Lockerungen geben Wirtschaft Auftrieb - Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e. V - GDV
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Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e. V. Fokus Märkte Juni 2021 Lockerungen geben Wirtschaft Auftrieb
02 Executive Summary Executive Summary Vor dem Hintergrund des Impffortschritts setzt die deutsche Wirtschaft im Frühjahr 2021 ihre Erholung fort. Zum Wachstumstreiber des Aufschwungs avanciert infolge der Lockerungen der private Konsum. Die in der Pandemie aufgestaute Kaufkraft wird sich nach unserer Einschätzung auch vorsichtig günstig auf die Versicherungs- nachfrage auswirken. Die zuletzt gestiegenen Inflationsraten dürften aufgrund vorübergehender Basis- und Sondereffekte temporärer Natur sein. → Das Bruttoinlandsprodukt wird im Sommerhalbjahr kräftig expandieren, so dass das Vorkrisen niveau voraussichtlich noch in diesem Jahr erreicht wird. Insgesamt dürfte die deutsche Wirt- schaft 2021 um etwa 3,5 % zulegen. → An den Finanzmärkten setzt sich die Erkenntnis durch, dass die Finanzierungsbedingungen trotz der gestiegenen Inflationsraten locker gehalten werden sollen. Sinkende Bondrenditen und steigende Aktienkurse sind die Folge. → Auch in der Versicherungswirtschaft hat sich die Stimmungslage im Frühjahr deutlich aufgehellt. Nachdem die Beitragsentwicklung zum Jahresauftakt noch von der Pandemie geprägt war, dürfte es im weiteren Jahresverlauf zu Nachholeffekten kommen. F o k u s M ä r k t e -Juni 2021
Inhalt 03 Inhalt Executive Summary 02 Global View 04 Gesamtwirtschaft 05 Finanzmärkte 08 Versicherungsmärkte 10 Anhang 14 F o k u s M ä r k t e -J u n i 2 0 2 1
04 Global View Global View Jörg Asmussen Neue Rolle des Staates Parteien in einigen Industrieländern erklären. Vor allem die Verteilung der Globalisierungsgewinne und somit Die Corona-Pandemie befindet sich in weiten Teilen Eu- die soziale Dimension (Ungleichheit) sind hier die Stich- ropas auf dem Rückzug. Mit den sinkenden Infektions- worte. In Deutschland breiten sich zudem Sorgen über zahlen kehrt ein gutes Stück der Normalität zurück. Re- ungewollte Abhängigkeiten vor grenzüberschreitenden staurants haben wieder geöffnet, Sport- und Kulturver- Lieferbeziehungen sowie die Sicherung des technologi- anstaltungen finden mit Zuschauern statt und auch der schen Vorsprungs in den traditionellen Schlüsselindus- Sommerurlaub ist wieder möglich. Aber wie sieht jenseits trien aus. Auch das mögliche Unterlaufen von Umwelt- davon die neue Normalität in den nächsten Jahren aus? oder Sozialstandards ist ein Thema. Zu den viel diskutierten Themen zählen die Nach- Die ökonomische Erkenntnis für staatliche Eingriffe haltigkeitswende und die digitale Transformation. Dabei ist dabei keineswegs neu. Die Fülle der Herausforderun- zeichnet sich auch eine neue Balance zwischen Staat und gen und nicht zuletzt die Auswirkungen des Klimawan- Privatwirtschaft ab, mit einer aktiveren Rolle des Staates dels dürften die Regierungen bewogen haben, ihre Rolle in der Wirtschaft. Das bisher vorherrschende Paradig- zu überdenken und neu auszurichten. Dabei beanspru- ma, über die Setzung eines Ordnungsrahmens hinaus chen die Regierungen – zumindest für Kernbereiche – den Einfluss des Staates auf die Wirtschaft möglichst eine stärkere Gestaltung des Wirtschaftsgeschehens. Die zu begrenzen, gehört damit nicht nur in Deutschland, Politik bedient sich dabei einer Fülle von Maßnahmen, sondern auch global zunehmend der Vergangenheit an. die sich von der Beteiligung bzw. Förderung von Unter- Die Pandemie ist keineswegs ursächlich für diese nehmen über öffentliche Investitionen, die Regulierung Entwicklung, sie dürfte diese Trendwende aber verstärkt von Aktivitäten bis hin zur Steuerpolitik erstrecken. Die haben, etwa indem sie das Bewusstsein für die Bedeutung Pandemie hat diesen staatlichen Gestaltungswillen be- effektiver staatlicher Institutionen oder die originären kräftigt, indem die Regierungen durch Hilfsprogramme Aufgaben des Staates als „insurer of last resort“ geschärft nicht nur die Einbußen aus dem Corona-Schock abgefe- hat. Den Wendepunkt markieren aber wohl bereits die dert haben, sondern auch den bestehenden strukturel- Verwerfungen der Globalen Finanzkrise, die mit Blick auf len Erneuerungsbedarf aufgegriffen haben. die Sicherung der Finanzstabilität bekanntlich eine Fülle Dieser Wandel nimmt zunehmend Gestalt an, wie von internationalen Regulierungsinitiativen auslösten. zahlreiche Beispiele aus den letzten Wochen zeigen. In Zu den Treibern dieser Entwicklung zählen der Kli- den genannten Politikfeldern stechen vor allem die Eini- mawandel und die Globalisierung. Ökonomisch ist der gung der G7 auf ein Ende der öffentlichen Finanzierung Staat immer dann gefordert, wenn durch externe Effek- von Kohlekraftwerken ebenso wie die Verschärfung der te volkswirtschaftliche Kosten entstehen. Das Beispiel Klimaziele in Deutschland heraus. Auch das grundsätz- Klimawandel verdeutlicht, dass sich ohne staatliche Ein- liche Einvernehmen der G7 zur Einführung eines welt- griffe in das Marktgeschehen die negativen externen Ef- weiten Mindeststeuersatzes von 15 % für Unternehmen fekte aus den Treibhausgasemissionen nicht korrigie- fällt hierunter. Der internationale Steuerwettbewerb wird ren lassen. Der globale Temperaturanstieg und die spür- damit zumindest ein Stück weit eingeschränkt. Ein Aus- bar ansteigende Häufigkeit von extremen Wetterereig- druck des neuen Rollenverständnisses auf nationaler nissen untermauert dabei den hohen Handlungsdruck. Ebene ist die Verabschiedung des Lieferkettengesetzes. Auch die Wahrnehmung der Globalisierung so- Auch die Versicherungswirtschaft ist in vielfältiger wie neue geopolitische Rivalitäten haben das Rollen- Weise von einem veränderten Rollenverständnis des Staa- verständnis des Staates verändert. Zwar ist es unstrit- tes betroffen. Chancen bietet etwa der veränderte Umgang tig, dass die Globalisierung der Weltwirtschaft neuen mit Klimarisiken, der den Versicherern die Absicherung Schwung verliehen und vielen Menschen den Weg aus von Naturgefahren erleichtern und neue Möglichkeiten der Armut geebnet hat. Die deutsche Wirtschaft gehört für nachhaltige Investments schaffen kann. Wichtig bleibt ebenfalls zu den Profiteuren. Dennoch werden seit län- es dabei, den Stärken des marktwirtschaftlichen Wettbe- gerem auch die „Schattenseiten“ der Globalisierung be- werbs ihren Platz zu lassen und die Innovationsdynamik klagt, die zumindest teilweise den Erfolg populistischer und Wachstumspotenziale nicht zu beeinträchtigen. F o k u s M ä r k t e -Juni 2021
Gesamtwirtschaft 05 Gesamtwirtschaft Dr. Rolf Ketzler Aussichten für fortgeschrit- Investitionsmittel für den grünen und digita- tene Volkswirtschaften len Wandel in der EU bereitstellt. Für das Ge- samtjahr 2021 rechnet die OECD für den Eu- verbessert roraum mit einem BIP-Wachstum von +4,3 %. Nach dem BIP-Einbruch von -6,5 % in 2020 er- Die Aussichten für die globale Konjunkturent reicht der Euroraum das Vorkrisenniveau da- wicklung haben sich vor allem aufgrund der mit erst wieder im Jahr 2022. Fortschritte bei der Pandemiebekämpfung Der wirtschaftliche Ausblick unterliegt in den fortgeschrittenen Volkswirtschaften im weiterhin einer hohen Unsicherheit. Die pan- Frühjahr 2021 weiter verbessert. Auch die Er- demiebedingten Konjunkturrisiken sind mit holung des Welthandels setzte sich fort, der den Fortschritten bei den Impfkampagnen zu- zuletzt allerdings durch Transportengpässe letzt gesunken. Dennoch zählt das Wiederauf beeinträchtigt wurde. flammen der Pandemie durch die Ausbreitung In den USA war die Wirtschaft u. a. auf- von Virusmutationen weiterhin zu den größ- Erholungskurs der grund der schnell voranschreitenden Impfun- ten Abwärtsrisiken. So sind in Großbritannien Weltwirtschaft gen und damit einhergehender frühzeitiger aktuell trotz des Impffortschritts steigende In- gewinnt im Frühjahr Lockerungen zu Jahresbeginn weiter aufwärts fektionszahlen mit der Delta-Variante zu beob- an Schwung gerichtet. Bereits im laufenden 2. Quartal achten. Dagegen ist ein stärkerer Aufschwung 2021 wird die US-Wirtschaft voraussichtlich insbesondere dann zu erwarten, wenn die ihr Vorkrisenniveau wieder erreichen. In Chi- Nachholeffekte durch die aufgestaute Erspar- na blieb der Aufschwung Anfang 2021 intakt, nis während der Pandemie größer ausfallen. während einige andere Schwellenländer (u. a. Indien) mit den wirtschaftlichen Auswirkun- gen neuer Infektionswellen zu kämpfen hat- Vorübergehend höhere ten. Insgesamt verläuft der globale Erholungs- Inflation prozess weiter ungleichmäßig. In der EU konnte das verhaltene Impftem- po seit Beginn des 2. Quartals deutlich gestei- Die Inflationsdynamik bleibt in den fort- gert werden. Die Infektionszahlen bewegen geschrittenen Volkswirtschaften aktuell sich infolgedessen seit einigen Wochen wieder hoch. Im Euroraum übertraf die Preissteige- auf einem niedrigen Niveau, so dass auch im rungsrate mit 2,0 % (ggü. Vorjahresmonat) Euroraum bereits zahlreiche Eindämmungs- im Mai 2021 erstmals seit Oktober 2018 das maßnahmen gelockert wurden. Vor allem die EZB-Inflationsziel von „unter, aber nahe 2 Pro- privaten Konsumausgaben dürften deshalb zent“. In Deutschland erreicht die Inflationsra- kräftig expandieren. Nach zwei Quartalen te im Mai sogar mit 2,5 % den höchsten Stand mit rückläufigen Wachstumsraten (Q1 2021: seit dem Jahr 2011. -0,3 %) gehen wir für das 2. Quartal 2021 Der Anstieg steht auch weiterhin in Ver- von einem spürbaren Anstieg des Brutto- bindung mit temporären Sonderfaktoren. inlandsprodukts aus. Im 2. Halbjahr 2021 Maßgeblich ist hierbei vor allem die starke dürfte die Konjunktur weiter Fahrt aufneh- Verteuerung der Energiepreise, die sich infol- men. Grundsätzlich profitiert die Konjunktur ge der Pandemie im Frühjahr 2020 stark ver- im Euroraum in diesem und im nächsten Jahr billigt hatten. Aufgrund der Mehrwertsteuer- zusätzlich von einer expansiven Geld- und ins- senkung im 2. Halbjahr 2020 dürfte die In- besondere Finanzpolitik. Zu nennen ist hier flationsrate in den folgenden Monaten weiter der zum 1. Juni 2021 in Kraft getretenen Co- ansteigen. In Deutschland sind dann Preisstei- rona-Aufbaufonds, der vor allem öffentliche gerungsraten von mehr als 3 % möglich. Auch F o k u s M ä r k t e -Juni 2021
06 Gesamtwirtschaft Angebotsengpässe können vorübergehend Deutsche Wirtschaft vor kräf- den Preisauftrieb verstärken. Die Kerninfla- tigem Aufschwung tion weist seit Jahresbeginn dagegen keinen einheitlichen Trend auf. Zuletzt lag die Kern- rate für den Euroraum im Mai 2021 bei 0,9 %. Nach der deutlichen Verlangsamung des In- Aufschwung erhält Grundsätzlich gibt es damit derzeit weni- fektionsgeschehens auch aufgrund des Impf- kräftige Impulse ge Argumente, die auf einen dauerhaft höhe- fortschritts zeichnet sich ab dem Frühjahr durch privaten ren Inflationstrend schließen lassen, zumal 2021 eine kräftige Erholung der deutschen Konsum auch die umfragebasierten längerfristigen In- Wirtschaft ab. Im 1. Quartal 2021 war das Brut- flationserwartungen auf einem moderaten Ni- toinlandsprodukt aufgrund der anhaltenden veau verharren. Voraussetzung hierfür wäre Corona-Beschränkungen um 1,8 % gegenüber eine spürbar stärkere Lohnentwicklung, die dem Vorquartal gesunken. Betroffen von den aktuell nicht zu beobachten ist. Insofern dürf- Eindämmungsmaßnahmen waren dabei er- ten die Inflationsraten auch nach Einschät- neut die kontaktintensiven Dienstleistungs- zung der EZB mit dem Auslaufen der Sonderef- bereiche. Infolge der fehlenden Konsummög- fekte im Jahr 2022 wieder geringer ausfallen lichkeiten brach der private Verbrauch im (siehe auch Abschnitt Finanzmärkte). Vor diesem 1. Quartal ein (-5,4 % ggü. Vorquartal). Der Ar- Hintergrund hat die EZB erwartungsgemäß beitsmarkt entwickelte sich im Winterhalb- eine Verlängerung des höheren Kauftempos jahr weiterhin vergleichsweise robust. unter dem PEPP für das 3. Quartal 2021 be- Im April wirkte zunächst die „Bundes-Not- schlossen. Sollte die Konjunktur im Euroraum bremse“ noch dämpfend auf die Konjunktur. wie derzeit erwartet über den Sommer kräf- Nach dem Abklingen der dritten Infektions- tig expandieren, könnte sich die EZB im wei- welle wurden in den letzten Wochen zahlrei- teren Jahresverlauf mit dem Ausstieg aus dem che Infektionsschutzmaßnahmen aufgeho- PEPP befassen. ben. Die seit Mai wieder ansteigende Mobili- tät (Abbildung 1) der Menschen signalisiert be- reits eine Belebung des privaten Konsums. Nach den Erfahrungen des Vorjahrs dürfte sich der private Konsum wieder schnell normalisie- ren, wovon insbesondere die von den pande- miebedingten Restriktionen betroffenen Wirt- schaftsbereiche profitieren sollten. Auch die Lage auf dem Arbeitsmarkt dürfte sich wei- ter verbessern. Gleichzeitig ist mit absehba- ren Rückgang der Kurzarbeit und einer Aus- Mobilität: Deutlicher Aufwärtstrend seit Mai weitung des Arbeitsvolumens auch wieder mit Abbildung 1 · Besuche im Einzelhandel und Erholungseinrichtungen, Abwei- einem stärkeren Anstieg der verfügbaren Ein- chungen in % zu Jahresbeginn 2020 kommen zu rechnen. 10 0 Dämpfer durch -10 -20 Angebotsengpässe -30 -40 Insgesamt bringt der Prozess der Wiedereröff- nung der Wirtschaft nach der Pandemie zahl- -50 reiche Herausforderungen mit sich. Dies be- -60 trifft u. a. die Arbeitsnachfrage in den Dienst- -70 leistungsbereichen, aber auch das Verarbeiten- -80 de Gewerbe, das infolge der globalen Erholung FEB ’20 JUN ’19 OKT ’20 FEB ’21 JUN’21 u. a. Lieferengpässen ausgesetzt ist. Dies führ- Quelle: destatis te zu Preissteigerungen für Rohstoffe, aber F o k u s M ä r k t e -Juni 2021
Gesamtwirtschaft 07 auch für einige Vorprodukte. Ein Beispiel hier- zu einem gewissen Teil ihre zusätzlich aufge- für ist der Anstieg der Baupreise, der sich auch staute Ersparnis, die sich für die beiden Jahre auf die Beitragsentwicklung in einigen Ver- 2020 und 2021 zusammen auf etwa 200 Mrd. sicherungssparten auswirken dürfte (vgl. Ab- Euro beläuft, auch konsumieren werden, dürf- schnitt Versicherungsmärkte). te die Sparquote für einen gewissen Zeitraum Trotz der stetig steigenden Auftragseingän- das Niveau vor der Pandemie unterschreiten. ge in den letzten Monaten geht von der Produk- Grundsätzlich gibt es kaum historische Auch langfristige tion daher voraussichtlich zunächst ein wachs- Vergleiche, die Aufschluss über die Verwen- Geldanlagen profitie- tumsdämpfender Effekt aus. Eine Eintrübung dung der aufgestauten Ersparnis geben kön- ren von hohen Über- der Geschäftserwartungen bei den Unterneh- nen. Wir halten nach wie vor an unserer Ein- schussersparnissen men ist aktuell aber nicht festzustellen. Dies schätzung fest, dass der Großteil der Über- in der Pandemie spricht dafür, dass die Engpässe in den nächs- schussersparnis nicht in den privaten Kon- ten Monaten überwunden werden können. sum zurückfließt. Maßgeblich ist dabei, dass Insgesamt kann davon ausgegangen wer- die Ersparnis in erster Linie von älteren und den, dass die deutsche Wirtschaft ihren im einkommensstärkeren Haushalten gebildet Winterhalbjahr unterbrochenen Aufschwung wurde, die typischerweise eine niedrige Kon- im 2. Quartal 2021 fortsetzt. Besonders dyna- sumneigung haben. Ein Teil der aufgestauten misch dürfte das Wachstum im 3. Quartal aus- Kaufkraft, die vor allem auf Bankkonten ge- fallen, wenn – wie hier unterstellt – das abfla- flossen ist, dürfte daher auch für Immobili- chende Pandemiegeschehen weitere Lockerun- eninvestitionen oder längerfristige Anlagen in gen ermöglicht. Angelehnt an andere Konjunk- Wertpapiere und Lebensversicherungen (sie- turprognosen halten wir für das Jahr 2021 ein he Abschnitt Versicherungsmärkte) aufgewendet BIP-Wachstum von 3,5 % für möglich. Getra- werden. Für die Wachstumsperspektiven der gen wird der Aufschwung vor allem von der star- nächsten Jahre kommt es darauf an, die ho- ken Expansion der privaten Konsumausgaben hen Geldvermögensbestände in Bankeinla- sowie infolge der dynamischen globalen Nach- gen einer produktiveren Verwendung zuzu- frage von steigenden Exporten. Auch im kom- führen, um damit die nachhaltige und digita- menden Jahr dürfte die deutsche Wirtschaft le Transformation der deutschen Wirtschaft noch von Nachholeffekten profitieren. voranzubringen. Erneut starker Anstieg der Sparquote Die Sparquote der privaten Haushalte über- schritt im 1. Quartal 2021 aufgrund der Ein- Zügige Normalisierung der Sparquote schränkungen in den Konsumausgaben er- Abbildung 2 · Sparquote der privaten Haushalte, saisonbereinigt (in %) neut die Marke von 20 % (saisonbereinigte 22 Betrachtung) und erreichte damit fast den 20,4 20,1 Höchstwert des Frühjahrs 2020 (Abbildung 2). 20 Haushaltsbefragungen belegen, dass die Spar- Sparquote, 18 möglicher motive fast ausschließlich im Zusammen- Verlauf hang mit den Folgen der Pandemie stehen 16 Überschussersparnis und damit den aktuellen Verlauf der Sparquo- 14 te prägen. Klassische Sparmotive wie die Sorge vor Arbeitsplatzverlusten spielen für die höhe- 12 re Ersparnis dagegen nur eine untergeordne- 11 10 11 te Rolle. Daher gehen wir davon aus, dass sich die Sparquote im Zuge der Corona-Lockerun- 8 gen vergleichsweise schnell wieder normali- 2017 2018 2019 2020 2021 2022 siert. Da die privaten Haushalte vermutlich Quelle: Refinitiv, Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. (GDV) F o k u s M ä r k t e -Juni 2021
08 Finanzmärkte Finanzmärkte Dr. Max Hanisch Bondmärkte unentschlossen resanfang auf in der Spitze 1,72 %. Seit April pendelt die Rendite der Bundesanleihe in einer Die Renditen der zehnjährigen Staatsanlei- andauernden Seitwärtsbewegung um -0,2 %, hen haben im 2. Quartal 2021 ihren Aufwärts- die der Treasuries um 1,6 % (Abbildung 3). Hin- trend pausiert. Seit Jahresbeginn waren sie an- tergrund ist zum einen, dass der Anstieg im gesichts verbesserter Konjunkturaussichten 1. Quartal bereits einen deutlichen Teil der zu und steigender Inflationsraten recht kräftig erwartenden wirtschaftlichen Erholung vor- gestiegen: Die Rendite der zehnjährigen Bun- weggenommen hat. Zum anderen betonen die desanleihe stieg von -0,6 % Anfang Januar auf Zentralbanken wiederholt, durch den derzei- nur noch -0,1 % im Mai. Die Rendite ihrer ame- tigen Anstieg der Inflationsraten hindurch- rikanischen Pendants stieg von 0,9 % am Jah- sehen zu wollen. Die ursächlichen Basis- und Sondereffekte werden als temporär eingestuft Bondrenditen zuletzt in Seitwärtsbewegung (s. Teil Gesamtwirtschaft) und machten laut Aus- sage der Notenbanker keine direkte geldpo- Abbildung 3 · Renditen zehnjähriger Staatsanleihen (in %) litische Reaktion notwendig. Tatsächlich ist die Entwicklung verschiedener vielbeachte- 0,0 Deutschland USA (r. Sk.) 2,0 ter Rohstoffpreise, etwa von Kupfer oder Holz, -0,2 -0,15 zuletzt wieder leicht rückläufig. Vor allem die amerikanische FED legt nach eigenen Wor- 1,6 -0,4 1,53 ten ein größeres Gewicht auf die Erholung des dortigen Arbeitsmarktes. Jüngste Zahlen ent- 1,2 täuschten, sodass auch von dieser Seite im Mo- -0,6 ment kein Anlass für geldpolitische Straffung -0,8 0,8 besteht. Zudem sind die vor allem aus den USA gemeldeten Inflationsraten im historischen -1,0 0,4 Vergleich mit deutlich höheren Anleiherendi- FEB ’20 JUN ’20 OKT ’20 FEB ’21 JUN’21 ten einhergegangen. Dass der anfangs beob- Quelle: Datastream, GDV achtete Anstieg der Renditen nun pausiert zeigt, dass die Einschätzung der Zentral- EZB besänftigt die Bondmärkte banken zur transitorischen Natur höherer Inflation an den Bondmärkten geteilt wird. Abbildung 4 · Renditespreads zehnjähriger Staatsanleihen ggü. Deutschland (in bps) 300 Italien Spanien Spreads signalisieren Gelassenheit USA Frankreich Die Befürchtung, die EZB könnte angesichts der 250 guten Daten aus der Realwirtschaft früher als gedacht mit dem Rückfahren der expansiven 200 169 geldpolitischen Maßnahmen beginnen, hatte 150 zwischenzeitlich für Unruhe an den Bondmärk- 108 ten gesorgt. Nicht nur die Renditen der zehn- 100 jährigen Bundesanleihe war im Vorfeld der Ju- 50 64 ni-Sitzung des EZB-Rates gestiegen, auch die 35 Risikoaufschläge der Euronachbarn zogen an, 0 vor allem jene Italiens (Abbildung 4). Denn die FEB ’20 JUN ’20 OKT ’20 FEB ’21 JUN’21 Rallye an den Bondmärkten erhöht die Fi- Quelle: Datastream, GDV nanzierungskosten für neue Schulden und F o k u s M ä r k t e -Juni 2021
Finanzmärkte 09 dies wird zuerst für solche Staatshaushal- Aufwärtstrend an den Börsen intakt te problematisch, die bereits einen hohen Abbildung 5 · Indizes ausgewählter Aktienmärkte (1. Februar 2020=100) Schuldenstand haben. Die Neuaufnahme von Schulden zur Bewältigung der Folgen der Pan- DAX S&P 500 Euro STOXX 50 Shanghai SE demie haben dieses Problem noch verschärft. Dass sich die Rendite zehnjähriger italienischer 140 Staatsanleihen von weniger als 0,5 % zu Jahres- 130 beginn auf über 1 % im Mai mehr als verdoppelt 120 hat, wird daher genauesten am Markt verfolgt. Immerhin steuert der italienische Staatshaus- 110 halt auf eine Schuldenstandquote von 160 % des 100 BIPs zu. Allerdings konnte die EZB mit der 90 Bestätigung, das PEPP-Programm mit er- 80 höhten wöchentlichen Anleihekäufen auch 70 im 3. Quartal weiterlaufen lassen zu wollen, beruhigen; in der Folge sanken die Spreads 60 wieder. Diese Entwicklung verdeutlicht den FEB ’20 JUN ’20 OKT ’20 FEB ’21 JUN’21 Balanceakt, den die EZB wird wagen müssen, Quelle: Datastream, GDV sobald der Einstieg in den Ausstieg aus der geld- politischen Unterstützung tatsächlich bevor- ebenfalls wohlwollend aufgenommen. Auch steht. Laut ihren eigenen Prognosen dürfte die- die FED sorgte mit ihrer Projektion (sog. „Dot- ser Moment aber noch in der Ferne liegen: Er- Plots), nicht mehr erst 2024, sondern schon wartet werden, nach 1,9 % Inflation für den Eu- 2023 die Zinswende einzuleiten, nicht für Un- roraum dieses Jahr, lediglich 1,5 % für nächstes ruhe. Die avisierten Zinsschritte seien nicht als Jahr und nur 1,4 % für 2023; die Projektionen sicher zu betrachten, so FED-Chef Powell. Sie für die kommenden Jahre liegen damit weiter- stellten lediglich die Einschätzung der einzel- hin unterhalb des Inflationsziels. nen Boardmitglieder dar. Außerdem würden FED-Entscheid gibt die Zinsanhebungen – wenn der Zeitpunkt da- Aktienmärkten für gekommen ist – nur sehr behutsam vorge- Aufwind Rallye an den Aktienmärkten nommen. Auch an den Börsen setzt sich die setzt sich fort Einsicht durch, dass sich die Inflationsstei- gerungen tatsächlich wieder zurückbilden und daher insbesondere für Wachstumsti- Die Börsen konnten im 2. Quartal an den ge- tel schädliche Zinssteigerungen noch ein lungenen Jahresstart anknüpfen. Hatte der gutes Stück in der Zukunft liegen. Je länger DAX in den ersten drei Monaten des Jahres be- die Diskussion darüber andauert, desto mehr reits knapp 10 % zugelegt, sind seitdem weite- können sich die Finanzmärkte darauf einstel- re 4 % dazugekommen, inklusive eines neuen len. In der Folge legten Wachstumstitel zu und Allzeithochs mit 15.777 Punkten (Abbildung 5). beförderten auch die Technologiebörse NSA- Damit liegt die YTD-Performance des DAX, DAQ auf ein neues Allzeithoch. ähnlich wie einige weitere europäische Leitin- Dass die Regierung in Großbritanni- dizes, gleichauf mit der des amerikanischen en wegen der Ausbreitung der Delta-Varian- S&P 500 (YTD: 14,4 %). Zwar hat die realwirt- te die für Mitte Juni geplante Aufhebung al- schaftliche Erholung diesseits des Atlan- ler Corona-Beschränkungen um einen Monat tiks erst mit etwas Verzögerung eingesetzt; nach hinten verschiebt, sorgt zunächst nicht dafür wird vielen europäischen Titeln nun für Unruhe. Dank einer in den letzten Mona- größeres Aufholpotential zugetraut. ten beschleunigten Impfkampagne hat Coro- na in den Industrieländern auf dem Weg zur Herdenimmunität viel Schrecken verloren. Zu- Notenbanken stützen Aktienmärkte sammen mit der (vorerst) weiterhin lockeren Die Entscheidung der EZB, ihre Ankaufpro- Geldpolitik sind die Aussichten an den Börsen gramme bis auf weiteres fortzusetzen, wurde durchaus gut. F o k u s M ä r k t e -Juni 2021
10 Versicherungsmärkte Versicherungsmärkte Dr. Martin Altemeyer-Bartscher, Jakob Hohenstein Stimmung in der Assekuranz 8,9. Zudem ist in den Versicherungsunterneh- hellt sich weiter auf men ein steigender Optimismus hinsichtlich der Geschäftsentwicklung für die kommen- den Monate zu verzeichnen. Der entsprechen- Die zunehmenden Impferfolge und allmäh- de Saldo legte um 6,9 auf 7,8 zu. Das ifo Ge- lichen Lockerungen der Corona-Maßnahmen schäftsklima Versicherungswirtschaft er- schüren den Optimismus in den deutschen reichte im Frühjahr somit einen Wert von 8,3 Versicherungsunternehmen. Nachdem sich in nach 2,7 in der Winterumfrage. Allerdings ver- den zurückliegenden Monaten die Einschrän- weilte der Klimawert im Frühjahr weiterhin kungen des wirtschaftlichen und öffentlichen unter dem langfristigen Durchschnitt von 14,4. Lebens dämpfend auf das Versicherungsge- Im Krisenjahr 2020 hat sich das Versiche- schäft auswirkten, etwa durch verschobene rungsgeschäft im branchenübergreifenden Beratungstermine im Vertrieb, erwarten die Kontext vergleichsweise robust gezeigt. Trotz Versicherer in den kommenden Monaten Er- des deutlichen Konjunktureinbruchs legten holungseffekte im Neugeschäft. Die deutlich die Bruttobeiträge in der Versicherungs- bessere Stimmung in der Branche drückt wirtschaft im vergangenen Jahr um 1,6 % auf sich unter anderem in der Frühjahrsumfra- rund 220,9 Mrd. Euro zu. Während in der Pri- ge des Ifo Konjunkturtest Versicherungswirt- vaten Krankenversicherung und der Schaden- schaft aus. und Unfallversicherung die Beitragseinnah- So fielen die Einschätzungen zur aktu- men zunahmen, entwickelte sich das Geschäft ellen Geschäftslage in der Mitte Mai 2021 in der Lebensversicherung stabil. In diesem durchgeführten ifo Umfrage positiver aus Jahr könnten sich insbesondere in der Lebens- als im Vorquartal. Der saisonbereinigte Sal- versicherung Erholungseffekte ergeben. do zur Geschäftslage stieg um 4,3 Punkte auf Optimismus in den Versicherungsunternehmen nimmt zu Abbildung 6 · Ifo Konjunkturtest Versicherungswirtschaft gesamt aktuelle Geschäftslage Geschäftsentwicklung in den nächsten sechs Monate Geschäftsklima 40 20 0 -20 -40 -60 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 Quelle: ifo Institut - Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität München F o k u s M ä r k t e -Juni 2021
Versicherungsmärkte 11 Hohe Sparquote verleiht Le- im Krisenjahr 2020 etwas besser. Diese le- bensversicherern Rückenwind gen um 1,2 % auf 37,3 Mrd. Euro zu. Die lau- fenden Beiträge blieben im Jahr 2020 kons- tant (+0,0 %) und erreichten ein Volumen von Der dritte Lockdown in den zurückliegenden 62,6 Mrd. Euro. In diesem Jahr ergeben sich Wintermonaten hat im Lebensversicherungs- Chancen für gesteigerte Wachstumsdynamik. geschäft Spuren hinterlassen. So entwickelten Vor allem die hohe Ersparnisbildung der Zusätzliche Absi- sich die Beiträge der Lebensversicherung im privaten Haushalte während der Krisenmo- cherungsbedarfe in 1. Quartal 2021 merklich schwächer als im nate dürfte der Lebensversicherung im laufen- der Generation der wachstumsstarken 1. Quartal des Vorjahres. den Jahr zusätzlichen Rückenwind verleihen. Babyboomer Entscheidungen über langfristige Vorsorge Insbesondere die Generation der Babyboo- und Absicherung wurden von den privaten mer könnte im Ausgang der Krise vermehrt Haushalten zu Beginn des Jahres wohl noch Lebensversicherungsprodukte nachfragen. vermehrt aufgeschoben. Die durchschnittliche Denn bei den über 55-Jährigen wächst die Sor- Wachstumsrate über vier Quartale gegenüber ge, dass in Zukunft die gesetzliche Rente al- dem Vorjahreszeitraum verringerte sich zum lein nicht ausreichen wird, um den erreich- Jahresauftakt 2021 somit noch einmal spürbar. ten Wohlstand erhalten zu können. Wachs- Doch der Rückgang der durchschnittlichen tumschancen ergeben sich dadurch vor allem Wachstumsrate der Beitragseinnahmen in der bei Anlageprodukten mit flexiblen Einzah- Lebensversicherung zum Jahresbeginn 2021 lungsmodellen, die in der Beitragsstatistik als muss in Relation zu der äußerst wachstums- Einmalbeitrag verbucht werden. starken Entwicklung im 1. Quartal 2020 gese- Auch im aktuellen Umfeld mit leicht erhöh- hen werden. In den Kennzahlen vom 1. Quar- ter Inflation spricht vieles für anhaltende Nied- tal 2020 waren die Auswirkungen der Pande- rigzinsen. Für die Lebensversicherer bleiben die mie noch nicht sichtbar, da die Quartalsstatistik Anlagebedingungen am Kapitalmarkt daher he- der Lebensversicherung die Vertriebsaktivität rausfordernd. In der Lebensversicherung könn- der Branche etwas zeitlich verzögert abbildet. ten die „neuen Produkte“ mit attraktiven Risi- Gegenüber dem Rekordjahr 2019 mit ei- ko-Rendite-Profilen daher weiterhin an Markt- nem Beitragsplus von über 11 % erzielten die anteil gewinnen. Bereits im vergangenen Jahr Lebensversicherer im vergangenen Jahr nur erreichten die Mischformen mit Garantien ein geringfügiges Beitragswachstum von bei den Rentenversicherungen im vergangenen 0,4 %. Dabei zeigten sich Lebensversicherungs- Jahr einen Anteil von rund 57 % am Neugeschäft produkte mit flexiblen Einzahlungsmodellen gemessen in annual premium equivalent. Schwächerer Jahresauftakt im Lebensversicherungsgeschäft Abbildung 7 · Wachstumstrends in der Lebensversicherung Prozent 15 Beitragswachstum jährlich Beitragswachstum 4-Quartale Mittelwert ggü. Vorjahr 10 5 0 -5 -10 2010 2012 2014 2016 2018 2020 Quelle: Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. (GDV) F o k u s M ä r k t e -Juni 2021
12 Versicherungsmärkte Betriebliche Krankenver Am 1. Juli 2021 starten die Verträge zur be- trieblichen Pflegeversicherung für bis zu sicherungen und Krankenzu- 580.000 Beschäftigte aus der Chemiebranche. satzversicherung im Aufwind Damit entsteht ein wichtiges neues Instru ment, um Pflegeversorgung in Deutschland Insgesamt hat sich die Private Krankenver- nachhaltig und generationengerecht abzusi- sicherung in der Coronakrise gut behaupten chern. Für das teuerste Risiko, die stationäre können. So legten die Beiträge in der PKV im Unterbringung im Pflegeheim, leistet diese Vergleich zum Vorjahr um 4,4 % zu. Auch im Versicherung für alle Beschäftigten zusätzlich 1. Quartal 2021 entwickelten sich das Geschäft zur gesetzlichen Pflegeversicherung im Be- der Privaten Krankenversicherer wachstums- darfsfall 1.000 Euro monatlich in den Pflege- stark. Im Hinblick auf die Beitragseinnahmen graden 2 bis 5. Und auch bei ambulanter häus- ist der gleitende Durchschnitt der Wachs- licher Pflege in den Pflegegraden 2 bis 4 gibt tumsraten über die vergangenen vier Mona- es eine Unterstützung mit 300 Euro monatlich te aufwärtsgerichtet. zur freien Verfügung. Neben der betrieblichen Neues Instrument, Neben Tarifanpassungen in der Kranken- Pflegeversicherung dürfte auch die betriebli- um Pflegeversor- vollversicherung – im Schnitt stiegen die Ta- che Krankenversicherung (bKV) im laufen- gung nachhaltig rife zum Jahreswechsel 2021 um rund 8,1 % den Jahr weiter wachsen. Die Zahl der Versi- abzusichern – dürfte sich im weiteren Verlauf des Jahres cherten in der bKV hatte im Jahr 2020 erstmals der Wachstumstrend bei den Krankenzusatz- eine Million überschritten (1.023.000 versi- versicherungen positiv auf die Beitragsent- cherte Personen, +15,8 % gegenüber 2019). wicklung in der PKV auswirken. Die Pandemie Neben der betrieblichen Pflegeversiche- hat der Bevölkerung vor Augen geführt, wie rung dürfte auch die betriebliche Kranken- wichtig ein ausreichender Gesundheitsschutz versicherung (bKV) im laufenden Jahr wei- ist – die Nachfrage von Versicherten in der Ge- ter wachsen. Bereits im vergangenen Jahr ist setzlichen Krankenversicherung nach zusätz- die Zahl der Versicherten in der bKV um rund licher Absicherung hat sich im vergangenen 17,7 % im Vergleich zum Vorjahr angestiegen. Jahr weiter erhöht. Wachstumschancen erge- ben sich beispielsweise bei stationären Wahl- leistungen und Zahnzusatzleistungen. Beitragswachstum in der PKV Abbildung 8 · Wachstumstrends in der Privaten Krankenversicherung Beitragswachstum jährlich Beitragswachstum 4-Quartale Mittelwert ggü. Vorjahr Prozent 7 6 5 4 3 2 1 0 -1 -2 2010 2012 2014 2016 2018 2020 Quelle: PKV-Verband, eigene Berechnungen F o k u s M ä r k t e -Juni 2021
Versicherungsmärkte 13 Schwacher Start ins zweite Vorjahr. Beitragsdämpfende Effekte kommen Pandemie-Jahr dabei vor allem aus der Kraftfahrtversiche- rung. Obwohl die erwartete Normalisierung des Mobilitätsverhaltens im weiteren Jah- Die Schaden- und Unfallversicherer verzeich- resverlauf mit steigenden Unfallzahlen (und neten im ersten Quartal 2021 ein Beitragsplus damit steigendem Schadenaufwand) einher- von 1,5 %. Nachdem der gleitende Durch- gehen dürfte und auch das Bestandswachs- schnitt der Beitragsentwicklung in der Scha- tum stabil bleibt, werden die Beitragseinnah- den- und Unfallversicherung seit 2012 stabil men voraussichtlich stagnieren. auf einem Niveau um die 3 Prozent lag, ist In der privaten Sachversicherung macht Basiseffekte und er zum Frühjahr 2021 unter die Marke von sich auch die Senkung des Mehrwertsteu- nachlaufende Anpas- 2 Prozent gefallen (Abbildung 9). Dabei ist ersatzes im zweiten Halbjahr 2020 bemerk- sungen drücken das auch ein Basiseffekt zu berücksichtigen, da bar und dämpft über eine niedrigere Sum- Beitragswachstum das 1. Quartal 2021 mit dem 1. Quartal 2020 menanpassung das Beitragswachstum. In der verglichen wird, in dem die Corona-Fallzahlen allgemeinen Haftpflichtversicherung und der in Deutschland erst sehr langsam anstiegen. Rechtsschutzversicherung dürften die Beiträ- Zudem wirken sich die wirtschaftlichen Fol- ge dagegen aufgrund von kräftigen Beitrag- gen der Corona-Krise in einigen Zweigen der sanpassungsmöglichkeiten stärker steigen. Schaden- und Unfallversicherung erst mit ei- Mit dem am 1. Januar 2021 in Kraft getrete- ner gewissen Verzögerung aus. Beispielswei- nen Kostenrechtsmodernisierungsgesetz ist se dämpfen die im letzten Jahr in vielen Bran- jedoch auch mit deutlich höheren Schaden- chen gesunkenen Lohn- und Umsatzsummen aufwendungen für die Rechtsschutzversi- die Beitragsentwicklung in der betrieblichen cherer zu rechnen. Die Beitragsentwicklung Haftpflichtversicherung im Jahr 2021. in der allgemeinen Unfallversicherung zeich- Das Gesamtjahr 2021 wird auch im weite- net sich durch eine hohe Kontinuität aus. Ers- ren Verlauf von den Nachwirkungen der Co- te Auswirkungen der konjunkturellen Er- rona-Pandemie geprägt sein. Das Beitrags- holung dürften ab dem Sommer die Beitrags- wachstum fällt nach der Hochrechnung des entwicklung in der Transport- und Luftfahrt, Verbandes auf Basis der Geschäftszahlen des sowie der Kredit-, Kautions- und Vertrauens- 1. Quartals daher leicht schwächer aus als im schadenversicherung positiv beeinflussen. Beitragsentwicklung verlässt langjährigen Wachstumspfad Abbildung 9 · Wachstumstrends in der Schaden- und Unfallversicherung Beitragswachstum jährlich Beitragswachstum 4-Quartale Mittelwert ggü. Vorjahr Prozent 5 4 3 2 1 0 -1 -2 2010 2012 2014 2016 2018 2020 Quelle: Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. (GDV) F o k u s M ä r k t e -Juni 2021
14 Anhang: Überblick Gesamtwirtschaft und Finanzmärkte Tabelle 1 · Bruttoinlandsprodukt (reale Veränderung ggü. Vj./quartal)* Tabelle 3 · Wirtschaftliche Lage der Privaten Haushalte 2019 2020 Q.II 20 Q.III 20 Q.IV 20 Q.I 21 Deutschland 2020 Q.II 20 Q.III20 Q.IV 20 Q.I 21 EU 1,6 -6,1 -11,1 11,7 -0,4 -0,1 Verfügbares 0,7 -1,4 0,5 1,0 1,1 Einkommen1 Euroraum 1,3 -6,5 -11,5 12,6 -0,6 -0,3 Sparquote* 16,3 20,4 14,7 16,6 20,1 Großbritannien 1,4 -9,8 -19,5 16,9 1,3 -1,5 USA 2,2 -3,5 -9,0 7,5 1,1 1,6 Tabelle 4 · Verbraucherpreise*** Japan 0,3 -4,8 -8,1 5,3 2,8 -1,0 2020 Feb 21 Mär 21 Apr 21 Mai 21 Tabelle 2 · Deutschland, Verwendung des BIP** (real) Euroraum HVPI 0,3 0,9 1,3 1,6 2,0 2019 2020 Q.II 20 Q.III 20 Q.IV 20 Q.I 21 Kernrate2 0,7 1,2 1,0 0,8 0,9 BIP 0,6 -4,8 -9,7 8,7 0,5 -1,8 Deutschland Privater Konsum 1,6 -6,0 11,5 11,2 -2,3 -5,4 VPI 0,5 1,3 1,7 2,0 2,5 Konsumausg. 2,7 3,7 1,3 1,0 0,1 0,2 Kernrate 2 0,9 1,4 1,4 1,3 1,9 des Staates Ausrüstungsinv. 0,5 -11,6 -15,1 15,9 1,9 -0,2 Bauinvestitionen 3,8 2,3 -4,3 -1,3 3,7 1,1 * Quartalswerte saisonbereinigt in % ** Quartalswerte saison- und kalenderbereinigt in % Exporte 1,0 -9,4 -20,4 17,9 4,4 1,8 *** Veränderung gegenüber Vorjahr bzw. Vorjahresmonat in % 1 Nominale Veränderung gegenüber Vorjahr/Vorjahresquartal in % Importe 2,6 -8,4 -16,9 9,2 3,3 3,8 2 Verbraucherpreisindex ohne Nahrungsmittel und Energie Quelle: Thomson Reuters Tabelle 5 · Total Return ausgewählter Indizes 2016 2017 2018 2019 2020 31. Mai.21 (YTD) 25. Jun. 21 (YTD) Rendite aktuell Staatsanleihen USA 1,0% 2,3% 0,9% 6,9% 8,0% -3,2% -2,8% 1,0% Eurozone 3,2% 0,2% 1,0% 6,8% 5,0% -3,4% -3,2% 0,1% Deutschland 4,0% -1,4% 2,4% 3,0% 3,0% -3,3% -2,9% -0,4% Unternehmensanleihen EUR Investment Grade 4,7% 2,4% -1,3% 6,2% 2,8% -0,8% -0,5% 0,3% High Yield 9,1% 6,9% -3,8% 11,3% 2,3% 2,5% 3,1% 2,8% USD Investment Grade 6,1% 6,4% -2,5% 14,5% 9,9% -2,9% -1,7% 2,1% High Yield 17,1% 7,5% -2,1% 14,3% 7,1% 2,2% 3,3% 3,9% Gedeckte Anleihen EUR Covered 2,2% 0,7% 0,3% 2,8% 1,9% -1,3% -1,2% -0,2% Aktienmärkte MSCI World (USD) 8,2% 23,1% -8,2% 28,4% 16,5% 11,6% 13,1% MSCI World (EUR) 11,4% 8,1% -3,6% 30,8% 6,9% 11,7% 16,1% MSCI Europe (EUR) 3,2% 10,9% -10,0% 26,9% -2,8% 13,9% 16,9% DAX 6,9% 12,5% -18,3% 25,5% 3,5% 12,4% 13,6% S&P 12,0% 21,8% -4,4% 31,5% 18,4% 12,6% 14,4% Dow Jones 16,4% 28,1% -3,5% 25,3% 9,7% 13,8% 12,8% Quelle: Bloomberg Finance L.P. F o k u s M ä r k t e -Juni 2021
Anhang: Überblick Versicherungsmärkte 15 Tabelle 6 · Geschäftsentwicklung in der Versicherungswirtschaft 2019 2020 Q. II 20 Q. III 20 Q. IV 20 Q. I 21 Wachstumsrate Veränderung gleitender Mittelwert (4 Quartale) Geb. Brutto-Beiträge1 Jahresstatistik gegenüber Vorjahr Versicherungswirtschaft insgesamt 7,1 1,6 5,8 3,7 1,6 -0,3 Lebensversicherung 11,4 0,0 8,2 4,4 -0,1 -4,3 Lfd. Beitrag 0,5 -0,2 0,7 0,3 0,0 0,3 Einmalbeitrag 36,9 0,4 23,3 11,8 1,2 -10,3 Private Krankenversicherung 3,1 4,4 3,9 3,3 4,3 4,2 Schaden- und Unfallversicherung 3,5 2,1 3,1 2,9 2,3 1,5 1 teilweise vorläufige Werte Quelle: GDV F o k u s M ä r k t e -J u n i 2 0 2 1
16 Impressum Impressum Herausgeber Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e. V. Wilhelmstraße 43 / 43 G, 10117 Berlin Postfach 08 02 64, 10002 Berlin Tel. 030 / 20 20 - 50 00, Fax 030 / 20 20 - 60 00 www.gdv.de, berlin@gdv.de Verantwortlich Jörg Asmussen Hauptgeschäftsführer joerg.asmussen@gdv.de Autoren Dr. Martin Altemeyer-Bartscher m.altemeyer-bartscher@gdv.de Dr. Max Hanisch m.hanisch@gdv.de Jakob Hohenstein j.hohenstein@gdv.de Dr. Rolf Ketzler r.ketzler@gdv.de Publikationsassistenz Anja Birkenmaier Redaktionsschluss 25. Juni 2021 Bildnachweis Titel: sakura – stock.adobe.com Disclaimer Die Analyse stellt eine allgemeine, unverbindliche Information dar. Die Inhalte wurden mit der erforderlichen Sorgfalt erstellt. Gleichwohl besteht keine Gewährleistung auf Vollständigkeit, Richtigkeit, Aktualität oder Angemessenheit der darin enthaltenen Angaben oder Einschätzungen. Eine Verwendung liegt in der eigenen Verantwortung des Lesers. F o k u s M ä r k t e -Juni 2021
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