PÄDIATRISCHE ALLERGOLOGIE - PRÄVENTION - IN KLINIK UND PRAXIS - Gesellschaft für Pädiatrische Allergologie und ...
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GPA » Sonderheft „Prävention“ » Editorial 3 Liebe Kolleginnen und Kollegen, von Hippokrates von Kos soll folgende wird aber auch darauf hingewiesen, was Empfehlung im Blick auf ärztliches Han- nicht hilft oder ggf. sogar schaden kann. deln stammen: Der Fokus dieses Hefts liegt dabei auf einer verständlichen Präsentation der „Richtschnur bei der Behandlung des Datenlage mit einem klaren Fazit für den Kranken: stets zweierlei im Auge haben: praktischen Alltag. nützen oder wenigstens nicht schaden.“ Nicht ganz zufällig erscheint dieses Son- In Hinblick auf die Prävention allergi- derheft zeitgleich zum 13. Deutschen scher Erkrankungen bei Kindern sollten Allergiekongress, der unter dem Motto sinnvolle Maßnahmen möglichst noch „Für eine Welt ohne Allergien“ steht. vor dem Eintreten der Allergie, also im Auch wenn wir im Moment noch weit von Sinne der primären Prävention, beim po- diesem Ziel entfernt sind, so offenbart tenziell gefährdeten Gesunden greifen. ein tieferer Blick in die verschiedenen Manche Empfehlungen, die aufgrund von Ansätze der Allergieprävention das Po- Studien und klinischer Erfahrung ausge- tenzial, eines Tages dort anzukommen. sprochen werden, betreffen aber auch Für die Anwendung der Empfehlungen die sekundäre oder tertiäre Prävention bei Ihren Patienten wünschen wir Ihnen beim bereits Erkrankten. Mit dem vorlie- gutes Gelingen, genden Sonderheft, das auf Initiative der Wissenschaftlichen Arbeitsgruppe Prä- Ihre vention/Allergie und Impfen der GPA ent- standen ist, wird eine aktuelle Übersicht Christian Vogelberg über nützliche und sinnvolle Maßnahmen und Sebastian Schmidt zur Allergieprävention gegeben. Zugleich Prof. Dr. Christian Vogelberg PD Dr. Sebastian Schmidt Vorsitzender der GPA Koordinator Stlv. Koordinator WAG WAG Prävention / Prävention / Allergie und Impfen Allergie und Impfen christian.vogelberg@uniklinikum-dresden.de schmidt3@uni-greifswald.de
GPA » Sonderheft „Prävention“ » Inhalt/Impressum 5 Inhalt / Impressum Editorial 3 Einleitung Allergie: Von der Genetik zu verschiedenen Präventionsstrategien 6 Ernährung Die Rolle der Ernährung in der Prävention atopischer Erkrankungen 8 Immunologische Therapien Einleitung 13 Pro- und Präbiotika 13 Unspezifische Immunmodulation 18 Impfung und Durchimpfungsrate 20 Spezifische Immuntherapie 23 Umwelt und Lebensweise Hygienehypothese und Infektion 25 Indoor-Allergene 28 Medikamente (Arzneimittel) und Allergieprävention 30 Rauchen und Atopie 34 Mütterlicher Stress in der Schwangerschaft und Geburtsmodus 36 Anorganische Umweltfaktoren (Feinstaub/Toxine) 38 Prävention arbeitsbedingter allergischer Erkrankungen 41 Das Leitbild der GPA 44 Pädiatrische Allergologie in Klinik und Praxis, Sonderheft „Prävention“ Herausgeber: Schriftleitung: Bildnachweis: fotolia.com: Titelseite: galitsin, S. 9: Gesellschaft für Pädiatrische Allergologie Prof. Dr. med. Christian Vogelberg, stanislav_uvarov, S. 10: bravissimos, S. 18: pegbes, und Umweltmedizin e. V., Rathausstraße 10, Klinik u. Poliklinik f. Kinder- u. Jugendmedizin, S. 28: Konstantin Aksenov, S. 37: GordonGrand, 52072 Aachen, Tel. 02 41 / 98 00-4 86, Universitäts AllergieCentrum (UAC) Dresden, S. 39: Ingo Bartussek, S. 42: magdal3na, S. 45: Fax 02 41 / 98 00-2 59, gpa.ev@t-online.de, christian.vogelberg@uniklinikum-dresden.de StingerMKO (verändert iKOMM) | iKOMM GmbH: www.gpau.de Dr. med. Sebastian Schmidt, S. 40, S. 47 | PD Dr. S. Schmidt: S. 3 | Prof. Ch. Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendmedizin, Vogelberg: S. 3 | Wikimedia Commons: S. 14: Verlag: Universitätsmedizin Greifswald, Claes IJJ, Schoofs G, Regulski K, Courtin P, iKOMM • Information und Kommunikation schmidt3@uni-greifswald.de Chapot-Chartier M-P, Rolain T, et al. im Gesundheitswesen GmbH, Friesenstraße 14, 53175 Bonn, Tel. 02 28 / 37 38 41, Fax 02 28 / 37 38 40, Redaktion: Layout: kippconcept gmbh, Bonn info@ikomm.info, www.ikomm.info Dr. med. Susanne Meinrenken, ISSN: 2364-3455 Verlagsleitung: Dr. Ulrich Kümmel 28759 Bremen, susanne.meinrenken@sprachzeug.de Stand: September 2018
6 GPA » Sonderheft „Prävention“ » Einleitung Einleitung Allergie: Von der Genetik zu verschiedenen Präventionsstrategien Einleitung Albrecht Bufe, Bochum Ätiologie und Pathophysiologie allergi- scher Erkrankungen sind multifaktoriell Abbildung 1. Verschiedene Einflussfaktoren für die Entstehung bedingt. Die Prävalenzen der Neurodermi- von allergischen Erkrankungen tis, des Heuschnupfens und des Asthmas, um die bedeutendsten zu nennen, unter- liegen damit unterschiedlichen Einfluss- und Risikofaktoren [4]. Aktuelle Angaben zu Prävalenzen wur- den gerade publiziert: Die Zahlen aus der Welle 2 der KIGGS-Erhebung zeigen eine 12-Monats-Prävalenz von 9,9 % für eine ärztliche diagnostizierte allergische Rhi- nokonjunktivitis (ARC) bei Kindern und Jugendlichen von 3 − 17 Jahren. Jungen sind mit 11,9 % deutlich häufiger betroffen als Mädchen mit 7,9 %. Je älter die Kinder werden, desto häufiger erkranken sie [2]. Die Zahl der an Asthma erkrankten Kinder und Jugendlichen ist insgesamt mit 4 % in der KIGGS-Welle 2 im Vergleich zur Basis- lergische Erkrankungen einem rezessiven ❙❙ Verschiebung der Balance von T-Helfer- erhebung zwar stabil geblieben. Für die Vererbungsgang folgen [5]. Zellen hin zu einer TH2-dominierten Jungen im Alter von 7 − 10 Jahren hat sich Immunantwort und damit vermehrter aber ein signifikanter Anstieg der 12-Mo- In den letzten Jahrzehnten wurde im Rah- IgE-Produktion; nats-Prävalenz von 4,1 auf 5,7 % und bei men von zahlreichen „genome wide asso- ❙❙ Modifikation oder Aufhebung von Im- den 11- bis 13-Jährigen von 5,7 auf 7,1 % ciation studies“ (GWAS) eine Reihe von muntoleranzprozessen; ergeben [2]. sogenannten Suszeptibilitätsloki, also ❙❙ Verstärkung von Entzündungsreaktio- Genabschnitten mit spezifischen Variatio- nen; Wesentliche Einflussgröße für die Ent- nen in der Gensequenz identifiziert, deren ❙❙ Modifikation von spezifischen Genen, wicklung einer Allergie ist die Genetik. Vorkommen bei Patienten das Risiko für welche die Stabilität der Hautbarriere Das Risiko eines Kindes, eine der genann- das Auftreten bestimmter pathophysiolo- regulieren und damit die Durchlässig- ten Erkrankungen zu entwickeln, steigt gischer Prozesse bei den allergischen Er- keit der Haut kontrollieren; mit dem Auftreten der entsprechenden krankungen erhöhen [6]. Das können, um ❙❙ Veränderung im epigenetischen Reak- Erkrankung gepaart mit einer allergi- nur einige zu nennen, z. B. sein: tionsmuster. schen Sensibilisierung bei dem jeweiligen ❙❙ Erhöhung der IgE-Rezeptoraktivität Elternteil. Dabei ist das Risiko am höchs- und damit Verstärkung der Hyperreak- Ein Suszeptibilitätslokus kann entweder ten, wenn beide Elternteile unter dersel- tivitätsreaktionen; für alle allergischen Erkrankungen gel- ben Erkrankung leiden und das gleiche ❙❙ Vorkommen spezifischer HLA-Typen ten oder aber nur bei einer spezifischen Sensibilisierungsmuster gegen bestimm- und damit Auftreten bestimmter Immu- Erkrankung relevant sein. Das Vorkom- te Allergene aufweisen, so als würden al nisierungen; men spezifischer HLA-Typen erhöht bei-
GPA » Sonderheft „Prävention“ » Einleitung 7 spielsweise das Risiko für das Auftre- mittel – kann entweder eine Erhöhung samtbevölkerung und schließt eine aller- ten von Sensibilisierungen gegenüber oder Erniedrigung des jeweiligen Risikos giespezifische Gesundheitsförderung ein. Milbenallergenen und führt damit zu bedeuten. einer allergischen Rhinokonjunktivitis Die Zielgruppen der Sekundärprävention Einleitung oder zum Asthma. Die Verschiebung der Vor diesem Hintergrund muss die Stra- sind Personen mit frühen Krankheits- T-Helfer-Zell-Balance erhöht generell die tegie von Allergieprävention sehr diffe- zeichen (z. B. bronchiale oder nasale IgE-Produktion bei allen allergischen renziert analysiert und entwickelt wer- Hyperreagibilität bei nachgewiesener Erkrankungen. Gene, die zur Immun den, genauso, wie es die S3-Leitlinie der Sensibilisierung) und sensibilisierte, toleranzentstehung beitragen, können AWMF seit Jahren versucht [3]. Präven- noch symptomlose Personen. Ziele der v. a. bei Nahrungsmittelallergien von be- tionsempfehlungen sind also nur zu ent- Sekundärprävention sind die Verhinde- sonderer Bedeutung sein. wickeln, wenn man die Komplexität der rung einer manifesten Erkrankung sowie verschiedenen Einflussfaktoren der Al eines Symptomwechsels. Zu ihren Maß- Allergische Erkrankungen sind damit lergieentstehung aufschlüsselt, versteht nahmen zählen die Vermeidung klinisch polygenetische Krankheiten, deren Ent- und die wesentlichen Checkpoints iden- relevanter Allergene und toxisch-irritati- stehung und Verlauf von Umweltfaktoren tifiziert, die potenziell moduliert werden ver Substanzen, Beratungen und im Falle und hier v. a. von Infektionen stark be- können, um die Entstehung der jeweili- von Personen mit frühen Krankheitszei- einflusst werden können. Die verschie- gen allergischen Erkrankung, ihre Modifi- chen gegebenenfalls auch Pharmako- denen Faktoren sind in der Abbildung 1 kation oder Persistenz zu verhindern. prophylaxe und spezifische Immunthera- zusammengefasst. Als zentraler Faktor pie (Hyposensibilisierung)“. gilt die Sensibilisierung, die Vorausset- Wenn wir von Prävention bei allergischen zung und damit der entscheidende Ri- Erkrankungen sprechen, meinen wir im We- Im Folgenden werden die unterschiedli- sikofaktor für die oben genannten drei sentlichen Primär- und Sekundärpräven- chen Strategien für primäre und sekun- großen allergischen Erkrankungen ist. tion. Die Leitlinie Allergieprävention erläu- däre Allergieprävention im Einzelnen Infektionen, insbesondere durch Viren, tert die beiden Maßnahmen wie folgt [3]: betrachtet und ihre klinische Relevanz können Risikofaktoren, gleichzeitig aber anhand der aktuellen wissenschaftlichen auch − abhängig von dem Typ und dem „Die Primärprävention umfasst einer- Literatur dargestellt. Eine Bewertung der Zeitpunkt der Infektion − Schutzfaktoren seits die Beseitigung bzw. die Vermin- jeweiligen Methode wird hier nur vom je- sein (siehe auch [1]). Die Exposition ge- derung von (Teil-) Ursachen, die für die weiligen Autor vorgeschlagen, gilt aber genüber den genannten Umweltsubstan- Krankheitsentstehung von Bedeutung nicht als konsentierte Position der GPA. zen abhängig vom Lebensalter − seien es sind, einschließlich der Veränderungen Allergengemische selbst, Umweltschad- ursächlicher oder prädisponierender stoffe wie Dieselruß, spezifische probio- Umwelt- und Arbeitsplatzfaktoren, ande- Prof. Dr. med. Albrecht Bufe tische Keime, mikrobielle Strukturen wie rerseits die Erhöhung der Toleranz der Experimentelle Pneumologie/ Zellwände, mikrobielle Substanzen wie Individuen. Primärprävention wird insbe- Infektionsimmunologie Lipopolysaccharide (LPS) etc., spezielle sondere bei Risikogruppen (genetische Ruhr-Universität Bochum | ZKF II, 2.060 Universitätsstraße 150 | 44801 Bochum Naturstoffe wie pflanzliche Zucker oder Vorbelastung) wirksam, richtet sich aber albrecht.bufe@rub.de aber die unterschiedlichsten Nahrungs- in eingeschränkter Form auch an die Ge- Literatur 1 Bufe A. Bedeutung von Virusinfektionen für das 3 Schäfer T, Bauer CP, Beyer K et al. S3-Guideline on many. Results of the KiGGS study. First follow-up Asthma bronchiale – Mehr Schaden als Schutz. Pädia allergy prevention: 2014 update: Guideline of the (KiGGS Wave 1). In: Bundesgesundheitsblatt-Ge- trische Allergologie und Umweltmedizin 2018; 2: 4-8 German Society for Allergology and Clinical Immu- sundheitsforschung-Gesundheitsschutz 2014; 57: 2 Poethko-Müller C, Thamm M, Thamm R. Heu- nology (DGAKI) and the German Society for Pediat- 771-778 schnupfen und Asthma bei Kindern und Jugendli- ric and Adolescent Medicine (DGKJ). ALLERGO J Int 5 Wahn U. What drives the allergic march? Allergy chen in Deutschland – Querschnittergebnisse aus 2014; 23: 186-199 2000; 55: 591-599 KiGGS Welle 2 und Trends. Journal of Health Mo- 4 Schmitz R, Thamm M, Ellert U, Kalckloesch M, 6 Weidinger S, Rodríguez E, Kabesch M. Genetik und nitoring 2018; 3 (http://edoc.rki.de/docviews/abs- Schlaud M Grp, KiGGS Study. Prevalence of com- Epigenetik von allergischen Erkrankungen und Ast- tract.php?id=5668) mon allergies in children and adolescents in Ger- hma. Allergologie. Springer-Verlag 2016: 23-36
8 GPA » Sonderheft „Prävention“ » Ernährung Die Rolle der Ernährung in der Prävention atopischer Erkrankungen Kirsten Beyer, Berlin Die Ernährung scheint eine wichtige Rolle für die Prävention atopischer Erkrankungen zu spielen. Angefangen bei der Ernährung der Mut- ter in der Schwangerschaft und Stillzeit über die Muttermilch und die Beikost gibt es gerade in den ersten Lebensmonaten viele Faktoren, die helfen können einer Atopie vorzubeugen. Muttermilch ist nicht nur zur Atopieprävention die beste Ernährung für einen Säugling. In den ersten 4-6 Lebensmonaten sollte ein Säugling ausschließlich gestillt werden. Für Säuglinge mit erhöhtem Allergierisiko, die nicht oder nicht ausreichend gestillt werden, stehen verschiedene Hydrolysatnahrungen zur Verfügung. Da diese bezüglich einer Atopiepräven- tion zum Teil widersprüchliche Ergebnisse zeigen, empfiehlt es sich, Nahrungen mit dokumentiertem präventivem Effekt zu verwenden. Abhängig vom Gedeihen und der Essfähigkeit des Säuglings sollte frühestens mit Beginn des 5. Monats und spätestens mit Beginn des 7. Monats neben dem Stillen die Beikost eingeführt werden. Dies gilt auch für hochallergene Lebensmittel in altersentsprechender Zu- bereitungsform. Wahrscheinlich ist es am besten, dass die Säuglinge und Kleinkinder die Nahrungsmittel regelmäßig erhalten, die in der Ernährung Familie und dem Kulturkreis gegessen werden. Es empfiehlt sich, dass Säuglinge mit mittelschwerer bis schwerer atopischer Dermatitis vor der Einführung von potenten Nahrungsmittelallergenen wie Hühnerei und Erdnussprodukten einen Allergietest erhalten. Mütterliche Ernährung in gesehen werden [12]. Letztere spielen vention, sowie die aktuelle europäische Schwangerschaft und Stillzeit möglicherweise eine vorteilhafte Rolle Leitlinie der European Academy of Aller- bei der Ausbildung der intestinalen Mi- gy and Clinical Immunology (EAACI) un- Während der Schwangerschaft und kroflora, die wiederum einen günstigen terstützen die Empfehlung, dass für den Stillzeit wird wie bisher in der deut- Einfluss auf die orale Toleranzentwick- Zeitraum der ersten 4 Monate voll gestillt schen S3-Leitlinie eine ausgewogene lung hat. Im Milchfett werden v. a. die werden soll [7, 12]. und nährstoffdeckende Ernährung emp- trans-Fettsäuren für den protektiven Ef- fohlen [12]. Der Konsum von Gemüse fekt verantwortlich gemacht [12]. Für Deutschland liegen neben den Emp- und Obst, eine sogenannte mediterrane fehlungen der allergologischen Fachge- Kost, langkettige Omega-3-Fettsäuren Die diätetische Restriktion durch Mei- sellschaften zur Allergieprävention die bzw. ein günstiges Verhältnis von Ome- dung potenter Nahrungsmittelallergene allgemeinen Empfehlungen der Deut- ga-3- zu Omega-6-Fettsäuren sowie wird weder während der Schwangerschaft schen Gesellschaft für Kinder- und Ju- Milchfett scheinen mit einer geringe- noch in der Stillzeit empfohlen [12]. Fisch gendmedizin (DGKJ) und der Nationalen ren Allergieprävalenz assoziiert zu sein soll, wenn keine Unverträglichkeit der Stillkommission (NSK) am Bundesinsti- [12]. Während für die Zufuhr von Ome- Mutter gegen Fisch vorliegt, aus Gründen tut für Risikobewertung (BfR) vor (www. ga-3-Fettsäuren unterstützende Daten der Allergieprävention in die mütterliche dgkj.de; www.bfr.bund.de). Stillen ist die aus einzelnen kontrollierten Interventi- Ernährung während Schwangerschaft natürliche Säuglingsernährung. Mutter- onsstudien vorliegen, wurden positive und Stillzeit integriert werden [12]. milch ist immer verfügbar, richtig tem- Effekte von Gemüse und Obst sowie von periert und leicht verdaulich. Des Weite- Milchfett lediglich in Beobachtungsstu- Stillen ren entsteht durch das Stillen ein enger dien berichtet. Eine Empfehlung wurde körperlicher Kontakt zwischen Mutter daher zu diesem Thema in der S3-Leitli- Stillen hat viele Vorteile für Mutter und und Kind. Daher wird von der NSK emp- nie nicht ausgesprochen. Kind [12]. Daher wird einheitlich von na- fohlen: tionalen und internationalen Fachgesell- Der Konsum von Gemüse und Obst schaften ausschließliches Stillen in den ❙❙ Säuglinge (mit und ohne Allergierisi- kann mit Blick auf die Aufnahme von ersten 4−6 Monaten (5.−7. Lebensmonat) ko) sollten mindestens bis zum Beginn Antioxidantien und von präbiotischen empfohlen. Auch die aktuelle deutsche des 5. Monats ausschließlich gestillt Nahrungsinhaltsstoffen als günstig an- S3-Leitlinie zur primären Allergieprä- werden.
GPA » Sonderheft „Prävention“ » Ernährung 9 ❙❙ Auch nach Einführung von Beikost – frühestens mit Beginn des 5. Monats, spätestens mit Beginn des 7. Monats – sollten Säuglinge weiter gestillt wer- den. Allerdings ist die Auffassung, dass durch längeres insbesondere ausschließliches Stillen (über den 7. Lebensmonat hinaus) die Effekte im Hinblick auf die Allergie- prävention verstärkt würden, nicht evi- denzbasiert [12]. Hypoallergene Säuglingsnahrung Ernährung Wenn nicht oder nicht ausreichend gestillt wird, soll laut der deutschen S3-Leitlinie eine hydrolysierte Säug- lingsnahrung bei Risikokindern gege- quelle in Kasein- oder Molke-Hydrolysa- Insgesamt identifizierten die Autoren ben werden [12]. Die aktuelle Datenlage te. Hydrolysierte Säuglingsmilch wird 37 geeignete Studien, 28 davon waren stützt diese Empfehlung für den Zeit- oft auch als HA-Nahrung bezeichnet, da randomisiert und kontrolliert, 6 waren raum der ersten 4 Lebensmonate. Die die Proteine durch die Hydrolyse weni- quasi-randomisierte kontrollierte und 3 Leitlinie weist jedoch darauf hin, dass ger allergen sind als intakte Kuhmilch- kontrollierte Studien. Es konnte in der die Wirksamkeit und Evidenzlage der bis- proteine. Metaanalyse keine eindeutige Evidenz her in Deutschland getesteten Produkte gezeigt werden, dass pHFs oder eHFs unterschiedlich ist und bestimmte ge- In verschiedenen Studien konnte ein das Risiko für allergische Erkrankungen testete Säuglingsnahrungen, auf denen präventiver Effekt sowohl mit pHFs bei Risikokindern senken. Die Autoren die Empfehlung beruht, in Deutschland als auch mit eHFs gezeigt werden, die stellen damit die entsprechende Emp- nicht mehr im Handel erhältlich sind. auch die Grundlage der aktuellen Leitli- fehlung zur Primärprävention infrage. In nienempfehlung darstellen [12]. Dieser Australien und der Schweiz haben daher Die Basis herkömmlicher Säuglingsmilch Effekt bezieht sich im Wesentlichen internationale Fachgesellschaften ihre ist Kuhmilch mit intakten Proteinen. Die- auf die Verringerung der Häufigkeit von Empfehlungen zur Gabe hydrolysierter se Proteine werden bei der Herstellung Nahrungsmittelallergien und atopischer Säuglingsmilch zur Allergieprävention von hypoallergener (HA) Nahrung durch Dermatitis. zurückgezogen. Hydrolyse (enzymatische Verdauung, Ultrafiltration, Ultraerhitzung) in Peptide Aufgrund aktueller Metaanalysen zeigt Eine andere kürzlich publizierte Meta- gespalten. Unterschiedliche Hydrolyse- sich zurzeit jedoch insgesamt eine wi- analyse zeigt hingegen einen präventi- verfahren führen hierbei zu unterschied- dersprüchliche Datenlage bezüglich des ven Effekt einer spezifischen pHF auf lich großen Peptiden. Grundsätzlich un- präventiven Effekts hydrolysierter Säug- Molke-Basis eines Herstellers auf aller- terscheidet man je nach Hydrolysegrad lingsmilch. In einer 2016 veröffentlichten gische Erkrankungen bei Risikokindern zwischen schwach und stark hydroly- Metaanalyse wurden prospektive Inter- [13]. Hierfür wurden insgesamt 8 ran- sierter Säuglingsnahrung (schwach hy- ventionsstudien eingeschlossen, die die domisierte, kontrollierte Studien einge- drolysierte Säuglingsnahrung = partiell Gabe von hydrolysierter Säuglingsmilch schlossen, die diese eine hydrolysierte hydrolyzed formula (pHF); stark hydroly- (sowohl pHF als auch eHF) mit regulärer Säuglingsmilch im Vergleich zu einer sierte Säuglingsnahrung = extensive Säuglingsmilch auf Kuhmilchbasis oder Säuglingsmilch auf Kuhmilchbasis bei hydrolyzed formula (eHF)). Eine weitere Stillen hinsichtlich der Entwicklung al- Risikokindern in Hinblick auf die Ent- Einteilung erfolgt aufgrund der Eiweiß- lergischer Erkrankungen verglichen [2]. wicklung allergischer Erkrankungen, ins-
10 GPA » Sonderheft „Prävention“ » Ernährung besondere Ekzem, untersuchten. Hierbei zeigte sich in bestimmten Altersklassen ein verringertes Ekzemrisiko bei Kin- dern, die dieses pHF erhielten. Die Datenlage zeigt, dass eine indivi- duelle Bewertung der verschiedenen Hydrolysatnahrungen wichtig zu sein scheint. Seit 2014 fordert die Europäi- sche Behörde für Lebensmittelsicher- heit (European Safety Authority, EFSA), dass die allergiepräventive Wirkung jeder spezifischen Hydrolysatnahrung individuell bei Kindern mit erhöhtem Ri- siko, die nicht gestillt werden, nachge- wiesen werden soll [3]. Basierend darauf Ernährung heißt es in der neuen EU-Verordnung für Säuglingsanfangs- und Folgenahrung (EU-Verordnung 2016/127), die für Pro- teinhydrolysate ab 2021 verpflichtend in Kraft tritt, dass neben der Sicherheit schreibt, dass es hinsichtlich der Verzö- der Re-Evaluation der Evidenz geändert. und Eignung jeder spezifischen Hydroly- gerung der Beikosteinführung keine Be- Dies bedeutet jedoch nicht zwangsläufig, satnahrung auch deren Umfang einer lege für einen allergiepräventiven Effekt dass die frühe Fütterung potenter Nah- Risikosenkung bezüglich der Entstehung gibt [7]. Auch hier wird noch einmal be- rungsmittelallergene im ersten Lebens- von Allergien bei Risikokindern im Rah- tont, dass es wichtig ist, dass auch nach jahr präventiv wirkt. Hier weist die euro- men klinischer Studien aufgezeigt wer- der Einführung von Beikost weiter gestillt päische Leitlinie zur primären Prävention den muss [4]. Auch die europäische Leit- werden kann. von Nahrungsmittelallergien explizit da- linie empfiehlt nur eine HA-Nahrung mit rauf hin, dass es ebenfalls nicht ausrei- dokumentiertem präventivem Effekt [7]. In Deutschland wird als erste Beikost chend Evidenz für einen protektiven Ef- oft ein Brei aus Gemüse, Kartoffeln und fekt durch die frühe orale Exposition mit Beikost Fleisch angeboten. In etwa monatli- hochpotenten Nahrungsmittelallergenen chen Abständen folgen meist ein Getrei- gibt [7]. In den letzten Jahren wurden Die Nationale Stillkommission in de-Milch- und ein Obst-Getreide-Brei. daher verschiedene Interventionsstudi- Deutschland (NSK) und die Deutschen en durchgeführt, um zu untersuchen, ob Gesellschaft für Kinder und Jugendme- Hyperallergene Beikost eine frühe Einführung von Nahrungsmit- dizin (DGKJ) empfehlen Beikost indivi- (Toleranzinduktion) telallergenen im ersten Lebensjahr vor duell in Abhängigkeit vom Gedeihen und Nahrungsmittelallergien schützt, indem der Essfähigkeit des Kindes keinesfalls Wie sieht es mit der Einführung von po- eine orale Toleranz induziert wird. vor dem Beginn des 5. Monats und nicht tenten Nahrungsmittelallergenen aus? später als zu Beginn des 7. Lebensmo- Die deutsche S3-Leilinie schreibt, dass Warum könnte eine Frühfütterung mit nats einzuführen und auch nach der Ein- es für einen präventiven Effekt durch vor- potenten Nahrungsmittelallergenen die führung von Beikost weiter zu stillen, so beugende Meidung potenter Nahrungs- Kinder vor der Ausbildung einer Allergie lange Mutter und Kind mögen (www.bfr. mittelallergene im ersten Lebensjahr schützen? Man geht davon aus, dass bund.de; www.dgkj.de) [5]. keine Belege gibt [12]. Eine solche Aller- eine Sensibilisierung durch die Expositi- genvermeidung wurde über lange Zeit on mit Nahrungsmittelallergenen in der Eine Verzögerung der Beikosteinfüh- in vielen Ländern bei Kindern mit erhöh- Umwelt, insbesondere bei Kindern mit rung aus Gründen der Allergieprävention tem Allergierisiko empfohlen. Im Jahre atopischer Dermatitis, aufgrund der ge- soll nicht erfolgen [12]. Auch die EAACI 2008 wurde diese Empfehlung im Zuge störten Hautbarriere entstehen kann [5].
GPA » Sonderheft „Prävention“ » Ernährung 11 Erdnuss- und Hühnereiprotein konnten wieder auf Erdnussprodukte verzichtet Richtung hatten. In zwei der Studien im Haus- und Bettstaub nachgewiesen hatten [16]. wurde vor der Einführung von Hühnerei/ werden [17, 18]. Die Menge lässt sich Plazebo ein Allergietest durchgeführt [1, durch den Konsum im Haushalt stei- Inwieweit sich dieses Ergebnis auf Län- 19]. Hierbei konnte gezeigt werden, dass gern [17, 18]. Es konnte gezeigt werden, der mit geringerem Erdnusskonsum in die Sensibilisierung gegen Hühnerei dass das Risiko für eine Nahrungsmittel- der Bevölkerung übertragen lässt, ist sehr frühzeitig erfolgt und die meisten allergie steigt, je früher sich die atopische nicht bekannt. In den USA, einem Land Kinder bereits mit 4−6 Monaten sensi- Dermatitis manifestiert und je schwerer mit hohem Erdnusskonsum, wurden die bilisiert waren, bevor die Beikost begon- das Ekzem ist [6]. Erfolgt die orale Ex- Präventionsleitlinien angepasst [14]. nen wurde. In den beiden Studien, die position mit Nahrungsmittelallergenen Hier wird für Kinder mit schwerer atopi- Hühnerei ohne vorherigen Allergietest frühzeitig, bevor eine Sensibilisierung scher Dermatitis oder Hühnereiallergie einführten, zeigte sich, dass viele Kinder über die Haut stattgefunden hat, soll dies empfohlen, im Alter von 4−6 Monaten bereits auf die erste Gabe von Hühnerei eine orale Toleranz bewirken und der Ent- einen Allergietest durchzuführen und Soforttypreaktionen boten [9, 10]. Ne- stehung von Allergien vorbeugen [5]. nicht sensibilisierte Kinder dann regel- ben IgE-vermittelten Soforttypreaktio- mäßig säuglingsgerechte Erdnusspro- nen ließen sich auch Symptome finden, Aktuell gibt es dukte anzubieten [14]. Auch für alle an- die auf eine Nahrungsmittel-induzierte Ernährung deren Kinder wird empfohlen, abhängig Enterokolitis hinwiesen [1]. ❙❙ eine randomisierte offene Interven- von der Präferenz der Familie und kultu- tionsstudie zur Prävention von Nah- reller Praxis Erdnussprodukte um den 6. Eine fünfte randomisierte und plazebo- rungsmittelallergien mit Erdnuss, Lebensmonat einzuführen [14]. Ob bei kontrollierte Studien aus Japan zur Prä- ❙❙ fünf randomisierte und plazebokon Kindern mit mildem bis mittelschwerem vention der Hühnereiallergie bei Kindern trollierte randomisierte offene Inter- Ekzem zuvor ein Allergietest gemacht mit atopischer Dermatitis verwendete ventionsstudien mit Hühnerei und wird oder dies unter ärztlicher Aufsicht ein anderes Studiendesign [8]. Hierbei ❙❙ eine randomisierte offene Interventi- erfolgen soll, bleibt der Risikoeinschät- wurden deutlich geringere Mengen hit- onsstudie mit multiplen Allergenen. zung des Arztes überlassen. Die US-Leit- zemodifiziertes Hühnerei benutzt und es linie weist explizit darauf hin, dass diese konnte eine signifikante Reduktion der Die Studien werden im Folgenden kurz Leitlinie nicht einfach in andere Länder Hühnereiallergie in der Gruppe der Kin- vorgestellt. In die LEAP-Studie zur Prä- übertragbar sei und dass es in Ländern, der gezeigt werden, die dieses erhielten vention der Erdnussallergie, die in Eng- wo Erdnussprodukte nicht häufig von [8]. Interessanterweise war der Effekt am land durchgeführt wurde, wurden Kinder Erwachsenen gegessen würden, eine größten in der Gruppe der bereits sensi- im Alter von 4−11 Lebensmonaten mit Implementation dieser Leitlinie zu einer bilisierten Säuglinge, die diese geringe schwerer atopischer Dermatitis oder Erhöhung der Prävalenz von Erdnussal- Mengen Hühnerei erhielten, sodass man Hühnereiallergie eingeschlossen, wenn lergie kommen könnte [14]. hier möglicherweise von einem Über- sie noch keine deutliche Sensibilisie- gang zur oralen Immuntherapie sprechen rung gegen Erdnuss aufwiesen [15]. Die In Bezug auf die Prävention der Hühner- kann. Kinder in der Erdnussvermeidungsgrup- eiallergie gibt es 4 randomisierte und pe sollten bis zum 5. Lebensjahr keine plazebokontrollierte Studien mit ähn- Eine weitere randomisierte Studie aus Erdnussprodukte essen, wohingegen lichen Design, aber unterschiedlichen England hat ebenfalls Kinder aus der die Kinder in der Erdnussfütterungs- Zielgruppen, die von der Allgemeinbe- Allgemeinbevölkerung untersucht und gruppe regelmäßig Erdnussflips oder völkerung über Kinder mit familiärem 6 hochpotente Nahrungsmittelallergene Erdnussbutter bekamen. Es konnte ge- Atopierisiko bis zu Kindern mit atopi- (Kuhmilch, Hühnerei, Erdnuss, Fisch, Se- zeigt werden, dass in einem Land mit scher Dermatitis reichten [1, 9, 10, 19]. sam und Weizen) sequenziell ab dem 3. hohem Erdnusskonsum durch die früh- Diese 4 Studien zeigten keinen signifi- Lebensmonat eingeführt [11]. Referenz- zeitige Gabe von Erdnussprodukten das kanten Unterschied zwischen Kindern, gruppe waren Säuglinge, die 6 Monate Risiko für das Auftreten einer Erdnussal- die frühzeitig pasteurisiertes Hühnerei gestillt wurden. Nur in der „Per-Proto- lergie um 80 % reduziert werden konnte erhielten und der Plazebogruppe, wo- koll-Analyse“ zeigte sich ein signifikant [15]. Dieser Effekt blieb auch erhalten, bei 3 Studien einen Trend in die eine geringeres Auftreten von Nahrungsmit- wenn die Kinder vom 5. − 6. Lebensjahr Richtung und eine Studie in die andere telallergien insgesamt, wenn die Nah-
12 GPA » Sonderheft „Prävention“ » Ernährung rungsmittel frühzeitig eingeführt wur- Fazit rungsmittelallergene bei der Bei- den; in der „Intention-to-Treat Analyse“ kosteinführung im ersten Lebensjahr konnte kein signifikanter Unterschied ❙❙ Säuglinge mit erhöhtem und ohne er- gibt es keine Belege. Wahrscheinlich für das Auftreten einer Nahrungsmittel- höhtes Allergierisiko sollten mindes- ist es am besten, dass die Kinder die allergie gefunden werden [11]. Ein Fak- tens bis zum Beginn des 5. Monats Nahrungsmittel regelmäßig erhalten, tor, der dazu führte, dass die 6 potenten ausschließlich gestillt werden. die in der Familie und im Kulturkreis Nahrungsmittelallergene nicht wie vor- ❙❙ Säuglinge mit erhöhtem Allergierisiko, gegessen werden. gesehen von den Kindern der Frühfütte- die nicht oder nicht ausreichend ge- ❙❙ Bei Säuglingen mit (mittelschwerer rungsgruppe gegessen wurden, war von stillt werden, sollten eine hydrolysierte bis schwerer) atopischer Dermatitis den Eltern beobachtete Symptome auf Säuglingsnahrung mit dokumentier- sollte vor Einführung von potenten die besagten Nahrungsmittel. Vor allem tem präventivem Effekt erhalten. Nahrungsmittelallergenen ein Aller- bei der frühen Einführung von Hühner ❙❙ Die Beikost sollte individuell in Abhän- gietest erfolgen. ei wurden neben Soforttypreaktionen gigkeit vom Gedeihen und der Ess- häufig auch von Symptomen berichtet, fähigkeit des Kindes frühestens mit die auf das Vorliegen Nahrungs - Beginn des 5. Monats und spätestens Prof. Dr. med. Kirsten Beyer mittel-induzierter Enterkolitis hinwiesen mit Beginn des 7. Monats eingeführt Ernährung [11]. Wenn man sich die Nahrungsmit- werden. Charité Universitätsmedizin Berlin telallergene noch einmal einzeln in der ❙❙ Auch nach Einführung von Beikost soll- Klinik für Pädiatrie m. S. Pneumologie, Immunologie und Intensivmedizin Studie angeschaut hat, so konnten für ten Säuglinge weiter gestillt werden. Augustenburger Platz 1 | 13353 Berlin Kuhmilch, Weizen oder Fisch überhaupt ❙❙ Für einen präventiven Effekt durch kirsten.beyer@charite.de keine Unterschiede gezeigt werden [11]. vorbeugende Meidung potenter Nah- Literatur 1 Bellach J, Schwarz V, Ahrens B et al. Randomized a population-based cohort. Clin Exp Allergy 2015; 13 Szajewska H, Horvath A. A partially hydrolyzed placebo-controlled trial of hen's egg consumption 45(1): 255-64 100 % whey formula and the risk of eczema and any for primary prevention in infants. 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GPA » Sonderheft „Prävention“ » Immunologische Therapien 13 Immunologische Therapien Einleitung Impfungen, Prä- und Probiotika, Spezi- on einer spezifischen, adaptiven Immun- prävention diskutiert werden, aktuell zu fische Immuntherapie (SIT) und andere antwort, die anderen beiden Gruppen bewerten. immunmodulatorische Maßnahmen und haben eher unspezifische immunmodu- Therapien werden im Zusammenhang latorische Effekte [1]. mit primärer und sekundärer Allergie- prävention seit Langem untersucht und Im Gegensatz zur Entwicklung der Bio- Literatur diskutiert. Keine von all diesen, vielleicht logika für z. B. die Asthmatherapie in 1 Nieto A, Wahn U, Bufe A et al. Allergy and asthma mit Ausnahme der SIT, hat sich wissen- den letzten 20 Jahren sind bisher keine prevention 2014. Pediatric Allergy and Immunology 2014; 25: 516-533 schaftlich bisher als verlässliche Prä- Checkpoints der immunologischen Re- 2 Pfaar O, Bachert C, Bufe A, Buhl R, Ebner C et al. Die ventionsmaßnahme erwiesen [2]. Trotz aktion im frühen Kindesalter identifiziert (allergen-) spezifische Immuntherapie bei IgE-ver- alledem ist mittlerweile unumstritten, worden, von denen sicher bekannt ist, mittelten allergischen Erkrankungen. Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Allergologie und klini- dass neben der multifaktoriell bedingten dass sie die frühe Entwicklung von Sensi- sche Immunologie (DGAKI), des Ärzteverbandes genetischen Prädisposition zentrale im- bilisierung und Allergien zentral steuern. Deutscher Allergologen (ÄDA), der Gesellschaft munologische Prozesse an der Induktion für Pädiatrische Allergologie und Umweltmedizin (GPA), der Österreichischen Gesellschaft für Aller- allergischer Erkrankungen beteiligt sind. Vor diesem Hintergrund wollen wir ver- gologie und Immunologie (ÖGAI) und der Schweize- Impfungen und spezifische Immunthera- suchen, die bisher bekannten Verfah- rischen Gesellschaft für Allergologie und Immuno- pie wirken hauptsächlich über die Indukti- ren, die im Zusammenhang mit Allergie logie (SGAI). Allergo J Int 2014,23:282-319 Immunologische Therapien Pro- und Präbiotika Matthias Kopp, Lübeck In der derzeit noch gültigen Leitlinie Allergieprävention aus dem Jahr 2014 heißt es: „Ein präventiver Effekt von Probiotika/Präbiotika konnte bislang nur für das atopische Ekzem dargestellt werden.“ Aufgrund der Heterogenität der Bakterienstämme bzw. der eingesetz- ten Präparate und der Studiendesigns gibt die Leitlinie daher aktuell keine Empfehlung hinsichtlich konkreter Präparate, Applikations- formen und Dauer bzw. Zeitpunkt einer präventiven Gabe. Für eine valide Beurteilung kommt erschwerend hinzu, dass in den klinischen Studien häufig unterschiedliche Endpunkte zu unterschiedlichen Zeitpunkten untersucht wurden. In diesem Artikel werden die Ergeb- nisse aktueller Arbeiten seit 2014 zum präventiven Einsatz von Pro- und Präbiotika dargestellt. Auch die neuen Publikationen ändern aus Sicht des Autors allerdings nichts an der zurückhaltenden Empfehlung der Leitlinie – noch immer besteht keine Klarheit darüber, welche Pro- bzw. Präbiotika in welcher Dosis und zu welchem Zeitpunkt einen allergiepräventiven Effekt haben könnten. Lebende Bakterien und werden kann [13]. Daraus ergibt sich, Präbiotika sind für den Menschen unver- tote Ballaststoffe dass Probiotika säurestabil sein müssen, dauliche Ballaststoffe (Polysaccharide um in aktiver Form die unteren Darmab- wie z. B. Laktulose, Inulin und Oligofruk- Probiotika sind definiert als lebende Mi- schnitte zu erreichen. Ferner müssen tose), die überwiegend aus pflanzlichen kroorganismen, die auch noch nach der Probiotika für den Wirt apathogen sein Lebensmitteln gewonnen werden. Prä- einsetzenden Verdauung im Dünndarm − für jedes eingesetzte Probiotikum müs- biotika können von bestimmten Bak- in ausreichender Anzahl vorhanden sind, sen entsprechende Sicherheitsdaten terien (z. B. Bifidobakterien) im Kolon um im Dickdarm eine „gesundheitsför- vorliegen. Und schließlich: Die Keimzahl fermentiert werden und können daher dernde Wirkung“ ausüben zu können, die muss hoch genug sein, um eine Besied- eingesetzt werden, um das Wachstum durch normale Ernährung nicht erreicht lung zu gewährleisten. dieser erwünschten Keimgruppen im
14 GPA » Sonderheft „Prävention“ » Immunologische Therapien weiteres Familienmitglied bereits eine atopische Erkrankung hatte, die Diagno- se einer AD gestellt: 46 % in der Plazebo- gruppe versus 23 % in der Verumgruppe. Dieser Effekt war auch nach 4 und 7 Jah- ren stabil beobachtbar [5, 6]. Im Hinblick auf eine allergische Sensibilisierung oder auf den Schweregrad eines mani- festen atopischen Ekzems gab es keinen Unterschied zwischen beiden Gruppen. Allerdings konnte diese allergiepräventi- ve Wirkung von LGG in zwei nachfolgen- den klinischen Studien nicht bestätigt werden. Lactobacillus rhamnosus GG Darm selektiv zu fördern [13]. Der Begriff sehr gutes Auto ist, weil Opel auch gute In einer Arbeit mit einem süddeutschen Synbiotika wird verwendet, um eine Autos baut. Patientenkollektiv fand sich bei 28 % der Kombination aus Pro- und Präbiotika Kinder aus der LGG-Gruppe ein atopi- zu beschreiben. Dabei sollen die einge- Dieses Beispiel macht deutlich, wie sches Ekzem im Alter von 2 Jahren, in der setzten Präbiotika das Wachstum des schwierig es ist, klinische Studien mit Plazebogruppe waren es 27,3 %. Sekun- probiotischen Stamms fördern und so unterschiedlichen Bakterienspezies, däre Endpunkte, wie der Ekzemschwe- möglicherweise synergistische Effekte unterschiedlichen Endpunkten und Stu- regrad, die IgE-Konzentration oder das hervorrufen [13]. diendesigns im Rahmen von Metaanaly- Ausmaß der spezifischen allergischen sen miteinander zu vergleichen und all- Sensibilisierung waren in beiden Grup- Immunologische Therapien Ein Beispiel zur gemeingültige Aussagen zu extrahieren. pen nicht signifikant unterschiedlich [8]. Beschreibung der Wirkung Parallel zu den erhobenen klinischen Ergebnisse zu klinischen Befunden wurde hier auch die immuno- Die probiotische Wirkung von Bakteri- Studien mit Lactobacillus logische Reaktivität von mononukleären en ist abhängig vom einzelnen Bakteri- rhamnosus GG Zellen im Nabelschnurblut untersucht. enstamm, nicht von der übergeordneten Dabei konnte gezeigt werden, dass eine Bakterienspezies. Daher sind allgemei- Bisher haben nur sehr wenige Arbeiten Stimulation mit Lactobacillus GG mit ei- ne Aussagen über die Wirksamkeit von den identischen Bakterienstamm ver- ner erhöhten IL-10- und IFN-y-Produktion Probiotika – aber auch von Präbiotika − wendet und ähnliche Endpunkte unter- einherging. Allerdings war dieser In-vi- schwierig. Das folgende Beispiel soll das sucht. Für das Probiotikum Lactobacil- tro-Befund sowohl in der Plazebo- als veranschaulichen: lus rhamnosus GG gibt es mittlerweile auch in der LGG-Gruppe nachweisbar. drei klinische Studien, die bei Familien Ein signifikanter Gruppenunterschied Ein Autohändler verkauft einen Volkswa- mit einem erhöhten Allergierisiko den fand sich nicht [7]. gen Golf 2.0 D (den L. rhamnosus GG). Effekt von LGG auf die Prävention des In seinem Informationsmaterial erfährt atopischen Ekzems im Alter von 2 Jah- Auch in einer aktuellen Arbeit aus den man viel über den Motor und andere De- ren untersucht haben. USA konnte der präventive Effekt, der in tails über alle Volkswagen Golf (andere Finnland beobachtet wurde, nicht repro- Lb. rhamnosus Stämme), andere Autos Die erste Arbeit stammt aus Finnland. duziert werden: Hier hatten 30,9 % in der von Volkswagen (Lactobacillus acido- Hier hatten nach einer präventiven Gabe Plazebogruppe im Vergleich zu 28,7 % in philus und L. reuteri) und sogar etwas von Lactobacillus GG (LGG) signifikant der LGG-Gruppe ein atopisches Ekzem über einen Opel (Bifidobakterien). Poin- weniger Kinder in der Verum-Gruppe am Ende der Studie (HR 0,95; 95 % CI, tiert formuliert bedeutet das in letzter Symptome eines atopischen Ekzems 0,59 – 1,53) [1]. Im Alter von 5 Jahren be- Konsequenz: Der Händler behauptet (AE) [4]. Auffällig häufig wurde in dieser trug die kumulative Inzidenz für Asthma also, dass der Volkswagen Golf 2.0 D ein Risikopopulation, in der mindestens ein 17,4 % (95 % CI, 7,6 − 27,1 %) in der Kon-
GPA » Sonderheft „Prävention“ » Immunologische Therapien 15 trollgruppe und 9,7 % (95 % CI, 2,7 − 16,6 %) der Interventionsgruppe nach Sektio nur Ergebnisse aus Metaanalysen in der LGG-Gruppe – allerdings war 24,5 % eine allergische Erkrankung im dieser Unterschied nicht statistisch si- Vergleich zu 40,5 % in der Plazebogruppe Probiotika gnifikant (RR 0,88; 95 % CI, 0,41 − 1,87, (RR 0,47; CI 0,23 − 0,96). Im Alter von 10 In den letzten Jahren sind 2 große Meta- p = 0,25) [1]. Jahren war die Häufigkeit in der Gesamt- analysen zur Wirksamkeit von Probiotika kohorte für das Ekzem knapp statistisch publiziert worden [3, 14] (Tab. 1). signifikant reduziert (adjustierte OR 0,74; Aus den Befunden dieser 3 Arbeiten CI 0,55 – 1,0; p = 0,049) [12]. In der Prä-/ Cuello-Garcia, der aus 2403 Artikeln wird deutlich, wie wichtig es ist, dass Probiotikagruppe hatten zu diesem Zeit- über Probiotika 29 kontrollierte klinische ganz grundsätzlich Ergebnisse aus punkt allerdings mehr Kinder eine aller- Studien zur Probiotika-Gabe in einer Me- klinischen Studien in einem zweiten gische Rhinokonjunktivitis (OR 1,43; CI taanalyse zusammengefasst hat, fand Kollektiv überprüft werden müssen, 1,06 – 1,94; p = 0,02). eine 29 %ige Reduktion des Ekzemrisikos, bevor allgemein verbindliche Emp- wenn die Supplementation bereits in der fehlungen gegeben werden. Bemerkenswerterweise ist es in dieser Schwangerschaft erfolgte (relatives Risi- finnischen Population gelungen, über 10 ko [RR], 0,71; 95 % CI, 0,60 − 0,84) [3]. Bei ei- Kombination von unterschied- Jahre in einem großen Kollektiv eine gute ner ausschließlich postnatalen Gabe war lichen Probiotika bzw. von Adhärenz von fast 80 % zu gewährleis- dieser Effekt mit einer 17 %igen Redukti- Prä- und Probiotika ten. Gleichzeitig machen die Ergebnisse on deutlich geringer und statistisch nicht aus Finnland deutlich, wie schwierig es mehr signifikant [7]. Protektive Effekte In zahlreichen Arbeiten wurden Kombi- ist, gezielte Empfehlungen zu formulie- einer primären Prävention mit Probiotika nationen von zwei oder mehreren Pro- ren: Selbst innerhalb einer Kohorte sind auf Asthma, die allergische Rhinokon- biotikastämmen bzw. von Probiotika in die präventiven Effekte nicht konstant junktivitis oder auf allergische Sensibili- Kombination mit Präbiotika untersucht. über die Zeit darstellbar. Für AE und al- sierungen wurden nicht beobachtet [3]. Eines der größten Kollektive wurde in lergische Rhinitis zeigt die Intervention Immunologische Therapien Finnland rekrutiert. Dort wurde der Ef- gegensätzliche Effekte. Möglicherweise Die Metaanalyse von Cuello-Garcia un- fekt von 4 Probiotika plus Präbiotika gibt es protektive Effekte in Subgrup- terstreicht somit die Bedeutung des rich- (Galactooligosaccharide) in einer Popu- pen, wie es in der finnischen Population tigen Zeitpunkts einer Prävention und lation von 925 Neugeborenen geprüft für Kinder nach Sektio gezeigt werden unterstützt das Konzept eines „Window [10]. Der primäre Endpunkt war dabei konnte. Allerdings handelt es sich dabei of opportunity“, das offenbar während die kumulative Inzidenz von allergischen um eine sogenannte Post-hoc-Analyse. der Schwangerschaft beginnt. Erkrankungen (Nahrungsmittelallergie, Ergebnisse aus Post-hoc-Analysen kön- AE, Asthma und allergische Rhinitis) und nen zur Formulierung neuer Hypothesen In Tabelle 2 ist eine Übersicht aus klini- eine allergische Sensibilisierung. Für herangezogen werden, sollten aber nicht schen Studien mit Probiotika zusammen- diesen primären Endpunkt gab es keine als Beleg für einen kausalen Zusammen- getragen, getrennt nach dem Zeitpunkt signifikanten Unterschiede zwischen hang interpretiert werden. der Supplementation. Präventive Effekte Verum- und Plazebogruppe (Odds ratio [OR], 0,71; 95 % CI, 0,50 − 1,00; p = 0,052). In der Pro-/Präbiotika-Gruppe gab es sig- Tabelle 1. Metaanalysen: Probiotika und Ekzem nifikant weniger AE im Alter von 2 Jahren (OR, 0,66; 95 % CI, 0,46 − 0,95; p = 0,025) Zucotti G et al. Cuello-Garcia CA et al. [10]. Allerdings war dieser Effekt im Alter 17 Studien mit n= 4755 Kindern 29 Studien, z.T. mehrfacher Eingang dersel- von 5 Jahren in der Gesamtgruppe nicht ben Individuen (Baseline und Follow-Up) mehr nachweisbar [9]. RR 0,78 RR 0,71 (Gabe ab letztem Trimester SS) CI 0,69 – 0,89 CI 0,60 – 0,84 In einer Post-hoc-Analyse profitierten hingegen Kinder von der perinatalen Mischung mehrerer Probiotika: RR 0,83 (Gabe erst postnatal) RR 0,54 CI 0,58 – 1,19 Supplementation, die per Sectio auf die CI 0,43−0,68 Welt gekommen waren. Hier hatten in
16 GPA » Sonderheft „Prävention“ » Immunologische Therapien Tabelle 2. Probiotika-Gabe aufgeschlüsselt nach Zeitpunkt der Applikation Autor Probiotika-Gabe Atopisches Ekzem Boyle, RJ 2011 Nur pränatale Gabe Nein Kalliomäki M, 2001; 2003; 2007 Pränatale und postnatale Gabe Ja Kukkonen K, 2007; 2009 Nein (Subgruppe) Kopp MV, 2008 Nein Abrahamsson TR, 2007 Nein (Subgruppe) Huurre A, 2008 Nein Wickens K, 2008 Ja Niers L, 2009 Ja − Cave! Kim KJ, 2010 Ja Dotterud CK, 2010 Ja Rautava S, 2012 Ja Ou CY, 2012 Nein Allen SJ, 2014 Nein Rautava SE, 2006 Nur postnatale Gabe Nein Taylor AL, 2006 Nein Soh SE, 2009 Nein West NP, 2009 Nein Immunologische Therapien Cabana MD, 2017 Nein von Probiotika waren hier nur beobacht- trollgruppe) berücksichtigt [14]. In der ben. In allen Studien gab es einen hohen bar, wenn die Supplementation bereits Probiotikagruppe hatten die Säuglinge Anteil an Studienabbrechern. Allergische während der Schwangerschaft begann signifikant seltener ein AE (RR 0,78 [95 % Endpunkte wurden zwischen dem 4. Le- und postnatal fortgesetzt wurde. Hinge- CI: 0,69 − 0,89], p = 0,0003). Hier profi- bensmonat und dem 2. Lebensjahr er- gen zeigte weder eine alleinige pränatale tierte v. a. eine Subgruppe von Kindern fasst. Die Metaanalyse von 2 Studien mit noch eine alleinige postnatale Gabe von stärker, die eine Probiotika-Mischung dem Endpunkt Asthma (n= 226 Säuglinge) Probiotika einen klinischen Effekt. erhielten (RR 0,54 [95 % CI: 0,43−0,68], fanden keinen signifikanten Unterschied p 100; p = 0,03). des hohen Risikos von einem Bias sowie Präbiotika Inkonsistenz und Ungenauigkeit der be- Der Effekt von Präbiotika wurde in einem In einer erst kürzlich publizierten Meta- schriebenen Ergebnisse. etwas älteren Cochrane-Review aus dem analyse wurden mittlerweile 22 Arbei- Jahr 2013 erfasst [11]. Insgesamt konnten ten untersucht [2]. Dabei wurden für den In der zweiten Metaanalyse wurden zu diesem Zeitpunkt nur vier auswertbare präventiven Einsatz von Präbiotika im Daten von 4755 Kindern (2381 in der Studien identifiziert werden, die insge- Vergleich zu Plazebo für keine der un- Probiotikagruppe und 2374 in der Kon- samt 1428 Säuglinge eingeschlossen ha- tersuchten Endpunkte ein signifikanter
Effekt beschreiben: Auch das Risiko für optimalen Bakterienstamm, der Dosis, der ein atopisches Ekzem war im Vergleich Dauer und dem Zeitpunkt der Einnahme zu Plazebo nicht signifikant reduziert weitgehend unbeantwortet. Offen bleibt (RR: 0,68, 95 % CI: 0,40 − 1,15). Ähnliches u. a., ob eine Kombination verschiedener galt für die Endpunkte Wheeze oder Ast- Probiotika oder eine Mischung aus Prä- hma (RR: 0,37; 95 % CI: 0,17 − 0,80) sowie und Probiotika günstigere primärpräventi- Nahrungsmittelallergie (RR: 0,28, 95 % ve Effekte haben und ob möglicherweise CI: 0,08 − 1,00). Unerwünschte Effekte bestimmte Subgruppen besonders von ei- wurden nicht beobachtet. Allerdings ner Supplementation profitieren. Die der- schlussfolgern die Autoren aus ihrer Me- zeitige Datenlage spricht gegen einen iso- taanalyse, dass es derzeit keine validen lierten Einsatz von Präbiotika zur Präven- Daten gibt, die einen präventiven Einsatz tion allergischer Erkrankungen. von Präbiotika rechtfertigen [2]. Univ.-Prof. Dr. med. Matthias Kopp Fazit Leiter der Sektion Pädiatrische Pneumologie Zum jetzigen Zeitpunkt kann die Gabe & Allergologie Airway Research Center North (ARCN), von Probiotika oder Präbiotika zur primä- Mitglied des Deutschen Zentrums für ren Prävention allergischer Erkrankungen Lungenforschung (DZL) nicht empfohlen werden. Trotz einer gro- UKSH, Universität zu Lübeck Ratzeburger Allee 160 | 23538 Lübeck ßen Anzahl von klinischen Studien zur Matthias.Kopp@uksh.de Gabe von Probiotika sind Fragen zu dem Literatur 1 Cabana MD, McKean M, Caughey AB et al. Early 8 Kopp MV, Hennemuth I, Dietschek A et al. A ran- Probiotic Supplementation for Eczema and Asthma domized, double-blind, placebo-controlled trial of Prevention: A Randomized Controlled Trial. Pediat- probiotics for primary prevention: No clinical or rics. 2017; 140(3). pii: e20163000 immunological effects of Lactobacillus GG supple- 2 Cuello-Garcia C, Fiocchi A, Pawankar R et al. Pre- mentation. Pediatrics Pediatrics. 2008; 121: e850-6 biotics for the prevention of allergies: A systematic 9 Kuitunen M, Kukkonen K, Juntunen-Backman K et review and meta-analysis of randomized controlled al. Probiotics prevent IgE-associated allergy until trials. Clin Exp Allergy 2017; 47(11): 1468-1477 age 5 years in cesarean-delivered children but not 3 Cuello-Garcia CA, Brożek JL, Fiocchi A et al. Pro- in the total cohort. J Allergy Clin Immunol. 2009; biotics for the prevention of allergy: A systematic 123(2): 335-41 review and meta-analysis of randomized controlled 10 Kukkonen K, Savilahti E, Haahtela T et al. Probiotics trials. J Allergy Clin Immunol. 2015; 136(4): 952-61 and prebiotic galacto-oligosaccharides in the pre- 4 Kalliomaki M, Salminen S, Arvilommi H, Kero P, Kos- vention of allergic diseases: a randomized, doub- kinen P, Isolauri E. Probiotics in primary prevention le-blind, placebo-controlled trial. J Allergy Clin Im- of atopic disease: a randomised placebo-controlled munol. 2007; 119(1): 192-8 trial. Lancet 2001; 357: 1076-9 11 Osborn DA, Sinn JK. Prebiotics in infants for pre- 5 Kalliomaki M, Salminen S, Poussa T, Arvilommi H, vention of allergy. Cochrane Database Syst Rev. Isolauri E. Probiotics and prevention of atopic disea- 2013;(3): CD006474 se: 4-year follow-up of a randomised placebo-cont- 12 Peldan P, Kukkonen AK, Savilahti E, Kuitunen M. Pe- rolled trial. Lancet 2003; 361: 1869-71 rinatal probiotics decreased eczema up to 10 years 6 Kalliomaki M, Salminen S, Poussa T, Isolauri E. of age, but at 5-10 years, allergic rhino-conjunctivi- Probiotics during the first 7 years of life: a cumula- tis was increased. Clin Exp Allergy. 2017; 47(7): 975- tive risk reduction of eczema in a randomized, pla- 979 cebo-controlled trial. J Allergy Clin Immunol 2007; 13 Salminen S1, van Loveren H. Probiotics and pre- 119: 1019-21 biotics: health claim substantiation. Microb Ecol He- 7 Kopp MV, Goldstein M, Dietschek A, Sofke J, Heinz- alth Dis. 2012; 23. doi: 10.3402/mehd.v23i0.18568. mann A, Urbanek R. Lactobacillus GG has in-vitro ef- eCollection 2012 fects on enhanced IL-10 and IFN-y release of mono- 14 Zuccotti G, Meneghin F, Aceti A et al. Probiotics for nuclear cells but no in-vivo effects in supplemented prevention of atopic diseases in infants: systematic mothers and their neonates. Clin Exp Allergy. 2008; review and meta-analysis. Allergy. 2015; 70(11): 38: 602-10 1356-71
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