MARGARETA E. KULESSA/ JAN A. SCHWAAB - Konzepte zur "Ökologisierung" der internationalen Handels- und Wirtschaftspolitik

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MARGARETA E. KULESSA / JAN A. SCHWAAB
      Konzepte zur »Ökologisierung« der internationalen Handels- und Wirtschaftspolitik*

      I  n der Diskussion über wirtschaftliche Globalisie-
         rung und Liberalisierung gewinnen ökologische
      Aspekte zunehmend an Bedeutung, was sich u. a.
                                                                                               und 1998; Petschow et al. 1998), werden ähnlich
                                                                                               kontroverse Positionen vertreten:
                                                                                                   Die »Harmoniethese« postuliert, dass Umwelt-
      in der Forderung niederschlägt, die internationale                                       schutz und Globalisierung uneingeschränkt mit-
      Wirtschafts- und Umweltpolitik stärker mitein-                                           einander vereinbar sind. Die Vertreter dieser These
      ander zu verzahnen. Das Anliegen dieses Beitrags                                         heben insbesondere den Beitrag der Globalisie-
      ist es, konkrete Vorschläge für ihre institutionelle                                     rung zur Bewältigung von Umweltproblemen her-
      Verknüpfung zusammenfassend darzustellen und                                             vor, der sich aus der Generierung höherer Ein-
      kritisch zu beleuchten.                                                                  kommen und der Diffusion umweltfreundlicher
                                                                                               Produkte und Technologien und einer verbes-
                                                                                               serten Allokation des Faktors Umwelt ergäbe. Sie
      Zur Vereinbarkeit von Globalisierung und                                                 favorisieren u. a. aus diesem Grund eine Fortset-
      Umweltschutz                                                                             zung weltwirtschaftlicher Liberalisierung (z. B.
                                                                                               Bhagwati 1994; Gerken / Renner 1996, Pflüger
      Die Chancen und Risiken der Globalisierung –                                             1999; OECD 1997a; Bhagwati / Srinavasan 1996).
      verstanden als Zunahme der ökonomischen Inter-                                           Mögliche Konflikte zwischen Umweltschutz und
      dependenzen zwischen Staaten und Gesellschaf-                                            ökonomischer Globalisierung seien durch eine
      ten (DGvL 1997, 50) 1 – werden bekanntermaßen                                            konsequente Umweltpolitik, die externe Effekte
      höchst unterschiedlich eingeschätzt (Hoffmann                                            vollständig internalisiert, zu lösen. Dieser Auffas-
      1999). Einerseits erhofft man sich Wohlfahrtsge-                                         sung liegt üblicherweise ein neoklassisch geprägtes
      winne, die sich in einer Erhöhung des Wirtschafts-                                       Außenhandelsmodell zu Grunde, in das die Um-
      wachstums und damit einhergehend in einer                                                welt als knapper Produktionsfaktor integriert wird
      weltweiten Steigerung des Lebensstandards und                                            und das bei knappheitsgerechten Preisen eine
      einem Aufholen der Entwicklungsländer nieder-                                            optimale Allokation des Faktors Umwelt impli-
      schlagen (z. B. OECD 1997a; Minc 1998). Anderer-                                         ziert. Eine institutionelle Verknüpfung von inter-
      seits befürchten Kritiker, dass durch die Globali-                                       nationaler Wirtschafts- und Umweltpolitik wird
      sierung u. a. Massenarbeitslosigkeit, Armut und                                          abgelehnt, da sie weder effektiv, noch effizient sei
      die Marginalisierung der ärmsten Entwicklungs-                                           (Siebert 1998, 181 ff. u. 214 f.).
      länder sowie politische Instabilitäten verschärft                                            Im Gegensatz zur »Harmoniethese« gehen
      werden (z. B. Forrester 1997; Martin / Schumann                                          verschiedene Autoren von einer weitgehenden
      1997). Vor allem aber wird ein allgemeiner Ver-                                          Inkompatibilität wirtschaftlicher Globalisierung
      lust staatlicher Ordnungs- und Steuerungsfähig-                                          mit ökologischen Erfordernissen aus. Entspre-
      keit problematisiert, der eine neue Architektur                                          chend wird eine Abkehr von der weltwirtschaft-
      der Politik erfordern würde, in der interna-                                             lichen Liberalisierungsstrategie befürwortet (z. B.
      tionale Institutionen und Regime kein Flick-                                             Daly / Goodland 1994; Korten 1997; PGA 1999).
      werk sind, sondern zentraler Baustein einer »Glo-                                        Zur Begründung wird im wesentlichen angeführt,
      bal-Governance-Architektur« (Messner / Nuscheler
      1996, 21).
                                                                                               * Unser Dank gilt Anja Altmann für wertvolle Hin-
          In der spezielleren Diskussion über Globalisie-                                      weise.
      rung und Umweltschutz, die in jüngerer Zeit                                              1. Zu anderen Definitionen siehe Beisheim / Walter
      deutlich intensiviert wurde (z. B. OECD 1997b                                            1997.

254   Margareta E. Kulessa/Jan A. Schwaab, Konzepte zur »Ökologisierung« der internationalen Handels- und Wirtschaftspolitik             IPG 3/2000
dass Liberalisierung /Globalisierung die Intensität                     externer Effekte, zu deren spürbarer Reduzierung
und Verbreitung umweltschädlicher Produktions-                          es multilateraler Vereinbarungen bedarf. Globali-
und Konsummuster verstärken, umweltbelastende                           sierung macht eine Beschleunigung der Internali-
Transportströme hervorrufen und die wirtschaft-                         sierungspolitik empfehlenswert, denn »intensified
liche Krisenanfälligkeit der Regionen erhöhen.                          trade and investment could amplify existing policy
Außerdem verdränge die Liberalisierung insbe-                           and market failures which underlie an already
sondere in Entwicklungsländern umweltverträg-                           stressed environment.« (OECD 1997c, 12). Eine
lich wirtschaftende Kleinproduzenten. Vor allem                         Beschleunigung der Internalisierungsprozesse ist
aber werden der internationale Wettbewerbs-                             jedoch trotz des merklichen Globalisierungsschubs
druck sowie die Transnationalisierung der Unter-                        nicht zwingend zu erwarten. Ganz im Gegenteil
nehmen kritisiert, da sie den umweltschutzpoli-                         besteht sogar die Gefahr, dass sich die Umset-
tischen Handlungsspielraum erheblich reduzieren                         zungs- und Durchsetzungsprobleme gerade auf
würden.                                                                 Grund der ökonomischen Globalisierung ver-
    Schließlich gibt es eine Reihe von Autoren, die                     stärken und sich der Internalisierungsprozess
zwar grundsätzlich für eine liberale Weltwirt-                          somit verlangsamt. Die Gründe für eine Verlang-
schaftsordnung plädieren, damit sich positive                           samung lassen sich im wesentlichen der Diskus-
Umweltwirkungen der Globalisierung entfalten                            sion über den Verlust an nationalstaatlicher Ord-
können; aber sie erachten gleichzeitig eine »Öko-                       nungs- und Steuerungsfähigkeit entnehmen, als
logisierung« der Weltwirtschaftsbeziehungen für                         dessen Hauptursachen die Transnationalisierung
wünschenswert, um mögliche negative Umwelt-                             der Unternehmen und der intensivierte Standort-
wirkungen der Globalisierung zu reduzieren (z. B.                       wettbewerb angesehen werden.
Petschow 1998). In Abgrenzung zu der Harmonie-                              Es wird erwartet, dass sich die Tätigkeit der
these wird die Auffassung, Globalisierung und                           Unternehmen angesichts der technischen Ent-
Umweltschutz ließen sich auf dem Weg der                                wicklung im Kommunikations- und Transportbe-
Internalisierung externer Effekte in vollständigen                      reich und der weltweiten Öffnung der Märkte
Einklang bringen, als hilfreicher, aber zugleich                        zunehmend transnationalisiert. 2 Hieraus lässt sich
realitätsferner Ansatz eingestuft. Da die Realität                      die Befürchtung ableiten, dass einzelstaatliche
deutlich von den zu Grunde liegenden Annahmen                           Umweltschutzmaßnahmen Wanderungsbewegun-
neoklassischer Prägung abweiche, müsse auch                             gen der Industrie in Länder mit niedrigeren Um-
von der Ablehnung umweltpolitisch motivierter                           weltstandards auslösen (UNDP 1997, 111 f.). Das
Beschränkungen der internationalen Wirtschafts-                         bedeutet wiederum, dass die volkswirtschaftlichen
ströme Abstand genommen werden.                                         Kosten der Abwanderung (Kapitalabbau, Beschäf-
                                                                        tigungs- und Anpassungsprobleme usw.) in das
                                                                        politische Entscheidungskalkül eingehen müssen
Begründungen für eine institutionelle Verknüpfung                       und die Durchsetzbarkeit von Umweltschutzmaß-
von Weltwirtschafts-und Umweltpolitik                                   nahmen verringert wird. Folge ist, dass weniger
                                                                        hohe Umweltziele gesetzt werden. Bei globalen
Verlangsamung der Internalisierung                                      Umweltproblemen führt die Industrieflucht dar-
                                                                        über hinaus dazu, dass einzelstaatliche Umwelt-
Es ist nahezu unbestritten, dass im Umweltbereich                       politik weitgehend ineffektiv wird. Analytische
erhebliche Internalisierungsdefizite bestehen. Ihre                     Überlegungen und empirische Hinweise sprechen
Beseitigung ist außerordentlich zeitintensiv, da                        allerdings dafür, dass die Transnationalisierung der
Umweltprobleme und ihre Folgen erforscht sowie                          Unternehmen systemintern begrenzt ist (Hirsch-
technische Probleme bei der Umsetzung von Um-                           Kreinsen 1997; Doremus et al. 1998). Ebenso feh-
weltschutzmaßnahmen beseitigt werden müssen.                            len bislang empirische Belege für die These, dass
Darüber hinaus scheinen Trial-and-error-Prozesse
unumgänglich zu sein. Schließlich und vor allem
bedarf es bekanntlich eines langen Atems, um kon-                       2. Zur managementtheoretischen Literatur über die
krete Umweltschutzmaßnahmen politisch durch-                            verschiedenen Globalisierungsstratgien z. B. Kotler
zusetzen. Dies gilt besonders im Falle globaler                         (1990), Porter (1983).

IPG 3/2000                           Margareta E. Kulessa/Jan A. Schwaab, Konzepte zur »Ökologisierung« der internationalen Handels- und Wirtschaftspolitik   255
Umweltpolitik zu Industrieflucht führt (Esty/                                            Globalisierung ihre Umweltverschmutzung expor-
      Gentry 1997; Adams 1997; WTO 1998a, 54 f.). Ande-                                        tieren und den Süden als Abfallhalde verwenden,
      rerseits sagen die empirischen Studien zur Indus-                                        mag übertrieben sein (Petschow et al. 1998, 238 f.).
      trieflucht wenig über zukünftige Entwicklungen                                           Aber auch wenn die Industriegüterproduktion in
      aus. Außerdem kann es ungeachtet wissenschaft-                                           den Entwicklungsländern überwiegend für den
      licher Erkenntnisse zu Politikversagen im Sinne                                          Verbrauch im Süden selbst bestimmt ist, weist die
      einer Paralyse der Umweltpolitik im Standort-                                            These auf verschiedene umweltpolitische Pro-
      wettbewerb der Nationen kommen. Umwelt-                                                  bleme hin, die der Strukturwandel in Entwick-
      schutzziele können systematisch zu Gunsten stra-                                         lungsländern aufwirft. Dazu zählt, dass eine so
      tegischer außenwirtschaftspolitischer Ziele geop-                                        intensive Nutzung der Umweltgüter, wie sie die
      fert werden (Ulph 1996; Weida 1998, 292 f.). Es                                          Industrieländer betrieben haben, angesichts öko-
      wird dann in Kauf genommen, dass sich die                                                logischer Knappheiten nicht auf die gesamte Welt-
      Preissignale immer weiter von den tatsächlichen                                          bevölkerung ausgedehnt werden kann. Da aber die
      Umweltknappheiten entfernen. In der Dynamik                                              Globalisierung diesen Prozess begünstigt, steigt
      könnte diese Politik sogar dazu führen, dass sich                                        die Notwendigkeit des Gegensteuerns.
      die Länder gegenseitig durch immer geringere
      Umweltschutzanforderungen unterbieten (UNDP
      1997, 112). Während ein derartiges »race to the                                          Die Bedeutung außenwirtschaftlicher Vorgänge für die
      bottom« u. a. auf Grund des gestiegenen Umwelt-                                          Umweltpolitik
      bewusstseins der Bevölkerung eher unwahrschein-
      lich ist, mehren sich seit den 80er Jahren die                                           Die Interdependenz zwischen natürlicher Umwelt
      Anzeichen für eine Verschleppung und Verwässe-                                           und außenwirtschaftlichen Vorgängen hat infolge
      rung von umweltpolitischen Vorhaben (Political                                           der Globalisierung zugenommen. So bedeuten
      drag).                                                                                   gestiegene Handelsquoten für das einzelne Land,
                                                                                               dass ein wachsender Teil des produktionsbe-
                                                                                               dingten Ressourcen- und Umweltverzehrs für den
      Globaler Strukturwandel zwischen Industrie-                                              Export stattfindet und konsumtiv bedingte Um-
      und Entwicklungsländern                                                                  weltbelastungen zunehmend auf den Verbrauch
                                                                                               importierter Güter zurückzuführen sind. Dadurch
      Die sich wandelnde Arbeitsteilung zwischen                                               beeinflussen Weltmarktbedingungen in steigen-
      »Nord« und »Süd« ist ökologisch bedeutsam, da                                            dem Maße mittelbar den Zustand der natürlichen
      ein großer Teil der verbliebenen Umweltressour-                                          Umwelt im Inland. Umgekehrt gehen vom Pro-
      cen im Süden liegt, dessen bis dato geringer                                             duktions- und Konsumverhalten besonders der
      Anteil am globalen Ressourcenverbrauch steigt                                            größeren Volkswirtschaften über den Weltmarkt
      und die Entwicklungsländer i. d. R. laxere Um-                                           zunehmend Rückwirkungen auf die exterritoriale
      weltschutzbestimmungen als der Norden auf-                                               Umwelt aus. Hinzu kommt, dass sich Umweltbe-
      weisen (OECD 1997a, 122 f.; Biermann 1998, ff.).                                         lastungen immer schwerer einzelnen Nationen
      Gegenwärtig zeichnen sich komplementäre Ten-                                             und Individuen zuordnen lassen. Je verwobener
      denzen des Strukturwandels in Nord und Süd                                               die Volkswirtschaften, desto schwieriger ist es,
      ab. In den Industrieländern wird der Aufstieg                                            zuverlässige quantitative Aussagen über den »öko-
      des Dienstleistungssektors zum vorherrschenden                                           logischen Rucksack« (BUND / Misereor 1996, 133 ff.)
      Wirtschaftsbereich beobachtet, während in etlichen                                       der einzelnen Länder bzw. Menschen zu tref-
      Entwicklungsländern die Industrialisierung zu-                                           fen. Das weltwirtschaftlich hervorgerufene Zuord-
      nimmt. Diese Entwicklung dürfte sowohl Motor                                             nungsproblem macht sich besonders in der
      als auch Auswirkung der Globalisierung sein. Für                                         durch Verteilungskämpfe geprägten internatio-
      den Fall, dass die Globalisierung weiter anhält,                                         nalen Politik zum Schutz globaler Umweltgüter
      ist mit noch stärkeren Tendenzen zur Tertiarisie-                                        bemerkbar (Biermann 1998). Insgesamt wird es
      rung und Hochtechnologisierung im Norden                                                 angesichts der fortschreitenden wirtschaftlichen
      und zur Industrialisierung im Süden zu rechnen.                                          Integration immer schwieriger, die Wirksamkeit
      Die These, dass die Industrieländer im Zuge der                                          und die Kosten einzelstaatlicher Umweltschutz-

256   Margareta E. Kulessa/Jan A. Schwaab, Konzepte zur »Ökologisierung« der internationalen Handels- und Wirtschaftspolitik                  IPG 3/2000
maßnahmen abzuschätzen, da Reaktionen im Aus-                       weitere Auffassung von einer ökologisierten Welt-
land in die Analyse einbezogen werden müssen.                       handelsordnung schließt unilaterale Handelsbe-
    Für die nationale Ebene sind mittlerweile eine                  schränkungen gegen sog. Ökodumping mit ein.
Reihe von Nachhaltigkeitsstrategien konzipiert                      Damit ist gemeint, dass Länder den Import
worden, die für eine integrative Ökologisierung                     von Produkten beschränken dürfen, bei deren
von Wirtschaft, Gesellschaft und Politik plädieren                  Produktion bestimmte Umweltstandards (Produc-
(Bartmann 1996). Da die Komplexität der Wech-                       tion and Process Method Standards: PPMS) nicht
selwirkungen zwischen Weltwirtschaftsbeziehun-                      eingehalten werden (z. B. WWF 1991). Werden hier-
gen und Umweltschutz im Zuge der Globalisie-                        bei internationale Mindeststandards zu Grunde
rung weiter ansteigen dürfte, werden integrative                    gelegt, wird dies hier als »Ökoklausel« oder syno-
Ansätze auch auf internationaler Ebene angedacht.                   nym als die Forderung nach Umweltstandards im
Eine Fusion von internationaler Wirtschafts- und                    internationalen Handel bezeichnet. Demgegen-
Umweltpolitik ist allerdings gerade auf Grund der                   über verstehen wir unter Öko-Ausgleichsmaß-
Komplexität der Zusammenhänge nicht prakti-                         nahmen, dass ein Land den Import von Produk-
kabel. Stattdessen werden Wege gesucht die Kom-                     ten beschränkt, die unter laxeren PPMS als einhei-
plexität auf eine technisch und politisch prakti-                   mische Produkte hergestellt wurden.
kable Ebene herunterzubrechen. Konkret wird im
Folgenden zum einen die Integration umweltpoli-
tischer Erfordernisse in die Welthandelsordnung                     Behindern GATT/ WTO die Umweltpolitik?
und die Gestaltung der internationalen Investiti-
onsbeziehungen diskutiert; zum anderen wird                         Die Prinzipien von GATT und WTO orientieren sich
die stärkere Berücksichtigung weltwirtschaftlicher                  an den Postulaten der Handelsliberalisierung und
Zusammenhänge in internationalen Umweltschutz-                      Nicht-Diskriminierung. Die Freihandelsprinzipien
vereinbarungen beleuchtet.                                          werden jedoch durch mehrere Ausnahmerege-
                                                                    lungen durchbrochen, um u. a. dem ebenfalls
                                                                    konstituierenden Prinzip der Souveränität der
Zur »Ökologisierung« der internationalen                            Mitgliedstaaten zu entsprechen. So wird jedem
Handelsordnung                                                      Mitgliedstaat durch Artikel XX(b,g) des GATT
                                                                    grundsätzlich das Recht zugesichert, nach eige-
Grundsätzliche Vorbemerkungen                                       nem Ermessen das Leben und die Gesundheit
                                                                    von Mensch, Tier und Pflanze zu schützen sowie
Die aktuelle Diskussion über eine »Ökologisie-                      erschöpfbare Ressourcen zu erhalten. Dass damit
rung« der Weltwirtschaftsordnung rankt sich im                      auch der Schutz der Umwelt im weiteren Sinne
handelspolitischen Bereich um das Allgemeine                        gemeint ist, wird durch die Präambel der WTO
Zoll- und Handelsabkommen (GATT) und die                            bekräftigt, in der von dem »Ziel einer dauerhaften
Welthandelsorganisation (WTO) (Helm 1995; Knorr                     Entwicklung ..., die den Schutz und die Erhaltung
1997), die im Jahr 1995 an die Stelle des alten                     der Umwelt ... umfasst« gesprochen wird. Das
GATT-47 trat. Die WTO-Vereinbarungen regeln außer                   Souveränitätsprinzip bedeutet aber nicht, dass die
dem internationalen Warenhandel (GATT-94) den                       Umweltpolitik bzw. Gesundheits- und Verbrau-
Handel mit Dienstleistungen (GATS) und den                          cherschutzpolitik losgelöst von GATT/ WTO agieren
internationalen Schutz geistiger Eigentumsrechte                    kann, sondern die multilaterale Handelsordnung
(TRIPS).                                                            schränkt den Handlungsspielraum durchaus ein.
    Einige Autoren sprechen bereits dann von                        Im Folgenden werden verschiedene Restriktionen
einer »Ökologisierung« der WTO, wenn das Regel-                     anhand von Fallbeispielen illustriert.
werk die Vertragsstaaten nicht daran hindert,
Maßnahmen zu ergreifen, die zum Schutz der
Umwelt notwendig sind (z. B. Kulessa 1995, 281 ff.;
Helm 1995, 121 ff.). Von dieser Seite werden                        3. Helm (1995, 84 ff.) diskutiert darüber hinaus eine
sog. Ausnahmeklauseln in den jeweiligen Abkom-                      »Standardisierung für Standards« und positive Handels-
men als grundsätzlich ausreichend erachtet. 3 Eine                  anreize.

IPG 3/2000                       Margareta E. Kulessa/Jan A. Schwaab, Konzepte zur »Ökologisierung« der internationalen Handels- und Wirtschaftspolitik   257
EU-Verbot von hormonbehandeltem Rindfleisch                                              luierung der wissenschaftlichen Schriften in ihrem
                                                                                               Sinne bemüht, andererseits erwägt sie, die nord-
      In der EU ist der Einsatz bestimmter natürlicher                                         amerikanischen Staaten durch Kompensationen zu
      und künstlicher Hormone bei der Rindermast                                               entschädigen. Ungeachtet seines konkreten Aus-
      seit Ende der 80er Jahre beschränkt, um Fleisch-                                         gangs macht der Konflikt eines deutlich: Das
      konsumenten vor etwaigen gesundheitlichen Risi-                                          SPS-Abkommen eröffnet die Möglichkeit, umwelt-
      ken zu schützen. Entsprechend ist der Import von                                         bzw. gesundheitspolitische Ziele in Frage zu
      Rindfleisch in die EU verboten, bei dessen Pro-                                          stellen und überträgt handelsrechtlichen Gremien
      duktion Wachstumshormone Anwendung finden.                                               die Kompetenz, darüber zu entscheiden, ob
      Die USA und Kanada halten das Einfuhrverbot für                                          wissenschaftliche Grundlagen das Ziel rechtfer-
      unvereinbar mit den WTO-Vereinbarungen. Sie                                              tigen. Dadurch entstehen Unsicherheiten für die
      bestreiten weniger, dass die Importbeschrän-                                             Regierungen, die sie im verbraucher- und umwelt-
      kungen notwendig sind, um den bestehenden                                                schutzpolitischen Bereich zögerlicher machen
      EU-Standard durchzusetzen. Vielmehr greifen sie                                          dürften, da die Wahrscheinlichkeit eines WTO-
      zuvorderst das Hormonverbot an sich an, da es der                                        Konflikts und seiner Folgekosten nunmehr bereits
      wissenschaftlichen Grundlage entbehre und eine                                           bei der Zielformulierung in die Kosten-Nutzen-
      verschleierte Handelsbeschränkung darstelle. Sie                                         Analyse einfließen werden. Verwässerungstenden-
      stützen sich dabei im wesentlichen auf das GATT-                                         zen dieser Art können im Zusammenhang mit
      Übereinkommen über sanitäre und phytosanitäre                                            gentechnisch modifizierten Lebensmitteln und
      Maßnahmen (SPS). Nach ergebnislosen Verhand-                                             Organismen beobachtet werden. Es geht erneut
      lungen zwischen den USA und der EU wurde im                                              um Produkte, deren umwelt- und gesundheits-
      Jahre 1996 auf Antrag der USA ein WTO-Schieds-                                           politische Unbedenklichkeit aus US-amerikanischer
      panel errichtet. Das Panel erklärte das Importver-                                       Sicht belegt ist, die von der EU-Bevölkerung hin-
      bot ein Jahr später aus verschiedenen Gründen für                                        gegen als ökologisch und gesundheitlich riskant
      unzulässig;4 u. a. wurde bemängelt, dass sich die                                        eingeschätzt werden.
      EU nicht an den (laxeren) internationalen Standard                                           Das SPS-Abkommen der WTO birgt die Gefahr,
      des Codex Alimentarius halte, obwohl das SPS-                                            die Durchsetzbarkeit und Umsetzung umwelt-
      Abkommen verlange, das sich nationale Schutz-                                            und verbraucherschutzpolitischer Maßnahmen zu
      maßnahmen auf internationale Normen stützen                                              erschweren. Die EU mag über die wirtschaftliche
      sollen, soweit diese existieren (SPS Art. 3.1). Da-                                      und politische Macht verfügen, um den Vor-
      raufhin legte die EU Berufung ein. Die Berufungs-                                        stößen der USA einschließlich potenzieller Han-
      instanz stellte klar, das strengere nationale Stan-                                      delssanktionen zu trotzen oder Kompensationen
      dards nicht per se WTO-widrig seien. Gleichwohl                                          zu leisten. Im Falle kleinerer Handelspartner ist es
      erklärte das Berufungsorgan das Importverbot in                                          hingegen wahrscheinlicher, dass sie im Zweifels-
      seinem Bericht (1998) ebenfalls für unzulässig,                                          falle die Konfliktvermeidung dem Vorsorgeprin-
      weil die EU keine ausreichenden wissenschaft-                                            zip vorziehen. Internationale Umwelt- und Ge-
      lichen Indizien für die Gesundheitsschädlichkeit                                         sundheitsstandards könnten durch die handels-
      des hormonbehandelten Rindfleiches vorgelegt                                             politische Hintertür zu »top ceilings« werden.
      hätte. 5 Hierzu sei sie aber durch die umwelt- und                                       Zumindest aber wird ein »race to the top«
      gesundheitspolitisch heftig kritisierte Umkehr der                                       durch die WTO-Bestimmungen wesentlich unwahr-
      Beweislast, die sich aus dem SPS-Abkommen                                                scheinlicher.
      ergäbe, verpflichtet (Helm 1995, 139). Nicht die
      klagende Partei (USA) müsste die Unschädlichkeit
      ihrer Exporte (Fleisch hormonbehandelter Rin-
      der) nachweisen, sondern die andere Partei (EU)                                          4. WTO Dokument WT/ DS26/ R /USA v. 18. August
      müsse die Gesundheitsschädlichkeit belegen. 6                                            1997.
          Der »Hormonstreit« zwischen den USA, Kanada                                          5. WTO Dokument WT/ DS26 / AB/R u. WT / DS48 /
      und der EU schwelt weiter. Die USA und Kanada                                            AB / R v. 16. Januar 1998.
                                                                                               6. Ohne ins Detail zu gehen, sei hier angemerkt, dass
      haben im vergangenen Jahr Strafzölle verhängt.                                           das SPS-Abkommen die Umkehr der Beweislast allerdings
      Die EU wiederum ist einerseits um eine Reva-                                             keineswegs explizit vorsieht.

258   Margareta E. Kulessa/Jan A. Schwaab, Konzepte zur »Ökologisierung« der internationalen Handels- und Wirtschaftspolitik              IPG 3/2000
Der Schutz exterritorialer Ressourcen: Von Thun-                    asiatischen Staaten (Indien, Malaysia, Pakistan,
fischen und Delphinen, Garnelen und Schildkröten                    Thailand) bemerkbar. Die USA schreiben einhei-
                                                                    mischen Schrimpfischern vor, dass sie sog. »turtle
Ein anderer Sachverhalt als beim »Hormonstreit«                     excluder devices« 8 verwenden. Das ergänzende
liegt vor, wenn Importbeschränkungen nicht zum                      Importverbot sieht in der Praxis so aus, dass nur
Schutz der Gesundheit der inländischen Bevöl-                       noch Schrimps aus Ländern eingeführt werden
kerung, sondern zum Schutz exterritorialer Res-                     dürfen, die in schildkrötenfreien Gewässern fischen
sourcen ergriffen werden und dazu dienen sollen,                    oder die ihrer Garnelenwirtschaft die gleichen Auf-
das Ausland zu umweltfreundlicheren Produk-                         lagen vorschreiben wie die USA. Im Jahr 1997
tionsmethoden zu bewegen. Dies war der Fall                         wurde ein WTO-Panel auf Antrag der genannten
in dem mittlerweile berühmten Thunfischstreit                       asiatischen Länder errichtet, dem sich verschie-
zwischen Mexiko und anderen auf der einen, und                      dene afrikanische Länder anschlossen. Der Panel-
den USA auf der anderen Seite zu Beginn der 90er                    bericht vom Mai 1998 bewertete das Importver-
Jahre. Hintergrund des Streits ist eine amerika-                    bot als GATT-widrig, da es ausländischen Staaten
nische Vorschrift zum Schutz von Meeressäuge-                       das US-amerikanische Gesetz mittels Handelssank-
tieren, dass die US-amerikanische Thunfischflotte                   tionen zu oktroyieren versuche und dadurch
im Ostpazifik nicht mehr als 20.500 Delphine jähr-                  das multilaterale Handelssystem grundsätzlich
lich töten oder verletzen darf. Da jedoch Mexiko                    gefährde. 9 Die umweltpolitische Notwendigkeit
und andere Anrainerstaaten keine vergleichbare                      der Maßnahmen wurde nicht geprüft. Die Beru-
Politik aufwiesen, führten die USA ein Importver-                   fungsinstanz widersprach im Oktober 1998 diesem
bot für Thunfischprodukte aus diesen Ländern                        Vorgehen, bewertete das Importverbot im spe-
ein. Das Embargo sollte erst aufgehoben werden,                     ziellen Fall aber ebenfalls als GATT-widrig, da seine
wenn die jeweiligen ausländischen Flotten ent-                      konkrete Ausgestaltung dem Nichtdiskriminie-
weder ähnlichen Auflagen unterworfen werden,                        rungs- und Konsultationsgebot der WTO diametral
oder wenn sie nachweisen konnten, im Durch-                         zuwiderlaufe. 10 An dem Bericht des Berufungs-
schnitt nicht mehr als die 1,25-fache Zahl an                       organs ist eines besonders erwähnenswert: Es wird
Delphinen zu töten als Schiffe der US-Flotte.                       nicht in Frage gestellt, dass die USA berechtigt
Wenig später wurde die Importbeschränkung auf                       sind, als ultima ratio Handelsbeschränkungen zu
Thunfischeinfuhren aus Ländern ausgedehnt, die                      ergreifen, die sich gegen Aktivitäten außerhalb
als Zwischenhändler für »Non-dolphin-safe«-                         des eigenen Hoheitsgebietes richten. Schließlich
Thunfisch gelten, darunter auch EU-Staaten.                         seien die Meeresschildkröten zeitweilig auch in US-
     Zwei aufeinander folgende GATT-Panels (1991                    amerikanischem Gewässer unterwegs, wodurch
und 1994) befassten sich mit dem Thunfisch-                         ein territorialer Bezug zwischen den USA und den
importverbot und kamen jeweils zu dem Ergeb-                        bedrohten Schildkröten bestünde (Hermanns
nis, dass es GATT-inkonform sei. 7 Die Experten des                 1999, 5)
zweiten Panels distanzierten sich indes vom                             Alles in allem ist die Vereinbarkeit von Han-
ersten Panel insoweit, als sie klarstellten, das                    delsbeschränkungen zur Abwehr grenzüberschrei-
die GATT-Widrigkeit des US-Importverbots nicht                      tender Umweltbelastungen mit dem Regelwerk
bedeute, dass produktionsprozessbezogene Han-                       der WTO nicht eindeutig geklärt. Im Falle globaler
delsbeschränkungen zum Schutz exterritorialer                       Umweltgüter, bei denen der territoriale Bezug
Ressourcen generell unzulässig seien. Die Pane-                     nicht oder nur äußerst indirekt gegeben ist,
listen forderten die Staaten auf, diese und andere                  lässt sich über die WTO-Konformität allenfalls
offene Fragen in Bezug auf das Verhältnis von
(exterritorialem) Umweltschutz und Handelspo-                       7. 30 I.L.M. (International Legal Materials) 1594 (1991)
litik zu klären (Jones 1999, 412 f.). Seitdem sind                  und 33 I.L.M. 839 (1994).
mehr als fünf Jahre verstrichen, ohne dass die                      8. Das sind relativ effektive Vorrichtungen, die in die
Bestimmungen des GATT seitens der WTO-Mit-                          Netze eingebaut werden und es Schildkröten erlauben,
                                                                    aus den Netzen auszubrechen.
gliedstaaten präzisiert oder gar reformiert wurden.                 9. WTO Dokument WT / DS58/R v. 15. Mai 1997.
     Dieses Versäumnis machte sich u. a. in dem                     10. WTO Dokument WT / DS58 / AB / R v. 12. Oktober
Garnelenstreit zwischen den USA und mehreren                        1998.

IPG 3/2000                       Margareta E. Kulessa/Jan A. Schwaab, Konzepte zur »Ökologisierung« der internationalen Handels- und Wirtschaftspolitik   259
spekulieren. Grundsätzlich ist zu bemängeln, dass                                        werden, die Zulässigkeit der Maßnahme in einem
      die WTO-Mitglieder bis dato keine umweltpoli-                                            Streitschlichtungsverfahren prüfen zu lassen.
      tisch akzeptable Lösung für diese offenen Fragen                                              Das Konzept der Ökoklauseln ist vielfach kriti-
      gefunden haben. Angesichts der Verschärfung                                              siert worden (Weida 1997, 291 ff.). So wird u. a.
      grenzüberschreitender und globaler Umweltbela-                                           befürchtet, dass sie angesichts ihrer Praktikabi-
      stungen sowie der zunehmenden realwirtschaft-                                            litätsdefizite protektionistisch missbraucht werden.
      lichen Verflechtung der Länder wächst aber die                                           Außerdem wird bemängelt, dass weltweit ein-
      umweltpolitische Notwendigkeit, die Bestimmun-                                           heitliche Umwelt(mindest)standards Handels- und
      gen von GATT / WTO zu reformulieren.                                                     Reallokationsbarrieren darstellen, die aus umwelt-
                                                                                               ökonomischer Sicht nicht nur entbehrlich, sondern
                                                                                               kontraproduktiv sind. Den erheblichen Problemen
      Sind WTO–Ökoklauseln notwendig im Zuge der                                               und Risiken steht die Erwartung gegenüber, dass
      Globalisierung?                                                                          Ökoklauseln möglichen negativen Umweltfolgen
                                                                                               der Globalisierung entgegenwirken können. Ein-
      Vor allem verschiedene Umweltschutzverbände                                              schränkend ist jedoch erstens zu berücksichtigen,
      plädieren seit längerem für Ökoklauseln in der                                           dass mit Ökoklauseln nur ein kleiner Teil der welt-
      WTO und lehnen eine (weiter gehende) Liberalisie-                                        weiten Umweltprobleme erfasst würde. Zweitens
      rung des Welthandels ohne eine Verankerung von                                           stellen Ökoklauseln für die internationale um-
      Umweltstandards in der Welthandelsordnung ab                                             weltökonomische Arbeitsteilung Barrieren dar, die
      (z. B. Greenpeace, WWF). Verschiedene westliche                                          konzeptionell zwar gewollt sind, aber für ein-
      Regierungen unterstützen die Integration von                                             zelne Länder den Verzicht auf umweltentlastende
      Ökoklauseln in die WTO (z. B. Frankreich, die                                            Effekte der Globalisierung bedeuten können.
      USA und Deutschland, Handelsblatt v. 16.3.99).                                           Schließlich ist realistischerweise davon auszu-
      Das radikalste Konzept einer Ökoklausel sieht vor,                                       gehen, dass die international »konsensfähigen«
      dass alle Länder, die am internationalen Handel                                          handelspolitischen Umweltstandards ein relativ
      partizipieren möchten, bestimmte Umweltstan-                                             niedriges Niveau aufweisen werden, das allenfalls
      dards bei der Herstellung von Gütern (PPMS) ein-                                         Entwicklungsländer zu einer Erhöhung ihres Um-
      halten müssen. Dieser Ansatz ist jedoch nicht nur                                        weltschutzniveaus (im Exportsektor) zwingt. Die
      mit erheblichen praktischen Problemen behaftet,                                          Politik des Standortwettbewerbs zwischen den
      sondern kaum ein Land dürfte bereit sein, ein                                            Staaten der Triade, innerhalb derer sich die Globa-
      derart hohes Maß an umwelt- und ressourcenpo-                                            lisierung bzw. Regionalisierung hauptsächlich
      litischer Souveränität an die WTO abzutreten.                                            abspielt und deren Unternehmen primär unterein-
      Außerdem ist die Welthandelsorganisation für die                                         ander konkurrieren, dürfte von der Ökoklausel
      resultierenden Aufgaben weder konzipiert noch                                            unbeeinflusst bleiben.
      geeignet (Jones 1999, 423 ff.).
           Am verbreitetsten ist der Vorschlag, die Öko-
      klausel auf den originären Bereich der WTO, d. h.                                        Öko-Ausgleichsmaßnahmen zum Schutz der internationalen
      den Handel mit Waren zu begrenzen. Das würde                                             Wettbewerbsfähigkeit
      bedeuten, dass sich die Mitgliedstaaten der WTO
      verpflichten, nur Waren zu exportieren, deren                                            Die Forderung nach Importbeschränkungen zur
      Herstellung gewissen Umweltstandards genügt.                                             Abwehr von sog. Ökodumping ist im Laufe der
      Das Konzept ist jedoch begrenzt praktikabel. Das                                         Diskussion differenzierter geworden. Anfangs plä-
      größte Problem stellt die Festlegung der Standards                                       dierten einzelne Umwelt-, Gewerkschafts- und
      dar (wie, was und durch wen). Es entspräche                                              Unternehmensverbände in den Industrieländern
      der Funktionsweise der WTO am ehesten, wenn                                              dafür, die Antidumping-Bestimmungen des GATT
      eine Ökoklausel Länder dazu ermächtigen würde,                                           soweit auszudehnen, dass Länder den Import von
      den Import von Gütern zu beschränken, die den                                            Gütern beschränken können, die unter schlech-
      Mindeststandards nicht genügen. In Analogie zum                                          teren als den inländischen Umweltschutzbedin-
      bestehenden Streitschlichtungsverfahren müsste                                           gungen hergestellt wurden. Zur Begründung
      dem Exportland dann die Möglichkeit eingeräumt                                           wurden der Schutz der einheimischen Produktion

260   Margareta E. Kulessa/Jan A. Schwaab, Konzepte zur »Ökologisierung« der internationalen Handels- und Wirtschaftspolitik               IPG 3/2000
vor umweltpolitisch induzierten Wettbewerbs-                        wendet wird, um inländische Güter bei der
nachteilen und die Verhinderung eines »race to                      Ausfuhr von internen Abgaben zu entlasten. Es
the bottom« angeführt (WWF 1991, 13 f.; Gore 1993,                  ist nahezu unumstritten, dass Importgüter mit
343). Mittlerweile ist diese allgemeine Forderung                   sämtlichen Produktsteuern, die im Land gelten,
kaum noch anzutreffen, da die Annahme, dass                         belastet bzw. Exportgüter entlastet werden
unterschiedlich hohe Umweltstandards die – wie                      dürfen. Mittlerweile herrscht außerdem weitgehend
auch immer definierte – handelspolitische Wettbe-                   Konsens, dass Produktabgaben an der Grenze tarif-
werbsfähigkeit 11 einer Volkswirtschaft spürbar                     lich ausgeglichen werden dürfen unabhängig
beeinflussen, theoretisch umstritten ist und einer                  davon, ob das gleichartige inländische Produkt
empirischen Grundlage entbehrt. Außerdem hat                        wegen seiner (umweltschädlichen) Eigenschaften
nicht zuletzt die entwicklungspolitische Perspek-                   oder wegen seiner Herstellung besteuert wird.
tive dazu beigetragen, zum einen die Legitimation                   Nun ist es aber aus Gründen der ökologischen
umweltpolitisch begründeter Antidumping-Maß-                        Effizienz und Praktikabilität häufig angezeigt,
nahmen zu hinterfragen und zum anderen das                          abgabenpolitisch nicht am Endprodukt anzu-
große Missbrauchspotenzial einer Regelung aufzu-                    setzen, sondern z. B. unmittelbar dort, wo die
zeigen, die es einem Land überlässt, den Import                     Umweltbelastung entsteht. Entsprechend stellt
von Gütern zu beschränken, die unter (vermeint-                     sich die Frage, ob Grenzausgleichsmaßnahmen
lich) anderen als den eigenen Umweltschutzbe-                       auch dann WTO-konform sind, wenn das inlän-
dingungen hergestellt wurden (Wiemann 1992;                         dische Endprodukt lediglich indirekt durch natio-
Vossenaar / Jha 1997, 21 ff.). Die Definitions- und                 nale Umweltabgaben belastet wird. Dies können
Messprobleme wären ebenfalls erheblich (Kulessa                     produktionsprozessbedingte Abgaben sein, die der
1995, 106 ff. u. 248 ff.). Würden Umweltschutz-                     Produzent direkt zahlen muss oder Abgaben auf
maßnahmen regelmäßig mit der Protektion der                         Betriebsmittel (z. B. Rohstoffe), die in das Produkt
betroffenen Wirtschaftszweige einhergehen, besteht                  einfließen. Obwohl die Frage seit längerem auf
außerdem die Gefahr, dass dies der Schrumpfung                      der Agenda des WTO-Ausschusses »Handel und
umweltintensiver Branchen im Inland entgegen-                       Umwelt« steht, herrscht nach wie vor Unklarheit
wirkt und der umweltpolitisch an sich gewünschte                    über die Interpretation der relevanten GATT-Ver-
ökologische Strukturwandel gebremst wird. Außer-                    einbarungen (WTO 1998b). Während die Diskus-
dem senkt Außenschutz erfahrungsgemäß den                           sion über den Ausgleich produktionsprozessbe-
Innovationsdruck auf die Unternehmen, so dass                       dingter Umweltabgaben nicht sonderlich weit
die dynamische Effizienz der Umweltpolitik leidet.                  fortgeschritten ist, mehren sich die Stimmen, dass
    Inzwischen steht vielmehr das Konzept des                       Abgaben auf Betriebsmittel (»input taxes«) an der
Grenzausgleichs für Umweltabgaben und seine                         Zollgrenze ausgleichsfähig sein sollten (Jenzen
WTO-Konformität im Mittelpunkt der Diskussion                       1998, 332 ff.). In diese Richtung deuten auch
(WWF 1995; WTO 1997; Jenzen 1998, 321 ff.). Grund-                  diverse Panel-Entscheide des Streitschlichtungs-
gedanke ist, dass auf einheimische Produkte erho-                   organs von GATT / WTO zum Grenzausgleich. 12 Die
bene Umweltabgaben quasi in die »Bezollung«                         hier letztlich gemachte Unterscheidung zwischen
importierter Produkte integriert werden. Aus-                       Inputabgabe und Emissionsabgabe ist aus ökolo-
gangspunkt der Überlegung ist, dass GATT / WTO                      gischer Sicht allerdings zunächst schwer nachvoll-
zwar eine abgabenrechtliche Schlechterstellung                      ziehbar, zumal Emissionsabgaben ja gleichgesetzt
ausländischer Produkte gegenüber gleichartigen                      werden können mit Inputabgaben auf das frag-
inländischen Produkten verbietet, aber nicht zu                     liche Medium (z. B. saubere Luft, Wasser etc.).
einer Besserstellung verpflichtet. Damit Abgaben,                   Die Unterscheidung wird jedoch vor dem Hinter-
die im Inland erhoben werden, nicht zu einer
Benachteiligung einheimischer Produkte führen,
bedarf es folglich eines Mechanismus, der eine                      11. Zum Begriff der Wettbewerbsfähigkeit siehe z. B.
äquivalente Besteuerung des ausländischen Pro-                      Trabold (1995).
                                                                    12. Siehe z.B. den Panel-Bericht zu United Taxes on
dukts ermöglicht. Diese Funktion erfüllt der am                     Petroleum and Certain Imported Substances v. 17. Juni
Bestimmungsland orientierte Grenzausgleich, der                     1987 (GATT Basic Instruments and Selected Readings BISD
– mit umgekehrtem Vorzeichen – ebenfalls ange-                      345/36).

IPG 3/2000                       Margareta E. Kulessa/Jan A. Schwaab, Konzepte zur »Ökologisierung« der internationalen Handels- und Wirtschaftspolitik   261
grund verständlich, dass sie nicht speziell für um-                                      Umweltverträglichkeitsprüfung handelspolitischer
      weltpolitische Abgabentypen gemacht wurde. Sie                                           Vereinbarungen
      soll vielmehr verhindern, dass das liberale Han-
      delsregime dadurch ausgehebelt wird, dass die                                            Ein umfassendes Konzept zur institutionellen
      Staaten jedwede beliebige nationale Abgaben                                              Integration umweltpolitischer Erfordernisse in
      (Einkommen- und Körperschaftsteuer, Sozialab-                                            die Welthandelsordnung stellt der Vorschlag dar,
      gaben usw.) in den Grenzausgleich integrieren. 13                                        alle (neuen) handelspolitischen Abkommen einer
      Außerdem wirft die Bestimmung der Höhe des                                               »Umweltverträglichkeitsprüfung« (UVP) zu unter-
      Grenzausgleichs in der Praxis erhebliche Zurech-                                         ziehen und ggfs. durch umweltschutzpolitische
      nungsprobleme auf, wenn Produktionssteuern                                               Maßnahmen zu flankieren und / oder die Vereinba-
      einbezogen werden, die anders als Abgaben auf                                            rungen zu modifizieren (WWF 1998 und 1999).
      Inputs nicht in einer einigermaßen festen und                                            Analytisch können zwei Elemente der UVP unter-
      quantifizierbaren Relation zum Endprodukt ste-                                           schieden werden: Zum einen interessieren die um-
      hen.                                                                                     weltpolitischen Implikationen der institutionellen
          Immer mehr Staaten erheben sog. Ökosteuern                                           Regelungen eines Handelsabkommens, und zum
      (z. B. CO2-Abgaben) bzw. erwägen ihre Ein-                                               anderen geht es um die wesentlich anspruchsvol-
      führung. Somit wächst die Dringlichkeit, die WTO-                                        lere Aufgabe, abzuschätzen, welche ökologischen
      Regeln für den Grenzausgleich interner produk-                                           Wirkungen davon ausgehen, dass sich Handels-
      tionsprozessbezogener Abgaben klar zu definie-                                           und Produktionsströme auf Grund des Handels-
      ren. Die Aufgabe lässt sich jedoch nur bewältigen,                                       abkommens quantitativ und qualitativ verändern. 14
      wenn zwischen umwelt- und außenwirtschaftspoli-                                              Ein Beispiel für institutionell bedingte Defizite
      tischen Zielsetzungen ein Kompromiss gefunden                                            liefert u. E. das SPS-Abkommen der WTO, dessen
      wird. Ein Erfordernis ist, dass die Kriterien für aus-                                   umweltpolitisch hinderliche Wirkung oben im
      gleichsfähige Produktionsabgaben auf Umweltab-                                           Zusammenhang mit dem »Hormonstreit« skiz-
      gaben im engsten Sinne beschränkt bleiben und                                            ziert wurde. Andererseits enthält das SPS-Ab-
      streng eingegrenzt werden, was die Zurechenbar-                                          kommen aber auch umweltpolitisch begrüßens-
      keit der Abgabe auf das Endprodukt und die Höhe                                          werte Elemente. So wird explizit festgehalten, dass
      des Ausgleichs betrifft. Andernfalls werden einem                                        nationale sanitäre und phytosanitäre Normen, die
      abgabenpolitischen Protektionismus Tür und Tor                                           internationalen Standards entsprechen, mit der
      geöffnet und die Allokationsgewinne der interna-                                         WTO per se vereinbar sind (SPS Art. 3.2). Damit
      tionalen Arbeitsteilung erheblich schrumpfen                                             wird der jeweiligen Fachebene (z.B. Codex-
      (Felke 1998, 117 ff.). Im Zusammenhang mit dem                                           Alimentarius-Kommission von FAO / WHO) Vorrang
      Grenzausgleich für Exporte (Entlastung) muss                                             vor freihandelspolitischen Postulaten eingeräumt.
      zwischen den Wirkungen auf die ökologische                                               Das Übereinkommen über technische Handels-
      Effektivität der Abgabe und den Auswirkungen                                             hemmnisse wählt einen ähnlichen Ansatz hinsicht-
      auf die internationale Wettbewerbsfähigkeit der                                          lich international vereinbarter technischer Normen
      belasteten Unternehmen abgewogen werden. Es                                              (Art. 2.5 des Übereinkommens). Eine quantitativ-
      widerspricht der ökologischen Zielsetzung, dass                                          empirisch ausgerichtete UVP ist im Vergleich zu
      Schadstoffemissionen bei der Exportgüterproduk-                                          diesem mehr oder weniger abstrakten Abklopfen
      tion nicht besteuert werden. Andererseits erleich-                                       von Vertragstexten extrem aufwendig und metho-
      tert der Ausgleich die Durchsetzbarkeit von Öko-                                         disch kaum befriedigend zu bewältigen. Die
      steuern und dürfte somit einer Paralyse der Um-
      weltpolitik entgegenwirken. Allerdings fördert der
                                                                                               13. Bereits im Jahr 1952 entschied ein GATT-Panel, dass
      Ausgleich die Exporttätigkeit im allgemeinen und                                         Ausgleichsabgaben zur Kompensation der belgischen
      die der umweltintensiv produzierenden Branchen                                           Familienbeihilfen unzulässig waren (GATT BISD 1). Zu
      im besonderen. Es ist fraglich, ob die Effekte dem                                       anderen Fällen vgl. Jenzen (1998).
      Ziel einer international optimalen (Umwelt-)Allo-                                        14. In der einschlägigen Literatur wird üblicherweise
                                                                                               unterschieden zwischen a) Regulierungseffekten (Ein-
      kation dienlich sind.                                                                    fluss auf Umweltpolitik und -standards) auf der einen
                                                                                               Seite sowie b) Skalen-, Struktur- und Produkteffekten
                                                                                               auf der anderen Seite (OECD 1994).

262   Margareta E. Kulessa/Jan A. Schwaab, Konzepte zur »Ökologisierung« der internationalen Handels- und Wirtschaftspolitik                      IPG 3/2000
Bemühungen der USA und Kanadas, die Wir-                             Zur »Ökologisierung« internationaler Investitions-
kungen des nordamerikanischen Freihandelsab-                         und Technologieströme
kommens (NAFTA) auf die jeweils nationale Um-
welt zu untersuchen, zählt zu den ersten umfas-                      Im Bereich des internationalen Kapital- und Tech-
senderen Ansätzen dieser Art. Die EU hat im ver-                     nologietransfers steckt die Diskussion über eine
gangenen Jahr eine Studie mit dem Ziel in Auftrag                    institutionelle Verankerung umweltpolitischer Ele-
gegeben, ein System für die UVP handelspolitischer                   mente in internationale Wirtschaftsabkommen in
Maßnahmen und Abkommen zu entwickeln und                             den Kinderschuhen, wenngleich der unverbind-
anzuwenden (Kirkpatrick et al. 1999). Darüber                        liche Verhaltenskodex der OECD für multinatio-
hinaus haben vor allem UN-Organisationen Län-                        nale Unternehmen zum Schutz der Umwelt im
derstudien erstellt, in denen sektorale Handelsver-                  Gastland auffordert. Darüber hinaus wächst seit
einbarungen (z. B. Agrarhandel) im Vordergrund                       Beginn der 90er Jahre die Zahl der Unternehmen,
stehen (insb. UNCTAD, UNEP). Die vorliegenden                        die umweltpolitische Selbstverpflichtungen bei
Untersuchungen können den einzelnen Ländern                          Direktinvestitionen in Entwicklungsländern ein-
bei der Entscheidung helfen, konkreten Liberali-                     gehen. Es fehlt jedoch eine systematisch herausge-
sierungsabkommen zuzustimmen bzw. auf ihre                           arbeitete ordnungspolitische Vorstellung darüber,
Modifikation zu drängen. Es besteht aber sowohl                      wie ein umweltpolitisch akzeptables internatio-
erheblicher Forschungs- als auch politischer Hand-                   nales Investitionsregime gestaltet werden könnte.
lungsbedarf, bis ein brauchbarer methodischer                        Ein Grund hierfür ist, dass es im Gegensatz zur
Untersuchungsrahmen für multilaterale Handels-                       Welthandelspolitik kein multilaterales Abkommen
abkommen entwickelt und umgesetzt sein wird,                         über Direktinvestitionen gibt. Als jedoch in den
der eine globale UVP ermöglicht. UVPs können                         Kreisen von Umwelt- und Verbraucherschutzver-
trotz aller Unvollkommenheit dazu beitragen, dass                    bänden Näheres darüber bekannt wurde, dass die
umweltpolitische Erfordernisse in der internatio-                    OECD-Staaten seit 1995 über die Errichtung eines
nalen Handelspolitik zukünftig stärker berücksich-                   Multilateralen Abkommens über Investitionen
tigt werden. Länder- und sektorspezifische UVPs                      (MAI) verhandelten, setzte eine Ökologisierungs-
führen möglicherweise auch dazu, dass Länder                         diskussion ein, die jener im Zusammenhang mit
umweltschutzpolitische Sicherheitsplanken parallel                   GATT / WTO ähnelt (WEED / Germanwatch 1998;
zur außenwirtschaftlichen Liberalisierung imple-                     Polaris Institute 1998). Mittlerweile wurden die
mentieren. Das setzt wiederum voraus, dass das                       MAI-Verhandlungen zwar ausgesetzt, da aber eine
Handelsabkommen diese vorsorgende Umweltpo-                          Wiederaufnahme der Verhandlungen in der OECD
litik nicht behindert.                                               oder ihre Verlagerung in die WTO zu erwarten ist,
                                                                     stellt sich weiterhin die Frage nach einer Öko-
                                                                     logisierung eines multilateralen Investitionsab-
Zwischenfazit                                                        kommens.
                                                                         Die Vorschläge für institutionelle Ergänzungen
Die inhaltliche Diskussion über die Integration                      einer liberalen Weltinvestitionsordnung lassen sich
umweltpolitischer Elemente in die WTO ist ver-                       im wesentlichen fünf Kategorien zuordnen (Ku-
gleichsweise weit gediehen. Wenngleich das erfor-                    lessa / Schwaab 1998, 48 f.):
derliche Ausmaß der »Ökologisierung« umstritten                       Ausnahmeregelungen,        die den Regierungen
ist, steht weitestgehend fest, dass Reformbedarf                        umweltschutzpolitisch notwendige Maßnahmen
besteht. Eine – wie auch immer gestaltete – Öko-                        ausdrücklich erlauben, auch wenn sie mit den
logisierung der WTO allein reicht jedoch in vielerlei                   übrigen Regeln einer liberalen Investitionsord-
Hinsicht nicht aus, die internationalen Wirtschafts-                    nung nicht vereinbar sind;
beziehungen mit umweltschutzpolitischen Erfor-                        Verpflichtung der Regierungen zur Unterlas-

dernissen in Einklang zu bringen. Ergänzend wird                        sung umweltschädlicher Investitionsanreize
daher über eine »Ökologisierung« der Direktinve-                        bzw. Verpflichtung zur Durchführung umwelt-
stitionen diskutiert.                                                   schützender (investitionsbezogener) Maßnah-
                                                                        men, um einem »race to the bottom« bzw.
                                                                        einer Paralyse der Umweltpolitik vorzubeugen;

IPG 3/2000                        Margareta E. Kulessa/Jan A. Schwaab, Konzepte zur »Ökologisierung« der internationalen Handels- und Wirtschaftspolitik   263
  ökologische Pflichten für Direktinvestoren                                                Somit bestehen gewisse Chancen, dass die
         einschließlich solcher Verpflichtungen, die den                                       Staatengemeinschaft der Selbstverpflichtung der
         Technologietransfer betreffen (verbindlicher                                          UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung
         Verhaltenskodex);                                                                     nachkommt, die Gestaltung weltwirtschaftlicher
       Integration ökologischer Elemente in das Streit-                                       Beziehungen an den Erfordernissen nachhaltiger
         schlichtungsverfahren;                                                                Entwicklung auszurichten. Die Gruppe der Ent-
       internationale Haftungsregelungen.                                                     wicklungsländer befürchtet jedoch, dass bei der
      Ergänzend wird die Einrichtung eines internatio-                                         »Ökologisierung« der Weltwirtschaftsordnung über-
      nalen Technologiepools diskutiert, um vor allem                                          sehen wird, dass Nachhaltigkeit der Weltwirt-
      ärmeren Ländern den Zugang zu »sauberen«                                                 schaftsbeziehungen nicht auf Umweltklauseln und
      Technologien zu erleichtern (Petschow et al. 1998,                                       -standards eingeengt werden darf. So schwammig
      238 f.) und dadurch zu einer »Ökologisierung« des                                        der Nachhaltigkeitsbegriff auch sein mag, so
      globalen Strukturwandels beizutragen.                                                    besteht doch mittlerweile Konsens darüber, dass
          Die Ansätze sind jedoch konzeptionell noch                                           eine Politik der Nachhaltigkeit neben dem Schutz
      nicht derart ausgereift, dass eine abschließende                                         der Ökosphäre zwei andere gleichberechtigte
      Bewertung möglich wäre. Daher wird hier auf eine                                         Ziele verfolgen muss, nämlich stabile wirtschaft-
      intensivere Diskussion verzichtet und stattdessen                                        liche Entwicklung und Verteilungsgerechtigkeit
      auf unsere vorläufige Bewertung des MAI hinge-                                           (Schmitz 1996; Enquete-Kommission 1994, 54 ff.;
      wiesen (Kulessa / Schwaab 1998).                                                         Agenda 21). Der befürchtete Ökoprotektionismus
                                                                                               des Nordens und die einhergehende Beschnei-
      Aussichten für eine »Ökologisierung« multilateraler                                      dung der Handelrechte des Südens widersprechen
      Wirtschaftsabkommen                                                                      jedoch nicht nur dem Recht auf wirtschaftliche
                                                                                               Entwicklung und der gerechten Verteilung von
      Innerhalb verschiedener internationaler Organisa-                                        Lebenschancen, sondern würden die Vorausset-
      tionen wird an Konzepten zur Integration von                                             zungen für den Umweltschutz im Süden eher ver-
      Weltwirtschaft und Umweltschutz gearbeitet und                                           schlechtern als verbessern (Esty 1994, 188).
      über sie verhandelt. Die OECD hat zum Beispiel                                               Die Argumentation der Entwicklungsländer
      Leitlinien über Handel und Umwelt entwickelt                                             weist auf die erheblichen Gefahren hin, die eine
      (1994). Die OECD-Leitsätze für multinationale                                            institutionelle Verankerung von Umweltklauseln
      Unternehmen sind momentan in der Überarbei-                                              in die WTO hervorrufen kann. Die Möglichkeit des
      tung und auch wenn die bisherigen Vorlagen des                                           protektionistischen Missbrauchs lässt sich nicht
      OECD-Sekretariats seitens der Wirtschaft als zu eng                                      von der Hand weisen. Das Risikopotenzial ist u. a.
      abgelehnt werden, 15 so dürfte es per saldo u. a.                                        davon abhängig, welcher Ansatz der Ökologisie-
      zu einer Konkretisierung der umweltschutzpoliti-                                         rung gewählt wird. Am höchsten ist es sicherlich,
      schen Richtlinien für Direktinvestoren kommen.                                           wenn Antidumping-Maßnahmen gegen sog. Öko-
      Die Ergebnisse des WTO-Ausschusses Handel                                                dumping zugelassen würde. Am geringsten dürfte
      und Umwelt sind zwar vergleichsweise beschei-                                            es im Falle des Ansatzes sein, der in den Abkom-
      den. Die heftige Kritik an der Ausschussarbeit, die                                      men über sanitäre und phytosanitäre Maßnahmen
      inzwischen selbst seitens etlicher Mitglieder und                                        sowie über technische Handelshemmnisse seit 1995
      des ehemaligen Generaldirektors der WTO geübt                                            enthalten ist. Internationale Standards sind nicht
      wurde, geben allerdings ebenso wie die »High-                                            verpflichtend, aber sie können ungeachtet ihrer
      level«-WTO-Symposien zu Handel und Umwelt                                                handelspolitischen Wirkung im Rahmen der WTO
      und die jüngste Erörterung des Vorsorgeprinzips                                          explizit nicht angefochten werden. Die Möglich-
      im SPS-Ausschuss Anlass zu der Hoffnung, dass in                                         keit, im Produkt versteckte Umweltabgaben in
      den kommenden Jahren konkrete Reformschritte                                             den Grenzausgleich einzubeziehen, birgt bei eng
      eingeleitet werden. Dafür spricht auch, dass                                             definierter Zulässigkeit vergleichsweise wenig
      u. a. die USA und die EU darauf gepocht hatten,
      die umweltpolitischen Dimensionen der WTO auf                                            15. Aktuelle Informationen zum Überarbeitungspro-
      die Agenda der – allerdings gescheiterten – WTO-                                         zess finden sich im Internet unter http: // www.
      Ministerkonferenz (Dezember 1999) zu setzen.                                             oecd.org / daf / investment / guidelines / newtext.htm

264   Margareta E. Kulessa/Jan A. Schwaab, Konzepte zur »Ökologisierung« der internationalen Handels- und Wirtschaftspolitik               IPG 3/2000
Missbrauchspotenzial. Allerdings impliziert der                      schäden ist. Zum anderen kann über die Gestal-
Grenzausgleich von Prozessabgaben, dass insbe-                       tung der Weltwirtschaftsordnung nur auf einen
sondere die Produzenten von Industrieerzeug-                         Teil der produktions- und konsumbedingten Um-
nissen in den Entwicklungsländern und/oder ihre                      weltbelastungen Einfluss genommen werden. Die
Zulieferer Einnahmeeinbußen erleiden werden,                         ökologische Effektivität des weltwirtschaftspoli-
da ein Teil der Belastung aller Voraussicht nach                     tischen Ansatzes ist daher nicht eindeutig. Im Ein-
auf sie überwälzt wird. Trotz der hiermit verbun-                    zelfall kann die Beschränkung der internationalen
denen ungewissen entwicklungspolitischen und                         Arbeitsteilung so weit gehen, dass neben ihren
ökologischen Wirkung im Süden spricht u. E. aus                      ökologisch unerwünschten Effekten auch ihre posi-
umweltpolitischer Sicht das Gros der Argumente                       tiven Umweltwirkungen reduziert werden. Auch
für die Zulässigkeit des Grenzausgleichs. Er kann                    wenn diese Gefahr durch eine entsprechende Aus-
vor allem dazu beitragen, den »political drag« zu                    gestaltung der »Ökologisierung« gering gehalten
verhindern. Da der intensivste internationale Wett-                  werden kann, dürfte die ökologische Zielwirksam-
bewerb zwischen den Industrieländern stattfindet,                    keit des weltwirtschaftspolitischen Ansatzes im
wären außerdem Ausnahmeregelungen für Güter                          Vergleich zu unmittelbaren umweltpolitischen
aus Entwicklungsländern eine Option, entwick-                        Vereinbarungen gering sein. Damit rücken die
lungspolitisch bedenkliche Wirkungen zu redu-                        Umweltschutzpolitik und die Integration außen-
zieren, ohne die Funktionsfähigkeit des Grenzaus-                    wirtschaftspolitischer Aspekte in multilaterale Um-
gleichs spürbar zu gefährden. Die oben disku-                        weltschutzabkommen in den Vordergrund der hier
tierten Ausnahmeregelungen für Umwelt- und                           untersuchten Fragestellung.
Gesundheitsschutzmaßnahmen bergen ebenfalls
entwicklungshemmendes Potenzial für die Entwick-
lungsländer. Es kann m. a. W. ein Konflikt zwischen                  Internationale Umweltpolitik
den wirtschaftlichen Interessen (des Südens) und
der Souveränität der Länder (des Nordens), das                       Die Expansion internationaler Wirtschaftsströme
eigene Umweltschutzniveau zu bestimmen, beste-                       und die wachsende Interdependenz der Volkswirt-
hen. Der Konflikt verdient vor dem Hintergrund                       schaften hat verschiedene Implikationen für die
der international höchst ungleichen Verteilung                       internationale Umweltpolitik. Hierzu zählt, dass
von Einkommen und Marktmacht grundsätzlich                           bestimmte Handelsströme (z. B. Giftmüll) durch
Berücksichtigung. Es wäre u. E. jedoch eine um-                      internationale Umweltschutzabkommen reguliert
weltpolitisch abwegige Konsequenz, zu Gunsten                        werden. Außerdem eröffnet die ökonomische Inter-
ökonomischer Interessen des Auslands das nationale                   dependenz der internationalen Umweltpolitik die
Umweltschutzschutzniveau zu lockern.                                 Option, ihren zunächst handelsunabhängigen Zie-
    Alles in allem verdeutlicht die entwicklungs-                    len durch außenwirtschaftspolitische Maßnahmen
politische Perspektive, dass bei der institutionellen                mehr Nachdruck zu verleihen (Siebert 1998, 214 f.;
Verankerung ökologischer Elemente in der WTO                         Biermann 1998, 349 ff.). Schließlich wird die ein-
Vorsicht geboten ist. Eine internationale Politik,                   zelstaatliche Umweltschutzpolitik angesichts der
die dem Postulat der ökologischen, ökonomischen                      wachsenden Standortkonkurrenz immer zögerli-
und sozialen Nachhaltigkeit verpflichtet ist, be-                    cher, ihre Bemühungen im Alleingang zu steigern.
deutet mehr als Ökoklauseln. Die »Ökologisie-                        Dem entgegen zu wirken, zählt zu den Aufgaben
rung« von Weltwirtschaftsabkommen kann sogar                         der internationalen Umweltschutzpolitik.
zum umweltschädlichen Bumerang werden, wenn
sie eine isolierte Maßnahme bleibt und wirtschaft-
liche und soziale Fragen im Zusammenhang mit                         Internationale Abkommen zur Regulierung
der Weltwirtschaftordnung außen vor bleiben. Der                     umweltschädlicher Handelsströme
Ansatz, Umweltproblemen mit internationalen
Wirtschaftsabkommen Herr zu werden, leidet                           Bisher wurden weltweit ca. 900 internationale
außerdem zum einen daran, dass der interna-                          Umweltschutzverträge geschlossen und schät-
tionale Güter- und Kapitalverkehr in den wenig-                      zungsweise zwischen 50 und 80 internationale
sten Fällen unmittelbar ursächlich für Umwelt-                       Umweltregime errichtet (Zürn 1997, 46 f.). Weni-

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