"MathS" - Mathematikunterricht sprachsensibel gestalten - Schlussbericht

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"MathS" - Mathematikunterricht sprachsensibel gestalten - Schlussbericht
Schlussbericht

«MathS» - Mathematikunterricht Lehre

sprachsensibel gestalten Weiterbildung
 Forschung

Esther Brunner
Felix Bernet
Mirjam Rutishauser
Stephan Nänny
Inhaltsverzeichnis

 Inhaltsverzeichnis ...........................................................................................................................................2
 1 Einleitung .................................................................................................................................................4
 2 Theoretische Grundlagen ...................................................................................................................6
 2.1 Sprache und Mathematiklernen ...................................................................................................6
 2.1.1 Mathematiklernen und mathematische Literalität ............................................................6
 2.1.2 Bedeutung der Sprachkompetenz für die Leistungsunterschiede in Mathematik...6
 2.2 Sprachsensibler Mathematikunterricht......................................................................................8
 2.2.1 Notwendige sprachliche Mittel für Erfolg in Mathematik ................................................8
 2.2.2 Ansätze für die Sprachförderung im Fach ............................................................................9
 2.3 Konsequenzen für das eigene Vorhaben und Fragestellungen ...................................... 10
 2.3.1 Zusammenfassung und Konsequenzen für das eigene Vorhaben ............................ 10
 2.3.2 Forschungsfragen und Hypothesen .................................................................................... 11
 3 Methoden.............................................................................................................................................. 12
 3.1 Design ................................................................................................................................................ 12
 3.1.1 Forschungsdesign ..................................................................................................................... 12
 3.1.2 Intervention................................................................................................................................. 12
 3.1.3 Anpassungen im Forschungsdesign infolge der Corona-Pandemie ......................... 13
 3.2 Stichprobe ........................................................................................................................................ 14
 3.2.1 Gesamtstichprobe ..................................................................................................................... 14
 3.2.2 Teilstichproben .......................................................................................................................... 14
 3.3 Instrumente ..................................................................................................................................... 16
 3.3.1 Sprachstand ................................................................................................................................ 16
 3.3.2 Mathematische Voraussetzungen ........................................................................................ 16
 3.3.3 Mathematische Leistung in zwei Inhaltsbereichen ........................................................ 17
 3.4 Datenerhebung und Datenauswertung ................................................................................. 18
 3.4.1 Datenerhebung .......................................................................................................................... 18
 3.4.2 Datenauswertung...................................................................................................................... 18
 4 Hauptergebnisse................................................................................................................................. 20
 4.1 Mathematische und sprachliche Voraussetzungen ............................................................ 20
 4.1.1 DEMAT3+ und C-Test, erster Messzeitpunkt ..................................................................... 20

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4.1.2 Mathematikleistung, zweiter Messzeitpunkt .................................................................... 21
 4.1.3 Korrelative Zusammenhänge zwischen den sprachlichen Voraussetzungen und
 der allgemeinen Mathematikleistung ................................................................................. 22
 4.2 Leistungen in den thematischen Lernzielkontrollen .......................................................... 23
 4.3 Effekte der Leistungsentwicklung Mathematik von sprachlich schwachen
 Lernenden ....................................................................................................................................... 25
 4.3.1 Vergleich sprachlich schwache und sprachlich starke Lernende Mathematik-
 leistung DEMAT3+ ..................................................................................................................... 25
 4.3.2 Vergleich sprachlich schwache und sprachlich starke Lernende
 Mathematikleistung in den beiden Themenbereichen.................................................. 30
 5 Beantwortung der Fragestellungen.............................................................................................. 32
 5.1 Effekte der sprachbezogenen fachlichen Förderung.......................................................... 32
 5.1.1 Allgemeine mathematische Leistung (DEMAT3+) .......................................................... 32
 5.1.2 Thematische mathematische Leistung (Lernzielkontrolle) .......................................... 32
 5.2 Differenzielle Effekte ..................................................................................................................... 33
 5.2.1 Allgemeine mathematische Leistung (DEMAT3+) .......................................................... 33
 5.2.2 Thematische mathematische Leistung (Lernzielkontrolle) .......................................... 33
 6 Diskussion ............................................................................................................................................. 34
 6.1 Bedeutung der Ergebnisse .......................................................................................................... 34
 6.2 Limitationen der Studie ............................................................................................................... 34
 7 Fazit und Empfehlungen für die Schulpraxis ............................................................................. 36
 8 Literatur ................................................................................................................................................. 37

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1 Einleitung
 Sprache ist für den Wissenserwerbsprozess in allen Fächern bedeutsam (Becker-Mrotzek,
 Schramm, Thürmann und Vollmer, 2013). Das gilt auch für das Fach Mathematik
 (z.B. Paetsch, Radmann, Felbrich, Lehmann und Stanat, 2016), denn mathematische Inhalte
 werden sprachlich vermittelt, und zwar sowohl mündlich wie schriftlich. Mündlich erfolgt
 die sprachliche Vermittlung mathematischer Inhalte beispielsweise durch Instruktion, durch
 fachliche Erklärungen und Hilfestellungen oder durch ein gemeinsames Gespräch über ei-
 nen (fachlichen) Lerngegenstand (Ufer, Leiss, Stanat und Gasteiger, 2020). Eine schriftliche,
 sprachliche Vermittlung von mathematischen Inhalten findet durch Aufgabentexte, Erklär-
 texte oder schriftliche Anweisungen statt. In all diesen Anforderungssituationen ist es evi-
 dent, dass Lernende nicht nur mathematische Inhalte erschliessen, sondern dass die Ver-
 mittlung über die Sprache erfolgt. Sprache ist aber nicht nur ein Medium der Vermittlung,
 sondern auch «ein grundlegendes Instrument der Wissens- und Kulturaneignung, des Aus-
 tauschs und der Reflexion in allen Fachbereichen» (Amt für Volksschule des Kantons Thur-
 gau, 2016a, S. 4). Sprache gilt im Mathematikunterricht deshalb als Kommunikationsmittel
 und Denkwerkzeug (Prediger, 2020; Ufer et al., 2020). Beide dieser Funktionen von Sprache,
 die kommunikative und die kognitiv-epistemische (Kempert, Schalk und Saalbach, 2019),
 sind unerlässlich für den Erwerb von Mathematik.
 Der Einfluss von Sprache auf das Lehren und Lernen von Mathematik wird seit einigen Jah-
 ren aus unterschiedlichen Perspektiven und mit unterschiedlichen Methoden auch aus Sicht
 der mathematikdidaktischen Forschung untersucht (zusammenfassend siehe Ufer et al.,
 2020). Inhaltlich wird dabei sehr oft auf das Lösen von Text- beziehungsweise Modellie-
 rungsaufgaben allgemein (z.B. Plath und Leiss, 2018) oder den Umgang mit spezifischen
 Konzepten wie Prozenten (z.B. Pöhler und Prediger, 2015) oder Brüchen (z.B. Wessel, 2015)
 fokussiert. Diese Bereiche weisen eine hohe Alltagsrelevanz auf. Gerade zu diesen Inhaltsbe-
 reichen liegen zahlreiche Ergebnisse aus Interventionsstudien vor (z.B. Dröse & Prediger,
 2019; Prediger & Krägeloh, 2015a; Prediger & Pöhler, 2015; Wessel, 2015), die aufzeigen, dass
 und wie sprachliche Unterstützung auch die Mathematikleistung begünstigt. Die meisten
 dieser Studien betreffen den Bereich der oberen Mittelstufe und der Sekundarstufe I und
 arbeiten mit differenziert ausgestalteten mathematischen Lernumgebungen zu einem be-
 stimmten Inhalts- beziehungsweise Themenbereich.
 Für die Unterstufe liegen bislang kaum Ergebnisse aus Interventionsstudien vor, die zeigen
 würden, inwiefern die engen Zusammenhänge zwischen sprachlichen Voraussetzungen
 und Mathematikleistung durch eine entsprechend sprachbezogene, fachfokussierte Förde-
 rung verringert werden könnten. Fehlend sind insbesondere Wirksamkeitsuntersuchungen
 zu kurzen Interventionen, von denen zu erwarten wäre, dass sie Lehrpersonen im Rahmen
 ihres ordentlichen Mathematikunterrichts eher umsetzen können, als dies für umfangreiche
 mathematische Lernumgebungen zu erwarten ist. Hier setzt die vorliegende

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Interventionsstudie an, deren Ziel es ist, anhand von Zusatzmaterialien entlang der obliga-
 torischen Lehrmittel bei standardisierten Inhalten aus zwei Kompetenzbereichen des dritten
 Schuljahres zu prüfen, inwiefern es dadurch gelingt, den Einfluss der sprachlichen Voraus-
 setzungen auf die Mathematikleistung etwas abzumildern.

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2 Theoretische Grundlagen
 2.1 Sprache und Mathematiklernen
 2.1.1 Mathematiklernen und mathematische Literalität
 Die Förderung des Verstehens von mathematischen Konzepten gilt als zentrale Zielsetzung
 des Mathematikunterrichts (Hiebert et al., 1997; NCTM, 2000). Verbunden wird diese Zielset-
 zung mit der Konzeption der mathematischen Literalität (OECD, 2003), die auf die reflek-
 tierte Verwendung von Mathematik in verschiedenen Anwendungssituationen abzielt (z.B.
 Verschaffel & Greer, 2002). In den Fokus geraten deshalb vermehrt realitätsorientierte Prob-
 lemstellungen (Modellierungsaufgaben), weil sie anwendungsorientierte Problemlösungs-
 prozesse beziehungsweise mathematisches Modellieren erfordern und fördern (Leiss &
 Blum, 2006; Maass, 2004). Solche Modellierungsaufgaben liegen zumeist in sprachlicher
 Form vor (Textaufgaben) und verlangen von den Lernenden nebst den mathematischen
 auch sprachliche Kompetenzen. Aber auch der gezielte Aufbau mathematischer Fachspra-
 che (Hussmann, 2003) oder mathematisches Argumentieren sind eng an die sprachlichen
 Voraussetzungen der Lernenden gekoppelt. Dies erschwert die Situation von sprachlich
 schwachen Lernenden auch beim Mathematiklernen. Sprachkompetenz wird deshalb als
 «integrierter Bestandteil der mathematical literacy» (Linneweber-Lammerskitten, 2013a, S.
 151) betrachtet und erhält im Lehrplan 21 (D-EDK., 2016) auch vermehrt Beachtung.

 2.1.2 Bedeutung der Sprachkompetenz für die Leistungsunterschiede in Mathe-
 matik
 Internationale Studien wie PISA und TIMSS haben wiederholt grosse Leistungsdisparitäten
 der Schülerinnen und Schüler in Mathematik belegt und gezeigt, dass ein Grossteil dieser
 Varianz durch verschiedene soziale und sprachliche Hintergrundvariablen aufgeklärt wer-
 den kann (z.B. Baumert & Schümer, 2001; Bos et al., 2003; Burns & Shadoian-Gersing, 2010;
 OECD, 2007). Besondere Erklärungskraft wird dabei folgenden Faktoren beziehungsweise
 ihrem Zusammenwirken zugeschrieben (vgl. auch Prediger, 2015):
 > Sozio-ökonomischer Status (Bos et al., 2003; Sälzer, Reiss, Schiep-Tiska, Prenzel &
 Heinze, 2013; Werning, Löser & Urban, 2008).
 > Fehlende Passung zwischen Bildungs- und Familiensprache (Burns & Shadoian-Ger-
 sing, 2010; Heinze, Herwartz-Emden, & Reiss, 2007; OECD, 2007; Ufer, Reiss & Mehrin-
 ger, 2013). Damit verbunden sind rezeptive und produktive Sprachkompetenz in der
 Testsprache (Abedi, 2006; Walzeburg, 2013) sowie Lesekompetenz (Bos et al., 2003;
 Leutner, Klieme, Meyer, & Wirth, 2004a).
 > Migrationshintergrund der Schülerinnen und Schüler (OECD, 2007; Stanat, 2006;
 Tarelli, Schwippert & Strubbe, 2012), der die beiden ersten Faktoren oft kombiniert.
 Dass der Prädiktor «Kompetenzen in der schulischen Bildungssprache» grosse Erklärungs-
 kraft aufweist, ist für didaktische Prozesse hoch relevant, weil sprachliche Kompetenzen

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grundsätzlich förder- und veränderbar sind, während familiäre Bedingungen wie der Migra-
 tions- oder der sozioökonomische Status durch schulische Massnahmen nicht beeinflusst
 werden können. Hinzu kommt, dass sprachliche Schwierigkeiten und fehlende Kompeten-
 zen in der schulischen Bildungssprache, die sich in der Folge auch im Fach Mathematik aus-
 wirken, nicht nur Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund betreffen und auch
 nicht ausschliesslich an den sozioökonomischen Status gekoppelt sind, wie dies beispiels-
 weise Teilleistungsschwächen in Deutsch (z.B. Klicpera, Schabmann & Gasteiger-Klicpera,
 2003) bei Schülerinnen und Schülern mit unterschiedlichem sozioökonomischen Status zei-
 gen.
 Auch in der Schweiz hängen die Leistungsdisparitäten der Schülerinnen und Schüler im Fach
 Mathematik eng mit ihren sprachlichen Kompetenzen zusammen (Moser, Stamm & Hollen-
 weger, 2005; Moser & Hollenweger, 2008; Moser, Buff, Angelone, & Hollenweger, 2011;
 OECD, 2016). Insgesamt werden für die Schweizer Lernenden in den grossen Leistungsmes-
 sungsstudien wie z.B. PISA im Mittel hohe Werte in der Mathematikleistung ausgewiesen
 (Hammer et al., 2016; OECD, 2016). Damit gehört die Schweiz nach wie vor zur internationa-
 len Leistungsspitze (OECD, 2016). Aber differenzierte Analysen nach Kompetenzstufen zei-
 gen, dass 15,8 % der Schülerinnen und Schüler am Ende der obligatorischen Schulzeit als
 besonders leistungsschwach (Kompetenzniveau 1 oder
2.2 Sprachsensibler Mathematikunterricht
 2.2.1 Notwendige sprachliche Mittel für Erfolg in Mathematik
 Sowohl Lernende mit Deutsch als Erstsprache als auch solche mit Deutsch als Zweitsprache
 müssen erhebliche sprachliche Anforderungen beim Mathematiklernen meistern. Selbst je-
 mand, der die deutsche Alltagssprache gut beherrscht, kann Schwierigkeiten mit akademi-
 schen Sprachregistern (Cummins, 2010) wie der schulischen Bildungssprache (Gogolin,
 2009) allgemein oder der mathematischen Fachsprache im Speziellen haben (Prediger & Öz-
 dil, 2011). Die mathematische Fachsprache ist gekennzeichnet durch verschiedene Merk-
 male (Hussmann, 2003). So verwendet sie beispielsweise Begriffe und Ausdrücke, die im All-
 tag nicht vorkommen (z.B. «Mittelsenkrechte») oder anders verwendet werden (z.B. «Wur-
 zel», «rational») oder greift oft auf eine bestimmte Syntax und Semantik zurück (z.B. «es sei
 α = …»). Fachsprache hat durch ihre Verdichtung, das Fehlen von Redundanz und ihre Prä-
 zision erhebliche Vorteile für mathematisches Arbeiten (Hussmann, 2003), muss aber von
 den Lernenden im Verlauf der Schulzeit erst erworben werden. Die allgemeinsprachlichen
 Kompetenzen hängen sowohl mit den fachsprachlichen wie mit den mathematischen Kom-
 petenzen zusammen, wie Bochnik und Ufer (2017) bereits für die dritte Primarklasse zeigen
 konnten.
 Schulische Bildungssprache ist gekennzeichnet durch Schriftlichkeit, durch Satz- und Text-
 konstruktionen mit einer häufigen Verwendung von Nominal- oder Passivkonstruktionen
 und einer hohen Verdichtung inhaltstragender Strukturen (Rösch & Stanat, 2011). Schülerin-
 nen und Schüler begegnen der schulischen Bildungs- und der Fachsprache in Mathematik
 nicht nur im mündlichen Unterricht, sondern auch in den Lehrmitteln und Unterrichtsmate-
 rialien. Entsprechende Kenntnisse sind somit zwingend erforderlich.
 Prediger (2013a) beschreibt für sprachlich Schwache beim Mathematiklernen drei Problem-
 bereiche: Es sind dies erstens sprachliche Hürden auf Wort-, Satz- und Textebene, zweitens
 konzeptuelle Hürden, die durch fehlende mathematische Grundvorstellungen entstehen,
 sowie drittens prozessuale Hürden, wenn beispielsweise aufgrund von Oberflächenmerk-
 malen keine tragfähigen Situationsmodelle (Reusser, 1990) gebildet werden können. Relativ
 gut erforscht sind Hürden der schulischen Bildungssprache auf Wort- und Satzebene beim
 Lösen von mathematischen Textaufgaben (Gogolin, Roth & Schwarz, 2004; Gürsoy, Benholz,
 Renk, Prediger & Büchter, 2013; Kaiser & Schwarz, 2009) sowie dafür nötige Lesekompeten-
 zen (Duarte, Gogolin & Kaiser, 2011). Es liegen auch verschiedene Befunde vor, die das Ver-
 stehen von Textaufgaben und das Konstruieren eines angemessenen Situationsmodells in
 den Fokus nehmen (z.B. Brunner, 2013; Verschaffel, Dooren, Greer & Mukhopadhyay, 2010)
 und damit auf konzeptuelle und prozessuale Hürden fokussieren. Ebenfalls gut belegt ist die
 Notwendigkeit von allgemeinen fachübergreifenden Lesestrategien (McNamara, 2007; Lei-
 sen, 2010). Fachspezifische Lesestrategien im Hinblick auf das Lösen von Textaufgaben wer-
 den im Zusammenhang mit Verstehensprozessen (Aebli, Ruthemann, & Staub, 1986) oder

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mathematischem Problemlösen (Polya, 1995) diskutiert. Als bedeutsam erweisen sich auch
 allgemeine, das heisst fachunspezifische, Lesestrategien (Prediger & Krägeloh, 2015a,
 2015b). Wichtig ist zudem der Fokus auf die Bearbeitung von inhaltlichen Verstehensele-
 menten (Drollinger-Vetter, 2011) beim Aufbauen eines tragfähigen Verständnisses auf der
 semantisch-inhaltlichen und der syntaktisch-algorithmischen Verstehensebene (Brunner,
 Pauli & Reusser, 2010; Brunner, 2013). Beim Bearbeiten von inhaltlichen Verstehenselemen-
 ten von Textaufgaben auf den beiden Verstehensebenen sind insbesondere Verknüpfungs-
 strukturen bedeutsam. Diese werden auch sprachlich repräsentiert und verursachen für
 sprachlich schwache Lernende besondere Schwierigkeiten (Beese & Gürsoy, 2012; Jorgen-
 sen, 2011; Prediger, 2013a; Wessel, 2013). Lernende haben somit nicht nur Lesehürden zu
 überwinden. Sie müssen auch ein konzeptuelles Verständnis aufbauen können, was sprach-
 lich schwachen Lernenden besonders schwerfällt (Ufer et al., 2013). Prediger (2013b) spricht
 deshalb von der Notwendigkeit, einen bedeutungsbezogenen Basissprachschatz verfügbar
 zu haben. In einem solchen sind für jedes mathematische Thema sprachliche Mittel wie Wör-
 ter, Wendungen, Wortformen, syntaktische Strukturen, textuelle Konventionen und Text-
 muster zusammengefasst, die für die Konstruktion von Bedeutung und von Relationen rele-
 vant sind (z.B. «Anteil an einem Ganzen»).

 2.2.2 Ansätze für die Sprachförderung im Fach
 In Deutschland haben die empirischen Befunde zum Einfluss der Sprachkompetenz auf die
 Mathematikleistung dazu geführt, dass Sprachförderung als Auftrag für jeden Fachunter-
 richt verstanden wird (z.B. MSWWF – Ministerium für Schule und Weiterbildung, Wissen-
 schaft und Forschung des Landes NRW, 1999; Prediger & Özdil, 2011). Dieser Ansatz findet
 auch im Europarat (Thürmann, Vollmer & Pieper, 2010) Unterstützung. In der Schweiz hinge-
 gen fehlen bislang verbindliche Vorgaben oder Empfehlungen zur Sprachförderung in den
 einzelnen Fachbereichen sowie entsprechende Hilfsmittel und Materialien für die Lehrper-
 sonen.
 Zur fachbezogenen Sprachförderung bieten sich einerseits sprachdidaktische Ansätze (Ben-
 holz & Lipkowski, 2008; Stephany, Linnenmann & Becker-Mrotzek, 2012), andererseits auch
 solche für einen sprachsensiblen Mathematikunterricht (Ellerton, Clarkson & Laborde, 1996;
 Gallin & Ruf, 1990; MacGregor & Moore, 1991) an. Dabei handelt es sich in der Regel weniger
 um empirisch geprüfte Ansätze als um vorerst normative, theoretisch begründete Förder-
 konzeptionen.
 Im Zusammenhang mit der Bearbeitung von mathematischen Textaufgaben erweisen sich
 gemäss Prediger (2015) insbesondere folgende fünf Förderansätze als bedeutsam: 1)
 Pushed Output, 2) fach- und sprachintegrierte Verstehensförderung durch konzeptuelles
 Scaffolding und Darstellungsvernetzungen, 3) Basissprachschatzarbeit, 4) Erweiterungs-
 sprachschatzarbeit und 5) Lesestrategieförderung durch strategisches Scaffolding.

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Obwohl diese Ansätze in der Lese- und Zweitsprachdidaktik als bewährt gelten, liegen bis
 anhin vorwiegend Beispiele für eine Integration in den Fachunterricht der Sekundarstufe I
 (ab 5. Klasse) vor (z.B. Meyer & Prediger, 2012; Wessel, 2015). Für die Grundschule empfehlen
 Bochnik und Ufer (2017) zwei Fokusse für die Förderung: Aufbau und Gebrauch der mathe-
 matischen Fachsprache sowie die Förderung textintegrativen Verständnisses von Mathema-
 tik. Es fehlen aber bislang insbesondere auch empirische Befunde zu deren Wirksamkeit im
 Hinblick auf die Verbesserung der Mathematikleistung, insbesondere bei jüngeren Schüle-
 rinnen und Schülern. Hier besteht zum einen ein Bedarf nach Interventionsstudien, welche
 die Wirksamkeit einer gezielten Sprach- und Verstehensförderung im Mathematikunterricht
 an einem standardisierten Inhalt in der Primarschule untersuchen, und zum anderen fehlen
 entwickelte und evaluierte Materialien und Unterrichtsvorschläge, mit denen Lehrpersonen
 in ihren Klassen gezielt arbeiten können. Die hier beantragte Studie will zur Bearbeitung
 dieses Forschungsdesiderats beitragen. Dabei soll die Sprach- und Verstehensförderung im
 dritten Schuljahr bei zwei standardisierten Themen – dem Umgang mit Volumina und mit
 Symmetrie – durch entwickelte Materialien für die Lehrpersonen unterstützt werden.

 2.3 Konsequenzen für das eigene Vorhaben und Fragestellungen
 2.3.1 Zusammenfassung und Konsequenzen für das eigene Vorhaben
 Trotz der klaren Befunde zum Einfluss der sprachlichen Fähigkeiten auf die Mathematikleis-
 tung fehlt bisher weitgehend empirisch erhärtetes Handlungswissen zur gezielten fachli-
 chen und sprachlichen Förderung integrierender Verstehensunterstützung, die auf eine Op-
 timierung der Mathematikleistung zielt, insbesondere im Bereich der Unterstufe. In der Un-
 terrichtspraxis sind solche Ansätze noch eher selten anzutreffen, weshalb Studien zur Unter-
 richtsqualität zu kurz greifen würden. Hier sind Interventionsstudien sinnvoll, die Auskunft
 darüber geben können, welche Konzepte der Förderung tatsächlich wirken.
 In der Schweiz ist die Diskussion zu fach- und sprachintegrierter Verstehensförderung noch
 vergleichsweise wenig angestossen worden. Zwar sind sprachliche Fördermassnahmen im-
 plementiert (z.B. DaZ, Förderunterricht), sie beziehen sich aber in der Regel auf Kinder und
 Jugendliche mit Deutsch als Zweitsprache, nicht auf eine fach- und sprachintegrierte Förde-
 rung, die darauf abzielt, zentrale fachliche Konzepte und Fachsprache zu verstehen und zu
 nutzen.
 Weil im Zusammenhang mit Lernschwierigkeiten in Mathematik allgemein eine frühe Bear-
 beitung möglicher Schwierigkeiten mit präventiver Wirkung gefordert wird (z.B. Carpenter,
 Franke, Jacobs, Fennema & Empson, 1997; Ennemoser, Krajewski & Schmidt, 2011; Moser
 Opitz, 2005), ist es sinnvoll, eine Intervention für die Primarschule zu planen. Dabei stehen
 nicht nur Kinder und Jugendliche im Fokus, die zu Hause nicht Deutsch sprechen, sondern
 auch Schülerinnen und Schüler mit Deutsch als Erstsprache, die ungenügende sprachliche
 Voraussetzungen für den Erwerb von Mathematik im Unterricht mitbringen.

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In der hier vorliegenden Interventionsstudie wird deshalb an zwei im Hinblick auf den All-
 tagsbezug hoch relevanten Inhalte, dem Umgang mit Volumina sowie mit Symmetrien, ge-
 prüft, inwiefern durch die Bereitstellung von Materialien, welche das Schulbuch ergänzen,
 Effekte in der Leistungsentwicklung von sprachlich schwachen und sprachlich starken Schü-
 lerinnen und Schülern erzielt werden können. Diese Frage ist deshalb hochgradig bedeut-
 sam, weil aufbereitetes Material, mit einem kurzen didaktischen Kommentar versehen, auch
 angesichts der sonstigen Belastungssituation Lehrpersonen in ihrem Unterrichten unter-
 stützt. Sollten sich dadurch Effekte erzielen lassen, wäre es relativ einfach, das entwickelte
 und evaluierte Material einer breiteren Gruppe von Lehrpersonen zur Verfügung zu stellen.

 2.3.2 Forschungsfragen und Hypothesen
 Dem Projekt liegen folgende zwei Hauptfragestellungen zugrunde:
 1. Inwiefern lassen sich positive Effekte der Leistungsentwicklung insbesondere von
 sprachlich schwachen Lernenden in zwei unterschiedlichen thematischen Mathe-
 matikeinheiten (Sachrechnen, Geometrie) nach der Durchführung einer entspre-
 chenden sprachbezogenen fachlichen Bearbeitung des Themas in der Klasse nach-
 weisen?
 2. Welche Lernenden profitieren von der sprachbezogenen Förderung?
 In Bezug auf die erste Fragestellung wird erwartet, dass eine kurze sprachbezogene und
 fachfokussierte Intervention bei der Bearbeitung der beiden thematischen Mathematikein-
 heiten im Mittel bei den Schülerinnen und Schülern der Interventionsgruppe einen leichten
 positiven Effekt haben könnte. Da es sich um eine kurze Intervention handelt, kann kein
 grosser Effekt erwartet werden.
 Hinsichtlich der differenziellen Mathematikleistung wird erwartet, dass insbesondere die
 sprachlich schwachen Lernenden von der integrierten sprachbezogenen und fachlich fokus-
 sierten Förderung profitieren dürften und weniger die sprachlich starken. Erwartet wird so-
 mit, dass die sprachbezogene und fachlich fokussierte Förderung spezifisch den sprachlich
 schwachen Lernenden nützt.

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3 Methoden
 3.1 Design
 3.1.1 Forschungsdesign
 Um Effekte messen zu können, wurde ein Interventions-/Kontrollgruppendesign gewählt.
 Fokussiert wird das dritte Schuljahr, das den Beginn des zweiten Zyklus (D-EDK, 2016) in der
 Primarschule markiert. Die Lernenden verfügen zu diesem Zeitpunkt über erste Schulerfah-
 rungen, basale Mathematik- und Lesekompetenzen. Zudem besteht in diesem Alter der Kin-
 der (ca. 9 Jahre) ein nachweisbar hohes Interesse an Mathematik, selbst bei den mathema-
 tisch leistungsschwächeren, das im Verlauf der Schuldauer aber bei vielen Lernenden nach-
 lässt. Allerdings deuten verschiedene Studien darauf hin, dass Effekte von Interventionen
 bei jüngeren Kindern nur schwer nachweisbar sind.

 23.03.2020 18.05.2020
 26.02.2020
 Posttest Mathe 1, Posttest Mathe 2,
 WB Lehrpersonen IG Interview Lehrperson Interview Lehrperson

 15.01.2020 11.05.2020 - 15.05.2020
 16.03.2020 - 20.03.2020
 Tagung Sprachförderung im Fach Durchführung Einheit Symmetrie
 Durchführung Einheit Volumina
 (PHTG, AV TG):
 Rekrutierung Klassen 09.03.2020 20.05.2020
 Prestests Mathe, Sprache Posttests Mathe, Sprache

 01.01.2020

 01.11.2019 31.12.2020

 Das Projekt dauerte insgesamt 18 Monate, die Intervention bezog sich auf die Zeit von März
 bis Ende Juni. In diesem Zeitraum führten die Klassen zwei thematische Einheiten durch, zu
 Volumina und zu Symmetrie, die im Lehrmittel für diesen Zeitpunkt vorgeschlagen werden.
 Der Auftrag an die Lehrpersonen lautete, dass sie das vom Projektteam festgelegte Mathe-
 matikthema mit ihrer Klasse in gewohnter Weise entlang des Lehrmittels bearbeiten sollten
 und dass sie dafür nicht mehr als fünf Lektionen einsetzen dürfen.

 3.1.2 Intervention
 Die Intervention erfolgte auf der Basis von Unterrichtsmaterialien für eine sprachsensible
 Bearbeitung des Themas, das den Lehrpersonen zur Verfügung gestellt wurde. Alle Lehrper-
 sonen – diejenigen der Interventions- und der Kontrollgruppe – erhielten eine detaillierte
 Unterrichtsplanung für die beiden Mathematikthemen entlang des Mathematiklehrmittels
 im Umfang von knapp fünf Lektionen. Die Lehrpersonen der Interventionsgruppe erhielten
 darüber hinaus für jede der thematischen Einheiten sprachbezogene Unterrichtsvorschläge
 im Umfang von je zirka 5–10 Minuten, wobei eine Spieleinführung nicht in diesen 5–10 Mi-
 nuten enthalten war.
 Eine erste sprachsensible Einheit beleuchtete die nötigen Sprachmittel («Sprachschatz») zur
 Bearbeitung des mathematischen Themas. Die weiteren Einheiten waren als spielerische
 Umsetzung des thematisch notwendigen Sprachschatzes konzipiert und enthielten, zum
 Beispiel Begriffsmemorys oder Rätselspiele zu den notwendigen mathematischen Begriffen

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oder auch Darstellungsvernetzungen. Damit folgten die fünf sprachsensiblen Einheiten den
 Förderansätzen von Prediger (2015) zu fachbezogener Sprachförderung (siehe Abschnitt
 2.2.2), insbesondere der fach- und sprachintegrierten Verstehensförderung durch konzep-
 tuelles Scaffolding und Darstellungsvernetzungen, der Basissprachschatzarbeit sowie der
 Erweiterungssprachschatzarbeit.
 Die Lehrpersonen der Interventionsgruppe erhielten anlässlich einer kurzen Weiterbildung
 eine Einführung ins Thema «Sprachsensibler Mathematikunterricht» sowie die Materialien
 und Hinweise für die sprachsensible Bearbeitung von zwei ausgewählten Themen (Umgang
 mit Volumina, Symmetrie, Zahlraumerweiterung). Diese Materialien wurden in der Interven-
 tionsgruppe von den Lehrpersonen in ihren Unterricht einbezogen.
 Jeweils nach der durchgeführten Einheit von je zirka 4–5 Unterrichtsstunden (entspricht der
 Wochendotation Mathematik in der Stundentafel) wurde der Lernerfolg der Schülerinnen
 und Schüler mit einem kurzen schriftlichen Test zum erarbeiteten Inhalt erhoben. Um
 sprachliche und mathematische Voraussetzungen kontrollieren zu können, wurden vor Be-
 ginn der Durchführung und am Ende des Projektes die Sprach- und die Mathematikkompe-
 tenzen erfasst.
 Damit sichergestellt werden konnte, in welchem Umfang die Lehrpersonen die Materialien
 in ihre Unterrichtsgestaltung einbezogen hatten, fand im Anschluss an die Durchführung
 der ersten thematischen Einheit eine kurze Befragung der Lehrpersonen statt (Interview). Im
 Gespräch wurde abgefragt, wie die Lehrpersonen vorgegangen waren, welche Materialien
 sie eingesetzt hatten und weshalb es gegebenenfalls zu Änderungen im Vorgehen kam und
 auf welche Schwierigkeiten die Lehrpersonen dabei trafen und wie sie diese lösten.
 Die Lehrpersonen der Kontrollgruppe erhielten die überarbeiteten und optimierten Materi-
 alien nach Abschluss des Projekts ebenfalls. Alle Lehrpersonen bekamen zu den Ergebnissen
 des Posttests eine Zusammenstellung der Leistungen ihrer Schülerinnen und Schüler in der
 Klasse mit einem kurzen Fördervorschlag zu Sprache und zu Mathematik allgemein für die
 einzelnen Lernenden.

 3.1.3 Anpassungen im Forschungsdesign infolge der Corona-Pandemie
 Die Corona-Pandemie wurde auch für das Forschungsprojekt «MathS» zu einer Herausfor-
 derung. Der erste Lockdown Mitte März kam für die Lehrpersonen am Freitagnachmittag
 überraschend plötzlich mit der Entscheidung zur Schulschliessung ab folgendem Montag.
 Zwei der 13 Klassen konnten deshalb die geplante Lernzielkontrolle nach der Bearbeitung
 der Einheit nicht durchführen, da diese für die kommende Woche geplant war, in der die
 Schulen bereits geschlossen waren. Dies war für je eine Klasse aus der Interventions- und
 eine der Kontrollgruppe der Fall.
 Die Schulen öffneten Mitte Mai wieder, allerdings standen dann auch bald die Pfingstferien
 bevor. Dennoch waren die Lehrpersonen alle bereit, trotz der schwierigen

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Rahmenbedingungen und der besonderen Umstände der Pandemie auch die zweite Einheit
 inklusive der Testung durchzuführen. Um die Lehrpersonen aber nicht noch weiter über Ge-
 bühr zu belasten, wurde beim zweiten Messzeitpunkt deshalb auf die Interviews mit den
 Lehrpersonen verzichtet. Alle Lehrpersonen der Interventionsgruppe versicherten, dass sie
 die sprachsensiblen Materialien wie geplant im Unterricht einsetzen würden.

 3.2 Stichprobe
 3.2.1 Gesamtstichprobe
 Zur Gesamtstichprobe gehören 216 Kinder aus insgesamt 13 dritten Klassen aus eher städ-
 tischen wie aus ländlichen Regionen des Kantons Thurgau, die 2020 am Forschungsprojekt
 «MathS» (Mathematikunterricht sprachsensibel gestalten) (Brunner, 2019) teilnahmen. Da-
 von sind 116 (53,7 %) männlich, 100 (46,3 %) sind weiblich. Die Kinder waren zum Messzeit-
 punkt (drittes Quartal des Schuljahres 2019/20) durchschnittlich 9,4 Jahre alt (SD = .47 Jahre;
 N = 216). 150 (69,4 %) Kinder geben als Familiensprache Deutsch beziehungsweise Schwei-
 zerdeutsch an, 66 (30,6 %) sprechen zu Hause eine andere Sprache als Deutsch.

 3.2.2 Teilstichproben
 Die Zuteilung zur Interventions- beziehungsweise zur Kontrollgruppe erfolgte mit Rücksicht
 auf die Praxis nicht randomisiert. Die Lehrpersonen, die an der Studie mit ihren Klassen teil-
 nahmen, entschieden sich für die Mitarbeit in der Interventions- oder der Kontrollgruppe.
 Dies führte dazu, dass die Zusammensetzung der beiden Teilstichproben nicht in Bezug auf
 alle relevanten Merkmale vergleichbar ist.
 Die Interventionsgruppe setzt sich aus NIG = 117 Schülerinnen und Schüler aus sieben Klas-
 sen zusammen, die Kontrollgruppe umfasst NKG = 99 Schülerinnen und Schüler aus sechs
 Klassen.
 In Bezug auf das Alter sind die beiden Gruppen vergleichbar (MIG = 9.4 Jahre, SD = .45;
 MKG = 9.4 Jahre, SD = .49), nicht aber bezüglich des Anteils Jungen und Mädchen und des
 Anteils Familiensprache Deutsch. Zur Interventionsgruppe gehören deutlich mehr Mädchen
 (63; 53,8 %) als Jungen (54; 46,2 %), während sich das Bild für die Kontrollgruppe umgekehrt
 zeigt: Hier sind deutlich mehr Jungen (62; 62,6 %) als Mädchen (37; 37,4 %).
 Die Interventions- und die Kontrollgruppe unterscheiden sich bezüglich des Anteils Jungen
 und Mädchen signifikant voneinander (χ2 = 5.85; df = 1; p = .016).

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GESCHLECHTERVERTEILUNG
 weiblich männlich
 63

 62
 54

 37
 INTERVENTIONSGRUPPE KONTROLLGRUPPE

 Abbildung 1: Anteil Jungen/Mädchen in den beiden Gruppen

 Bezüglich Familiensprache zeigen sich ebenfalls deutliche Unterschiede in der Zusammen-
 setzung der Interventions- und der Kontrollgruppe. Die Interventionsgruppe besteht zu
 39,3 % aus Kindern, deren Erstsprache nicht Deutsch ist (N = 46) während in der Kontroll-
 gruppe lediglich 20,2 % der Kinder (N = 20) nicht Deutsch als Erstsprache ausweisen.
 Die Interventions- und die Kontrollgruppe unterscheiden sich bezüglich des Anteils Kinder
 mit Erstsprache Deutsch hoch signifikant voneinander (χ2 = 9.23; df = 1; p = .002).

 FAMILIENSPRACHE
 Familiensprache Deutsch andere Familiensprache
 79
 71

 46

 20

 INTERVENTIONSGRUPPE KONTROLLGRUPPE

 Abbildung 2: Familiensprache Deutsch/nicht Deutsch in den beiden Gruppen

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3.3 Instrumente
 3.3.1 Sprachstand
 Der Sprachstand wurde zum einen mit einem C-Test (Baur und Spettmann, 2007) und zum
 anderen anhand einer detaillierten Analyse der Kompetenzen beim Schreiben
 eines eigenen Textes gemessen.

 C-Test
 Der C-Test wurde eigens für die dritte Klasse entwickelt und in einer Klasse pilotiert. Beim C-
 Test handelt es sich um einen schriftlichen Test, der aus kurzen Lückentexten besteht. Diese
 Kurztexte sind in sich geschlossen und adressieren das Weltwissen der jeweiligen Proban-
 den und Probandinnen, das heisst, sie betreffen den Erfahrungsbereich der anvisierten Al-
 tersstufe. Bei jedem zweiten (Zweiertilgung) oder dritten (Dreiertilgung) Wort der einzelnen
 Texte ist jeweils nur die erste Hälfte erkennbar (Baur und Spettmann, 2009). Die Probandin-
 nen und Probanden müssen bei der Bearbeitung des C-Tests die Lücken in den Wörtern er-
 gänzen und den vollständigen Text rekonstruieren. Dafür brauchen sie Lese- und Schreib-
 kompetenzen sowie textintegratives Verständnis.
 Bei der Auswertung eines C-Tests wird unterschieden, ob eine Lücke sprachformal (ortho-
 grafisch und grammatikalisch) oder sinngemäss korrekt rekonstruiert wird. Die Anzahl
 sprachformal korrekt rekonstruierter Wörter ergibt den R/F-Wert (richtig-falsch), die Anzahl
 sinngemäss korrekt rekonstruierter Wörter wird im WE-Wert (Worterkennung) erfasst. Der
 Wert für die sinngemäss korrekt rekonstruierten Wörter kann deshalb nicht tiefer sein als der
 Wert sprachformal korrekt rekonstruierter Wörter, weil sprachformal korrektes Rekonstruie-
 ren sinngemässes Verstehen bedingt. C-Tests sind sehr zuverlässig und gleichzeitig sehr
 ökonomisch im Einsatz. In der Forschung gelten sie als valides Instrument (Wockenfuss und
 Raatz, 2014) zur Erfassung der sprachlichen Kompetenzen. Ihre Ergebnisse korrelieren sub-
 stanziell mit der Leistung in verbalen Intelligenztests.
 Der C-Test, der im Projekt «MathS» verwendet wurde, umfasst fünf kurze Texte mit je 20 Lü-
 cken, die dem Prinzip der Dreiertilgung folgen. Der Maximalwert liegt somit bei 100 Punk-
 ten, was 100 % entspricht. Der C-Test weist eine sehr gute Reliabilität auf, und zwar sowohl
 für den R/F-Wert (Cronbachs = .92) wie auch für den WE-Wert (Cronbachs = .88). Die
 beiden Werte korrelieren erwartungsgemäss sehr hoch miteinander (r = .97).

 3.3.2 Mathematische Voraussetzungen
 Zur Erfassung der Mathematikleistung wurde der DEMAT3+ (Deutscher Mathematiktest für
 dritte Klassen) (Roick, Gölitz und Hasselhorn, 2018) eingesetzt. Der schriftliche Test erfasst
 mit insgesamt 31 Testitems die Mathematikleistung hoch reliabel (Cronbachs = .83), und
 zwar in den drei Bereichen Arithmetik, Geometrie und Sachrechnen. Zudem weist der Test
 eine hohe prognostische Validität von .68 nach zirka 10 Monaten auf zum Zusammenhang

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mit der späteren Mathematikleistung. Der DEMAT3+ ist ein ökonomisches Testverfahren,
 das geeignet ist für den Einsatz in grossen Stichproben im Forschungskontext. Die Durch-
 führung des Tests wird im Manual geregelt und erfolgt vollständig standardisiert. Für die
 Bereiche Sachrechnen und Geometrie können maximal je 8 Punkte erreicht werden, für den
 Bereich Arithmetik sind es 15 Punkte. Der Test ermittelt Rohwerte und Prozentränge. In der
 folgenden Auswertung werden die Rohwerte berücksichtigt.
 Beim DEMAT3+ handelt es sich um einen deutschen Test, der angibt, sich an den aktuellen
 Bildungsstandards für das Fach Mathematik zu orientieren, obwohl die Bezeichnung der drei
 Kompetenz- beziehungsweise Inhaltsbereiche im Test nicht mit der aktuellen Benennung in
 den Lehrplänen übereinstimmt (Amt für Volksschule des Kantons Thurgau, 2016b; KMK &
 IQB, 2017). Im Bereich Arithmetik beziehungsweise «Zahl & Variable» erfassen vier Aufga-
 bentypen die Inhalte Zahlenstrahlen, Additionen, Subtraktionen und Multiplikationen. Der
 Inhaltsbereich Geometrie beziehungsweise «Form & Raum» wird erfasst mit den drei Aufga-
 bentypen zu Spiegelzeichnungen, Formen legen sowie Längen schätzen und messen. Letz-
 teres würde gemäss Bildungsstandards allerdings in den Kompetenzbereich «Grössen, Da-
 ten und Zufall» (Amt für Volksschule des Kantons Thurgau, 2016b) gehören. Im Bereich Sach-
 rechnen beziehungsweise «Grössen, Daten und Zufall» werden Sachrechnungen bezie-
 hungsweise Textaufgaben und Aufgaben zum Umrechnen von Längen geprüft.
 Vorgesehen ist der Test für den Einsatz in der Zeitspanne der letzten sechs Wochen des drit-
 ten Schuljahres sowie der ersten sechs Wochen des vierten Schuljahres. Im Projekt kam der
 Test aber bereits im dritten Quartal zum Einsatz, das heisst etwas früher als vorgesehen. Da
 der DEMAT3+ als standardisiertes ökonomisches Verfahren in der Studie nicht genutzt wird,
 um eine prognostische Leistungsaussage für die einzelnen Kinder zu treffen, sondern die
 Ergebnisse als standardisiertes Mass für das mathematische Vorwissen in drei Inhaltsberei-
 chen in die Untersuchung einfliessen, ist der frühere Einsatz vertretbar.

 3.3.3 Mathematische Leistung in zwei Inhaltsbereichen
 Die von den Kindern der Interventions- und Kontrollgruppe bearbeiteten Themen Volumina
 und Symmetrie wurden je mit einem eigens entwickelten thematischen Test zur Überprü-
 fung des Lernerfolgs der thematischen Einheit abgeschlossen. Die Tests nutzen dieselben
 drei Aufgabenformate mit jeweils 12 Punkten. Insgesamt sind so in beiden Lernzielkontrol-
 len 36 Punkte möglich. Das erste Aufgabenformat enthält spracharme, grafisch gestützte
 Aufgaben, das heisst Aufgaben, bei denen wichtige Informationen nicht nur aus dem Text,
 sondern aus der Grafik erschlossen werden müssen. Danach folgen entkleidete Aufgaben,
 welche mit minimalem Aufgabentext im Sinne von Aufforderungen (z.B. «Rechne um!») aus-
 kommen. Im dritten Testteil werden sprachintensive Textaufgaben, das heisst eigentlich
 Sach- beziehungsweise Modellierungsaufgaben gegeben.

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Inhaltlich orientieren sich die Tests an den Aufgabeformaten der in den Klassen verwende-
 ten Lehrmittel Mathematik 3 (Brandenberg et al., 2012) beziehungsweise Schweizer Zahlen-
 buch 3 (Wittmann & Müller, 2009) und an den Kompetenzbeschreibungen des Lehrplans
 (Amt für Volksschule des Kantons Thurgau, 2016b).

 3.4 Datenerhebung und Datenauswertung
 3.4.1 Datenerhebung
 Die Datenerhebung erfolgte an zwei unterschiedlichen Tagen gegen Ende des dritten Quar-
 tals des Schuljahrs im März 2020. Die Testung in den Klassen wurde durch die Lehrpersonen
 durchgeführt, um den Schulalltag möglichst wenig zu belasten. Die Lehrpersonen wurden
 für diese Aufgabe mündlich instruiert und erhielten für die beiden Tests je ein schriftlich
 festgelegtes Vorgehen zur Durchführung. Nach der Durchführung mussten sie kurz bestäti-
 gen, dass sie entsprechend vorgegangen waren.
 Die Auswertung des C-Tests wurde von zwei Ratern übernommen. Nach einer kurzen Trai-
 ningsphase bestimmten sie den R/F- und den WE-Wert. Es fand zudem eine punktuelle Über-
 prüfung der Auswertung der Tests durch den beteiligten Deutschdozenten statt. Die Inter-
 raterreliabilität beträgt für den R/F-Wert = .783, für den WE-Wert = .786, das heisst, für
 beide Werte liegt eine gute Interraterübereinstimmung vor (Landis & Koch, 1997).
 Die Auswertung des DEMAT-3+-Tests erfolgte gemäss dem standardisierten Manual durch
 Kodierende nach einer entsprechenden Einführung.

 3.4.2 Datenauswertung
 Deskriptive Statistik
 Die Daten wurden vom Forschungsteam erfasst und bereinigt. Die Leistungsdaten liegen in
 Form von Summenwerten und Prozentangaben vor und wurden deshalb metrisch interpre-
 tiert. Die Auswertung erfolgte mittels deskriptiver Statistik in SPSS. Eingesetzt wurden Häu-
 figkeitsanalysen, t-Tests zur Prüfung von Gruppenunterschieden, Effektstärken nach Cohens
 d (Cohen, 1988) sowie solche für gepoolte Stichproben im Falle von unterschiedlich grossen
 Teilstichproben (Erstsprache). Zur Berechnung von Zusammenhängen zwischen metrischen
 Variablen wurden Korrelationen nach Pearson, zweiseitig berechnet, weil nicht von einer
 Wirkungsrichtung ausgegangen werden kann.

 Bestimmung von Leistungsgruppen
 Für die Auswertung von Fragestellung 2 zur differenziellen Leistungsentwicklung wurden
 drei Leistungsgruppen auf der Basis der Testleistung im C-Test R/F-Wert, Messzeitpunkt 1
 (sprachliche Voraussetzungen) gebildet, und zwar indem der Mittelwert der gesamten Stich-
 probe berechnet wurde und davon ausgehend eine halbe Standardabweichung als Grenz-
 wert für die Gruppenzuteilung der leistungsstärksten beziehungsweise der

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leistungsschwächsten festgelegt wurde. Auf diese Weise wurden drei annähernd gleich
 grosse Gruppen gebildet. Verglichen werden im Folgenden nur die beiden Extremgruppen:
 Gruppe 1 (sprachlich schwache Voraussetzungen) und Gruppe 3 (sprachlich starke Voraus-
 setzungen). Die mittlere Gruppe (Gruppe 2) wird für den Gruppenvergleich zur Untersu-
 chung der differenziellen Leistungsentwicklung nicht herangezogen.
 Für die Extremgruppen nach Interventions- und Kontrollgruppe getrennt ergeben sich un-
 terschiedlich grosse Gruppen. In der Kontrollgruppe gehören 33 Kinder zur sprachlich
 schwächsten Gruppe (Gruppe 1), in der Interventionsgruppe sind es 28 Kinder. Die Gruppe
 der sprachlich stärksten Kinder (Gruppe 3) umfasst in der Kontrollgruppe 40 und in der In-
 terventionsgruppe 48. Dies liegt daran, dass der Mittelwert der Sprachleistung in der Inter-
 ventionsgruppe insgesamt etwas höher liegt (M = 66.04; SD = 19.64; N = 117) als in der Kon-
 trollgruppe (M = 61.19; SD = 23.80; N = 99).

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4 Hauptergebnisse
 Die vorliegende Studie fokussiert auf zwei Hauptfragestellungen (Abschnitt 2.3). Diese wer-
 den in je einem Unterkapitel beantwortet. Zunächst wird aber ein Überblick über die mathe-
 matischen und die sprachlichen Voraussetzungen (t1) der Gesamtstichprobe gegeben, und
 der Zusammenhang zwischen sprachlichen und mathematischen Voraussetzungen wird ge-
 klärt (Abschnitt 4.1). Anschliessend werden die Ergebnisse in den beiden unterschiedlichen
 thematischen Mathematikeinheiten berichtet (Abschnitt 4.2). Es folgt ein Fokus auf die
 sprachlich schwachen Lernenden und ihre mathematische Leistungsentwicklung (Abschnitt
 4.3).

 4.1 Mathematische und sprachliche Voraussetzungen
 4.1.1 DEMAT3+ und C-Test, erster Messzeitpunkt
 Mathematische Voraussetzungen
 Die mathematischen Voraussetzungen sind in der Kontroll- und der Interventionsgruppe in
 den Bereichen Arithmetik und Geometrie sowie im Gesamttest vergleichbar, während sich
 ein statistisch signifikanter Unterschied zugunsten der Kontrollgruppe im Bereich des Sach-
 rechnens zeigt (Tabelle 1).

 Tabelle 1: Testleistungen DEMAT3+ (t1, N = 215)

 Kontrollgruppe Interventionsgruppe Gruppenunterschied
 (N = 99) (N = 116)
 Arithmetik M = 5.87; SD = 3.08 M = 5.45; SD = 2.87 t = 1.04; df = 213; p = .30
 Geometrie M = 4.91; SD = 1.70 M = 4.75; SD = 1.60 t = 0.71; df = 213; p = .48
 Sachrechnen M = 5.18; SD = 2.16 M = 4.66; SD = 2.02 t = 1.81; df = 213; p = .07
 Gesamt M = 15.96; SD = 5.62 M = 14.88; SD = 4.94 t = 1.50; df = 213; p = .14

 Sprachliche Voraussetzungen
 Bezüglich sprachlicher Voraussetzungen zeigen sich keine statistisch signifikanten Unter-
 schiede zwischen den Kindern der Kontroll- und der Interventionsgruppe, und zwar weder
 für das Textverständnis (t = -1.43; df = 179; p = .154) noch für die sprachformalen Vorausset-
 zungen (t = .851; df = 123.03, inhom. Varianzen korr.; p = .396). Die sprachformalen Voraus-
 setzungen sind erwartungsgemäss tiefer als diejenigen im Bereich Textverständnis. Für die
 Kontrollgruppe liegt der Mittelwert beim Textverständnis bis 78.61 Punkten (SD = 22.01),
 beim R/F-Wert bei 63.01 (SD = 22.10), für die Interventionsgruppe bei 81,14 Punkten
 (SD = 15,71) für das Textverständnis und bei 67,40 (SD = 18.89) für die sprachformalen Vo-
 raussetzungen.

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Zusammenfassung
 Es lässt sich somit festhalten, dass die Kontroll- und die Interventionsgruppe bezüglich
 sprachlicher und mathematischer Voraussetzungen vergleichbar sind bis auf die Vorausset-
 zungen im Sachrechnen, die im Mittel in der Kontrollgruppe höher sind als in der Interven-
 tionsgruppe.

 4.1.2 Mathematikleistung, zweiter Messzeitpunkt
 Die durchschnittlichen Mathematikleistungen (DEMAT3+) der Kinder aus der Kontroll- und
 der Interventionsgruppe unterscheiden sich beim zweiten Messzeitpunkt statistisch nicht
 signifikant voneinander (Tabelle 2). Dies gilt auch für den Subtest Sachrechnen, bei dem im
 ersten Testzeitpunkt noch ein statistisch signifikanter Unterschied zwischen der Leistung
 der Kontroll- und der Interventionsgruppe festgestellt werden konnte. Gegenüber dem ers-
 ten Messzeitpunkt ist in allen Subtests sowie der Gesamttestleitung ein deutlicher Anstieg
 erkennbar, und zwar in beiden Gruppen. Am stärksten ist der Anstieg für beide Gruppen im
 Bereich Arithmetik. Dies könnte auch damit zusammenhängen, dass zwischen Messzeit-
 punkt 1 und Messzeitpunkt 2 die pandemiebedingte Schulschliessung lag, während welcher
 der Unterricht in den Klassen in Form von Fernunterricht gewährleistet werden musste. Ge-
 rade im Fernunterricht, der ohne grosse Vorbereitungsphase von den Lehrpersonen umge-
 setzt werden musste, wäre es naheliegend anzunehmen, dass ein vermehrter Fokus auf
 Arithmetik gelegt und dort insbesondere bekannte Konzepte geübt wurden.

 Tabelle 2: Testleistungen DEMAT3+ (t2, N = 212)

 Kontrollgruppe Interventionsgruppe Gruppenunterschied
 (N = 98) (N = 114)
 Arithmetik M = 6.98; SD = 3.57 M = 6.37; SD = 3.02 t = 1.33; df = 191.11; p = .18
 Geometrie M = 5.64; SD = 1.87 M = 5.63; SD = 1.52 t = 0.05; df = 210; p = .96
 Sachrechnen M = 5.68; SD = 1.99 M = 5.53; SD = 1.93 t = 0.58; df = 210; p = .56
 Gesamt M = 18.31; SD = 5.98 M = 17.53; SD = 5.10 t = 1.01; df = 191.83; p = .31
 Anmerkungen: Maximalwert Arithmetik 15, Sachrechnen und Geometrie je 8 Punkte, Gesamttest 31 Punkte.

 Zusammenfassung
 Die Testergebnisse von Messzeitpunkt 2 zeigen einen deutlichen Zuwachs gegenüber der
 Testleistung aus Messzeitpunkt 1, und zwar sowohl für die Kontroll- wie für die Interventi-
 onsgruppe. Die Kontroll- und die Interventionsgruppe unterscheiden sich bezüglich mathe-
 matischer Leistung nicht signifikant voneinander.

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4.1.3 Korrelative Zusammenhänge zwischen den sprachlichen Voraussetzungen
 und der allgemeinen Mathematikleistung
 Wie eingangs erwähnt (Abschnitt 2.1.1), ist ein starker Zusammenhang zwischen Mathema-
 tik und Sprachleistung bekannt (zusammenfassend Paetsch, 2016). In den verschiedenen
 deutschen Studien differieren die Korrelationswerte stark und liegen zwischen r = .21
 (Heinze, Herwartz-Emden und Reiss, 2007) und r = .63 (Leutner, Klieme, Meyer und Wirth,
 2004). Die meisten dieser Studien beziehen sich auf den Inhaltsbereich Arithmetik oder das
 Format der Textaufgaben beziehungsweise das Problemlösen im Zusammenhang mit der
 Mathematikleistung.
 In der vorliegenden Untersuchung zeigen sich jedoch Zusammenhänge zwischen den
 sprachlichen Voraussetzungen einerseits und den mathematischen Leistungen andererseits
 in sämtlichen Inhaltsbereichen des DEMAT3+, das heisst im Bereich der Arithmetik, des
 Sachrechnens und der Geometrie sowie in der Gesamttestleistung, und dies für beide Mess-
 zeitpunkte (Tabelle 2). Die Korrelationswerte liegen zwischen .32 und .51, sind also etwas
 weniger divergent, als dies die deutschen Studien zeigen. Einen besonders starken Zusam-
 menhang zwischen sprachlichen Voraussetzungen und Mathematikleistung zeigt sich – er-
 wartungsgemäss – beim Sachrechnen, aber ebenso im Bereich Geometrie, während die
 Stärke des Zusammenhangs für den Bereich der Arithmetik etwas schwächer ausfällt.

 Tabelle 3: Zusammenhang zwischen sprachlichen Voraussetzungen (C-Test) und Mathematikleistung (DEMAT
 3+)

 Messzeitpunkt Arithmetik Sachrechnen Geometrie Mathema-
 tikleistung ge-
 samt
 t1 r = .324; p = .000; r = .500; p = .000; r= .407; p = .000; r= .502; p = .000;
 N = 215 N = 215 N = 215 N = 215
 t2 r = .333; p= .000; r = .468; p= .000; r= .471; p = .000; r= .507; p = .000;
 N = 212 N = 212 N = 212 N = 212

 Betrachtet man die Zusammenhänge zwischen sprachlichen Voraussetzungen und Mathe-
 matikleistung für die beiden Gruppen – Interventions- und Kontrollgruppe – getrennt, zeigt
 sich in beiden Gruppen das gleiche generelle Bild eines mittleren bis starken Zusammen-
 hangs, insbesondere für Sachrechnen und Geometrie, die Zusammenhänge sind in der Kon-
 trollgruppe deutlich ausgeprägter als in der Interventionsgruppe.

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Tabelle 4: Zusammenhang zwischen sprachlichen Voraussetzungen (C-Test) und Mathematikleistung (DEMAT
 3+) für die Interventions- (IG) und Kontrollgruppe (KG) getrennt

 Messzeitpunkt Arithmetik Sachrechnen Geometrie Mathema-
 tikleistung ge-
 samt
 KG t1 r = .398; p = .000; r = .582; p = .000; r = .490; p = .000; r = .590; p = .000;
 N = 99 N = 99 N = 99 N = 99
 IG t1 r = .244; p = .000; r = .455; p = .000; r = .336; p = .000; r = .437; p = .000;
 N = 116 N = 116 N = 116 N = 116
 KG t2 r = .404; p = .000; r = .559; p = .000; r = .541; p = .000; r = .596; p = .000;
 N = 98 N = 98 N = 98 N = 98
 IG t2 r = .277; p = .003; r = .390; p = .000; r = .389; p = .000; r = .427; p = .000;
 N = 114 N = 114 N = 114 N = 114

 In der Kontroll- und in der Interventionsgruppe zeigt sich beim zweiten Messzeitpunkt eine
 Abschwächung der Stärke des Zusammenhangs zwischen sprachlicher Voraussetzung und
 Mathematikleistung im Bereich Sachrechnen. Die Verringerung des Zusammenhangs ist in
 der Interventionsgruppe tendenziell deutlich stärker, was sich auch in der Verringerung des
 Zusammenhangs zwischen sprachlichen Voraussetzungen und Mathematikleistung insge-
 samt zeigt. Eine solche ist für die Kontrollgruppe nicht beobachtbar. Dort verstärkt sich der
 Zusammenhang zwischen sprachlichen Voraussetzungen und Mathematikleistung gesamt.

 Zusammenfassung
 Es zeigen sich in beiden Gruppen deutliche Zusammenhänge zwischen sprachlichen Vo-
 raussetzungen und allgemeiner Mathematikleistung, für alle mathematischen Inhaltsberei-
 che. Der Zusammenhang zwischen sprachlichen Voraussetzungen und Mathematikleistung
 ist insbesondere in den Bereichen Sachrechnen und Geometrie stark. In der Interventions-
 gruppe gelingt es, bezüglich Gesamttestleistung und Leistung im Bereich Sachrechnen die
 Stärke dieses Zusammenhangs im Zeitverlauf deutlicher zu reduzieren als in der Kontroll-
 gruppe.

 4.2 Leistungen in den thematischen Lernzielkontrollen
 Die thematischen Lernzielkontrollen am Ende der Themenbearbeitung zu Volumina (Mess-
 zeitpunkt 1) und Symmetrie (Messzeitpunkt 2) fallen in der Interventions- und der Kontroll-
 gruppe ähnlich aus (Volumina: MKG = 18.56; N = 71; MIG = 19,79; N = 100; Symmetrie:
 MKG = 24,23; N = 98; MIG = 23,80; N = 114). Allfällige Unterschiede liegen im Zufallsbereich
 und sind statistisch nicht signifikant. Es ist somit in beiden Gruppen gelungen, die Inhalte in
 den Klassen gut zu festigen. Mit einer leichten Tendenz scheint im Bereich des Sachrechnens
 (Volumina) die Intervention eine positive Wirkung gehabt zu haben, was sich für den Inhalt
 Symmetrie nicht vermuten lässt.

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