Parkinson SCHWERPUNKTTHEMA - Sonderausgabe - Neurologische Klinik Sorpesee
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Auf die inneren Werte kommt es an. Deshalb sehen wir ganz genau hin. mvz-uhlenbrock.de Medizinisches Versorgungszentrum MVZ für Radiologie, Prof. Dr. Uhlenbrock Strahlentherapie und und Partner Nuklearmedizin
Parkinson im Mittelpunkt Liebe Leserinnen und Leser, die Parkinson’sche Erkrankung ist eine der häufigsten Erkrankungen des zentralen Nervensystems. In Deutsch land leben rund 300.000 Betroffene, jedes Jahr kommen bis zu 20.000 Neuerkrankungen hinzu. Die Häufigkeit von Parkinson steigt mit dem Alter: Die meisten Betroffenen erkranken zwischen dem 50. und 80. Lebensjahr. Bis zur klaren Diagnose ist es oft ein längerer Weg, denn die Erkrankung zu erkennen, ist nicht immer einfach. Je früher die Erkrankung bekannt ist, desto effektiver kann natürlich eine entsprechende Therapie eingeleitet werden. Dadurch lässt sich der Ver lauf der Erkrankung positiv beeinflussen und die Lebensqualität der Betroffenen lange auf hohem Niveau halten. Mit dieser Sonderausgabe unseres Klinikmagazins, die sich ausschließlich um die Par kinsonerkrankung dreht, möchten wir Sie ausführlich informieren über zentrale Fakten zur Diagnostik und Therapie und die unterschiedlichen Wege, die Ihnen als Betroffene oder Angehörige zur Verfügung stehen, um mit der Erkrankung umzugehen. Prof. Dr. Candan Depboylu, Chefarzt unserer Neurologischen Klinik Sorpesee, spricht im Interview ab Seite 8 über die Diagnostik von Parkinson, typische Symptome und den Verlauf der Erkrankung sowie aktuelle Therapieansätze. Bei der Therapie verfolgen wir hier am Sorpesee ganzheitliche Ansätze, etwa durch die Multimodale Komplexbehand lung. Neben einer Behandlung mit Medikamenten, die immer Bestandteil der Parkin sontherapie ist, legen wir einen großen Fokus auf interdisziplinäre Therapiekonzepte. Diese setzen sich aus Physio- und Ergotherapie sowie Bewegungstherapie, Logopädie und Ernährungsberatung zusammen. Für jeden Patienten stellen wir einen ganz indivi duell abgestimmten Therapieplan zusammen, der exakt auf das jeweilige Krankheitssta dium und die persönlichen Fähigkeiten und Einschränkungen zugeschnitten ist. Ich wünsche Ihnen eine informative Lektüre, und wenn Sie individuelle Fragen haben, wenden Sie sich gerne jederzeit an uns. Ihr Steffen Uhlenbrock Geschäftsführer der Neurologischen Klinik Sorpesee Sonderausgabe 3
6 Morbus Parkinson: Krankheitsverlauf und Stadieneinteilung 8 Chefarzt Prof. Dr. Candan Depboylu im Interview 12 Parkinson den Tanz angesagt 14 20 Zeit, Fachwissen und eine Mit Schwung zurück in gute Vernetzung den Alltag 15 24 Multimodale Parkinson- Parkinson – Geschichte Komplexbehandlung einer Krankheit 16 26 Und plötzlich hast du So lange wie möglich ein Parkinson! »normales« Leben leben 18 30 Ein Tag in der Neurolo Beratung und Hilfestellung gischen Klinik Sorpesee durch den Sozialdienst 32 Therapeutisches Zusatzangebot 34 Glossar Sonderausgabe 5
Morbus Parkinson: Krankheitsverlauf Die Parkinson’sche Krankheit (Morbus Par kinson) ist in den Leitlinien der Deutschen Gesellschaft eindeutig beschrieben. Neben dem »IPS« (idiopathischen Parkinson-Syn drom) wird zwischen der Gruppe der symp tomatischen und den sogenannten atypischen Parkinson-Syndromen unterschieden. Die mo torischen Symptome des IPS wie Bewegungs verlangsamung, Muskelsteifheit oder Zit tern sind allgemein bekannt, aber es gibt auch nicht-motorische Anzeichen wie etwa Riech störungen, Schlafstörungen und sogar Proble Gehirn eines an Morbus me beim Stuhlgang. Parkinson Erkrankten. Modifiziert nach H. Braak und K. del Tredici, Ulm Aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse beschreiben Parkinson-Krankheit einbezogen sind. Diese Zellen der soge ein Fortschreiten der Erkrankung, die im unteren Teil des nannten Raphe- und Coeruleuskerne sind zuständig für unse Hirnstammes beginnt und sich »gesetzmäßig« im Laufe vie re Emotionen und Gefühle. Eine Störung dieser Zellen führt zu ler Jahre schleichend auf nahezu das gesamte Gehirn aus einer Depression, die ebenfalls dem Ausbruch der motorischen breitet. Einzig die in der Abbildung WEISS markierten Hirn Parkinson-Symptome vorausgeht. areale sind nicht vom Krankheitsprozess befallen. GELB ROT Erst wenn nach einigen Jahren die Parkinson-Erkrankung im Nervenzellen im unteren Teil des Hirnstammes sind als Ers oberen Hirnstammbereich angelangt ist, kommt es zum Ein te von der Parkinson-Erkrankung betroffen. Diese Zellen sen setzen der motorischen Störungen: der Akinesie (abnorme Be den ihre Fortsätze durch die Brusthöhle in den Darm. Sie enden wegungsverlangsamung), dem Ruhetremor (feines Zittern bei an der Darmmuskulatur und verursachen Verstopfung beim Ruhelagerung der Hand, zu Beginn stets einseitig) und dem Ri Stuhlgang (Obstipation), eines der häufigsten Symptome der gor (Erhöhung der Muskelspannung). Wir wissen jedoch heute, Parkinson-Krankheit. Andere Nervenzellen, ebenfalls im un dass die Parkinson-Erkrankung nicht nur eine Erkrankung mit teren Abschnitt des Hirnstammes (rot markiert), sind mit den motorischen Störungen (Einschränkung der Bewegungsfähig Riech-Nervenzellen im Gehirn verbunden und führen zu einer keit) ist. Verstopfung, Riechstörungen, ausgeprägte Schlafver Riechstörung beim Parkinson, eines der häufigen nicht-motori änderungen und eine Depression werden als nicht-motorische schen Symptome der Erkrankung. Parkinson-Symptome bezeichnet, die den Bewegungsstörun gen um etwa drei bis sechs Jahre vorausgehen können. ORANGE Nach ca. 3–5 Jahren (allerdings kann der Zeitraum individu ell sehr verschieden sein) »steigt« die Erkrankung aus dem rot markierten in den orange gefärbten Bereich. Hier liegen Ner venzellen, die u. a. für die Schlafarchitektur verantwortlich sind. Weitere Infos: Die Störung, die durch die betroffenen Nervenzellen verursacht ie Leitlinie »idiopathisches Parkinson-Syndrom« ist D wird, ist eine spezifische Schlafstörung, die sich durch sehr 2016 überarbeitet worden und kann im Internet herun lebhafte Träume bemerkbar macht. Hierbei können die Betrof tergeladen werden: www.awmf.org/uploads/ fenen (zum Teil sehr) wild gestikulieren – 72 % fallen dabei so tx_szleitlinien/030-010k_S3_Parkinson_ gar aus dem Bett und verletzen sich. In der Nähe dieser Zellen Syndrome_Idiopathisch_2016-06.pdf liegen Nervenzellen, die ebenfalls in den Krankheitsprozess der 6mittelpunkt
und Stadieneinteilung FÜNF STADIEN DER ERKRANKUNG Stadium 0: keine Anzeichen der Erkrankung Im Jahr 1967 benannten Hoehn und Yahr – noch vor Stadium 1: einseitige Erkrankung der Einführung der L-Dopa-Therapie – 5 Stadien Stadium 1.5: einseitige Erkrankung und der Erkrankung. Neuerdings wird häufig die Unified axiale Beteiligung Parkinson’s Disease Rating Scale verwendet. Selbst Stadium 2: beidseitige Erkrankung ohne die neuesten Therapien können das Fortschreiten Gleichgewichtsstörung der Krankheit nicht verhindern, aber sie mindern Stadium 2.5: leichte beidseitige Erkrankung weitere Komplikationen deutlich und sorgen für mit Ausgleich beim Zugtest längere Selbstständigkeit. Ein Stadium dauert etwa Stadium 3: leichte bis mäßige beidseitige Er zwei bis fünf Jahre an. krankung: leichte Haltungsinstabilität, körperlich unabhängig Stadium 4: starke Behinderung, kann noch ohne Hilfe gehen oder stehen Stadium 5: ohne Hilfe an den Rollstuhl gefesselt oder bettlägerig DOPAMINMANGEL Dopaminmangel führt zur Bewegungsverlangsa Dendriten mung und Bewegungsmangel (Bradykinese und Akinese). Aber auch andere Botenstoffe geraten aus Neuron dem Gleichgewicht. Es entsteht z. B. ein Überschuss an Acetylcholin, welcher vermutlich das Zittern (Tremor) und die Muskelsteifheit (Rigor) auslöst. Lewy-Körpcherchen Axon Dopamin Sonderausgabe 7
Chefarzt Prof. Dr. Candan Depboylu im Interview Moderne Parkinson therapie am Sorpesee Prof. Dr. Candan Depboylu ist Facharzt für Neurologie und seit September 2018 Chefarzt der Neurologischen Klinik Sorpesee. Zuvor war er als Viele Formen von Parkinson – die Erkran- Oberarzt praktisch und forschend am kung kann in vielen Varianten auftreten – lassen Universitätsklinikum Gießen/Mar sich in der klinisch-neurologischen Untersuchung mit relativ hoher Wahrscheinlichkeit feststellen. burg tätig und hat sich unter anderem Das lernt man natürlich nicht im Medizinstudi- sehr intensiv mit neurodegenerativen um; dazu braucht es ein geschultes Auge, und das Erkrankungen wie Morbus Parkinson kommt mit der Zeit durch die Erfahrung und den beschäftigt. Umgang mit dieser Erkrankung. Deshalb sollte bei Verdacht auf Parkinson der Weg immer möglichst schnell zu einem erfahrenen Neurologen führen. HERR PROF. DEPBOYLU, ALS AUSGEWIESENER EXPERTE AUF DEM GEBIET DER NEURODEGENE VIELE HABEN NATÜRLICH ANGST VOR EINER RATIVEN ERKRANKUNGEN SIND SIE NEUERDINGS SOLCHEN DIAGNOSE. UND DASS MAN BEI EINEM CHEFARZT EINER NEUROLOGISCHEN KLINIK, DIE NEUROLOGEN IN BEHANDLUNG IST, IST IN DER SICH UNTER ANDEREM AUF DIE BEHANDLUNG REGEL NICHTS, WOMIT MAN GERN HAUSIEREN VON PARKINSONERKRANKUNGEN SPEZIALISIERT GEHT. SCHEUEN VIELE BETROFFENE DESHALB ZU HAT. AM ANFANG EINER ERFOLGREICHEN BE LANGE DEN BESUCH EINES SOLCHEN SPEZIALIS HANDLUNG STEHT IMMER EINE KLARE DIAGNOSE. TEN? Möglich, aber hier ließe sich durch eine gute WORAUF KOMMT ES AN BEI DER PARKINSONDIA Kommunikation der überweisenden Hausärzte GNOSTIK? Grundsätzlich ist erst einmal wichtig, auch viel tun. Es ist natürlich nicht unbedingt dass wir Ärzte bei Symptomen wie einem verlang- klug, dem Patienten bereits ohne gesicherte Diag- samten Gang, Steifheit der Muskeln oder Zittern nose zu sagen, »Sie haben wahrscheinlich Parkin- aufmerksam werden und zumindest an Parkin- son, gehen Sie mal schleunigst zum Neurologen«. son als mögliche Erklärung für diese Symptome Dadurch werden unnötig Ängste geschürt und die denken. Menschen verunsichert, denn Parkinson ist eine Es gibt Statistiken, die zeigen, dass es leider schwere Erkrankung und die Diagnose für viele oft jahrelang dauert, bis eine Parkinsonerkran- Betroffene zunächst ein Schock. Den muss man kung erkannt wird. Das liegt weniger daran, dass als Arzt nicht voreilig und unnötig verursachen. es so wahnsinnig kompliziert wäre, Parkinson zu An einer schlichten Überweisung zu einem neuro- diagnostizieren. Das Problem ist ganz oft, dass logischen Facharzt, um die vorhandenen Sympto- Betroffene und leider auch Ärzte die Symptome – me weiter abklären zu lassen, ist zunächst nichts die meist sehr langsam und schleichend einset- weiter dramatisch; oft können die Ursachen auch zen – zu spät ernst nehmen und als mögliche ganz woanders liegen und vergleichsweise harm- Anzeichen einer Parkinsonerkrankung deuten. los sein. 8mittelpunkt
Der Ärztliche Direktor der Neurologischen Klinik Sorpe see, P rof. Dr. Depboylu, ist Neurologe und Spezialist für Parkinson-Syndrome und an dere Bewegungsstörungen. WAS KÖNNEN ZUM BEISPIEL DIE URSACHEN FÜR was für Medikamente der Patient möglicherweise SOLCHE PARKINSONÄHNLICHEN SYMPTOME regelmäßig einnimmt, denn bestimmte Präparate SEIN? Wenn beispielsweise ein Patient starke können Symptome verursachen, die den Anzei- Schmerzen im Rücken hat, dann kann auch das chen einer Parkinsonerkrankung stark ähneln. zu verlangsamten Bewegungen und einem steifen Gang führen. Ein Bandscheibenvorfall, ande- WAS FÜR MEDIKAMENTE KÖNNEN DAS SEIN? re neurologische Krankheitsbilder oder einfach Zum Beispiel bestimmte Antiepileptika und be- Probleme in der Muskulatur können Gründe für stimmte Blutdruckmedikamente können par- solche verlangsamten und steifen Bewegungen kinsonähnliche Symptome verursachen. Darü- sein, die an die typischen Parkinsonsymptome ber hinaus gibt es Medikamente der typischen erinnern. Neuroleptika-Gruppe, die oft zu einem sogenann- ten Parkinsonoid führen. Man spricht dann von WENN EIN PATIENT MIT ENTSPRECHENDER SYMP symptomatischem Parkinson. TOMATIK NUN ZUM NEUROLOGEN GEHT, WIE VER LÄUFT DANN DIE NEUROLOGISCHE ANAMNESE SIE SAGTEN VORHIN, DER GESCHULTE NEUROLO BIS HIN ZUR DIAGNOSE? Das hängt im Einzelfall GE KÖNNE PARKINSON EIGENTLICH PER BLICK von den vorhandenen Symptomen ab. Grund- DIAGNOSE FESTSTELLEN. WORAN ERKENNT sätzlich hilft meist schon der Blick eines erfahre- MAN DIE ERKRANKUNG DENN SOZUSAGEN VON nen Neurologen, der den Patienten aus einem an- AUSSEN? Es gibt drei typische motorische Anzei- deren Blickwinkel und einem anderen fachlichen chen, die auf ein Parkinsonsyndrom hinweisen. Hintergrund heraus betrachtet und untersucht, Das sind (1) Verlangsamung von Bewegungsab- als das beispielsweise der Hausarzt leisten kann. läufen (fachsprachlich: Akinese), (2) eine steife, Im Rahmen einer Erstuntersuchung befragt der krankhaft angespannte Muskulatur (Rigor) und Neurologe den Patienten zu seinen Symptomen (3) ein Zittern (Tremor). Jedes dieser Sympto- und seiner gesundheitlichen Vorgeschichte me kann unterschiedlich stark ausgeprägt sein und führt eine körperliche Grunduntersuchung – manche Patienten spüren anfangs vor allem durch. Alles Weitere hängt dann von den Er- die Steifheit und zittern kaum, bei anderen ist es kenntnissen aus dieser Bestandsaufnahme ab. umgekehrt. Aber erst wenn diese motorischen Stellt der Arzt beispielsweise Lähmungserschei- Symptome vorliegen, beginnt man eine Therapie nungen fest, die zumindest auf eine Störung im mit Dopamin-Medikamenten. Es gibt allerdings Gehirn oder Nervensystem hindeuten, kann ein auch nicht-motorische Parkinsonsymptome. bildgebendes Verfahren genutzt werden, um eine Aufnahme vom Gehirn zu erstellen und dadurch Klarheit zu gewinnen. Außerdem wird geprüft, Sonderausgabe 9
schläft, hat Parkinson. Aber umgekehrt gilt eben: Viele Patienten, bei denen bereits – aufgrund der motorischen Symptome – Morbus Parkinson festgestellt wurde, zeigen auch diese genannten Begleiterscheinungen. PARKINSON ZÄHLT LEIDER BIS HEUTE ZU DEN NICHT HEILBAREN ERKRANKUNGEN. WIE SIEHT ALSO DIE THERAPIE AUS? WAS IST DAS ZIEL DER BEHANDLUNG? Heilbar ist Parkinson nicht, aber die Symptome der Erkrankung lassen sich therapieren, und darin besteht das Hauptziel der Behandlung: die Symptome der Erkrankung zu lindern und dadurch die Lebensqualität der Betroffenen möglichst lange auf hohem Niveau zu halten. UND WIE GELINGT DAS? WORIN BESTEHT DIE PARKINSONTHERAPIE? Das kommt ein wenig auf die Form der Erkrankung und auch auf das Sta- dium an. Es gibt nicht die Parkinsonerkrankung, sondern die Krankheit kann unterschiedlich ausgeprägt sein. Dementsprechend gibt es auch nicht das Patentrezept zur Therapie. Grundsätz- lich beinhaltet die Therapie aber immer zunächst eine Behandlung mit Medikamenten. Durch die Parkinsonerkrankung entsteht in bestimmten Re- gionen im Gehirn ein Mangel an dem Botenstoff Dopamin. Dieser Mangel muss durch ein Medika- ment ausgeglichen werden, um die Symptome zu lindern. Was für ein Medikament infrage kommt, hängt dann aber vom Typus der Krankheit ab. Darüber hinaus gibt es drei weitere wichtige WELCHE SIND DAS? Insbesondere sind das Stö- Bestandteile der Parkinsonbehandlung: gezielte rungen des Geruchssinns. Bei ganz vielen typi- Krankengymnastik (Physiotherapie), logopädi- schen Parkinsonpatienten liegt bereits vor den sches Sprech- und Schlucktraining und Ergothe- motorischen Symptomen ein vermindertes Ge- rapie. Diese therapeutischen Maßnahmen helfen ruchsvermögen (Hyposmie) vor. Außerdem kla- dabei, die Beweglichkeit in Form zu halten oder, gen sehr viele Betroffene über Verstopfung; das wenn es bereits Einschränkungen gibt, bestenfalls hängt damit zusammen, dass das Symptom der wiederherzustellen. Die Kombination dieser vier Verlangsamung sich auch auf die Verdauungspro- Elemente – medikamentöse Therapie, Physiothe- zesse auswirkt. Und das spezifischste nicht-moto- rapie, Logopädie und Ergotherapie – nennen wir rische Symptom ist unruhiger Schlaf mit inten- Multimodale Komplexbehandlung. sivem Ausleben von lebhaften Trauminhalten. Personen mit dieser sogenannten REM-Schlaf- WIE LANG GEHT SO EINE KOMPLEXBEHAND verhaltensstörung haben ein etwa 85-prozentiges LUNG? KANN SIE NUR STATIONÄR ERFOLGEN? Die Risiko, innerhalb von ca. 14 Jahren an Parkinson Komplexbehandlung bei Parkinson erfolgt immer zu erkranken. stationär hier bei uns im Haus. Die Dauer wird bei jedem Patienten abhängig von der persönli- DIESE NICHT-MOTORISCHEN SYMPTOME DEUTEN chen Situation, den Beschwerden, dem genauen ALSO EINDEUTIG AUF PARKINSON HIN? Nein, Krankheitsbild individuell festgelegt, liegt in aller so herum funktioniert es nicht. Nicht jeder, der Regel aber zwischen zwei und drei Wochen. Dabei schlecht riecht, Verstopfung hat und unruhig beträgt die wöchentliche Therapiezeit mindestens 10mittelpunkt
7,5 Stunden. Zu Beginn des Aufenthalts wird ein und damit eine Parkinsonerkrankung vorliegt. individueller, passgenauer Therapieplan erarbei- Ansonsten – das ist die zweite Möglichkeit – lässt tet, der sich nach den Bedürfnissen des einzelnen sich der Dopaminspiegel auch mit speziellen nuk- Patienten richtet. learmedizinischen Verfahren wie zum Beispiel dem sogenannten DaTSCAN (Szintigrafie des Ge- UND WAS MUSS ICH ALS PATIENT TUN, UM DIE hirns) feststellen. Zeigt sich hier klar ein Mangel, KOMPLEXBEHANDLUNG ZU BEKOMMEN? Voraus- dann haben wir die sichere Diagnose, dass eine gesetzt, Sie sind an Parkinson erkrankt, können degenerative Parkinsonerkrankung vorliegt. Sie sich ganz einfach durch Ihren behandelnden Hausarzt oder Neurologen einweisen lassen. Be- sondere Anträge oder Absprachen mit der Kran- kenkasse sind nicht notwendig. »Körperliche sowie geistige GIBT ES VORSORGEEMPFEHLUNGEN? KANN MAN Aktivität, gesunde Ernährung, PARKINSON IRGENDWIE VORBEUGEN? Generell ist es so, dass wir Menschen immer älter werden. Das und ein gutes soziales Umfeld ist eigentlich ja erfreulich, allerdings entstehen erhöhen die Wahrscheinlich eben mit zunehmendem Alter auch vermehrt de- generative Erkrankungen wie Parkinson (ebenso keit gesund zu bleiben.« Demenz- und Krebserkrankungen, Schlaganfäl- le oder Herzinfarkte). Eine Garantie nach dem Motto »Befolgen Sie dies, dann bekommen Sie niemals Parkinson« gibt es natürlich nicht. Meine Empfehlungen, um das Risiko einer Erkrankung ABER EINE NUKLEARMEDIZINISCHE ABTEILUNG aber zu minimieren und möglichst gesund alt zu GIBT ES HIER IM HAUS NICHT, ODER? Nein, hier werden, lauten: ausreichend körperliche Akti- direkt vor Ort nicht. Trotzdem ist das sehr un- vität, eine gesunde, ausgewogene Ernährung, kompliziert möglich: Wir arbeiten für die bild- geistige Aktivität und ein gutes, gesundes soziales gebenden Verfahren aus Radiologie und Nuk- Umfeld. learmedizin sehr eng mit dem Medizinischen Versorgungszentrum Prof. Dr. Uhlenbrock und IST PARKINSON VERERBBAR? Nur ein kleiner Partner zusammen. Das MVZ von Prof. Uhlen- Teil der Parkinson-Krankheit ist vererbbar. Der brock hat Praxen unter anderem in Dortmund überwiegende Teil ist idiopathischer Natur, also und Hagen. Die sind von hier aus gut erreichbar. ohne erkennbaren Auslöser. Hier wird eine ge- Für Patienten, die nicht selber fahren können genseitige Beeinflussung von Umwelteinflüssen oder möchten, bieten wir einen Fahrdienst an, um und genetischer Veranlagung beim Ausbruch der sie zur Untersuchung nach Dortmund und wieder Krankheit diskutiert. zurück nach Sundern zu bringen. AUSGANGSLAGE FÜR PARKINSON IST JA, WIE SIE VORHIN SAGTEN, EIN DOPAMINMANGEL IM GEHIRN. WIE WIRD DER DENN GEMESSEN? OB EIN NEUROTRANSMITTER IN AUSREICHENDER MENGE PRODUZIERT WIRD, LÄSST SICH WAHR SCHEINLICH JA NICHT EINFACH PER BLUTUNTER SUCHUNG FESTSTELLEN? Richtig, per Blutun- tersuchung funktioniert das nicht. Es gibt zwei Möglichkeiten: Zum einen können wir ganz ein- fach testweise ein Dopaminmedikament geben, entweder zunächst einmalig oder gleich über eini- ge Tage. Dann sehen wir, ob der Patient darauf an- springt, sprich: ob die Symptome besser werden. Ist das der Fall, können wir mit großer Sicher- heit davon ausgehen, dass ein Dopaminmangel Sonderausgabe 11
12mittelpunkt
Tanzen als Therapieelement bei Morbus Parkinson Parkinson den Tanz angesagt eit über zwanzig Jahren widmet sich so beweglich und selbstbewusst, dass er allein zu S Tanzlehrer Ralph Marohn aus Arnsberg seinem Rollator gehen konnte. Bei ihm hatte sich dem barrierefreien Tanzen. »Tanzen – das Training der Koordination, des Rhythmus Leben – Lachen« – so lautet sein Motto, und der Gehirntätigkeit nach kurzer Zeit bereits und das vermittelt er auch denjenigen ausgezahlt. Menschen, die körperlich eingeschränkt sind. »Es ist schön zu sehen, wie glücklich die Im Vordergrund steht die Bewegung zur Musik. Teilnehmer aus der Stunde gehen«, freut sich der Rhythmus und Koordination fallen gerade Par- Tanzlehrer. »Es wird viel gelacht, und sie sind mit kinsonerkrankten meist schwer, weil ihnen durch viel Freude und Elan dabei. Tanzen befreit, und die Erkrankung die Kontrolle über ihre Gliedma- Musik ist Balsam für die Seele.« Leider ist der Zeit- ßen entgleitet. Ziel des Tanztrainings ist es, sich raum, in dem der einzelne Patient das Angebot bewusst und konzentriert zu bewegen. Die Musik nutzen kann, meist recht kurz: Ein Klinikaufent- entspannt und beschwingt. So wird Bewegung halt dauert in der Regel nur wenige Wochen. Das nicht als lästige Übung empfunden, sondern ist zwar ein guter Anfang, aber es wäre eigentlich macht einfach nur Spaß. wichtig, die Tanztherapie anschließend auch am Seit Januar 2019 gibt Ralph Marohn auch Wohnort weiterzuführen. Kontinuität ist notwen- Tanzstunden in der Neurologischen Klinik Sorpe- dig, um dauerhaft beweglich zu bleiben. Marohn see. Zweimal pro Woche tanzt er für ca. eine Stun- empfiehlt daher, nach dem Klinikaufenthalt ein- de mit den Parkinsonpatienten. Noch mehr als im mal am Wohnort Ausschau nach Tanzkursen zu Tanzunterricht für Gesunde sind hier Empathie halten. Möglicherweise gibt es ja vor Ort Angebote und Flexibilität gefragt. »Man muss sich auf jeden zur Tanztherapie, ob nun speziell für Parkinson Patienten ganz individuell einstellen«, sagt Ralph erkrankte oder für Menschen mit anderen Ein- Marohn. »Gerade die Parkinsonerkrankung kann schränkungen. so viele Gesichter haben. Je nach Stadium unter- Untersuchungen zeigen, dass durch das scheiden sich die Patienten stark in ihren motori- Tanzen das Gleichgewicht und die motorischen schen Fähigkeiten und Einschränkungen.« Fähigkeiten geschult und verbessert werden. Ne- Das neue Tanzangebot in der Klinik wurde ben den positiven Auswirkungen auf die Beweg- von Anfang an gut angenommen. Es überraschte lichkeit kann gemeinsames Tanzen mit dem Le- Marohn dann aber doch ein wenig, wie positiv benspartner auch die Partnerschaft stärken. Das sich Tanz und Musik auf die Erkrankung auswir- gemeinsame Erleben und die Nähe zum Partner ken können. Zur ersten Tanzstunde in der Klinik schaffen ein positives Miteinander. kam unter anderem ein Herr mit Rollator. Er wusste anfangs nicht so recht, wie er anfangen sollte. Nach einer Weile stellte er schließlich den Rollator beiseite, um sich ohne Hilfsmittel zur Kontakt Musik zu bewegen. Als die Tanzstunde beendet war, blieb er abrupt stehen und konnte sich nicht tanzfabrik Tanzschule Marohn GbR mehr fortbewegen. Also brachte Herr Marohn ihm Neumarkt 2a, 59821 Arnsberg seinen Rollator, damit er die Tanzfläche selbst- Telefon: 02931 21188 ständig verlassen konnte. Auch bei der nächsten arnsberg@tanzfabrik.net Stunde wirkte der Teilnehmer anfänglich etwas www.tanzfabrik.net unsicher, aber am Ende der Stunde war er schon Sonderausgabe 13
Parkinsonassistentinnen in der Neurologischen Klinik Sorpesee Zeit, Fachwissen und eine gute Vernetzung Parkinsonassistentin bzw. zum Parkinsonas- sistenten wird das theoretische und praktische Wissen rund um die facettenreiche Erkrankung umfassend erweitert. So sind die Parkinsonassis- tentinnen durch ihre Weiterbildung besonders sensibilisiert für den Umgang mit Parkinsonpati- enten. Sie können schwierige Situationen sofort richtig einschätzen und wissen, wann ein Patient welche Hilfestellung benötigt. Wer mit Parkinsonerkrankten arbeitet, benö- tigt neben dem notwendigen Fachwissen vor al- lem Geduld und viel Zeit. »Durch die Erkrankung geht alles etwas langsamer, und das ist auch in Ordnung«, erklärt Krankenschwester Jutta Voigt. er pflegerische Umgang mit Menschen, die an »Den Patienten mit Ruhe und Zeit zu begegnen, D Parkinson erkrankt sind, stellt besondere Her- ist enorm wichtig für den Verlauf der Therapie.« Die Parkin- ausforderungen an das Pflegepersonal. In der sonassistentinnen nehmen sich deshalb viel Zeit für die Pa- Neurologischen Klinik Sorpesee arbeiten deshalb tienten, um beispielsweise auf eine pünktliche Medikamen- speziell ausgebildete Parkinsonassistentinnen tengabe zu achten. Das hört sich für Laien möglicherweise (pass). Die pass sind nicht nur eine wertvolle Unterstüt- banal an, ist aber entscheidend für eine erfolgreiche Behand- zung für die Patienten, sondern auch für die behandelnden lung. Denn gerade bei Parkinson ist es äußert wichtig, die Neurologen. Parkinsonassistentinnen erklären den Betroffe- Medikamente immer zur gleichen Tageszeit einzunehmen. nen alles Wichtige rund um ihre Erkrankung und sinnvolle Schon Schwankungen von +/- 15 Minuten können sich nega- Therapieschritte, sie zeigen, wie man bestimmte therapeuti- tiv auf die Behandlung auswirken. sche Maßnahmen auch zu Hause vornimmt, und schulen die pflegenden Angehörigen. Interdisziplinärer Austausch für Jutta Voigt ist stellvertretende Pflegedienstleitung und seit fünf Jahren in der Neurologischen Klinik Sorpesee. Ihre maximale Therapiequalität Kollegin Jessica Middel, ausgebildete Gesundheits- und »Wir legen hier in der Klinik aber nicht nur viel Wert auf Krankenpflegerin, ist seit zwei Jahren im Team. Die beiden immer aktuelles Fachwissen, sondern fördern auch den und vier weitere Kolleginnen haben die Zusatzausbildung in interdisziplinären Austausch«, erklärt Jessica Middel. »Jede der Parkinsonassistenz absolviert. Diese besondere Qualifi- Woche findet eine Teamsitzung mit den verschiedenen kation ist in neurologischen Kliniken bislang nicht selbst- Disziplinen statt. Dort lernen dann zum Beispiel die Physio- verständlich, gleichwohl ein großer Gewinn für die Parkin therapeuten, dass man L-Dopa nicht mit Joghurt einnimmt, sontherapie. und entwickeln ein Verständnis dafür, dass wir Pflegenden auch während der Gruppengymnastik darauf bestehen, dass die Patienten pünktlich ihre Medikamente einnehmen.« PASS: Zusatzqualifikation für eine Umgekehrt bekommen auch die Pflegekräfte von den optimale Betreuung Therapieteams wichtige Impulse für ihre Arbeit. »Wenn die Denn Parkinson ist nicht gleich Parkinson. Die Erkrankung Physiotherapeuten beispielsweise eine Fortbildung in der verläuft bei jedem Betroffenen etwas anders, Symptome Bobath-Therapie bekommen, geben sie das neue Wissen und Geschwindigkeit des Fortschreitens können variieren. auch in die Teams der anderen Disziplinen weiter«, erzählt Vor allem die sogenannten atypischen Parkinsonsyndrome Jutta Voigt. »Das ist für alle ein Gewinn – letztlich natürlich werden in der Berufsausbildung in der Gesundheits- und besonders auch für die Patienten, die von der engen fachli- Krankenpflege kaum gelehrt. Durch die Weiterbildung zur chen Vernetzung hier im Klinikteam profitieren.« 14mittelpunkt
Multimodale Parkinson- Komplexbehandlung ie Parkinson’sche Krankheit (oder fachsprachlich: D Morbus Parkinson) gehört bis heute zu den nicht heilbaren Erkrankungen. Früh genug erkannt, lässt sich Morbus Parkinson jedoch mit modernen Therapien gut behandeln, sodass das Fortschreiten der Erkrankung gebremst und die Lebensqualität der Betrof- fenen lange erhalten werden kann. In der Neurologischen Klinik Sorpesee wird dazu seit einiger Zeit erfolgreich die Multimodale Komplexbehandlung eingesetzt. Multimodale Therapie: mehr als nur Medikamente Die Multimodale Komplexbehandlung verbindet eine medi- kamentöse Therapie mit Elementen aus Physiotherapie und Physikalischer Therapie, Sport- und Ergotherapie, Neuro psychologie und Logopädie. Der Therapieplan wird immer Individueller Therapieplan individuell zusammengestellt und richtet sich nach den Bedürfnissen des einzelnen Patienten und nach dem Schwe- Sobald die Medikation optimal eingestellt ist, wird die medi- regrad bzw. dem Stadium der Erkrankung. kamentöse Therapie durch weitere Therapiemodule ergänzt. Zunächst wird die aktuelle Medikation des Patienten Für jeden Patienten wird ein individueller Therapieplan durch einen neurologischen Facharzt überprüft und, wenn zusammengestellt, der sich nach dem jeweiligen Stadium nötig, angepasst. Zum Einsatz kommt oft das Medikament der Erkrankung, den Fähigkeiten und Bedürfnissen des L-Dopa, das den Mangel an Dopamin in den betroffenen einzelnen Patienten richtet. Zum Einsatz kommen kran- Nervenzellen ausgleicht. L-Dopa wird meist in Tabletten- kengymnastische Therapien, Sprech- und Schlucktrainings form verabreicht und im Körper durch ein bestimmtes sowie ergotherapeutische Sitzungen. Die wöchentliche The- Enzym in Dopamin umgewandelt. Darüber hinaus kann rapiezeit während des Klinikaufenthalts beträgt in der Regel Dopamin auch durch eine sogenannte Pumpentherapie mindestens 7,5 Stunden. verabreicht werden. Diese Methode wird insbesondere Das besonders geschulte Pflegepersonal (ausgebildete dann verwendet, wenn die Parkinson-Erkrankung bereits Parkinsonassistenten) unterstützt durch eine aktivierend- fortgeschritten ist. Mithilfe einer kleinen, tragbaren Pum- therapeutische Pflege, erstellt gemeinsam mit dem Patienten pe wird ein Medikament (L-Dopa oder Apomorphin) durch Bewegungsprotokolle und steht jederzeit beratend zur Seite. eine Kanüle im Bauchbereich unter die Haut ins Fettgewebe So wird einerseits eine lückenlose medikamentöse Versor- gegeben. Diese elektrische Pumpe ermöglicht eine exakte in- gung und andererseits auch die Weitergabe von wichtigen dividuelle Einstellung der Medikation und gibt das Präparat Informationen an Angehörige und/oder den häuslichen Pfle- dann automatisch kontinuierlich ab. So ist insbesondere bei gedienst gewährleistet. Die Dauer der Therapie wird in den hohen Medikationen im Vergleich zu Tabletten eine gleich- ersten Tagen des Klinikaufenthalts in Absprache mit dem mäßige Wirkung gewährleistet. behandelnden Arzt festgelegt. In aller Regel erstreckt sich die stationäre Komplexbehandlung über etwa drei Wochen. ÜBRIGENS: Die Einweisung in die neurologische Klinik erfolgt durch den Hausarzt oder den behandelnden Neu- rologen. Spezielle Anträge bei der Krankenkasse sind nicht erforderlich. Sonderausgabe 15
Und plötzlich hast du Parkinson! Psychologische Maßnahmen in der Parkinsonbehandlung 16mittelpunkt
»Wer aber weiß, wodurch Ängste ausgelöst werden, er an Parkinson denkt, hat meist der kann bewusst W Menschen vor Augen, die sich kaum noch bewegen können, stark zittern gegen dieses Gefühl und auf Hilfe von anderen ange- wiesen sind. Daher ist die Diagnose angehen.« Parkinson für den Betroffenen und sein Um- feld meist ein Schock. Der drohende Verlust der Selbstständigkeit löst viele negative Gefühle aus: Ängste, Wut, Verzweiflung oder auch Verbitte- rung. Diese Gefühle können eine ganze Lawine an negativen Ereignissen mit sich ziehen. Hierzu gehören Streitereien in der Familie, Rückzug aus dem sozialen Umfeld und innere Resignation. De- in psychologische Betreuung zu begeben. »Was pressionen, Angst- und Schlafstörungen können sollen denn die Nachbarn denken?« – So oder ähn- die Folge sein. lich lautet die häufige Begründung. Bei einem sta- tionären Aufenthalt entfällt die Stigmatisierung und die Patienten haben Gelegenheit, psychologi- Bewusster Umgang mit der Angst sche Hilfe in den Behandlungsplan zu integrieren. Wenn Angst- und Panikattacken die Lebensquali- Ist die erste Hürde genommen, wird es leichter, tät mindern, kann eine Psychotherapie helfen, das die Therapie auch ambulant fortzuführen. Selbstwertgefühl wieder zu stärken. Vertrauens- Bei Impulskontrollstörungen geht es vor al- volle Gespräche mit einem geschulten Psychothe- lem darum, zu lernen, wie man mit zwanghaftem rapeuten stehen dabei an erster Stelle. »Für den Verhalten und Impulsen umgeht. Natürlich kann Patienten ist es hilfreich, zu erfahren, wie Angst der Partner auch bei den Gesprächen mit einge- funktioniert«, erläutert die Klinik-Psychologin Mi- bunden werden. »Wichtig ist es, auf die individu- riam Henke. »Deshalb diskutiere ich mit den Be- ellen Probleme einzugehen und gemeinsam mit troffenen darüber. Das Gefühl, chronisch erkrankt dem Patienten Lösungen zu entwickeln, die auf zu sein und keinerlei Aussicht auf Heilung zu ha- sein persönliches Umfeld zugeschnitten sind«, ben, nimmt vielen Betroffenen die Luft. Wer aber erklärt die Psychologin. weiß, wodurch Ängste ausgelöst werden, der kann bewusst gegen dieses Gefühl angehen.« Bestimm- Gruppentherapie sorgt für te (z. B. ängstliche) Verhaltensweisen können eine Angststörung begünstigen. Erfahrene Psychothe- Entspannung rapeuten können solche Denk- und Verhaltens- Bei einer chronischen Erkrankung ist der psychi- muster aufdecken und gezielt dabei helfen, andere sche Druck außerordentlich hoch. Körper und Denk- und Verhaltensweisen zu erlernen. Geist sind unter ständiger Anspannung. Eine strukturierte Gruppentherapie kann hier gegen- steuern. Ein wichtiges Ziel der psychotherapeuti- Leiden, über die man nicht spricht schen Gruppentherapie ist es, die psychosoziale Eine der Nebenwirkungen von Parkinson-Medi- Kompetenz der Betroffenen zu erhalten. Klassi- kamenten kann der Verlust der Impulskontrolle sche Entspannungstechniken und Körpergefühls- sein. Betroffene entwickeln dann ein Suchtver- schulungen sind eine Möglichkeit im Umgang halten. Dazu zählen Spielsucht, das Kramen und mit Stress und können bei der Verbesserung der Sortieren von Gegenständen und Hypersexuali- Stresstoleranz helfen. tät. Die meisten Menschen, die unter einer Sucht leiden, trauen sich nicht, darüber zu sprechen FAZIT: In Umfragen zur Lebensqualität von Par- – insbesondere die Hypersexualität ist oft ein kinson-Patienten gehören Depressionen, Angst- absolutes Tabuthema. Das führt dazu, dass die zustände oder Suchtverhalten unabhängig von Betroffenen und deren Partner sich völlig allein der motorischen Behinderung zu den wichtigs- gelassen fühlen und immer tiefer in die Sucht ten beeinträchtigenden Faktoren. Diese zu erken- hineinrutschen. Konflikte sind dann vorprogram- nen und psychotherapeutisch zu behandeln, ist miert. Häufig sind Schamgefühl und schlechtes deshalb für die erfolgreiche Gesamt-Therapie Gewissen sehr groß. Auch wenn psychologi- eines Parkinson-Patienten von besonderer Wich- sche Hilfe notwendig ist, fällt es schwer, sich tigkeit. Sonderausgabe 17
Ein Tag in der Neurologischen Klinik Sorpesee 19:00 Uhr Pflegerische Versorgung zur Abendpflege 17:30 Uhr Abendessen AU F N A H M E 12:45 – 17:00 Uhr Nachdem Sie telefonisch einen Aufnahmetermin vereinbart haben, benötigen Sie für Ihren stationären Aufenthalt folgende Unterlagen: • die Einweisung Ihres behandelnden Arztes Ärztliche Visiten, neurophysiologische/ radiologische Untersuchungen und • Versicherungskarte, ggf. auch für die Zusatzversicherung individuelles Therapieprogramm. • Arztberichte, Vorbefunde und aktueller Medikamentenplan • alle bereits vorhandenen medizinischen Unterlagen von Vor untersuchungen (z. B. MRT-, CT-, Röntgenaufnahmen) • falls vorhanden: Vorsorgevollmacht, Unterlagen über gesetzliche Betreuung AU F N A H M EG E S P R ÄC H U N D ERSTUNTERSUCHUNGEN Nach der Anmeldung werden Sie in Ihr Zimmer begleitet. Im An schluss finden nacheinander die ärztliche, die pflegerische und die therapeutische Befundaufnahme statt. Ihre Untersuchungs ergebnisse werden dann in einer Teambesprechung mit Ärzten, Therapeuten, Pflegekräften und der Psychologin besprochen und ein individueller Therapieplan für Sie erarbeitet. W I C H T I G : Am Aufnahmetag melden Sie sich bitte morgens ab 8:00 Uhr an der Patientenaufnahme. Dort erhalten Sie weitere In formationen zu Ihrem Klinikaufenthalt. 18mittelpunkt
Ab 6:30 Uhr Pflegerische Versorgung: Falls notwendig, erhalten Sie Unterstützung durch das Pflegepersonal bei der Grundpflege. Erfassung von Vitalwerten und Ausgabe von Medikamenten. 7:00 Uhr Frühstück 7:15 – 12:00 Uhr Ärztliche Visiten, neurophysiologische und radiologische Untersuchungen und individuelles Therapieprogramm. 8:00 Uhr Blutentnahme 12:00 – 12:45 Uhr Mittagessen Sonderausgabe 19
20mittelpunkt Foto: Tyromotion
Hochmoderne Ergotherapie am Sorpesee Mit Schwung zurück in den Alltag je nach Übung mehrere Personen gleichzeitig trai- nieren; so kann sogar die Förderung der Interakti- onsfähigkeit Teil der Therapie am myro sein. Neben der Förderung der Bewegungskon trolle kann mithilfe integrierter Sensoren, die auf Druck und Zug reagieren, auch an der Kraftdosie- rung gearbeitet werden. Das Gerät erkennt zudem iele neurologische Erkrankungen, anhand integrierter Sensoren auch reale Objekte V etwa Parkinson oder besonders auch wie zum Beispiel eine Tasse, einen Ball oder eine ein Schlaganfall, führen zu moto- Münze. So können Patienten auch mit diesen rischen Problemen und Ausfällen: Alltagsgegenständen Bewegungen trainieren. Unsicherheit beim Gehen, Störungen Auch zum Training der Grafomotorik – die Fein- der Körperhaltung und Einschränkungen in der motorik, die für die Bewegungen zum Schreiben Motorik bei alltäglichen Bewegungen sind typi- gebraucht wird – eignet sich das myro hervorra- sche Symptome. Um hier gegenzusteuern und gend. Mit einem Stift kann der Patient auf dem für den Alltag wichtige Bewegungsabläufe ganz Therapietisch Schreibbewegungen üben. So lässt gezielt zu trainieren, ist eine Ergotherapie immer sich nicht nur das Schriftbild verbessern, sondern fester Bestandteil der neurologischen Therapie. auch das Halten des Stifts und die Kraftdosierung Sie leistet einen enorm wichtigen Beitrag, wenn beim Schreiben können trainiert und verbessert es darum geht, die Alltagskompetenz und damit werden. die Lebensqualität der Betroffenen wiederzuer- langen bzw. möglichst lange auf hohem Niveau zu PABLO: Training für Koordination, halten. Das Therapiezentrum der Neurologischen Handkraft und Greiftechniken Klinik Sorpesee ist kürzlich mit drei neuen, hoch- Das pablo-System besteht aus einem Bildschirm modernen Geräten für die Ergotherapie ausge- und einer Art Lenker mit Ellenbogenablage (siehe stattet worden: myro, pablo und tymo lauten Abbildungen). Es wird hauptsächlich für die För- die etwas kryptisch anmutenden Bezeichnungen derung der motorischen Funktionen und Fähig- der digitalen Ergotherapiegeräte. Sie wurden spe- keiten im Rahmen der neurologischen Rehabilita- ziell für Patienten mit Defiziten der motorischen tion (z. B. Frühreha nach Schlaganfall) eingesetzt. Funktion, der Konzentration, der selektiven und Neben Übungen zur Beweglichkeit und zur der visuell-räumlichen Wahrnehmung entwickelt. Kraftkontrolle können an diesem Gerät die Koor- dination sowie einzelne motorische Fähigkeiten und Bewegungsabläufe gezielt trainiert werden. MYRO: Training der Motorik Auch ein gezieltes Training aller Greifarten und Das myro ist ein computergestützter, höhen- der Handkraft ist mit dem pablo möglich. Dazu verstellbarer und zu neunzig Grad kippbarer verfügt das Gerät über verschiedene Sensoren, Therapietisch, der für die motorische Therapie die sich kabellos via Bluetooth mit dem Gerät der oberen Extremitäten (Arme, Hände, Finger) verbinden. eingesetzt wird. Neben motorischen Übungen eignet sich dieses Gerät aber auch für kognitives und visuelles Training. Am Therapietisch können Sonderausgabe 21
Foto: Tyromotion Neben der Hauptfunktion als Trainingsgerät bie- die durch eine Parkinsonerkrankung oder einen tet sich das pablo auch als praktisches Tool für Schlaganfall gestört sein können, werden so ver- die optimale Evaluierung des Therapieverlaufs bessert. Durch eine stabile Körperhaltung und an. Genau wie beim myro speichert die Software verbesserte Reaktionen fühlt sich der Patient wie- des pablo alle individuell gewählten Einstellun- der sicherer auf den Beinen, und die Sturzgefahr gen und den Therapiefortschritt in der jeweiligen wird deutlich reduziert. Patientendatei. Ist die Therapie abgeschlossen, wird ein detaillierter Abschlussbericht über den Moderne Technik für moderne gesamten Therapieverlauf erstellt. So ist für Ärzte und Therapeuten ganz genau nachvollziehbar, Therapiemethoden wie die Therapie verlaufen ist, wo der Patient In der Therapie bei Morbus Parkinson kommt besonders starke Fortschritte gemacht hat und wo es darauf an, dem Fortschreiten der typischen ggf. noch weiterer Behandlungsbedarf besteht. Symptome – Fehlhaltungen, Zittern, Bewegungs- verlangsamung, Steifheit, Gleichgewichtsstörun- gen und Nachlassen der Gedächtnisfunktionen TYMO: Gleichgewichtstraining für – entgegenzuwirken. Dauer, Verlauf und Inhalte weniger Sturzgefahr der Therapie werden grundsätzlich individuell Das dritte Ergotherapiegerät, das tymo, sieht auf das jeweilige Krankheitsbild und -stadium auf den ersten Blick ähnlich aus wie eine Perso- des Patienten angepasst. Die Trainingsprogram- nenwaage: eine elektronische Platte, die auf den me, die die neuen Therapiegeräte myro, pablo Boden gelegt wird und auf die man sich mit den und tymo ermöglichen, eignen sich optimal für Füßen stellt. Im Gegensatz zu den ersten beiden eine effektive und individuelle Gestaltung der Geräten wird das tymo also nicht zum Training Ergotherapie bei Morbus Parkinson und in der im Bereich der Arme und Hände genutzt, sondern Frührehabilitation nach einem Schlaganfall. Die hier handelt es sich um ein Gerät zur Analyse und technisch hochentwickelten Systeme tragen in Verbesserung des Gleichgewichtssinns. Durch hohem Maße zur Steigerung der Therapieerfolge Sensoren an der Oberfläche erkennt das Gerät bei. Durch die teils spielerische Gestaltung der kleinste Gewichtsverlagerungen, sodass ein inten- Trainingsprogramme macht die Ergotherapie zu- sives Gleichgewichtstraining ermöglicht wird. dem richtig Spaß und ist sehr motivierend für die Patienten. Mit dieser neuen Geräteausstattung ist Ziele des Gleichgewichtstrainings sind zum einen die Ergotherapie der Neurologischen Klinik Sor- eine Verbesserung der Rumpfaufrichtung und pesee absolut modern aufgestellt. Rumpfsymmetrie und zum anderen eine verbes- serte Körperwahrnehmung hinsichtlich der phy- siologischen Haltung. Gleichgewichtsreaktionen, 22mittelpunkt
ANZEIGE Deutsche Parkinson Vereinigung e. V. Mitglied in einer Selbsthilfegruppe!? elbsthilfegruppe? – Nein danke, das ist nichts für Eine Gemeinschaft, in der jeder jeden kennt, man sich S mich.« »Was soll ich denn da?« »Dort wird doch gegenseitig hilft und stützt, kann zudem entscheidend dazu nur Kaffee getrunken und Kuchen gegessen.« »Ich beitragen, krankheitsbedingt schwierige Lebenssituationen hole mir die Informationen aus dem Internet!« So besser zu meistern und weiter aktiv am Leben teilzunehmen. oder so ähnlich klingen oft die Reaktionen, wenn man Erkrankte oder Angehörige auf eine Mitgliedschaft in Individuelle Vorteile durch dPV-Mitgliedschaft einer Selbsthilfegruppe anspricht. Aber ist das richtig? Hilft tatsächlich zum Beispiel das Internet bei der Krankheitsbe- Darüber hinaus gibt es noch eine ganze Reihe praktischer wältigung? Vorteile, die an eine Mitgliedschaft in der Deutschen Parkin- son Vereinigung geknüpft sind: Informationen austauschen, • Individuelle ärztliche Beratung Erfahrungen teilen • Individuelle psychologische Betreuung Selbsthilfegruppen dienen in erster Linie dem Informations- • Individuelle juristische sozialrechtliche Beratung und Erfahrungsaustausch von Betroffenen und Angehö- und Betreuung rigen, der praktischen Lebenshilfe und der gegenseitigen • Teilnahme an Sportgruppen als Ergänzung zur emotionalen Unterstützung und Motivation. Natürlich medikamentösen Behandlung haben sich in den zurückliegenden Jahren die Wege der • Regelmäßige Information über Vorträge und Informationsbeschaffung verändert. Neue technische Mög- Veranstaltungen lichkeiten haben in erheblicher Weise mit dazu beigetragen. • Informationen zu medizinischen Neuerungen Doch es ist eine einseitige Information – die zudem oft un- aus Forschung und Lehre geprüft und ungefiltert verbreitet wird. Gerade wenn es um • Eine engagierte und patientenorientierte Interessen Erkrankungen geht, sind oft die Symptome, Probleme und vertretung Erfahrungen ganz individuell. Hier sind verallgemeinerte In- formationen meist nicht zielführend. Gegenseitige emotio- In der heutigen politischen Landschaft ist es für chronisch nale Unterstützung, Motivation, sich den unterschiedlichen kranke Menschen besonders wichtig, auf ihr gesundheit- Symptomen der Krankheit zu stellen und Austausch über liches Schicksal hinzuweisen und gemeinsame Interessen verschiedene Ansätze, die Lebensqualität so lange wie mög- zu definieren und durchzusetzen. Nur ein starker Verband lich zu erhalten – all dies kann nur der zwischenmenschli- kann dies gewährleisten. Die dPV steht Ihnen in allen ge- che Austausch leisten. nannten Belangen zur Verfügung und lädt Sie herzlich ein, sich einmal intensiver mit einer möglichen Mitgliedschaft auseinanderzusetzen. Sprechen Sie uns gerne jederzeit un- Das soziale Umfeld stärken verbindlich an. Selbsthilfegruppen sind aber noch mehr, gerade bei einer chronischen Erkrankung wie Morbus Parkinson. Viele Pati- enten haben krankheitsbedingt die Tendenz, sich von ihrem sozialen Umfeld zu trennen, Gesellschaften zu meiden oder andere Kontakte einzuschränken. Eine Gemeinschaft, in der man sich wohlfühlt, wo man sich seiner Einschränkun- gen nicht zu schämen braucht und keiner unverständlich schaut, wenn man den Kaffee mit dem Strohhalm trinkt, ist ein Mehr an Lebensqualität, das viele Patienten und Ange- hörige vermissen und im Rahmen der Krankheitsbewälti- gung suchen und dringend brauchen. Deutsche Parkinson Vereinigung e. V. Telefon: 02131 / 740 270 www.parkinson-vereinigung.de Sonderausgabe 23
PARKINSON Geschichte einer Krankheit 17. Jh. Im 17. Jahrhundert differenzierte Franciscus Sylvius erstmalig zwi schen Ruhe- und Intentionstremor. 1500 – 1000 1828 v. Chr. Wilhelm von Humboldt, der preußische Universalge lehrte, Humanist, Staatstheoretiker, Bildungsrefor Die ersten Hinweise auf Morbus Parkinson mer und Diplomat, beschrieb ab 1828 bis zu seinem finden sich in überlieferten ayurvedischen Tode akribisch als Erster die typischen Symptome Schriften aus den Jahren 1500–1000 v. Chr. wie Tremor, dann Rigor und Akinese sowie Mikrogra Dort wird von einer Erkrankung mit Sym phie und gebeugte Haltung. Er brachte diese Symp ptomen wie Zittern, Steifheit und Bewe tome nicht mit einer Krankheit in Verbindung. Dass gungsstörungen berichtet. er selbst an M. Parkinson litt, steht aufgrund seiner Aufzeichnungen mittlerweile fest. 300 – 200 1867 v. Chr. Die erste medikamentöse Therapie wur de von Ordenstern 1867 eingeleitet, der Auch griechische und römische medizi Belladonna-Präparate verwendete, die nische Schriften aus dem 3. und 2. Jh. v. bis Ende des 2. Weltkrieges die einzi Chr. weisen auf Krankheiten mit Zittern ge Therapie für diese Erkrankung blieb. und Bewegungsstörungen hin. Erst 1919 entdeckte der Mediziner Kons tantin N. Tretiakoff, dass krankhafte Ver änderungen in einem bestimmten Gehir nareal, der sogenannten Substantia nigra (schwarze Substanz), Auslöser der Er krankung sind. 1817 Der Namensgeber der Parkinson erkrankung wurde der Londoner Arzt und Apotheker James Parkinson, der 1817 eine Abhandlung über Schüttel lähmung – »Essay on the Shaking Palsy« – veröffentlichte. 24mittelpunkt
2000 Als im Jahre 2000 der schwedische Pharmako loge Arvid Carlsson, der auch an der Aufklärung der Rolle des Dopamins als Neurotransmitter 1884 gearbeitet hatte, zusammen mit Eric Kandel und Paul Greengard den Nobelpreis für Physio logie oder Medizin »für die Entdeckungen be Professor Jean Marie Charcot war treffend der Signalübertragung im Nervensys der Erste, der 1884 der Krank tem« erhielt, verursachte die Entscheidung des heit den Namen Morbus Parkinson Nobel-Komitees Protest. Avid Carlsson hat (»Maladie de Parkinson«) gab. te im Labor herausgefunden, dass das Fehlen von Dopamin bei Kaninchen und Mäusen Par kinson-Symptome auslöst. Allerdings war es die Wiener Gruppe rund um Oleh Hornykiewicz, die die wesentlichen Forschungen am menschli chen Gehirn durchgeführt hatte, die für die Ent wicklung der Medikamente ausschlaggebend waren. Obwohl Hornykiewicz einige Male vorge schlagen wurde, erhielt er den Nobelpreis nicht. 1960 Gegenwart Anfang der 60er Jahre wurde dann der Die heutige Kombinationstherapie mit biochemische Hintergrund des Parkin weiteren Gegenmitteln (Dopamin-Ago sons aufgedeckt: der Mangel am Boten nisten, mao-b-Hemmer, comt-Hemmer, stoff Dopamin. Herbert Ehringer und Oleh nmda-Antagonisten) hat die Lebenser Hornykiewicz stellten als Erste den ver wartung und insbesondere auch die Le minderten Dopamingehalt in den Ba bensqualität der Patienten grundlegend salganglien des Hirnstammes bei ver verbessert. storbenen Parkinson-Patienten fest und bereiteten so den Weg zu der noch heu te eingesetzten L-Dopa-Therapie. Die Ein führung der L-Dopa-Ersatztherapie ist eng mit den Namen Walter Birkmayer und André Barbeau verknüpft. Birkmayer, da mals Leiter der neurologischen Abteilung im Krankenhaus Linz, behandelte zusam men mit Hornykiewicz erstmals 20 Wie ner Patienten intravenös mit L-Dopa. Sonderausgabe 25
Frühmorgendlicher Blick vom knapp 1000 m hohen Hohenpeißenberg auf die oberbayerische Alpenkette. 26mittelpunkt
So lange wie möglich ein »normales« Leben leben Parkinson hat viele Gesichter. Den Münchner Michael von Ferrari traf die Diagnose, als er 53 Jahre alt war. Im folgenden Interview schildert er seine persönlichen Erfahrungen im Umgang mit der Krankheit. Sonderausgabe 27
Links: Die Faszi nation der Kugel – Gebannte Gesichter bei der Deutschen Pétanque-Meister schaft in München. Rechts: »Käpt’n« Ferrari am Gardasee. Mindestens ebenso wichtig waren für mich die Kontakte mit anderen Patienten: Ich erlebte eine außergewöhnliche Offenheit, auch bei älteren Menschen, die mich sehr berühr- te. So stellte sich bei manchen sehr schnell eine Vertrautheit WANN WURDE BEI IHNEN PARKINSON DIAGNOSTIZIERT? Im ein, die absolut anrührend war, und die allen, die sich öffnen Frühjahr 2012, im Alter von 53 Jahren und damit relativ früh. konnten, gut getan hat. Die Freundlichkeit und Hilfsbereit- schaft des Personals war hervorragend. WIE WAR IHRE ERSTE REAKTION UND WIE HAT DIE KRANK Bei den Ärzten hatte man auch das Gefühl, nicht eine HEIT IHR LEBEN BEEINFLUSST? Im ersten Moment war ich Nummer zu sein, sondern jeder Patient wurde als Individu- schockiert, aber ich konnte mir noch relativ wenig unter der um wahrgenommen und mit all seinen ihm eigenen Facet- Krankheit und ihren Folgen vorstellen. Dann habe ich den ten der Krankheit. Austausch mit anderen Erkrankten gesucht und besuchte mehrfach monatliche Treffen von Selbsthilfegruppen. Dort WAREN SIE IN EINER REHA- ODER AKUTKLINIK UND GAB ES lernte ich einen sehr sympathischen Arzt der relativ kleinen PROBLEME MIT DEN LEISTUNGEN DER KRANKENKASSE? Schön-Klinik in München-Schwabing kennen, die sich vor Diese Klinik ist nicht die klassische Reha-Klinik, sie ist mehr allem auf Parkinson-Behandlungen spezialisiert und mir eine Akutklinik. Zu diesem Zeitpunkt, Anfang des Jahres, sehr weitergeholfen hat. ging es mir nicht gut. Meine Mobilität war eingeschränkt. Allerdings konnte ich nach wie vor Rad fahren und so fuhr WIE WERDEN SIE BEHANDELT UND IN WELCHEM STADIUM ich auch mit dem Rad in die Klinik. Nachdem ich in die SIND SIE NUN? Noch habe ich das Glück, in der sogenannten Klinik eingewiesen wurde, ging alles ganz schnell. Hätte ich »Honeymoon-Phase« zu sein. Das bedeutet, dass die Aus- eine Reha beantragt, wäre diese möglicherweise abgelehnt wirkungen der Krankheit auf die Kontrolle von Bewegungen worden. und die Beweglichkeit des Körpers insgesamt von Außenste- henden noch als (relativ) normal empfunden werden, dank WENN SIE DIE CHANCE HÄTTEN, IM GESUNDHEITSWESEN ET der Medikamente, wohlgemerkt. WAS ZU ÄNDERN, WAS WÜRDEN SIE ALS ERSTES ANGEHEN? Ohne eine Vervierfachung (!) meiner Dopamin-Zufuhr, Ich würde alternativen Behandlungsmethoden mehr Raum die mir von den Klinikärzten im Februar verschrieben wur- geben. Es macht mich stutzig, dass in Deutschland viel öfter de, würde es mir wesentlich schlechter gehen. Das Zittern, als in vergleichbaren anderen Ländern operiert wird. Na- insbesondere in Stresssituationen, hatte mir in den Vor- türlich nicht bei Parkinson. Außer bei dieser Spezial-OP am jahren in manchen Situationen sehr zu schaffen gemacht. Gehirn. Einmal musste ich vor ca. 400 Schülern und Lehrern eine Ich erlebe im Freundes- und Bekanntenkreis, dass es kurze Rede halten; meine Hand, mit der ich das Mikro hielt, ganz schwer ist, eine Reha genehmigt zu bekommen. Auch zitterte wie Espenlaub. Ich merkte, dass daher einige Schüler bei Menschen, die es dringend nötig haben und in ihrem irritiert schauten und viele tuschelten. Da sprach ich meine Leben noch nie eine Kur gemacht haben. Das wird viel zu Krankheit offen an. Und siehe da: Sie wurden ruhiger und streng und zu wenig nachvollziehbar geregelt. nahmen Rücksicht auf mich. SIE HABEN SICH POSITIV ZU DEM KLINIKAUFENTHALT GEÄU SSERT. WAS HAT IHNEN BESONDERS GEFALLEN UND BESON DERS GUT GETAN? Gut getan hat mir zum einen, dass ich eine Auszeit von der »Mühle« des alltäglichen Stress hatte. Ich konnte viel spazieren gehen, radelte viel durch Mün- chen, entdeckte neue Stadtteile … 28mittelpunkt
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