Matterhorn und Mont Blanc inklusive

Die Seite wird erstellt Lukas Reiter
 
WEITER LESEN
6 Chronik 92 bis Ende     31.01.2001     17:18 Uhr     Seite 120

                                  Matterhorn und
                                  Mont Blanc inklusive
                                  Fünf Sindelfinger erkunden die höchsten Gipfel Europas –                Die Nacht scheint kurz…
                                  mit dem Segelflugzeug.                                                  Gleißende Sonnenstrahlen
         Uwe dreht noch – wie konnte es anders sein – die letzten Schrauben an seiner ›Stradi-            fallen aus einem stahlblau-
         vari‹ fest, als wir uns am Freitag Mittag an der Werkstatt treffen, um endlich die Fahrt in en Himmel direkt in unsere
         die Alpen anzutreten. Wir, das sind Aldi, Alfons, Andreas, Uwe, Yvonne und ich,                  Zimmer und wir alle hören
         Jochen. Nicht zu vergessen der neu ›beschwanzte‹ Janus, Andis ex-italienischer Kestrel,          es deutlich: der Berg ruft!
         Alfons’ ultraleichter ›Sunrise‹ und eben jene frisch verschraubte Ka 6, die man nur noch         Noch schnell einen dieser
         als ›Stradivari‹ kennt. Wir folgen dem Lockruf der Alpen…                                        unnachahmlichen italieni-
                                                                                                          schen Kaffees, an denen
                                                                                                          man noch eine Weile zu

         S
                 chon die Fahrt gerät zum Abenteuer, zum Beispiel kauen hat, ein Brötchen für gleich und eines für später
                 als Uwe kurz nach Montreux auf einmal die                und dann strömen wir dem Tal entgegen. Dort in der
                 gesamte Autobahnbreite ausnutzen will. Wir in            recht weiten Ebene der Industrie- und Touristenstadt
                 den drei anderen Autos betrachten diese Szenerie         Aosta liegt der Flugplatz, auf dem Sportpiloten, Segelflie-
         gebannt von hinten… doch der Spuk ist glücklicherweise ger und ein Learjet des hiesigen Jet-Sets friedlich koexi-
         gleich vorbei. Später aber, als wir uns die Serpentinen          stieren. Und dort kommen wir wieder zu Enrica, eine
         des St. Bernhards hochquälen, da ist Uwe absolut im Vor- quirlige Holländerin, die uns die zu unterzeichnenden
         teil mit seinem bißchen Hänger hinten dran. All der Mühe Papiere überreicht, nicht ohne uns freudig willkommen-
         Lohn erwartet uns nach knapp sechs Stunden in unserer            zuheißen, nebenher einen Italiener zurechtzuweisen und
         wohlbekannten Pension, bei einem x-stelligen Menü mit            zwei Telefonate abzuwickeln. Dann geht’s raus aufs Feld,
         Pasta und Wein läßt sich gut lachen über die Wirrnisse           endlich, die Flugzeuge werden zusammengesteckt und
         der vergangenen Stunden! Eines jedoch läßt sich nicht            schick gemacht, daraufhin machen wir uns schick, mit
         verhindern, daß uns nämlich sehr bald die angenehmste            langen Unterhosen, wollenen Strümpfen, elektrischer
         aller Müdigkeiten überfällt…                                     Fußsohlenheizung, der Thermokombi, so verfügbar und,
                                                                                                   nicht zu vergessen: die Moon-
                                                                                                   boots! Ach ja, da sind ja noch die
                                                                                                   Oerlinghausener, mit denen
                                                                                                   schließen wir gleich dicke
                                                                                                   Freundschaft – irgendwie haben
                                                                                                   die uns gleich gefressen… ob’s
                                                                                                   wohl an unserem jugendlichen
                                                                                                   Elan liegt?

                                                                                                     K     eine Starterlaubnis
                                                                                                           für Ultraleichte!
                                                                                                 Alfons muß allerdings einen
                                                                                                 Dämpfer hinnehmen, er darf mit
                                                                                                 seinem Ultraleicht ›Sunrise‹ leider
                                                                                                 nicht von Aosta aus starten, son-
                                                                                                 dern muß auf einen kleinen Flug-
         Startklar!
                                                                        platz in etwa 80 Kilometer Entfernung ausweichen. Es
         Dick eingepackt in Thermokombi, dicken Socken und Pull-
         over sind Aldi und Alfons bereit für den Flugzeugschlepp in    sollte sich aber herausstellen, daß zum einen die Fahrt
         die Bergwelt.                                                  dorthin problemlos ist, zum anderen jener Platz und des-
                                                                        sen Betreiber sehr nett sind.

         120
6 Chronik 92 bis Ende     31.01.2001     17:18 Uhr    Seite 121

                                                                     Augenblicke, die man gar nicht mehr für real hält

     E
              ndlich, »Alpha Zulu: tendere il cavo!«. Der Propel-   Das Spiel von Licht und Schatten, extreme Kontraste und das
              ler verwischt zu einem runden Schemen, die            Fehlen menschlicher Spuren vermitteln dem Piloten eine fas-
              Remorqueur springt vorwärts, im Nu sind die           zinierende Fremdheit.
              60 Meter Seil gespannt. »Pronto a decollo«, der
      Janus setzt sich in Bewegung, ich sitze hinten und kann
      es mir nicht verkneifen, Uwe bei seinem ehrlichen             higend! Eine dreiviertel Stunde krebsen wir in diesem Stil
      Bemühen zu filmen, unsere Fläche solange wie möglich          an der Marie entlang, jede Wendekurve – und sei sie
      waagrecht zu halten… Aldi managed das da vorne.               noch so eng – führt uns aus dem Steigbereich hinaus,
      Schnell sind wir über die Platzgrenze hinaus, röhren im       kostet wieder ein paar der mühsam erkämpften Meter.
      Schleppzug über das Bezirksgefängnis (welch Ironie!)          Wir sehen Segelflieger starten und wieder absaufen, bis
      und an den Haushang, der ›Marie‹. Kaum ein Wölkchen           wir endlich den Funkturm übersteigen und über der
      am Himmel, Flugzeuge auch nicht, wir spielen meistens         Abreißkante des Hanges kreisen können.
      die Rolle des ›Schnüfflers‹. »Alpha Zulu – Libero!«, die
      Jodel stürzt zu Tal, die Bergluft hat uns wieder!
                                                                       S   chattenjagd
                                                                           am Bergrücken

          D    as Weiße in den
               Augen der Eichhörnchen
      Doch will sie uns überhaupt hier haben? Tausend Meter
                                                                    Jetzt geht’s besser, viel besser, wir erreichen die entfernte-
                                                                    ren Hänge und nehmen in etwa Kurs auf Breuil, dem
                                                                    Dorf am Fuß des Matterhorns. Es ist wie in einem Traum,
      haben wir uns gegönnt, weniger ist selten ratsam hier. So     entlang eines dünn bewaldeten und schneebepuderten
      auch heute, spüren wir doch sehr bald, daß sich ein           Bergrückens jagen wir unseren Schatten, fünfzig Meter
      Höhengewinn nicht ganz einfach gestalten würde. Die           neben uns. Nochmal tausend Meter rauf und die unwirk-
      Thermik fließt direkt am Hang entlang nach oben, Aldi         liche Schneewelt nimmt uns ganz gefangen. Die Sonne
      versucht, das Weiße in den Augen der Eichhörnchen zu          steht schon etwas flacher und die Landschaft löst sich auf
      erblicken und ich ziehe es derweil vor, durch das Weit-       in einem Wechselspiel aus reflektiertem Licht und zacki-
      winkelobjektiv der Videokamera zu schauen – sehr beru-        gen Schatten…

                                                                                                                             121
6 Chronik 92 bis Ende     31.01.2001     17:18 Uhr     Seite 122

                                                  Irgendwann hat         als Altersruhesitz aus. Ja, und Aldi macht mit Yvonne im
                                                    uns die Stradivari   Janus die Erfahrung, daß sich ein Looping auch beruhi-
                                                     eingeholt (Hopp-    gend auf einen gequälten Magen auswirken kann – viel-
                                                     la!), kreist eben   leicht war ihre Überlebensfreude größer als das bißchen
                                                     noch im selben      Übelkeit. Die Beiden hatten mehr Glück gehabt mit der
                                                     Bart und bricht     Thermik und konnten nach gut vier Stunden hochzufrie-
                                                    schon weiter in      den auf den Runway einschweben.
                                                  Richtung Matter-
                                                horn! Da ist selbst
                                             Aldi sprachlos, nein,
                                         nicht ganz, er zieht noch
                                  Parallelen zu Uwes Rallye den
                                                                             R   ekapitulation
                                                                                 auf der Reliefkarte
                                                                         Bis wir abends alle Flugzeuge in den Hängern verstaut
         St. Bernhard hinauf, und wir huschen hinterher. Doch der        und die tausend Kleinigkeiten, die ein großer Segelflieger
         Tag ist zu alt, die Schatten sind bereits zu lang für ausrei-   so mit sich führt, beieinander haben, ist es meist schon
         chende Möglichkeiten, so können wir nur einen kurzen            dämmrig, und wir fragen uns auf dem Weg zum Hotel
         Blick von weit unten auf diesen aus dieser Perspektive          oft, ob wir uns wohl noch bis zum Abendessen wachhal-
         umso imposanteren Felsklotz werfen.                             ten können – so also fühlt sich ein Frischluftschock an!
                                                                         Doch eine Dusche und frische Klamotten, abgerundet mit

            I  m Blickwinkel
               des Königs der Alpen
         Der Heimflug bereitet keine Probleme, Gelegenheit für
                                                                         der Aussicht auf ein zweifellos hervorragendes Menü,
                                                                         vertreibt diese Schwächephase noch mal. Immerhin muß
                                                                         man ja noch gemeinsam Rekapitulation betreiben, wobei
                                                                         eine von der Flurwand entführte Reliefkarte der Umge-
         ein paar Filmaufnahmen zu Ehren der Ka 6. Und dann,             bung das unabdingbare Element darstellt. Manches Mal
         der König der Alpen, ein Steinadler! Gerade noch hundert        möchte man die Vielzahl der kaum verarbeiteten, faszi-
         Meter unter uns, äugt er jetzt kritisch aus einiger Entfer-     nierenden Eindrücke eines Fluges geradezu herausschrei-
         nung auf uns hinab, die Schwingen weit gespreizt und            en, ist aber kaum in der Lage, Worte für die Bilder in sei-
         immer in Bewegung beim Ausgleichen der Turbulenzen.             nem Kopf zu formulieren. So vergehen die post-digesti-
         Doch erachtet er uns wohl für harmlos, sein Horst dürfte        ven Stunden bei Tiramisou und Barolo in einer ziemlich
         nicht in der Nähe sein. Uwe hatte da schon ganz andere          euphorischen Stimmung und rasend schnell.
         Erfahrungen gemacht, als ihm ein solcher Vogel mit den

                                                                         I
                                                                               ch sitze in der Alpha Kilo, die Remorqueur tanzt vor
         entgegengestreckten Krallen verständlich machte, er
                                                                               mir einen wilden Reigen, ich komme mir stellenwei-
         möge sich schleunigst von diesem Ort begeben! Die rest-
                                                                               se vor wie ein Jojo am Schleppseil, das abwechselnd
         liche Höhe gleiten wir gemütlich entlang der Bergrücken
                                                                               durchhängt, um mich dann mit einem kräftigen Ruck
         ab, immer den eigenen Schatten im Augenwinkel. An der
                                                                         wieder zu sich herzuholen. Schön, daß es das Schlepp-
         Westseite der Marie begutachten wir die Überreste eines
                                                                         flugzeug immer zuerst erwischt, ich weiß dann wenig-
         Segelflugzeuges, ein unfreiwilliges Mahnmal, nie den
                                                                         stens, wann mich die nächste Turbulenz erfassen wird. Es
         Respekt vor den Bergen zu verlieren! Krönender
                                                                         ist Wellentag, mit gut 80 bis 100 Stundenkilometern pfeift
         Abschluß des Tages ist der tiefe Vorbeiflug an unserem
                                                                         die Luft über den Hauptgrat, verstärkt ihre Aufwärtsbewe-
         Hotel am Hang – Aosta, wir sind wieder ganz da!
                                                                         gung über der Kontur der Berge und fällt wieder herab,

        D
                   en Sonntag, den will ich eigentlich auslassen,        nur um am nächsten Bergrücken noch höher aufzustei-
                   Uwe auch, denn heute wollten uns die Berge            gen. Im weiten Umkreis um das Aostatal hängt eine trübe
                   wirklich nicht, nach ungefähr einer Stunde            Suppe über der Landschaft, nur die hohen Berge
                   Kampf in den Scharten der ›Marie‹ mußten wir          halten das schlechte Wetter fern, da
         einer nach dem anderen aufgeben. Auf dem Flugplatz              durch Hebungskondensation
         stehen sich etwa vierzig Piloten gegenseitig auf den            die Feuchtigkeit aus-
         Füßen, so daß wir kaum damit rechnen können, vor vier           fällt und sich
         Uhr nochmal in die Luft zu kommen. So besorgen wir              beim anschließen-
         uns Dosenbier zum Studentenfutter, plazieren unsere             den Fallen der
         Campingstühle unter der Fläche der Ka 6 und freuen uns          Luftmasse diese
         (wer kann’s verdenken) über jede frühzeitige Landung.           erwärmt und aus-
         Andreas sucht derweils mit Alfons im Sunrise das ein            trocknet.
         oder andere Schlößchen in der Po-Ebene und im Aostatal

         122
6 Chronik 92 bis Ende    31.01.2001     17:18 Uhr    Seite 123

                                                                   Der Gipfel Europas
      Am ›Monte Emilio‹, dem dreieinhalbtausend Meter hohen        4880 Meter über dem Meeresspiegel liegt der Gipfel des
      Berg südlich des Platzes klinke ich aus, gleite vorsichtig   Mont Blanc. Aus dieser Perspektive fällt es schwer, den
      in die Scharten des Hanges und suche die besten Steig-       Gedanken an eine Schlittenfahrt zu verdrängen…
      werte. Es hat in der vergangenen Nacht etwas geschneit
      und alles wirkt wie von Puderzucker überzogen. Mit gut       das rapide! Nix wie durch, immer mehr Wölkchen weisen
      zwei bis drei Metern pro Sekunde zieht mich die              den rechten Weg und plötzlich, während ich so mit gut
      Mischung aus Thermik und Hangwind nach oben. Fast            vier Meter Steigen vor mich hinkurbele, fällt mir die
      bedauere ich es, als ich den Berg übersteige, denn mit       Bewegung der Wolke auf, unter der ich gerade aufsteige.
      der Zeit kann man es richtig genießen, mit viel Luft unter   Im Luv dreht sich das ganze Gebilde nach oben weg, wie
      den Flächen und doch in unmittelbarar Bodennähe zu           sich das so gehört für eine anständige Rotorwolke, na
      fliegen, womöglich einen Bergwanderer oder einen             also, da muß ich hin. Etwas verblüfft bin ich nur von der
      Hasen zu erspähen.                                           nicht allzu außergewöhnlichen Turbulenz in diesem Bart.
                                                                   Also vielleicht eher Thermikwelle als Rotorwolke?

          E   instieg
              in die Welle
      Im Gedanken lasse ich die Luftströmung über die Umge-
                                                                   Was soll’s, es geht hinauf, gleichmäßig und jetzt sehr
                                                                   ruhig mit zwei bis drei Metern pro Sekunde. Wie am
                                                                   Hang steige ich die Vorderkante der Wolke entlang,
                                                                   erfreue mich am Schatten, den das Flugzeug wirft und
      bung streichen, um mir in etwa auszumalen, wo sich die       dem Regenbogenkreis der Plexiglashaube auf dem ›Watte-
      Möglichkeiten für den Einstieg in eine Welle bieten wür-     bausch‹. Dreieinhalb, bald über viertausend Meter, die
      den. Im Augenblick ist der Himmel nur von wenig Wol-         Landschaft versinkt unter mir. Bald komme ich mir vor
      ken geziert, es fehlen also auch die unverkennbaren          wie abends, wenn wir uns über die Reliefkarte beugen
      Rotorwolken und Lentis… Na, mal sehen, ich nehme             und die Berge mit dem Finger abgleiten… Längst ist die
      Kurs auf den Mont Blanc, erstmal an der Südseite des         Wolke unter mir verschwunden, leider wird aber auch
      Tales entlang, um noch Höhe zu tanken, bevor ich das         das Steigen immer geringer. Hören wir doch mal in den
      Tal queren kann. Immer öfter bilden sich kleine Cumuli       Funk, wie’s den anderen so geht: »Echo Fox, Alpha Kilo,
      aus den Scharten der Bergrücken heraus, die Basis liegt      wie ist das werte Befinden?«, »Alpha Kilo, wir sind im Val-
      jetzt bei 2800 Metern. Doch wo’s runter geht, da tut es      pellinetal auf dem Weg zum Matterhorn, Höhe viertau-

                                                                                                                             123
6 Chronik 92 bis Ende    31.01.2001    17:18 Uhr     Seite 124

         sendfünfhundert. Der Uwe ist
         auch in der Gegend«. Aha, das ist
         ja nicht gerade meine Richtung,
         sehe ich doch schon den Mont
         Blanc mir entgegenzwinkern. Da
         muß ich wohl selber basteln.

            O    n the top
                 of the world
         Unter mir schwebt ein lockerer
         Flickenteppich aus kleinen
         Cumuli, doch die Sicht ins Aosta-
         tal ist fast unbehindert, durch die
         trockene, klare Luft scheint alles
         zum Greifen nahe, man meint,
         überall g’schwind rüberfliegen zu
         können. Rechts an der Bordwand
         zeigte das Thermometer vorhin
         noch -25 Grad Celsius, bevor es
         seinen Dienst quittierte… Mir
         kommt ein Lied in den Sinn, »I’m
         on the top of the world, looking
         down on creation…«, die Melo-
         die begleitet mich die nächsten
         Stunden. Nach langer Gleit-
         strecke bin ich kurz vor Cour-
         mayeur angelangt, wo mich
         unvermittelt ein mächtiger Luft-
         strom packt, ich werfe den
         Kestrel in den Kreis, auch wenn
         er sich zunächst weigern will,
         und schieße mit sechzig Grad
         Querneigung in einer steilen
         Spirale nach oben. Immer wieder
         versucht der Bart in ruppigster
         Manier, mich loszuwerden, doch
         was will er schon gegen einen Kestrel erreichen? Dies-      gelbe Licht geht über in ein schwarzes Blau, nicht so tief,
         mal bildet sich die Wolke unter mir, dieser Bart ist ganz   wie man es im Reiseflugzeug sieht, doch von einer ande-
         frisch! Ab dreieinhalbtausend Metern wird es ruhig, die     ren Art, als man es je vom Boden aus wahrnimmt.
         Mont Blanc-Welle hat mich aufgenommen! Drei Meter
         zeigt das Vario immer noch, bei viertausend sind’s noch
         zwei und erst in Höhe des erhabensten Gipfel Europas
         flacht die Welle ab.
                                                                        G    rinsende
                                                                             letscherspalten
                                                                     Doch auf dem Weg zum Mont Blanc schmilzt meine

        K
                  napp fünftausend Meter, da muß ich doch mal        Höhe im Sekundentakt, das Lee des Berges drückt mich
                  versuchen, näher an diesen Berg heranzukom-        den Gletschern entgegen, deren Spalten mir höhnisch
                  men, von dessen schneebedeckter Kuppe eine         entgegengrinsen. Ich grinse zurück, ihr könnt mir heute
                  lange Fahne aus dünnen Eiskristallen nach          nichts, aber hübsch seht ihr aus! Als ich (nur) noch drei-
         Süden weht. Im Westen liegt Frankreich, von einer           einhalbtausend Meter habe, empfinde ich den Hohn doch
         geschlossenen Wolkendecke eingehüllt, auf der die           als unangenehm, grinse nicht mehr und mache kehrt, den
         Sonne weiche Schatten zaubert. Der Himmel darüber hat       Berg wieder himmelhoch im Rücken. Geschickterweise
         etwas Unwirkliches, das von den Wolken reflektierte,        steht die Welle von vorhin noch, wenn auch etwas ver-

         124
6 Chronik 92 bis Ende     31.01.2001     17:18 Uhr      Seite 125

                                                                     F
      setzt, und das in mir aufgekommene Gefühl der Kleinheit               lüge wie der eben beschriebene waren an fast
      vergeht ganz schnell wieder.                                          allen Tagen möglich, problemlos die Fliegerei, da
                                                                            die tiefen Täler immer einen Fluchtweg bieten.
      Uwe und Aldi mit Andreas sind am Matterhorn, tasten
                                                                            Und Uwe konnte mit Sauerstoff gar eine Höhe
      sich dann in Richtung Monte Rosa vor, später verfehlen
                                                                     von 6.300 Metern erklimmen, bevor die Kälte und die
      wir uns leider im Gran Paradiso-Gebiet und des Abends
                                                                     vorangeschrittene Zeit ihn zum Abstieg zwangen!
      gleite ich noch eine halbe Stunde an den Schneewächten
      des Großen St. Bernhards entlang. Selbst die Landung,          Nur die Streckenflugmöglichkeiten sind eher schwierig
      ansonsten eher frustrierender Teil eines Fluges, macht mit     einzuschätzen, da Aosta im Norden vom Hauptkamm, im
      dem Anflug auf knapp zwei Kilometer Asphaltbahn rich-          Süden und Westen von ebenfalls recht hohen Bergen
      tig Spaß. »Alpha Kilo in posizione, Alpha Kilo in finale…«     umsäumt ist und ein abendlicher Rückflug oftmals an der
      und dann ja nicht wie sonst gleich aufsetzen, sondern          Querung dieser Hindernisse scheitern müßte. Die Lust-
      gemütlich über den Beton schweben, bis das Rädle rollt         fliegerei allerdings kann kaum ein schöneres Terrain fin-
      und den richtigen Moment zum Abbiegen in Richtung der          den, die Grandiosität dieser Landschaft überwältigt uns
      Hänger wählen, einfach schön!                                  immer wieder.
                                                                                                                      Jochen

                                   Flügelräder
                                   und Schleppstangen
         Diese Transportgräte werden in unserem Verein seit          fünf Jahren werden Einbausätze für Spornräder als
         1982 produziert. Die Entwicklung bis zum heutigen           Nachrüstsatz für Flugzeuge der Fa. Schempp-Hirth
         Stand beruht auf einer Idee von Klaus Keim und              gefertigt. Auch für diese Teile besteht eine laufende
         Heinz Emmerich, unserem ehemaligen Vorstand. Sie            Nachfrage. Mit der Herstellung dieser Artikel können
         sollen den Transport von                                                             unsere Mitglieder ihre Pflicht-
         Segelflugzeugen auf dem                                                              Baustunden abarbeiten und je
         Fluggelände erleichtern und                                                          nach Einsatz verbilligte Start-
         von Hilfskräften, besonders                                                          und Fluggebühren erreichen.
         unter der Woche, unabhängig
                                                                                             Der Verkauf dieser Geräte
         machen.
                                                                                             kommt der Vereinskasse zu
         Das Material für die ersten                                                         Gute.
         Geräte wurde von der Firma
                                                                                             Mit einem gewissen Stolz kön-
         Solo kostenlos zur Verfügung
                                                                                             nen wir sagen, daß unsere
         gestellt. Auch heute noch wer-
                                                                                             Transportgeräte auf Segelflug-
         den Serienteile aus der
                                                                                             plätzen in aller Welt verwen-
         Mopedherstellung verwendet.
                                                                                             det werden. Unser Markenzei-
         Ein großer Teil der Mitglieder                                                      chen ist: Flieger fertigen für
         hat im Lauf der Jahre an der                                                        Flieger! Für Reklame mußten
         Produktion mitgewirkt. Vor                                                          wir noch keine Mark ausge-
         allem unser Nachwuchs hat                                                           ben.
         bei der Herstellung von Form-
         teilen für Flügelprofile und                                                        Hans Leipner
         Spornschalen Erfahrungen mit neuen Werkstoffen
         sammeln können. Die Erkenntnis, daß sich nur Qua-
         lität verkaufen läßt, zwingt zu sorgfältiger Arbeit. Seit

                                                                                                                                125
Sie können auch lesen