Bildu g. Weiter de ke ! - GEMEINSAM LERNEN - GEW Saarland

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Bildu g. Weiter de ke ! - GEMEINSAM LERNEN - GEW Saarland
66. Jahrgang

 Zeitung “Erziehung und Wissenschaft im Saarland” des Landesverbandes der GEW im DGB

GEMEINSAM LERNEN

   Bildun g. Weiter denken!
Bildu g. Weiter de ke ! - GEMEINSAM LERNEN - GEW Saarland
INHALT                                                                                                                                                                                                                                                                                                                    EDITORIAL

                                                                                                                                                                                                                                                denen negativen Auswirkungen für eine Viel­       didaktisch fundierte Konzeption eingebunden
                                                                                                                     Öffnungszeiten der                                                                                                         zahl von Menschen ausbleiben.                     sind. Ergänzt werden sollten die digitalen
                                                                                                                                                                                                                                                                                                  Medien jedoch durch analoge Materialien.
                                                                                                                       Geschäftsstelle                                                                                                             Unser Redaktionsmitglied Anna Haßden­          Nach Ansicht der Autorinnen sind die indivi­
                                                                                                                 Mo. ­ Do.: 09.00 ­ 12.00 Uhr | 13.00 ­ 16.00 Uhr                                                                               teufel gibt in ihrem Artikel die Inhalte des      dualisierten Lernprozesse einzubetten in ein
                                                                                                                   Fr.: 09.00 ­ 12.00 Uhr | 13.00 ­ 15.00 Uhr                                                                                   Gesprächs wider, das sie mit einer Berliner       gemeinsames Thema, einen gemeinsamen
                                                                                                                             Telefon: 0681 / 66830­0,                                                                                           Grundschullehrerin führte. Nach den langjäh­      Lerngegenstand, um so gemeinschaftliches
                                                                                                                             Telefax: 0681 / 66830­17                                                                                           rigen Erfahrungen dieser Lehrerin lässt die in    Lernen zu ermöglichen.
                                                                                                                          E­Mail: info@gew­saarland.de                                            Liebe Kolleginnen,                            Berlin auf sechs Jahre angelegte Grundschule
                                                                                                                                                                                                  liebe Kollegen,                               den Kindern mehr Zeit, die umfänglichen              Christoph Ortmeyer, ein ehemaliger Grund­
                                                                                                                       Internet: http://www.gew.saarland
                                                                                                                                                                                                                                                Unterschiede beim Schuleintritt gut aufzuar­      schullehrer und Mitglied der Gesellschaft für
                                                                                                                                                                                                   gemeinsames Lernen zu fördern, gehört zu     beiten. Auch der an dieser Schule praktizierte    Antiziganismusforschung, präsentiert ausführ­
                                                                                                                                                                                                einem zentralen bildungspolitischen Anliegen    jahrgangsübergreifende Unterricht werde der       lich ein Buch, in dem die Exklusionen von
                                                                                                                                GEW­Service                                                     der GEW, was angesichts der vielfältigen        wachsenden Heterogenität der Schülerschaft        Sint*ezza und Rom*nja im Bildungssystem
                                                                                                                                Beratungszeiten für                                             Selektions­ und Separierungsmechanismen         eher gerecht als das Lernen in Jahrgangsklas­     dargestellt werden. Es werden aber auch
                                                                                                                             Mitglieder in Rechtsfragen                                         im deutschen Bildungssystem nach wie vor        sen. Jahrgangsübergreifendes Lernen (JÜL) ist     Wege aufgezeigt, wie diese Personengruppen
                                                                                                                           Mo., Di. u. Do.: 09.00 ­ 16.00 Uhr,                                  eine große Herausforderung darstellt. „Ge­      ebenfalls seit einigen Jahren Praxis an der       am gemeinsamen Lernen in nicht separieren­
                                                                                                                                Mi.: 13.00 ­ 17.00 Uhr                                          meinsam lernen“ – so lautet denn auch der       Saarbrücker Grundschule Am Ordensgut, die         den Bildungseinrichtungen teilhaben können.
                                                                                                                                                                                                thematische Schwerpunkt, den die meisten        damit zu den ganz wenigen Schulen im Saar­
                                                                                                                          Landesstelle für Rechtsschutz                                         Artikel der EuWiS im Monat Juni setzen.         land gehört, die dieses lerntheoretisch und          Während der Corona­Pandemie traten die

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Thema: Gemeinsam lernen
                                                                                                                              Gabriele Melles­Müller,
                                                                                                                               Tel.: 0681 / 66830­13,
                                                                                                                    E­Mail: g.melles­mueller@gew­saarland.de
                                                                                                                                                                                                   Die mehrwöchige Schließung aller Bil­
                                                                                                                                                                                                dungseinrichtungen infolge der Corona­Pan­
                                                                                                                                                                                                                                                pädagogisch gut begründete Konzept reali­
                                                                                                                                                                                                                                                siert haben. Die Schulleiterin, Frau Burkhardt,
                                                                                                                                                                                                                                                erläutert in einem schriftlich geführten Inter­
                                                                                                                                                                                                                                                                                                  strukturellen Schwachstellen des deutschen
                                                                                                                                                                                                                                                                                                  Bildungswesens besonders deutlich hervor, so
                                                                                                                                                                                                                                                                                                  die These von Brigitte Schumann, die in
                                                                                                                                Fr.: 13.00 ­ 16.00 Uhr unter                                    demie führte dazu, dass Kinder und Jugendli­    view die Genese des JÜL an ihrer Schule und       gewohnt prägnanter Form ein demokrati­
                                                                                                                                Tel. (priv.): 0170 / 4151006                                    che nicht mehr von­ und miteinander lernen      beleuchtet erfahrungsbasiert die vielfältigen     sches, solidarisches und inklusives Schulsys­
Editorial                                       03   Schule                              14                                                                                                     konnten – zumindest nicht, indem sie sich       Vorteile für Kinder, Eltern und Lehrkräfte.       tem fordert. Die Corona­Krise führt hoffent­
                                                                                                                                Beratung für                                                    physisch in Kita und Schule begegnen konn­                                                        lich zu positivem Wandel in vielen gesell­
                                                       14 Das Virus deckt Schwachstellen                              Referendarinnen und Referendare                                           ten. Da nun die verschiedenen Bildungsein­         Die Autorinnen von der Universität des         schaftlichen, ökonomischen und ökologischen
Thema: Gemeinsam lernen           04                       und Konstruktionsfehler des                                    Max Hewer, Tel.: 0176 / 30456396                                      richtungen schrittweise wieder öffnen, ist      Saarlandes, Julia Knopf, Rebecca Jakobs, Eva      Bereichen und stärkt alle Bildungsinstitutio­
                                                           Bildungssystems auf                                            E­Mail: m.hewer@gew­saarland.de
  04 Jahrgangsübergreifend lernen                                                                                                                                                               auch das gemeinsame Lernen in Form der          Wagner und Anne­Kristin Claudia Müller, stel­     nen darin, sich als inklusive Systeme weiterzu­
                                                                                                                                                                                                direkten persönlichen Begegnungen peu à         len ihr Programm „Fit in Deutsch“ vor. Das        entwickeln. In diesem Sinne wünsche ich eine
  06 Länger gemeinsam lernen                         Gewerkschaft                      16                                  Beratungsdienst für                                                  peu wieder möglich. Es bleibt zu hoffen, dass   Programm fördert individuelles Lernen in den      anregungsreiche Lektüre. n
         Ist die sechsjährige Grundschule der                                                                       Auslandsaufenthalt von Lehrkräften                                          die von manchen befürchtete zweite Welle        Schlüsselkompetenzen Lesen, Schreiben und
         richtige Weg?                                16 Bildung weiterdenken! System­                                             Susanne Bleimehl
                                                           relevanz und Niedriglohnfalle                                                                                                        der Corona­Pandemie und die damit verbun­       Sprechen durch digitale Medien, die in eine         Helmut Stoll
                                                                                                                                  Tel.: 0170 / 9655772
   08 Fit in Deutsch – digital und
         differenziert                                 06 Bildung statt Kinderarbeit                                     E­Mail: susannebleimehl@gmail.com
                                                                                                                                                                                                ANZEIGE
                                                           Studie bestätigt nachhaltige Erfolge

Jugendhilfe &                                                                                                          Redaktionsschluss
                                                     Bücher & Medien                  21
Soziale Arbeit                                  10                                                                                        05.06.2020
                                                      21 Langsamer atmen – besser leben                                              (Juli/August­Ausgabe)
  10 NICHTS GELERNT?!
         Konstruktion und Kontinuität des             22 Mobbing unter Lehrern                                                            05.08.2020
         Antiziganismus – Dem Rassismus entgegen­          Ein Überlebensset aus der SpickzettelReihe                                (September­Ausgabe)
         wirken — Lerngegenstand Antiziganismus
                                                                                                                           E­Mail: redaktion@gew­saarland.de
   12 Medienbildung für KitaKids                       22 Zur Krise des Bildungssystems
                                                           Ein Essay
         verbessern
         Die Rolle der Medienerziehung in den
         Bildungsplänen der Länder |                                                                                            Impressum                                                        Wir drucken für unser Leben gern
         Vergleichsanalyse ermittelt „dringenden     Zu guter Letzt ...                           23                                    Herausgeber
         Handlungsbedarf“
                                                                                                               Gewerkschaft Erziehung und                              Layout
                                                                                                               Wissenschaft (GEW) im DGB,                           Bärbel Detzen
                                                                                                        Landesverband Saarland, Geschäftsstelle:              b.detzen@gew­saarland.de
                                                                                                            Mainzer Str. 84, 66121 Saarbrücken
Hochschule                      13                                                                      Tel.: 0681 / 66830­0, Fax: 0681 / 66830­17                       Druck
                                                                                                                  info@gew­saarland.de                          COD Büroservice GmbH
 13 Neuer Höchststand: Mehr als                                                                                         Redaktion
                                                                                                                                                          Bleichstraße 22, 66111 Saarbrücken
                                                                                                                                                         Telefon: 0681 / 393530, info@cod.de
         62.000 Studierende ohne Abitur                                                                              Matthias Römer
                                                                                                               redaktion@gew­saarland.de                              Bildnachweis
                                                                                                                      Thomas Bock,                         u.a. 123rf.com, GEW­Archiv, privat
                                                                                                                 Dr. Judith Frankhäuser,
                                                                                                                   Anna Haßdenteufel,                                  Titelfoto
                                                                                                                       Helmut Stoll                                  GEW­Saarland

                                                                                                                  Anzeigenverwaltung
                                                                                                              Andreas Sánchez Haselberger
                                                                                                              a.sanchez@gew­saarland.de

                                                                                                        Die Redaktion behält sich bei Beiträgen und Leserbriefen Kürzungen vor. Namentlich
                                                                                                        gekennzeichnete Artikel stellen nicht unbedingt die Meinung der Redaktion dar und
                                                                                                        stehen in der Verantwortlichkeit des Autors.
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                                                                                                                                                                                                                                                                                                  COD Büroservice GmbH
                                                                                                                                                                                                                                                                                                  Mainzer Straße 35 66111 Saarbrücken
EuWiS 06/2020 | 2                                                                                                                                                                                         offset und digital                                                                      Tel. 0681 39353-51 Fax 0681 6852301
                                                                                                                                                                                                                                                                                                              print@cod.de www.cod.de
Bildu g. Weiter de ke ! - GEMEINSAM LERNEN - GEW Saarland
THEMA: GEMEINSAM LERNEN                                                                                                                                                                                                                   THEMA: GEMEINSAM LERNEN

Jahrgangsübergreifend lernen                                                                                                                        Umsetzungsprozess gelingen kann. Die Bil­
                                                                                                                                                    dung der jahrgangsgemischten Lerngruppen
                                                                                                                                                    erfolgte sukzessive: Zunächst wurde Jahrgang
                                                                                                                                                                                                      Unterrichtens. Das gemeinsame Lernen wirk­
                                                                                                                                                                                                      te sich schnell auf das Lernverhalten der Kin­
                                                                                                                                                                                                      der und ihre Motivation aus. Jedes Kind arbei­
                                                                                                                                                                                                                                                        nen, dass jede Gesellschaft – auch die in einer
                                                                                                                                                                                                                                                        Schule – immer geprägt ist von unterschiedli­
                                                                                                                                                                                                                                                        chen Kulturen, Sprachen, Hautfarben, Religio­
                                                                                                                                                    1 am Ende geteilt und die neuen Erstklässler      tet konsquent an seinen Lerninhalten und          nen und eben auch Beeinträchtigungen und
Frau Burkhardt, stellen Sie sich bitte selbst    denen Lernniveaus und sehr differenziert         würden an den gravierenden Veränderungen.         aufgenommen. So entstanden vier jahrgangs­        kann im eigenen Tempo seinen Lernweg              sie nur dadurch lebendig ist. Auf der anderen
und die Schule Am Ordensgut kurz vor.            angeboten werden, so dass sowohl lern­           Auch die Lehrkräfte waren zwar überzeugt,         gemischte Lerngruppen in der Mischung 1­2.        gestalten, wobei es stets von anderen Kindern     Seite muss deutlich gesagt werden, dass auch
  Mein Name ist Doris Burkhardt. An der GS       schwächere als auch sehr begabte Kinder          dass es der richtige Weg ist, aber auch sie       Um eine weitere Teilung bzw. Wiederzusam­         oder der Lehrkraft unterstützt werden kann.       Systeme wie das unsere mittlerweile an die
Saarbrücken Am Ordensgut habe ich von            ihrem Entwicklungsstand entsprechend geför­      waren unsicher, ob diese Art zu arbeiten nicht    menlegung zu vermeiden, nahmen wir im             JüL lässt lernschwächeren Kindern Raum und        Grenzen der Inklusionsmöglichkeiten geraten,
1987 – 1989 bereits mein Referendariat           dert werden können. Statt wie in Jahrgangs­      zu einer Überbelastung und Überforderung          Jahr darauf erneut die Erstklässler in die        Zeit und ermöglicht begabten Kindern auf          da die Beeinträchtigungen immer gravieren­
absolviert und arbeite seither mit großer        klassen eine Klasse wiederholen zu müssen,       führen würde. Die Eltern haben wir von            bereits bestehenden Gruppen auf und unter­        sehr hohem Niveau zu arbeiten. Das Mitei­         der, die Rahmenbedingungen aber immer
Freude an dieser Schule. Die Schulleitung        wenn die Ziele nicht erreicht wurden, ermög­     Anfang an an den Entscheidungen teilhaben         richteten ein Jahr lang mit jeweils 32 Kindern    nander der Kinder unterschiedlichen Alters        schwieriger werden. Es fehlt vor allem an der
habe ich im Jahre 2010 als Nachfolgerin von      licht das jüL individuelle Verweilzeiten ohne    lassen und sie eingebunden in die Entwick­        in der Mischung 1 – 3. Trotz umfangreicher        prägt sich immer positiver aus und führt zu       Zahl qualifizierten Personals, das in multipro­
Frau Christel Dewald übernommen – eine gro­      dass die vertraute Lerngruppe gewechselt         lung. In den regelmäßig stattfindenden Eltern­    Doppelbesetzung war dies das härteste Jahr        enormem Kompetenzerwerb auf der sozial­           fessionellen Teams mit den Lehrkräften
ße Herausforderung, der ich mich mit Res­        werden muss.                                     sprecherkonferenzen wurde konstruktiv und         und brachte alle fast an die Grenzen der          emotionalen Ebene. Die Persönlichkeitsent­        zusammenarbeitet. Das vorhandene Infra­
pekt, aber gerne gestellt habe.                                                                   offen diskutiert. Mehrmals fanden Elternvoll­     Belastbarkeit. Zum nächsten Schuljahr wur­        wicklung bspw. eines lernschwachen Dritt­         strukturangebot reicht schon jetzt nicht mehr
                                                 Wie haben Sie die Einführung des JüL vor­        versammlungen statt, an denen alle Lehrkräf­      den mit der Aufnahme der Neulinge die vier        klässlers, der einem Erst­ oder Zweitklässler     aus, um allen Kindern, die auf Unterstützung
Wie sind Sie auf die Idee gekommen, jahr­        bereitet?                                        te teilnahmen und in denen über das Vorha­        großen Lerngruppen geteilt und es entstan­        plötzlich als Experte etwas erklären kann,        und Hilfe angewiesen sind, gerecht zu wer­
gangsübergreifendes Lernen (JüL) an Ihrer           Jede neue Stufe in der Unterrichts­ und       ben informiert wurde. Bereits der neu einzu­      den acht normale Lerngruppen in der Jahr­         führt zu größerem Selbstbewusstsein. In Jahr­     den. Von Seiten des Regionalverbandes und
Grundschule einzuführen?                         Qualitätsentwicklung wurde nach einer gewis­     schulende Jahrgang musste ein Jahr zuvor          gangsmischung 1 – 4. Von jedem Jahrgang           gangsklassen bleiben lernschwache Kinder          auch des Ministeriums gibt es gerade im
   Die damalige Schulleiterin Christel Dewald    sen Zeit der Erprobung ins Schulprogramm         informiert werden, um die gesetzliche Grund­      gehören nun immer 4 – 6 Kinder zu einer           immer die lernschwachen Kinder. In jahr­          Bereich der Kinder mit emotionalem Förder­
führte bereits 1990 offene Lernmethoden ein,     aufgenommen und somit für alle verbindlich       lage zu schaffen, dass ihren Kindern zwei Tei­    Lerngemeinschaft. Alle Klassenräume wurden        gangsgemischten Lerngruppen kann ein Kind         bedarf viel zu wenig Unterstützung. Dennoch
die später in klassen­ und jahrgangsübergrei­    festgeschrieben, so dass auch neue Lehrkräfte    lungen während ihrer Grundschulzeit bevor­        mit Hilfe des Fördervereins, des Schulträgers     aus dieser Stigmatisierung heraustreten. Die      erlebe ich täglich, mit welcher Zuwendung
fende Unterrichtsangebote übergingen. So         das bereits Erarbeitete stets übernehmen         stehen würden. Der Weg war nicht immer ein­       und durch die Schulleitung mit Hilfe des          Lehrkräfte beschreiben oft eine Überlastung       und Fürsorge meine Kolleginnen und Kollegen
kamen in den sogenannten “offenen Projek­        mussten. Dies war und ist die Grundlage für      fach, aber auf konstruktive Kritik, Bedenken      Schulbudgets mit dem notwendigen Mobiliar         durch hohes Arbeitsaufkommen, denn                gerade den bedürftigen Kindern begegnen
ten” bereits immer Kinder aus allen vier Jahr­   die stetige Weiterentwicklung. Durch gemein­     und Befürchtungen mit Offenheit, Ernsthaftig­     und den erforderlichen Lernmaterialien für        immerfort müssen alle vier Jahrgänge stetig       und wie liebevoll sie mit ihnen arbeiten. Das
gängen zusammen, die dadurch das gemein­         same Fortbildungen des gesamten Kollegi­         keit und Transparenz zu reagieren, führte         alle vier Klassenstufen ausgestattet.             im Auge behalten und bedient werden. Den­         gleiche gilt für die Begegnungen der Kinder
same Lernen erproben und die Lehrkräfte ers­     ums, durch Hospitationen an Preisträgerschu­     letztendlich zur Zustimmung einer breiten                                                           noch kann die Lehrerzufriedenheit als sehr        miteinander und füreinander.
te Erfahrungen damit machen konnten. Der         len in Tandems, aber auch mit dem Kollegium      Elternschaft. Heute ist das jüL etabliert,                                                          hoch bezeichnet werden. Die Arbeitsweise
Unterricht in Jahrgangsklassen entwickelte       und regelmäßigem intensiven Austausch wur­       erfolgreich und es wird überhaupt nicht mehr      Welche Unterrichtsprinzipien und Metho­           und deren Ergebnisse gleichen den Aufwand         Wo sehen Sie noch Veränderungs­ und Ent­
sich immer mehr vom lehrerzentrierten Arbei­     de nach drei Jahren der Vorbereitung die Ein­    in Frage gestellt. Im Gegenteil, es besteht bei   den spielen beim JüL in Ihrer Schule die          in erheblichem Maße aus. Mit den Jahren           wicklungsbedarf in Bezug auf das JüL an
ten in schülerzentrierte Lernformen. Es wurde    führung des jüL einstimmig beschlossen und       manchen Eltern großes Interesse, ihr Kind an      Hauptrolle?                                       wird die Arbeitsbelastung geringer. Die Schul­    Ihrer Schule?
uns immer wichtiger, individuell zu arbeiten     mit Beginn des Schuljahres 2016­17 die Jahr­     unserer Schule anzumelden, was aber durch            Jahrgangsgemischtes Lernen kann nur in         leitung muss allerdings ständig darauf achten,       Wir benötigen ganz dringend mehr Raum
und jedes einzelne Kind seinen Voraussetzun­     gangsmischung eingeführt. Die Elternschaft       die festgelegten Schulbezirke unterbunden         einer offenen Lernumgebung und einer              Entlastung und Entgegenkommen zu schaf­           für Differenzierung und den Ausbau von Lern­
gen entsprechend zu fördern. Die Einführung      war über die ganzen Jahre der Vorbereitung       wird.                                             ansprechenden Lernatmosphäre stattfinden.         fen, um die Lehrergesundheit zu stärken. Die      landschaften. Der Raum ist nicht nur der drit­
der Arbeit mit Tages­ und Wochenplänen           aktiv in den Prozess der Entwicklung einge­                                                        Der Unterricht ist dezentralisiert, individuell   Eltern akzeptieren das jüL und es gibt eine       te Pädagoge, wie man so schön sagt, sondern
eröffnete uns ganz neue Möglichkeiten. Auf       bunden. Das Bildungsministerium war offen        Welche konkreten Schritte zur Einführung          auf jedes Kind mit seinen spezifischen Voraus­    große Anzahl an Unterstützern. Die Mehrheit       er ist Bedingung für das Gelingen jahrgangs­
Grund dieser Schulentwicklung war es dann        für unsere Antragsstellung und genehmigte        waren notwendig?                                  setzungen abgestimmt und beruht auf               der Eltern erkennt die positiven Effekte des      gemischten Lernens. Ich habe große Hoff­
nur noch ein logischer Schritt, im Jahre 2016    diese nach mehreren intensiven Gesprächen.          Dem damaligen Bildungsminister Herrn           Methoden, die unterschiedliche Lernniveaus        gemeinsamen Lernens und die Ängste, dass          nung, dass in absehbarere Zukunft durch
die Jahrgangsmischung einzuführen.               Auch die Möglichkeit der schulscharfen Aus­      Ulrich Commercon stellten wir das Konzept         miteinander verbinden. Die Kinder lernen auf      die Kinder nicht genug lernen und evtl. nicht     einen Anbau dieser notwendige Raum
                                                 schreibung war und ist ein wichtiger Faktor,     einer sukzessiven Einführung jahrgangsge­         der Grundlage individueller Lernpläne, wobei      gut genug vorbereitet sein könnten zum            geschaffen wird. Entlastungsmöglichkeiten für
Welche Gründe sprechen Ihrer Meinung             Lehrkräfte zu finden, die sich für eine solche   mischter Lerngruppen vor. Die Beschlüsse der      das selbstständige Arbeiten gefördert und         Besuch eines Gymnasiums, haben sich nicht         die Lehrkräfte sehe ich im weiteren Aufbau
nach besonders für das jahrgangsübergrei­        Art der Unterrichtung interessieren.             Schul­ und Gesamtkonferenz wurden herbei­         individuelle Förderung auf unterschiedlichen      bestätigt. Im Gegenteil, die Übergangszahlen      fester Teamstrukturen, die konkrete Ergebnis­
fende Lernen in der Schule?                                                                       geführt. Wie oben beschrieben musste hart         Begabungsstufen stattfindet. Der Lehrkraft        zum Gymnasium sind in den vergangenen drei        se für alle erarbeiten. Gerne würden wir auch
   Das jahrgangsübergreifende Lernen ist ein     Gab es Bedenken und Widerstände gegen            daran gearbeitet werden, dass eine breite         fallen vielfältige Aufgaben der Lernbegleitung    Jahren beständig gestiegen.                       in den Jahrgangsstufen 3 und 4 auf Noten ver­
bisschen so wie das Zusammenleben in einer       die Einführung von JüL? Welche Argumente         Mehrheit der Eltern das Vorhaben unter­           und ­beratung zu. Dokumentation, Reflexion                                                          zichten dürfen.
Familie, in der Menschen unterschiedlichen       wurden dagegen vorgebracht? Wie sind Sie         stützt. Schließlich wurde dem Antrag ministe­     und individuelle Rückmeldungen an das Kind        Welchen Zusammenhang sehen Sie zwi­
Alters zusammenleben und miteinander und         mit diesen Widerständen umgegangen?              riell stattgegeben und die Arbeit der prakti­     in regelmäßigen Lerngesprächen sind Bedin­        schen Jül und Inklusion?                          Welche Dinge würden Sie aus heutiger Per­
voneinander lernen. Kleinere lernen von Grö­        Natürlich gab es Bedenken und Widerstän­      schen Umsetzung konnte beginnen.                  gungen für einen erfolgreichen Lernprozess.          Inklusives Arbeiten ist an der GS Am           spektive hinsichtlich von JüL anders
ßeren, aber manchmal ist es auch umgekehrt.      de gegen einen solch tiefgreifenden Umbruch                                                        Den Kern jahrgangsübergreifenden Lernens          Ordensgut seit fast 30 Jahren eine Selbstver­     machen?
Kinder sind oft die besseren Lehrer, wenn sie    und eine Veränderung eines gesamten Sys­         Welche unterrichtsorganisatorischen Schrit­       stellt das gemeinsame Lernen und Arbeiten         ständlichkeit. Seither haben viele Kinder mit        Vielleicht würden wir uns in der Rückschau
ihren Mitschülern etwas erklären. Nur wer        tems, das eine breite Anerkennung und Wert­      te waren erforderlich?                            dar. Die Interaktionen zwischen den Kindern       Beeinträchtigungen verschiedenster Art an         und auf der Basis der jetzigen Erfahrungs­
selbst verstanden hat, kann Gelerntes weiter­    schätzung genoss. Weniger gegen das jahr­           Entscheidend für das Gelingen der Umset­       verschiedenen Alters führen zu größeren, vor      unserer Schule gelernt und waren immer ein        grundlage für ein anderes Modell der Einfüh­
geben, und dies geschieht in einer gemeinsa­     gangsübergreifende Lernen an sich; von den       zung war die Teilnahme des Schulleitungs­         allem aber anderen Lernfortschritten und          fester Teil unserer Schulgemeinschaft. Res­       rung entscheiden. Wir hatten damals schon
men Sprache – von Kind zu Kind. Wer erklärt,     Vorteilen waren fast alle von Beginn an über­    teams an der Werkstatt “Schule leiten”, einer     bereichern alle gleichermaßen. Auch alterna­      pekt und Toleranz, Rücksichtnahme und             überlegt, jahrgangsgemischte Lerngruppen
wiederholt und vertieft. Jahrgangsübergrei­      zeugt. Es war vor allem die Angst vor den Kon­   mehrjährigen Fortbildungsreihe der Deut­          tive Leistungskriterien und eine ganzheitliche    Empathie sind Werte unseres Leitbildes und        sofort in der Mischung 1 – 4 einzuführen,
fendes Lernen fördert in extrem hohem Maße       sequenzen der notwendigen Schritte, bspw.        schen Schulakademie. Dadurch wurde der            Leistungsbewertung gehören zu den Unter­          prägen das Miteinander bei uns. Auf der           anstatt den Aufbau über drei lange Jahre hin­
die sozialen Kompetenzen, die auch später in     der Klassenteilungen für diejenigen, die es      gesamte Umsetzungsprozess, der sich über          richtsprinzipien an der GS Am Ordensgut.          einen Seite kann man sagen, dass Inklusion in     weg zu machen. Obwohl es sicherlich von gro­
Beruf und Gesellschaft eine tragende Rolle       betraf, ohne die der Aufbau aber nicht mög­      Jahr hinzog, von Beginn an professionell                                                            jahrgangsgemischten Lerngruppen auf jeden         ßem Vorteil war, sich langsam in die Komplett­
spielen. Kinder übernehmen Verantwortung,        lich gewesen wäre oder die Sorge, dass die       begleitet und von kompetenten Referenten                                                            Fall besser und einfacher gelingt, da die posi­   mischung einzuarbeiten, so war das Jahr mit
sie lernen Rücksichtnahme und Toleranz,          Lehrkräfte das nicht bewältigen können.          individuell unterstützt. Innerhalb dieser Werk­   Wie beurteilen Sie die Entwicklung Ihrer          tiven Effekte, die ich bereits beschrieben        den übergroßen Lerngruppen eine Erfahrung,
eifern ihren Vorbildern nach und üben sich in    Befürchtungen gab es von Seiten der Eltern       statt entwickelten wir das Zeit­, Unterrichts­    Schule seit der Einführung des JüL?               habe, sich auch und vielleicht in noch höhe­      die wir alle nicht noch einmal machen möch­
Hilfsbereitschaft und gegenseitiger Unterstüt­   des einen hauptsächlich betroffenen Jahr­        und Raumkonzept, lernten, wie die Prozesse          Von Beginn an waren Lehrkräfte, Kinder          rem Maße auf Kinder mit Beeinträchtigungen        ten. Die Direkteinführung der Komplettmi­
zung. Unterrichtsinhalte können auf verschie­    gangs, ob die Kinder nicht Schaden nehmen        im Kollegium installiert werden und wie der       und Eltern begeistert von der neuen Art des       auswirken. Es ist uns wichtig, dass alle erken­   schung hätte den Vorteil gehabt, dass alle

EuWiS 06/2020 | 4                                                                                                                                                                                                                                                                 EuWiS 06/2020 | 5
Bildu g. Weiter de ke ! - GEMEINSAM LERNEN - GEW Saarland
THEMA: GEMEINSAM LERNEN                                                                                                                                                                                                                            THEMA: GEMEINSAM LERNEN

Lehrkräfte mit den gleichen Bedingungen             sind beeindruckt von der Ruhe im Haus trotz         kontrolle und eine funktionierende Feedback­       der, um herauszufinden, wer auf welchem             den Weg dahin definieren. Dafür hinterfrage       gen deiner Meinung nach die Ursachen hier­
angefangen hätten und sich prima hätten aus­        all der offenen Türen, vom konzentrierten           kultur auf allen Ebenen sind wichtige Gelin­       Weg gut lernen kann. Ich will ein Beispiel die­     ich immer wieder:                                 für begründet?
tauschen und ergänzen können. Es schien uns         Arbeiten und dem Lernverhalten der Kinder,          gensfaktoren. Es gibt einige gute Literatur, mit   ses selbstgesteuerten Lernens für das Fach
                                                    von den entspannten Lehrkräften, die Zeit           der man sich auf die Einführung von jüL vor­       „Deutsch“ geben: die Kinder wählen und defi­        n Wo muss ich einführen, d.h. allen Kindern
aber zu heftig, sofort alle vier Jahrgänge                                                                                                                                                                     ca. 15 Minuten etwas zusammen erklären?           R.L­F:
                                                    haben, sich um einzelne Kinder zu kümmern,          bereiten kann. Alle Kollegen haben dieses ers­     nieren eigene Wege, die optisch als Lernwege                                                             Ja, diese Tendenz nehme ich auch wahr. Wir
gleichzeitig unterrichten zu können. Auch die
                                                    vom respektvollen Umgang miteinander, der           te Buch studiert und konkrete Hinweise für         an den Wänden sichtbar sind. Diese Lernwege         n Wo muss ich methodisch helfen?                  haben es gerade auch in der Grundschule
Ausstattung mit Mobiliar und Lernmaterialien
                                                    Rhythmisierung des Schulmorgens und der             ihre tägliche Arbeit erhalten:                     bilden den Rahmenlehrplan in kindlich ver­                                                            häufiger mit Kindern zu tun, die ohne Kennt­
wäre nicht von Beginn an in diesem Umfang           Woche, oder einfach von unserem tollen Kin­                                                                                                                n Sind die Materialien noch zielführend für
zu finanzieren gewesen.                                                                                 “Jahrgangsübergreifend unterrichten” –             ständlicher Form ab. Lernweg 1: ‚Laute &                                                              nisse der deutschen Sprache in Bezug auf
                                                    derhausmeister :­) Alle nehmen immer                                                                   Buchstaben‘, Lernweg 2: ‚Freies Schreiben‘,         die Kinder oder sollten sie durch andere
                                                                                                        Ziele, Erfahrungen, Organisieren, Informie­                                                                                                              Wortschatz, Grammatik und Orthografie zu
Die Schule am Ordensgut leistet ja auch             irgendetwas mit, was sie ihn ihren eigenen                                                             Lernweg 3: ‚Lesen‘, Lernweg 4: ‚Rechtschrei­        ersetzt werden?
                                                                                                        ren, Differenzieren, Beurteilen                                                                                                                          uns kommen. Das lässt immer wieder auch
einen Beitrag zur Lehrerfortbildung, indem          Schulen umsetzen und verändern können. Die
sie über das LPM Hospitationen für Kolle­                                                               von Reinhold Christiani (Hrsg) in der Reihe
                                                                                                                                                           bung‘, Lernweg 5: ‚Schreibschrift‘. Alle diese      n Bietet die Lernumgebung genügend Anre­          einen nicht guten Lernausgang befürchten. In
                                                    Offenheit gegenüber jüL nimmt aus meiner                                                               Lernwege oder Straßen werden für alle Kinder                                                          vielen Elternhäusern ist heute viel weniger
gien aus Schulen anbietet, die sich für das                                                             “Lehrer­Bücherei­Grundschule” Cornelsen                                                                gung für freies Arbeiten?
                                                    Sicht zu und es würde mich freuen, wenn die                                                            einzeln eingeführt, danach kommt die Frei­                                                            Zeit zum Vorlesen. Oft fehlt auch die Ruhe
JüL interessieren. Wie sind Ihre Erfahrun­          GS Am Ordensgut einen Beitrag dazu leisten          Skriptor                                                                                                  Daneben führe ich Listen für jedes Kind, in
gen bei diesen Hospitationen?                                                                                                                              heit, sich die Straßen auszusuchen. Je nach                                                           über die Aufgaben der Kinder zu schauen und
                                                    kann, dass sich immer mehr Schulen auf den          “Individuelle Lernbegleitung und Leistungs­                                                            denen der jeweilige Lernstand festgehalten
   In den vergangenen Jahren haben nahezu                                                                                                                  Stärken und Vorlieben, kann sich das Kind in                                                          mit ihnen darüber zu reden. Ich merke ganz
                                                    Weg machen.                                         beurteilung” – Lernförderung und Schulqua­                                                             wird. Das ist auch deshalb so wichtig, damit
90 Hospitationen von Kollegien, kleinen Grup­                                                                                                              den Lernwegen frei bewegen. Ich als Lehrerin                                                          oft, dass die „Kanäle“ der Kinder dicht sind.
                                                    Was empfehlen sie Schulen, die JüL eben­            lität an Schulen des Deutschen Schulpreises        berate und teile dem Kind mit, was es aus           ich früh genug nachsteuern kann.                  Die mediale Überflutung, die meistens mit
pen oder Einzelpersonen an unserer Schule
stattgefunden. Auch Gruppen aus Frankreich          falls einführen möchten?                            von Silvia­Iris Beutel, Wolfgang Beutel (Hrsg)     meiner Sicht noch tun kann.                                                                           einer Reizüberflutung einhergeht, tut das
                                                       Vor der Einrichtung jahrgangsgemischter                                                                                                                 EuWiS:                                            ihre. Auch den Kindern fehlt die innere Ruhe,
und China waren unsere Gäste. Viele haben                                                               in der Reihe “Politik und Bildung” Wochen­
                                                    Lerngruppen müssen unbedingt offene Lern­                                                              EuWiS:                                                 Die Grundschule hat sich in den 100 Jahren
also Interesse an jüL und setzen sich intensiv                                                          schau Verlag n                                                                                                                                           ein tieferes Hinterfragen findet oft nicht mehr
mit den Vorteilen auseinander. Die Rückmel­         methoden und selbstorganisiertes Lernen ein­                                                             Als ich bei dir hospitiert habe, ist mir in der   ihres Bestehens gravierend verändert. Geblie­     statt. Manche Kinder sind viel zu lange im
dungen, die wir in den Gesprächen bekom­            geführt sein. Individuelle Förderung, Arbeit          (red.)                                           Phase des selbstgesteuerten Lernens beson­          ben ist, dass sie bei Kindern und Eltern glei­    Hort. Da haben sie abends keinen Nerv oder
men, sind fast durchweg äußerst positiv. Viele      mit Lernplänen oder Lerntagebuch, Selbst­                                                              ders der „Hilfetisch“ in deinem Klassenraum         chermaßen beliebt ist.                            keine Zeit mehr, sich mit etwas intensiver und
                                                                                                                                                           aufgefallen. Was hat es damit auf sich?                                                               in Ruhe auseinander zu setzen. Ich will hier
                                                                                                                                                                                                               R.L­F:                                            nicht dem Drill früherer Jahre das Wort reden,
                                                                                                                                                           R.L­F:                                                 Fast alle Kinder, die in die Grundschule       aber vordergründig brachte dies bessere
                                                                                                                                                             An diesem Tisch gibt es sechs Plätze, einen       kommen, sind hochmotiviert und wollen mit­        Ergebnisse.

Länger gemeinsam lernen                                                                                                                                    davon nehme ich als Lehrerin ein. Von den
                                                                                                                                                           Kindern wird dieser Tisch nach folgenden
                                                                                                                                                           Grundprinzipien aufgesucht:
                                                                                                                                                                                                               einander lernen. Ihre Kooperationsbereit­
                                                                                                                                                                                                               schaft ist groß und es ist für mich immer wie­
                                                                                                                                                                                                               der faszinierend, wie die ‚Kleinen‘ von den
                                                                                                                                                                                                                                                                 EuWiS:
                                                                                                                                                                                                                                                                    Abschließend noch eine Frage, die vor dem
                                                                                                                                                                                                                                                                 Hintergrund der fehlenden Lehrer*innen
Ist die sechsjährige Grundschule der richtige Weg?                                                                                                                                                             ‚Großen‘ lernen und vor Stolz platzen, wenn
                                                                                                                                                                                                                                                                 gerade im Grundschulbereich in den letzten
                                                                                                                                                           1. Ich suche mir meine Arbeit.                      sie etwas können. Jedes Kind kann irgendet­
                                                                                                                                                                                                               was gut und ist stolz, wenn es damit gesehen      Monaten heftig diskutiert wurde. Hängt der
   In seinem im Frühjahr dieses Jahres              nicht gerade vor diesem Hintergrund beson­          Lernen“ zum Tragen kommt. Aber es gibt auch        2. Ich komme nicht weiter. Ich suche mir Hilfe                                                        spätere Bildungserfolg der Kinder auch davon
erschienen Buch „Mythos Bildung“ fordert            ders wichtig, dass Kinder möglichst lange           vorbereitete Schleifen für die langsameren            bei einem anderen Kind.                          wird. Damit ich mein Können entfalte, muss
                                                                                                                                                                                                               ich mich sicher fühlen. Die sechsjährige          ab, wer sie in der Grundschule unterrichtet?
Aladin El­Mafaalani, der 1978 in Dresden ge­        gemeinsam lernen?                                   Kinder, sodass auch sie stolz sein dürfen auf                                                                                                            Gerade in den Berliner Grundschulen sind ja
                                                                                                                                                           3. Kann mir kein Kind helfen, gehe ich an den       Grundschule bietet den Kindern darüber
borene Soziologe, die Grundschulzeit in                                                                 das, was sie können. Bei teilweise gleichen                                                                                                              besonders viele Seiten­ und Quereinsteiger
                                                                                                                                                              „Hilfetisch“ und warte dort in Ruhe, bis         hinaus die Möglichkeit, sich in ihrem Reifepro­
Deutschland zu verlängern. Dadurch würde            R.L­F:                                              Themen, beispielsweise dem Schreiben einer                                                             zess Zeit zu lassen. Davon profitieren auch vor   eingesetzt.
                                                                                                                                                              meine Lehrerin Zeit für mich ist.
die sich an die Grundschule anschließende              Ja, denn dieses System, das den Kindern          Geschichte, können die Kinder sich in ihrem                                                            allem die Jungen und die Kinder aus bildungs­
                                                    und Eltern viel weniger Druck macht, lässt                                                             EuWiS:                                                                                                R.L­F:
Selektion nicht bereits Neun­ bis Zehnjährigen                                                          Tempo einbringen. Entscheidend scheint mir                                                             fernen Elternhäusern.
                                                    ihnen mehr Zeit, die mannigfaltigen Unter­                                                                                                                                                                     Eindeutig „Ja“! Denn man muss den Weg
zugemutet, sondern die Kinder würden erst                                                               aber, dass ich würdige, was ein Kind kann und        Dieses selbstgesteuerte Lernen fällt ja nicht                                                       kennen, der zum Ziel führt. Das bedeutet
nach der 5. oder 6. Klasse „aufgeteilt“. Einige     schiede, mit denen die Kinder zu Beginn der 1.      mich von dem Gedanken leiten lasse: jedes          vom Himmel. Was braucht es, damit die Kin­             Eltern fühlen sich gut aufgehoben, wenn sie
                                                    Klasse zu uns kommen, aufzuarbeiten. Die                                                                                                                                                                     auch, dass ich dem Kind ein differenziertes
wenige Bundesländer (Berlin und Branden­                                                                Kind kann irgendetwas besonders gut und es         der dazu befähigt werden?                           sich in ihrer Sorge um das Kind ernst genom­      Lernen ermögliche, ihm „Schleifen“ einbaue,
burg) halten an der sechsjährigen Grundschu­        Bandbreite an Kindern reicht zum einen von          wird sich weiter entwicklen – zu seiner Zeit!                                                          men fühlen. In einer nahen Kommunikation
                                                    denen, die aus einem bildungsnahen Eltern­                                                             R.L­F:                                                                                                wo es diese braucht und den Lerninhalt an die
le fest.                                                                                                                                                                                                       kann dann durchaus auch einmal etwas Unan­        unterschiedlichen Niveaus anpassen kann.
                                                    haus kommen und bereit sind zu lernen, bis zu                                                            Bei dem gemeinsamen Start zu Beginn des
                                                                                                        EuWiS:                                                                                                 genehmeres angesprochen werden. Die               Der Schlüssel mit diesen Instrumentarien
   Ich habe mich mit meiner Freundin, einer         denen, die ganz ohne Deutschkenntnisse und                                                             Schuljahres werden die entsprechenden Hal­
Berliner Grundschullehrerin, über die Vorteile                                                            Welches sind die Kernaspekte, die deine                                                              Zufriedenheit der Eltern hängt aber auch ent­     angemessen umgehen zu können, liegt in der
                                                    ohne vorherige Kindergartenzeit bei uns ein­                                                           tungen und der Umgang mit den vielfältigen
und Herausforderungen, die dieses Modell                                                                Arbeit als „Saph­Klassenlehrerin“ ausma­           Materialien, die in der von mir vorbereiteten       scheidend davon ab, wie transparent die           entsprechenden Ausbildung, vor allem aber in
                                                    geschult werden. All diese Kinder können ganz
mit sich bringen, unterhalten. Als gebürtige                                                            chen?                                              Lernumgebung für die Kinder bereitgestellt          Arbeit mit den Kindern gemacht wird. Dabei        der Erfahrung. Nur dann ist es meiner Mei­
                                                    wunderbar voneinander lernen. Dazu kommt,
Saarländerin hat sie selbst Anfang der sechzi­      dass Kinder manchmal regelrechte „Sprünge“                                                             werden, eingeübt. Das ist auch die Phase, in        orientiere ich mich an folgenden Grundfra­        nung nach möglich, dem Kind in Ruhe zu
ger Jahre eine ganz „normale“ Grundschule in        machen. Phasen der Stagnation und des Rei­          R.L­F:                                             der die Gruppenzusammenführung eine gro­            gen:                                              begegnen. Ein Quer­ und Seiteneinsteiger
Saarbrücken besucht und dort die sogenann­                                                                 Für die Kinder gibt es nur wenige Bezugs­                                                                                                             kann das in aller Regel aber nicht können.
                                                    fens wechseln einander ab. Das beobachtend                                                             ße Rolle spielt. Zu Beginn jedes Schuljahres        n Wo stehen wir?
ten Kurzschuljahre erlebt. Die Berliner Grund­      zu akzeptieren und den Kindern die Zeit dafür       personen. Das macht es möglich, klare              kommt ja eine Hälfte Erstklässler zu den „Gro­                                                           In den letzten Jahren habe ich zwei Vormit­
schule, an der sie seit 25 Jahren arbeitet, liegt   zu lassen, fällt in der sechsjährigen Grund­        Absprachen zu treffen, die für ein gemeinsa­                                                           n Wo wollen wir hin?
                                                                                                                                                           ßen“ dazu.                                                                                            tage bei meiner Freundin und „ihren“ Kindern
im bildungsnahen Wilmersdorf und ist 3­ bis         schule leichter. „Spätzünder“ haben die Mög­        mes pädagogisches Arbeiten unerlässlich                                                                n Wie kommen wir dahin?                           in der Schule verbracht. Für diese Erfahrung
4­zügig. Sie ist Klassenlehrerin einer „Saph –      lichkeit, dass es „Klick“ macht, bevor sie an die   sind. Ganz wichtig für meine Arbeit ist es, den    EuWiS:                                                                                                bin ich dankbar und es wurde mir klar: ganz
                                                                                                        unterschiedlichen Lerntempi der Kinder                                                                 n Wie sehe ich das einzelne Kind?
Klasse“ (Schulanfangsphase) und unterrichtet        weiterführende Schule gehen. Insgesamt sind                                                              Was muss von dir als Lehrerin beachtet                                                              egal, ob vier­ oder sechsjährige Grundschule,
dort Erst­ und Zweitklässler jahrgangsüber­         sie viel gefestigter.                               gerecht zu werden. Hilfreich erweist sich die      werden, damit die Kinder sich gut entwickeln        EuWiS:                                            es ist die Liebe zu den Kindern, die diese
greifend.                                                                                               Aufteilung in Unterrichtsblöcke, die wiederum      können?                                                Die Grundschule bröckelt, so die Diagnose      wachsen und sich entfalten lässt. n
                                                    EuWiS:                                              mindestens in Doppelstunden unterteilt sind.                                                           des IQB (Institut für Qualitätsentwicklung im
                                                       Wie wirst du der wachsenden Heterogeni­          Ich unterstütze und begleite die Kinder nach
EuWiS:                                              tät gerecht?                                                                                           R.L­F:                                              Bildungswesen) im letzten Herbst. Im Bundes­        Das Interview führte
   Die sechsjährige Grundschule gibt es in Ber­                                                         einem gemeinsamen Start und entsprechen­              Wesentlich für meine Arbeit ist, das Ziel zu     durchschnitt können demnach Viertklässler           Anna Haßdenteufel
lin schon mehrere Jahrzehnte. In dieser Zeit,       R.L­F:                                              den Lernausgangslageuntersuchungen, „ihren         kennen. Das heißt, genau zu wissen, wo die          heute schlechter lesen, schreiben und rech­
hat sich unsere Gesellschaft rasant verändert,         Der jahrgangsübergreifende Unterricht            Weg“ des Lernens finden zu können. Dafür           Kinder zu Beginn der 3. Klasse sein müssen.         nen als Gleichaltrige fünf Jahre zuvor. Deckt
sie ist bunter, vielfältiger geworden. Ist es       hilft, da das sogenannte „geschwisterliche          braucht es unendlich viel Beobachten der Kin­      Nur wenn ich das Ziel kenne, kann ich auch          sich das mit deiner Beobachtung und wo lie­

EuWiS 06/2020 | 6                                                                                                                                                                                                                                                                          EuWiS 06/2020 | 7
Bildu g. Weiter de ke ! - GEMEINSAM LERNEN - GEW Saarland
THEMA: GEMEINSAM LERNEN                                                                                                                                                                                                                       THEMA: GEMEINSAM LERNEN

                                                                                                                                                                                                                                                                Durch die gezielte Zusammenarbeit über
Fit in Deutsch werden —                                                                                                                                 Lernbegleiter vor Ort – und die erstellten Auf­
                                                                                                                                                        gaben dienen den Studierenden als Ausgangs­
                                                                                                                                                        punkt zur Eigenreflexion, die in ein Portfolio
                                                                                                                                                                                                          Fächer? Diese Prämisse vertreten auch ande­
                                                                                                                                                                                                          re Konzepte, wie zum Beispiel der sprachsen­
                                                                                                                                                                                                          sible Fachunterricht.
                                                                                                                                                                                                                                                             einen längeren Zeitraum in der Schule ermög­
                                                                                                                                                                                                                                                             licht “Fit in Deutsch” den Studierenden wert­
                                                                                                                                                                                                                                                             volle Einblicke in die stetige Weiterentwick­
digital und differenziert                                                                                                                               einfließt, und stellen den Grundstein zur Ent­
                                                                                                                                                        wicklung einer eigenen Lehrerpersönlichkeit
                                                                                                                                                        dar.
                                                                                                                                                                                                             An vielen weiterführenden Schulen, gerade
                                                                                                                                                                                                          im gebundenen Ganztag, wird der reguläre
                                                                                                                                                                                                          Unterricht mehr und mehr geöffnet für fest
                                                                                                                                                                                                                                                             lung der Schülerinnen und Schüler und
                                                                                                                                                                                                                                                             erlaubt es ihnen, verschiedene Methoden,
                                                                                                                                                                                                                                                             Arbeitsmaterialien und mediale Darstellungs­
                                                                                                                                                                                                          implementierte Lern­ und Übungszeiten. Wer­        formen zu er­proben und im Hinblick auf ihre
   Das Fach Deutsch fördert bedeutende              drehen über einen QR­Code abrufen. Der Vor­       Heterogenität im Fach Deutsch und der Erstel­     “Fit in Deutsch” — auch in der                    den diese nicht bloß als verlagerte Hausaufga­     Eignung zu evaluieren. So wird ein souveräne­
Schlüsselkompetenzen wie Lesen, Schreiben           teil im Vergleich zu analogem Material liegt      lung differenzierter Arbeitsmaterialien; die      Sekundarstufe!                                    benzeit, sondern als individueller Raum zum        rer Umgang mit Heterogenität erreicht, was
und Sprechen. Ob beim Lesen und Verstehen           dabei vor allem darin, dass der Lerner direktes   Kinder profitieren im Hinblick auf die geför­        Ob im Hinblick auf mangelnde Recht­            Üben und Vertiefen gesehen, kann das vorge­        einen realitätsgetreuen Blick auf den späteren
von Sachrechenaufgaben oder historischer            Feedback zu seinen Leistungen erhält und die­     derten Kompetenzen im Fach Deutsch und            schreibkenntnisse oder Lesekompetenz: Die         stellte Konzept dort sinnvoll Anwendung fin­       Einstieg in das Referendariat und die Schul­
Quellen – relevant sind solche Kompetenzen          ses bei anschließenden Übungen nutzen             dem damit verbundenen gestärkten Selbst­          Notwendigkeit der Förderung einzelner Kom­        den. So kann das Projekt langfristig einen         praxis ermöglicht, denn Heterogenität im Klas­
nicht nur für das Fach Deutsch; vielmehr die­       kann.                                             konzept.                                          petenzbereiche des Fachs Deutsch hört nicht       positiven Effekt auf alle Fächer haben: Denn       senzimmer ist eine Tatsache, der begegnet
nen sie als Brücke zum Erschließen unter­
                                                       Impulse zu solchen digitalen Lernangebo­
                                                                                                                                                        mit Übergang der Grundschule in die Sekun­        Sprachförderung ist ein fundamentaler              werden muss. n
schiedlichster fachlicher Inhalte.                                                                       Einen besonderen Schwerpunkt bei der           darstufe auf. In Folge dessen ist das Durchfüh­   Bestandteil des grundlegenden Fördergedan­
                                                    ten liefert die Initiative „School to go“! Hier
                                                                                                      Ausgestaltung von Fördereinheiten legt das        ren von Projekten wie “Fit in Deutsch” nicht      kens — nicht nur im Fach Deutsch.                    Julia Knopf, Rebecca Jakobs,
   Die sprachliche Heterogenität im Klassen­        finden sich innovative und qualitätsgeprüfte
zimmer macht es notwendig, gerade auch im           Lernangebote. Es ist die erste Lernplattform      Seminar neben der Kombination analoger und        nur in der Primarstufe sinnvoll. Doch die Zeit                                                         Eva Wagner, Ann­Kristin Claudia Müller
Deutschunterricht individuell auf die Bedarfe       für Schüler im Social­Media­Design. Unter         digitaler Materialien auf die funktionale und     im eigenen Fachunterricht ist knapp. Gerade          In einem solchen Szenario kann auch auf
der Lerner einzugehen; sie zu fördern und zu        den dort empfohlenen Angeboten für den            thematische Einbettung von Aufgaben. Das          Deutschlehrerinnen und ­lehrer sind neben         Schülerseite die Implementierung eines Port­
                                                                                                                                                                                                                                                                 Materialien und weiterführende Informationen finden
fordern. Denn individuell zu fördern heißt,         Deutschunterricht befinden sich zahlreiche        bedeutet, dass Aufgaben nicht isoliert vonei­     den fachlichen Lerninhalten auch für das Aus­     folios sinnvoll sein. Denkbar sind in einer sol­       Sie auf www.fitindeutsch.de.
wirklich jeden Lerner so zu unterstützen, dass      Lernmaterialien des Theorie­Praxis­Seminars       nander stehen, sondern in übergeordnete           bilden diverser Softskills und überfachlicher     chen Lernform sowohl Übungsaufgaben aus
                                                                                                                                                                                                                                                                 Fit in Deutsch ist Teil des Instituts für Sprachen und
seine Potenziale weiterentwickelt werden            “Fit in Deutsch”.                                 Themen, wie Detektivgeschichten, Weltreisen       Kompetenzen wie dem Präsentieren o.ä. ver­        den verschiedenen Kompetenzbereichen als               Mehrsprachigkeit (ISM) innerhalb der Qualitätsoffensi­
können. Im Zuge eines zeitgemäßen Deutsch­                                                            oder Legenden und Sagen eingebettet sind.         antwortlich. Während im Primarbereich be­         auch Reflexions­ und Kontrollaufgaben. Diese           ve Lehrerbildung vom Bundesministerium für Bildung
                                                                                                                                                                                                                                                                 und Forschung (BMBF).
unterrichts stellt sich dabei die Frage, ob und     Individuelle Förderung am Beispiel des            Damit wird den Schülerinnen und Schülern          kanntlich das Klassenlehrerprinzip vor­           Form der Dokumentation gibt den Schülerin­
wie auch die Digitalisierung dazu beitragen         Theorie­Praxisseminars “Fit in Deutsch”           ein thematischer Rahmen gegeben, der ein          herrscht, ist es an der weiterführenden Schule    nen und Schülern Raum für die Reflexion des            Ansprechpartner Fit in Deutsch:
                                                                                                                                                                                                                                                                 Lehrstuhl Fachdidaktik Deutsch Primarstufe
kann, den Fachunterricht an die individuellen          Bereits vor zehn Jahren hat Prof. Dr. Julia    Ziel formuliert, das es zu erreichen gilt: ein    sehr viel schwerer zu realisieren, dass Schüle­   eigenen Lernprozesses und ­fortschritts und            Universität des Saarlandes
Bedürfnisse der Lernenden anzupassen.               Knopf, Inhaberin des Lehrstuhls Fachdidaktik      Experte im jeweiligen Thema zu werden.            rinnen und Schüler regelmäßig aus einzelnen       stellt zudem einen Rahmen dar, durch den               Prof. Dr. Julia Knopf (julia.knopf@mx.uni­saarland.de)
Wichtig ist: Digitale Medien dürfen nie als         Deutsch Primarstufe an der Universität des        Obwohl in den durchgeführten Fördereinhei­        Deutschstunden herausgegriffen werden.            individuelle Förderschwerpunkte gesetzt wer­           Ann­Kristin Müller (annkristin.mueller@uni­
                                                                                                                                                                                                                                                                 saarland.de)
Selbstläufer angesehen und nur aus motiva­          Saarlandes, ein Projekt ins Leben gerufen, mit    ten jedes Kind an anderen Aufgabenformaten        Aber betrifft fit in Deutsch zu sein nicht alle   den können.
tionalen Gründen eingesetzt werden. Sie ent­        dem sie bis heute zwei zentrale Schwerpunkte      und mit anderen Methoden arbeitet, findet
falten immer nur dann besonderes Potenzial,         setzt: Studierenden Praxiserfahrungen er­         sich doch das gemeinsame Gesamtthema              ANZEIGE
wenn sie nicht für sich alleine stehen, sondern     möglichen und Schülerinnen und Schülern           wieder, das von allen Kindern gleichermaßen
sinnvoll in ein Lernszenario eingebunden und        individuelle Förderung zukommen lassen. Ent­      bearbeitet wird. Dieses Vorgehen hilft in
mit analogem Material verknüpft werden. Die         standen ist das Theorie­Praxis­Seminar “Fit in    besonderem Maße bei der Ausgestaltung
digitalen Medien eröffnen die Möglichkeit,          Deutsch”, in dem Studierende und Lehrende         einer ganzheitlichen und individuellen Förder­
multimediale Lernarrangements zu schaffen,
                                                    das gemeinsame Ziel verfolgen, Schülerinnen       einheit.
die leichter auf die unterschiedlichen Lerner­
                                                    und Schüler saarländischer Grundschulen
voraussetzungen abgestimmt werden kön­
nen, um somit der Heterogenität im Klassen­         „fit“ in Deutsch zu machen.                          Darüber hinaus kommt der einheitlichen
raum zu begegnen.                                                                                     Gestaltung der Arbeitsmaterialien eine große
                                                       Das Seminar gliedert sich in zwei Phasen:      Bedeutung zu – und das gilt nicht nur für ana­
   Indem analoges Material um digitale Inhal­       Zunächst werden innerhalb von Eingangser­         loge Arbeitsblätter! Insbesondere im Digitalen
te erweitert wird, zum Beispiel durch QR­           hebungen individuelle Schwerpunkte und            ist die ansprechende Gestaltung relevant und
Codes oder Technologien wie Augmented               Bedarfe von Grundschülerinnen und Grund­          darf nicht vernachlässigt werden. Bereits
Reality, können qualitative und quantitative        schülern im Fach Deutsch festgestellt. Im         etablierte Standards und Kriterien der
Differenzierungsangebote geschaffen wer­            Anschluss daran folgt Förderunterricht in         Arbeitsblattgestaltung müssen demnach sinn­
den: Als Form qualitativer Differenzierung las­     Kleingruppen, der auf das individuelle Stär­      voll auf das digitale Medium angewendet wer­
sen sich über das Scannen eines QR­Codes            ken­ und Schwächenprofil der Schülerinnen         den: Auch hier beachten Studierende also
oder Markers Hilfestellungen einblenden. Das        und Schüler zugeschnitten ist. Umgesetzt wird     Vorgaben zur Formulierung von Aufgabenstel­
können virtuelle Tippkarten und Impulse, aber       dieser Kleingruppenunterricht durch Studie­       lungen, der Nutzung von Operatoren, zur gra­
auch Audio­ und Videoformate wie ein Erklär­        rende. Eng begleitet werden sie dabei von         fischen Gestaltung und zum Implementieren
video oder ein Hörtext sein. Solche digitalen       Dozentinnen und Dozenten, die in einem            wiederkehrender Zeichen für bestimmte Auf­
Hilfen sprechen unterschiedliche Sinneskanä­        angegliederten Seminar theoretische Grund­        gabentypen. Dadurch finden sich die Lerner in
le an. Sie sind individuell für den Lerner abruf­   lagen zum individuellen Fördern im Fach           den Fördereinheiten zurecht und werden an
bar und können gegebenenfalls hinsichtlich          Deutsch liefern und die einzelnen Förderstun­     das selbstständige Arbeiten herangeführt. Die
des Leistungsniveaus an ihn angepasst wer­          den gemeinsam mit den Studierenden                einheitliche Gestaltung trägt auch dazu bei,
den. Daraus ergibt sich außerdem der Vorteil,       besprechen und reflektieren. Hierbei liegt das    dass digitales und analoges Lernen miteinan­
die Materialien nach Bedarf wiederholt rezi­        Augenmerk immer auf dem sinnvollen Einsatz        der verwoben und als eine Einheit verstanden
pieren, Pausen einlegen und so auf dem indi­        digitaler Medien. Gemeinsam wird erarbeitet       wird.
viduellen Niveau arbeiten zu können.                und erprobt, wie sich in digital­analogen För­
                                                    dereinheiten alle Teilbereiche des Deutschun­        All das ist neben den Vorteilen auf Schüler­
  Als quantitative Differenzierung lassen sich      terrichts fördern lassen. Hiervon profitieren     seite auch Handwerkszeug, das den Studie­
motivierende Zusatzaufgaben wie interaktive         beide Seiten: Studierende sammeln erste Pra­      renden den Einstieg in das Referendariat
Quizze und Zuordnungsaufgaben im Handum­            xiserfahrungen in Bezug auf den Umgang mit        erleichtern wird. Diese Erfahrungen – auch als

EuWiS 06/2020 | 8
Bildu g. Weiter de ke ! - GEMEINSAM LERNEN - GEW Saarland
JUGENDHILFE & SOZIALE ARBEIT                                                                                                                                                                                                         JUGENDHILFE & SOZIALE ARBEIT

                                                                                                                                                                                                                                                         n Ganz besonders erschreckend ist die Aus­
NICHTS GELERNT?!                                                                                                                                    den, er ist auch nicht erst im nachkriegsdeut­
                                                                                                                                                    schen Schulsystem entstanden. Antiziganis­
                                                                                                                                                    mus gibt es bereits seit Jahrhunderten, nicht
                                                                                                                                                                                                       des späteren Völkermordes war. Da erst durch
                                                                                                                                                                                                       die Bürgerrechtsbewegung der Sinti und
                                                                                                                                                                                                       Roma in den 80er Jahren des 20. Jahrhun­
                                                                                                                                                                                                                                                         wertung von Talkshows durch Katharina
                                                                                                                                                                                                                                                         Peters in ihrem Text: „Sind wir zu intolerant?“
Konstruktion und Kontinuität des Antiziganismus –                                                                                                   nur in Deutschland. Er hatte die furchtbarsten     derts der Völkermord anerkannt wurde, gab         ­ Die mediale Inszenierung von ‚Sinti und
Dem Rassismus entgegenwirken — Lerngegenstand Antiziganismus                                                                                        und einmaligen Verbrechen an Sinti und             es bis zu diesem Zeitpunkt keinen öffentlichen    ‚Roma in Polit­Talkshows des öffentlich­recht­
                                                                                                                                                    Roma ermöglicht, den Völkermord an 500 000         Bruch mit dieser Nazi­Ideologie, was sich ins­    lichen Fernsehens“. Mittlerweile gibt es viel­
                                                                                                 gen und Impulse, die das Studium dieses            Sinti und Roma in Europa. Vor diesem Hinter­       besondere für die Angehörigen der Minder­         fältige Bildungsangebote und Ansprechmög­
                                                                                                 Buches lohnenswert machen.                         grund ist der Antiziganismus in Deutschland        heit als eine Kontinuität der Nichtzugehörig­     lichkeiten, die mit Rat und Tat weiter helfen:
                                                                                                                                                    besonders gravierend.                              keit zu der deutschen Gesellschaft darstellen
                                                                                                    Die Textzusammenstellung hat wohl ganz                                                             musste. Das wurde noch unterstrichen durch        n Das Dokumentations­ und Kulturzentrum
                                                                                                 bewusst den Titel Nichts gelernt?! mit der            Mit der behaupteten „Unangepasstheit“           jahrzehntelange Praxis der Verweigerung von       Deutscher Sinti und Roma hat spezielle Bil­
                                                                                                 passenden Interpunktion.Einerseits können          von Sint*ezza und Rom*nja wird klar, dass die      Entschädigungszahlungen. „Im Engagement           dungsangebote:
                                                                                                 damit die Gruppe der Lernenden, also Schüle­       mangelnde Sprachkenntnis der deutschen             gegen Antiziganismus ist die Bedeutung von        http://www.sintiundroma.de/zentrum/bil­
                                                                                                 rinnen und Schüler, Studenten und Studentin­       Sprache nicht alleine ins Feld geführt wird,       Erinnerung, Aufarbeitung und Gedenken zu          dungsangebote.html. Darüber hinaus haben
                                                                                                 nen gemeint sein, denen die Möglichkeit zum        sondern hier direkt eine behauptete „Kultur“       reflektieren..“, schlussfolgert A. Messer­        die Landesverbände der Sinti und Roma lan­
                                                                                                 Lernen fehlt, weil sie über Antiziganismuskri­     abgerufen wird, geprägt vom Antiziganismus.        schmidt. (ebda., S.175).                          desspezifische Bildungsangebote.
                                                                                                 tik nichts erfahren. Die Gruppe der Lehrenden      Gleichzeitig wird dabei, wie es Wibke Kleina in
                                                                                                                                                                                                          Es zeigt sich also bei näherer Betrachtung:
                                                                                                 ist insofern gemeint, als hier bei viel zu Weni­   ihrem Beitrag ausführt, die „Homogenisie­          Lehrkräfte bedürfen eines Wissens über die        n Die Arbeitsstelle Antiziganismuspräventi­
                                                                                                 gen und viel zu selten eine kritische Auseinan­    rungsstrategie“ des deutschen Schulsystems         Geschichte der Minderheit der Sinti und           on hat eine umfangreiche Sammlung pädago­
                                                                                                 dersetzung mit dem Antiziganismus stattfin­        aufgerufen, um „die tatsächliche Heterogeni­       Roma, also auch einer Bewusstseinsbildung         gischer Materialien zusammengestellt, die
                                                                                                 det.                                               tät der Schüler*innenschaft weg(zu)organi­         über den Völkermord an der Minderheit und         sehr zu empfehlen ist: https://www.azp­
                                                                                                                                                    sier(en)“.                                         über den Antiziganismus im Kontext des Ras­       hd.org/paedagogische­materialien
                                                                                                    Ich möchte vor allem auf zwei Beiträge des
                                                                                                 Sammelbandes eingehen, die direkten Bezug                                                             sismus im Allgemeinen, des Antisemitismus
                                                                                                 zu Schulen und Jugendprojekten herstellen:            Kleina geht schließlich darauf ein, dass        und kolonialen Rassismus im Besonderen.           n In der Gesellschaft für Antiziganismusfor­
                                                                                                 Der Beitrag Passfähigkeit und Besonderung          Sint*ezza und Rom*nja eben auf Grund ihrer                                                           schung haben sich Personen zusammen
                                                                                                                                                    Verfolgungsgeschichte und der Kontinuität             Vor dem Hintergrund des immer noch stark       gefunden, die sich mit dem Thema intensiv
                                                                                                 von Wibka Kleina (Nichts gelernt?! S.22 ­ 40)                                                         verbreiteten institutionellen Antiziganismus
                                                                                                 und der Beitrag von Astrid Messerschmidt           des Antiziganismus einen Sonderstatus in                                                             auseinandersetzen: https://www.antiziganis­
                                                                                                                                                                                                       durch Ausländerbehörden und Schulämter,
                                                                                                 Antiziganismuskritik in Auseinandersetzung         Form einer besonderen Verantwortung der                                                              musforschung.de
                                                                                                                                                                                                       aber auch durch Schulleitungen und Lehrkräf­
                                                                                                 mit Rassismus und Nationalismus (ebda.             Schule brauchen. Sie bedürfen einer besonde­
                                                                                                                                                                                                       te, die oft nicht die Individuen sehen, mit
                                                                                                 S.166 ­ 181). Zunächst Passfähigkeit und           ren Zuwendung und Unterstützung, eines             denen sie es jeweils zu tun haben, sondern        n Die Schulbuchuntersuchung: The Repre­
                                                                                                 Besonderung.                                       besonderen Schutzes durch Lehrende. Spä­           diese einer Gruppe und damit all zu leicht        sentation of Roma in European Curricula
                                                                                                                                                    testens hier zeigt sich, von wie großer Bedeu­     dem entsprechenden antiziganistischen Bild        and Textbooks – Analytic Report (https://
                                                                                                    Ausgehend vom Prinzip der Inklusion, zu
                                                                                                                                                    tung die Auseinandersetzung der Lehrenden          zuordnen, ist auch hier eine gründliche Aus­      www.coe.int/en/web/roma­and­travellers/­
                                                                                                 der sich die Bundesrepublik Deutschland ver­
                                                                                                                                                    mit Antiziganismus ist.                            bildung und Fortbildung zum Thema Antiziga­       /publication­of­the­analytical­report­on­the­
                                                                                                 pflichtet hat, stellt Wibka Kleina in ihrem Bei­
                                                                                                 trag auf der Grundlage der Salamanca­Erklä­                                                           nismus dringend notwendig.                        representation­of­roma­in­european­curricu­
                                                                                                 rung der UNESCO von 1994 (immerhin bereits            Im Beitrag von Astrid Messerschmidt Anti­                                                         la­and­textbooks) gibt Aufschluss darüber, wie
                                                                                                                                                    ziganismuskritik in Auseinandersetzung mit            Es ist hier nicht der Raum, um auf die viel­   groß der Nachholbedarf ist bei der angemes­
                                                                                                 vor 26 Jahren!) fest: Die Schulen sind dazu                                                           seitigen Aspekte einzugehen, auf die in der
                                                                                                 verpflichtet, „ausnahmslos alle Minderjähri­       Rassismus und Nationalismus wird erläutert,                                                          senen Auseinandersetzung in Schulen mit der
                                                                                                                                                                                                       Textsammlung eingegangen wird, sie sollen
                                                                                                 gen zu beschulen“ (ebda. S.27).                    inwiefern eine allgemeine Bekämpfung des                                                             Minderheit der Sinti und Roma, der Darstel­
                                                                                                                                                                                                       hier nur in Stichworten genannt werden:
                                                                                                                                                    Rassismus nicht ausreicht, um dem Antiziga­                                                          lung und Behandlung des Völkermoders an
                                                                                                    Nicht­deutsche Sint*ezza und Rom*nja            nismus den Boden zu entziehen. Die histori­        n Mehrere Artikel setzen sich mit negativen       den Sinti und Roma durch die Nazis und dem
                                                                                                 werden meist genau wie andere neu zuge­            sche Bildung und Veränderung des Antiziga­         und positiven Erfahrungen in Duisburg ausei­      Antiziganismus. Hier kann man sich informie­
                                                                                                 wanderte Schüler*innen in separaten Klassen        nismus ­ parallel zur Ausformung des Antise­       nander (Dirk Wolff „AIDD­ Angekommen in           ren, wo, in welchem Bundesland, im Vergleich
                                                                                                 beschult, um ihnen Deutsch beizubringen. So        mitismus ­ hat sich vor allem im Zuge der          Duisburg und Dortmund“, D, Joachim Krauss         zu anderen Ländern Europas Curricula und
                                                                                                 werden separierte Bildungsräume geschaffen,        Nationenbildung im 18./19. Jahrhundert aus­        „Der Zukunft abgewandt ­ Duisburger Wege          Schulbücher sich wie dem Thema widmen. Es
                                                                                                 die viel zu oft dazu führen, dass sich Kinder      geprägt bis hin zur Konstruktion einer „Rasse“.    der Desintegration“, Sylvia Brennemann und        soll hier Erwähnung finden, um die Leerstel­
                                                                                                 und Jugendliche durch diese äußere Differen­       Eine Quelle dieser Rassismen bildet auch der       Joachim Krauß „Ein guter Ort wird schlecht        len aufzuzeigen und Anregungen zu liefern,
   Ein Thema wurde nach 1945 jahrzehnte‐       Württemberg und Hessen). Der Staat und die        zierung in ihrem Anderssein von den in den         sich eben zu dieser Zeit entwickelte Kolonialis­   gemacht ­ zur Situation in Duisburg­Marxloh“,     hier Abhilfe zu schaffen. n
lang geleugnet: Der Völkermord an den Sinti    diversen staatlichen Institutionen verpflichten   „Regelklassen“ Aufgenommenen wahrneh­              mus und die moderne Sklaverei. Merfin Demir        hier spielen Schulen eine positive Rolle)
und Roma. Kein Wunder, dass der Antiziganis‐   sich zum Schutz der Sinti und Roma, zur Siche‐    men. Bei dieser Gelegenheit wird gerade bei        geht in seinem Beitrag Antiziganismus, Kolo­                                                           Christoph Ortmeyer
mus ungefährdet weiter existierte. Die ver‐    rung ihrer Rechte, aber auch zum Kampf            Sint*ezza und Rom*nja überdurchschnittlich         nialismus und Neoliberalismus darauf               n Markus End beleuchtet in Adornos „Dia­              Ehemaliger Grundschullehrer (Frankfurt am Main)
                                                                                                                                                                                                                                                             Mitglied der Gesellschaft für Antiziganismusforschung
stärkten Anstrengungen der letzten Jahre und   gegen Antiziganismus.                             häufig eine vermeintliche Lernschwäche diag­       genauer ein vor dem Hintergrund der Verskla­       lektik der Aufklärung“, inwiefern hier schon
Jahrzehnte wurden ‐ ähnlich wie beim Kampf                                                       nostiziert auf Grund fehlender Deutschkennt­       vung der Roma seit dem 13./14. Jahrhundert         eine Antiziganismuskritik angelegt ist.
                                                                                                                                                                                                                                                             Katharina Peters / Stefan Vennmann (Hg.):
gegen den Antisemitismus ‐ vor allem von den      Das Duisburger Institut für Sprach­ und        nisse, die zur Überweisung auf Förderschulen       in Rumänien (siehe S. 159).                                                                              NICHTS GELERNT?! Konstruktion und Kontinuität des
Betroffenen selbst vorangetrieben. Nur sehr    Sozialforschung (DISS) hatte 2018 eine acht­      führt. Das haben entsprechende Untersu­                                                               n Sebastian Winter setzt sich mit dem Wan­            Antiziganismus
langsam wurde und wird dem Antiziganismus      teilige Vortragsreihe Zur Bekämpfung des          chungen festgestellt.                                 Astrid Messerschmidt weist darauf hin,          del antiziganistischer Frauenbilder auseinan­         Situationspresse (Duisburg) 2019, 211 Seiten
                                                                                                                                                                                                                                                             Das Titelbild des Buches stellt das Denkmal für die im
auch höchst offiziell etwas entgegengesetzt.   Antiziganismus heute durchgeführt. Mit der                                                           dass durch den NS­Rassismus mit der Schaf­         der, Rafaela Eulberg mit dem Bild der „wahrsa­        Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma dar.
Sinti und Roma werden neben Dänen, Sorben      auf dieser Vortragsreihe fußenden Textzusam­                                                         fung einer Rassehygienischen Forschungsstel­       genden Zigeunerin“.                                   ISBN 978­3­935673­46­4
und Friesen als nationale Minderheit aner‐     menstellung werden interdisziplinäre Impulse      Ist das bloßer Zufall?                             le 1936 der Antiziganismus eine scheinbar                                                                Preis: 18 Euro

kannt, erste Länder haben entsprechende        gesetzt, um das Phänomen des Antiziganis­            Es ist leider eine langwährende Praxis der      wissenschaftliche Grundlage erhielt, was           n Schließlich enthält der Sammelband auch
Staatsverträge und Vereinbarungen mit den      mus in seiner komplexen Konstruktion aus          Ausgrenzung, die nur schrittweise zurückge­        durch die Aufsuchung und Ausforschung bis          eine Auseinandersetzung mit dem Philoso­
Repräsentanten der Minderheit abgeschlos‐      verschiedenen Perspektiven zu beleuchten. Es      gangen ist. Denn der Antiziganismus ist nicht      hin zur Vermessung von Sinti und Roma              phen Giorgio Agamben und dessen Umgang
sen (Rheinland‐Pfalz, Bayern, Bremen, Baden‐   sind gerade die interdisziplinären Verknüpfun­    mit der Zuwanderung aus Osteuropa entstan­         zugleich ein wichtiges Mittel zur Umsetzung        mit Antiziganismus.

EuWiS 06/2020 | 10                                                                                                                                                                                                                                                                       EuWiS 06/2020 | 11
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