diagnostizierte allergische Rhi-
             nokonjunktivitis (ARC) bei Kindern und
             Jugendlichen von 3 − 17 Jahren. Jungen
             sind mit 11,9 % deutlich häufiger betroffen
             als Mädchen mit 7,9 %. Je älter die Kinder
             werden, desto häufiger erkranken sie [2].
             Die Zahl der an Asthma erkrankten Kinder
             und Jugendlichen ist insgesamt mit 4 % in
             der KIGGS-Welle 2 im Vergleich zur Basis-        lergische Erkrankungen einem rezessiven           ❙❙ Verschiebung der Balance von T-Helfer-
             erhebung zwar stabil geblieben. Für die          Vererbungsgang folgen [5].                          Zellen hin zu einer TH2-dominierten
             Jungen im Alter von 7 − 10 Jahren hat sich                                                           Immunantwort und damit vermehrter
             aber ein signifikanter Anstieg der 12-Mo-        In den letzten Jahrzehnten wurde im Rah-            IgE-Produktion;
             nats-Prävalenz von 4,1 auf 5,7 % und bei         men von zahlreichen „genome wide asso-            ❙❙ Modifikation oder Aufhebung von Im-
             den 11- bis 13-Jährigen von 5,7 auf 7,1 %        ciation studies“ (GWAS) eine Reihe von              muntoleranzprozessen;
             ergeben [2].                                     sogenannten        Suszeptibilitätsloki,   also   ❙❙ Verstärkung von Entzündungsreaktio-
                                                              Genabschnitten mit spezifischen Variatio-           nen;
             Wesentliche Einflussgröße für die Ent-           nen in der Gensequenz identifiziert, deren        ❙❙ Modifikation von spezifischen Genen,
             wicklung einer Allergie ist die Genetik.         Vorkommen bei Patienten das Risiko für              welche die Stabilität der Hautbarriere
             Das Risiko eines Kindes, eine der genann-        das Auftreten bestimmter pathophysiolo-             regulieren und damit die Durchlässig-
             ten Erkrankungen zu entwickeln, steigt           gischer Prozesse bei den allergischen Er-           keit der Haut kontrollieren;
             mit dem Auftreten der entsprechenden             krankungen erhöhen [6]. Das können, um            ❙❙ Veränderung im epigenetischen Reak-
             Erkrankung gepaart mit einer allergi-            nur einige zu nennen, z. B. sein:                   tionsmuster.
             schen Sensibilisierung bei dem jeweiligen        ❙❙ Erhöhung     der     IgE-Rezeptoraktivität
             Elternteil. Dabei ist das Risiko am höchs-           und damit Verstärkung der Hyperreak-          Ein Suszeptibilitätslokus kann entweder
             ten, wenn beide Elternteile unter dersel-            tivitätsreaktionen;                           für alle allergischen Erkrankungen gel-
             ben Erkrankung leiden und das gleiche            ❙❙ Vorkommen spezifischer HLA-Typen               ten oder aber nur bei einer spezifischen
             Sensibilisierungsmuster gegen bestimm-               und damit Auftreten bestimmter Immu-          Erkrankung relevant sein. Das Vorkom-
             te Allergene aufweisen, so als würden al­            nisierungen;                                  men spezifischer HLA-Typen erhöht bei-
PÄDIATRISCHE ALLERGOLOGIE - PRÄVENTION - IN KLINIK UND PRAXIS - Gesellschaft für Pädiatrische Allergologie und ...
GPA » Sonderheft „Prävention“ » Einleitung             7

spielsweise das Risiko für das Auftre-                   mittel – kann entweder eine Erhöhung                       samtbevölkerung und schließt eine aller-
ten von Sensibilisierungen gegenüber                     oder Erniedrigung des jeweiligen Risikos                   giespezifische Gesundheitsförderung ein.
Milbenallergenen und führt damit zu                      bedeuten.
einer allergischen Rhinokonjunktivitis                                                                              Die Zielgruppen der Sekundärprävention

                                                                                                                                                                            Einleitung
oder zum Asthma. Die Verschiebung der                    Vor diesem Hintergrund muss die Stra-                      sind Personen mit frühen Krankheits-
T-Helfer-Zell-Balance erhöht generell die                tegie von Allergieprävention sehr diffe-                   zeichen (z. B. bronchiale oder nasale
IgE-Produktion bei allen allergischen                    renziert analysiert und entwickelt wer-                    Hyperreagibilität        bei    nachgewiesener
Erkrankungen. Gene, die zur Immun­                       den, genauso, wie es die S3-Leitlinie der                  Sensibilisierung)         und     sensibilisierte,
toleranzentstehung beitragen, können                     AWMF seit Jahren versucht [3]. Präven-                     noch symptomlose Personen. Ziele der
v. a. bei Nahrungsmittelallergien von be-                tionsempfehlungen sind also nur zu ent-                    Sekundärprävention sind die Verhinde-
sonderer Bedeutung sein.                                 wickeln, wenn man die Komplexität der                      rung einer manifesten Erkrankung sowie
                                                         verschiedenen Einflussfaktoren der Al­                     eines Symptomwechsels. Zu ihren Maß-
Allergische Erkrankungen sind damit                      lergieentstehung aufschlüsselt, versteht                   nahmen zählen die Vermeidung klinisch
polygenetische Krankheiten, deren Ent-                   und die wesentlichen Checkpoints iden-                     relevanter Allergene und toxisch-irritati-
stehung und Verlauf von Umweltfaktoren                   tifiziert, die potenziell moduliert werden                 ver Substanzen, Beratungen und im Falle
und hier v. a. von Infektionen stark be-                 können, um die Entstehung der jeweili-                     von Personen mit frühen Krankheitszei-
einflusst werden können. Die verschie-                   gen allergischen Erkrankung, ihre Modifi-                  chen gegebenenfalls auch Pharmako-
denen Faktoren sind in der Abbildung 1                   kation oder Persistenz zu verhindern.                      prophylaxe und spezifische Immunthera-
zusammengefasst. Als zentraler Faktor                                                                               pie (Hyposensibilisierung)“.
gilt die Sensibilisierung, die Vorausset-                Wenn wir von Prävention bei allergischen
zung und damit der entscheidende Ri-                     Erkrankungen sprechen, meinen wir im We-                   Im Folgenden werden die unterschiedli-
sikofaktor für die oben genannten drei                   sentlichen Primär- und Sekundärpräven-                     chen Strategien für primäre und sekun-
großen allergischen Erkrankungen ist.                    tion. Die Leitlinie Allergieprävention erläu-              däre Allergieprävention im Einzelnen
Infektionen, insbesondere durch Viren,                   tert die beiden Maßnahmen wie folgt [3]:                   betrachtet und ihre klinische Relevanz
können Risikofaktoren, gleichzeitig aber                                                                            anhand der aktuellen wissenschaftlichen
auch − abhängig von dem Typ und dem                      „Die Primärprävention umfasst einer-                       Literatur dargestellt. Eine Bewertung der
Zeitpunkt der Infektion − Schutzfaktoren                 seits die Beseitigung bzw. die Vermin-                     jeweiligen Methode wird hier nur vom je-
sein (siehe auch [1]). Die Exposition ge-                derung von (Teil-) Ursachen, die für die                   weiligen Autor vorgeschlagen, gilt aber
genüber den genannten Umweltsubstan-                     Krankheitsentstehung           von    Bedeutung            nicht als konsentierte Position der GPA.
zen abhängig vom Lebensalter − seien es                  sind, einschließlich der Veränderungen
Allergengemische selbst, Umweltschad-                    ursächlicher       oder      prädisponierender
stoffe wie Dieselruß, spezifische probio-                Umwelt- und Arbeitsplatzfaktoren, ande-                       Prof. Dr. med. Albrecht Bufe

tische Keime, mikrobielle Strukturen wie                 rerseits die Erhöhung der Toleranz der
                                                                                                                       Experimentelle Pneumologie/
Zellwände, mikrobielle Substanzen wie                    Individuen. Primärprävention wird insbe-                      Infektionsimmunologie
Lipopolysaccharide (LPS) etc., spezielle                 sondere bei Risikogruppen (genetische                         Ruhr-Universität Bochum | ZKF II, 2.060
                                                                                                                       Universitätsstraße 150 | 44801 Bochum
Naturstoffe wie pflanzliche Zucker oder                  Vorbelastung) wirksam, richtet sich aber
                                                                                                                       albrecht.bufe@rub.de
aber die unterschiedlichsten Nahrungs-                   in eingeschränkter Form auch an die Ge-

Literatur
1 Bufe A. Bedeutung von Virusinfektionen für das         3 Schäfer T, Bauer CP, Beyer K et al. S3-Guideline on         many. Results of the KiGGS study. First follow-up
  ­Asthma bronchiale – Mehr Schaden als Schutz. Pädia­     allergy prevention: 2014 update: Guideline of the           (KiGGS Wave 1). In: Bundesgesundheitsblatt-Ge-
  trische Allergologie und Umweltmedizin 2018; 2: 4-8      German Society for Allergology and Clinical Immu-           sundheitsforschung-Gesundheitsschutz 2014; 57:
2 Poethko-Müller C, Thamm M, Thamm R. Heu-                 nology (DGAKI) and the German Society for Pediat-           771-778
  schnupfen und Asthma bei Kindern und Jugendli-           ric and Adolescent Medicine (DGKJ). ALLERGO J Int         5 Wahn U. What drives the allergic march? Allergy
  chen in Deutschland – Querschnittergebnisse aus          2014; 23: 186-199                                           2000; 55: 591-599
  KiGGS Welle 2 und Trends. Journal of Health Mo-        4 Schmitz R, Thamm M, Ellert U, Kalckloesch M,              6 Weidinger S, Rodríguez E, Kabesch M. Genetik und
  nitoring 2018; 3 (http://edoc.rki.de/docviews/abs-       Schlaud M Grp, KiGGS Study. Prevalence of com-              Epigenetik von allergischen Erkrankungen und Ast-
  tract.php?id=5668)                                       mon allergies in children and adolescents in Ger-           hma. Allergologie. Springer-Verlag 2016: 23-36
PÄDIATRISCHE ALLERGOLOGIE - PRÄVENTION - IN KLINIK UND PRAXIS - Gesellschaft für Pädiatrische Allergologie und ...
8       GPA » Sonderheft „Prävention“ » Ernährung   

            Die Rolle der Ernährung in der
            Prävention atopischer Erkrankungen
            Kirsten Beyer, Berlin

            Die Ernährung scheint eine wichtige Rolle für die Prävention atopischer Erkrankungen zu spielen. Angefangen bei der Ernährung der Mut-
            ter in der Schwangerschaft und Stillzeit über die Muttermilch und die Beikost gibt es gerade in den ersten Lebensmonaten viele Faktoren,
            die helfen können einer Atopie vorzubeugen. Muttermilch ist nicht nur zur Atopieprävention die beste Ernährung für einen Säugling. In
            den ersten 4-6 Lebensmonaten sollte ein Säugling ausschließlich gestillt werden. Für Säuglinge mit erhöhtem Allergierisiko, die nicht
            oder nicht ausreichend gestillt werden, stehen verschiedene Hydrolysatnahrungen zur Verfügung. Da diese bezüglich einer Atopiepräven-
            tion zum Teil widersprüchliche Ergebnisse zeigen, empfiehlt es sich, Nahrungen mit dokumentiertem präventivem Effekt zu verwenden.
            Abhängig vom Gedeihen und der Essfähigkeit des Säuglings sollte frühestens mit Beginn des 5. Monats und spätestens mit Beginn des
            7. Monats neben dem Stillen die Beikost eingeführt werden. Dies gilt auch für hochallergene Lebensmittel in altersentsprechender Zu-
            bereitungsform. Wahrscheinlich ist es am besten, dass die Säuglinge und Kleinkinder die Nahrungsmittel regelmäßig erhalten, die in der
Ernährung

            Familie und dem Kulturkreis gegessen werden. Es empfiehlt sich, dass Säuglinge mit mittelschwerer bis schwerer atopischer Dermatitis
            vor der Einführung von potenten Nahrungsmittelallergenen wie Hühnerei und Erdnussprodukten einen Allergietest erhalten.

            Mütterliche Ernährung in                          gesehen werden [12]. Letztere spielen         vention, sowie die aktuelle europäische
            Schwangerschaft und Stillzeit                     möglicherweise eine vorteilhafte Rolle        Leitlinie der European Academy of Aller-
                                                              bei der Ausbildung der intestinalen Mi-       gy and Clinical Immunology (EAACI) un-
            Während       der   Schwangerschaft       und     kroflora, die wiederum einen günstigen        terstützen die Empfehlung, dass für den
            Stillzeit wird wie bisher in der deut-            Einfluss auf die orale Toleranzentwick-       Zeitraum der ersten 4 Monate voll gestillt
            schen S3-Leitlinie eine ausgewogene               lung hat. Im Milchfett werden v. a. die       werden soll [7, 12].
            und nährstoffdeckende Ernährung emp-              trans-Fettsäuren für den protektiven Ef-
            fohlen [12]. Der Konsum von Gemüse                fekt verantwortlich gemacht [12].             Für Deutschland liegen neben den Emp-
            und Obst, eine sogenannte mediterrane                                                           fehlungen der allergologischen Fachge-
            Kost, langkettige Omega-3-Fettsäuren              Die diätetische Restriktion durch Mei-        sellschaften zur Allergieprävention die
            bzw. ein günstiges Verhältnis von Ome-            dung potenter Nahrungsmittelallergene         allgemeinen Empfehlungen der Deut-
            ga-3-    zu   Omega-6-Fettsäuren        sowie     wird weder während der Schwangerschaft        schen Gesellschaft für Kinder- und Ju-
            Milchfett scheinen mit einer geringe-             noch in der Stillzeit empfohlen [12]. Fisch   gendmedizin (DGKJ) und der Nationalen
            ren Allergieprävalenz assoziiert zu sein          soll, wenn keine Unverträglichkeit der        Stillkommission (NSK) am Bundesinsti-
            [12]. Während für die Zufuhr von Ome-             Mutter gegen Fisch vorliegt, aus Gründen      tut für Risikobewertung (BfR) vor (www.
            ga-3-Fettsäuren unterstützende Daten              der Allergieprävention in die mütterliche     dgkj.de; www.bfr.bund.de). Stillen ist die
            aus einzelnen kontrollierten Interventi-          Ernährung    während     Schwangerschaft      natürliche Säuglingsernährung. Mutter-
            onsstudien vorliegen, wurden positive             und Stillzeit integriert werden [12].         milch ist immer verfügbar, richtig tem-
            Effekte von Gemüse und Obst sowie von                                                           periert und leicht verdaulich. Des Weite-
            Milchfett lediglich in Beobachtungsstu-           Stillen                                       ren entsteht durch das Stillen ein enger
            dien berichtet. Eine Empfehlung wurde                                                           körperlicher Kontakt zwischen Mutter
            daher zu diesem Thema in der S3-Leitli-           Stillen hat viele Vorteile für Mutter und     und Kind. Daher wird von der NSK emp-
            nie nicht ausgesprochen.                          Kind [12]. Daher wird einheitlich von na-     fohlen:
                                                              tionalen und internationalen Fachgesell-
            Der Konsum von Gemüse und Obst                    schaften ausschließliches Stillen in den      ❙❙ Säuglinge (mit und ohne Allergierisi-
            kann mit Blick auf die Aufnahme von               ersten 4−6 Monaten (5.−7. Lebensmonat)          ko) sollten mindestens bis zum Beginn
            Antioxidantien und von präbiotischen              empfohlen. Auch die aktuelle deutsche           des 5. Monats ausschließlich gestillt
            Nahrungsinhaltsstoffen als günstig an-            S3-Leitlinie zur primären Allergieprä-          werden.
PÄDIATRISCHE ALLERGOLOGIE - PRÄVENTION - IN KLINIK UND PRAXIS - Gesellschaft für Pädiatrische Allergologie und ...
GPA » Sonderheft „Prävention“ » Ernährung     9

❙❙ Auch nach Einführung von Beikost –
  frühestens mit Beginn des 5. Monats,
  spätestens mit Beginn des 7. Monats –
  sollten Säuglinge weiter gestillt wer-
  den.

Allerdings ist die Auffassung, dass durch
längeres insbesondere ausschließliches
Stillen (über den 7. Lebensmonat hinaus)
die Effekte im Hinblick auf die Allergie-
prävention verstärkt würden, nicht evi-
denzbasiert [12].

Hypoallergene
Säuglingsnahrung

                                                                                                                                         Ernährung
Wenn nicht oder nicht ausreichend
gestillt wird, soll laut der deutschen
S3-Leitlinie eine hydrolysierte Säug-
lingsnahrung bei Risikokindern gege-          quelle in Kasein- oder Molke-Hydrolysa-      Insgesamt identifizierten die Autoren
ben werden [12]. Die aktuelle Datenlage       te. Hydrolysierte Säuglingsmilch wird        37 geeignete Studien, 28 davon waren
stützt diese Empfehlung für den Zeit-         oft auch als HA-Nahrung bezeichnet, da       randomisiert und kontrolliert, 6 waren
raum der ersten 4 Lebensmonate. Die           die Proteine durch die Hydrolyse weni-       quasi-randomisierte kontrollierte und 3
Leitlinie weist jedoch darauf hin, dass       ger allergen sind als intakte Kuhmilch-      kontrollierte Studien. Es konnte in der
die Wirksamkeit und Evidenzlage der bis-      proteine.                                    Metaanalyse keine eindeutige Evidenz
her in Deutschland getesteten Produkte                                                     gezeigt werden, dass pHFs oder eHFs
unterschiedlich ist und bestimmte ge-         In verschiedenen Studien konnte ein          das Risiko für allergische Erkrankungen
testete Säuglingsnahrungen, auf denen         präventiver Effekt sowohl mit pHFs           bei Risikokindern senken. Die Autoren
die Empfehlung beruht, in Deutschland         als auch mit eHFs gezeigt werden, die        stellen damit die entsprechende Emp-
nicht mehr im Handel erhältlich sind.         auch die Grundlage der aktuellen Leitli-     fehlung zur Primärprävention infrage. In
                                              nienempfehlung darstellen [12]. Dieser       Australien und der Schweiz haben daher
Die Basis herkömmlicher Säuglingsmilch        Effekt bezieht sich im Wesentlichen          internationale Fachgesellschaften ihre
ist Kuhmilch mit intakten Proteinen. Die-     auf die Verringerung der Häufigkeit von      Empfehlungen zur Gabe hydrolysierter
se Proteine werden bei der Herstellung        Nahrungsmittelallergien und atopischer       Säuglingsmilch zur Allergieprävention
von hypoallergener (HA) Nahrung durch         Dermatitis.                                  zurückgezogen.
Hydrolyse (enzymatische Verdauung,
Ultrafiltration, Ultraerhitzung) in Peptide   Aufgrund aktueller Metaanalysen zeigt        Eine andere kürzlich publizierte Meta-
gespalten. Unterschiedliche Hydrolyse-        sich zurzeit jedoch insgesamt eine wi-       analyse zeigt hingegen einen präventi-
verfahren führen hierbei zu unterschied-      dersprüchliche Datenlage bezüglich des       ven Effekt einer spezifischen pHF auf
lich großen Peptiden. Grundsätzlich un-       präventiven Effekts hydrolysierter Säug-     Molke-Basis eines Herstellers auf aller-
terscheidet man je nach Hydrolysegrad         lingsmilch. In einer 2016 veröffentlichten   gische Erkrankungen bei Risikokindern
zwischen schwach und stark hydroly-           Metaanalyse wurden prospektive Inter-        [13]. Hierfür wurden insgesamt 8 ran-
sierter Säuglingsnahrung (schwach hy-         ventionsstudien eingeschlossen, die die      domisierte, kontrollierte Studien einge-
drolysierte Säuglingsnahrung = partiell       Gabe von hydrolysierter Säuglingsmilch       schlossen, die diese eine hydrolysierte
hydrolyzed formula (pHF); stark hydroly-      (sowohl pHF als auch eHF) mit regulärer      Säuglingsmilch im Vergleich zu einer
sierte Säuglingsnahrung = extensive           Säuglingsmilch auf Kuhmilchbasis oder        Säuglingsmilch auf Kuhmilchbasis bei
hydrolyzed formula (eHF)). Eine weitere       Stillen hinsichtlich der Entwicklung al-     Risikokindern in Hinblick auf die Ent-
Einteilung erfolgt aufgrund der Eiweiß-       lergischer Erkrankungen verglichen [2].      wicklung allergischer Erkrankungen, ins-
PÄDIATRISCHE ALLERGOLOGIE - PRÄVENTION - IN KLINIK UND PRAXIS - Gesellschaft für Pädiatrische Allergologie und ...
10    GPA » Sonderheft „Prävention“ » Ernährung   

            besondere Ekzem, untersuchten. Hierbei
            zeigte sich in bestimmten Altersklassen
            ein verringertes Ekzemrisiko bei Kin-
            dern, die dieses pHF erhielten.

            Die Datenlage zeigt, dass eine indivi-
            duelle Bewertung der verschiedenen
            Hydrolysatnahrungen wichtig zu sein
            scheint. Seit 2014 fordert die Europäi-
            sche Behörde für Lebensmittelsicher-
            heit (European Safety Authority, EFSA),
            dass die allergiepräventive Wirkung
            jeder spezifischen Hydrolysatnahrung
            individuell bei Kindern mit erhöhtem Ri-
            siko, die nicht gestillt werden, nachge-
            wiesen werden soll [3]. Basierend darauf
Ernährung

            heißt es in der neuen EU-Verordnung für
            Säuglingsanfangs- und Folgenahrung
            (EU-Verordnung 2016/127), die für Pro-
            teinhydrolysate ab 2021 verpflichtend
            in Kraft tritt, dass neben der Sicherheit       schreibt, dass es hinsichtlich der Verzö-    der Re-Evaluation der Evidenz geändert.
            und Eignung jeder spezifischen Hydroly-         gerung der Beikosteinführung keine Be-       Dies bedeutet jedoch nicht zwangsläufig,
            satnahrung auch deren Umfang einer              lege für einen allergiepräventiven Effekt    dass die frühe Fütterung potenter Nah-
            Risikosenkung bezüglich der Entstehung          gibt [7]. Auch hier wird noch einmal be-     rungsmittelallergene im ersten Lebens-
            von Allergien bei Risikokindern im Rah-         tont, dass es wichtig ist, dass auch nach    jahr präventiv wirkt. Hier weist die euro-
            men klinischer Studien aufgezeigt wer-          der Einführung von Beikost weiter gestillt   päische Leitlinie zur primären Prävention
            den muss [4]. Auch die europäische Leit-        werden kann.                                 von Nahrungsmittelallergien explizit da-
            linie empfiehlt nur eine HA-Nahrung mit                                                      rauf hin, dass es ebenfalls nicht ausrei-
            dokumentiertem präventivem Effekt [7].          In Deutschland wird als erste Beikost        chend Evidenz für einen protektiven Ef-
                                                            oft ein Brei aus Gemüse, Kartoffeln und      fekt durch die frühe orale Exposition mit
            Beikost                                         Fleisch angeboten. In etwa monatli-          hochpotenten Nahrungsmittelallergenen
                                                            chen Abständen folgen meist ein Getrei-      gibt [7]. In den letzten Jahren wurden
            Die   Nationale     Stillkommission       in    de-Milch- und ein Obst-Getreide-Brei.        daher verschiedene Interventionsstudi-
            Deutschland (NSK) und die Deutschen                                                          en durchgeführt, um zu untersuchen, ob
            Gesellschaft für Kinder und Jugendme-           Hyperallergene Beikost                       eine frühe Einführung von Nahrungsmit-
            dizin (DGKJ) empfehlen Beikost indivi-          (Toleranzinduktion)                          telallergenen im ersten Lebensjahr vor
            duell in Abhängigkeit vom Gedeihen und                                                       Nahrungsmittelallergien schützt, indem
            der Essfähigkeit des Kindes keinesfalls         Wie sieht es mit der Einführung von po-      eine orale Toleranz induziert wird.
            vor dem Beginn des 5. Monats und nicht          tenten Nahrungsmittelallergenen aus?
            später als zu Beginn des 7. Lebensmo-           Die deutsche S3-Leilinie schreibt, dass      Warum könnte eine Frühfütterung mit
            nats einzuführen und auch nach der Ein-         es für einen präventiven Effekt durch vor-   potenten Nahrungsmittelallergenen die
            führung von Beikost weiter zu stillen, so       beugende Meidung potenter Nahrungs-          Kinder vor der Ausbildung einer Allergie
            lange Mutter und Kind mögen (www.bfr.           mittelallergene im ersten Lebensjahr         schützen? Man geht davon aus, dass
            bund.de; www.dgkj.de) [5].                      keine Belege gibt [12]. Eine solche Aller-   eine Sensibilisierung durch die Expositi-
                                                            genvermeidung wurde über lange Zeit          on mit Nahrungsmittelallergenen in der
            Eine Verzögerung der Beikosteinfüh-             in vielen Ländern bei Kindern mit erhöh-     Umwelt, insbesondere bei Kindern mit
            rung aus Gründen der Allergieprävention         tem Allergierisiko empfohlen. Im Jahre       atopischer Dermatitis, aufgrund der ge-
            soll nicht erfolgen [12]. Auch die EAACI        2008 wurde diese Empfehlung im Zuge          störten Hautbarriere entstehen kann [5].
GPA » Sonderheft „Prävention“ » Ernährung     11

Erdnuss- und Hühnereiprotein konnten            wieder auf Erdnussprodukte verzichtet         Richtung hatten. In zwei der Studien
im Haus- und Bettstaub nachgewiesen             hatten [16].                                  wurde vor der Einführung von Hühnerei/
werden [17, 18]. Die Menge lässt sich                                                         Plazebo ein Allergietest durchgeführt [1,
durch den Konsum im Haushalt stei-              Inwieweit sich dieses Ergebnis auf Län-       19]. Hierbei konnte gezeigt werden, dass
gern [17, 18]. Es konnte gezeigt werden,        der mit geringerem Erdnusskonsum in           die Sensibilisierung gegen Hühnerei
dass das Risiko für eine Nahrungsmittel­-       der Bevölkerung übertragen lässt, ist         sehr frühzeitig erfolgt und die meisten
allergie steigt, je früher sich die atopische   nicht bekannt. In den USA, einem Land         Kinder bereits mit 4−6 Monaten sensi-
Dermatitis manifestiert und je schwerer         mit hohem Erdnusskonsum, wurden die           bilisiert waren, bevor die Beikost begon-
das Ekzem ist [6]. Erfolgt die orale Ex-        Präventionsleitlinien   angepasst     [14].   nen wurde. In den beiden Studien, die
position mit Nahrungsmittelallergenen           Hier wird für Kinder mit schwerer atopi-      Hühnerei ohne vorherigen Allergietest
frühzeitig, bevor eine Sensibilisierung         scher Dermatitis oder Hühnereiallergie        einführten, zeigte sich, dass viele Kinder
über die Haut stattgefunden hat, soll dies      empfohlen, im Alter von 4−6 Monaten           bereits auf die erste Gabe von Hühnerei
eine orale Toleranz bewirken und der Ent-       einen Allergietest durchzuführen und          Soforttypreaktionen boten [9, 10]. Ne-
stehung von Allergien vorbeugen [5].            nicht sensibilisierte Kinder dann regel-      ben IgE-vermittelten Soforttypreaktio-
                                                mäßig säuglingsgerechte Erdnusspro-           nen ließen sich auch Symptome finden,
Aktuell gibt es                                 dukte anzubieten [14]. Auch für alle an-      die auf eine Nahrungsmittel-induzierte

                                                                                                                                             Ernährung
                                                deren Kinder wird empfohlen, abhängig         Enterokolitis hinwiesen [1].
❙❙ eine randomisierte offene Interven-          von der Präferenz der Familie und kultu-
  tionsstudie zur Prävention von Nah-           reller Praxis Erdnussprodukte um den 6.       Eine fünfte randomisierte und plazebo-
  rungsmittelallergien mit Erdnuss,             Lebensmonat einzuführen [14]. Ob bei          kontrollierte Studien aus Japan zur Prä-
❙❙ fünf randomisierte und plazebokon­           Kindern mit mildem bis mittelschwerem         vention der Hühnereiallergie bei Kindern
  trollierte randomisierte offene Inter-        Ekzem zuvor ein Allergietest gemacht          mit atopischer Dermatitis verwendete
  ventionsstudien mit Hühnerei und              wird oder dies unter ärztlicher Aufsicht      ein anderes Studiendesign [8]. Hierbei
❙❙ eine randomisierte offene Interventi-        erfolgen soll, bleibt der Risikoeinschät-     wurden deutlich geringere Mengen hit-
  onsstudie mit multiplen Allergenen.           zung des Arztes überlassen. Die US-Leit-      zemodifiziertes Hühnerei benutzt und es
                                                linie weist explizit darauf hin, dass diese   konnte eine signifikante Reduktion der
Die Studien werden im Folgenden kurz            Leitlinie nicht einfach in andere Länder      Hühnereiallergie in der Gruppe der Kin-
vorgestellt. In die LEAP-Studie zur Prä-        übertragbar sei und dass es in Ländern,       der gezeigt werden, die dieses erhielten
vention der Erdnussallergie, die in Eng-        wo Erdnussprodukte nicht häufig von           [8]. Interessanterweise war der Effekt am
land durchgeführt wurde, wurden Kinder          Erwachsenen gegessen würden, eine             größten in der Gruppe der bereits sensi-
im Alter von 4−11 Lebensmonaten mit             Implementation dieser Leitlinie zu einer      bilisierten Säuglinge, die diese geringe
schwerer atopischer Dermatitis oder             Erhöhung der Prävalenz von Erdnussal-         Mengen Hühnerei erhielten, sodass man
Hühnereiallergie eingeschlossen, wenn           lergie kommen könnte [14].                    hier möglicherweise von einem Über-
sie noch keine deutliche Sensibilisie-                                                        gang zur oralen Immuntherapie sprechen
rung gegen Erdnuss aufwiesen [15]. Die          In Bezug auf die Prävention der Hühner-       kann.
Kinder in der Erdnussvermeidungsgrup-           eiallergie gibt es 4 randomisierte und
pe sollten bis zum 5. Lebensjahr keine          plazebokontrollierte Studien mit ähn-
                                                ­                                             Eine weitere randomisierte Studie aus
Erdnussprodukte essen, wohingegen               lichen Design, aber unterschiedlichen         England hat ebenfalls Kinder aus der
die Kinder in der Erdnussfütterungs-            Zielgruppen, die von der Allgemeinbe-         Allgemeinbevölkerung untersucht und
gruppe regelmäßig Erdnussflips oder             völkerung über Kinder mit familiärem          6 hochpotente Nahrungsmittelallergene
Erdnussbutter bekamen. Es konnte ge-            Atopierisiko bis zu Kindern mit atopi-        (Kuhmilch, Hühnerei, Erdnuss, Fisch, Se-
zeigt werden, dass in einem Land mit            scher Dermatitis reichten [1, 9, 10, 19].     sam und Weizen) sequenziell ab dem 3.
hohem Erdnusskonsum durch die früh-             Diese 4 Studien zeigten keinen signifi-       Lebensmonat eingeführt [11]. Referenz-
zeitige Gabe von Erdnussprodukten das           kanten Unterschied zwischen Kindern,          gruppe waren Säuglinge, die 6 Monate
Risiko für das Auftreten einer Erdnussal-       die frühzeitig pasteurisiertes Hühnerei       gestillt wurden. Nur in der „Per-Proto-
lergie um 80 % reduziert werden konnte          erhielten und der Plazebogruppe, wo-          koll-Analyse“ zeigte sich ein signifikant
[15]. Dieser Effekt blieb auch erhalten,        bei 3 Studien einen Trend in die eine         geringeres Auftreten von Nahrungsmit-
wenn die Kinder vom 5. − 6. Lebensjahr          Richtung und eine Studie in die andere        telallergien insgesamt, wenn die Nah-
12        GPA » Sonderheft „Prävention“ » Ernährung   

            rungsmittel frühzeitig eingeführt wur-                       Fazit                                                        rungsmittelallergene             bei     der   Bei-
            den; in der „Intention-to-Treat Analyse“                                                                                  kosteinführung im ersten Lebensjahr
            konnte kein signifikanter Unterschied                        ❙❙ Säuglinge mit erhöhtem und ohne er-                       gibt es keine Belege. Wahrscheinlich
            für das Auftreten einer Nahrungsmittel-                         höhtes Allergierisiko sollten mindes-                     ist es am besten, dass die Kinder die
            allergie gefunden werden [11]. Ein Fak-                         tens bis zum Beginn des 5. Monats                         Nahrungsmittel regelmäßig erhalten,
            tor, der dazu führte, dass die 6 potenten                       ausschließlich gestillt werden.                           die in der Familie und im Kulturkreis
            Nahrungsmittelallergene nicht wie vor-                       ❙❙ Säuglinge mit erhöhtem Allergierisiko,                    gegessen werden.
            gesehen von den Kindern der Frühfütte-                          die nicht oder nicht ausreichend ge-                   ❙❙ Bei Säuglingen mit (mittelschwerer
            rungsgruppe gegessen wurden, war von                            stillt werden, sollten eine hydrolysierte                 bis schwerer) atopischer Dermatitis
            den Eltern beobachtete Symptome auf                             Säuglingsnahrung mit dokumentier-                         sollte vor Einführung von potenten
            die besagten Nahrungsmittel. Vor allem                          tem präventivem Effekt erhalten.                          Nahrungsmittelallergenen ein Aller-
            bei der frühen Einführung von Hühner­                        ❙❙ Die Beikost sollte individuell in Abhän-                  gietest erfolgen.
            ei wurden neben Soforttypreaktionen                             gigkeit vom Gedeihen und der Ess-
            häufig auch von Symptomen berichtet,                            fähigkeit des Kindes frühestens mit
            die      auf     das      Vorliegen        Nahrungs­
                                                               -            Beginn des 5. Monats und spätestens
                                                                                                                                     Prof. Dr. med. Kirsten Beyer
            mittel-induzierter Enterkolitis hinwiesen                       mit Beginn des 7. Monats eingeführt
Ernährung

            [11]. Wenn man sich die Nahrungsmit-                            werden.                                                  Charité Universitätsmedizin Berlin
            telallergene noch einmal einzeln in der                      ❙❙ Auch nach Einführung von Beikost soll-                   Klinik für Pädiatrie m. S. Pneumologie,
                                                                                                                                     Immunologie und Intensivmedizin
            Studie angeschaut hat, so konnten für                           ten Säuglinge weiter gestillt werden.
                                                                                                                                     Augustenburger Platz 1 | 13353 Berlin
            Kuhmilch, Weizen oder Fisch überhaupt                        ❙❙ Für einen präventiven Effekt durch
                                                                                                                                     kirsten.beyer@charite.de
            keine Unterschiede gezeigt werden [11].                         vorbeugende Meidung potenter Nah-

            Literatur
            1 Bellach J, Schwarz V, Ahrens B et al. Randomized             a population-based cohort. Clin Exp Allergy 2015;       13 Szajewska H, Horvath A. A partially hydrolyzed
                 placebo-controlled trial of hen's egg consumption         45(1): 255-64                                             100 % whey formula and the risk of eczema and any
                 for primary prevention in infants. J Allergy Clin Im-   7 Muraro A, Halken S, Arshad SH et al. EAACI Food           allergy: an updated meta-analysis. World Allergy Or-
                 munol. 2017; 139(5): 1591-1599.e2                         Allergy and Anaphylaxis Guidelines. Primary preven-       ganization Journal 2017; 10: 27
            2 Boyle RJ, Khan T, Chivinge J et al. Hydrolysed for-          tion of food allergy. Allergy 2014; 69(5): 590-601      14 Togias A, Cooper SF, Acebal ML et al. Addendum
                 mula and risk of allergic or autoimmune disease:        8 Natsume O, Kabashima S, Nakazato J et al. Two-            guidelines for the prevention of peanut allergy in
                 systematic review and meta-analysis. BMJ 2016;            step egg introduction for prevention of egg allergy       the United States: Report of the National Institute of
                 352: i974                                                 in high-risk infants with eczema (PETIT): a randomi-      Allergy and Infectious Diseases-sponsored expert
            3 Efsa Panel on Dietetic Products, Nutrition and Aller-        sed, double-blind, placebo-controlled trial. Lancet       panel. J Allergy Clin Immunol 2017; 139(1): 29-44
                 gies. Scientific Opinion on the essential compositi-      2017; 389(10066): 276-286                               15 Toit Du G, Roberts G, Sayre PH et al. Randomized
                 on of infant and follow-on formulae. EFSA Journal       9 Palmer DJ, Metcalfe J, Makrides M et al. Early regu-      Trial of Peanut Consumption in Infants at Risk for
                 2014; 12(7): 3760                                         lar egg exposure in infants with eczema: A rando-         Peanut Allergy. N Engl J Med 2015; 372(9): 803-13
            4 Europäische Kommission. Delegierte Verordnung                mized controlled trial. J Allergy Clin Immunol 2013;    16 Toit Du G, Sayre PH, Roberts G et al. Effect of
                 2016/127 der Kommission vom 25. September 2015            132(2): 387-92.e1                                         Avoidance on Peanut Allergy after Early Peanut
                 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 609/2013          10 Palmer DJ, Sullivan TR, Gold MS, Prescott SL, Mak-       Consumption. N Engl J Med 2016; 374(15): 1435-43
                 des Europäischen Parlaments und des Rates im              rides M. Randomized controlled trial of early regular   17 Trendelenburg V, Ahrens B, Wehrmann A-K, Kalb B,
                 Hinblick auf die besonderen Zusammensetzungs-             egg intake to prevent egg allergy. J Allergy Clin Im-     Niggemann B, Beyer K. Peanut allergen in house
                 und Informationsanforderungen für Säuglingsan-            munol 2017; 139(5): 1600-1607.e2                          dust of eating area and bed − a risk factor for peanut
                 fangsnahrung und Folgenahrung und hinsichtlich          11 Perkin MR, Logan K, Tseng A et al. Randomized            sensitization? Allergy 2013; 68(11): 1460-2
                 der Informationen, die bezüglich der Ernährung von        Trial of Introduction of Allergenic Foods in            18 Trendelenburg V, Tschirner S, Niggemann B, Beyer
                 Säuglingen und Kleinkindern bereitzustellen sind          Breast-Fed Infants. N Engl J Med 2016; 374(18):           K. Hen’s egg allergen in house and bed dust is sig-
                 (https://publications.europa.eu/de/publication-de-        1733-43                                                   nificantly increased after hen’s egg consumption-A
                 tail/-/publication/95d90c87-c97e-11e5-a4b5-01                                                                       pilot study. Allergy 2018; 73(1): 261-4
                                                                         12 Schäfer T, Bauer CP, Beyer K, et al. S3-Guideline on
                 aa75ed71a1/language-de)
                                                                           allergy prevention: 2014 update: Guideline of the       19 Wei-Liang Tan J, Valerio C et al. A randomized trial
            5 Lack G. Update on risk factors for food allergy. J Al-       German Society for Allergology and Clinical Immu-         of egg introduction from 4 months of age in infants
                 lergy Clin Immunol 2012; 129(5): 1187-97                  nology (DGAKI) and the German Society for Pedia-          at risk for egg allergy. J Allergy Clin Immunol 2017;
            6 Martin PE, Eckert JK, Koplin JJ et al. Which infants         tric and Adolescent Medicine (DGKJ). Allergo J Int        139(5): 1621-1628.e8
                 with eczema are at risk of food allergy? Results from     2014; 23(6): 186-99
GPA » Sonderheft „Prävention“ » Immunologische Therapien                  13

Immunologische Therapien
Einleitung
Impfungen, Prä- und Probiotika, Spezi-         on einer spezifischen, adaptiven Immun­-       prävention diskutiert werden, aktuell zu
fische Immuntherapie (SIT) und andere          antwort, die anderen beiden Gruppen            bewerten.
immunmodulatorische Maßnahmen und              ­haben eher unspezifische immunmodu-
Therapien werden im Zusammenhang               latorische Effekte [1].
mit primärer und sekundärer Allergie-
prävention seit Langem untersucht und          Im Gegensatz zur Entwicklung der Bio-          Literatur
diskutiert. Keine von all diesen, vielleicht   logika für z. B. die Asthmatherapie in         1 		Nieto A, Wahn U, Bufe A et al. Allergy and asthma
mit Ausnahme der SIT, hat sich wissen-         den letzten 20 Jahren sind bisher keine          prevention 2014. Pediatric Allergy and Immunology
                                                                                                2014; 25: 516-533
schaftlich bisher als verlässliche Prä-        Checkpoints der immunologischen Re-
                                                                                              2 		Pfaar O, Bachert C, Bufe A, Buhl R, Ebner C et al. Die
ventionsmaßnahme erwiesen [2]. Trotz           aktion im frühen Kindesalter identifiziert       (allergen-) spezifische Immuntherapie bei IgE-ver-
alledem ist mittlerweile unumstritten,         worden, von denen sicher bekannt ist,            mittelten allergischen Erkrankungen. Leitlinie der
                                                                                                Deutschen Gesellschaft für Allergologie und klini-
dass neben der multifaktoriell bedingten       dass sie die frühe Entwicklung von Sensi-
                                                                                                sche Immunologie (DGAKI), des Ärzteverbandes
genetischen Prädisposition zentrale im-        bilisierung und Allergien zentral steuern.       Deutscher Allergologen (ÄDA), der Gesellschaft
munologische Prozesse an der Induktion                                                          für Pädiatrische Allergologie und Umweltmedizin
                                                                                                (GPA), der Österreichischen Gesellschaft für Aller-
allergischer Erkrankungen beteiligt sind.      Vor diesem Hintergrund wollen wir ver-
                                                                                                gologie und Immunologie (ÖGAI) und der Schweize-
Impfungen und spezifische Immunthera-          suchen, die bisher bekannten Verfah-             rischen Gesellschaft für Allergologie und Immuno-

pie wirken hauptsächlich über die Indukti-     ren, die im Zusammenhang mit Allergie­           logie (SGAI). Allergo J Int 2014,23:282-319

                                                                                                                                                           Immunologische Therapien
Pro- und Präbiotika
Matthias Kopp, Lübeck

In der derzeit noch gültigen Leitlinie Allergieprävention aus dem Jahr 2014 heißt es: „Ein präventiver Effekt von Probiotika/Präbiotika
konnte bislang nur für das atopische Ekzem dargestellt werden.“ Aufgrund der Heterogenität der Bakterienstämme bzw. der eingesetz-
ten Präparate und der Studiendesigns gibt die Leitlinie daher aktuell keine Empfehlung hinsichtlich konkreter Präparate, Applikations-
formen und Dauer bzw. Zeitpunkt einer präventiven Gabe. Für eine valide Beurteilung kommt erschwerend hinzu, dass in den klinischen
Studien häufig unterschiedliche Endpunkte zu unterschiedlichen Zeitpunkten untersucht wurden. In diesem Artikel werden die Ergeb-
nisse aktueller Arbeiten seit 2014 zum präventiven Einsatz von Pro- und Präbiotika dargestellt. Auch die neuen Publikationen ändern
aus Sicht des Autors allerdings nichts an der zurückhaltenden Empfehlung der Leitlinie – noch immer besteht keine Klarheit darüber,
welche Pro- bzw. Präbiotika in welcher Dosis und zu welchem Zeitpunkt einen allergiepräventiven Effekt haben könnten.

Lebende Bakterien und                          werden kann [13]. Daraus ergibt sich,          Präbiotika sind für den Menschen unver-
tote Ballaststoffe                             dass Probiotika säurestabil sein müssen,       dauliche Ballaststoffe (Polysaccharide
                                               um in aktiver Form die unteren Darmab-         wie z. B. Laktulose, Inulin und Oligofruk-
Probiotika sind definiert als lebende Mi-      schnitte zu erreichen. Ferner müssen           tose), die überwiegend aus pflanzlichen
kroorganismen, die auch noch nach der          Probiotika für den Wirt apathogen sein         Lebensmitteln gewonnen werden. Prä-
einsetzenden Verdauung im Dünndarm             − für jedes eingesetzte Probiotikum müs-       biotika können von bestimmten Bak-
in ausreichender Anzahl vorhanden sind,        sen   entsprechende       Sicherheitsdaten     terien (z. B. Bifidobakterien) im Kolon
um im Dickdarm eine „gesundheitsför-           vorliegen. Und schließlich: Die Keimzahl       fermentiert werden und können daher
dernde Wirkung“ ausüben zu können, die         muss hoch genug sein, um eine Besied-          eingesetzt werden, um das Wachstum
durch normale Ernährung nicht erreicht         lung zu gewährleisten.                         dieser erwünschten Keimgruppen im
14    GPA » Sonderheft „Prävention“ » Immunologische Therapien

                                                                                                                         weiteres Familienmitglied bereits eine
                                                                                                                         atopische Erkrankung hatte, die Diagno-
                                                                                                                         se einer AD gestellt: 46 % in der Plazebo-
                                                                                                                         gruppe versus 23 % in der Verumgruppe.
                                                                                                                         Dieser Effekt war auch nach 4 und 7 Jah-
                                                                                                                         ren stabil beobachtbar [5, 6]. Im Hinblick
                                                                                                                         auf eine allergische Sensibilisierung
                                                                                                                         oder auf den Schweregrad eines mani-
                                                                                                                         festen atopischen Ekzems gab es keinen
                                                                                                                         Unterschied zwischen beiden Gruppen.
                                                                                                                         Allerdings konnte diese allergiepräventi-
                                                                                                                         ve Wirkung von LGG in zwei nachfolgen-
                                                                                                                         den klinischen Studien nicht bestätigt
                                                                                                                         werden.
                                                                                            Lactobacillus rhamnosus GG

                           Darm selektiv zu fördern [13]. Der Begriff    sehr gutes Auto ist, weil Opel auch gute        In einer Arbeit mit einem süddeutschen
                           Synbiotika wird verwendet, um eine            Autos baut.                                     Patientenkollektiv fand sich bei 28 % der
                           Kombination aus Pro-   und Präbiotika                                                         Kinder aus der LGG-Gruppe ein atopi-
                           zu beschreiben. Dabei sollen die einge-       Dieses Beispiel macht deutlich, wie             sches Ekzem im Alter von 2 Jahren, in der
                           setzten Präbiotika das Wachstum des           schwierig es ist, klinische Studien mit         Plazebogruppe waren es 27,3 %. Sekun-
                           probiotischen Stamms fördern und so           unterschiedlichen       Bakterienspezies,       däre Endpunkte, wie der Ekzemschwe-
                           möglicherweise synergistische Effekte         unterschiedlichen Endpunkten und Stu-           regrad, die IgE-Konzentration oder das
                           hervorrufen [13].                             diendesigns im Rahmen von Metaanaly-            Ausmaß der spezifischen allergischen
                                                                         sen miteinander zu vergleichen und all-         Sensibilisierung waren in beiden Grup-
Immunologische Therapien

                           Ein Beispiel zur                              gemeingültige Aussagen zu extrahieren.          pen nicht signifikant unterschiedlich [8].
                           Beschreibung der Wirkung                                                                      Parallel zu den erhobenen klinischen
                                                                         Ergebnisse zu klinischen                        Befunden wurde hier auch die immuno-
                           Die probiotische Wirkung von Bakteri-         Studien mit Lactobacillus                       logische Reaktivität von mononukleären
                           en ist abhängig vom einzelnen Bakteri-        rhamnosus GG                                    Zellen im Nabelschnurblut untersucht.
                           enstamm, nicht von der übergeordneten                                                         Dabei konnte gezeigt werden, dass eine
                           Bakterienspezies. Daher sind allgemei-        Bisher haben nur sehr wenige Arbeiten           Stimulation mit Lactobacillus GG mit ei-
                           ne Aussagen über die Wirksamkeit von          den identischen Bakterienstamm ver-             ner erhöhten IL-10- und IFN-y-Produktion
                           Probiotika – aber auch von Präbiotika −       wendet und ähnliche Endpunkte unter-            einherging. Allerdings war dieser In-vi-
                           schwierig. Das folgende Beispiel soll das     sucht. Für das Probiotikum Lactobacil-          tro-Befund sowohl in der Plazebo- als
                           veranschaulichen:                             lus rhamnosus GG gibt es mittlerweile           auch in der LGG-Gruppe nachweisbar.
                                                                         drei klinische Studien, die bei Familien        Ein signifikanter Gruppenunterschied
                           Ein Autohändler verkauft einen Volkswa-       mit einem erhöhten Allergierisiko den           fand sich nicht [7].
                           gen Golf 2.0 D (den L. rhamnosus GG).         Effekt von LGG auf die Prävention des
                           In seinem Informationsmaterial erfährt        atopischen Ekzems im Alter von 2 Jah-           Auch in einer aktuellen Arbeit aus den
                           man viel über den Motor und andere De-        ren untersucht haben.                           USA konnte der präventive Effekt, der in
                           tails über alle Volkswagen Golf (andere                                                       Finnland beobachtet wurde, nicht repro-
                           Lb. rhamnosus Stämme), andere Autos           Die erste Arbeit stammt aus Finnland.           duziert werden: Hier hatten 30,9 % in der
                           von Volkswagen (Lactobacillus acido-          Hier hatten nach einer präventiven Gabe         Plazebogruppe im Vergleich zu 28,7 % in
                           philus und L. reuteri) und sogar etwas        von Lactobacillus GG (LGG) signifikant          der LGG-Gruppe ein atopisches Ekzem
                           über einen Opel (Bifidobakterien). Poin-      weniger Kinder in der Verum-Gruppe              am Ende der Studie (HR 0,95; 95 % CI,
                           tiert formuliert bedeutet das in letzter      Symptome eines atopischen Ekzems                0,59 – 1,53) [1]. Im Alter von 5 Jahren be-
                           Konsequenz: Der Händler behauptet             (AE) [4]. Auffällig häufig wurde in dieser      trug die kumulative Inzidenz für Asthma
                           also, dass der Volkswagen Golf 2.0 D ein      Risikopopulation, in der mindestens ein         17,4 % (95 % CI, 7,6 − 27,1 %) in der Kon-
GPA » Sonderheft „Prävention“ » Immunologische Therapien         15

trollgruppe und 9,7 % (95 % CI, 2,7 − 16,6 %)   der Interventionsgruppe nach Sektio nur         Ergebnisse aus Metaanalysen
in der LGG-Gruppe – allerdings war              24,5 % eine allergische Erkrankung im
dieser Unterschied nicht statistisch si-        Vergleich zu 40,5 % in der Plazebogruppe        Probiotika
gnifikant (RR 0,88; 95 % CI, 0,41 − 1,87,       (RR 0,47; CI 0,23 − 0,96). Im Alter von 10      In den letzten Jahren sind 2 große Meta-
p = 0,25) [1].                                  Jahren war die Häufigkeit in der Gesamt-        analysen zur Wirksamkeit von Probiotika
                                                kohorte für das Ekzem knapp statistisch         publiziert worden [3, 14] (Tab. 1).
                                                signifikant reduziert (adjustierte OR 0,74;
  Aus den Befunden dieser 3 Arbeiten
                                                CI 0,55 – 1,0; p = 0,049) [12]. In der Prä-/    Cuello-Garcia, der aus 2403 Artikeln
  wird deutlich, wie wichtig es ist, dass
                                                Probiotikagruppe hatten zu diesem Zeit-         über Probiotika 29 kontrollierte klinische
  ganz grundsätzlich Ergebnisse aus
                                                punkt allerdings mehr Kinder eine aller-        Studien zur Probiotika-Gabe in einer Me-
  klinischen Studien in einem zweiten
                                                gische Rhinokonjunktivitis (OR 1,43; CI         taanalyse zusammengefasst hat, fand
  Kollektiv überprüft werden müssen,
                                                1,06 – 1,94; p = 0,02).                         eine 29 %ige Reduktion des Ekzemrisikos,
  bevor allgemein verbindliche Emp-
                                                                                                wenn die Supplementation bereits in der
  fehlungen gegeben werden.
                                                Bemerkenswerterweise ist es in dieser           Schwangerschaft erfolgte (relatives Risi-
                                                finnischen Population gelungen, über 10         ko [RR], 0,71; 95 % CI, 0,60 − 0,84) [3]. Bei ei-
Kombination von unterschied-                    Jahre in einem großen Kollektiv eine gute       ner ausschließlich postnatalen Gabe war
lichen Probiotika bzw. von                      Adhärenz von fast 80 % zu gewährleis-           dieser Effekt mit einer 17 %igen Redukti-
Prä- und Probiotika                             ten. Gleichzeitig machen die Ergebnisse         on deutlich geringer und statistisch nicht
                                                aus Finnland deutlich, wie schwierig es         mehr signifikant [7]. Protektive Effekte
In zahlreichen Arbeiten wurden Kombi-           ist, gezielte Empfehlungen zu formulie-         einer primären Prävention mit Probiotika
nationen von zwei oder mehreren Pro-            ren: Selbst innerhalb einer Kohorte sind        auf Asthma, die allergische Rhinokon-
biotikastämmen bzw. von Probiotika in           die präventiven Effekte nicht konstant          junktivitis oder auf allergische Sensibili-
Kombination mit Präbiotika untersucht.          über die Zeit darstellbar. Für AE und al-       sierungen wurden nicht beobachtet [3].
Eines der größten Kollektive wurde in           lergische Rhinitis zeigt die Intervention

                                                                                                                                                    Immunologische Therapien
Finnland rekrutiert. Dort wurde der Ef-         gegensätzliche Effekte. Möglicherweise          Die Metaanalyse von Cuello-Garcia un-
fekt von 4 Probiotika plus Präbiotika           gibt es protektive Effekte in Subgrup-          terstreicht somit die Bedeutung des rich-
(Galactooligosaccharide) in einer Popu-         pen, wie es in der finnischen Population        tigen Zeitpunkts einer Prävention und
lation von 925 Neugeborenen geprüft             für Kinder nach Sektio gezeigt werden           unterstützt das Konzept eines „Window
[10]. Der primäre Endpunkt war dabei            konnte. Allerdings handelt es sich dabei        of opportunity“, das offenbar während
die kumulative Inzidenz von allergischen        um eine sogenannte Post-hoc-Analyse.            der Schwangerschaft beginnt.
Erkrankungen      (Nahrungsmittelallergie,      Ergebnisse aus Post-hoc-Analysen kön-
AE, Asthma und allergische Rhinitis) und        nen zur Formulierung neuer Hypothesen           In Tabelle 2 ist eine Übersicht aus klini-
eine allergische Sensibilisierung. Für          herangezogen werden, sollten aber nicht         schen Studien mit Probiotika zusammen-
diesen primären Endpunkt gab es keine           als Beleg für einen kausalen Zusammen-          getragen, getrennt nach dem Zeitpunkt
signifikanten    Unterschiede     zwischen      hang interpretiert werden.                      der Supplementation. Präventive Effekte
Verum- und Plazebogruppe (Odds ratio
[OR], 0,71; 95 % CI, 0,50 − 1,00; p = 0,052).
In der Pro-/Präbiotika-Gruppe gab es sig-         Tabelle 1. Metaanalysen: Probiotika und Ekzem
nifikant weniger AE im Alter von 2 Jahren
(OR, 0,66; 95 % CI, 0,46 − 0,95; p = 0,025)       Zucotti G et al.                       Cuello-Garcia CA et al.
[10]. Allerdings war dieser Effekt im Alter
                                                  17 Studien mit n= 4755 Kindern         29 Studien, z.T. mehrfacher Eingang dersel-
von 5 Jahren in der Gesamtgruppe nicht                                                   ben Individuen (Baseline und Follow-Up)
mehr nachweisbar [9].
                                                  RR 0,78                                RR 0,71 (Gabe ab letztem Trimester SS)
                                                  CI 0,69 – 0,89                         CI 0,60 – 0,84
In einer Post-hoc-Analyse profitierten
hingegen Kinder von der perinatalen               Mischung mehrerer Probiotika:          RR 0,83 (Gabe erst postnatal)
                                                  RR 0,54                                CI 0,58 – 1,19
Supplementation, die per Sectio auf die
                                                  CI 0,43−0,68
Welt gekommen waren. Hier hatten in
16      GPA » Sonderheft „Prävention“ » Immunologische Therapien

                                Tabelle 2. Probiotika-Gabe aufgeschlüsselt nach Zeitpunkt der Applikation

                            Autor                                            Probiotika-Gabe                                 Atopisches Ekzem

                            Boyle, RJ 2011                                   Nur pränatale Gabe                              Nein
                            Kalliomäki M, 2001; 2003; 2007                   Pränatale und postnatale Gabe                   Ja
                            Kukkonen K, 2007; 2009                                                                           Nein (Subgruppe)
                            Kopp MV, 2008                                                                                    Nein
                            Abrahamsson TR, 2007                                                                             Nein (Subgruppe)
                            Huurre A, 2008                                                                                   Nein
                            Wickens K, 2008                                                                                  Ja
                            Niers L, 2009                                                                                    Ja − Cave!
                            Kim KJ, 2010                                                                                     Ja
                            Dotterud CK, 2010                                                                                Ja
                            Rautava S, 2012                                                                                  Ja
                            Ou CY, 2012                                                                                      Nein
                            Allen SJ, 2014                                                                                   Nein
                            Rautava SE, 2006                                 Nur postnatale Gabe                             Nein
                            Taylor AL, 2006                                                                                  Nein
                            Soh SE, 2009                                                                                     Nein
                            West NP, 2009                                                                                    Nein
Immunologische Therapien

                            Cabana MD, 2017                                                                                  Nein

                           von Probiotika waren hier nur beobacht-         trollgruppe) berücksichtigt [14]. In der        ben. In allen Studien gab es einen hohen
                           bar, wenn die Supplementation bereits           Probiotikagruppe hatten die Säuglinge           Anteil an Studienabbrechern. Allergische
                           während der Schwangerschaft begann              signifikant seltener ein AE (RR 0,78 [95 %      Endpunkte wurden zwischen dem 4. Le-
                           und postnatal fortgesetzt wurde. Hinge-         CI: 0,69 − 0,89], p = 0,0003). Hier profi-      bensmonat und dem 2. Lebensjahr er-
                           gen zeigte weder eine alleinige pränatale       tierte v. a. eine Subgruppe von Kindern         fasst. Die Metaanalyse von 2 Studien mit
                           noch eine alleinige postnatale Gabe von         stärker, die eine Probiotika-Mischung           dem Endpunkt Asthma (n= 226 Säuglinge)
                           Probiotika einen klinischen Effekt.             erhielten (RR 0,54 [95 % CI: 0,43−0,68],        fanden keinen signifikanten Unterschied
                                                                           p 100; p = 0,03).
                           des hohen Risikos von einem Bias sowie          Präbiotika
                           Inkonsistenz und Ungenauigkeit der be-          Der Effekt von Präbiotika wurde in einem        In einer erst kürzlich publizierten Meta-
                           schriebenen Ergebnisse.                         etwas älteren Cochrane-Review aus dem           analyse wurden mittlerweile 22 Arbei-
                                                                           Jahr 2013 erfasst [11]. Insgesamt konnten       ten untersucht [2]. Dabei wurden für den
                           In der zweiten Metaanalyse wurden               zu diesem Zeitpunkt nur vier auswertbare        präventiven Einsatz von Präbiotika im
                           Daten von 4755 Kindern (2381 in der             Studien identifiziert werden, die insge-        Vergleich zu Plazebo für keine der un-
                           Probiotikagruppe und 2374 in der Kon-           samt 1428 Säuglinge eingeschlossen ha-          tersuchten Endpunkte ein signifikanter
Effekt beschreiben: Auch das Risiko für                    optimalen Bakterienstamm, der Dosis, der
ein atopisches Ekzem war im Vergleich                      Dauer und dem Zeitpunkt der Einnahme
zu Plazebo nicht signifikant reduziert                     weitgehend unbeantwortet. Offen bleibt
(RR: 0,68, 95 % CI: 0,40 − 1,15). Ähnliches                u. a., ob eine Kombination verschiedener
galt für die Endpunkte Wheeze oder Ast-                    Probiotika oder eine Mischung aus Prä-
hma (RR: 0,37; 95 % CI: 0,17 − 0,80) sowie                 und Probiotika günstigere primärpräventi-
Nahrungsmittelallergie (RR: 0,28, 95 %                     ve Effekte haben und ob möglicherweise
CI: 0,08 − 1,00). Unerwünschte Effekte                     bestimmte Subgruppen besonders von ei-
wurden nicht beobachtet. Allerdings                        ner Supplementation profitieren. Die der-
schlussfolgern die Autoren aus ihrer Me-                   zeitige Datenlage spricht gegen einen iso-
taanalyse, dass es derzeit keine validen                   lierten Einsatz von Präbiotika zur Präven-
Daten gibt, die einen präventiven Einsatz                  tion allergischer Erkrankungen.
von Präbiotika rechtfertigen [2].

                                                             Univ.-Prof. Dr. med. Matthias Kopp
Fazit
                                                             Leiter der Sektion Pädiatrische Pneumologie

Zum jetzigen Zeitpunkt kann die Gabe                         & Allergologie
                                                             Airway Research Center North (ARCN),
von Probiotika oder Präbiotika zur primä-
                                                             Mitglied des Deutschen Zentrums für
ren Prävention allergischer Erkrankungen                     Lungenforschung (DZL)
nicht empfohlen werden. Trotz einer gro-                     UKSH, Universität zu Lübeck
                                                             Ratzeburger Allee 160 | 23538 Lübeck
ßen Anzahl von klinischen Studien zur
                                                              Matthias.Kopp@uksh.de
Gabe von Probiotika sind Fragen zu dem

Literatur
1 Cabana MD, McKean M, Caughey AB et al. Early             8 Kopp MV, Hennemuth I, Dietschek A et al. A ran-
  Probiotic Supplementation for Eczema and Asthma            domized, double-blind, placebo-controlled trial of
  Prevention: A Randomized Controlled Trial. Pediat-         probiotics for primary prevention: No clinical or
  rics. 2017; 140(3). pii: e20163000                         immunological effects of Lactobacillus GG supple-
2 Cuello-Garcia C, Fiocchi A, Pawankar R et al. Pre-         mentation. Pediatrics Pediatrics. 2008; 121: e850-6
  biotics for the prevention of allergies: A systematic    9 Kuitunen M, Kukkonen K, Juntunen-Backman K et
  review and meta-analysis of randomized controlled          al. Probiotics prevent IgE-associated allergy until
  trials. Clin Exp Allergy 2017; 47(11): 1468-1477           age 5 years in cesarean-delivered children but not
3 Cuello-Garcia CA, Brożek JL, Fiocchi A et al. Pro-         in the total cohort. J Allergy Clin Immunol. 2009;
  biotics for the prevention of allergy: A systematic        123(2): 335-41
  review and meta-analysis of randomized controlled        10 Kukkonen K, Savilahti E, Haahtela T et al. Probiotics
  trials. J Allergy Clin Immunol. 2015; 136(4): 952-61       and prebiotic galacto-oligosaccharides in the pre-
4 Kalliomaki M, Salminen S, Arvilommi H, Kero P, Kos-        vention of allergic diseases: a randomized, doub-
  kinen P, Isolauri E. Probiotics in primary prevention      le-blind, placebo-controlled trial. J Allergy Clin Im-
  of atopic disease: a randomised placebo-controlled         munol. 2007; 119(1): 192-8
  trial. Lancet 2001; 357: 1076-9                          11 Osborn DA, Sinn JK. Prebiotics in infants for pre-
5 Kalliomaki M, Salminen S, Poussa T, Arvilommi H,            vention of allergy. Cochrane Database Syst Rev.
  Isolauri E. Probiotics and prevention of atopic disea-      2013;(3): CD006474
  se: 4-year follow-up of a randomised placebo-cont-       12 Peldan P, Kukkonen AK, Savilahti E, Kuitunen M. Pe-
  rolled trial. Lancet 2003; 361: 1869-71                     rinatal probiotics decreased eczema up to 10 years
6 Kalliomaki M, Salminen S, Poussa T, Isolauri E.             of age, but at 5-10 years, allergic rhino-conjunctivi-
  Probiotics during the first 7 years of life: a cumula-      tis was increased. Clin Exp Allergy. 2017; 47(7): 975-
  tive risk reduction of eczema in a randomized, pla-         979
  cebo-controlled trial. J Allergy Clin Immunol 2007;      13 Salminen S1, van Loveren H. Probiotics and pre-
  119: 1019-21                                                biotics: health claim substantiation. Microb Ecol He-
7 Kopp MV, Goldstein M, Dietschek A, Sofke J, Heinz-          alth Dis. 2012; 23. doi: 10.3402/mehd.v23i0.18568.
  mann A, Urbanek R. Lactobacillus GG has in-vitro ef-        eCollection 2012
  fects on enhanced IL-10 and IFN-y release of mono-       14 Zuccotti G, Meneghin F, Aceti A et al. Probiotics for
  nuclear cells but no in-vivo effects in supplemented        prevention of atopic diseases in infants: systematic
  mothers and their neonates. Clin Exp Allergy. 2008;         review and meta-analysis. Allergy. 2015; 70(11):
  38: 602-10                                                  1356-71
Sie können auch lesen