Parkinson SCHWERPUNKTTHEMA - Sonderausgabe - Neurologische Klinik Sorpesee

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Parkinson SCHWERPUNKTTHEMA - Sonderausgabe - Neurologische Klinik Sorpesee
Sonderausgabe

        SCHWERPUNKTTHEMA
            Parkinson
Parkinson SCHWERPUNKTTHEMA - Sonderausgabe - Neurologische Klinik Sorpesee
Auf die
inneren Werte
kommt es an.
Deshalb sehen wir ganz genau hin.
mvz-uhlenbrock.de

        Medizinisches Versorgungszentrum   MVZ für Radiologie,
        Prof. Dr. Uhlenbrock               Strahlentherapie und
        und Partner                        Nuklearmedizin
Parkinson SCHWERPUNKTTHEMA - Sonderausgabe - Neurologische Klinik Sorpesee
Parkinson
                         im Mittelpunkt
                                               Liebe Leserinnen und Leser,

                                               die Parkinson’sche Erkrankung ist eine der häufigsten
                                               Erkrankungen des zentralen Nervensystems. In Deutsch­
                                               land leben rund 300.000 Betroffene, jedes Jahr kommen
                                               bis zu 20.000 Neuerkrankungen hinzu. Die Häufigkeit von
                                               Parkinson steigt mit dem Alter: Die meisten Betroffenen
                                               erkranken zwischen dem 50. und 80. Lebensjahr.

                                               Bis zur klaren Diagnose ist es oft ein längerer Weg, denn
                                               die Erkrankung zu erkennen, ist nicht immer einfach. Je
                                               früher die Erkrankung bekannt ist, desto effektiver kann
                 natürlich eine entsprechende Therapie eingeleitet werden. Dadurch lässt sich der Ver­
                 lauf der Erkrankung positiv beeinflussen und die Lebensqualität der Betroffenen lange
                 auf hohem Niveau halten.

                 Mit dieser Sonderausgabe unseres Klinikmagazins, die sich ausschließlich um die Par­
                 kinsonerkrankung dreht, möchten wir Sie ausführlich informieren über zentrale Fakten
                 zur Diagnostik und Therapie und die unterschiedlichen Wege, die Ihnen als Betroffene
                 oder Angehörige zur Verfügung stehen, um mit der Erkrankung umzugehen.

                 Prof. Dr. Candan Depboylu, Chefarzt unserer Neurologischen Klinik Sorpesee, spricht
                 im Interview ab Seite 8 über die Diagnostik von Parkinson, typische Symptome und den
                 Verlauf der Erkrankung sowie aktuelle Therapieansätze. Bei der Therapie verfolgen wir
                 hier am Sorpesee ganzheitliche Ansätze, etwa durch die Multimodale Komplexbehand­
                 lung. Neben einer Behandlung mit Medikamenten, die immer Bestandteil der Parkin­
                 sontherapie ist, legen wir einen großen Fokus auf interdisziplinäre Therapiekonzepte.
                 Diese setzen sich aus Physio- und Ergotherapie sowie Bewegungstherapie, Logopädie
                 und Ernährungsberatung zusammen. Für jeden Patienten stellen wir einen ganz indivi­
                 duell abgestimmten Therapieplan zusammen, der exakt auf das jeweilige Krankheitssta­
                 dium und die persönlichen Fähigkeiten und Einschränkungen zugeschnitten ist.

                 Ich wünsche Ihnen eine informative Lektüre, und wenn Sie individuelle Fragen haben,
                 wenden Sie sich gerne jederzeit an uns.

                 Ihr Steffen Uhlenbrock
                 Geschäftsführer der Neurologischen Klinik Sorpesee

Sonderausgabe                                                                                             3
Parkinson SCHWERPUNKTTHEMA - Sonderausgabe - Neurologische Klinik Sorpesee
Inhalt
Folgende Themen erwarten Sie
      in dieser Ausgabe
Parkinson SCHWERPUNKTTHEMA - Sonderausgabe - Neurologische Klinik Sorpesee
6
                 Morbus Parkinson:
                 Krankheitsverlauf und
                 Stadieneinteilung

    8
                 Chefarzt Prof. Dr. Candan
                 Depboylu im Interview

   12
                 Parkinson den Tanz
                 angesagt

   14                                        20
                 Zeit, Fachwissen und eine        Mit Schwung zurück in
                 gute Vernetzung                  den Alltag

   15                                        24
                 Multimodale Parkinson-           Parkinson – Geschichte
                 Komplexbehandlung                einer Krankheit

   16                                        26
                 Und plötzlich hast du            So lange wie möglich ein
                 ­Parkinson!                      »normales« Leben leben

   18                                        30
                 Ein Tag in der Neurolo­          Beratung und Hilfestellung
                 gischen Klinik Sorpesee          durch den Sozialdienst

                                             32
                                                  Therapeutisches
                                                  Zusatzangebot

                                             34
                                                  Glossar

Sonderausgabe                                                                 5
Parkinson SCHWERPUNKTTHEMA - Sonderausgabe - Neurologische Klinik Sorpesee
Morbus Parkinson: Krankheitsverlauf  

Die Parkinson’sche Krankheit (Morbus Par­
kinson) ist in den Leitlinien der Deutschen
Gesellschaft eindeutig beschrieben. Neben
dem »IPS« (idiopathischen Parkinson-Syn­
drom) wird zwischen der Gruppe der symp­
tomatischen und den sogenannten atypischen
Parkinson-Syndromen unterschieden. Die mo­
torischen Symp­tome des IPS wie Bewegungs­
verlangsamung, Muskelsteifheit oder Zit­
tern sind allgemein bekannt, aber es gibt auch
nicht-motorische Anzeichen wie etwa Riech­
störungen, Schlafstörungen und sogar Proble­                                     Gehirn eines an Morbus
me beim Stuhlgang.                                                               Parkinson Erkrankten.
                                                                                 Modifiziert nach H. Braak
                                                                                 und K. del Tredici, Ulm

Aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse beschreiben                   Parkinson-Krankheit einbezogen sind. Diese Zellen der soge­
ein Fortschreiten der Erkrankung, die im unteren Teil des             nannten Raphe- und Coeruleuskerne sind zuständig für unse­
Hirnstammes beginnt und sich »gesetzmäßig« im Laufe vie­              re Emotionen und Gefühle. Eine Störung dieser Zellen führt zu
ler Jahre schleichend auf nahezu das gesamte Gehirn aus­              einer Depression, die ebenfalls dem Ausbruch der motorischen
breitet. Einzig die in der Abbildung WEISS markierten Hirn­           Parkinson-Symptome vorausgeht.
areale sind nicht vom Krankheitsprozess befallen.
                                                                      GELB
ROT                                                                   Erst wenn nach einigen Jahren die Parkinson-Erkrankung im
Nervenzellen im unteren Teil des Hirnstammes sind als Ers­            oberen Hirnstammbereich angelangt ist, kommt es zum Ein­
te von der Parkinson-Erkrankung betroffen. Diese Zellen sen­          setzen der motorischen Störungen: der Akinesie (abnorme Be­
den ihre Fortsätze durch die Brusthöhle in den Darm. Sie enden        wegungsverlangsamung), dem Ruhetremor (feines Zittern bei
an der Darmmuskulatur und verursachen Verstopfung beim                Ruhelagerung der Hand, zu Beginn stets einseitig) und dem Ri­
Stuhlgang (Obstipation), eines der häufigsten Symptome der            gor (Erhöhung der Muskelspannung). Wir wissen jedoch heute,
Parkinson-Krankheit. Andere Nervenzellen, ebenfalls im un­            dass die Parkinson-Erkrankung nicht nur eine Erkrankung mit
teren Abschnitt des Hirnstammes (rot markiert), sind mit den          motorischen Störungen (Einschränkung der Bewegungsfähig­
Riech-Nervenzellen im Gehirn verbunden und führen zu einer            keit) ist. Verstopfung, Riechstörungen, ausgeprägte Schlafver­
Riechstörung beim Parkinson, eines der häufigen nicht-motori­         änderungen und eine Depression werden als nicht-motorische
schen Symptome der Erkrankung.                                        Parkinson-Symptome bezeichnet, die den Bewegungsstörun­
                                                                      gen um etwa drei bis sechs Jahre vorausgehen können.
ORANGE
Nach ca. 3–5 Jahren (allerdings kann der Zeitraum individu­
ell sehr verschieden sein) »steigt« die Erkrankung aus dem rot
markierten in den orange gefärbten Bereich. Hier liegen Ner­
venzellen, die u. a. für die Schlafarchitektur verantwortlich sind.       Weitere Infos:
Die Störung, die durch die betroffenen Nervenzellen verursacht            ie Leitlinie »idiopathisches Parkinson-Syndrom« ist
                                                                         D
wird, ist eine spezifische Schlafstörung, die sich durch sehr            2016 überarbeitet worden und kann im Internet herun­
lebhafte Träume bemerkbar macht. Hierbei können die Betrof­              tergeladen werden: www.awmf.org/uploads/
fenen (zum Teil sehr) wild gestikulieren – 72 % fallen dabei so­         tx_szleitlinien/030-010k_S3_Parkinson_
gar aus dem Bett und verletzen sich. In der Nähe dieser Zellen           Syndrome_Idiopathisch_2016-06.pdf
liegen Nervenzellen, die ebenfalls in den Krankheitsprozess der

6mittelpunkt
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und Stadieneinteilung

                   FÜNF STADIEN DER ERKRANKUNG                          Stadium 0: keine Anzeichen der Erkrankung
                   Im Jahr 1967 benannten Hoehn und Yahr – noch vor     Stadium 1: einseitige Erkrankung
                   der Einführung der L-Dopa-­Therapie – 5 Stadien      Stadium 1.5:	einseitige Erkrankung und
                   der Erkrankung. Neuerdings wird häufig die Unified                 axiale Beteiligung
                   Parkinson’s Disease Rating Scale verwendet. Selbst   Stadium 2:	beidseitige Erkrankung ohne
                   die neuesten Therapien können das Fortschreiten                    Gleich­gewichtsstörung
                   der Krankheit nicht verhindern, aber sie mindern     Stadium 2.5:	leichte beid­seitige Erkrankung
                   weitere Komplikationen deutlich und sorgen für                     mit Ausgleich beim Zugtest
                   längere Selbstständigkeit. Ein Stadium dauert etwa   Stadium 3:	leichte bis mäßige beidseitige Er­
                   zwei bis fünf Jahre an.                                            krankung: leichte Haltungsin­stabilität,
                                                                                      körperlich unabhängig
                                                                        Stadium 4:	starke Behinderung, kann noch
                                                                                      ohne Hilfe gehen oder stehen
                                                                        Stadium 5:	ohne Hilfe an den Rollstuhl
                                                                                      gefesselt oder bettlägerig

                                                                        DOPAMINMANGEL
                                                                        Dopaminmangel führt zur Bewegungsverlangsa­
                                              Dendriten                 mung und Bewegungsmangel (Bradykinese und
                                                                        Akinese). Aber auch andere Botenstoffe geraten aus
        Neuron                                                          dem Gleichgewicht. Es entsteht z. B. ein Überschuss
                                                                        an Acetylcholin, welcher vermutlich das Zittern
                                                                        (Tremor) und die Muskelsteifheit (Rigor) auslöst.
                            Lewy-Körpcherchen

                  Axon

                         Dopamin

 Sonderausgabe                                                                                                             7
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Chefarzt Prof. Dr. Candan Depboylu im Interview

Moderne Parkinson­
therapie am Sorpesee

                Prof. Dr. Candan Depboylu ist Facharzt
                für Neurologie und seit September
                2018 Chefarzt der Neurologischen
                Klinik Sorpesee. Zuvor war er als                          Viele Formen von Parkinson – die Erkran-
                Oberarzt praktisch und forschend am                    kung kann in vielen Varianten auftreten – lassen
                Universitätsklinikum Gießen/Mar­                       sich in der klinisch-neurologischen Untersuchung
                                                                       mit relativ hoher Wahrscheinlichkeit feststellen.
                burg tätig und hat sich unter anderem
                                                                       Das lernt man natürlich nicht im Medizinstudi-
                sehr intensiv mit neurodegenerativen                   um; dazu braucht es ein geschultes Auge, und das
                Erkrankungen wie Morbus Parkinson                      kommt mit der Zeit durch die Erfahrung und den
                beschäftigt.                                           Umgang mit dieser Erkrankung. Deshalb sollte bei
                                                                       Verdacht auf Parkinson der Weg immer möglichst
                                                                       schnell zu einem erfahrenen Neurologen führen.
                HERR PROF. DEPBOYLU, ALS AUSGEWIESENER
                EXPERTE AUF DEM GEBIET DER NEURODEGENE­                VIELE HABEN NATÜRLICH ANGST VOR EINER
                RATIVEN ERKRANKUNGEN SIND SIE NEUERDINGS               SOLCHEN DIAGNOSE. UND DASS MAN BEI EINEM
                CHEFARZT EINER NEUROLOGISCHEN KLINIK, DIE              NEUROLOGEN IN BEHANDLUNG IST, IST IN DER
                SICH UNTER ANDEREM AUF DIE BEHANDLUNG                  REGEL NICHTS, WOMIT MAN GERN HAUSIEREN
                VON PARKINSONERKRANKUNGEN SPEZIALISIERT                GEHT. SCHEUEN VIELE BETROFFENE DESHALB ZU
                HAT. AM ANFANG EINER ERFOLGREICHEN BE­                 LANGE DEN BESUCH EINES SOLCHEN SPEZIALIS­
                HANDLUNG STEHT IMMER EINE KLARE DIAGNOSE.              TEN? Möglich, aber hier ließe sich durch eine gute
                WORAUF KOMMT ES AN BEI DER PARKINSONDIA­               Kommunikation der überweisenden Hausärzte
                GNOSTIK? Grundsätzlich ist erst einmal wichtig,        auch viel tun. Es ist natürlich nicht unbedingt
                dass wir Ärzte bei Symptomen wie einem verlang-        klug, dem Patienten bereits ohne gesicherte Diag-
                samten Gang, Steifheit der Muskeln oder Zittern        nose zu sagen, »Sie haben wahrscheinlich Parkin-
                aufmerksam werden und zumindest an Parkin-             son, gehen Sie mal schleunigst zum Neurologen«.
                son als mögliche Erklärung für diese Symptome          Dadurch werden unnötig Ängste geschürt und die
                denken.                                                Menschen verunsichert, denn Parkinson ist eine
                     Es gibt Statistiken, die zeigen, dass es leider   schwere Erkrankung und die Diagnose für viele
                oft jahrelang dauert, bis eine Parkinsonerkran-        Betroffene zunächst ein Schock. Den muss man
                kung erkannt wird. Das liegt weniger daran, dass       als Arzt nicht voreilig und unnötig verursachen.
                es so wahnsinnig kompliziert wäre, Parkinson zu        An einer schlichten Überweisung zu einem neuro-
                diagnostizieren. Das Problem ist ganz oft, dass        logischen Facharzt, um die vorhandenen Sympto-
                Betroffene und leider auch Ärzte die Symptome –        me weiter abklären zu lassen, ist zunächst nichts
                die meist sehr langsam und schleichend einset-         weiter dramatisch; oft können die Ursachen auch
                zen – zu spät ernst nehmen und als mögliche            ganz woanders liegen und vergleichsweise harm-
                Anzeichen einer Parkinsonerkrankung deuten.            los sein.

8mittelpunkt
Parkinson SCHWERPUNKTTHEMA - Sonderausgabe - Neurologische Klinik Sorpesee
Der Ärztliche Direktor der
                                                                                                 Neurologischen Klinik Sorpe­
                                                                                                 see, P
                                                                                                      ­ rof. Dr. Depboylu, ist
                                                                                                 Neurologe und Spezialist für
                                                                                                 Parkinson-Syndrome und an­
                                                                                                 dere Bewegungsstörungen.

WAS KÖNNEN ZUM BEISPIEL DIE URSACHEN FÜR              was für Medikamente der Patient möglicherweise
SOLCHE PARKINSONÄHNLICHEN SYMPTOME                    regelmäßig einnimmt, denn bestimmte Präparate
SEIN? Wenn beispielsweise ein Patient starke          können Symptome verursachen, die den Anzei-
Schmerzen im Rücken hat, dann kann auch das           chen einer Parkinsonerkrankung stark ähneln.
zu verlangsamten Bewegungen und einem steifen
Gang führen. Ein Bandscheibenvorfall, ande-           WAS FÜR MEDIKAMENTE KÖNNEN DAS SEIN?
re neurologische Krankheitsbilder oder einfach        Zum Beispiel bestimmte Antiepileptika und be-
Probleme in der Muskulatur können Gründe für          stimmte Blutdruckmedikamente können par-
solche verlangsamten und steifen Bewegungen           kinsonähnliche Symptome verursachen. Darü-
sein, die an die typischen Parkinsonsymptome          ber hinaus gibt es Medikamente der typischen
erinnern.                                             Neuroleptika-Gruppe, die oft zu einem sogenann-
                                                      ten Parkinsonoid führen. Man spricht dann von
WENN EIN PATIENT MIT ENTSPRECHENDER SYMP­             symp­tomatischem Parkinson.
TOMATIK NUN ZUM NEUROLOGEN GEHT, WIE VER­
LÄUFT DANN DIE NEUROLOGISCHE ANAMNESE                 SIE SAGTEN VORHIN, DER GESCHULTE NEUROLO­
BIS HIN ZUR DIAGNOSE? Das hängt im Einzelfall         GE KÖNNE PARKINSON EIGENTLICH PER BLICK­
von den vorhandenen Symptomen ab. Grund-              DIAGNOSE FESTSTELLEN. WORAN ERKENNT
sätzlich hilft meist schon der Blick eines erfahre-   MAN DIE ERKRANKUNG DENN SOZUSAGEN VON
nen Neurologen, der den Patienten aus einem an-       AUSSEN? Es gibt drei typische motorische Anzei-
deren Blickwinkel und einem anderen fachlichen        chen, die auf ein Parkinsonsyndrom hinweisen.
Hintergrund heraus betrachtet und untersucht,         Das sind (1) Verlangsamung von Bewegungsab-
als das beispielsweise der Hausarzt leisten kann.     läufen (fachsprachlich: Akinese), (2) eine steife,
Im Rahmen einer Erstuntersuchung befragt der          krankhaft angespannte Muskulatur (Rigor) und
Neurologe den Patienten zu seinen Symptomen           (3) ein Zittern (Tremor). Jedes dieser Sympto-
und seiner gesundheitlichen Vorgeschichte             me kann unterschiedlich stark ausgeprägt sein
und führt eine körperliche Grunduntersuchung          – manche Patienten spüren anfangs vor allem
durch. Alles Weitere hängt dann von den Er-           die Steifheit und zittern kaum, bei anderen ist es
kenntnissen aus dieser Bestandsaufnahme ab.           umgekehrt. Aber erst wenn diese motorischen
Stellt der Arzt beispielsweise Lähmungserschei-       Symptome vorliegen, beginnt man eine Therapie
nungen fest, die zumindest auf eine Störung im        mit Dopamin-Medikamenten. Es gibt allerdings
Gehirn oder Nervensystem hindeuten, kann ein          auch nicht-motorische Parkinsonsymptome.
bildgebendes Verfahren genutzt werden, um eine
Aufnahme vom Gehirn zu erstellen und dadurch
Klarheit zu gewinnen. Außerdem wird geprüft,

Sonderausgabe                                                                                                               9
Parkinson SCHWERPUNKTTHEMA - Sonderausgabe - Neurologische Klinik Sorpesee
schläft, hat Parkinson. Aber umgekehrt gilt eben:
                                                      Viele Patienten, bei denen bereits – aufgrund
                                                      der motorischen Symptome – Morbus Parkinson
                                                      festgestellt wurde, zeigen auch diese genannten
                                                      Begleiterscheinungen.

                                                      PARKINSON ZÄHLT LEIDER BIS HEUTE ZU DEN
                                                      NICHT HEILBAREN ERKRANKUNGEN. WIE SIEHT
                                                      ALSO DIE THERAPIE AUS? WAS IST DAS ZIEL
                                                      DER BEHANDLUNG? Heilbar ist Parkinson nicht,
                                                      aber die Symptome der Erkrankung lassen sich
                                                      therapieren, und darin besteht das Hauptziel
                                                      der Behandlung: die Symptome der Erkrankung
                                                      zu lindern und dadurch die Lebensqualität der
                                                      Betroffenen möglichst lange auf hohem Niveau zu
                                                      halten.

                                                      UND WIE GELINGT DAS? WORIN BESTEHT DIE
                                                      PARKINSONTHERAPIE? Das kommt ein wenig auf
                                                      die Form der Erkrankung und auch auf das Sta-
                                                      dium an. Es gibt nicht die Parkinsonerkrankung,
                                                      sondern die Krankheit kann unterschiedlich
                                                      ausgeprägt sein. Dementsprechend gibt es auch
                                                      nicht das Patentrezept zur Therapie. Grundsätz-
                                                      lich beinhaltet die Therapie aber immer zunächst
                                                      eine Behandlung mit Medikamenten. Durch die
                                                      Parkinsonerkrankung entsteht in bestimmten Re-
                                                      gionen im Gehirn ein Mangel an dem Botenstoff
                                                      Dopamin. Dieser Mangel muss durch ein Medika-
                                                      ment ausgeglichen werden, um die Symptome zu
                                                      lindern. Was für ein Medikament infrage kommt,
                                                      hängt dann aber vom Typus der Krankheit ab.
                                                           Darüber hinaus gibt es drei weitere wichtige
  WELCHE SIND DAS? Insbesondere sind das Stö-         Bestandteile der Parkinsonbehandlung: gezielte
  rungen des Geruchssinns. Bei ganz vielen typi-      Krankengymnastik (Physiotherapie), logopädi-
  schen Parkinsonpatienten liegt bereits vor den      sches Sprech- und Schlucktraining und Ergothe-
  motorischen Symptomen ein vermindertes Ge-          rapie. Diese therapeutischen Maßnahmen helfen
  ruchsvermögen (Hyposmie) vor. Außerdem kla-         dabei, die Beweglichkeit in Form zu halten oder,
  gen sehr viele Betroffene über Verstopfung; das     wenn es bereits Einschränkungen gibt, bestenfalls
  hängt damit zusammen, dass das Symptom der          wiederherzustellen. Die Kombination dieser vier
  Verlangsamung sich auch auf die Verdauungspro-      Elemente – medikamentöse Therapie, Physiothe-
  zesse auswirkt. Und das spezifischste nicht-moto-   rapie, Logopädie und Ergotherapie – nennen wir
  rische Symptom ist unruhiger Schlaf mit inten-      Multimodale Komplexbehandlung.
  sivem Ausleben von lebhaften Trauminhalten.
  Personen mit dieser sogenannten REM-Schlaf-         WIE LANG GEHT SO EINE KOMPLEXBEHAND­
  verhaltensstörung haben ein etwa 85-prozentiges     LUNG? KANN SIE NUR STATIONÄR ERFOLGEN? Die
  Risiko, innerhalb von ca. 14 Jahren an Parkinson    Komplexbehandlung bei Parkinson erfolgt immer
  zu erkranken.                                       stationär hier bei uns im Haus. Die Dauer wird
                                                      bei jedem Patienten abhängig von der persönli-
  DIESE NICHT-MOTORISCHEN SYMPTOME DEUTEN             chen Situation, den Beschwerden, dem genauen
  ALSO EINDEUTIG AUF PARKINSON HIN? Nein,             Krankheitsbild individuell festgelegt, liegt in aller
  so herum funktioniert es nicht. Nicht jeder, der    Regel aber zwischen zwei und drei Wochen. Dabei
  schlecht riecht, Verstopfung hat und unruhig        beträgt die wöchentliche Therapiezeit mindestens

10mittelpunkt
7,5 Stunden. Zu Beginn des Aufenthalts wird ein       und damit eine Parkinsonerkrankung vorliegt.
individueller, passgenauer Therapieplan erarbei-      Ansonsten – das ist die zweite Möglichkeit – lässt
tet, der sich nach den Bedürfnissen des einzelnen     sich der Dopaminspiegel auch mit speziellen nuk-
Patienten richtet.                                    learmedizinischen Verfahren wie zum Beispiel
                                                      dem sogenannten DaTSCAN (Szintigrafie des Ge-
UND WAS MUSS ICH ALS PATIENT TUN, UM DIE              hirns) feststellen. Zeigt sich hier klar ein Mangel,
KOMPLEXBEHANDLUNG ZU BEKOMMEN? Voraus-                dann haben wir die sichere Diagnose, dass eine
gesetzt, Sie sind an Parkinson erkrankt, können       degenerative Parkinsonerkrankung vorliegt.
Sie sich ganz einfach durch Ihren behandelnden
Hausarzt oder Neurologen einweisen lassen. Be-
sondere Anträge oder Absprachen mit der Kran-
kenkasse sind nicht notwendig.                                   »Körperliche sowie geistige
GIBT ES VORSORGEEMPFEHLUNGEN? KANN MAN                           Aktivität, gesunde Ernährung,
PARKINSON IRGENDWIE VORBEUGEN? Generell ist
es so, dass wir Menschen immer älter werden. Das
                                                                 und ein gutes soziales Umfeld
ist eigentlich ja erfreulich, allerdings entstehen               erhöhen die Wahrscheinlich­
eben mit zunehmendem Alter auch vermehrt de-
generative Erkrankungen wie Parkinson (ebenso                    keit gesund zu bleiben.«
Demenz- und Krebserkrankungen, Schlaganfäl-
le oder Herzinfarkte). Eine Garantie nach dem
Motto »Befolgen Sie dies, dann bekommen Sie
niemals Parkinson« gibt es natürlich nicht. Meine
Empfehlungen, um das Risiko einer Erkrankung          ABER EINE NUKLEARMEDIZINISCHE ABTEILUNG
aber zu minimieren und möglichst gesund alt zu        GIBT ES HIER IM HAUS NICHT, ODER? Nein, hier
werden, lauten: ausreichend körperliche Akti-         direkt vor Ort nicht. Trotzdem ist das sehr un-
vität, eine gesunde, ausgewogene Ernährung,           kompliziert möglich: Wir arbeiten für die bild-
geistige Aktivität und ein gutes, gesundes soziales   gebenden Verfahren aus Radiologie und Nuk-
Umfeld.                                               learmedizin sehr eng mit dem Medizinischen
                                                      Versorgungszentrum Prof. Dr. Uhlenbrock und
IST PARKINSON VERERBBAR? Nur ein kleiner              Partner zusammen. Das MVZ von Prof. Uhlen-
Teil der Parkinson-Krankheit ist vererbbar. Der       brock hat Praxen unter anderem in Dortmund
überwiegende Teil ist idiopathischer Natur, also      und Hagen. Die sind von hier aus gut erreichbar.
ohne erkennbaren Auslöser. Hier wird eine ge-         Für Patienten, die nicht selber fahren können
genseitige Beeinflussung von Umwelteinflüssen         oder möchten, bieten wir einen Fahrdienst an, um
und genetischer Veranlagung beim Ausbruch der         sie zur Untersuchung nach Dortmund und wieder
Krankheit diskutiert.                                 zurück nach Sundern zu bringen.

AUSGANGSLAGE FÜR PARKINSON IST JA, WIE
SIE VORHIN SAGTEN, EIN DOPAMINMANGEL IM
GEHIRN. WIE WIRD DER DENN GEMESSEN? OB
EIN NEUROTRANSMITTER IN AUSREICHENDER
MENGE PRODUZIERT WIRD, LÄSST SICH WAHR­
SCHEINLICH JA NICHT EINFACH PER BLUTUNTER­
SUCHUNG FESTSTELLEN? Richtig, per Blutun-
tersuchung funktioniert das nicht. Es gibt zwei
Möglichkeiten: Zum einen können wir ganz ein-
fach testweise ein Dopaminmedikament geben,
entweder zunächst einmalig oder gleich über eini-
ge Tage. Dann sehen wir, ob der Patient darauf an-
springt, sprich: ob die Symptome besser werden.
Ist das der Fall, können wir mit großer Sicher-
heit davon ausgehen, dass ein Dopaminmangel

Sonderausgabe                                                                                               11
12mittelpunkt
Tanzen als Therapieelement bei Morbus Parkinson

Parkinson den
Tanz angesagt

                            eit über zwanzig Jahren widmet sich        so beweglich und selbstbewusst, dass er allein zu

                 S
                            Tanzlehrer Ralph Marohn aus Arnsberg       seinem Rollator gehen konnte. Bei ihm hatte sich
                            dem barrierefreien Tanzen. »Tanzen –       das Training der Koordination, des Rhythmus
                            Leben – Lachen« – so lautet sein Motto,    und der Gehirntätigkeit nach kurzer Zeit bereits
                            und das vermittelt er auch denjenigen      ausgezahlt.
                 Menschen, die körperlich eingeschränkt sind.               »Es ist schön zu sehen, wie glücklich die
                 Im Vordergrund steht die Bewegung zur Musik.          Teilnehmer aus der Stunde gehen«, freut sich der
                 Rhythmus und Koordination fallen gerade Par-          Tanzlehrer. »Es wird viel gelacht, und sie sind mit
                 kinsonerkrankten meist schwer, weil ihnen durch       viel Freude und Elan dabei. Tanzen befreit, und
                 die Erkrankung die Kontrolle über ihre Gliedma-       Musik ist Balsam für die Seele.« Leider ist der Zeit-
                 ßen entgleitet. Ziel des Tanztrainings ist es, sich   raum, in dem der einzelne Patient das Angebot
                 bewusst und konzentriert zu bewegen. Die Musik        nutzen kann, meist recht kurz: Ein Klinikaufent-
                 entspannt und beschwingt. So wird Bewegung            halt dauert in der Regel nur wenige Wochen. Das
                 nicht als lästige Übung empfunden, sondern            ist zwar ein guter Anfang, aber es wäre eigentlich
                 macht einfach nur Spaß.                               wichtig, die Tanztherapie anschließend auch am
                      Seit Januar 2019 gibt Ralph Marohn auch          Wohnort weiterzuführen. Kontinuität ist notwen-
                 Tanzstunden in der Neurologischen Klinik Sorpe-       dig, um dauerhaft beweglich zu bleiben. Marohn
                 see. Zweimal pro Woche tanzt er für ca. eine Stun-    empfiehlt daher, nach dem Klinikaufenthalt ein-
                 de mit den Parkinsonpatienten. Noch mehr als im       mal am Wohnort Ausschau nach Tanzkursen zu
                 Tanzunterricht für Gesunde sind hier Empathie         halten. Möglicherweise gibt es ja vor Ort Angebote
                 und Flexibilität gefragt. »Man muss sich auf jeden    zur Tanztherapie, ob nun speziell für Parkinson­
                 Patienten ganz individuell einstellen«, sagt Ralph    erkrankte oder für Menschen mit anderen Ein-
                 Marohn. »Gerade die Parkinsonerkrankung kann          schränkungen.
                 so viele Gesichter haben. Je nach Stadium unter-           Untersuchungen zeigen, dass durch das
                 scheiden sich die Patienten stark in ihren motori-    Tanzen das Gleichgewicht und die motorischen
                 schen Fähigkeiten und Einschränkungen.«               Fähigkeiten geschult und verbessert werden. Ne-
                      Das neue Tanzangebot in der Klinik wurde         ben den positiven Auswirkungen auf die Beweg-
                 von Anfang an gut angenommen. Es überraschte          lichkeit kann gemeinsames Tanzen mit dem Le-
                 Marohn dann aber doch ein wenig, wie positiv          benspartner auch die Partnerschaft stärken. Das
                 sich Tanz und Musik auf die Erkrankung auswir-        gemeinsame Erleben und die Nähe zum Partner
                 ken können. Zur ersten Tanzstunde in der Klinik       schaffen ein positives Miteinander.
                 kam unter anderem ein Herr mit Rollator. Er
                 wusste anfangs nicht so recht, wie er anfangen
                 sollte. Nach einer Weile stellte er schließlich den
                 Rollator beiseite, um sich ohne Hilfsmittel zur
                                                                          Kontakt
                 Musik zu bewegen. Als die Tanzstunde beendet
                 war, blieb er abrupt stehen und konnte sich nicht       tanzfabrik Tanzschule Marohn GbR
                 mehr fortbewegen. Also brachte Herr Marohn ihm          Neumarkt 2a, 59821 Arnsberg
                 seinen Rollator, damit er die Tanzfläche selbst-        Telefon: 02931 21188
                 ständig verlassen konnte. Auch bei der nächsten         arnsberg@tanzfabrik.net
                 Stunde wirkte der Teilnehmer anfänglich etwas           www.tanzfabrik.net
                 unsicher, aber am Ende der Stunde war er schon

Sonderausgabe                                                                                                           13
Parkinsonassistentinnen in der Neurologischen Klinik Sorpesee

Zeit, Fachwissen und
eine gute Vernetzung

                                                                            Parkinsonassistentin bzw. zum Parkinsonas-
                                                                            sistenten wird das theoretische und praktische
                                                                            Wissen rund um die facettenreiche Erkrankung
                                                                            umfassend erweitert. So sind die Parkinsonassis-
                                                                            tentinnen durch ihre Weiterbildung besonders
                                                                            sensibilisiert für den Umgang mit Parkinsonpati-
                                                                            enten. Sie können schwierige Situationen sofort
                                                                            richtig einschätzen und wissen, wann ein Patient
                                                                            welche Hilfestellung benötigt.
                                                                                 Wer mit Parkinsonerkrankten arbeitet, benö-
                                                                            tigt neben dem notwendigen Fachwissen vor al-
                                                                            lem Geduld und viel Zeit. »Durch die Erkrankung
                                                                            geht alles etwas langsamer, und das ist auch in
                                                                            Ordnung«, erklärt Krankenschwester Jutta Voigt.
           er pflegerische Umgang mit Menschen, die an                      »Den Patienten mit Ruhe und Zeit zu begegnen,

D
           Parkinson erkrankt sind, stellt besondere Her-       ist enorm wichtig für den Verlauf der Therapie.« Die Parkin-
           ausforderungen an das Pflegepersonal. In der         sonassistentinnen nehmen sich deshalb viel Zeit für die Pa-
           Neurologischen Klinik Sorpesee arbeiten deshalb      tienten, um beispielsweise auf eine pünktliche Medikamen-
           speziell ausgebildete Parkinsonassistentinnen        tengabe zu achten. Das hört sich für Laien möglicherweise
(pass). Die pass sind nicht nur eine wertvolle Unterstüt-       banal an, ist aber entscheidend für eine erfolgreiche Behand-
zung für die Patienten, sondern auch für die behandelnden       lung. Denn gerade bei Parkinson ist es äußert wichtig, die
Neurologen. Parkinsonassistentinnen erklären den Betroffe-      Medikamente immer zur gleichen Tageszeit einzunehmen.
nen alles Wichtige rund um ihre Erkrankung und sinnvolle        Schon Schwankungen von +/- 15 Minuten können sich nega-
Therapieschritte, sie zeigen, wie man bestimmte therapeuti-     tiv auf die Behandlung auswirken.
sche Maßnahmen auch zu Hause vornimmt, und schulen die
pflegenden Angehörigen.
                                                                Interdisziplinärer Austausch für
     Jutta Voigt ist stellvertretende Pflegedienstleitung und
seit fünf Jahren in der Neurologischen Klinik Sorpesee. Ihre
                                                                maximale Therapiequalität
Kollegin Jessica Middel, ausgebildete Gesundheits- und          »Wir legen hier in der Klinik aber nicht nur viel Wert auf
Krankenpflegerin, ist seit zwei Jahren im Team. Die beiden      immer aktuelles Fachwissen, sondern fördern auch den
und vier weitere Kolleginnen haben die Zusatzausbildung in      interdisziplinären Austausch«, erklärt Jessica Middel. »Jede
der Parkinsonassistenz absolviert. Diese besondere Qualifi-     Woche findet eine Teamsitzung mit den verschiedenen
kation ist in neurologischen Kliniken bislang nicht selbst-     Disziplinen statt. Dort lernen dann zum Beispiel die Physio-
verständlich, gleichwohl ein großer Gewinn für die Parkin­      therapeuten, dass man L-Dopa nicht mit Joghurt einnimmt,
sontherapie.                                                    und entwickeln ein Verständnis dafür, dass wir Pflegenden
                                                                auch während der Gruppengymnastik darauf bestehen, dass
                                                                die Patienten pünktlich ihre Medikamente einnehmen.«
PASS: Zusatzqualifikation für eine
                                                                     Umgekehrt bekommen auch die Pflegekräfte von den
optimale Betreuung                                              Therapieteams wichtige Impulse für ihre Arbeit. »Wenn die
Denn Parkinson ist nicht gleich Parkinson. Die Erkrankung       Physiotherapeuten beispielsweise eine Fortbildung in der
verläuft bei jedem Betroffenen etwas anders, Symptome           Bobath-Therapie bekommen, geben sie das neue Wissen
und Geschwindigkeit des Fortschreitens können variieren.        auch in die Teams der anderen Disziplinen weiter«, erzählt
Vor allem die sogenannten atypischen Parkinsonsyndrome          Jutta Voigt. »Das ist für alle ein Gewinn – letztlich natürlich
werden in der Berufsausbildung in der Gesundheits- und          besonders auch für die Patienten, die von der engen fachli-
Krankenpflege kaum gelehrt. Durch die Weiterbildung zur         chen Vernetzung hier im Klinikteam profitieren.«

14mittelpunkt
Multimodale Parkinson-
Komplexbehandlung

          ie Parkinson’sche Krankheit (oder fachsprachlich:

D
          Morbus Parkinson) gehört bis heute zu den nicht
          heilbaren Erkrankungen. Früh genug erkannt,
          lässt sich Morbus Parkinson jedoch mit modernen
          Thera­pien gut behandeln, sodass das Fortschreiten
der Erkrankung gebremst und die Lebensqualität der Betrof-
fenen lange erhalten werden kann. In der Neurologischen
Klinik Sorpesee wird dazu seit einiger Zeit erfolgreich die
Multimodale Komplexbehandlung eingesetzt.

Multimodale Therapie:
mehr als nur Medikamente
Die Multimodale Komplexbehandlung verbindet eine medi-
kamentöse Therapie mit Elementen aus Physiotherapie und
Physikalischer Therapie, Sport- und Ergotherapie, Neuro­
psychologie und Logopädie. Der Therapieplan wird immer
                                                               Individueller Therapieplan
individuell zusammengestellt und richtet sich nach den
Bedürfnissen des einzelnen Patienten und nach dem Schwe-       Sobald die Medikation optimal eingestellt ist, wird die medi-
regrad bzw. dem Stadium der Erkrankung.                        kamentöse Therapie durch weitere Therapiemodule ergänzt.
     Zunächst wird die aktuelle Medikation des Patienten       Für jeden Patienten wird ein individueller Therapieplan
durch einen neurologischen Facharzt überprüft und, wenn        zusammengestellt, der sich nach dem jeweiligen Stadium
nötig, angepasst. Zum Einsatz kommt oft das Medikament         der Erkrankung, den Fähigkeiten und Bedürfnissen des
L-Dopa, das den Mangel an Dopamin in den betroffenen           einzelnen Patienten richtet. Zum Einsatz kommen kran-
Nervenzellen ausgleicht. L-Dopa wird meist in Tabletten-       kengymnastische Therapien, Sprech- und Schlucktrainings
form verabreicht und im Körper durch ein bestimmtes            sowie ergotherapeutische Sitzungen. Die wöchentliche The-
Enzym in Dopamin umgewandelt. Darüber hinaus kann              rapiezeit während des Klinikaufenthalts beträgt in der Regel
Dopamin auch durch eine sogenannte Pumpentherapie              mindestens 7,5 Stunden.
verabreicht werden. Diese Methode wird insbesondere                 Das besonders geschulte Pflegepersonal (ausgebildete
dann verwendet, wenn die Parkinson-Erkrankung bereits          Parkinsonassistenten) unterstützt durch eine aktivierend-
fortgeschritten ist. Mithilfe einer kleinen, tragbaren Pum-    thera­peutische Pflege, erstellt gemeinsam mit dem Patienten
pe wird ein Medikament (L-Dopa oder Apomorphin) durch          Bewegungsprotokolle und steht jederzeit beratend zur Seite.
eine Kanüle im Bauchbereich unter die Haut ins Fettgewebe      So wird einerseits eine lückenlose medikamentöse Versor-
gegeben. Diese elektrische Pumpe ermöglicht eine exakte in-    gung und andererseits auch die Weitergabe von wichtigen
dividuelle Einstellung der Medikation und gibt das Präparat    Informationen an Angehörige und/oder den häuslichen Pfle-
dann automatisch kontinuierlich ab. So ist insbesondere bei    gedienst gewährleistet. Die Dauer der Therapie wird in den
hohen Medikationen im Vergleich zu Tabletten eine gleich-      ersten Tagen des Klinikaufenthalts in Absprache mit dem
mäßige Wirkung gewährleistet.                                  behandelnden Arzt festgelegt. In aller Regel erstreckt sich
                                                               die stationäre Komplexbehandlung über etwa drei Wochen.

                                                               ÜBRIGENS: Die Einweisung in die neurologische Klinik
                                                               erfolgt durch den Hausarzt oder den behandelnden Neu-
                                                               rologen. Spezielle Anträge bei der Krankenkasse sind nicht
                                                               erforderlich.

Sonderausgabe                                                                                                           15
Und plötzlich hast
   du Parkinson!
   Psychologische Maßnahmen in der Parkinsonbehandlung

16mittelpunkt
»Wer aber weiß,
                                                                      wodurch Ängste
                                                                      ausgelöst werden,
             er an Parkinson denkt, hat meist                         der kann bewusst
W
             Menschen vor Augen, die sich kaum
             noch bewegen können, stark zittern                       gegen dieses Gefühl
             und auf Hilfe von anderen ange-
             wiesen sind. Daher ist die Diagnose
                                                                      angehen.«
Parkinson für den Betroffenen und sein Um-
feld meist ein Schock. Der drohende Verlust der
Selbstständigkeit löst viele negative Gefühle aus:
Ängste, Wut, Verzweiflung oder auch Verbitte-
rung. Diese Gefühle können eine ganze Lawine
an negativen Ereignissen mit sich ziehen. Hierzu
gehören Streitereien in der Familie, Rückzug aus
dem sozialen Umfeld und innere Resignation. De-       in psychologische Betreuung zu begeben. »Was
pressionen, Angst- und Schlafstörungen können         sollen denn die Nachbarn denken?« – So oder ähn-
die Folge sein.                                       lich lautet die häufige Begründung. Bei einem sta-
                                                      tionären Aufenthalt entfällt die Stigmatisierung
                                                      und die Patienten haben Gelegenheit, psychologi-
Bewusster Umgang mit der Angst
                                                      sche Hilfe in den Behandlungsplan zu integrieren.
Wenn Angst- und Panikattacken die Lebensquali-        Ist die erste Hürde genommen, wird es leichter,
tät mindern, kann eine Psychotherapie helfen, das     die Therapie auch ambulant fortzuführen.
Selbstwertgefühl wieder zu stärken. Vertrauens-            Bei Impulskontrollstörungen geht es vor al-
volle Gespräche mit einem geschulten Psychothe-       lem darum, zu lernen, wie man mit zwanghaftem
rapeuten stehen dabei an erster Stelle. »Für den      Verhalten und Impulsen umgeht. Natürlich kann
Patienten ist es hilfreich, zu erfahren, wie Angst    der Partner auch bei den Gesprächen mit einge-
funktioniert«, erläutert die Klinik-Psychologin Mi-   bunden werden. »Wichtig ist es, auf die individu-
riam Henke. »Deshalb diskutiere ich mit den Be-       ellen Probleme einzugehen und gemeinsam mit
troffenen darüber. Das Gefühl, chronisch erkrankt     dem Patienten Lösungen zu entwickeln, die auf
zu sein und keinerlei Aussicht auf Heilung zu ha-     sein persönliches Umfeld zugeschnitten sind«,
ben, nimmt vielen Betroffenen die Luft. Wer aber      erklärt die Psychologin.
weiß, wodurch Ängste ausgelöst werden, der kann
bewusst gegen dieses Gefühl angehen.« Bestimm-
                                                      Gruppentherapie sorgt für
te (z. B. ängstliche) Verhaltensweisen können eine
Angststörung begünstigen. Erfahrene Psychothe-
                                                      ­Entspannung
rapeuten können solche Denk- und Verhaltens-          Bei einer chronischen Erkrankung ist der psychi-
muster aufdecken und gezielt dabei helfen, andere     sche Druck außerordentlich hoch. Körper und
Denk- und Verhaltensweisen zu erlernen.               Geist sind unter ständiger Anspannung. Eine
                                                      strukturierte Gruppentherapie kann hier gegen-
                                                      steuern. Ein wichtiges Ziel der psychotherapeuti-
Leiden, über die man nicht spricht
                                                      schen Gruppentherapie ist es, die psychosoziale
Eine der Nebenwirkungen von Parkinson-Medi-           Kompetenz der Betroffenen zu erhalten. Klassi-
kamenten kann der Verlust der Impulskontrolle         sche Entspannungstechniken und Körpergefühls-
sein. Betroffene entwickeln dann ein Suchtver-        schulungen sind eine Möglichkeit im Umgang
halten. Dazu zählen Spielsucht, das Kramen und        mit Stress und können bei der Verbesserung der
Sortieren von Gegenständen und Hypersexuali-          Stress­toleranz helfen.
tät. Die meisten Menschen, die unter einer Sucht
leiden, trauen sich nicht, darüber zu sprechen        FAZIT: In Umfragen zur Lebensqualität von Par-
– insbesondere die Hypersexualität ist oft ein        kinson-Patienten gehören Depressionen, Angst-
absolutes Tabuthema. Das führt dazu, dass die         zustände oder Suchtverhalten unabhängig von
Betroffenen und deren Partner sich völlig allein      der motorischen Behinderung zu den wichtigs-
gelassen fühlen und immer tiefer in die Sucht         ten beeinträchtigenden Faktoren. Diese zu erken-
hineinrutschen. Konflikte sind dann vorprogram-       nen und psychotherapeutisch zu behandeln, ist
miert. Häufig sind Schamgefühl und schlechtes         deshalb für die erfolgreiche Gesamt-Therapie
Gewissen sehr groß. Auch wenn psychologi-             eines Parkinson-Patienten von besonderer Wich-
sche Hilfe notwendig ist, fällt es schwer, sich       tigkeit.

Sonderausgabe                                                                                             17
Ein Tag in der
Neurologischen
Klinik Sorpesee
                                                                               19:00 Uhr
                                                                                Pflegerische Versorgung
                                                                                 zur Abendpflege

                            17:30 Uhr             Abendessen

AU F N A H M E
                                                                     12:45 –
                                                                     17:00 Uhr
Nachdem Sie telefonisch einen Aufnahmetermin vereinbart
haben, benötigen Sie für Ihren stationären Aufenthalt folgende
Unterlagen:
•	die Einweisung Ihres behandelnden Arztes                          Ärztliche Visiten, neurophysiologische/
                                                                     radiologische Unter­suchungen und
•	Versicherungskarte, ggf. auch für die Zusatzversicherung
                                                                     individuelles Therapieprogramm.
•	Arztberichte, Vorbefunde und aktueller Medikamentenplan
•	alle bereits vorhandenen medizinischen Unterlagen von Vor­
   untersuchungen (z. B. MRT-, CT-, Röntgenaufnahmen)
•	falls vorhanden: Vorsorgevollmacht, Unterlagen über gesetzliche
   Betreuung

AU F N A H M EG E S P R ÄC H U N D
ERSTUNTERSUCHUNGEN
Nach der Anmeldung werden Sie in Ihr Zimmer begleitet. Im An­
schluss finden nacheinander die ärztliche, die pflegerische und
die therapeutische Befundaufnahme statt. Ihre Untersuchungs­
ergebnisse werden dann in einer Teambesprechung mit Ärzten,
Therapeuten, Pflegekräften und der Psychologin besprochen und
ein individueller Therapieplan für Sie erarbeitet.

W I C H T I G : Am Aufnahmetag melden Sie sich bitte morgens ab
8:00 Uhr an der Patientenaufnahme. Dort erhalten Sie weitere In­
formationen zu Ihrem Klinikaufenthalt.

18mittelpunkt
Ab 6:30 Uhr
             Pflegerische Versorgung: Falls notwendig,
                 erhalten Sie Unterstützung durch das
                   Pflegepersonal bei der Grundpflege.
           Erfassung von Vitalwerten und Ausgabe von
                                       Medikamenten.

                                                                        7:00 Uhr
                                                                        Frühstück

                                                                               7:15 –
                                                                               12:00 Uhr
                                                                               Ärztliche Visiten, neurophysiologische
                                                                               und radiologische Unter­suchungen und
                                                                               individuelles Therapieprogramm.

                                                         8:00 Uhr
                                                         Blutentnahme

                  12:00 –
                  12:45 Uhr
                    Mittagessen

Sonderausgabe                                                                                                          19
20mittelpunkt
                 Foto: Tyromotion
Hochmoderne Ergotherapie am Sorpesee

Mit Schwung
zurück in den Alltag

                                                                      je nach Übung mehrere Personen gleichzeitig trai-
                                                                      nieren; so kann sogar die Förderung der Interakti-
                                                                      onsfähigkeit Teil der Therapie am myro sein.
                                                                           Neben der Förderung der Bewegungskon­
                                                                      trolle kann mithilfe integrierter Sensoren, die auf
                                                                      Druck und Zug reagieren, auch an der Kraftdosie-
                                                                      rung gearbeitet werden. Das Gerät erkennt zudem
                              iele neurologische Erkrankungen,        anhand integrierter Sensoren auch reale Objekte

                 V
                              etwa Parkinson oder besonders auch      wie zum Beispiel eine Tasse, einen Ball oder eine
                              ein Schlaganfall, führen zu moto-       Münze. So können Patienten auch mit diesen
                              rischen Problemen und Ausfällen:        Alltagsgegenständen Bewegungen trainieren.
                              Unsicherheit beim Gehen, Störungen      Auch zum Training der Grafomotorik – die Fein-
                 der Körperhaltung und Einschränkungen in der         motorik, die für die Bewegungen zum Schreiben
                 Motorik bei alltäglichen Bewegungen sind typi-       gebraucht wird – eignet sich das myro hervorra-
                 sche Symptome. Um hier gegenzusteuern und            gend. Mit einem Stift kann der Patient auf dem
                 für den Alltag wichtige Bewegungsabläufe ganz        Therapietisch Schreibbewegungen üben. So lässt
                 gezielt zu trainieren, ist eine Ergotherapie immer   sich nicht nur das Schriftbild verbessern, sondern
                 fester Bestandteil der neurologischen Therapie.      auch das Halten des Stifts und die Kraftdosierung
                 Sie leistet einen enorm wichtigen Beitrag, wenn      beim Schreiben können trainiert und verbessert
                 es darum geht, die Alltagskompetenz und damit        werden.
                 die Lebensqualität der Betroffenen wiederzuer-
                 langen bzw. möglichst lange auf hohem Niveau zu
                                                                      PABLO: Training für Koordination,
                 halten.
                      Das Therapiezentrum der Neurologischen
                                                                      Handkraft und Greiftechniken
                 Klinik Sorpesee ist kürzlich mit drei neuen, hoch-   Das pablo-System besteht aus einem Bildschirm
                 modernen Geräten für die Ergotherapie ausge-         und einer Art Lenker mit Ellenbogenablage (siehe
                 stattet worden: myro, pablo und tymo lauten          Abbildungen). Es wird hauptsächlich für die För-
                 die etwas kryptisch anmutenden Bezeichnungen         derung der motorischen Funktionen und Fähig-
                 der digitalen Ergotherapiegeräte. Sie wurden spe-    keiten im Rahmen der neurologischen Rehabilita-
                 ziell für Patienten mit Defiziten der motorischen    tion (z. B. Frühreha nach Schlaganfall) eingesetzt.
                 Funktion, der Konzentration, der selektiven und      Neben Übungen zur Beweglichkeit und zur
                 der visuell-räumlichen Wahrnehmung entwickelt.       Kraftkon­trolle können an diesem Gerät die Koor-
                                                                      dination sowie einzelne motorische Fähigkeiten
                                                                      und Bewegungsabläufe gezielt trainiert werden.
                 MYRO: Training der Motorik
                                                                      Auch ein gezieltes Training aller Greifarten und
                 Das myro ist ein computergestützter, höhen-          der Handkraft ist mit dem pablo möglich. Dazu
                 verstellbarer und zu neunzig Grad kippbarer          verfügt das Gerät über verschiedene Sensoren,
                 Therapietisch, der für die motorische Therapie       die sich kabellos via Bluetooth mit dem Gerät
                 der oberen Extremitäten (Arme, Hände, Finger)        ­verbinden.
                 eingesetzt wird. Neben motorischen Übungen
                 eignet sich dieses Gerät aber auch für kognitives
                 und visuelles Training. Am Therapietisch können

Sonderausgabe                                                                                                        21
Foto: Tyromotion
Neben der Hauptfunktion als Trainingsgerät bie-       die durch eine Parkinsonerkrankung oder einen
tet sich das pablo auch als praktisches Tool für      Schlaganfall gestört sein können, werden so ver-
die optimale Evaluierung des Therapieverlaufs         bessert. Durch eine stabile Körperhaltung und
an. Genau wie beim myro speichert die Software        verbesserte Reaktionen fühlt sich der Patient wie-
des pablo alle individuell gewählten Einstellun-      der sicherer auf den Beinen, und die Sturzgefahr
gen und den Therapiefortschritt in der jeweiligen     wird deutlich reduziert.
Patientendatei. Ist die Therapie abgeschlossen,
wird ein detaillierter Abschlussbericht über den
                                                      Moderne Technik für moderne
gesamten Therapieverlauf erstellt. So ist für Ärzte
und Therapeuten ganz genau nachvollziehbar,
                                                      Therapiemethoden
wie die Therapie verlaufen ist, wo der Patient        In der Therapie bei Morbus Parkinson kommt
besonders starke Fortschritte gemacht hat und wo      es darauf an, dem Fortschreiten der typischen
ggf. noch weiterer Behandlungsbedarf besteht.         Symptome – Fehlhaltungen, Zittern, Bewegungs-
                                                      verlangsamung, Steifheit, Gleichgewichtsstörun-
                                                      gen und Nachlassen der Gedächtnisfunktionen
TYMO: Gleichgewichtstraining für
                                                      – entgegenzuwirken. Dauer, Verlauf und Inhalte
­weniger Sturzgefahr                                  der Therapie werden grundsätzlich individuell
Das dritte Ergotherapiegerät, das tymo, sieht         auf das jeweilige Krankheitsbild und -stadium
auf den ersten Blick ähnlich aus wie eine Perso-      des Patienten angepasst. Die Trainingsprogram-
nenwaage: eine elektronische Platte, die auf den      me, die die neuen Therapiegeräte myro, pablo
Boden gelegt wird und auf die man sich mit den        und tymo ermöglichen, eignen sich optimal für
Füßen stellt. Im Gegensatz zu den ersten beiden       eine effektive und individuelle Gestaltung der
Geräten wird das tymo also nicht zum Training         Ergotherapie bei Morbus Parkinson und in der
im Bereich der Arme und Hände genutzt, sondern        Frührehabilitation nach einem Schlaganfall. Die
hier handelt es sich um ein Gerät zur Analyse und     technisch hochentwickelten Systeme tragen in
Verbesserung des Gleichgewichtssinns. Durch           hohem Maße zur Steigerung der Therapieerfolge
Sensoren an der Oberfläche erkennt das Gerät          bei. Durch die teils spielerische Gestaltung der
kleinste Gewichtsverlagerungen, sodass ein inten-     Trainingsprogramme macht die Ergotherapie zu-
sives Gleichgewichtstraining ermöglicht wird.         dem richtig Spaß und ist sehr motivierend für die
                                                      Patienten. Mit dieser neuen Geräteausstattung ist
Ziele des Gleichgewichtstrainings sind zum einen      die Ergotherapie der Neurologischen Klinik Sor-
eine Verbesserung der Rumpfaufrichtung und            pesee absolut modern aufgestellt.
Rumpfsymmetrie und zum anderen eine verbes-
serte Körperwahrnehmung hinsichtlich der phy-
siologischen Haltung. Gleichgewichtsreaktionen,

22mittelpunkt
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Deutsche Parkinson Vereinigung e. V.

Mitglied in einer
Selbsthilfegruppe!?
           elbsthilfegruppe? – Nein danke, das ist nichts für        Eine Gemeinschaft, in der jeder jeden kennt, man sich

S
           mich.« »Was soll ich denn da?« »Dort wird doch        gegenseitig hilft und stützt, kann zudem entscheidend dazu
           nur Kaffee getrunken und Kuchen gegessen.« »Ich       beitragen, krankheitsbedingt schwierige Lebenssituationen
           hole mir die Informationen aus dem Internet!« So      besser zu meistern und weiter aktiv am Leben teilzunehmen.
           oder so ähnlich klingen oft die Reaktionen, wenn
man Erkrankte oder Angehörige auf eine Mitgliedschaft in
                                                                 Individuelle Vorteile durch dPV-Mitgliedschaft
einer Selbsthilfegruppe anspricht. Aber ist das richtig? Hilft
tatsächlich zum Beispiel das Internet bei der Krankheitsbe-      Darüber hinaus gibt es noch eine ganze Reihe praktischer
wältigung?                                                       Vorteile, die an eine Mitgliedschaft in der Deutschen Parkin-
                                                                 son Vereinigung geknüpft sind:

Informationen austauschen,
                                                                 • Individuelle ärztliche Beratung
Erfahrungen teilen                                               • Individuelle psychologische Betreuung
Selbsthilfegruppen dienen in erster Linie dem Informations-      • Individuelle juristische sozialrechtliche Beratung
und Erfahrungsaustausch von Betroffenen und Angehö-                und Betreuung
rigen, der praktischen Lebenshilfe und der gegenseitigen         • Teilnahme an Sportgruppen als Ergänzung zur
emotionalen Unterstützung und Motivation. Natürlich                medikamentösen Behandlung
haben sich in den zurückliegenden Jahren die Wege der            • Regelmäßige Information über Vorträge und
Informationsbeschaffung verändert. Neue technische Mög-            Veranstaltungen
lichkeiten haben in erheblicher Weise mit dazu beigetragen.      • Informationen zu medizinischen Neuerungen
Doch es ist eine einseitige Information – die zudem oft un-        aus Forschung und Lehre
geprüft und ungefiltert verbreitet wird. Gerade wenn es um       • Eine engagierte und patientenorientierte Interessen­
Erkrankungen geht, sind oft die Symptome, Probleme und             vertretung
Erfahrungen ganz individuell. Hier sind verallgemeinerte In-
formationen meist nicht zielführend. Gegenseitige emotio-        In der heutigen politischen Landschaft ist es für chronisch
nale Unterstützung, Motivation, sich den unterschiedlichen       kranke Menschen besonders wichtig, auf ihr gesundheit-
Symptomen der Krankheit zu stellen und Austausch über            liches Schicksal hinzuweisen und gemeinsame Interessen
verschiedene Ansätze, die Lebensqualität so lange wie mög-       zu definieren und durchzusetzen. Nur ein starker Verband
lich zu erhalten – all dies kann nur der zwischenmenschli-       kann dies gewährleisten. Die dPV steht Ihnen in allen ge-
che Austausch leisten.                                           nannten Belangen zur Verfügung und lädt Sie herzlich ein,
                                                                 sich einmal intensiver mit einer möglichen Mitgliedschaft
                                                                 auseinanderzusetzen. Sprechen Sie uns gerne jederzeit un-
Das soziale Umfeld stärken
                                                                 verbindlich an.
Selbsthilfegruppen sind aber noch mehr, gerade bei einer
chronischen Erkrankung wie Morbus Parkinson. Viele Pati-
enten haben krankheitsbedingt die Tendenz, sich von ihrem
sozialen Umfeld zu trennen, Gesellschaften zu meiden oder
andere Kontakte einzuschränken. Eine Gemeinschaft, in
der man sich wohlfühlt, wo man sich seiner Einschränkun-
gen nicht zu schämen braucht und keiner unverständlich
schaut, wenn man den Kaffee mit dem Strohhalm trinkt, ist
ein Mehr an Lebensqualität, das viele Patienten und Ange-
hörige vermissen und im Rahmen der Krankheitsbewälti-
gung suchen und dringend brauchen.
                                                                         Deutsche Parkinson Vereinigung e. V.
                                                                         Telefon: 02131 / 740 270
                                                                         www.parkinson-vereinigung.de

Sonderausgabe                                                                                                              23
PARKINSON
            Geschichte einer Krankheit

                                                        17. Jh.
                                                        Im 17. Jahrhundert ­differenzierte
                                                        Franciscus Sylvius erstmalig zwi­
                                                        schen Ruhe- und Intentionstremor.

1500 – 1000                                                                  1828
v. Chr.                                                                      Wilhelm von Humboldt, der preußische Universalge­
                                                                             lehrte, Humanist, Staatstheoretiker, Bildungsrefor­
Die ersten Hinweise auf Morbus Parkinson                                     mer und Diplomat, beschrieb ab 1828 bis zu seinem
finden sich in überlieferten ayurvedischen                                   Tode akribisch als Erster die typischen Symptome
Schriften aus den Jahren 1500–1000 v. Chr.                                   wie Tremor, dann Rigor und ­Akinese sowie Mikrogra­
Dort wird von einer Erkrankung mit Sym­                                      phie und gebeugte Haltung. Er brachte diese Symp­
ptomen wie Zittern, Steifheit und Bewe­                                      tome nicht mit einer Krankheit in Verbindung. Dass
gungsstörungen berichtet.                                                    er selbst an M. Parkinson litt, steht aufgrund seiner
                                                                             Aufzeichnungen mittlerweile fest.

            300 – 200                                                                 1867
            v. Chr.                                                                   Die erste medikamentöse Therapie wur­
                                                                                      de von Ordenstern 1867 eingeleitet, der
            Auch griechische und römische medizi­                                     Belladonna-Präparate verwendete, die
            nische Schriften aus dem 3. und 2. Jh. v.                                 bis Ende des 2. Weltkrieges die einzi­
            Chr. weisen auf Krankheiten mit Zittern                                   ge Therapie für diese Erkrankung blieb.
            und Bewegungsstörungen hin.                                               Erst 1919 entdeckte der Mediziner Kons­
                                                                                      tantin N. Tretiakoff, dass krankhafte Ver­
                                                                                      änderungen in einem bestimmten Gehir­
                                                                                      nareal, der sogenannten Substantia nigra
                                                                                      (schwarze Substanz), Auslöser der Er­
                                                                                      krankung sind.

                                                                 1817
                                                                 Der Namensgeber der Parkinson­
                                                                 erkrankung wurde der Londoner Arzt
                                                                 und Apotheker James Parkin­son, der
                                                                 1817 eine Abhandlung über Schüttel­
                                                                 lähmung – »Essay on the Shaking
                                                                 Palsy« – veröffentlichte.

24mittelpunkt
2000
                                                        Als im Jahre 2000 der schwedische Pharmako­
                                                        loge Arvid Carlsson, der auch an der Aufklärung
                                                        der Rolle des Dopamins als Neuro­transmitter

   1884                                                 gearbeitet hatte, zusammen mit Eric Kandel
                                                        und Paul Greengard den Nobelpreis für Physio­
                                                        logie oder Medizin »für die Entdeckungen be­
   Professor Jean Marie Charcot war                     treffend der Signalübertragung im Nervensys­
   der Erste, der 1884 der Krank­                       tem« erhielt, verursachte die Entscheidung des
   heit den Namen Morbus Parkinson                      Nobel-Komitees Protest. Avid Carlsson hat­
   (»Maladie de Parkinson«) gab.                        te im Labor herausgefunden, dass das Fehlen
                                                        von Dopamin bei Kaninchen und Mäusen Par­
                                                        kinson-Symptome auslöst. Allerdings war es die
                                                        Wiener Gruppe rund um Oleh Hornykiewicz, die
                                                        die wesentlichen Forschungen am menschli­
                                                        chen Gehirn durchgeführt hatte, die für die Ent­
                                                        wicklung der Medikamente ausschlaggebend
                                                        waren. Obwohl Hornykiewicz einige Male vorge­
                                                        schlagen wurde, erhielt er den Nobelpreis nicht.

                   1960                                                     Gegenwart
                   Anfang der 60er Jahre wurde dann der                     Die heutige Kombinationstherapie mit
                   biochemische Hintergrund des Parkin­                     weiteren Gegenmitteln (Dopamin-Ago­
                   sons aufgedeckt: der Mangel am Boten­                    nisten, mao-b-Hemmer, comt-Hemmer,
                   stoff Dopamin. Herbert Ehringer und Oleh                 nmda-Antagonisten) hat die Lebenser­
                   Hornykiewicz stellten als Erste den ver­                 wartung und insbesondere auch die Le­
                   minderten Dopamingehalt in den Ba­                       bensqualität der Patienten grundlegend
                   salganglien des Hirnstammes bei ver­                     verbessert.
                   storbenen Parkinson-Patienten fest und
                   bereiteten so den Weg zu der noch heu­
                   te eingesetzten L-Dopa-Therapie. Die Ein­
                   führung der L-Dopa-Ersatztherapie ist
                   eng mit den Namen Walter Birkmayer und
                   André Barbeau verknüpft. Birkmayer, da­
                   mals Leiter der neurologischen Abteilung
                   im Krankenhaus Linz, behandelte zusam­
                   men mit Hornykiewicz erstmals 20 Wie­
                   ner Patienten intravenös mit L-Dopa.

Sonderausgabe                                                                                                       25
Frühmorgendlicher Blick vom knapp
1000 m hohen Hohenpeißenberg auf
die oberbayerische Alpenkette.

26mittelpunkt
So lange
                      wie möglich
                     ein »normales«
                      Leben leben
                  Parkinson hat viele Gesichter. Den Münchner Michael von
                 Ferrari traf die Diagnose, als er 53 Jahre alt war. Im folgenden
                   Interview schildert er seine persönlichen Erfahrungen im
                                    Umgang mit der Krankheit.

Sonderausgabe                                                                      27
Links: Die Faszi­
                                                                                                            nation der Kugel –
                                                                                                            ­Gebannte Gesichter
                                                                                                             bei der Deutschen
                                                                                                             Pétanque-Meister­
                                                                                                             schaft in München.

                                                                                                            Rechts: »Käpt’n«
                                                                                                            Ferrari am Gardasee.

                                                                     Mindestens ebenso wichtig waren für mich die Kontakte
                                                                mit anderen Patienten: Ich erlebte eine außergewöhnliche
                                                                Offenheit, auch bei älteren Menschen, die mich sehr berühr-
                                                                te. So stellte sich bei manchen sehr schnell eine Vertrautheit
WANN WURDE BEI IHNEN PARKINSON DIAGNOSTIZIERT? Im               ein, die absolut anrührend war, und die allen, die sich öffnen
Frühjahr 2012, im Alter von 53 Jahren und damit relativ früh.   konnten, gut getan hat. Die Freundlichkeit und Hilfsbereit-
                                                                schaft des Personals war hervorragend.
WIE WAR IHRE ERSTE REAKTION UND WIE HAT DIE KRANK­                   Bei den Ärzten hatte man auch das Gefühl, nicht eine
HEIT IHR LEBEN BEEINFLUSST? Im ersten Moment war ich            Nummer zu sein, sondern jeder Patient wurde als Individu-
schockiert, aber ich konnte mir noch relativ wenig unter der    um wahrgenommen und mit all seinen ihm eigenen Facet-
Krankheit und ihren Folgen vorstellen. Dann habe ich den        ten der Krankheit.
Austausch mit anderen Erkrankten gesucht und besuchte
mehrfach monatliche Treffen von Selbsthilfegruppen. Dort        WAREN SIE IN EINER REHA- ODER AKUTKLINIK UND GAB ES
lernte ich einen sehr sympathischen Arzt der relativ kleinen    PROBLEME MIT DEN LEISTUNGEN DER KRANKENKASSE?
Schön-Klinik in München-Schwabing kennen, die sich vor          Diese Klinik ist nicht die klassische Reha-Klinik, sie ist mehr
allem auf Parkinson-Behandlungen spezialisiert und mir          eine Akutklinik. Zu diesem Zeitpunkt, Anfang des Jahres,
sehr weitergeholfen hat.                                        ging es mir nicht gut. Meine Mobilität war eingeschränkt.
                                                                Allerdings konnte ich nach wie vor Rad fahren und so fuhr
WIE WERDEN SIE BEHANDELT UND IN WELCHEM STADIUM                 ich auch mit dem Rad in die Klinik. Nachdem ich in die
SIND SIE NUN? Noch habe ich das Glück, in der sogenannten       Klinik eingewiesen wurde, ging alles ganz schnell. Hätte ich
»Honeymoon-Phase« zu sein. Das bedeutet, dass die Aus-          eine Reha beantragt, wäre diese möglicherweise abgelehnt
wirkungen der Krankheit auf die Kontrolle von Bewegungen        worden.
und die Beweglichkeit des Körpers insgesamt von Außenste-
henden noch als (relativ) normal empfunden werden, dank         WENN SIE DIE CHANCE HÄTTEN, IM GESUNDHEITSWESEN ET­
der Medikamente, wohlgemerkt.                                   WAS ZU ÄNDERN, WAS WÜRDEN SIE ALS ERSTES ANGEHEN?
      Ohne eine Vervierfachung (!) meiner Dopamin-Zufuhr,       Ich würde alternativen Behandlungsmethoden mehr Raum
die mir von den Klinikärzten im Februar verschrieben wur-       geben. Es macht mich stutzig, dass in Deutschland viel öfter
de, würde es mir wesentlich schlechter gehen. Das Zittern,      als in vergleichbaren anderen Ländern operiert wird. Na-
insbesondere in Stresssituationen, hatte mir in den Vor-        türlich nicht bei Parkinson. Außer bei dieser Spezial-OP am
jahren in manchen Situationen sehr zu schaffen gemacht.         Gehirn.
Einmal musste ich vor ca. 400 Schülern und Lehrern eine              Ich erlebe im Freundes- und Bekanntenkreis, dass es
kurze Rede halten; meine Hand, mit der ich das Mikro hielt,     ganz schwer ist, eine Reha genehmigt zu bekommen. Auch
zitterte wie Espenlaub. Ich merkte, dass daher einige Schüler   bei Menschen, die es dringend nötig haben und in ihrem
irritiert schauten und viele tuschelten. Da sprach ich meine    Leben noch nie eine Kur gemacht haben. Das wird viel zu
Krankheit offen an. Und siehe da: Sie wurden ruhiger und        streng und zu wenig nachvollziehbar geregelt.
nahmen Rücksicht auf mich.

SIE HABEN SICH POSITIV ZU DEM KLINIK­AUFENTHALT GEÄU­
SSERT. WAS HAT IHNEN BESONDERS GEFALLEN UND BESON­
DERS GUT GETAN? Gut getan hat mir zum einen, dass ich
eine Auszeit von der »Mühle« des alltäglichen Stress hatte.
Ich konnte viel spazieren gehen, radelte viel durch Mün-
chen, entdeckte neue Stadtteile …

28mittelpunkt
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