Management des Goldenen Scheckenfalters - Eine Untersuchung in Niedermoorgebieten des württembergischen Allgäus - Bamann Faunistik
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Thomas Bamann und Birgit Dittrich, Management des Goldenen Scheckenfalters Management des Goldenen Scheckenfalters Originalarbeit Eine Untersuchung in Niedermoorgebieten des württembergischen Allgäus Von Thomas Bamann und Birgit Dittrich Abstracts Der Goldene Scheckenfalter (Euphydryas aurinia) gehört in Mit- Management of the marsh fritillary – Survey in fen meadows of teleuropa aufgrund der großflächigen landwirtschaftlichen In- the Allgäu region tensivierung zu den am stärksten gefährdeten Tagfalterarten. Due to agricultural intensification the marsh fritillary (Euphy Unsicherheiten bestehen vor allem hinsichtlich der erforder dryas aurinia) has become one of the most endangered butterfly lichen Maßnhamen mit dem Ziel eines effizienten Schutzes der species throughout Central Europe. There is a lack of knowledge Art. So sind die Auswirkungen der Mahd auf die Überlebensraten about suitable conservation measures for the species in general der Larven noch ungeklärt. and about the impact of mowing on larval survival in particular. Untersuchungen in Niedermoorgebieten des württembergi- Our study in fen meadows in the Allgäu region, located in the schen Allgäus belegen, dass rein durch den Mahdvorgang keine southeastern part of the German federal state of Baden-Würt- Beeinträchtigung der Larven stattfindet. Vielmehr sind Faktoren temberg, clearly showed that the larval stages are not negative- wie Metapopulationsverbund, Habitatstruktur, Witterung und ly affected by mowing. Habitat networks (due to the metapop- Parasitoidendruck entscheidend für eine langfristige Persistenz ulation structure), habitat structure, weather conditions, and der Art. parasitoids are more likely to be the main drivers of long-term Schutzmaßnahmen müssen daher einen möglichst engen Ver- persistence of E. aurinia. Therefore, conservation measures have bund zahlreicher Habitate mit geeigneter Vegetationsstruktur to incorporate a dense network of habitat patches with suitable anstreben. Von der gängigen Praxis der Naturschutzpflege (spä- vegetation structure. In contrast to previously conducted habitat te Schnittzeitpunkte, große Schnitthöhe, Belassen größerer management practices for the species (late mowing date, high Brachebereiche) muss zugunsten einer mageren und niedrig- mowing height, leaving of uncut parts), habitat management wüchsigen Vegetationsstruktur zur Förderung des Goldenen for the Marsh Fritillary and many other threatened species should Scheckenfalters und weiterer gefährdeter Insektenarten abge- aim at creating low-nutrient and low-growing vegetation with- wichen werden. in the habitat patches. 1 Einleitung Biotopschutzprogramm des Landes aufge- indirekte Einflüsse (z.B. Entfernen der Rau- nommen. Im Rahmen der Umsetzung des pengespinste mit dem Mähgut) beeinträch- 1.1 Allgemeines Artenschutzprogramms werden für jedes tigt werden. Dieser Frage wurde im Som- einzelne Vorkommen spezifische Schutz- mer 2015 im Rahmen einer Abschlussarbeit Der Goldene Scheckenfalter (Euphydryas und Pflegemaßnahmen erarbeitet, um nachgegangen. aurinia) (Rottemburg, 1775) gehört in einen möglichst effizienten Schutz der Art Mitteleuropa zu den am stärksten gefähr- zu gewährleisten. 1.2 Autökologie des Goldenen deten Tagfalterarten. Weite Bereiche seines Während die Autökologie des Goldenen Scheckenfalters ehemaligen Areals musste die Art vor allem Scheckenfalters mittlerweile gut erforscht aufgrund landwirtschaftlicher Intensivie- und die Ansprüche der Art an ihre Habita- Der Goldene Scheckenfalter besiedelt ein rung aufgeben (Ebert & Rennwald 1991, te gut verstanden sind (z.B. Anthes et al. sehr breites Habitatspektrum, das von tro- Fischer 1997, Thoss 2004). Die europä 2003b), bestehen immer noch Unsicher- cken bis nass reicht (z.B. Ebert & Renn- ische Staatengemeinschaft hat sich deshalb heiten hinsichtlich eines effizienten Ma- wald 1991, Nunner et al. 2013). Aufgrund mit der Aufnahme der Art in den Anhang nagements der Art (Anthes et al. 2003a, des Wegfalls mesophiler Standorte durch II der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie Bräu & Nunner 2003, Hula et al. 2004). flächendeckende Nutzungsintensivierung (FFH/92/43/EEC) verpflichtet, Maßnah- Vor allem der Einfluss der Mahd auf die in werden heutzutage die Extreme (xerother- men zur dauerhaften Existenzsicherung Gespinsten gemeinschaftlich (gregär) le- me Magerrasenkomplexe und streugenutz- der Art zu ergreifen. Hierzu gehören die benden Raupen wurde bisher nicht im te Niedermoore) besiedelt. Gemein ist Ausweisung von FFH-Gebieten und die Detail untersucht (Anthes et al. 2003b, diesen Lebensräumen eine sehr extensive Erstellung von spezifischen Management- Anthes & Nunner 2006). Vorhandenes Nutzung, eine geringe Nährstoffverfügbar- plänen (MaP), denen ein detailliertes Wissen beschränkt sich meist auf einzelne keit und oft eine eher niedrigwüchsige Schutz- und Maßnahmenkonzept zugrun- Zufallsbeobachtungen oder auf theoreti- Vegetation mit lückigem Obergrashorizont de liegt. sche Schlussfolgerungen ohne direkten (Anthes et al. 2003b, Konvicka et al. 2003, Der Goldene Scheckenfalter gilt Beleg (Bräu & Nunner 2003), weshalb Nunner et al. 2013). In Feuchtlebensräu- deutschlandweit als stark gefährdet (Rein- Forschungsbedarf besteht. men dient der Teufelsabbiss (Succisa pra hardt & Bolz 2011), in Baden-Württem- Konkret stellt sich die Frage, ob und in tensis) als wichtigste Wirtspflanze. Seltener berg wird er als „Vom Aussterben bedroht“ welchem Umfang Larven oder ganze Lar- werden vor allem nach der Überwinterung eingestuft (Ebert et al. 2005). Deshalb venkollektive durch den Mahdvorgang verschiedene andere Pflanzen (z.B. Enzi wurden in Baden-Württemberg alle be- entweder durch direkte Einwirkungen (z.B. ane aus der Gattung Gentiana) als Nahrung kannten Populationen in das Arten- und Zerschneiden, Zerquetschen) oder durch akzeptiert (Übersichten bei Anthes et al. Naturschutz und Landschaftsplanung 49 (9), 2017, 283-290, ISSN 0940-6808 283
Thomas Bamann und Birgit Dittrich, Management des Goldenen Scheckenfalters Originalarbeit Abb. 1: Direkt an der Basis einer vom Goldenen Scheckenfalter mit einem Ge- Abb. 2: Von einem Scheibenmähwerk abgetrenntes und durchschnittenes Rau- spinst belegten Pflanze des Teufelsabbiss (Succisa pratensis) mit Nägeln fixier- pengespinst mit intakten Larven des Goldenen Scheckenfalters im Mähgut. ter Magnet zur erleichterten Auffindbarkeit mittels M agnetsuchgerät nach er- Cocoon cut off and cut across by a disk mower but still holding unimpaired larvae folgter Mahd. of the Marsh Fritillary. Magnet fixed with nails at the base of a plant of devil’s-bit (Succisa pratensis) used by the Marsh Fritillary for its cocoon. The magnet helps to detect the spot af- ter mowing using a magnetic locator. 2003a und Anthes & Nunner 2006). Be- aus und ist dabei auf eine räumliche Ver- falters zu klären, wurden im Rahmen einer vorzugt werden große, kräftige, für die bundsituation der Habitate angewiesen Abschlussarbeit (Dittrich 2016) folgende Weibchen frei zugängliche Pflanzen, wäh- (z.B. Anthes et al. 2003a, Hula et al. Fragestellungen bearbeitet: rend kümmerliche, kleinblättrige Pflanzen 2004). Nur hierdurch ist die durch enorme ffWie wirken sich unterschiedliche Mahd oder solche in dicht- und hochwüchsiger Populationsschwankungen charakterisier- höhen auf die Überlebensrate der Larven Vegetation weitgehend gemieden werden te Art in der Lage, das Erlöschen einzelner aus? (z.B. Anthes et al. 2003b, Konvicka et al. Lokalpopulationen – etwa durch erhöhten ffWelchen Einfluss zeigen unterschiedli- 2003, Thoss 2004). Parasitoidendruck oder ungünstige Witte- che Mähwerke auf die Überlebensrate der Die Weibchen der in Mitteleuropa in rungsverhältnisse – zu kompensieren und Larven? Normaljahren von Anfang Mai bis Anfang verwaiste Habitate wiederzubesiedeln ffWie wirken sich unterschiedliche Mahd Juli fliegenden Falter legen ihre Eier (Ford & Ford 1930, Porter 1983, Klap- zeitpunkte auf die Überlebensrate der Lar- (durchschnittlich 250) geklumpt an die wijk & Lewis 2014). ven aus? Unterseite der Grundrosettenblätter ab. Die ffGibt es weitere Parameter, die die Über- Raupen schlüpfen 18 bis 39 (im Durch- 1.3 Verbreitung in Baden-Württemberg lebensrate der Larven beeinflussen? schnitt 30) Tage später und leben gesellig und im Untersuchungsgebiet in einem Gespinst, das ihnen einen gewis- 2 Material und Methoden sen Schutz vor Parasitoiden (Brackwespen In Baden-Württemberg existieren nur noch der Gattung Cotesia) und anderen Fress- Reliktpopulationen der hier einst weit ver- Im Juli 2015 wurden in den Larvalhabita- feinden bietet (Anthes & Nunner 2006, breiteten Art. Neben einem isolierten Rest- ten je nach Gebietsgröße und Gespinstdich- Nunner et al. 2013). Bis in den August vorkommen am Westrand des Nord- te zwischen sieben und 30 Raupengespins- hinein wachsen Larven und Gespinste he- schwarzwaldes bestehen individuenreiche- te pro Untersuchungsgebiet markiert, ran, bis die Fraßgespinste meist die kom- re (Meta-)Populationen am Kaiserstuhl, im wobei insgesamt 275 Raupengespinste plette Pflanze mit Ausnahme des apikalen nördlichen Oberschwaben und vor allem erfasst wurden. Um die Standorte der Rau- Stielbereichs und der Blüte umfassen. Dann im württembergischen Allgäu. Hier kommt pengespinste nach der Mahd wiederzufin- wandern die Larven wieder langsam herab, der Goldene Scheckenfalter in einem etwa den, wurden an der Basis jeder befallenen stellen die Nahrungsaufnahme weitgehend 500 km² großen Gebiet in etwa 70 mitein- Pflanze mit Nägeln fixierte Magnete in den ein und legen bodennah ein etwa golfball- ander verknüpften Lokalpopulationen vor. Boden eingelassen (Abb. 1). Die Gespinst- großes, dicht umwobenes Überwinterungs- Die Vorkommen sind meist klein, die Zah- fundorte wurden mittels GPS verortet und gespinst an. Je nach Zeitpunkt der Mahd len nachgewiesener Raupengespinste be- in einer Karte eingetragen. und Witterungsverlauf sind die Raupen tragen an den meisten Fundorten zwischen An den Gespinststandorten wurden ver- während der Mahd noch fraßaktiv oder zehn und 20, die größten Populationen schiedene Parameter erhoben, um die be- befinden sich bereits im Überwinterungs- erreichen etwa 500 Raupengespinste. Aus vorzugte Struktur der Larvalhabitate be- gespinst. Nach der Überwinterung lockert den bekannten Vorkommen wurden für die stimmen zu können. In Anlehnung an sich die gregäre Lebensweise der Larven vorliegende Untersuchung die 15 größten Anthes et al. (2003a, b) wurde die hori- allmählich, sie vereinzeln sich und wachsen ausgewählt. zontale Vegetationsstruktur in 5, 10, 20, rasch heran, um sich im Frühjahr zu ver- 30 und 40 cm Höhe in 5-%-Schritten be- puppen (z.B. Nunner et al. 2013). 1.4 Bearbeitete Fragestellungen stimmt sowie Höhe, Durchmesser und An- Der Goldene Scheckenfalter bildet in zahl der Grundrosettenblätter ermittelt. mitteleuropäischen Kulturlandschaften Um die Auswirkungen der Mahd auf die Auch Größe der Gespinste und Grad des heute fast ausnahmslos Metapopulationen Raupengespinste des Goldenen Schecken- Befalls der Pflanze wurden vermerkt. 284 Naturschutz und Landschaftsplanung 49 (9), 2017, 283-290, ISSN 0940-6808
Thomas Bamann und Birgit Dittrich, Management des Goldenen Scheckenfalters Zum Zeitpunkt der Mahd – die je nach Reifen überprüft. In allen Fällen überstan- größe in Bezug zum Mähwerk oder zur Originalarbeit Standort zwischen Ende August und Ende den die Larven das Überfahren schadlos. Mahdhöhe keine Abhängigkeit ermittelt Oktober stattfand – wurde für jede Fläche werden konnte. ein Termin mit dem pflegenden Landwirt 3.3 Mahdhöhe vereinbart und die Mahd „live“ mitverfolgt. 4 Diskussion Bei der Kontrolle direkt nach der Mahd auf Die Mahdhöhe auf den Flächen schwankte das Vorhandensein eines Gespinstes oder zwischen durchschnittlich 3,4 und 12,2 cm Zu allererst muss betont werden, dass sich von Gespinstresten mit Hilfe eines Magnet- (Abb. 3). Vertraglich ist aus Artenschutz- die Erkenntnisse ausschließlich auf Feucht- suchgerätes (Heliflux GA-72cD) wurden gründen (v.a. Amphibienschutz) generell lebensräume anwenden lassen und keines- Larven und Gespinste auf ihren Zustand eine Schnitthöhe zwischen 7 und 10 cm falls auf Trockenstandorte übertragbar überprüft sowie das verwendete Mähwerk, vereinbart, in einigen Fällen wurde diese sind. Die Ansprüche des Goldenen Sche- die Mahdtechnik und die Mahdhöhe auf- Vorgabe also unter- wie teilweise auch ckenfalters an sein Larvalhabitat gleichen genommen. Zudem wurde auch im benach- überschritten. im württembergischen Allgäu denjenigen barten Mähgut nach verdrifteten Larven Die Wiederfundrate von Larven (p = in anderen Regionen Deutschlands, z.B. in und Gespinsten gesucht. Weitere Arbeits- 0,01) und Gespinsten (p = 0,03) war signi- Sachsen oder im bayerischen Alpenvorland schritte (Zetten, Schwaden, Abtransport fikant abhängig von der Mahdhöhe. Je (Anthes 2000, 2002; Bräu & Nunner des Mähguts) konnten aus Zeitgründen nur tiefer gemäht wurde, desto geringer war 2003, Thoss 2004). Belegt werden bevor- stichprobenartig bezüglich eines möglichen die Wahrscheinlichkeit, am ursprünglichen zugt kräftige, für die Weibchen gut zugäng- negativen Einflusses auf die Larvalstadien Standort des Gespinstes noch Larven oder liche Pflanzen des Teufelsabbiss in niedrig- überprüft werden. ganze Gespinste zu finden. Auch der Grad wüchsiger Vegetation, welche in jährlich der Beschädigung der Gespinste stand in gemähten Flächen oder auch in jungen 3 Ergebnisse maßgeblichem Zusammenhang (p = 0,003) Brachen vorkommen. mit der Mahdhöhe. Je tiefer gemäht wurde, Die größte Schwierigkeit in der Unter- 3.1 Strukturparameter desto höher war der Grad der Beschädi- suchung des Einflusses der Mahd auf die gung der Gespinste (vgl. Dittrich 2016). Raupengespinste besteht darin, die Ge- Die Erhebung der Strukturparameter be- spinste nach der Mahd wiederzufinden und stätigte die aus der Literatur (z.B. Anthes 3.4 Mähwerke eventuelle Verluste direkt nachzuweisen et al. 2003b, Konvicka et al. 2003, Nunner (vgl. Bräu & Nunner 2003). Bisher lagen et al. 2013) bereits bekannte Bevorzugung Es konnte kein Zusammenhang zwischen nur vereinzelte Beobachtungen von nach einer niedrigwüchsigen, von einem lücki- der Art des verwendeten Mähwerks und der Mahd neu gebildeten Überwinterungs- gen Obergrashorizont geprägten Vegeta den Wiederfundraten von Larven und Ge- gespinsten und sekundären Fraßgespinsten tionsstruktur mit kräftigen Pflanzen des spinsten sowie dem Grad der Beschädigung vor, die zumindest einen Hinweis darauf Teufelsabbiss auch für das württembergi- der Gespinste gefunden werden (vgl. Dit- gaben, dass ein gewisser Anteil der Raupen sche Allgäu (vgl. Dittrich 2016). trich 2016). die Mahd überlebt (Anthes & Nunner Tab. 1 fasst die wichtigsten Fakten zu 2006, Bräu & Nunner 2003). Mithilfe der 3.2 Wiederfundraten von Larven den untersuchten Flächen zusammen. Al- angewandten Markierungsmethode wurde lein zwischen der Mahdhöhe und der Wie- nun erstmals der direkte Einfluss der Mahd Den 275 markierten Gespinsten konnten derfundrate der Larven besteht ein bedeu- auf die Raupengespinste untersucht. Die nach der Mahd noch 99 (36 %) Gespinste, tender Zusammenhang, wohingegen für Wiederfundrate von 36 % der Raupenge- die Larven enthielten, zugeordnet werden. die Wiederfundrate der Larven in Bezug spinste zeigt, dass diese Methode bei gro- An den restlichen 176 Pflanzen waren zum Mähwerk und für die Populations ßer Schnitthöhe erfolgreich, die Nachweis- meist nur noch Gespinstreste erkennbar. In den 99 wiedergefundenen, mehr oder weniger intakten Gespinsten konnten aus- schließlich lebende Larven nachgewiesen werden, unabhängig davon, ob die Ge- spinste von den Mähwerken teilweise er- fasst wurden oder komplett abgetrennt im Mähgut zu finden waren (Abb. 2). Es konn- te kein Nachweis von durch die Mähwerke in irgendeiner Form beeinträchtigter oder gar getöteter Larven erbracht werden (vgl. Dittrich 2016). Auf einer aufgrund fehlender Absprache bereits früher (Mitte August) gemähten Streuwiese konnten nach Mahd und Ab- transport des Mähguts mehrere neu ange- legte, kleine Raupengespinste gefunden werden. Abb. 3: Mahdhöhe auf den 15 untersuchten Flächen. Dargestellt sind das arithmetische Mittel und die Auf von der Mähraupe und von konven- Standardabweichung (Fehlerbalken). Die vertraglich geregelte Mahdhöhe (7 bis 10 cm) wurde in einigen tionellen Schleppern gemähten Flächen Fällen unter- und überschritten. wurde zudem exemplarisch das Überfahren Mowing height on the 15 plots examined. The illustration shows the arithmetic mean and thestandard devia- der Gespinste (n = 20) mittels Ketten und tion (error bar). In some cases the mowing height fixed in the contract was either exceeded or underrun. 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Thomas Bamann und Birgit Dittrich, Management des Goldenen Scheckenfalters Tab. 1: Übersicht über die wichtigsten Parameter der 15 untersuchten Flächen. Dargestellt sind Art des gemähten Streuwiese hohe Gespinstdich- Originalarbeit verwendeten Mähwerks (Kreiselmäher/Messermäher), durchschnittliche Mahdhöhe, Wiederfundrate der ten (364 Raupengespinste auf 2,16 ha) Larven nach der Mahd und die durchschnittliche Populationsgröße (Zählwerte 2013 bis 2016). nachweisen konnten. Fläche Mähwerk Mahdhöhe [cm] Wiederfundrate Larven Populationsgröße Die gewonnenen Daten konnten weiter- [%] (Raupengespinste) hin keinen Beleg für etwaige Einflüsse der BW Kreiselmäher 10,4 92,6 51–100 Mähtechnik auf die Überlebensrate der HBW Kreiselmäher 7,7 0 51–100 Larven liefern. Die in der Literatur häufig behaupteten letalen Effekte von Trommel- TM Kreiselmäher 6,7 5,0 21–50 und Scheibenmähwerken (vgl. Detzel DW Kreiselmäher 5,6 6,7 21–50 1985, Humbert et al. 2010, Oppermann ZG Kreiselmäher 8,5 20,0 21–50 1987) konnten im Rahmen dieser Studie RD Kreiselmäher 12,2 63,3 101–250 nicht belegt werden. Weder fand durch die Verwendung von Scheibenmähwerken ein HW Kreiselmäher 3,4 0 21–50 übermäßiges Zerkleinern der Vegetation FH Kreiselmäher 5,1 0 51–100 statt – die Halmlänge betrug nach der PB Kreiselmäher 7,5 55,0 21–50 Mahd ca. 50 cm – noch wurden die Larven HQ Balkenmäher 5,7 40,0 21–50 von den gegenläufigen Messern beeinträch- AM Balkenmäher 9,0 40,0 11–20 tigt. Da die Larven zum Zeitpunkt der Mahd (Mähraupe) eine Länge von ca. 0,5 cm besitzen und die Klingenbreite der Messer ebenfalls ähnlich RW Balkenmäher 5,7 45,5 51–100 groß ist, ist die Gefahr des Zerquetschens GW Kreiselmäher 8,3 31,3 11–20 oder Zerschneidens für die Raupen äußerst NM Balkenmäher 8,2 20,0 11–20 gering. Sie sind einfach zu klein, um von PM Balkenmäher 9,2 66,7 21–50 den Messern erfasst zu werden. Größere Wirbellose und kleinere Wirbeltiere kön- nen allerdings von den Mähwerken erfasst wahrscheinlichkeit jedoch mit geringer weiteren landwirtschaftlichen Arbeits- und getötet werden, wie eigene Beobach- werdender Schnitthöhe deutlich reduziert schritte (Zetten und Schwaden) wieder tungen (z.B. Grünes Heupferd – Tettigonia war. befreien können. Anschließend re-aggre- viridissima, Warzenbeißer – Decticus ver Da es aus Zeitgründen nicht möglich gieren sie sich zu kleineren Gruppen, die rucivorus oder Larven des Brombeerspin- war, die Raupengespinste direkt vor der Sekundärgespinste anlegen (meist kleine- ners – Macrothylacia rubi, Grasfrosch – Mahd auf ihr Vorhandensein an den mar- re Überwinterungsgespinste). Hierfür spre- Rana temporaria) belegen. Doch auch bei kierten Stellen zu überprüfen, ist von einer chen zahlreiche Nachweise unversehrter diesen Arten ist zu bezweifeln, dass mah- unbestimmten Anzahl zu diesem Zeitpunkt E. aurinia-Larven im Mähgut, Funde neu dbedingte Individuenverluste Populations- nicht mehr vorhandener Raupengespinste angelegter Gespinste in bereits im August relevanz entfalten. Man denke nur an mas- auszugehen. Wie Einzelbeobachtungen in niedriger Höhe gemähten Streuwiesen sive Individuenverluste dieser Arten durch belegen, können die Larven z.B. aus Nah- sowie Nachweise kleiner Raupengruppen Prädatoren unmittelbar nach der Mahd rungsmangel zu einer anderen Pflanze im zeitigen Frühjahr direkt nach der Über- (Greife, Störche, Reiher, Krähen etc.), die abgewandert oder durch Parasitoide aus- winterung in komplett gemähten Streuwie- von der Mähtechnik gänzlich unabhängig gelöscht worden sein (vgl. Klapwijk & sen (vgl. Bräu & Nunner 2003). sind. Lewis 2014). Beispielsweise benötigen in Auf vielen traditionell niedrig und kom- Auch das Überfahren der Gespinste Südbayern Jungraupengruppen vor der plett gemähten Streuwiesen existieren durch die Reifen der Schlepper und Diapause zwei bis drei Succisa-Pflanzen jährlich nachweisbare und individuenrei- Mähraupen kann in Moorgebieten des Al- mittlerer Größe, um ihren Nahrungsbedarf che Populationen des Goldenen Schecken- penvorlandes auf Basis exemplarischer zu decken (Anthes & Nunner 2006). Da- falters, was ein weiteres wichtiges Indiz für Beobachtungen als negativ wirksamer Fak- her wäre die Wiederfundrate von 36 % die Unabhängigkeit der larvalen Überle- tor weitgehend ausgeschlossen werden. In wahrscheinlich höher ausgefallen, wenn bensrate von der Mahdhöhe ist. Beispiels- 20 konkreten Fällen wurde nachgewiesen, die Anzahl noch vorhandener Raupenge- weise werden auf der Streuwiese Fideler- dass die Larven ein Überfahren aufgrund spinste unmittelbar vor der Mahd überprüft shof (FH) jährlich etwa 50 Raupengespins- des geringen Bodendrucks durch die brei- worden wäre. te und Imagines gezählt, obwohl dort tra- ten Reifen, des groben Profils der Reifen Die erhobenen Daten belegen eindeutig, ditionell jahreszeitlich früh (Ende August/ und der weichen Niedermoorböden schad- dass bei geringeren Mahdhöhen deutlich Anfang September), tief und vollständig los überstehen. weniger Raupengespinste nachgewiesen gemäht wird. Zudem existieren auf der Ein negativer Einfluss des Mahdzeit- werden können. Liegt die Mahdhöhe un- Fläche mittlerweile weiträumig isolierte punktes auf die Überlebensrate der Larven terhalb von 5 cm, werden die Gespinste fast Vorkommen der anspruchsvollen Streuwie- scheint naheliegend. Denn wenn zu einem zu 100 % von den Mähwerken erfasst, wes- senarten Heilziest-Dickkopffalter (Carcha vergleichsweise frühen Zeitpunkt (Ende halb häufig daraus geschlossen wird, dass rodus flocciferus) und Westlicher Schecken- August/Anfang September) gemäht wird, die nicht mehr gefundenen Larven den falter (Melitaea parthenoides) als weitere befinden sich viele Larven noch in der fress- Mahdvorgang nicht überlebt haben (z.B. Indikatoren für die hohe Wertigkeit des aktiven Phase, die Gespinste sind dann Quinger et al. 1995). Nach unseren Befun- Habitats. Ähnliche Beobachtungen liegen noch entsprechend hoch in der Vegetation den ist aber davon auszugehen, dass sich aus dem angrenzenden bayerischen Alpen- verankert. In der Tat ließ sich auch durch die Larven zwar im Mähgut befanden, sie vorland vor, wo Bräu & Nunner (2003) Beobachtungen bestätigen, dass bei früher sich daraus aber teilweise im Verlauf der auf einer jährlich sehr tief und vollständig Mahd zahlreiche Gespinste direkt von den 286 Naturschutz und Landschaftsplanung 49 (9), 2017, 283-290, ISSN 0940-6808
Thomas Bamann und Birgit Dittrich, Management des Goldenen Scheckenfalters Mähwerken erfasst werden. Etwas überra- Originalarbeit schend zeigte sich aber, dass zumindest Teile des Raupenbestandes zu dieser Jah- reszeit noch aktiv genug sind, um das Mäh- gut noch vor dem Abtransport erfolgreich zu verlassen und neue (Überwinterungs-) Gespinste anzulegen (s.o.). Wird der Mahdzeitpunkt weiter nach hinten in die zweite Septemberhälfte oder gar in den Oktober hinein verlagert, befin- den sich die Larven überwiegend bodennah in Wintergespinsten, welche wenig bis nicht beeinträchtigt werden, sofern eine Mahdhöhe von über 5 cm eingehalten wird. Findet allerdings eine sehr tiefe Mahd statt, werden die Überwinterungsgespinste er- fasst. Aufgrund der zu dieser Zeit häufig bereits kühl-feuchten Witterungsverhält- nisse und der einsetzenden Inaktivität der überwinterungsbereiten Larven ist ihre Mobilität nun deutlich eingeschränkt. In- soweit dürften zu diesem Zeitpunkt im Mähgut befindliche Raupen kaum noch in der Lage sein, aus dem Mähgut zu entkom- men, um sich neu zu formieren. Eine hö- here mahdbedingte Mortalität wäre in diesem Fall zu erwarten, bliebe jedoch durch eingehendere Beobachtungen zu prüfen. Allerdings wäre auch eine Über- winterung einzelner Raupen oder sehr kleiner Raupenkollektive in zusammenge- Abb. 4: Goldener Scheckenfalter (Euphydryas aurinia) auf einer Hahnenfuß-Blüte. © Thomas Bamann rollten Falllaubblättern oder in der Moos- Marsh fritillary (Euphydryas aurinia) on a flower of the crowfoot. und Streuschicht grundsätzlich vorstellbar, worauf entsprechende Einzelbeobachtun- zugehen, dass die Populationsschwankun- pflanzen gefunden werden, während na- gen in einer E. aurinia-Population im Nord- gen beim Goldenen Scheckenfalter haupt- türlicherweise feuchte Standorte durch die schwarzwald hindeuten (S. Hafner, in sächlich durch das antizyklische Auftreten hohen Niederschlagssummen derart nass lit.). dieses Parasitoiden gesteuert werden (vgl. waren, dass sie als Reproduktionshabitate Ein Sonderfall ist die Mahd mit in der Klapwijk & Lewis 2014). Bei Untersuchun- für E. aurinia komplett ausfielen. Dies un- Naturschutzpflege regelmäßig eingesetz- gen in Großbritannien waren beispielswei- terstreicht die Wichtigkeit des Vorhanden- ten Mähraupen, die vor allem auf sehr se 25 % untersuchter Larven und 26 % seins verschieden strukturierter Habitate nassen und unzugänglichen Flächen zum untersuchter Raupengespinste vom Para- im räumlichen Verbund, das der Art ein Einsatz kommen. Sie nehmen das Mähgut sitoiden befallen (Klapwijk & Lewis 2014). Ausweichen bzw. eine Wiederbesiedlung direkt nach dem Schnitt in den Ladewagen Auch der jährliche Witterungsverlauf verwaister Standorte ermöglicht (vgl. auf, weitere Arbeitsgänge auf der Fläche hat einen großen Einfluss auf die Überle- Anthes et al. 2003a, Hula et al. 2004). entfallen. Hierbei ist mit einer hohen Aus- bensrate der Larven. Beispielsweise führte Weitere Faktoren wie die Fahrgeschwin- fallsrate zu rechnen, da erfasste Raupen- der trocken-warme Sommer 2015 dazu, digkeit des Schleppers bei der Mahd, das gespinste direkt mit dem Mähgut abtrans- dass gerade in nährstoffarmen, stärker ent- Vorhandensein von Abstandshalterkufen portiert werden. Mähraupen sollten daher wässerten Streuwiesen nur wenige geeig- zur Gewährleistung einer gleichmäßigen eine gewisse Mindestmahdhöhe (7 bis nete Wirtspflanzen vorhanden waren, da Mahdhöhe oder das Profil der Fläche (eben 10 cm) einhalten und möglichst erst ab die Trockenheit zu Kümmer- und Zwerg- bis wellig) haben zwar einen Einfluss auf Mitte September eingesetzt werden, wenn wuchs beim Teufelsabbiss führte. Dement- die Rate abgemähter Gespinste, sind aber sich die Larven im bodennahen Überwin- sprechend brachen einige Vorkommen auf im Endeffekt unerheblich, wenn davon terungsgespinst befinden. derartigen Standorten trotz teilweise hoher ausgegangen wird, dass die Mahd keinen Grundsätzlich muss betont werden, dass Falterdichten im Frühsommer ein. Im Ge- signifikanten Einfluss auf die Überlebens- neben den hier analysierten Nutzungs- gensatz dazu waren die Wirtspflanzen auf rate der Larven hat. Abstandshalterkufen Parametern die Überlebensrate der Larven feuchteren, quelligen und etwas nährstoff- könnten sich im Gegenteil sogar negativ von einer Vielzahl weiterer Faktoren ab- reicheren Standorten gut ausgebildet, so auf das Mikroklima auswirken, da hier- hängig ist. Sehr regelmäßig wurden bei der dass hier in einigen Gebieten neue Rekord- durch eine Vereinheitlichung der Fläche Kontrolle der Raupengespinste die Puppen zahlen an Gespinsten erfasst werden konn- und ihrer Vegetation erzielt wird und klein- von Schlupfwespen (wahrscheinlich Cote ten. Im eher durchwachsenen und regen- flächige Sonderstrukturen wie z.B. Erdan- sia bignellii) gefunden, die in einigen Fällen reichen Sommer 2016 konnten dagegen risse und Rohbodenstellen nur selten neu offensichtlich Verluste kompletter Raupen- auf trockenen Standorten regelmäßig hohe entstehen. Diese sind aber zum einen wich- kollektive verursachten. Es ist davon aus- Gespinstzahlen an nun kräftigen Wirts- tig für die Keimung verschiedener Pflanzen Naturschutz und Landschaftsplanung 49 (9), 2017, 283-290, ISSN 0940-6808 287
Thomas Bamann und Birgit Dittrich, Management des Goldenen Scheckenfalters (z.B. Lanvers et al. 2012), darunter auch (vgl. Anthes et al. 2003a, b, Bräu & 1995, Quinger 2003). Diese Empfehlun- Originalarbeit des Teufelsabbiss, zum anderen bieten sie Nunner 2003, Anthes & Nunner 2006). gen resultieren zumeist aus Einzelbeobach- geeignete mikroklimatische Bedingungen Die Wirtspflanzen werden überwachsen tungen, die zwar zutreffen, unseres Erach- für die Entwicklung stark gefährdeter Arten und kommen im Folgejahr nicht mehr für tens aber falsch interpretiert wurden (z.B. wie Heilziest-Dickkopffalter (Carcharodus die Eiablage in Frage. Detzel 1985, Humbert et al. 2010, Opper- flocciferus) oder Buntbäuchigem Gras Beide Extremfälle wurden im Rahmen mann 1987) (s.u.). hüpfer (Omocestus rufipes). der Umsetzung des Artenschutzprogramms Nach den eigenen Befunden wird der in den vergangenen Jahren mehrfach be- negative Effekt der Mahd auf die Raupen- 5 Empfehlungen für das obachtet. Das Aussparen von Bereichen von gespinste des Goldenen Scheckenfalters Mahdmanagement der Mahd kann also nur sinnvoll sein, wenn sowie auf Vermehrungsstadien anderer dadurch strukturell geeignete Jungbrachen Insektenarten massiv überschätzt (vgl. 5.1 Gezielter Schutz des Goldenen geschaffen werden. So wurde bei der Streu- Bräu & Nunner 2003). Den Goldenen Scheckenfalters mahd mehrfach das gezielte Aussparen von Scheckenfalter betreffend haben sowohl Teilflächen mit kleinwüchsigen Teufelsab- Mahdhöhe als auch Art des Mähwerks und Die wichtigste Voraussetzung für den Er- biss-Pflanzen in etwas stärker entwässerten Mahdzeitpunkt keinen signifikanten Ein- halt des Goldenen Scheckenfalters ist die Flächen erprobt – allerdings mit wechseln- fluss auf die Überlebensrate der Larven. Aufrechterhaltung der Metapopulations- dem Erfolg. Davon wurde erhofft, dass die Viel wichtiger als der Schutz vor eventuel- strukturen in Form engmaschig verknüpf- entstehenden Jungbrachen von eiablage- len Indivienverlusten durch die Mahd wäre ter Patches mit hoher Habitatqualität (vgl. willigen Weibchen im Folgejahr bevorzugt die Wiederherstellung von Metapopula Anthes & Nunner 2006, Nunner et al. angenommen werden, da sie mikroklima- tionen durch Schaffung geeigneter Repro- 2013). Dies bedeutet auch, dass Popula tisch günstig und die Pflanzen nach einjäh- duktionsbedingungen und Mikrohabitate tionen nicht nur an ihren aktuellen Vor- riger Brache kräftiger entwickelt sind. In in Form von nährstoffarmen Streuwiesen kommensorten gefördert, sondern darüber Einzelfällen konnten hierdurch tatsächlich mit kräftigen Wirtspflanzen (vgl. Anthes hinaus weitere verbindende Lebensräume eine Wiederbesiedlung der Art auf zuvor & Nunner 2006, Bräu & Nunner 2003). als „Trittsteinbiotope“ oder dauerhafte unbesiedelten Patches und hohe Gespinst- Um dies zu erreichen, wäre in vielen Fällen Habitate geschaffen und entwickelt werden zahlen in zuvor eher individuenschwachen zunächst eine relativ frühe (Ende August/ müssen. Über den Biotopschutz und den Vorkommen erzielt werden. Meist jedoch Anfang September) und tief angesetzte flächigen Abschluss von Pflegeverträgen blieben die Jungbrachen frei von Gespinst- Mahd (Schnitthöhe 3 bis 5 cm) von Vorteil, nach der Landschaftspflegerichtlinie (LPR) nachweisen, wohl v.a. deshalb, weil sich da zu diesem Zeitpunkt die Wirtspflanzen auf den württembergischen Streuwiesen die Vegetationsstruktur anders entwickelt ihre Reservestoffe noch nicht in die Wur- ist die Grundvoraussetzung hierfür gegeben. hatte als erwartet. zeln eingelagert haben, ein tiefer Schnitt Gängige Methoden des speziellen Schut- Der Witterungsverlauf des jeweiligen folglich die maximale Menge an Nähr zes des Goldenen Scheckenfalters in Nie- Jahres ist entscheidend, wo aufgrund von stoffen entziehen würde (vgl. Quinger et dermoorgebieten sind das Markieren und Nässe/Trockenheit und Vegetationswachs- al. 1995, Quinger 2003). Aussparen einzelner Raupengespinste von tum geeignete Larvalhabitate entstehen, Ein entsprechendes Vorgehen entsprä- der Mahd sowie das Belassen größerer Bra- so dass es sehr schwierig ist, bereits im che in Teilen auch traditionellen Formen chebereiche, die Gespinste enthalten (An- Vorjahr die zum Aussparen von der Mahd der Streuwiesenbewirtschaftung (Konold thes & Nunner 2006). Hierdurch sollen bestgeeigneten Kleinstandorte zu erken- & Hackel 1990, Quinger et al. 1995). die Raupengespinste vor direkten Verlusten nen. Das selektive Aussparen markierter Zwar wurden viele Streuwiesen traditionell durch die Mahd geschützt werden. Nach Raupengespinste von der Streumahd bei erst ab Oktober bis in den Winter hinein unseren Erkenntnissen sind diese speziel- extrem kleinen Populationen (< 5 Raupen- gemäht, da zu diesem Zeitpunkt Mahd und len Maßnahmen nicht notwendig. In Ein- gespinste) in kleinflächigen Larvalhabita- Trocknung auf den nun gefrorenen Böden zelfällen können sie sogar negative Aus- ten produktiverer Standorte verhinderte vereinfacht waren, gleichzeitig war aber wirkungen auf das Vorkommen der Art jedenfalls nicht, dass im Folgejahr die bis auch eine frühe Mahd zur Heugewinnung haben. Zwar ist es möglich, über das Aus- dato noch geeigneten Habitatreste aufge- ab Juli und im August gerade auf trocke- sparen einzelner Gespinste das Überleben geben wurden. neren Standorten nicht unüblich (Quinger der Larven bis zum nächsten Frühjahr zu et al. 1995). garantieren (abgesehen von externen Ein- 5.2 Verzicht auf Individuenschutz Hierbei sind außerdem die unterschied- flüssen wie Parasitoiden und Witterung), lichen Zielsetzungen und Rahmenbedin- allerdings verändert auch ein kleinräumi- Die derzeitige Praxis der landschafts gungen der traditionellen Streumahd und ges Aussetzen der Mahd die jeweilige Ve- pflegerischen Streumahd basiert auf den der heutigen „Naturschutzmahd“ zu be- getationsstruktur im Larvalhabitat. Je nach Grundsätzen einer möglichst „schonenden“ rücksichtigen. Während früher eine späte Ausprägung der Fläche kann dieses er- Pflege mit späten Schnittzeitpunkten (je Mahd in Zeiten eines ständigen Nährstoff- wünschte oder unerwünschte Effekte nach Ausprägung von Anfang September mangels auch dazu diente, den Flächen haben (Anthes & Nunner 2006). Während bis Mitte Oktober), großen Schnitthöhen möglichst wenige Nährstoffe zu entziehen in mageren, schwachwüchsigen Streuwie- (mindestens 7 cm) und der Belassung von (Quinger et al. 1995), ist aus heutiger sen derartige Brachebereiche zwei bis drei Brachebereichen auf 5 bis 10 % der Fläche, Sicht mit Berücksichtigung der hohen Jahre lang als Larvalhabitate dienen kön- um den Streuwiesenpflanzen das Aussa- Stickstoffeinträge aus der Luft und aus um- nen und junge Brachen sogar attraktiv auf men zu ermöglichen und gleichzeitig vor- gebenden Flächen ein maximaler Nähr- die Weibchen des Goldenen Scheckenfal- kommende Tierarten (Amphibien, Heu- stoffaustrag notwendig. Negative Effekte ters wirken, kann die Habitateignung in schrecken, Schmetterlinge) nicht zu ge- auf andere Tierarten sind durch einen frü- wüchsigen, nährstoffreicheren Streuwiesen fährden (vgl. Detzel 1985, Humbert et al. heren Schnittzeitpunkt im beschriebenen bereits bei einmaliger Mähpause erlöschen 2010, Oppermann 1987, Quinger et al. Rahmen nicht zu erwarten. Beispielsweise 288 Naturschutz und Landschaftsplanung 49 (9), 2017, 283-290, ISSN 0940-6808
Thomas Bamann und Birgit Dittrich, Management des Goldenen Scheckenfalters haben die Heuschreckenarten der Streu- Beginn der Flugzeit durchgeführt (Brecht Mahd ihre Reproduktion bereits abge- Originalarbeit wiesen (z.B. Warzenbeißer – Decticus ver 2014, Kretschmer et al. 2016, Thoss schlossen. Ihre Vermehrungsstadien (Eier, rucivorus, Sumpfgrashüpfer – Chorthippus 2004). Larven) finden sich in den meisten Fällen montanus, Sumpfschrecke – Stethophyma an „sicheren“ Orten im Boden oder boden- grossum) ihre Reproduktion im August mit 5.4 Für und Wider von Brachebereichen nah in der Streu. Hier sind sie sowohl durch der Eiablage in den Boden weitgehend ab- die Bodennähe als auch durch ihre meist geschlossen und die noch vorhandenen Aus bislang vorliegenden Studien in Nie- geringe Größe bestens vor den Mähwerken Imagines sind dann nahezu bedeutungslos dermoorgebieten geht hervor, dass junge und den Reifen der Schlepper geschützt. für den Fortbestand der Population. Auch Brachestadien in vielen Populationen des Diejenigen Arten (z.B. Langflügelige die meisten Pflanzenarten sind zu diesem Goldenen Scheckenfalters einen entschei- Schwertschrecke – Conocephalus fuscus Zeitpunkt in ihrer Entwicklung so weit fort- denden Bestandteil des Larvalhabitats dar- oder Große Goldschrecke – Chrysochraon geschritten, dass zumindest ein ausreichen- stellen (Anthes et al. 2003b, Bräu & dispar), die ihre Eier in überständiges Gras der Anteil der Pflanzen aussamen kann. Nunner 2003, Dolek et al. 2003, Hula et legen, das mit der Mahd entfernt wird, sind Spätblühende Pflanzenarten können eine al. 2004, Konvicka et al. 2003, Thoss trotz dieses Umstands aktuell nicht gefähr- Augustmahd tolerieren, solange die frühe 2004), was im Rahmen der eigenen Unter- det und in den württembergischen Nieder- Mahd nicht alljährlich durchgeführt wird suchungen nicht gänzlich bestätigt werden und Zwischenmooren weit verbreitet. Ihr (Quinger et al. 1995). konnte. Zwar können junge Brachestadien stetiges Vorkommen in Streuwiesenhabi- unter besonderen Umständen als gute Lar- taten spricht dafür, dass auch diese Arten 5.3 Frühmahd zur Aushagerung valhabitate dienen (s.o.), häufig erfüllen Strategien (z.B. Eiablagen in abgeschnitte- sie aber in Zeiten hoher Nährstoffeinträge ne, hohle Stängel nach der Mahd) entwi- Neben der Vorverlagerung des Mahdzeit- nicht mehr die Bedingungen für eine er- ckelt haben, um dauerhaft auf jährlich punktes ist auf besonders stark versaumten folgreiche Reproduktion des Goldenen gemähten Flächen zu überleben. Für diese oder gar verschilften Flächen eine partiel- Scheckenfalters. Die im Landkreis Ravens- Arten sind unter den heutigen Gegeben- le Frühmahd zur Aushagerung dringend burg mittlerweile regelhaft eingeführten heiten zudem ausreichend Habitate in auf- zu empfehlen. Diese sollte vornehmlich in einjährigen Brachebereiche, die ca. 5 bis gelassenen Streuwiesen und in Saumberei- Bereichen durchgeführt werden, die für 10 % der Fläche einnehmen sollen, könnten chen entlang von Gräben vorhanden. Ein E. aurinia aktuell nicht zur Reproduktion für den Goldenen Scheckenfalter nur dann Blick in die Vergangenheit und auf histo- geeignet sind, aber dahin wieder entwickelt positiv wirken, wenn sie gezielt an geeig- rische Fotos verrät aber: Streuwiesen und werden könnten. Nach unseren Erfahrun- neten Stellen platziert würden. Dies wäre umgebende Futterwiesen wurden – soweit gen hat sich eine frühe Mahd Ende Mai/ allerdings mit einem aufwändigen Manage- es die Witterungsbedingungen zuließen – Anfang Juni bewährt, da dadurch einerseits ment verbunden und könnte nicht den regelmäßig und vollständig genutzt. Bra- das Schilf geschwächt wird, andererseits Landwirten überlassen werden, die Bra- chebereiche konzentrierten sich auf weni- die Streuwiesenvegetation noch die C hance chen aus Gründen der Praktikabilität häu- ge Säume z.B. entlang der Entwässerungs- erhält, im zweiten Aufwuchs zur Blüte und fig über mehrere Jahre an denselben (näm- gräben (Quinger et al. 1995) oder fanden zum Fruchten zu kommen (vgl. Bräu & lich nassesten) Stellen anlegen. sich damals in frühen Sukzessionsstadien Nunner 2003). Besondere Rücksicht ist Generell muss die in der Literatur häu- austragsgenutzter Wälder (Schwendungs- hierbei natürlich auf Vorkommen von Wie- fig unterstellte Wirksamkeit solcher Brach- flächen, Niederwald, Kahlschläge etc.). senbrütern (z.B. Braunkehlchen) zu neh- ebereiche als „Rückzugsräume für Insekten Ein häufiges Argument, das für das Be- men. Ein weiterer positiver Effekt dieser und kleine Wirbellose“ (z.B. Humbert et lassen von Brachen genannt wird, ist die Frühmahd ist die Freistellung des Heilziests al. 2010) nach der Mahd im Grundsatz heutzutage großflächig stattfindende ma- (Betonica officinalis), der dann bevorzugt hinterfragt werden. Entscheidend ist, bei schinelle Mahd, die sich durch Fixierung vom Heilziest-Dickkopffalter (Carcharodus welchen bestandsgefährdeten Arten derar- von Mahdterminen unter Umständen auf flocciferus) als Eiablagepflanze angenom- tige Strukturen einen Nutzen auf Popula- ein einziges Wochenende konzentriert men wird. tionsebene leisten, der zumindest für ein- (z.B. Huemer 1996). Im Gegensatz dazu Eine vorgezogene Mahd im Juli führt schürige Streuwiesen mit spätem Schnitt- wurden die Streuwiesen früher über meh- dagegen zu einem abgeschwächten Nähr- zeitpunkt nicht oder nur ausnahmsweise rere Wochen hinweg gemäht, so dass bis stoffentzug und beraubt die Streuwiesen- gegeben zu sein scheint. Anzunehmen ist in den Herbst hinein stets ein Mosaik aus vegetation der Möglichkeit, nochmals zur nach bisherigen Beobachtungen eine Ab- gemähten und ungemähten Bereichen vor- Blüte zu kommen, weshalb nach mehrjäh- hängigkeit von frühen Brachestadien für handen war. Aber auch diesbezüglich kann riger Wiederholung einer Juli-Mahd uner- die in Niedermoorgebieten auftretenden hinterfragt werden, welche schutzbedürf- wünschte Verschiebungen in Richtung ei- FFH-Arten Wald-Wiesenvögelchen (Coeno tigen Arten durch Komplettmahd Ende ner zweischürigen Feuchtwiesenvegetation nympha hero) und Stromtal-Wiesenvögel- August/Anfang September noch nachhaltig zu beobachten sind (vgl. Quinger 2003). chen (Coenonympha oedippus) (Bräu & geschädigt werden könnten (s.o.). Selbst- Eine weitere, im württembergischen Allgäu Dolek 2013, Bräu & Schwibinger 2013). verständlich sind kleinflächige Brachebe- bisher nur in Ausnahmefällen eingesetzte Hier steht aufgrund der europaweiten reiche (max. 10 % der Fläche) für die vor- Alternative ist die Durchführung einer hoch Schutzverantwortung und des sehr hohen kommenden Arten nicht schädlich, solange angesetzten (10 bis 20 cm Schnitthöhe) Gefährdungsgrades außer Frage, dass sie jährlich gewechselt werden. Insoweit Schilfmahd im Juni. Hierbei werden das Schutzkonzepte auf frühe Brachestadien kann dieser Ansatz im Sinne einer „Risiko- Schilf und der Obergrashorizont entfernt, von Pfeifengraswiesen abzielen müssen. minimierung“ und einer allgemeinen Er- jedoch die Blattrosetten des Teufelsabbiss Gleichwohl sind fast alle eigentlichen Arten höhung der Strukturdiversität in bestimm- verschont und diese damit offen zugänglich der Streuwiesen an das „einschneidende ten Fällen beibehalten werden (vgl. Bräu gemacht. Eine solche Mahd wird beispiels- Ereignis“ einer Spätmahd hervorragend & Nunner 2003), etwa wenn dadurch weise in Nord- und Ostdeutschland vor angepasst und haben zum Zeitpunkt der spezielle Artenschutzziele, wie ein verbes- Naturschutz und Landschaftsplanung 49 (9), 2017, 283-290, ISSN 0940-6808 289
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