Infektiologie & Gastroenterologie-Hepatologie - Auf dem Weg zur Elimination des Hepatitis-C-Virus - Health Concept
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ISSN 2306-8213 Sonderdruck 1 / 2020 Infektiologie & Gastroenterologie- www.universimed.com Hepatologie © iStockphoto.com/Chinnapong Auf dem Weg zur Elimination des Hepatitis-C-Virus Laufende österreichische Eliminationsprojekte IMPRESSUM: Herausgeber: Universimed Cross Media Content GmbH, Markgraf-Rüdiger-Straße 6–8, 1150 Wien. office@universimed.com. Geschäftsführung: Dr. med. Bartosz Chłap, MBA. Tel.: 01/876 79 56. Fax: DW 20. Chefredaktion: Mag. Thomas Schindl. E-Mail: thomas.schindl@universimed.com. Redaktion: Dr. Corina Ringsell. Externer Redakteur: Dr. Norbert Hasenöhrl. Projektleitung: Mag. René Milich. Grafik: Alexander Bayer. Druck: flyeralarm GmbH, Würzburg. Gerichtsstand: Wien. Entgeltliche Information gemäß § 26 Mediengesetz. Mit freundlicher Unterstützung durch die Gilead Sciences GmbH. AT-LVD-2020-01-0003
Sonderdruck HEPATOLOGIE Fachkurzinformation Vosevi 400 mg/100 mg/100 mg Filmtabletten: Pharmakotherapeutische Gruppe: Direkt wirkendes antivirales Mittel, ATC-Code: J05AP56. Qualitative und quantitative Zusammensetzung: Jede Filmtablette enthält 400 mg Sofosbuvir, 100 mg Velpatasvir und 100 mg Voxilaprevir. Sonstige Bestandteile: Sonstige(r) Bestandteil(e) mit bekannter Wirkung: Jede Filmtablette enthält 117 mg Lactose (als Monohydrat). Tablettenkern: Hochdisperses Siliciumdioxid, Copovidon, Croscarmellose Natrium, Lactose (als Monohydrat), Magnesiumstearat , Mikrokristalline Cellulose. Filmüberzug: Eisen(II,III)-oxid (E172), Eisen(III)-oxid (E172), Eisen(III)-hydroxid-oxid x H2O (E172), Macrogol, Poly(vinylalkohol), Talkum, Titandioxid (E171). Anwendungsgebiete: Vosevi wird bei Erwachsenen zur Behandlung der chronischen Hepatitis C-Virusinfektion (HCV) angewendet. Gegenanzeigen: Überempfind- lichkeit gegen die Wirkstoffe oder einen der sonstigen Bestandteile. Gleichzeitige Anwendung mit Arzneimitteln, die starke P-Glykoprotein (P-gp) Induktoren und/oder starke Cytochrom P450 (CYP)-Induktoren sind (z. B. Carbamazepin, Phenobarbital, Phenytoin, Rifampicin, Rifabutin und Johanniskraut). Gleichzeitige Anwendung mit Rosuvastatin oder Dabigatranetexilat. Gleichzeitige Anwendung mit Ethinylestradiol-haltigen Arzneimitteln, wie kombinierte orale Verhütungsmittel oder vaginale Hormonringe. Inhaber der Zulassung: Gilead Sciences Ireland UC, Carrigtohill, County Cork, T45 DP77, Irland. Rezept- und apothekenpflichtig, NR. Weitere Angaben zu Warnhinweisen und Vorsichtsmaßnahmen für die Anwendung, Wechselwirkungen, Schwangerschaft und Stillzeit, sowie Nebenwirkungen entnehmen Sie bitte der veröffentlichten Fachinformation. ▼ Dieses Arzneimittel unterliegt einer zusätzlichen Überwachung. Jeder Verdachtsfall einer Nebenwirkung zu Vosevi ist zu melden an Gilead Sciences GesmbH, Fax-Nr.: +43 (0)1 260 83 99, E-Mail: AustriaSafetyMailbox@ gilead.com, und/oder über das nationale Meldesystem an das Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen, Traisengasse 5, 1200 Wien, Österreich, Fax: +43 (0) 50 555 36207, Website: www.basg.gv.at Stand der Information: November 2019 2 Infektiologie & Gastroenterologie-Hepatologie 1 / 2020
Sonderdruck HEPATOLOGIE Auf dem Weg zur Elimination des Hepatitis-C-Virus Laufende österreichische Eliminationsprojekte Eine österreichische Expertengruppe traf sich auf Initiative von Gilead Sciences am Rande des diesjährigen Kongresses der American Association for the Study of Liver Diseases (AASLD) in Boston, um Maßnahmen zum Erreichen des WHO-Ziels einer Hepatitis-C-Elimination bis 2030 für Österreich zu diskutieren. W eltweit sind ca. 71 Millionen Men- schen mit dem Hepatitis-C-Virus (HCV) infiziert.1 In Österreich sind Schät- zungen zufolge etwa 0,3 % der Bevölke- rung davon betroffen. Mit der Marktein- führung direkt antiviraler Therapeutika („direct-acting antivirals“, DAA) wurde die Therapie der Hepatitis C revolutioniert. Innerhalb von 8 bis 12 Wochen kann das Virus über alle Genotypen (1–6) mit Er- folgsraten von 98 % und mehr eliminiert und somit eine vollständige Heilung der Betroffenen erzielt werden.2–4 Dasselbe gilt für den Erfolg der Therapie einer chro- nischen Hepatitis-C-Infektion bei HIV-ko- infizierten Personen.5 Die modernen Prä- parate sind im Allgemeinen sehr gut ver- träglich. Mit einer Dreifachkombination Teilnehmende Experten: OÄ Dr. Kristina Dax, Klinik für Interne II, Kepler Universitätsklinikum Linz; (Sofosbuvir/Velpatasvir/Voxilaprevir) steht Ao. Univ.-Prof. Dr. Peter Ferenci, Universitätsklinik für Innere Medizin III, Medizinische Universität Wien; zusätzlich eine sehr potente „Rescue“-The- Prim. Assoc. Prof. Dr. Arnulf Ferlitsch, Abteilung für Innere Medizin I, Krankenhaus der Barmherzigen rapie nach einem – unwahrscheinlichen – Brüder Wien; Ao. Univ.-Prof. Dr. Monika Ferlitsch, Universitätsklinik für Innere Medizin III, Medizinische Therapieversagen zur Verfügung.3 Universität Wien; Prim. Univ.-Prof. Dr. Michael Gschwantler, 4. Medizinische Abteilung, Wilhelminen- Die HCV-Therapie wird in Österreich spital Wien, Stellvertretender Präsident der ÖGGH; OÄ Dr. Stephanie Hametner-Schreil, Interne IV, von allen Krankenkassen nunmehr unab- Ordensklinikum Barmherzige Schwestern Linz; Prim. Univ.-Prof. Dr. Harald Hofer, Abteilung für Innere hängig vom Vorliegen einer Fibrose oder Medizin I, Klinikum Wels-Grieskirchen; Ing. Mag. Dr. Christian Kienbacher, Abteilung für Innere Medizin Zirrhose erstattet. Somit kann jeder HCV- I, Krankenhaus der Barmherzigen Brüder Wien; Prim. Univ.-Prof. Dr. Ludwig Kramer, 1. Medizinische positive Patient behandelt werden, ohne Abteilung, Krankenhaus Hietzing Wien; OA Dr. Hermann Laferl, 4. Medizinische Abteilung, SMZ Süd sich vorher einer Leberbiopsie unterziehen – Kaiser-Franz-Josef-Spital Wien; Prim. Priv.-Doz. Dr. Andreas Maieron, Klinische Abteilung für zu müssen. Innere Medizin II, Universitätsklinikum St. Pölten; Priv.-Doz. Dr. Mattias Mandorfer, Universitätsklinik für Innere Medizin III, Medizinische Universität Wien; Prim. Univ.-Prof. Dr. Markus Peck-Radosavljevic, Eine erfolgreiche HCV-Therapie verrin- Abteilung für Innere Medizin, Klinikum Klagenfurt; Assoc. Prof. Priv.-Doz. Dr. Thomas Reiberger, gert das Risiko für Folgeschäden der Leber Universitätsklinik für Innere Medizin III, Medizinische Universität Wien; Univ.-Prof. Dr. Rudolf wie Fibrose, Zirrhose, Dekompensation Stauber, Klinische Abteilung für Gastroenterologie und Hepatologie, Medizinische Universität Graz; sowie für die Entwicklung eines hepatozel- OA Dr. Michael Strasser, Universitätsklinik für Innere Medizin I, Uniklinikum Salzburg; Univ.-Prof. lulären Karzinoms. Auch extrahepatische Dr. Heinz Zoller, Universitätsklinik für Innere Medizin I, Universitätsklinik Innsbruck Komplikationen wie Diabetes mellitus, chronische Nierenerkrankung und das vas- Angststörungen werden durch die Thera- resultiert sowohl leberbezogen als auch kuläre Risiko (z. B. für Schlaganfälle) kön- pie ebenfalls nachhaltig verbessert.6–8 Das extrahepatisch eine nachhaltige Verbesse- nen durch die Heilung der Infektion redu- ist sowohl für den individuellen Patienten rung des Gesundheitszustandes der betrof- ziert werden. Psychische Komorbiditäten als auch für das Gesundheitssystem, wel- fenen Personen. Spätfolgen können somit und Folgeerkrankungen wie das „chronic ches die Therapie finanziert, ein wichtiger wirksam reduziert werden, was zur Kos- fatigue syndrome“, Depressionen und Faktor. Aus der Heilung der Hepatitis C teneffektivität der Therapie beiträgt.9–11 Infektiologie & Gastroenterologie-Hepatologie 1 / 2020 3
Sonderdruck HEPATOLOGIE Elimination der Hepatitis C: © UNIVERSIMED® kommende Herausforderungen 90 % Reduktion 80 % der behandlungsfähigen 65 % Reduktion neuer Fälle von chronischer Personen mit chronischer Hepatitis-C-assoziierter Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) Hepatitis C Hepatitis C unter Behandlung Todesfälle hat nun mit der „Global Health Sector Stra- 100 tegy on Viral Hepatitis“ ambitionierte Zie- le ausgerufen. Bis 2030 sollen 90 % der 80 chronischen Hepatitis-C-Patienten dia- gnostiziert sein und davon 80 % behandelt 60 werden.12 Neuinfektionen sollen darüber Prozent hinaus bis 2020 um 30 % und bis 2030 um 40 90 % reduziert werden. Hier sind natürlich auch Reinfektionen nach erfolgreicher 20 Therapie zu beachten. „Für Österreich gibt es keinen offiziel- 0 len nationalen Eliminationsplan, im Rah- Neue Fälle von chronischer Behandlungsfähige Hepatitis-C-assoziierte Hepatitis C Personen mit chronischer Todesfälle men von sogenannten Mikroeliminations- Hepatitis C projekten tut sich allerdings einiges, um das Ziel der WHO zu erreichen“, fasst Prim. Abb. 1: WHO-Ziele zur Elimination der viralen Hepatitis C bis 2030 (Quelle: WHO Global Health Univ.-Prof. Michael Gschwantler vom Wil- Sector Strategy in Viral Hepatitis, 2016-21) helminenspital Wien die aktuelle Situation in Österreich zusammen. Derzeit bestehen demnach zumindest terreich mit etwa 20 000 bis 30 000 ange- ckung mit dem Hepatitis-C-Virus erfolgt, zwei große Aufgabenfelder: das des Scree- geben, die Mehrheit davon soll im Drogen- indem es in die Blutbahn gelangt. Über nings bzw. der Steigerung der Diagnosera- milieu angesiedelt sein. Das Bundesminis- Wunden in Haut und Schleimhäuten kann te und das der Therapie. terium für Arbeit, Soziales, Gesundheit das Virus in die Blutbahn eindringen. Dem- und Konsumentenschutz kümmert sich entsprechend sind häufige Infektionswege Datenbasis für Ausgangslage aktuell, gemeinsam mit der Agentur für das Teilen von Drogen-Injektionsbesteck und Reevaluation Gesundheit und Ernährungssicherheit („needle sharing“), aber auch gemeinsam (AGES), um die Verbesserung der Daten- verwendete Utensilien für den nasalen Auf Basis der für Tirol verfügbaren epi- qualität, wie im letzten – ebenfalls von Konsum von Drogen und bestimmte Sexu- demiologischen Daten hat ao. Univ.-Prof. Gilead Sciences initiierten – Treffen der alpraktiken.14 Daher sind in Österreich die Heinz Zoller von der Medizinischen Uni- Expertengruppe „HepC Elimination 2.0“ Hochrisikopopulationen bei Personen mit versität Innsbruck gemeinsam mit dem berichtet wurde. i.v. Drogenkonsum („people who inject Center for Disease Analysis (CDA) die zu „Das WHO-Ziel in Angriff zu nehmen drugs“, PWID), bei inhaftierten Menschen erwartende Entwicklung der Prävalenz- bedeutet auch die Notwendigkeit einer und homosexuellen Männern („men who zahlen berechnet, ausgehend vom Status ständigen Reevaluation des Status quo“, have sex with men“, MSM) mit häufig quo hinsichtlich der Therapiestrategie und betont Prim. Univ.- Prof. Gschwantler. „Nur wechselnden Geschlechtspartnern, die be- der Anzahl der Patienten in Therapie. Um so können wir annähernd den Überblick stimmte Risikopraktiken anwenden, zu das WHO-Ziel für 2030 zu erreichen, müss- behalten, wie sich die Prävalenz- und Inzi- finden. Ein Risiko einer Infektion mit He- ten auf Basis dieses Modells zwischen 2015 denzzahlen entwickeln und ob schlussend- patitis C haben aber beispielsweise auch und 2030 etwa 1000 Patienten neu diagnos- lich die Ziele der WHO für 2030 in Öster- Personen, die Blutprodukte vor dem Jahr tiziert und behandelt werden, um 1200 Neu- reich erreicht werden“, führt er aus. 1992 erhalten haben, da diese nicht auf infektionen zu verhindern. Dadurch könn- Hepatitis C getestet waren (siehe Kasten ten 150 Leberzirrhosen und damit assozi- Identifikation und Screening Risikoselbsteinschätzung). „Darüber hin- ierte Folgeerkrankungen verhindert wer- von Risikopopulationen aus ist die Gruppe der HIV-infizierten Pati- den.13 Prim. Univ.-Prof. Harald Hofer und enten in Österreich aufgrund der ‚Austrian Prim. Univ.-Prof. Markus Peck-Radosavljevic Eine der größten verbleibenden Heraus- HIV Cohort Study‘ (AHIVCOS) sehr gut haben nach diesem Vorbild Berechnungen forderungen in der Elimination der Hepa- definiert und erreichbar. Da diese häufig für Oberösterreich und Kärnten erstellt. titis C ist die Steigerung der Diagnoserate aus den oben genannten Risikogruppen Da aktuell für Österreich keine ausrei- bei einer Erkrankung mit einer sehr hohen stammen, ist eine Koinfektion mit Hepati- chend exakten Prävalenzdaten zur Verfü- Dunkelziffer. tis C relativ häufig. Das Risiko für End- gung stehen, wird es jedoch nur annähe- Der Begriff „Risikopopulationen“ darf organschäden und das Karzinomrisiko sind rungsweise möglich sein, die geforderten in diesem Kontext keinesfalls einseitig ver- bei HIV/HCV-koinfizierten Patienten zu- Prozentzahlen zu erbringen. Derzeit wird standen werden. Eine Stigmatisierung ist sätzlich erhöht, weshalb hier eine Therapie die Zahl der Hepatitis-C-Patienten in Ös- dabei tunlichst zu vermeiden. Die Anste- für den individuellen Patienten ausgespro- 4 Infektiologie & Gastroenterologie-Hepatologie 1 / 2020
Sonderdruck HEPATOLOGIE chen wichtig ist“, führt Assoc. Prof. Tho- häufig trotz Substitution weiter aufrechten seit Längerem.17 In seinem Projekt in Ko- mas Reiberger, MedUni Wien, aus. i.v. Drogenkonsums zur Population mit ei- operation mit der Suchthilfe Wien und fast Auf diese Risikogruppen (PWID, be- nem hohen Risiko für einen positiven Be- 100 Apotheken in Wien werden Patienten, stimmte MSM, inhaftierte Personen, HIV/ fund, Neuinfektionen oder Reinfektionen. welche unter Opioid-Substitutionstherapie HCV-Koinfizierte) gilt es sich vorerst zu Hier gilt es speziell auf die Gruppe der (OST) stehen, gescreent und bei positivem konzentrieren, war sich die Expertengrup- Patienten mit „borderline compliance“ im HCV-RNA-Nachweis einem Therapieange- pe einig. Es gilt also die Risikopopulation Sinne einer „open door policy“ einzuge- bot zugeführt. Die Ausgabe der HCV-The- einer HCV-Infektion exakt zu definieren, hen, sind sich alle anwesenden Spezialis- rapie wird dabei an die Ausgabe der OST konsequent zu screenen und bei positivem ten einig. Barrieren sollen abgebaut und in der Apotheke gekoppelt. „Das hat den HCV-RNA-Nachweis ein entsprechendes die Patienten nicht durch Hindernisse, wie Vorteil einer stabilen Therapieadhärenz Therapieangebot zu stellen. Hierfür steht beispielsweise lange Wartezeiten, verloren und Therapieeffektivität“, so Prim. Univ.- mit einem Speicheltest ein sehr wirksames werden. Auch dieser Ansatz scheint inter- Prof. Gschwantler. Darüber hinaus ist die- und breit anwendbares Tool zur Verfü- national kosteneffektiv zu sein.15 ses Projekt ein besonderes Beispiel für die gung, welches unter den primären Kon- Zu Beginn der österreichischen Diskus- Zusammenarbeit verschiedener Stakehol- taktpersonen und Anlaufstellen wie Subs- sionsrunde wurde von Prof. Alex Thompson, der und nimmt darin eine Vorreiterrolle in titutionsärzten, Suchthilfestellen und St. Vincent’s Hospital Melbourne, das lau- Österreich ein. Zudem wurde das Scree- Schwerpunktapotheken Verbreitung fin- fende „Treatment as prevention“(TAP)- ning der Patienten auf die OST-Bewilli- den sollte, betonen die Spezialisten. Projekt vorgestellt.16 Auch in Australien ist gungsstellen erweitert, die zur Bewilli- Ähnlich beschreibt auch ao. Univ.-Prof. laut Prof. Thompson die Majorität der gung von Substitutionsrezepten zumeist Peter Ferenci, MedUni Wien, das erprobte HCV-Patienten unter PWID zu finden. Pri- monatlich frequentiert werden müssen. Vorgehen in der Gruppe jener Patienten, mär hat man hier verstanden, dass es auch die sich im Rahmen einer Blutplasmaspen- das soziale Netzwerk einer PWID ist, um Inhaftierte Personen de infiziert haben. Durch konsequente Ein- das man sich verstärkt kümmern muss, da Assoc. Prof. Reiberger betont die Not- bestellung der Plasmaspender zur Hepati- PWID oft Nadelmaterial teilen bzw. auch wendigkeit, auf die Patienten zuzugehen. tis-C-Screening-Untersuchung konnten durch Sexualkontakte Reinfektionen von Er kommt dem selbst schon seit Längerem viele Patienten einer Therapie und Heilung bereits behandelten Personen vorkommen. nach, indem er inhaftierte Patienten mit zugeführt werden. „In der Gruppe der Plas- In diesem Projekt besucht speziell ausge- HCV und/oder HIV direkt im Gefängnis maspender sind heute kaum noch infizier- bildetes Pflegepersonal mit einem Kleinbus aufsucht und behandelt. „Die Inhaftierten te Menschen zu finden“, schließt der erfah- die PWID beispielsweise im Umfeld soge- sollen weiterhin im Rahmen der Eingangs- rene Experte dieses Thema. nannter ‚safe-injecting rooms‘, also an Or- untersuchung gescreent werden, zudem ten, in denen PWID straffrei i. v. Drogen- soll Aufklärung betrieben und nach Einho- Therapie als Prävention konsum mit sauberem Nadelmaterial er- lung einer Einverständniserklärung ein möglicht wird. Teilnehmer wurden hin- entsprechendes Therapieangebot gemacht In Österreich laufen aktuell mehrere sichtlich ihres HCV-Status gescreent und werden“, fasst Prim. Priv.-Doz. Andreas sogenannte Mikroeliminationsprojekte, bei positivem Ergebnis niederschwellig zur Maieron, Universitätsklinikum St. Pölten, die sich auf die Hauptaufgaben des Scree- DAA-Behandlung ans Zentrum angebun- das Konzept zusammen, das er zur Umset- nings von Risikopopulationen, den Aufbau den. Zusätzlich konnten die Patienten ihre zung in niederösterreichischen Haftanstal- von Kooperationen und die Einrichtung „Needle sharing“-Partner im Sinne einer ten vorschlägt. Dieser Ansatz scheint auch möglichst niederschwelliger Therapieset- „Treat your friends“-Strategie für ein kosteneffektiv für das Gesundheitssystem tings konzentrieren. Screening nominieren und damit ggf. zu sein.9 ebenfalls einer DAA-Therapie zuführen – ein Auch für das Leben nach der Haft hat Personen mit intravenösem hervorragendes Beispiel für direkte Parti- Assoc. Prof. Reiberger eine Broschüre vor- Drogenkonsum zipation im Feld der Betroffenen und die bereitet, in der Empfehlungen für die weite- Durch das Teilen von Injektionsbesteck Ausweitung der Reichweite. Das Projekt re gesundheitliche Versorgung und nützliche und das gemeinsame Verwenden von Na- wurde durch die öffentliche Hand und einen Kontaktadressen angeführt sind. Durch die deln kann das HCV leicht übertragen wer- Grant von Gilead Sciences finanziert. weitere Anbindung an Hausärzte und OST- den. Daher ist die Risikogruppe der PWID verschreibende Kollegen bzw. bei bestehen- besonders für Neu- und Reinfektionen an- „Directly observed therapy“ der Hepatitis-C-Erkrankung an das HCV- fällig. „Unter PWID gibt es wiederum ver- Opiatabhängige Patienten, die in ein Sub- Zentrum am AKH über das HCV-Phone schiedene Gruppen. Jene mit einer hohen stitutionsprogramm eingeschlossen sind, (siehe unten) soll der weitere Kontakt si- Therapietreue, andere mit einer ‚border- sind aufgrund der laufenden medizinischen chergestellt und spätestens nach Haftent- line compliance‘ und solche, mit denen Anbindung leicht zu erreichen und eignen lassung eine Therapie ermöglicht werden. aktuell kein nachhaltiger Behandlungsplan sich damit hervorragend, um systemati- durchgeführt werden kann“, fasst Prim. sche Screenings auf das Vorhandensein Homosexuelle Männer Univ.-Prof. Gschwantler zusammen. Sie von HCV durchzuführen. Diesen Umstand Einige Sexualpraktiken von MSM füh- zählen aufgrund des erfolgten als auch des nutzt Prim. Univ.-Prof. Gschwantler bereits ren zu einem erhöhten Risiko einer Infek- Infektiologie & Gastroenterologie-Hepatologie 1 / 2020 5
Sonderdruck HEPATOLOGIE tion mit sexuell übertragbaren Erkran- kungen wie der Hepatitis C. Sogenannte Factbox „Chemsex-Partys“, bei denen v. a. unter • Die moderne Hepatitis-C-Therapie kann über eine kurze Dauer (8–12 Wochen) dem Einfluss synthetischer Drogen die erfolgen und erreicht Heilungsraten von > 98 %, bei geringem Risiko von Schwelle zu ungeschütztem Geschlechts- Nebenwirkungen.2–5 verkehr deutlich herabgesetzt ist, führen • Ohne Therapie erhöht sich das Risiko für hepatische Folgeschäden wie Fibrose, zu erhöhten Raten von Neuinfektionen und Zirrhose, Dekompensation und das hepatozelluläre Karzinom.6–8 Reinfektionen. Assoc. Prof. Reiberger schätzt, • Selbst extrahepatische Komorbiditäten wie Diabetes mellitus können dass sich die infrage kommende Population aggravieren.6–8 in Wien auf etwa 2000 Personen beläuft. • Auch nach virologischer Heilung ist eine hepatologische Nachsorge wichtig. Laut seinen Zahlen aus Wien ist die Grup- • Um das WHO-Ziel einer HCV-Elimination bis 2030 zu erreichen . . . pe, die sexuelle Hochrisikopraktiken aus- o . . . ist eine enge Netzwerkbildung auf allen Ebenen (Politik, niedergelassene übt, deutlich im Zunehmen begriffen. Die- Ärzte, Spitäler, Zentren, Apotheken, Suchthilfe, Justizanstalten etc.) nötig. sen soll ein HCV-Screening kostenlos zur o Niederschwelliges Screening und Zugang zur Therapie sind die Grundlage Verfügung gestellt und bei positivem Test- für Erfolg – die aktuelle „Zentrumslösung“ scheint Therapiestrategien ergebnis niederschwellig eine Anbindung zu komplizieren. und Therapie über das HCV-Phone (siehe o Laufende Mikroeliminationsprojekte nehmen dabei Vorreiterrollen ein. unten) ermöglicht werden. Diagnostizierte, aber nie therapierte Unten stehende Fragen ermöglichen eine erste Selbsteinschätzung, Patienten ob ein mögliches Risiko für eine Hepatitis-C-Infektion besteht. Viele Patienten werden aus unterschied- Bei mir wurden schon einmal erhöhte Leberwerte festgestellt (Transaminasen: GOT/AST, GPT/ALT). lichen Gründen (z. B. vor einer Operation, bei einem Krankenhausaufenthalt etc.) auf Ich habe vor 1992 eine Bluttransfusion (Fremdblut) bzw. Blutprodukte erhalten. das Vorliegen möglicher Infektionskrank- Ich habe längere Zeit in einem Land mit hoher Verbreitung der Hepatitis C verbracht. heiten untersucht. Handelt es sich bei- spielsweise um einen kleinen Akuteingriff, Ich habe mir aktuell oder in der Vergangenheit Drogen intravenös bzw. über die Nase kann es vorkommen, dass diesen Patienten verabreicht. entweder das Ergebnis nie mitgeteilt oder Ich lebe mit einer Person, die an Hepatitis C erkrankt ist, in einem gemeinsamen Haushalt. keine Therapie bzw. keine Anbindung an Bei meinem Sexualpartner wurde eine Hepatitis-C-Virusinfektion festgestellt eine hepatologische Spezialambulanz an- (bei Sexualpraktiken mit Gefahr einer Blut-zu-Blut-Übertragung). geboten wurde. Diese Personen könnten beispielsweise über eine selektive Recher- Tab. 1: Screeningfragen zur Selbsteinschätzung des HCV-Infektionsrisikos che der krankenhausinternen Laborergeb- nisse gefunden, einberufen und einem Therapieangebot zugeführt werden. Ent- Priv.-Doz. Reiberger möchte mit dem Netzwerkprojekte sprechende Projekte wurden bereits initi- „HCV-Phone“ genau dieser Problematik iert, in denen durchaus relevante Fallzah- gerecht werden. „Es sollte vermieden wer- Bei einem so ambitionierten Vorhaben len positiver HCV-RNA-Nachweise erbracht den, dass die Patienten durch die oft sehr wie der Hepatitis-C-Elimination bis 2030 wurden. Problematisch könnten hierbei mühsame Terminvereinbarung mit der benötigt es eine enge Zusammenarbeit al- möglicherweise datenschutzrechtliche Be- Leitstelle und die Wartezeiten von Wochen ler Stakeholder, darüber waren sich die denken sein, denen jedoch durchaus der abgeschreckt werden und der Kontakt da- Experten einig. individuelle Nutzen der Behandlung einer durch verloren geht“, betont er. HCV-posi- Allgemeinmediziner, Psychiater, Apo- allfälligen HCV-Erkrankung gegenüber- tive Patienten können sich unter einer te- theken, Suchthilfen, Primärversorgungs- steht, waren sich die Experten einig. lefonischen Hotline melden und entweder zentren und Justizanstalten müssen weiter direkt einen Termin vereinbaren oder sie konsequent ins Boot geholt werden. Da- Niederschwelliges Therapieangebot werden verlässlich zurückgerufen, sollten durch kann ein optimaler Kontakt mit Ri- und Simplifizierung sie sich außerhalb der Arbeitszeiten mel- sikopopulationen hergestellt und suffizient den. Das „HCV-Phone“ ist somit immer gescreent werden. Im Anschluss soll im Bei einer derart heterogenen und dyna- erreichbar und wird auch einer persönli- Sinne der „linkage to care“ eine unkompli- mischen Population sowie bedingt durch chen und kontinuierlichen Betreuung ge- zierte Anbindung an ein Therapiezentrum die Angst vor einer Stigmatisierung der recht, die gerade in dieser Patientenpopu- erfolgen. Betroffenen sind ein niederschwelliges lation wichtig ist. Simplifizierung des The- Beispielsweise könnten in Apotheken, Therapieangebot und ein schneller, un- rapieablaufs und ein einfacher Zugang zur die OST ausgeben, freiwillige Speicheltests komplizierter Zugang zu Therapie und me- Behandlung waren für alle Teilnehmer angeboten werden. Prim. Priv.-Doz. Maie- dizinischer Anbindung wichtig. gleichermaßen von zentraler Bedeutung. ron bemüht sich hier, ein Netzwerk mit 6 Infektiologie & Gastroenterologie-Hepatologie 1 / 2020
Sonderdruck HEPATOLOGIE niederösterreichischen Apotheken und konsumieren und schlicht keinen Bedarf 9 Dalgic OO et al.: Scientific Reports 2019; 9(1): 16849 Allgemeinmedizinern aufzubauen und der haben, dennoch aber mit HCV-infiziert 10 Chhatwal J et al.: Ann Intern Med 2015; 162(6): 397-406 11 He T et al.: Aliment Pharmacol Ther 2017; 46(8): 711-21 Knappheit an Versorgung und Expertise in sein könnten. 12 World Health Organization: Combating hepatitis B and ländlichen Regionen entgegenzuwirken. Weiters sieht die aktuelle Situation in C to reach elimination by 2030. Abrufbar unter: https://www. Hierbei soll die initiale Ansprache durch Österreich vor, dass DAA nur in anerkann- who.int/hepatitis/publications/hep-elimination-by-2030- die OST-ausgebenden Apotheker erfolgen ten Hepatitis-C-Zentren verordnet werden brief/en; zuletzt aufgerufen am 15.11.2019 13 Schaefer B et und die primäre Aufklärung über Trans- dürfen. Darüber hinaus ist die Bewilligung al.: PloS One 2018; 13(7): e0200750 14 Chromy D et al.: Clin Infect Dis 2019; pii: ciz948. doi: 10.1093/cid/ciz948. mission, Gesundheitsrisiko und die moder- des verordneten Präparates chefarztpflich- [Epub ahead of print] 15 Barbosa C et al.: Addiction 2019; ne nebenwirkungsarme Therapie stattfin- tig. „Daraus entstehen große geografisch- doi: 10.1111/add.14731. [Epub ahead of print] 16 Hellard M et den. Die Grunduntersuchung wie auch die logistische Hürden für den Patienten“, fasst al.: Int J Drug Policy 2015; 26(10): 958-62 17 Schutz A et Einholung einer Einverständniserklärung Prim. Priv.-Doz. Maieron die komplizierte al.: J Viral Hepat 2018; 25(7): 870-3 entsprechend der DSGVO sollen dann Situation, bis der Patient tatsächlich ein durch den Hausarzt erfolgen. Die virtuelle DAA-Präparat in Händen hält, zusammen. Erstkonsultation des beteiligten Zentrums Eine Möglichkeit, Therapiebarrieren zu am Universitätsklinikum St. Pölten ge- reduzieren, wäre, diese Zentrumslösung schieht danach telemedizinisch. neu zu evaluieren. „Eine entsprechenden Therapieindikation, Chefarztbewilligung Initiative der Österreichischen Gesell- und Übermittlung des Rezeptes an die aus- schaft für Gastroenterologie und Hepato- gebende Apotheke sollen so vereinfacht logie (ÖGGH) ist für 2020 geplant“, so geschehen. Die Therapieadhärenz wird Priv.-Doz. Mattias Mandorfer. nach dem Vorbild beim Vorgehen mit der Über die Mikroeliminationsprojekte hi- „directly observed therapy“ gesteigert, in- naus wurde ein generelles „Awareness- dem die DAA-Therapie direkt an die tägli- Projekt“ vorgeschlagen. Mittels Informati- che OST-Ausgabe gekoppelt und unter onskampagnen über reichweitenstarke Aufsicht der Apotheke eingenommen wird Medien könnte Wissen vermittelt und könnten Barrieren abgebaut werden. In der Identifizierte Problemfelder allgemeinen Bevölkerung sollen Patienten durch einfache Fragen (siehe Kasten) auf- Neben der grundsätzlichen Finanzie- merksam gemacht werden und sich ge- rung der HCV-Therapie versicherter Pati- gebenenfalls einer Untersuchung unter- enten gibt es noch einzelne nicht versicher- ziehen. te Personengruppen (inhaftierte Men- Insgesamt sollen für die Zielgruppen schen, Migranten mit unklarem Aufent- angepasste, niederschwellige Maßnahmen haltstitel etc.), bei denen es schwierig ist, zur Prävention, Diagnostik und Therapie eine Erstattung der Therapie zu bewirken. in enger Zusammenarbeit aller Stakehol- Wichtig ist hier jedoch, zu verstehen, dass der (weiter-)entwickelt werden. ◼ diese Patienten weiterhin potenziell im Gesamt-Pool für Neu- und Reinfektionen Bericht: beinhaltet sind. Eine Therapiekostenüber- Ing. Mag. Dr. Christian Kienbacher nahme für alle identifizierten Patienten KH Barmherzige Brüder Wien wäre daher vorteilhaft für das Erreichen der Eliminationsziele. Insgesamt handelt es sich dabei um ein Quelle: gesellschaftlich sehr negativ besetztes Pro- „Hepatitis C Elimination Roundtable“, Veranstaltung der Firma Gilead Sciences, 10. November, Boston/USA blemfeld. Bei den Betroffenen könnte Scham bestehen, sich testen zu lassen und Literatur: sich in weiterer Folge durch ein positives 1 World Health Organization: Global Hepatitis Report 2017; Testergebnis stigmatisiert zu sehen. Diese abrufbar unter: https://www.who.int/hepatitis/publica- Barriere möchte die Expertengruppe durch tions/global-hepatitis-report2017/en/; zuletzt aufgerufen Aufklärungsarbeit auf allen Ebenen sen- am 17.11.2019 2 Mangia A et al.: PloS One 2019; 14(5): ken. Dazu gehört beispielsweise auch die e0215783 3 Llaneras J et al.: J Hepatol 2019; 71(4): 666-72 Identifikation von Drogenkonsumenten, 4 Brown RS et al.: J Hepatol 2019; pii: S0168-8278(19) 30647-6. doi: 10.1016/j.jhep.2019.10.020. [Epub ahead of die nicht konkret an ein Zentrum angebun- print] 5 Chromy D et al.: United European Gastroenterol J den sind, weil sie dies aus unterschiedli- 2019; 7(4): 507-16 6 Ioannou GN, Feld JJ: Gastroenterol chen Beweggründen nicht wünschen oder 2019; 156(2): 446-60 e2 7 Colussi G et al.: WJG 2019; nur unregelmäßig i.v. oder nasal Drogen 25(40): 6094-106 8 Mahale P et al.: Gut 2018; 67(3): 553-61 Infektiologie & Gastroenterologie-Hepatologie 1 / 2020 7
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