Lösliche Guanylatzyklase(sGC)- Stimulation mit Vericiguat
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Die Kardiologie vormals Der Kardiologe Klinische Pharmakologie Kardiologie 2022 · 16:466–478 https://doi.org/10.1007/s12181-022-00576-y Angenommen: 29. August 2022 Lösliche Guanylatzyklase(sGC)- Online publiziert: 12. Oktober 2022 © Der/die Autor(en) 2022 Stimulation mit Vericiguat Von der pharmakologischen Idee bis zur Therapie der chronischen Herzinsuffizienz Nadine Haase1 · Sarah M. Kedziora1 · Dominik Nikolaus Müller1 · Ralf Dechend1,2 1 Experimental and Clinical Research Center, a cooperation of Charité – Universitätsmedizin Berlin and Max Delbrück Center for Molecular Medicine, Berlin, Deutschland 2 Helios Klinikum Berlin-Buch, Berlin, Deutschland Zusammenfassung Hintergrund: Aufgrund der neuen Leitlinien der European Society of Cardiology (ESC) zur Diagnostik und Behandlung der akuten und chronischen Herzinsuffizienz ® (McDonagh et al. 2021) kann Vericiguat (Verquvo ) zur Behandlung von erwachsenen Patienten mit symptomatischer, chronischer Herzinsuffizienz und reduzierter Ejektionsfraktion, die trotz Standardtherapie nach einem kürzlich aufgetretenen Dekompensationsereignis mit erforderlicher intravenöser (i.v.) Therapie stabilisiert wurden, mit in die Therapie aufgenommen werden. Ziel der Arbeit: Die vorliegende Übersichtsarbeit fasst die Entwicklung von Vericiguat, einem löslichen Guanylatzyklase-Stimulator (sGC-Stimulator), als konsequente Umsetzung eines neuartigen pharmakologischen Therapieansatzes zur Behandlung der Herzinsuffizienz zusammen und bietet über die Charakterisierung dieses erstmalig untersuchten Patientenkollektivs wertvolle Ansätze für die praktische Verwendung. Ergebnisse: Die beiden wesentlichen Studien in der klinischen Entwicklung von Vericiguat – SOCRATES-Reduced und VICTORIA – haben die Wirksamkeit und Sicherheit von Vericiguat eindrucksvoll belegt. Der primäre Wirksamkeitsendpunkt der VICTORIA- Studie „kardiovaskulärer Tod oder Herzinsuffizienz-bedingte Hospitalisierung“ wurde im Vericiguat-Arm signifikant im Vergleich zu Placebo reduziert. Relevante Subgruppenanalysen sowie Sicherheitsdaten bestätigen dieses Ergebnis und unterstützen die sichere Anwendung in diesem Hochrisikokollektiv. Diskussion: Die vorliegenden Daten lassen die Schlussfolgerung zu, dass Vericiguat effektiv und sicher zu einer bestehenden Therapie mit den empfohlenen Herzinsuffi- zienzmedikamenten hinzugefügt werden kann. Es ist zu erwarten, dass im Praxisalltag Zusatzmaterial online die Zieldosis von 10 mg verlässlich erreicht und gehalten werden kann. Vericiguat Zusätzliche Informationen sind in der stellt daher eine neuartige, einfache und sichere Therapieoption in einem vulnerablen Online-Version dieses Artikels (https:// Patientenkollektiv dar, für das es bisher kaum medikamentöse Behandlungsoptionen doi.org/10.1007/s12181-022-00576-y) gab. enthalten. Schlüsselwörter Herzinsuffizienz mit reduzierter Ejektionsfraktion · Leitliniengerechte Therapie · Lösliche Prof. Dr. med. Ralf Dechend ist Arbeitsgrup- Guanylatzyklase Stimulator · Dekompensationsereignis · Personalisierte Medizin penleiter Experimental and Clinical Research Center. Mit Veröffentlichung der neuen Euro- on] ≤ 40 %) mehrgleisige medikamentöse pean Society of Cardiology(ESC)-Leitli- Therapiekonzepte aus den 4 mit Klas- nien wurde ein Paradigmenwechsel in se I empfohlenen Substanzklassen An- der Behandlung der Herzinsuffizienz (HI) giotensin-Converting-Enzyme-Hemmer eingeleitet [1]. So wird empfohlen, bei (ACE-I)/Angiotensin-Rezeptor-Neprilysin- Patienten mit Herzinsuffizienz und re- Hemmer (ARNi), Betablocker, Mineralo- duzierter Ejektionsfraktion (HFrEF [„heart kortikoidantagonist (MRA) und Sodium- failure with reduced ejection fraction“] Glukose-Transporter-2-Hemmer (SGLT2-I) Zusatzmaterial online – bitte QR-Code scannen mit LVEF [linksventrikuläre Ejektionsfrakti- gegenüber sequenziellen Ansätzen mit 466 Die Kardiologie 6 · 2022
Abb. 1 8 Progrediente Herzinsuffizienz (HI) als Einweisungsgrund zur stationären Therapie. (Mod. nach [5, 10–14]) Abb. 2 8 Klinischer Verlauf der Herzinsuffizienz (HI). ICD implantierbarer Kardioverter/Defibrillator, CRT kardiale Resynchro- nisationstherapie, IV intravenös. (Mod. nach [15], mit freundl. Genehmigung © Bayer AG 2022. All Rights Reserved) Aufdosierung einzelner Substanzklassen Progrediente Herzinsuffizienz – 3-mal mehr Menschen von Herzinsuffizi- zu bevorzugen. Des Weiteren wird Veri- „worsening heart failure“ enz betroffen als von Malignomen [2, 3]. ® ciguat (Verquvo ) mit einer Klasse-IIb- Für jeden Fünften besteht zudem das Risi- Empfehlung als Therapieoption erstmalig Herzinsuffizienz hat eine hohe Prävalenz. ko, im Laufe seines Lebens an einer Herz- für solche Patienten genannt, die sich trotz Mit schätzungsweise mehr als 60 Mio. er- insuffizienz zu erkranken [4]. bestehender Basistherapie verschlechtern. krankten Menschen weltweit sind über Die Kardiologie 6 · 2022 467
Klinische Pharmakologie Abb. 3 8 Pharmakologische Wirkung von Vericiguat (Guanylatzyklase-Stimulator [sGC-Stimulator]). NO Stickstoffmonoxid, cGMP zyklisches Guanosinmonophosphat. (Mod. nach [16–22], mit freundl. Genehmigung © Bayer AG 2022. All Rights Re- served) Trotz relevanter Fortschritte in der Be- Risiko für weitere herzinsuffizienzbeding- Basistherapie sowie Vericiguat für spezielle handlung ist die Erkrankung immer noch te Hospitalisierungen stark erhöht wird Patientengruppen [1]. durch eine hohe Mortalität und Morbidität (. Abb. 2). Dieses besonders vulnerable Neben der leitliniengerechten phar- gekennzeichnet. So versterben 50 % aller Patientenkollektiv wird in den überarbei- makologischen Therapie betont die ESC- Patienten mit HFrEF innerhalb der ersten teten ESC-Leitlinien erstmals als Patienten Leitlinie bei Patienten nach einem kürzlich 5 Jahre nach Diagnosestellung, und jeder mit „worsening heart failure“ thematisiert. aufgetretenen Dekompensationsereignis 6. Patient erleidet trotz medikamentöser Neben Patienten mit Erstmanifestati- auch die Wichtigkeit einer kompetenten Behandlung eine akute Verschlechterung on der Herzinsuffizienz (De-novo-HI) im- ambulanten Nachsorge der rekompen- innerhalb von 18 Monaten (. Abb. 1; [5]). ponieren klinisch insbesondere 2 Patien- sierten Herzinsuffizienzpatienten (Klasse- Damit ist die Prognose trotz Behandlung tengruppen, die in dekompensiertem Sta- I-Empfehlung). Idealerweise geschieht schlechter als bei einigen bösartigen Tu- dium stationär aufgenommen werden: diese Nachsorge bereits 1 bis 2 Wochen moren z. B. an Blase, Brust oder Prostata [6]. 1. Patienten, die eine unzureichende nach stationärer Entlassung bei einem Bei über 65-Jährigen ist die Herzinsuffizi- Herzinsuffizienztherapie haben. Dazu Kardiologen oder in einer Praxis innerhalb enz zudem die Nr. 1 der Einweisungen zur gehören auch die Patienten, die einzel- eines Herzinsuffizienznetzwerks. stationären Therapie [7] und repräsentiert ne Medikamente der Standardtherapie damit eine hohe Belastung für das Ge- nicht vertragen oder Kontraindikatio- Lösliche Guanylatzyklase- sundheitswesen. Wiederaufnahmequoten nen haben; Stimulierung als neuer Wirkansatz von 27 % innerhalb von 30 Tagen bzw. 2. Patienten, die trotz einer bestehenden 50 % innerhalb von 60 Tagen nach Ent- Standardtherapie dekompensieren. Der Guanylatzyklase-Stimulator (sGC-Sti- lassung weisen auf einen deutlichen Opti- mulator) Vericiguat nutzt einen bisher in mierungsbedarf der Langzeittherapie hin Mit Veröffentlichung der neuen ESC-Leitli- der Herzinsuffizienztherapie nicht adres- [8, 9]. nien wurde ein Paradigmenwechsel in der siertenWirkmechanismus (. Abb. 3). Stick- Der klinische Verlauf einer Herzinsuffi- Behandlung der Herzinsuffizienz eingelei- stoffmonoxid (NO) vermittelt die Produk- zienz ist häufig charakterisiert durch Pha- tet. Die Therapie mit Betablocker, ACE-I/ tion von zyklischem Guanosinmonophos- sen relativer Stabilität, unterbrochen durch ARNi, MRA und SGLT2-I (alle Klasse-I-Emp- phat (cGMP) mittels der intrazellulären Ereignisse einer akuten Dekompensation fehlung) sollte möglichst zeitnah initiiert sGC. Oxidativer Stress sowie endotheliale trotz bestehender Medikation. Dabei ist zu und – je nach Verträglichkeit – möglichst Dysfunktion bewirken eine Reduktion des beachten, dass selbst bei erfolgreicher Re- rasch auf die Zieldosis hochtitriert wer- extrazellulär verfügbaren NO und damit kompensation nach solch einem Ereignis den. Neue pharmakologische Ansätze in eine Reduktion von intrazellulärem cGMP. das Niveau der Herzfunktion vor Dekom- der Leitlinie sind hierbei die SGLT2-I für die Vericiguat wirkt nun dieser cGMP-Reduk- pensation selten wieder erreicht und das tion entgegen, indem es die intrazelluläre 468 Die Kardiologie 6 · 2022
Klinische Pharmakologie Abb. 4 8 Aktuelle Therapien der Herzinsuffizienz (HI). (Mod. nach [17, 21, 23–28], mit freundl. Genehmigung © Bayer AG 2022. All Rights Reserved). ACEi Angiotensin-Converting-Enzym-Inhibitor, ARB Angiotensinrezeptorblocker, ARNi Angio- tensinrezeptor-Neprilysin-Inhibitor, cGMP zyklisches Guanosinmonophosphat, HI Herzinsuffizienz, MRA Mineralokortikoid- rezeptorantagonist, NO Stickstoffmonoxid, NPS natriuretisches Peptidsystem, RAAS Renin-Angiotensin-Aldosteron-System, sGC lösliche Guanylatzyklase, SGLT2 Natrium-Glukose-Cotransporter 2, SGLT2i Natrium-Glukose-Cotransporter-2-Inhibitor, SNS sympathisches Nervensystem sGC stimuliert und die Produktion von mus beruhende oral applizierte sGC-Sti- Resultate der klinischen Studien cGMP wieder normalisiert. Dies wirkt ® mulator Riociguat (Adempas ) genannt. einem weiteren Remodeling, d. h. einer Während Riociguat aufgrund seiner Eli- Wesentliche Studien im Rahmen des um- Versteifung und Verdickung sowie der minationshalbwertszeit von ca. 12 h bei fangreichen klinischen Entwicklungspro- Fibrosierung des Myokards, entgegen. pulmonaler Hypertonie 3-mal täglich ge- gramms stellen die Phase-II-Studie SOCRA- Auf vaskulärer Seite wirkt eine erhöhte geben wird, wurde Vericiguat spezifisch TES-REDUCED als Dosisfindungsstudie [29] cGMP-Bereitstellung der Verengung und für die Herzinsuffizienz und die 1-mal täg- sowie die Phase-III-Studie VICTORIA als zu- Versteifung insbesondere der arteriellen liche Gabe entwickelt. Aufgrund der un- lassungsrelevante klinische Endpunktstu- Gefäße entgegen. terschiedlichen Rezeptoraffinität und des die dar [27]. Beide Studien untersuchten In der Summe erhöht Vericiguat die pharmakokinetischen Profils beider Sub- ein Patientenkollektiv, das durch folgende intrazellulär verfügbare cGMP-Konzentra- stanzen ist weder die Kombination beider Merkmale gekennzeichnet war: tion, was sich wiederum in einer verbesser- sGC-Stimulatoren empfohlen noch die An- – chronische Herzinsuffizienz NYHA- ten myokardialen und vaskulären Funkti- wendung in der Indikation der jeweils an- Klasse II–IV mit einer LVEF < 45 %, on widerspiegelt. Damit transferiert Verici- deren Substanz. – HI-Verschlechterung, die eine Hospita- guat erfolgreich einen pharmakologischen Im Unterschied zu allen anderen medi- lisierung erforderte, oder Behandlung Wirkansatz im NO-Signalweg, der sich ei- kamentösen Therapieansätzen beeinflusst der HI mit i.v.-Diuretika ohne Hospitali- nerseits aus der Behandlung der korona- Vericiguat nicht die Kompensationsme- sierung („worsening heart failure“), ren Herzerkrankung und akuten Myokard- chanismen der Herzinsuffizienz (neuro- – NT-proBNP (N-terminales pro B-Typ ischämie mittels oral applizierbarer NO- humorale Blockade), sondern stellt einen natriuretisches Peptid) ≥ 1000 pg/ml Donatoren (Isosorbitmononitrat, Isosorbit- protektiven, jedoch reduzierten Signalweg oder BNP („brain natriuretic peptide“) dinitrat) ableitet als auch andererseits in wieder her (. Abb. 4). Dieser Wirkmecha- ≥ 300 pg/ml bei Sinusrhythmus bzw. der Behandlung der pulmonalen Hyperto- nismus ist ein Alleinstellungsmerkmal NT-proBNP ≥ 1600 pg/ml oder BNP nie seit Jahren zuverlässig und sicher an- von Vericiguat in der Behandlung der ≥ 500 pg/ml bei Vorhofflimmern, gewendet wird. Hier seien inhalatives NO, Herzinsuffizienz. – eGFR („estimated glomerular filtration die intravenösen PDE(Phosphodiesterase)- rate“) ≥ 30 ml/min/1,73 m2 in SOCRA- Inhibitoren Milrinon und Enoximon, v. a. TES-REDUCED und ≥ 15 ml/min/1,73 m2 aber der auf dem gleichen Wirkmechanis- 470 Die Kardiologie 6 · 2022
Tab. 1 Rate der kardiovaskulären Todes- Tab. 2 Ausgewählte Baseline-Werte der VICTORIA-Studie. (Mod. nach [27]) fälle (CV-Tod) und Herzinsuffizienz-beding- Baseline-Werte Vericiguat (N = 2526) Placebo (N = 2524) ten Hospitalisierungen in SOCRATES-REDU- Geschlecht Männlich: 1921 (76,0) Männlich: 1921 (76,1) CED. (Mod. nach [29]) n (%) Weiblich: 605 (24,0) Weiblich: 603 (23,9) Behand- Rate der Kombination aus lungsarm CV-Tod und Herzinsuffizienz- Alter (Jahre) 67,5 ± 12,2 67,2 ± 12,2 (mg) bedingter Hospitalisierung Mittelwert ± SD (%) NYHA-Klasse I: 0 I: 0 Vericiguat n (%) II: 1478 (58,6) II: 1497 (59,3) 1,25 18,7 III: 1010 (40,0) III: 993 (39,4) 2,5 19,8 IV: 35 (1,4) IV: 31 (1,2) 5 12,1 LVEF bei Screening (%) 29,0 ± 8,26 28,8 ± 8,34 10 11,0 Mittelwert ± SD Placebo 19,6 LVEF < 40 % bei Screening 2158 (85,8) 2158 (85,6) n (%) Medikamentöse Therapie Betablocker: 2349 (93,2) Betablocker: 2342 (93,0) (15 %-Grenze: 15–30 ml/min/1,73 m2) bei Randomisierung ACE-I/ARB: 1847 (73,3) ACE-I/ARB: 1853 (73,6) in VICTORIA. n (%) MRA: 1747 (69,3) MRA: 1798 (71,4) a 3 SoC : 1480 (58,7) 3 SoCa: 1529 (60,7) Primäres Ziel der SOCRATES-REDUCED-Stu- Sacubitril/Valsartan: 360 (14,3) Sacubitril/Valsartan: 371 (14,7) die war die Festlegung der optimalen Dosis NYHA New York Heart Association, LVEF linksventrikuläre Ejektionsfraktion, ACE-I Angiotensin-Con- von Vericiguat in der Behandlung dieser verting-Enzyme-Hemmer, ARB Angiotensinrezeptorblocker, MRA Mineralokortikoidantagonist Patientenpopulation (Studiendesign s. zu- a 3 SoC: Standard-of-Care mit Betablocker, RAAS(Renin-Angiotensin-Aldosteron-System)-Inhibitor und sätzliche Abb. 1). Als primärer Endpunkt MR-Antagonist (Mineralokortikoidrezeptorantagonist) wurde die Veränderung des NT-proBNP- Wertes der gepoolten Vericiguat-Gruppe (2,5/5/10 mg) im Vergleich zur Placebo- des NT-proBNP-Wertes gegenüber nach einer kürzlich aufgetretenen Dekom- gruppe in Woche 12 gegenüber Baseline Placebo (p = 0,048). pensation signifikant zu senken. Dies ist ausgewertet. Als sekundäre bzw. explora- insbesondere deswegen von Bedeutung, tive Endpunkte wurden die Sicherheit und Die Rate aus kardiovaskulärem Tod und da ein Großteil dieser Patienten bereits Verträglichkeit bzw. ausgewählte klinische Herzinsuffizienz-bedingter Hospitalisie- zum Zeitpunkt der Dekompensation mit und echokardiographische Parameter er- rung wurde als sekundärer Parameter dem seinerzeit leitlinienkonformen Gold- hoben. ausgewertet und zeigte ebenfalls eine kla- standard (ACE-I[Angiotensin-Converting- DieStudierekrutierteinsgesamt632 Pa- re Dosis-Wirkungs-Beziehung (. Tab. 1). Enzyme-Inhibitor]/AT-1[Angiotensin-1]- tienten in 144 Zentren weltweit. Inner- Dieser klinisch relevante Endpunkt wurde Rezeptor-Antagonist, Betablocker, Diure- halb der 5 Behandlungsarme (s. zusätzliche für VICTORIA dann als primärer Endpunkt tikum und MRA) behandelt wurde. Abb. 2) waren die Patientenmerkmale zu gewählt. Die in SOCRATES-REDUCED angedeu- Beginn der Behandlung vergleichbar. In- Sicherheitsrelevante Endpunkte erga- teten Tendenzen wurden dann mit der nerhalb der höchsten Vericiguat-Gruppe ben eine insgesamt sehr gute Verträglich- Phase-III-Studie VICTORIA statistisch sig- erreichten 71,8 % in Woche 8 die Zieldosis keit von Vericiguat. Änderungen hinsicht- nifikant bestätigt. von 10 mg. lich der Werte für systolischen und dia- VICTORIA war eine randomisierte, pla- Obwohl die gepoolte Vericiguat-Grup- stolischen Blutdruck sowie Herzfrequenz cebokontrollierte, doppelblinde, ereig- pe in Bezug auf den primären Endpunkt die waren vergleichbar zwischen der höchs- nisgesteuerte, internationale Phase-III- statistische Signifikanz verfehlte (p = 0,15), ten (= 10 mg) Vericiguat- und der Place- Studie mit parallelen Gruppen (Studien- war jedoch eine klare Dosis-Wirkungs-Be- bogruppe (zusätzliche Abb. 3). Zusätzlich design s. zusätzliche Abb. 4). Das primäre ziehung ersichtlich (s. zusätzliche Abb. 2). wurden keine relevanten Veränderungen Studienziel bestand in der Beurteilung Eine daraufhin ausgerichtete Sekundär- der Nierenfunktion und des hs-Troponins der Wirkung von Vericiguat bei Patienten analyse zur Beurteilung der optimalen Do- von Baseline bis zu 12 Wochen für die- mit symptomatischer chronischer HI nach sis für die Phase-III-Studie ergab: se beiden Gruppen gemessen. Das deutet einer Dekompensation, also einer Wor- 1. höhere Vericiguat-Dosen waren mit darauf hin, dass Vericiguat keine nachtei- sening-heart-failure-Population im Sinne einer stärkeren Verringerung des NT- ligen Auswirkungen auf diese wichtigen der ESC-Leitlinie. proBNP-Spiegels verbunden (p < 0,02), Parameter hat. Im Vergleich zu weiteren veröffent- was auf eine Dosis-Wirkungs-Bezie- Damit lieferte SOCRATES-REDUCED lichten Herzinsuffizienzstudien wie EM- hung hindeutet; einen klaren Anhalt dafür, dass Verici- PEROR-Reduced [12], DAPA-HF [11] und 2. im 10-mg-Arm in Woche 12 eine guat in entsprechender Dosierung in PARADIGM-HF [10] unterschied sich VIC- stärkere und signifikante Reduktion der Lage ist, die NT-proBNP-Werte bei TORIA insbesondere dadurch, dass hier ein einem Herzinsuffizienzpatientenkollektiv Hochrisikokollektiv eingeschlossen wur- Die Kardiologie 6 · 2022 471
Klinische Pharmakologie Abb. 5 8 Kaplan-Maier Darstellung des primären Endpunkts der VICTORIA-Studie. HFH Herzinsuffizienz-bedingte Hospita- lisierung, CV-Tod Tod aus kardiovaskulärer Ursache, HR Hazard Ratio, KI Konfidenzintervall, ARR absolute Risiko Reduktion, NRT Number-needed-to-Treat. (Mod. nach [27]) de, das eine erst kürzlich zurückliegende eingeschlossenen Patienten wurde eine Bei der Auswertung der beiden Einzel- Dekompensation erlitten hatte. Zudem Herzinsuffizienz der NYHA(New York Heart komponenten des primären Endpunktes wurden auch Patienten mit einer schwe- Association)-Klasse III diagnostiziert, mehr reduzierte Vericiguat die annualisierte Ra- ren Niereninsuffizienz mit einer eGFR von als 40 % aller Patienten hatten eine eGFR te für die „Zeit bis zur ersten Herzinsuffi- ≥ 15 ml/min/1,73 m2 eingeschlossen. Die zwischen 30 und 60 ml/min/1,73 m2 und zienz-bedingten Hospitalisierung“ signifi- Studienteilnehmer konnten als stationäre weitere 10 % eine eGFR von weniger als kant auf 25,9 im Vergleich zu 29,1 unter oder ambulante Patienten randomisiert 30 ml/min/1,73 m2. Die Standardtherapie, Placebo (HR [Hazard Ratio]: 0,9; 95 %-KI werden, mussten jedoch klinische Sta- bestehend aus Betablocker, RAAS(Renin- [Konfidenzintervall]: 0,81–1,00; p = 0,048). bilitätskriterien erfüllen, z. B. systolische Angiotensin-Aldosteron-System)-Inhibi- Die entsprechenden Resultate für die zwei- Blutdruckwerte ≥ 100 mm Hg. Intravenöse tor und MRA, erhielten bei Randomisie- te Komponente des primären Endpunkts Therapien mussten seit ≥ 24 h abgesetzt rung fast 60 % der Patienten; Sacubitril/ „Tod aus kardiovaskulärer Ursache“ laute- sein. Valsartan war bei ca. 15 % Bestandteil der ten 12,9 Ereignisse pro 100 Patientenjah- Als kombinierter primärer Endpunkt Therapie. re unter Vericiguat gegenüber 13,9 Ereig- wurde die Zeit bis zum Auftreten eines Innerhalb der Vericiguat-Gruppe er- nissen unter Placebo (HR: 0,93; 95 %-KI: kardiovaskulären Todes oder einer Herzin- reichten 89,2 % der Patienten die Zieldo- 0,81–1,06). suffizienz-bedingten Hospitalisierung un- sis von 10 mg (vs. 91,4 % in der Placebo- Diese Ergebnisse waren unabhän- tersucht. Sekundäre Endpunkte erfassten Schein-Auftitration). gig von der Anwendung von Sacubitril/ unter anderem die Gesamtzahl der Herzin- Bei der Auswertung des primären End- Valsartan zu Baseline sowie unabhängig suffizienz-bedingten Hospitalisierungen, punktes reduzierte Vericiguat die absolu- vom Indexereignis (Hospitalisierung vs. die Zeit bis zum Tod jeglicher Ursache te Rate des kombinierten Endpunkts „Zeit i.v.-Diuretikagabe) und deuten auf einen sowie sicherheitsrelevante Parameter wie bis zur Herzinsuffizienz-bedingten Hospi- generell einheitlichen Behandlungseffekt Veränderungen der Vitalparameter und talisierung oder zum Tod aus kardiovas- hin. Bei den wesentlichen sekundären End- unerwünschte Ereignisse. kulärer Ursache“ statistisch signifikant um punkten „Gesamtzahl der Herzinsuffizienz- Insgesamt 5050 Patienten wurden 4,2 Ereignisse pro 100 Patientenjahre im bedingten Hospitalisierungen“ und der zwischen September 2016 und Dezember Vergleich zu Placebo. Daraus leitet sich ei- Kombination aus „Zeit bis zur Herzinsuf- 2018 in einem Verhältnis von 1:1 in einen ne Number-needed-to-Treat (NNT) von 24 fizienz-bedingten Hospitalisierung oder der beiden Behandlungsarme randomi- ab. Die auf 100 Patientenjahre normierten Tod jeglicher Ursache“ zeigte Vericiguat siert. Relevante Baseline-Werte waren in jährlichen Ereignisraten wurden mit 33,6 ebenfalls einen statistisch signifikanten beiden Gruppen vergleichbar und sind in für Vericiguat vs. 37,8 für Placebo berech- Nutzen im Vergleich zu Placebo. . Tab. 2 dargestellt. Bei nahezu 40 % aller net (. Abb. 5). 472 Die Kardiologie 6 · 2022
Tab. 3 Inzidenz von symptomatischer Hypotonie und Synkope pro Behandlungsgruppe in der VICTORIA-Studie. (Mod. nach [27]) Vericiguat Placebo Unterschied in % gegenüber Placebo n % n % Schätzer (95 %-KI)a p-Wert Patienten in der Population 2519 – 2515 – – – Symptomatische Hypotonie 229 9,1 198 7,9 1,2 (0,3 bis 2,8) 0,12 Synkope 101 4,0 87 3,5 0,6 (–0,5 bis 1,6) 0,30 KI Konfidenzintervall a Basierend auf der Miettinen-Nurminen-Methode Präspezifizierte Subgruppenanalysen tion p = 0,78). Vericiguat war unabhängig re (ARR) im Vergleich zur alleinigen Stan- in Bezug auf NYHA-Klasse, ARNi, Ge- von der begleitenden KHK vorteilhaft und dardtherapie reduzierte. Auf Basis dieser schlecht, Ethnie, eGFR, Herzrhythmus sicher [31]. ARR müssen nur 24 Patienten pro Jahr be- (Sinusrhythmus vs. Vorhofflimmern) und Die Inzidenzraten der schwerwiegen- handelt werden, um ein schwerwiegendes Ätiologie der Herzinsuffizienz (ischämisch den unerwünschten Ereignisse (SUE) nach Ereignis wie Hospitalisierung oder Tod zu vs. dilatativ) zeigten ebenfalls konsistent Organklassen waren im Vericiguat-Arm mit verhindern. Wesentliche sekundäre End- positive Behandlungseffekte für Verici- 32,8 % vergleichbar zum Placeboarm mit punkte sowie relevante Subgruppenana- guat. 34,8 % (. Tab. 3). lysen stützen diese Ergebnisse und deuten Auffälligkeiten bestanden in der prä- Zu den vorab festgelegten Ereignissen auf einen konsistenten Behandlungseffekt spezifizierten Analyse in Bezug auf NT- von besonderem Interesse gehörten sym- von Vericiguat hin. proBNP, wo im 4. Quartil mit den höchs- ptomatische Hypotonie und Synkope. Für Das Nebenwirkungsprofil war in bei- ten NT-proBNP-Werten eine Effektmodifi- beide Parameter wurden ebenfalls ver- den Behandlungsarmen vergleichbar. Ins- kation zu sehen war. Bei der Subgruppen- gleichbare Raten für Vericiguat und Place- besondere auch potenziell therapielimitie- analyse in Bezug auf Alter ergab sich für bo festgestellt (. Tab. 3). rende Nebenwirkungen wie eine modera- die Gruppe ≥ 75 Jahre eine statistisch re- Die Veränderungen des systolischen te oder schwere Hypotonie sowie Synko- levante Interaktion. Eine daraufhin durch- Blutdrucks zeigten in beiden Gruppen pe wurden nicht signifikant häufiger als geführte Post-hoc-Analyse im Sinne einer einen ähnlichen Verlauf und traten zu unter Placebo beobachtet. In einer wei- Patient Response Identifiers for Stratified einem frühen Zeitpunkt in der Titrati- teren Analyse der Blutdruckdaten konn- Medicine(PRISM)-Berechnung identifizier- onsphase auf. Im weiteren Studienverlauf te gezeigt werden, dass auch Patienten te NT-proBNP als relevantesten Prädiktor wurden keine weiteren relevanten Blut- mit einem niedrigen initialen systolischen für die verschiedenen Behandlungsergeb- drucksenkungen beobachtet (. Abb. 6). Blutdruck von 100–110 mm Hg sicher mit nisse. Dieser Hinweis wurde von Ezekowitz Unerwünschte Wirkungen, die in der Vericiguat behandelt werden konnten [33]; et al. in einer weiteren Post-hoc-Analy- Vericiguat-Gruppe häufiger als in der Pla- 90 % der Patienten erreichten die Zieldo- se aufgenommen [30]. Diese ergab einen cebogruppe auftraten, umfassten Anämie sis von 10 mg Vericiguat in VICTORIA, was positiven Behandlungseffekt über das ge- (7,6 % für Vericiguat gegenüber 5,7 % sowohl eine hohe Therapiecompliance do- samte Spektrum der NT-proBNP-Spiegel für Placebo), Übelkeit (3,5 % gegenüber kumentiert als auch im Hinblick auf an- hinweg bis zu 8000 pg/ml bei Einschluss 2,7 %), Kopfschmerz (3,4 % gegenüber dere etablierte Therapien zur Behandlung in die Studie (zusätzliche Abb. 5). In der VIC- 2,4 %) und Dyspepsie (2,7 % gegenüber der Herzinsuffizienz und deren Begleiter- TORIA-Studienpopulation hatten bei Ran- 1,1 %). Schwerwiegende Anämieereignis- krankungen das exzellente Sicherheitspro- domisierung 86 % der Patienten NT-pro- se wurden bei 1,6 % der Vericiguat-Patien- fil von Vericiguat untermauert. BNP-Werte < 8000 pg/ml und 65 % Werte ten gegenüber 0,9 % der Placebopatienten VICTORIA wird als eine der bedeuten- < 4000 pg/ml. Damit profitieren nahezu al- berichtet. Keines dieser schwerwiegenden den Meilensteinstudien der letzten Zeit le Patienten aus dem VICTORIA-Kollektiv Ereignisse wurde jedoch als arzneimittel- angesehen. Diese Einschätzung erscheint von der Behandlung mit Vericiguat. induziert berichtet bzw. bewertet. nicht nur wegen der signifikanten Wirk- Eine ebenfalls veröffentliche Post-hoc- Der Pathomechanismus in Bezug auf samkeit, sondern insbesondere aufgrund Analyse [31] ergab eine positive Korrela- Anämie ist für Vericiguat nicht vollständig des Sicherheitsprofils im eingeschlossenen tion zwischen koronarer Herzerkrankung geklärt, wurde jedoch auch bereits unter Patientenkollektiv gerechtfertigt. (KHK) und dem Auftreten eines kardiovas- anderen sGC-Stimulatoren berichtet bzw. kulären Todes bzw. einer Herzinsuffizienz- findet sich auch in der Fachinformation zu Besonderheiten des Patienten- bedingten Hospitalisierung für beide The- ® Adempas (Riociguat) ([32], Stand 2021). kollektivs und Bedeutung der rapiegruppen in VICTORIA gleichermaßen Zusammenfassend lässt sich schließen, Ergebnisse (HR: 1,23; p < 0,001). Der primäre Endpunkt dass die additive Therapie mit Vericiguat in Verbindung mit Vericiguat bei Patienten zusätzlich zur Standardtherapie das Risiko Die VICTORIA-Studienpopulation unter- mit oder ohne KHK lag bei 38,8 vs. 27,6 pro für Herzinsuffizienz-bedingte Hospitalisie- scheidet sich wesentlich von anderen 100 Patientenjahreund für Placebo bei42,6 rung oder kardiovaskulären Tod signifikant aktuellen Herzinsuffizienzstudien der letz- vs. 32,7 pro 100 Patientenjahre (Interak- um 4,2 Ereignisse pro 100 Patientenjah- ten Jahre. VICTORIA war von vorneherein Die Kardiologie 6 · 2022 473
Klinische Pharmakologie im 4. Quartil mit sehr hohen NT-pro- BNP-Werten. Bei der Interpretation dieser Auswertungen ist jedoch eine generelle methodologische Vorsicht geboten, um nicht auf Basis von Daten, die aus dem Gesamtkontext der Studie herausgelöst wurden, möglicherweise falsche Schluss- folgerungen zu ziehen. Es empfiehlt sich hier, VICTORIA als Gesamtstudie für das gesamte Kollektiv zu werten und zu inter- pretieren und Subgruppenanalysen evtl. als Aufhänger für weitere und speziell darauf ausgerichtete Studien anzusehen. Vericiguat wurde grundsätzlich gut vertragen. Bei den allermeisten Patienten wurde die Zieldosis erreicht. Blutdruck- Abb. 6 8 Systolischer Blutdruck im zeitlichen Verlauf der VICTORIA-Studie. (Mod. nach [27]) abfälle waren – wenn aufgetreten – zu Beginn der Behandlung und führten sehr selten zum Abbruch. Einflüsse auf die durch die Wahl der Ein- und Ausschluss- wie diese optimal therapiert werden soll- Nierenfunktion waren auch bei den Pa- kriterien auf symptomatische Patienten te. Man kann in diesem Zusammenhang tienten mit schwerer Niereninsuffizienz mit chronischer Herzinsuffizienz (und LVEF von einer eigenen Krankheitsentität spre- (eGFR bis 15 ml/min/1,73 m2) klinisch nicht < 45 %) nach einer Verschlechterung in- chen, die eine personalisierte Therapie relevant. Es traten keine signifikanten Elek- nerhalb der letzten 6 Monate fokussiert. erfordert. trolytentgleisungen auf. Somit sind keine Diese Verschlechterung konnte sowohl in VICTORIA war eine Event-getriebene zusätzlichen Kontrollen von Nierenfunkti- der Notwendigkeit einer Hospitalisierung Studie. Durch das eingeschlossene Hoch- on und Elektrolytkonzentration nötig. Dies als auch in einer ambulant durchgeführ- risikokollektiv waren nach einer medianen ist insofern bedeutsam, da viele dieser ten intravenösen Diuretikagabe bestehen. Nachbeobachtungszeit von 10,8 Monaten Patienten mit teilweise mehreren Diure- Somit waren praktisch alle Patienten mit bereits alle Events erreicht. Dies stellt eine tika (z. B. Schleifendiuretika und MRA) einer dekompensierten Herzinsuffizienz sehr kurze mediane Beobachtungsdauer behandelt werden. innerhalb der letzten 6 Monate für die dar, die möglicherweise die Ursache dafür SomitbietetVericiguatein überzeugen- Studienteilnahme geeignet; 66 % der ist, dass kein signifikanter Unterschied in des Sicherheitsprofil und lässt die begrün- Patienten wurden aufgrund einer Hos- Bezug auf die Sterblichkeit gesehen wur- dete Annahme zu, in einem Hochrisikokol- pitalisierung in den letzten 3 Monaten, de. Trotz der kurzen Nachbeobachtungs- lektiv die wirksame Zieldosis einerseits zu 18 % in den letzten 3 bis 6 Monaten und zeit konnte eine signifikante Reduktion erreichen und auch dauerhaft aufrechter- 16 % aufgrund einer i.v.-Diuretikatherapie der HI-bedingten Hospitalisierung gezeigt halten zu können. innerhalb der letzten 3 Monate in die werden. Studie eingeschlossen. Sowohl in Bezug auf die relative Risiko- Positionierung von Vericiguat in Der Einsatz von Vericiguat erfolgte reduktion (primärer Endpunkt) von 10 % Bezug auf aktuelle Leitlinien auch bei weit fortgeschrittener Nierenin- als auch in Bezug auf die absolute Risikore- suffizienz bis zu einer eGFR ≥ 15 ml/min. duktion von 4,2 Ereignissen pro 100 Pati- Die aktuellen ESC-Leitlinien empfehlen Wesentliche Baseline-Kriterien spiegeln entenjahre zeigte die Vericiguat-Gruppe 4 Grundpfeiler der Herzinsuffizienzthe- eine fortgeschrittene HFrEF-Population einen klar signifikanten Vorteil im Ver- rapie mit einer Klasse-I-Empfehlung: Be- wider (z. B. EF [Ejektionsfraktion]: 29 % gleich zu Placebo. Die sich daraus ergeben- tablocker, ACE-Hemmer/ARNi, MRA und im Mittel; NYHA III/IV über 40 %, NT- de NNT von 24 ist in dieser Patientenpopu- SGLT2-Inhibitoren. Vericiguat wird mit proBNP: 2816 pg/ml). Insbesondere dies lation ebenfalls als klinisch relevanter Vor- einer Klasse-IIb-Empfehlung als weite- unterscheidet die Studie von anderen teil anzusehen. Die Daten für den primären re Therapieoption für solche Patienten zulassungsrelevanten HFrEF-Studien der Endpunkt sind hierbei konsistent mit we- genannt, die sich trotz bestehender Basis- letzten Zeit, z. B. DAPA-HF für Dapagliflo- sentlichen sekundären Endpunkten sowie therapie verschlechtern. Die Verschlech- zin und PARADIGM-HF für Sacubitril/ mit relevanten Subgruppen- und Sensiti- terung – im Englischen „worsening“ – Valsartan. Insgesamt bildet die Patienten- vitätsanalysen. findet somit erstmalig in den Leitlinien population in VICTORIA somit sehr gut das Die Auswertung in Bezug auf den zur Herzinsuffizienz Erwähnung als eigene Bild einer spezifischen HFrEF-Population NT-proBNP-Wert zu Baseline ergab ers- Entität, die hier auf Grundlage der Kriterien ab, die sich aufgrund ihres Risikos von den te Anhaltspunkte, dass insbesondere die der VICTORIA-Studie (Notwendigkeit der chronisch stabilen HI-Patienten signifikant 3 unteren Gruppen (bis 5314 pg/ml) bes- Herzinsuffizienz-bedingten Hospitalisie- unterscheidet und auch aufgrund dessen, ser zu profitieren scheinen als diejenigen 474 Die Kardiologie 6 · 2022
rung oder ambulanten i.v.-Diuretikagabe) Rechtsherzinsuffizienz in Kombination mit wurden (ESC-Leitlinien mit Klasse-IIb Emp- aufgenommen wurde. pulmonalarteriellem Hypertonus vermu- fehlung). Die Therapie mit 2,5 mg kann be- reits in der Klinik oder im ambulanten Bereich Der zusätzliche Behandlungseffekt von ten; die Beantwortung dieser Fragestel- beginnen. Die gute Verträglichkeit und der Vericiguat auf Basis einer bereits bestehen- lung war jedoch in VICTORIA nicht vorge- minimale Blutdruckeinfluss ermöglichen zu- den optimierten Standardtherapie wur- sehen und müsste noch untersucht wer- dem eine einfache und zügige Titration auf de durch die Ergebnisse von VICTORIA den. Ungeklärt ist auch die Fragestellung, 10 mg. Dosisanpassungen bei geriatrischen eindrucksvoll belegt. In VICTORIA wurden ob das gesamte therapeutische Potenzi- Patienten sowie bei mittelgradiger Leber- oder schwerer Niereninsuffizienz bis zu einer auch gut 700 Patienten in beide Therapie- al von Vericiguat bereits komplett ausge- eGFR („estimated glomerular filtration rate“) arme aufgenommen, die zum Zeitpunkt schöpft ist oder ob ein früherer Beginn der von 15 ml/min/1,73 m2 sind nicht notwendig. der Randomisierung bereits mit Sacubitril/ Therapie aufgrund der guten Verträglich- Somit bietet Vericiguat eine neuartige, ein- Valsartan behandelt wurden. Subgruppen- keit therapeutisch sinnvoll sein könnte. Zur fache und sichere Therapieoption in einem analysen zeigen, dass Vericiguat auch in weiteren Untersuchung dieser Fragestel- Hochrisikopatientenkollektiv, für das es bis- her kaum Behandlungsoptionen gab. der Population, die bereits mit Sacubitril/ lungen wurde hier beispielsweise bereits Valsartan vorbehandelt ist, zu einer Bes- die Phase-III-Studie VICTOR initiiert, die serung der Symptomatik führt. einige dieser Punkte in einer chronischen Korrespondenzadresse Die vorliegenden Daten lassen daher Herzinsuffizienzpopulation, die nicht kürz- die Schlussfolgerung zu, dass Vericiguat lich dekompensiert ist, prospektiv unter- sicher auf dem Hintergrund einer beste- sucht (NCT05093933). henden Therapie mit den empfohlenen Erste Untersuchungen in Bezug auf den Herzinsuffizienzmedikamenten angewen- Einsatz von Vericiguat bei Herzinsuffizienz det werden kann. Es ist zu erwarten, dass mit erhaltener Pumpfunktion (HFpEF) er- im Praxisalltag die Zieldosis von 10 mg brachten keinen signifikanten Benefit für auch in einem Hochrisikokollektiv verläss- die Lebensqualität für Vericiguat in dieser lich erreicht und gehalten werden kann. Herzinsuffizienzpopulation [27]. Die Au- Die Daten aus der NT-proBNP-Interak- toren berichteten über die Ergebnisse ei- tionsanalyse ergeben erste Hinweise da- ner Phase-IIb-Studie (VITALITY-HFpEF), die rauf, dass Patienten in einem frühen oder die Auswirkungen einer 24-wöchigen Be- Prof. Dr. med. Ralf Dechend mittleren Stadium ihrer Erkrankung von handlung mit Vericiguat 10 mg, Vericiguat Helios Klinikum Berlin-Buch der Therapie mit Vericiguat am meisten 15 mg bzw. Placebo (Verhältnis 1:1:1) auf Lindenberger Weg 80, 13125 Berlin, profitieren. Patienten mit sehr hohen NT- den „physical limitation score“ des Kan- Deutschland ralf.dechend@charite.de proBNP-Werten sind in ihrem Krankheits- sas City Cardiomyopathy Questionnaires geschehen wohl bereits so weit fortge- (KCCQ) bei insgesamt 789 Patienten un- schritten, dass eine medikamentöse The- tersuchte. Die Differenzen zwischen den rapie im Allgemeinen und auch eine The- Baseline-Werten des KCCQ und denjenigen Förderung. Mit freundlicher Unterstützung der Firma Bayer Vital GmbH, Leverkusen. rapie mit Vericiguat für diese nicht mehr nach 24 Wochen waren zwar numerisch zugänglich ist und „zu spät“ kommt. Eine größer für die beiden Vericiguat-Arme, er- Funding. Open Access funding enabled and organi- Intensivierung bzw. Ausweitung einer me- reichten jedoch keine statistische Signifi- zed by Projekt DEAL. dikamentösen Therapie erscheint in die- kanz (p = 0,47 für den Vergleich Vericiguat sem Kollektiv nicht mehr zielführend und 15 mg gegen Placebo und p = 0,80 für Veri- effektiv anwendbar. ciguat 10 mg gegen Placebo). Die Autoren Einhaltung ethischer Richtlinien Mit der aufkommenden Entwicklung schlossen daraus, dass eine 24-wöchige Interessenkonflikt. N. Haase und S.M. Kedziora der personalisierten Therapie sind auch Therapie mit Vericiguat 10 mg und 15 mg geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht. R. De- nach den Ergebnissen von SOCRATES-RE- die körperlichen Einschränkungen einer chend erhielt Vortragshonorare der Firma Bayer Vital DUCED und VICTORIA noch einige Fra- Herzinsuffizienz mit erhaltener Pumpfunk- GmbH. Die Arbeitsgruppe R. Dechend/D.N. Müller erhielt Forschungsgelder der Firma Bayer AG. gen zu Vericiguat offen. Dazu zählt bei- tion nicht grundlegend verbessert. spielsweise die Frage, welche Mechanis- Für diesen Beitrag wurden von den Autor/-innen men durch die sGC-Stimulation letztlich keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Fazit für die Praxis Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort zu den protektiven Effekten geführt ha- Vericiguat stellt die erfolgreiche Transforma- angegebenen ethischen Richtlinien. ben. Eine Echokardiographiesubstudie in- tion eines effektiven Wirkprinzips aus der nerhalb VICTORIA mit 419 Patienten er- pharmakologischen Grundlagenforschung Open Access. Dieser Artikel wird unter der Creative in den täglichen Einsatz am Patienten dar. Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz gab trotz signifikanten Anstiegs der LVEF veröffentlicht, welche die Nutzung, Vervielfältigung, in beiden Gruppen jedoch keine signifi- ® Vericiguat (Verquvo ) ist eine neuartige The- Bearbeitung, Verbreitung und Wiedergabe in jegli- rapieoption, zugelassen zur Behandlung von chem Medium und Format erlaubt, sofern Sie den/die kante zusätzliche Differenz zwischen der symptomatischer, chronischer Herzinsuffizi- ursprünglichen Autor(en) und die Quelle ordnungsge- Vericiguat- und der Placebogruppe [34]. enz bei erwachsenen Patienten mit reduzier- mäß nennen, einen Link zur Creative Commons Lizenz Die Erfahrungen mit Riociguat lassen zu- ter Ejektionsfraktion, die nach einem kürz- beifügen und angeben, ob Änderungen vorgenom- dem einen positiven Effekt bei führender lichen Dekompensationsereignis stabilisiert men wurden. Die Kardiologie 6 · 2022 475
Abstract Die in diesem Artikel enthaltenen Bilder und sonstiges Drittmaterial unterliegen ebenfalls der genannten Soluble guanylate cyclase (sGC) stimulation with vericiguat. From the Creative Commons Lizenz, sofern sich aus der Abbil- pharmacological idea to the treatment of chronic heart failure dungslegende nichts anderes ergibt. Sofern das be- treffende Material nicht unter der genannten Creative Background: According to the new European Society of Cardiology (ESC) guidelines on Commons Lizenz steht und die betreffende Handlung nicht nach gesetzlichen Vorschriften erlaubt ist, ist für the diagnostics and treatment of acute and chronic heart failure, vericiguat (Verquvo ) ® die oben aufgeführten Weiterverwendungen des Ma- can be included in the treatment of adult patients with symptomatic chronic heart terials die Einwilligung des jeweiligen Rechteinhabers failure and reduced ejection fraction who, despite standard treatment after a recently einzuholen. occurring decompensation event, were stabilized with the necessary intravenous (i.v.) therapy. Weitere Details zur Lizenz entnehmen Sie bitte der Lizenzinformation auf http://creativecommons.org/ Objective: This review article summarizes the development of vericiguat, a soluble licenses/by/4.0/deed.de. guanylate cyclase stimulator (sGC stimulator), which is a good example for the stringent implementation of a novel pharmacological therapy approach into treatment of heart failure. It provides valuable approaches for the practical use via the characterization of Literatur this patient collective that was investigated for the first time. Results: The two relevant trials in the clinical development program for vericiguat, 1. McDonagh TA, Metra M, Adama M et al (2021) 2021 ESC guidelines for the diagnosis and treatment of SOCRATES-Reduced and VICTORIA, have clearly demonstrated the efficacy and safety of acute and chronic heart failure: developed by the vericiguat. The primary efficacy endpoint in the VICTORIA study “cardiovascular death task force for the diagnosis and treatment of acute or hospitalization due to heart failure” was significantly reduced in the vericiguat arm and chronic heart failure of the European Society of Cardiology (ESC) with the special contribution of compared to placebo. Relevant subgroup analyses as well as safety data confirm this the Heart Failure Association (HFA) of the ESC. Eur result and support the safe use in this high-risk population. Heart J 42(36):3599–3726 Conclusion: The presented data allow the conclusion that vericiguat can be 2. Vos T, Abajobir AA, Abate KH et al (2017) Global, efficaciously and safely added to an existing treatment with a recommended standard regional, and national incidence, prevalence, and years lived with disability for 328 diseases and medication for heart failure. It can be expected that in the routine practice the target injuries for 195 countries, 1990–2016: a systematic dose of 10 mg can be reliably reached and maintained. Vericiguat should be regarded analysis for the Global Burden of Disease Study as a novel, easy and safe treatment option in a vulnerable patient population, for which 2016. Lancet 390:1211–1259 there was previously hardly any medicinal treatment option. 3. World Health Organisation (2021) Globo- can—estimated age-standardized incidence rates (world) in 2020, all cancers, both sexes, Keywords all ages. https://www.uicc.org/news/globocan- Heart failure with reduced ejection fraction · Guideline-based therapy · Soluble guanylate cyclase 2020-new-global-cancer-data. Zugegriffen: 11. stimulator · Decompensation event · Personalised medicine Febr. 2022 4. Mozaffarian D, Benjamin EJ, Go AS et al (2016) American Heart Association Statistics Committee; Stroke Statistics Subcommittee. 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Veranstaltungshinweis and reduced ejection fraction. N Engl J Med 382:1883–1893 DGK Cardio Update 2023 28. Nightingale B (2021) A review of the propo- Topaktuell und praxisnah sed mechanistic actions of sodium glucose cotransporter-2 inhibitors in the treatment of 24. und 25. Februar, Berlin heart failure. Cardiol Res 12(2):60–66 und Livestream 29. Gheorghiade M, Greene SJ, Butler J et al (2015) Effect of vericiguat, a soluble guanylate cyclase 17. und 18. März, Mainz stimulator, on natriuretic peptide levels in patients und Livestream with worsening chronic heart failure and redu- ced ejection fraction: the SOCRATES-REDUCED randomized trial. JAMA 314(21):2251–2262 Profitieren Sie von einer hochkarätigen 30. Ezekowitz JA, O’Connor CM, Troughton RW et al und effizienten Fortbildung nach (2020) N-terminal pro-B-type natriuretic peptide bewährtem Update-Konzept: Die and clinical outcomes: vericiguat heart failure with reduced ejection fraction study. JACC Heart Fail wichtigsten Neuerungen des vergangenen 8(11):931–939 Jahres aus der Kardiologie werden unter 31. Saldarriaga C, Atar D, Stebbins A et al (2022) der wissenschaftlichen Leitung von Vericiguat in patients with coronary artery disease and heart failure with reduced ejection fraction. Prof. Dr. Michael Böhm (Homburg/Saar), Eur J Heart Fail. https://doi.org/10.1002/ejhf.2468 Prof. Dr. Stephan Achenbach (Erlangen), 32. MSDSharpandDohmeGmbH(2021)Fachinforma- Prof. Dr. Ulrich Laufs (Leipzig) und ® tion Adempas 0,5 mg/–1 mg/–1,5 mg/–2 mg/ Prof. Dr. Thorsten Lewalter (München) –2,5 mg Filmtabletten. https://www.msd.de/wp- content/uploads/sites/33/2021/09/FI_adempas_ kritisch selektiert, analysiert und filmtabletten_0.5mg-1mg-1.5mg-2mg_2.5mg. zusammengefasst. Die Relevanz für den pdf. Zugegriffen: 18. Apr. 2022 33. Lam CSP, Mulder H, Lopatin Y et al (2021) Blood Klinik- und Praxisalltag steht dabei im pressure and safety events with vericiguat in the Vordergrund und der ausführlichen VICTORIA trial. J Am Heart Assoc 10(22):e21094 Diskussion mit den Referierenden wird 34. Pieske B (2020) Effects of vericiguat on left ventricular structure and function in patients with viel Raum gegeben heart failure with reduced ejection fraction: the VICTORIA echocardiography substudy (Presented Kommen Sie nach Berlin oder Mainz und during the virtual session “Late-Breaking Clinical Trials” in context of the European Society of nutzen Sie die Gelegenheit zum direkten Cardiology Congress 2020 “HFA Discoveries”) Austausch mit Kolleginnen und Kollegen sowie die Möglichkeit, Ihre Fragen direkt im Speakers‘ Corner zu stellen. In diesem Jahr werden neben den Kerngebieten der Kardiologie die Hot Topics »Das perioperative Konsil«, »Telemonitoring« und »Kardioonkologie« vorgestellt. Zum Gesamtpaket der Teilnahme gehören umfangreiche Seminarunterlagen: Das Handbuch digital und bei Präsenzteil- nahme zusätzlich gedruckt, der Download aller Vortragspräsentationen und die Vorträge im Nachgang als Videos-on- Demand. Weitere Informationen zu Programm, Referierenden und zur Anmeldung: www.cardio-update.com Veranstalter: med update GmbH Hagenauer Straße 53 65203 Wiesbaden 478 Die Kardiologie 6 · 2022
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