ÖSTERREICHISCHE AUSGABE - Daten und Fakten zu Giften in der Landwirtschaft - Global 2000

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ÖSTERREICHISCHE AUSGABE - Daten und Fakten zu Giften in der Landwirtschaft - Global 2000
Daten und Fakten zu Giften in der Landwirtschaft         2022

                                        ÖSTERREICHISCHE AUSGABE
ÖSTERREICHISCHE AUSGABE - Daten und Fakten zu Giften in der Landwirtschaft - Global 2000
IMPRESSUM
Die österreichische Ausgabe des PESTIZIDATLAS 2022 ist ein Kooperationsprojekt der Heinrich-Böll-Stiftung, Berlin,
und der Umweltschutzorganisation GLOBAL 2000.

Inhaltliche Leitung:
Basisausgabe: Christine Chemnitz, Heinrich-Böll-Stiftung (Projektleitung)
Katrin Wenz, Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e. V.
Susan Haffmans, Pestizid Aktions-Netzwerk e. V.
Österreichische Beiträge: Dagmar Gordon, GLOBAL 2000

Projektmanagement, Grafikrecherche: Martin Eimermacher
Art-Direktion und Herstellung: Martina Puchalla, STOCKMAR+WALTER Kommunikationsdesign

Textchefin: Carina Book
Dokumentation und Schlussredaktion: Carina Book, Martin Pfaffenzeller

Mit Originalbeiträgen von Johanna Bär, Ulrike Bickel, Wolfgang Bödeker, Silke Bollmohr, Carsten Brühl,
Helmut Butscher-Schaden, Christine Chemnitz, Henrike von der Decken, Thomas Durstberger, Dave Goulson,
Susan Haffmans, Johannes Heimrath, Falk Hilliges, Kristina L. Hitzfeld, Heike Holdinghausen, Carla Hoinkes,
Jan Koschorreck, Dominic Lemken, Layla Liebetrau, Dominik Linhard, Claudia Meixner, Martha Mertens, Alexandra Müller,
Moritz Nabel, Lars Neumeister, Anna Satzger, Achim Spiller, Katrin Wenz, Johann Zaller, Anke Zühlsdorf

Die Beiträge geben nicht notwendig die Ansicht aller beteiligten Partnerorganisationen wieder. Die Flächenfarben der
Landkarten zeigen die Erhebungsgebiete der Statistik an und treffen keine Aussage über eine politische Zugehörigkeit.

Titel: © Martina Puchalla

2. Auflage, Januar 2022

Österreichische Ausgabe:
Umweltschutzorganisation GLOBAL  2000
                              UWZ_Vermerk_GmbH_4C_Umweltzeichen_Vermerk.qxd               31.05.13 08:02 Seite 1
Geschäftsführung Agnes Zauner und René Fischer

                                                 gedruckt nach der Richtlinie „Druckerzeugnisse“
                                           des Österreichischen Umweltzeichens
Druck: Druckerei Janetschek GmbH, 3860 Heidenreichstein.   Ausgezeichnet mit dem Österreichischen
                                           Druckerei Janetschek GmbH · UW-Nr. 637
Umweltzeichen „Schadstoffarme Druckerzeugnisse“, UW-Nr. 637. Gedruckt auf 100 % Recyclingpapier.

                                               gedruckt nach der Richtlinie „Druckerzeugnisse“ des
                                               Österreichischen Umweltzeichens
                                               Druckerei Janetschek GmbH · UW-Nr. 637

                                               gedruckt nach der Richtlinie „Druckerzeugnisse“ des
Dieses Werk mit Ausnahme des Coverfotos steht     unter der Creative-Commons-Lizenz „Namensnennung – 4.0 international“ (CC BY 4.0).
                                               Österreichischen Umweltzeichens · Druckerei Janetschek GmbH · UW-Nr. 637
Der Text der Lizenz ist unter https://creativecommons.org/licenses/by/4.0/legalcode abrufbar.
Eine Zusammenfassung (kein Ersatz) ist unter https://creativecommons.org/licenses/by/4.0/deed.de nachzulesen.
Sie können die einzelnen Infografiken dieses Atlas  für eigene
                                                gedruckt        Zwecke
                                                          nach der         nutzen, wenn der Urhebernachweis
                                                                   Richtlinie
Pestizidatlas, Eimermacher/Puchalla, CC BY 4.0„Druckerzeugnisse“
                                                  in der Nähe der desGrafik steht (bei Bearbeitungen: Pestizidatlas, Eimermacher/Puchalla (M), CC BY 4.0.)
                                                 Österreichischen Umweltzeichens
                                                 Druckerei Janetschek GmbH · UW-Nr. 637

                                                  gedruckt nach
                                                  der Richtlinie „Druckerzeugnisse“ des
                                                  Österreichischen Umweltzeichens
                                   Druckerei Janetschek GmbH · UW-Nr. 637

Download: www.global2000.at/publikationen/pestizidatlas
ÖSTERREICHISCHE AUSGABE - Daten und Fakten zu Giften in der Landwirtschaft - Global 2000
PESTIZIDATLAS
  Daten und Fakten zu Giften in der Landwirtschaft

                       2022
ÖSTERREICHISCHE AUSGABE - Daten und Fakten zu Giften in der Landwirtschaft - Global 2000
INHALT

    02 IMPRESSUM                                        18 ZULASSUNGSVERFAHREN
                                                           GRÜNES LICHT FÜR RISIKEN
    06 VORWORT                                            Bevor Pestizide auf den Markt kommen,
                                                          durchlaufen sie einen Genehmigungsprozess,
                                                          in dem ihre Wirkungen getestet
                                                          werden. Die indirekten Folgen auf
                                                          Nahrungsketten und Biodiversität sowie
    08 ZWÖLF KURZE LEKTIONEN                              der schwer kalkulierbare Effekt von
       ÜBER PESTIZIDE IN DER                              Pestizidmischungen finden kaum Beachtung.
       LANDWIRTSCHAFT
                                                        20 GESUNDHEIT
    10 PESTIZIDE IN DER LANDWIRTSCHAFT                     SCHWERE FOLGEN
       GEFÄHRLICHE SUBSTANZEN                             385 Millionen Menschen erkranken
         Jedes Jahr geht auf der ganzen Welt              jährlich an Pestizidvergiftungen. Ein
         ein Teil der landwirtschaftlichen Produktion     internationaler Verhaltenskodex der
         durch Schädlingsbefall und                       Weltgesundheitsorganisation soll den
         Pflanzenkrankheiten verloren.                    weltweiten Umgang mit Pestiziden
         Pestizide sollen dagegen helfen. Dabei           verbessern und Vergiftungen
         verursachen sie neue Probleme.                   vermeiden. Doch weil gesetzliche
                                                          Regelungen fehlen, passiert wenig.
    12 KONZERNE
       GROSSE GESCHÄFTE                                 22 RÜCKSTÄNDE
         Der weltweite Pestizidmarkt wächst – und          DRAUF UND DRAN
         es sind nur eine Handvoll Konzerne,              Pestizidanwendung führt zu Rückständen
         die ihn untereinander aufteilen. Immer           in Lebensmitteln, denen vor allem
         stärker investieren sie in den Ländern           im globalen Süden viele Menschen
         des globalen Südens, wo Pestizide weniger        ausgesetzt sind. Belastete Ware aus
         streng reguliert werden.                         dem außereuropäischen Ausland,
                                                          wo weniger reguliert wird, landet als
    14 PESTIZIDEINSATZ IN ÖSTERREICH                      Import auch auf EU-Tellern.
       WAS VERRATEN DIE ZAHLEN
       – UND WAS NICHT?                                 24 ENDOKRINE DISRUPTOREN
         Österreich versäumt es, seine Pestizid-           KURZER KONTAKT
         belastung zu evaluieren. Aussagekräftige          MIT LANGZEITWIRKUNG
         Statistiken und gemeinsame                       Bereits kleinste Mengen von hormonell
         europäische Standards fehlen. Langfristige       wirksamen Chemikalien können
         Schutzmaßnahmen werden durch                     erheblichen Schaden anrichten: Sie
         diesen Mangel erschwert.                         führen zu Fortpflanzungsproblemen
                                                          und Fehlbildungen. Trotzdem handelt
    16 PESTIZIDEINSATZ IN DEUTSCHLAND                     die EU handelt nur zögerlich.
       WENIG VIELFALT,
       WENIG FORTSCHRITT                                26 BIODIVERSITÄT IN DEUTSCHLAND
         Seit 25 Jahren liegt in Deutschland               BEDROHTE VIELFALT
         der Absatz von Pestizidwirkstoffen auf           Seit Jahren warnen Fachleute: Auf
         relativ konstantem Niveau. Das                   Acker, Feld und Wiese geht in Deutschland
         bedeutet jedoch nicht, dass die                  die biologische Vielfalt verloren. Eine
         negativen Auswirkungen auf die                   der Ursachen ist der Einsatz von
         Umwelt konstant bleiben.                         Pestiziden.

4   PESTIZIDATLAS 2022
ÖSTERREICHISCHE AUSGABE - Daten und Fakten zu Giften in der Landwirtschaft - Global 2000
28 INSEKTENSTERBEN                                  40 KLEINBÄUERLICHE BETRIEBE
   EIN ÖKOLOGISCHES ARMAGGEDON                         NEUE MÄRKTE, ALTE PROBLEME
  Insekten bestäuben Blüten, bekämpfen                Auf dem afrikanischen Kontinent werden
  Schädlinge und sorgen für reichhaltige              deutlich weniger Pestizide eingesetzt
  Ernten. Seit langem schrumpfen ihre                 als in anderen Weltregionen. Dennoch
  Populationen dramatisch, was Mensch                 geraten die 33 Millionen Kleinbäuerinnen
  und Natur in Bedrängnis bringt.                     und Kleinbauern immer stärker in den Fokus
  Pestizide haben daran ihren Anteil.                 der Pestizidunternehmen. Ihnen wird auch
                                                      verkauft, was in der EU verboten ist.
30 NÜTZLINGE
   NATÜRLICHE HELFER                                42 IMPORTE UND EXPORTE
  Tiere wie Marienkäfer, Schlupfwespen                 VERBOTEN UND VERKAUFT
  oder Ohrenkneifer sind natürliche                   Viele Pestizidwirkstoffe haben ihre
  Schädlingsbekämpfer und wirkungsvolle               Genehmigung in Europa verloren. Exportiert
  Pflanzenschützer. Sie sind gut für die              werden dürfen sie trotzdem: häufig in Länder
  Umwelt und sparen Kosten, doch ihr                  des globalen Südens, wo viele Menschen
  Lebensraum wird durch den Pestizideinsatz           ihnen oft schutzlos ausgeliefert sind.
  bedroht.
                                                    44 BEHÖRDEN
32 GEWÄSSER                                            COPY & PASTE
   DA SCHWIMMT WAS MIT                                Bayer und andere Unternehmen kämpfen für die
  Umweltfachleute weisen regelmäßig nach,             Wiederzulassung von Glyphosat in der EU. Dazu
  wie stark Flüsse, Seen, Küstengewässer              müssen sie beweisen, dass sein Wirkstoff nicht
  und Grundwasser durch Pestizide belastet            krebserregend ist. Doch die vorgelegten Studien
  sind. Die Schadstoffe stammen häufig aus            sind alt – und deuten auf das Gegenteil hin.
  der Landwirtschaft und gelangen durch
  Versickerung, Oberflächenabfluss und              46 JUGENDUMFRAGE
  Abdrift in die Gewässer.                             VERÄNDERUNG GEWOLLT
                                                      Junge Menschen sind besorgt über den Einsatz
34 PESTIZIDRÜCKSTÄNDE AUF ZIERPFLANZEN                von Pestiziden in der Landwirtschaft und
   BLUMEN UND GIFTE                                   fordern die Politik zum Handeln auf. Sie wollen
  Schnittblumen und Zimmerpflanzen                    mehr Ökologie auf dem Acker und
  liegen im Trend. Allerdings gelten die gängigen     plädieren für eine stärkere Unterstützung von
  Pestizidhöchstgrenzen für sie nicht – weshalb       landwirtschaftlichen Betrieben.
  mit dem Rosenstrauß unter Umständen auch ein
  Pestizidcocktail ins Wohnzimmer einzieht.         48 DIGITALISIERUNG
                                                       WEM NUTZT DAS DIGITAL-UPDATE?
36 FERNTRANSPORT                                      Roboter, Drohnen und Algorithmen in der
   VOM WINDE VERWEHT                                  Landwirtschaft sind zu einem großen Geschäft
  Pestizide bleiben nicht immer dort, wo sie          mit großen Versprechungen geworden. Sie sollen
  ausgebracht werden. Sie gehen                       Betrieben dabei helfen, mit weniger Pestiziden
  buchstäblich in die Luft: Wind weht sie auf         auszukommen. Ob das funktionieren wird, ist unklar.
  benachbarte Grundstücke oder trägt sie
  teilweise viele hundert Kilometer weit. In        50 PESTIZIDFREIE REGIONEN
  Zulassungsverfahren spielt das kaum eine Rolle.      ERFREULICHE ANSÄTZE
                                                      Beispiele aus der ganzen Welt zeigen:
38 GENTECHNIK                                         Immer mehr Städte, Staaten und Regionen
   VERÄNDERTE PFLANZEN,                               versuchen, weniger Pestizide auf ihren Feldern
   MEHR PESTIZIDE                                     und Flächen auszubringen – oder gar
  Gentechnische Eingriffe in Saatgut sollten          komplett auf chemische Mittel zu verzichten.
  den Einsatz von Chemie in der Landwirtschaft
  reduzieren, die Arbeitsbelastung verringern       52 AUTORINNEN UND AUTOREN,
  und höhere Ernteerträge ermöglichen. Realisiert      QUELLEN VON DATEN, KARTEN
  haben sich diese Versprechungen nicht.               UND GRAFIKEN

                                                                                               PESTIZIDATLAS 2022   5
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VORWORT

    I
       m Bier und im Honig, auf Obst und
       Gemüse, im Gras auf Spielplätzen
       und sogar im Urin und in der Luft –
                                                 „      Noch nie in der Geschichte
                                                        wurden weltweit so viele
                                                 Pestizide eingesetzt wie heutzutage
    überall lassen sich mittlerweile Spuren
    von Pestiziden aus der Landwirtschaft
    nachweisen. Dabei ist die Erkenntnis,        Ländern wie Brasilien hat der Anbau
    dass sich Pestizide negativ auf die          von gentechnisch verändertem Soja
    menschliche Gesundheit auswirken,            dazu beigetragen, dass der
    keineswegs neu. Auch ist seit Jahren         Pestizideinsatz dramatisch steigt.
    bekannt, dass sie massiv Insekten und
    Pflanzen schädigen und Gewässer              In Österreich hat sich die eingesetzte
    kontaminieren.                               Pestizidmenge in den letzten
                                                 Jahrzehnten nur minimal verringert.
    Bereits 1962 veröffentlichte Rachel          Bemühungen um eine Reduktion des
    Carson ihr weltweit anerkanntes Buch         Pestizideinsatzes und seiner schädlichen
    „Silent Spring“ – der stumme Frühling,       Auswirkungen auf Mensch, Natur
    in dem die Biologin die schädlichen          und Umwelt fehlte bislang offenkundig
    Auswirkungen der Pestizidanwendung           der politische Wille.
    beschrieb. Es gilt als wegweisend für

                                                 K
    die Umweltbewegung und als eines der               aum ein Land weltweit hat
    einflussreichsten Sachbücher unserer               eine ambitionierte Pestizid-
    Zeit. Seitdem wurden viele Pestizide               Reduktionsstrategie oder gar
    vom Markt genommen. Neue kamen               Konzepte für eine Landwirtschaft,
    mit dem Versprechen hinzu, sie seien         die wirklich unabhängig vom
    ungefährlicher für Gesundheit und            chemischen Pflanzenschutz ist. Und das
    Umwelt. Ein Versprechen, das selten          nicht ohne Grund: Der Markt für
    eingelöst wurde.                             Pestizide ist sehr lukrativ. Nur wenige
                                                 gut vernetzte und einflussreiche

    T
          rotz vieler Verschärfungen in den      Agrarchemiekonzerne teilen ihn unter
          Zulassungsverfahren und freiwilliger   sich auf. Deutsche Unternehmen wie
          und verbindlicher Vereinbarungen       Bayer und BASF sind unter den
    zum Umgang mit Pestiziden werden             Marktführern. Kein Wunder also,
    sechzig Jahre nach Carsons Buch weltweit     dass Deutschland einer der größten
    so große Mengen Pestizide ausgebracht        Pestizidexporteure der Welt ist.
    wie nie zuvor. Laut einer aktuellen
    Studie ist die Zahl der jährlich von         Die vielversprechenden Wachstums-
    Pestizidvergiftungen betroffenen             märkte für ihre Produkte liegen längst
    Menschen auf 385 Millionen gestiegen,        nicht mehr in Europa, sondern vor
    und der Pestizideinsatz ist als ein          allem in Lateinamerika und Asien. Aber
    Hauptverursacher des Artenrückgangs          auch in afrikanische Länder werden
    anerkannt. In besonders artenreichen         zunehmend Pestizide exportiert – nicht

6   PESTIZIDATLAS 2022
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zuletzt solche, die in der EU aufgrund
ihrer gesundheits- oder
umweltschädigenden Wirkung nicht
                                             „    Für eine ökologische Trendwende
                                                  braucht es Umdenken in der
                                             Landwirtschaft – und politischen Willen
mehr zugelassen oder verboten sind.
Eine langjährige Forderung der
internationalen Zivilgesellschaft lautet     sich durchaus auf Österreich umlegen.
deshalb: endlich Gesetze zu schaffen,        Daraus folgen klare Handlungsaufträge
die konsequenterweise auch diese             auch für die österreichische
giftigen Exporte verbieten.                  Landwirtschaftspolitik: Freiwillige
                                             Beschränkungen und Zahlenspielereien sind

U
       m endlich die international           für die jungen Menschen keine Option. Es
       verpflichtenden Biodiversitätsziele   sollte ernsthafte und wirksame Kontrollen
       zu erreichen, schreitet die           und gleichzeitig Unterstützung für die
EU nun voran: Sie fordert von den            Bäuerinnen und Bauern geben, damit sie
Mitgliedsländern bis 2030 eine               weniger Pestizide verwenden.
Reduktion des Pestizideinsatzes und

                                             D
der damit zusammenhängenden                         urch die Klimakrise werden
Risiken um fünfzig Prozent. Aus Sicht               Pflanzenkrankheiten, Schädlings-
der 1,2 Millionen europäischen                      befall und Extremwetterlagen
Bürgerinnen und Bürger, die bis zum          in vielen Teilen der Welt zunehmen. Um
September 2021 die Bürgerinitiative          den dadurch bereits erhöhten Druck auf
„Save Bees and Farmers“ unterschrieben       nützliche und unverzichtbare Insekten-
haben, geht diese Forderung jedoch           und Pflanzenpopulationen zu verringern,
nicht weit genug. Sie fordern einen          müssen sich unsere Agrarsysteme darauf
kompletten Ausstieg aus der Nutzung          einstellen, diesen Herausforderungen
chemischer Pestizide bis 2035.               auch mit weniger Pestiziden zu begegnen.
                                             Dafür müssen sie vielfältiger werden
In diesem Zusammenhang hat uns               und Nützlinge als Verbündete schützen
interessiert, ob eine ambitionierte          und einsetzen. Den Kampf mit der Natur
Politik zur Reduktion von Pestiziden eine    und nicht gegen sie zu führen, ist eine
breitere Unterstützung auch unter jungen     enorme Aufgabe. Für ihr Gelingen müssen
Menschen in Deutschland findet.              wir die Weichen jetzt stellen. Deshalb
Daher haben wir im Rahmen einer              wollen wir mit diesem Atlas Daten und
repräsentativen Jugendumfrage junge          Fakten für eine lebendige Debatte liefern.
Menschen befragt – und konnten
feststellen: Die meisten wünschen
sich eine sehr deutliche Reduktion des
                                             Agnes Zauner
Pestizideinsatzes in der Landwirtschaft,
                                             GLOBAL 2000
um insbesondere die Umwelt und
Gewässer vor Einträgen zu schützen.          Barbara Unmüßig
Diese Umfrageergebnisse lassen               Heinrich-Böll-Stiftung

                                                                                PESTIZIDATLAS 2022   7
ÖSTERREICHISCHE AUSGABE - Daten und Fakten zu Giften in der Landwirtschaft - Global 2000
12 KURZE LEKTIONEN

           ÜBER PESTIZIDE IN DER
           LANDWIRTSCHAFT
             1    Der Einsatz von Pestiziden steigt weltweit, obwohl die gesundheitlichen
                  und ökologischen Folgen lange bekannt sind. Die internationalen Ziele zum
                  SCHUTZ DER BIODIVERSITÄT können nur erreicht werden, wenn die Nutzung
                  von Pestiziden deutlich verringert wird.

                                     2   Herbizide werden gegen ungewollte Pflanzen ausgebracht
                                         und sind die MEISTGENUTZTE WIRKSTOFFGRUPPE. Insektizide
                                         wirken gegen schädliche Insekten – häufig schon in kleinsten
                                         Mengen und auch bei den Insekten, die nicht gemeint sind.

                               3   Jährlich kommt es weltweit zu rund 385 Millionen
                                   PESTIZIDVERGIFTUNGEN. Vor allem Menschen im globalen
                                   Süden, die auf dem Land arbeiten, sind betroffen.

                         4 Pestizide, die in Europa AUS ÖKOLOGISCHEN ODER GESUNDHEITLICHEN
                           GRÜNDEN NICHT ZUGELASSEN sind, werden dennoch hier
                           produziert und in andere Länder exportiert. Auch deutsche
                           Unternehmen beteiligen sich an diesem Geschäft.

             5 In der EU existieren strenge Kriterien für die Zulassung
               von Pestiziden. Die schädlichen AUSWIRKUNGEN
               VON PESTIZIDEN AUF GANZE ÖKOSYSTEME werden
               dabei jedoch nicht berücksichtigt.

                         6 Pestizidwirkstoffe bleiben meist nicht dort, wo sie ausgebracht
                           werden. Sie können versickern, verwehen oder durch die Luft sehr
                           weit transportiert werden – manche BIS ÜBER 1.000 KILOMETER WEIT.

8   PESTIZIDATLAS 2022
PESTIDATLAS 2022 / PUCHALLA
    7 Pestizidrückstände in Lebensmitteln können GESUNDHEITSSCHÄDLICH
      sein. Trotz des Versuchs, sich weltweit zu einigen, weichen die
      erlaubten Höchstwerte von Land zu Land stark voneinander ab.

                       8 Auf langjährig ökologisch bewirtschafteten Flächen,
                         auf denen keine chemisch-synthetischen Pestizide
                         eingesetzt werden, wachsen 17-MAL SO VIELE
                         UNTERSCHIEDLICHE PFLANZEN wie auf Flächen, die erst
                         wenige Jahre zuvor auf ökologische Landwirtschaft
                         umgestellt wurden.

    9 Nützlinge sind die NATÜRLICHEN FEINDE VON
      SCHÄDLINGEN. Sie zu fördern, kann dabei helfen,
      den Einsatz von Pestiziden zu reduzieren.

10 JUNGE MENSCHEN FORDERN, dass sich die Regierung stärker
   dafür einsetzt, DASS WENIGER PESTIZIDE GENUTZT
   WERDEN. Besonders giftige Pestizide sollten verboten werden.

                       11 Der SCHUTZ VON SAUBEREM WASSER und der
                          biologischen Vielfalt sind jungen Menschen
                          besonders wichtig. Sie wollen nicht, dass diese
                          durch Pestizide belastet oder gefährdet werden.

12 In einigen Regionen der Welt werden bereits weniger
   Pestizide eingesetzt und besonders gefährliche Pestizide
   verboten. Doch einen verbindlichen internationalen
   VERTRAG ZUR REDUKTION VON PESTIZIDEN gibt es bislang nicht.

                                                                               PESTIZIDATLAS 2022                          9
PESTIZIDE IN DER LANDWIRTSCHAFT

     GEFÄHRLICHE SUBSTANZEN
     Jedes Jahr geht auf der ganzen Welt                                                                      gleicher Kulturpflanzen etablieren. Das Ergebnis: Ohne
     ein Teil der landwirtschaftlichen                                                                        Pestizide ist die heutige industrielle Landwirtschaft großen-
     Produktion durch Schädlingsbefall                                                                        teils nicht mehr vorstellbar. Durch kapitalintensive Inputs
                                                                                                              stiegen in vielen Industrieländern seit den 1950er-Jahren
     und Pflanzenkrankheiten verloren.
                                                                                                              die Erträge und damit das Angebot an landwirtschaftlichen
     Pestizide sollen dagegen helfen.                                                                         Produkten deutlich schneller als die Nachfrage – was im Re-
     Dabei verursachen sie neue Probleme.                                                                     sultat zu immer billigeren landwirtschaftlichen Produkten
                                                                                                              und schlechterem Einkommen für die Landwirtinnen und

     G
            ravierende Hungersnöte und ökonomische Umbrü-                                                     Landwirte führt. Parallel zum Pestizideinsatz intensivierte
            che nach Ernteausfällen gab es in der Geschichte                                                  sich die wissenschaftliche Forschung. Immer mehr Erkennt-
            schon immer. Stets haben Menschen dagegen ge-                                                     nisse haben Fachleute darüber gewinnen können, wie sich
     kämpft – zum Beispiel durch bestimmte Anbaumethoden                                                      Pestizide auf die menschliche Gesundheit auswirken und
     und Fruchtfolgen, die Unkräuter und Schädlinge vermeiden                                                 die Umwelt belasten können.
     sollten. Im Rahmen der industriellen Revolution entstanden                                                   Heute liegt die jährlich ausgebrachte Pestizidmenge
     schließlich die ersten chemisch-synthetischen Pestizide:                                                 bei circa 4 Millionen Tonnen weltweit. Fast die Hälfte da-
     Sie versprachen den Schutz der Ernte bei gleichzeitiger                                                  von sind Herbizide, die gegen Unkräuter verwendet wer-
     Arbeitserleichterung. Ab den 1940er-Jahren begannen                                                      den; knapp 30 Prozent sind Insektizide, die gegen schäd-
     Chemieunternehmen damit, Pestizidprodukte mit einem                                                      liche Insekten wirken und etwa 17 Prozent sind Fungizide
     breiten Wirkungsspektrum zu vermarkten. Sie waren für                                                    gegen Pilzbefall. Marktanalysen bezifferten den globalen
     ganze Gruppen von Organismen giftig und erwiesen sich                                                    Pestizid-Marktwert im Jahr 2019 auf fast 84,5 Milliarden US-
     im Vergleich zu den zuvor verfügbaren Mitteln als beson-                                                 Dollar. Die durchschnittliche jährliche Wachstumsrate lag
     ders effektiv.                                                                                           seit 2015 bei mehr als 4 Prozent – für die kommenden Jahre
         Die eingesetzte Pestizidmenge steigt seit Jahrzehnten                                                könnte sie steigen. Bis 2023 wird eine Wachstumsrate von
     an: Zwischen 1990 und 2017 um etwa 80 Prozent. Das Zu-                                                   11,5 Prozent und damit ein Anstieg auf fast 130,7 Milliarden
     sammenspiel von Pestiziden, Dünger und technischem                                                       US-Dollar Marktwert prognostiziert. Zusammen hängt die-
     Fortschritt trug dazu bei, dass sich die landwirtschaftliche                                             ser deutliche Anstieg auch mit der Klimakrise: Ein US-For-
     Produktion grundlegend verändert hat. Da Bäuerinnen                                                      schungsteam der Universität von Seattle hat kalkuliert, dass
     und Bauern Krankheiten und Schädlinge nun durch Pesti-                                                   pro Grad Erderwärmung die Ernteerträge von Reis, Mais
     zide statt durch Fruchtfolgen und Fruchtkombinationen                                                    und Weizen um 10 bis 25 Prozent sinken könnten. Die Grün-
     in Schach hielten, konnten sich enge Fruchtfolgen immer                                                  de dafür sind vielfältig. So verändert der Klimawandel zum
                                                                                                              Beispiel Schädlingspopulationen und das Verhältnis von
                                                                                                              Schädlingen und Nützlingen. Hinzu kommt, dass die Wi-
                                                                                                              derstandskraft der Pflanzen gegen Schädlinge infolge von
        WER HAT, DER NIMMT
                                                                                                              klimabedingtem Stress sinkt.
        Umsätze der Pestizidsparten der vier größten Konzerne in 2020
        und gemeinsamer Weltmarktanteil, in Prozent                                                               Historisch betrachtet geht die Nutzung von Pestiziden in
                                                                                                              unterschiedlichen Regionen mit unterschiedlicher Intensi-
                                                                                                              tät und zeitlichem Ablauf einher. Die 1960er-Jahre gelten
                                                                                                              als Zeitalter der „Grünen Revolution“, in der die Landwirt-
                                                                                                              schaft in den Ländern des globalen Südens den Entwicklun-
                                                                                                              gen im globalen Norden durch Technologietransfer folgen
                                                                                                              sollte. Das erklärte Ziel war, durch den Einsatz von Pestizi-
              Syngenta          Bayer           Corteva       BASF
                                                                                                              den, Düngern, Hochertragssorten und Bewässerung den Er-
              9,9 Mrd.          9,8 Mrd.        5,7 Mrd.      5,5 Mrd.                                        trag deutlich zu steigern. Zivilgesellschaftliche Organisatio-
              Euro              Euro            Euro          Euro
                                                                                                              nen und Wissenschaftler sehen in der „Grünen Revolution“
                                                                                                              den Beginn einer gescheiterten landwirtschaftlichen Ent-
                                                                                                              wicklung, durch den viele Bäuerinnen und Bauern seitdem
                                                                                                              in verzweifelte Lebenssituationen gerieten. Zum Beispiel
                                                                                                              haben sich im globalen Süden viele Menschen verschuldet,
                                                                         PESTIZIDATLAS 2022 / ARCHIV, CLAPP

                        29                                                                                    um teure Produktionsmittel zu kaufen. Die Selbsttötungen
                                           53                      70                                         von Bäuerinnen und Bauern mit Hilfe von Pestiziden wird

                 1994                   2009                2018                                              Wenige Konzerne aus dem Norden
                                                                                                              teilen sich den milliardenschweren
                                                                                                              Pestizidmarkt auf

10   PESTIZIDATLAS 2022
KEIN WENIGER IN SICHT
  Pestizideinsatz in Tonnen nach Kontinenten im Jahr 2019 und Veränderung seit 1999

  Kilogramm Pestizide pro Hektar
      über 5
      bis 4
      bis 3
                                                                      Europa
      bis 2            Nordamerika
      bis 1
                                                                                                                                        + 28,9 %
                                                                                                                  Asien
                                                                                      478.389
                                 + 3,6 %    495.475                      + 3,0 %                                           2.171.017

                                                                               Afrika
               91.600
                        Zentralamerika

                      + 38,4 %
                                                                                            107.864
                                                               Südamerika
                                                      767.443                                                        Ozeanien
                                                                                             +71,1 %                                    69.719

                                                                                                                                                   PESTIZIDATLAS 2022/ FAOSTAT
                                                               + 143,5 %                                                  + 86,5 %

                                                                                                           Jährlich erleiden auf der ganzen Welt
von der Weltgesundheitsorganisation WHO als globales                                            385 Millionen Menschen eine Pestizidvergiftung.
Problem anerkannt – selbst vorsichtigen Schätzungen zufol-                                                            Für einige endet sie tödlich
ge liegt die Zahl der jährlichen Opfer über 100.000. Einige
Staaten haben darauf bereits mit dem Verbot von besonders
giftigen Stoffen reagiert.
    Wegen hoher Gewinnspannen und zum Teil ungenü-
                                                                                NICHT NUR SCHÄDLINGE UNTER DEN OPFERN
gender staatlicher Regulierungen nimmt seit einiger Zeit
                                                                                Rückgang der Population von insektenfressenden Vögeln
der Handel mit billigen Nachahmer-Produkten zu. Und                             in den USA zwischen 2008 und 2014 im Zusammenhang
auch der Verkauf von gefälschten Pestiziden hat sich zu                         mit Insektizideinsatz
einem profitablen Geschäft entwickelt. Allein in den ersten
vier Monaten des Jahres 2020 wurden in der EU und sechs
weiteren Nicht-EU-Staaten wie Kolumbien, Schweiz und
USA illegale Pestizide im Wert von bis zu 94 Millionen Euro
beschlagnahmt. Die Anwendung solcher Pestizide gefähr-
det Bäuerinnen und Bauern besonders, da die Inhaltsstoffe
und ihre Konzentrationen falsch oder fehlerhaft angegeben
sein können – was ihre Wirkung und Giftigkeit unvorher-
sehbar werden lässt.
    Ein Element einer veränderten Politik muss also sein,
Bäuerinnen und Bauern weltweit über die Gefahren von
Pestiziden zu informieren, Maßnahmen zu ihrem Schutz zu
ergreifen und handhabbare Alternativen für den Pflanzen-
schutz anzubieten. Ideen dazu gibt es viele, auch wenn die
Forschung für ökologischen Pflanzenschutz nach wie vor                                Rückgang
unterfinanziert ist.                                                                    mehr als 50 Prozent
                                                                                                                                                   PESTIZIDATLAS 2022 / LI ET AL.

                                                                                        10 bis 50 Prozent
                                                                                        5 bis 10 Prozent
                                                                                        bis 5 Prozent
 Neonikotinoide werden in geringerer Dosis als herkömmliche                             kein Rückgang
    Pestizide auf den Acker ausgebracht, aber sind dafür umso                           keine Daten
  giftiger. Bei insektenfressenden Vögeln in den USA sorgen sie
                 für eine jährliche Rückgangsrate von 3 Prozent

                                                                                                                                     PESTIZIDATLAS 2022                             11
KONZERNE

     GROSSE GESCHÄFTE
     Der weltweite Pestizidmarkt wächst – und                                 sektor – der heute von genau denselben Konzernen ange-
     es sind nur eine Handvoll Konzerne, die                                  führt wird – stieg der Anteil der größten Vier im selben Zeit-
     ihn untereinander aufteilen. Immer stärker                               raum von 21 auf 57 Prozent.
                                                                                  Die Macht dieser Akteure und die Verschmelzung der
     investieren sie in den Ländern des
                                                                              beiden Geschäftsfelder wirken sich auf das Produktean-
     globalen Südens, wo Pestizide weniger                                    gebot und auf die Landwirtschaft weltweit aus. So haben
     streng reguliert werden.                                                 Saatgutproduzenten, die gleichzeitig Pestizide verkaufen,
                                                                              ein Interesse, dass beim Anbau der Saat auch ihre Agrarche-

     D
            ie meisten Agrochemiekonzerne wie Bayer oder                      mikalien verwendet werden. Im Fokus stehen die züchteri-
            Syngenta entstanden aus Chemie- oder Pharmafir-                   sche Weiterentwicklung und gentechnische Veränderung
            men, deren Gründungen teils bis ins 19. Jahrhun-                  weniger Kulturpflanzen, für die es große Absatzmärkte gibt,
     dert zurückgehen. Zu ihrer heutigen Form haben sie sich                  allen voran Soja und Mais, die zusammen knapp zwei Drittel
     entwickelt, als sie mit dem Aufkommen der Gentechnik in                  des Saatgutmarkts ausmachen. Bayer erzielt mit Mais und
     der Landwirtschaft ab Mitte der 1990er-Jahre ein neues Ge-               Soja etwa 75 Prozent seiner Saatgut-Umsätze, Syngenta 55
     schäftsmodell in der Kombination von Pestizid- mit Saatgut-              Prozent und Corteva gar 85 Prozent.
     verkäufen entdeckten. In großer Zahl kauften sie kleinere                    Die Konzerne haben in den letzten Jahren viel Geld für
     Saatguthersteller auf und spalteten rund um die Jahrtau-                 Forschung ausgegeben, um Saatgut weiterzuentwickeln.
     sendwende die Agrarsparte vom restlichen Geschäft ab, um                 Gleichzeitig stagnieren diese Ausgaben im Bereich der Ag-
     neue spezialisierte Konzerne zu bilden. In den letzten Jah-              rarchemie. Im Jahr 2000 waren noch 70 Prozent der ver-
     ren haben sich die Anteile dieser Konzerne am Weltmarkt                  markteten Pestizidsubstanzen mit einem Patent geschützt.
     nochmals stark vergrößert. 2017 übernahm das chinesische                 Viele davon sind mittlerweile ausgelaufen: Auf nur noch 15
     Staatsunternehmen ChemChina den Schweizer Agrarkon-                      Prozent der Pestizide wird ein Patent gehalten; neue werden
     zern Syngenta, zusätzlich fusionierten die beiden US-Unter-              kaum noch angemeldet. Eine Ursache dafür sind strengere
     nehmen Dow Chemicals und Dupont, um ihre Pestizid- und                   Zulassungsanforderungen vor allem in der EU, derentwe-
     Saatgutgeschäfte 2019 in Corteva Agrisciences zusammen-                  gen sich die Kosten für die Markteinführung eines neuen
     zulegen. 2018 übernahm der deutsche Chemiekonzern Bay-                   Pestizidwirkstoffs deutlich erhöhen. Weniger neue Wirk-
     er die US-amerikanische Firma Monsanto und verkaufte Tei-                stoffe bedeutet aber nicht, dass insgesamt weniger Pestizide
     le seines Geschäfts an die deutsche Chemiefirma BASF, die                vermarktet werden. Vielmehr greifen die großen Firmen
     damit ins Saatgutgeschäft einstieg. 2020 schließlich wurden              auf teilweise Jahrzehnte alte Pestizide zurück – die sie in
     Syngenta, der Pestizidhersteller Adama aus Israel und Sino-
     chem aus China in der neuen Syngenta Group vereint.
         Die vier Konzerne – die Syngenta Group, Bayer, Corteva                    Das internationale Pesticide Action Network listet in seiner
     und BASF – teilten sich 2018 etwa 70 Prozent des Weltmark-                          HHP-Liste aktuell 338 hochgefährliche Pestizide auf,
     tes für Pestizide. Zum Vergleich: 1994 betrug der Markt-                           die zum Beispiel als krebserregend, erbgutverändernd,
     anteil der vier größten Anbieter 29 Prozent. Im Saatgut­­­-                fortpflanzungsschädigend oder hoch bienengefährlich gelten

        TOXISCHE TOPSELLER
        Die umsatzstärksten Substanzen unter den hochgefährlichen Pestiziden (HHPs, Highly Hazardous Pesticides)
        im Jahr 2018, pro Konzern in Millionen US-Dollar

             Bayer
             Glyphosat: Von der Krebsforschungsagentur der WHO als „vermutlich krebserregend“ eingestuft       841 Mio. US-Dollar

             Syngenta
             Thiamethoxam: Wegen Bienenschädlichkeit auf EU-Äckern verboten 		                                242 Mio. US-Dollar

             BASF
             Glufosinat: Laut der Europäischen Chemikalienagentur „fortpflanzungsgefährdend“                   227 Mio. US-Dollar
                                                                                                                                            PESTIZIDATLAS 2022 / PUBLIC EYE

             FMC
             Chlorantraniliprol: Hochgefährlich für Wasserorganismen 			                                       255 Mio. US-Dollar

             Corteva
             Cyproconazol: Laut EU „fortpflanzungsgefährdend“ 				                                             144 Mio. US-Dollar

12   PESTIZIDATLAS 2022
HOCHGEFÄHRLICH UND HOCHPROFITABEL
  Anteil hochgefährlicher Substanzen am Umsatz der fünf größten Pestizidunternehmen in Prozent und Umsatz mit hochgefährlichen Substanzen
  auf ihren fünf wichtigsten Märkten im Jahr 2018, in Millionen US-Dollar

                                                                                                                           Deutschland: 649
                                                                              Kanada: 625                                                           12 %
                 USA: 2.890

                                                                                       23 %                                    Bayer Crop
           36 %                                                                                                                 Science
                                                           FMC                                                                   36,7 %
                                                          51,5 %

                                         Corteva                              Frankreich: 784
                                          32 %

                                                                                                11 %                                              BASF
                                                                                                                         Syngenta                24,9 %
                                                                                                                          39,2 %
          Umsätze mit hochgefährlichen
          Pestiziden nach Verkaufsländern
          Anteil der im Land verkauften                                     Brasilien: 3.300

                                                                                                                                                                                       PESTIZIDATLAS 2022 / PUBLIC EYE
          hochgefährlichen Pestizide
          Anteil hochgefährlicher Pestizide
          am Umsatz                                                                             49 %

  Schätzungen auf Basis der besten verfügbaren Marktdaten; reale Umsatzzahlen deutlich größer

                                                                                                                               Drei Viertel der Pestizide ohne EU-Zulassung,
immer neuen Produktmischungen und Kombinationen ver-                                                                           deren Export im Jahre 2018 bewilligt wurde,
treiben. Zu den meistverkauften Pestizidprodukten gehö-                                                                               landen auf Feldern im globalen Süden
ren das unter Krebsverdacht stehende Herbizid Glyphosat
(patentiert im Jahr 1971, auf dem Markt seit 1974), das für
Menschen hochgiftige Paraquat (Wirkung als Herbizid ent-                                                   Noch werden in Afrika mit durchschnittlich unter 0,4
deckt 1955, auf dem Markt seit 1962), das im Wasser lang-                                              Kilogramm pro Hektar Anbauland bislang am wenigsten
lebige und hormonaktive Atrazin (auf dem Markt seit 1958)                                              Pestizide verwendet – weltweit liegt die Zahl bei etwa 2,6
oder die für Bienen hochgiftigen Insektizide der Klasse der                                            Kilogramm pro Hektar. Doch längst hat die Industrie den
Neonikotinoide (entwickelt 1985, auf dem Markt seit 1991).                                             afrikanischen Kontinent als größten Wachstumsmarkt aus-
    In den Industriestaaten verkaufen die fünf größten                                                 gemacht. Mit der zunehmenden Präsenz der Agrarindustrie
Produzenten insgesamt weniger hochgefährliche Pestizi-                                                 verbreitet sich auch die Verwendung von hochgefährlichen
de als in den Ländern Asiens, Afrikas und Lateinamerikas:                                              Pestiziden.
Während sie in Deutschland 12 und in Frankreich 11 Pro-
zent am gesamten Pestizidumsatz der fünf größten Firmen
ausmachen, sind es in Brasilien 49 Prozent und in Indien
                                                                                                         VERKAUFT, VERSCHIFFT, VERGIFTET
59 Prozent. Ein Grund dafür ist, dass die EU und die Staaten
                                                                                                         EU-Exportvolumen von Pestiziden
der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA) mehrere
hochgefährliche Pestizide verboten haben. Anderswo aller-
                                                                                                            Anteil hochgefährlicher Stoffe an weltweit verwendeten Pestiziden
dings sind sie aufgrund lückenhafter Gesetzgebungen und
industrienaher Regulierungsbehörden weiter zugelassen –
                                                                                                         20.000                                         15,7 Milliarden
insbesondere in Südamerika, Asien und zunehmend Afrika,                                                                                                 US-Dollar
wo die Pestizidverkäufe steigen. Das kontinuierliche Wachs-
tum des globalen Pestizidmarkts um durchschnittlich                                                      15.000                     30 %
                                                                                                                                                                                       PESTIZIDATLAS 2022 / FAOSTAT, PAN GERMANY

4,1 Prozent pro Jahr geht vor allem auf die Verkäufe in die-
sen Weltregionen zurück.                                                                                 10.000

              In den letzten 30 Jahren hat sich das finanzielle                                           5.000                        4,0 Milliarden
   Exportvolumen aus der EU mehr als verdreifacht. Exportiert                                                                          US-Dollar
       werden auch hochgefährliche Substanzen. Sie machen                                                     0
                rund ein Drittel der über 1000 Wirkstoffe aus,                                                    1989      1994     1999    2004        2009     2014        2019

                               die weltweit verwendet werden

                                                                                                                                                                         PESTIZIDATLAS 2022                                        13
PESTIZIDEINSATZ IN ÖSTERREICH

     WAS VERRATEN DIE ZAHLEN
     – UND WAS NICHT?
     Österreich versäumt es, seine Pestizid-                                       nien in Regionen mit intensivem Pestizideinsatz praktiziert
     belastung zu evaluieren. Aussagekräftige                                      wird – gibt es in Österreich nicht. Für das Gewässermonito-
     Statistiken und gemeinsame                                                    ring erfolgt die Probensammlung regelmäßig.
                                                                                       Im Jahr 2020 wurden in Österreich 13.395 Tonnen Pes-
     europäische Standards fehlen.
                                                                                   tizide ausgebracht. Diese enthalten 5.595 Tonnen aktive
     Langfristige Schutzmaßnahmen werden                                           Pestizidwirkstoffe. Ohne Berücksichtigung der Gruppe der
     durch diesen Mangel erschwert.                                                reaktionsarmen Gase – wie Kohlendioxid, das gegen Vor-
                                                                                   ratsschädlinge in der Lagerhaltung eingesetzt wird – be-

     I
         n Pflanzenschutzmitteln, die in Österreich eingesetzt                     trägt die Wirkstoffmenge 3.424 Tonnen, davon 1.959,7 Ton-
         werden, befinden sich 248 verschiedene Wirkstoffe.                        nen chemisch-synthetischer Wirkstoffe. Nicht enthalten
         Darunter befinden sich auch zahlreiche Chemikalien                        sind hier Eigenimporte durch Nutzende. Den größten Anteil
     mit negativen Folgen für Umwelt und die menschliche Ge-                       unter den verwendeten chemisch-synthetischen Wirkstof-
     sundheit: 29 der eingesetzten Wirkstoffe gelten als vermut-                   fen machen Herbizide mit 46 Prozent und Fungizide mit 38
     lich krebserregend, als schädlich für die Fruchtbarkeit und                   Prozent aus. Die Entwicklung der gesamten Pestizidabsatz-
     Sexualfunktion oder stehen im Verdacht, Genmutationen                         menge ist zwischen 2012 und 2020 ungefähr konstant ge-
     auszulösen. Akut oder chronisch hoch giftig für Wasser-                       blieben – bei chemisch-synthetischen Insektiziden lässt sich
     organismen sind 93 der zugelassenen Pestizide. Diese Pes-                     hingegen eine Zunahme beobachten.
     tizide werden großenteils direkt in die Umwelt freigesetzt.                       Die EU-Kommission veröffentlicht jedes Jahr eine Über-
     Um Risiken zu vermeiden, existieren zwar Auflagen bei der                     sicht, die harmonisierte Risikoindikatoren HR1 und HR2
     Verwendung. Dennoch zeigen Monitoringdaten, dass die                          listet und auf Statistiken über die Menge der in Verkehr
     Wirkstoffe der eingesetzten Pflanzenschutzmittel nicht nur                    gebrachten Wirkstoffe in Pflanzenschutzmitteln basiert.
     auf den Zielflächen verbleiben – Pestizidrückstände finden                    Damit reagiert die Kommission auf die Europäische Bürger-
     sich auch in Nahrungsmitteln, Böden und im Oberflächen-
     und Grundwasser. In landwirtschaftlich intensiv genutzten
     Regionen lassen sich Pestizidrückstände auch in Wohnräu-                                               Die Pestizidindustrie in Österreich ist ein
     men nachweisen. Ein Luftmonitoring von Pestiziden – wie                                        lukratives Segment. Hohe Gewinne gehen einher
     es zum Beispiel im US-amerikanischen Bundesstaat Kalifor-                                              mit hohen Risiken für Mensch und Natur

                                                                                                                                                                       PESTIZIDATLAS 2022 / BMLRT, PUBLIC EYE, STATISTIK AUSTRIA
         GESCHÄFTIGES TREIBEN
         Anzahl der zugelassenen Pestizide in Österreich im Jahr 2020, Anzahl der Beschäftigten und Umsatz
         der heimischen Pestizidindustrie im Jahr 2019 und Exporte aus Österreich von Substanzen ohne EU-Zulassung

                                                                                 Umsatz, in Mio. Euro                       Exporte ohne EU-Zulassung
                 Zugelassene Pestizide                 Beschäftigte

                                                                                                257,9
                                                                                                                                           2018
                                   1.509
                 1.220
                                                                                   173,1                                    60.000 Kilogramm des Wirkstoffs
                                                                   389
                                                                                                                            3-decen-2-one hat der österreichische
                                                       295                                                                  Chemiekonzern Esim Chemicals im
                                                                                                                            Jahr 2018 nach Nordamerika exportiert
                  2015             2020
                                                                                                              In Linz produziert Esim Chemicals Pestizide für
                                                                                   2010         2019          Syngenta, Bayer CropScience und BASF, die ihr Geld
                                                                                                              teilweise mit hochgefährlichen Substanzen verdienen.
                                                       2010        2019                                       Weil sie keine EU-Zulassung haben, werden diese
                                                                                                              Pestizide in Länder mit weniger Regulierung exportiert

14   PESTIZIDATLAS 2022
PESTIZIDATLAS 2022 / BAB, BMLRT
  VOLLER EINSATZ!
  Ausgebrachte Pestizide in Österreich, nach Wirkstoffgruppen
  in Tonnen im Jahr 2020 und in Kilogramm pro Hektar                                       Differenz zum Vorjahr
                                                                                               Zunahme
                                                                                               Abnahme

                                                                                                                         - 4,1 %
                                                      Gesamtmenge
                                                                                                                                                3.424,1

                                                                                + 0,1 %
                                                       1.152,2    Herbizide

                                             952,5          Fungizide   - 8,4 %

           191,4 Insektizide

                                                                                                                   Entwicklung der

                         + 15,8 %                                                                                  landwirtschaftlichen
                                                                                                                   Fläche* in Österreich
                                                                                                                   zwischen 2009
                                                                                                                   und 2020           +66,7 % ökologisch

                                                                     2,6 kg             2,6 kg
                                                                   pro Hektar         pro Hektar
                                                                     (2009)             (2020)                          -2,7 % insgesamt

                                                                                                                                   -12,3 % konventionell
  *
      Inklusive Ackerfläche, Weinbaufläche, Obstbaufläche

                                                                                                                                Die österreichische Datenlage
initiative „Verbot von Glyphosat und Schutz von Menschen                                                           erlaubt keine zielgenaue Pestizidreduktion
und Umwelt vor giftigen Pestiziden“. Das Ziel ist, Trends bei                                                                         wie von der EU gefordert
der Risikoreduzierung im Umgang mit Pestiziden zu über-
wachen. Beim Risikoindikator HR1 lässt für Österreich seit
2011 ein leicht rückläufiger Trend ablesen. Bei der Grup-                                  Voraussetzungen dafür eigentlich gegeben: Alle Landwirte,
pe der genehmigten chemisch-synthetischen Pestizide als                                    die Pflanzenschutzmittel verwenden, müssen dokumentie-
auch bei der Gruppe der Wirkstoffe mit besonderem Risi-                                    ren, welches Mittel wann, wo und in welcher Menge sie auf
kopotential für Menschen gab hingegen es einen Anstieg.                                    welche Kulturpflanze ausgebracht haben. Es existieren je-
Auch für Wirkstoffe mit besonderem Umweltrisiko konnte                                     doch keine konkreten Formvorschriften darüber, wie diese
in diesem Zeitraum keine Verbesserung erreicht werden.                                     Informationen Behörden übermittelt werden sollen. Dabei
    Eine Abnahme der ausgebrachten Pestizidmenge bedeu-                                    haben solche Daten hohen Wert für das Pestizidmonitoring,
tet nicht, dass sich auch die Giftigkeit und mögliche Risiken                              für epidemiologische Untersuchungen – und die Evaluie-
für Umwelt und Biodiversität reduziert haben: Schließlich                                  rung von Reduktionsmaßnahmen.
hat die Effektivität von Pflanzenschutzmitteln durch verbes-                                   In anderen Regionen und Ländern ist man bereits wei-
serte Formulierungen und wirkmächtigere Wirkstoffe zu-                                     ter als in Österreich. So müssen zum Beispiel in Kalifornien
genommen. Auch für die Abschätzung von Gefahren für An-                                    seit 1990 alle landwirtschaftlichen Pestizidanwendungen
wohnende und die Früherkennung von Umweltrisiken sind                                      monatlich an die zuständige Behörde übermittelt werden.
diese Indikatoren nicht hinreichend geeignet. Erforderlich                                 Dazu zählen ebenfalls Pestizidausbringungen in Parks, Golf-
für ein vollständiges Bild sind Informationen über den re-                                 plätzen, Friedhöfen, Weideland, Weiden und entlang von
gionalen Einsatz der Pflanzenschutzmittel inklusive der                                    Straßen- und Eisenbahnwegen. Damit liegen den dortigen
darin enthaltenen Wirkstoffe. Auf EU-Ebene gibt es bisher                                  Behörden realistische und umfassende Daten zum Pestizid-
keinen gemeinsamen Ansatz für die Erhebung statistischer                                   einsatz und den einzelnen Wirkstoffen vor. Auf diese Weise
Daten über die Pestizidverwendung – obwohl dazu bereits                                    können in Regionen mit dem höchsten Pestizideinsatz ge-
eine Verordnung existiert. Auch in Österreich fehlen zuver-                                zielte Maßnahmen zum Schutz der dort lebenden Bevölke-
lässige Daten darüber, wo welche Pestizide in der Landwirt-                                rung und der Umwelt gesetzt werden. Die Daten sind zudem
schaft in welchem Umfang eingesetzt werden. Dabei sind                                     öffentlich einsehbar.

                                                                                                                                                   PESTIZIDATLAS 2022                              15
PESTIZIDEINSATZ IN DEUTSCHLAND

     WENIG VIELFALT,
     WENIG FORTSCHRITT
     Seit 25 Jahren liegt in Deutschland der                                                           nen Mengen und mit seltener Anwendung große Schäden
     Absatz von Pestizidwirkstoffen auf relativ                                                        verursachen.
     konstantem Niveau. Das bedeutet jedoch                                                                Auf einem großen Teil der Ackerflächen in Deutsch-
                                                                                                       land werden mehrmals pro Jahr Pestizide eingesetzt: Laut
     nicht, dass die negativen Auswirkungen
                                                                                                       Berechnungen des Umweltbundesamts auf jedem Hektar
     auf die Umwelt konstant bleiben.                                                                  landwirtschaftlicher Nutzfläche durchschnittlich 2,8 Kilo-
                                                                                                       gramm Pestizidwirkstoffe. Diese Daten sind jedoch nur be-

     Z
            wischen 27.000 und 35.000 Tonnen Pestizidwirkstoffe                                        dingt akkurat: Landwirtschaftliche Betriebe müssen zwar
            insgesamt werden hierzulande pro Jahr verkauft. Die                                        den Pestizideinsatz auf ihren Flächen dokumentieren, doch
            Menge schwankt vor allem aufgrund von Witterungs-                                          diese Daten werden von den Behörden nicht systematisch
     bedingungen und aufgrund von unterschiedlichen Preisen                                            erfasst und nicht veröffentlicht. Es fehlt somit an Transpa-
     für Agrar- und Pestizidprodukte. Der überwiegende Teil                                            renz und an Informationen, die beispielsweise einen Ver-
     wird in der Landwirtschaft eingesetzt. Im Durchschnitt der                                        gleich zwischen Bundesländern ermöglichen oder räumli-
     Jahre 2015 bis 2020 waren Herbizide, die als Mittel gegen                                         che Hotspots identifizierbar machen würden.
     Beikräuter verwendet werden, mit durchschnittlich 49 Pro-                                             Um die Intensität des Pestizideinsatzes darzustellen, ver-
     zent die größte Gruppe der eingesetzten Pestizide, gefolgt                                        wenden Behörden den Behandlungsindex (BI). Dieser Wert
     von Fungiziden gegen Pilze mit 37 Prozent. Insektizide –                                          beschreibt, wie oft eine Anbaukultur auf der ganzen Fläche
     Mittel gegen schädliche Insekten – machen knapp 3 Prozent                                         mit der maximal erlaubten Aufwandsmenge eines Pesti-
     aus und Wachtumsregulatoren, die beispielsweise das Län-                                          zidprodukts behandelt wurde. Demnach ist die pestizidin-
     genwachstum von Getreidehalmen verkürzen, 9 Prozent.                                              tensivste Anbaukultur in Deutschland der Apfelanbau mit
     Sonstige Mittel, darunter unter anderem solche gegen Na-                                          einem Behandlungsindex im Jahr 2020 von 28,2 – gefolgt
     ger und Schnecken, machen weniger als 2 Prozent aus.                                              von Wein mit 17,1 und Hopfen mit 13,7. Aussagen über die
         Die Absatzmenge von Pestiziden allein sagt aber wenig                                         Gesundheits- oder Umweltauswirkungen der Spritzungen
     über die Risiken für Mensch, Tier und Natur aus. Weitere                                          erlaubt der BI nicht. Die geringe genetische Vielfalt bei den
     Faktoren wie die Gesundheitsgefährlichkeit oder Umwelt-                                           typischerweise durch Klonung vermehrten Dauerkulturen
     gefährlichkeit der Mittel, die Art und Weise der Ausbrin-                                         (zum Beispiel Apfel oder Wein) macht die Pflanzen anfällig
     gung, der Anwendungstermin und die Anwendungshäu-                                                 und führt zu hohem Einsatz von Fungiziden. Fehlt die natür-
     figkeit spielen ebenso eine Rolle. Vor allem Insektizide                                          liche Artenvielfalt, inklusive der Nützlinge, steigt der Insek-
     wirken häufig in niedrigen Konzentrationen bereits hoch-                                          tizideinsatz. Auch Forderungen nach optisch makelloser
     giftig – nicht nur für die Zielorganismen, sondern auch für                                       Ware führen zu einem vermehrten Einsatz von Pestiziden
     andere Tiere wie Bienen. Sie können daher bereits in klei-                                        im Obst- und Gemüsesektor.
                                                                                                           Insbesondere wenn man die Umweltauswirkungen be-
                                                                                                       trachtet, spielt auch die insgesamt behandelte Fläche eine
                                                                                                       wesentliche Rolle. Ein Beispiel bietet der Einsatz von Her-
        SCHLECHTE NACHRICHTEN FÜR APFEL-FANS
                                                                                                       biziden. Wird wiederholt und großflächig der Bewuchs
        Der Behandlungsindex zeigt an, wie intensiv in Deutschland welche
        Pflanze mit Pestizid behandelt wird, Stand 2020                                                totgespritzt, hat dies erhebliche Auswirkungen auf den
                                                                                                       Lebensraum von Pflanzen und Tieren. Viele Herbizide sind
                                                                                                       zudem giftig für Algen und Wasserpflanzen und können
        Apfel                                                       28,2                               das Grundwasser verschmutzen. So können auch auf den
        Wein 		                                                      17,1                              ersten Blick wenig pestizidintensive, aber viel Fläche ein-
        Hopfen 		                                                    13,7                              nehmende Ackerkulturen wie Mais, der gut 22 Prozent des
                                                                                                       Ackerlands einnimmt, dennoch von großer Relevanz für die
        Kartoffeln                                                   11,8
                                                                                                       Umwelt und die Gewässergüte sein.
        Winterraps                                                    6,4
                                                                                                           Hinsichtlich der Giftigkeit der Spritzmittel lässt sich seit
        Zuckerrüben		                                                 4,6                              Jahrzehnten ein Trend zu Mitteln beobachten, die schon in
        Winterweizen                                                  4,6                              geringer Dosierung sehr wirksam sind. Die nahezu konstant
        Wintergerste                                                  3,9                              bleibende Absatzmenge in Deutschland bedeutet also nicht,
                                                                            PESTIZIDATLAS 2022 / JKI

        Mais		                                                        1,9

                                                                                                       Von allen Anbaukulturen in Deutschland ist der
        Zahlen aus 2020                                                                                Apfelbau der Pestizid-intensivste. Apfelbäume werden
                                                                                                       zwischen 20 bis 30 Mal pro Saison gespritzt

16   PESTIZIDATLAS 2022
PESTIZIDATLAS 2022 / FAOSTAT
   EINSATZBEREITSCHAFT                                                                                                                                                                                                                  132 1.108
   Insgesamt ausgebrachte Pestizide in der EU 2019, in Tonnen                                                                                                                                                                    FI 24
                                                                                                                                                                                              1.232
                                                                                                                                                                                                                                              428
                                                                                                                                                                                              47
                                                                                                                    375                                             46                   SE   152                            EE           29 107

                                                                                                                                                254              2.012                                             76 1.199
                                                                                                                9.567                                                 438
                                                                                                                                                                                                               LV
                                                                             1.833                                                        4.288                  DK                                                       575
               Insektizide                                                              29          IE                                                                                                              213
                                                                                                                                                                                                                965 36
               Herbizide                                                                                            6.522
                                                                              602                                                              2.978                                                                        LT
               Fungizide *                                                                                                                                           13.972
                                                                                                            UK                                  NL             18.598
                                                                                                                          2.328                                                                 11.685                 6.718
                                                                                                                                                                           10.222
                                                                                                                          2.450                  BE                                                          2.743      PL
                                                                                                                                                362               DE
                                                                                                          34.392
                                                                                                                                                                    2.071                                                         2.796
                                                                                                                                                                        1.151
                                                                                                                                                                              AT                              3.906
                                                                                                          6.180                                                    1.619                             702
                                                                                                                      39.112
                                                                                                                                                                                              HU                                       583
                                                                                                            FR                                                                                                   RO                            3.052
                                                                                                                                                                                                                                       1.711
                                                              PT                         16.593                                                                            IT
                                                 1.899
                                                                                                                                                              8.825
                                                                                                                                                                                                                 1.579
                                                                                                                                                                                                                                               BG
                                                                              6.488                                                                                             24.114                                                  730
                                               2.084
                                                                                                                                                               10.810                                2.674                                     4.340
                                      4.183                                  ES               38.067                                                                                                             3.358

                                                                                                                                                                                                                                       2.801
                                                                                                                                                                                                                     GR
   * und Bakterizide
   Angegeben sind Wirkstoffmengen (nicht Produktmengen). Die Menge der Insektizide beinhaltet inerte Gase, die im Vorratsschutz verwendet werden.

                                                                                                                                                                                                             Pestizide werden auch in Privatgärten,
dass es keine Änderung hinsichtlich der negativen Auswir-                                                                                                                                                                Parks und an Gleisanlagen
kungen auf die Umwelt oder die biologische Vielfalt gab.                                                                                                                                                           eingesetzt, hauptsächlich jedoch
    Eine effektive Politik, die zu einer Reduktion des Pestizid-                                                                                                                                                               in der Landwirtschaft
einsatzes führt, gibt es in Deutschland nicht. Auf Betriebs-
ebene werden verbotene chemisch-synthetische Pestizide
in der Regel durch andere chemisch-synthetische Pestizide                                                                                                         1995 wurden in Deutschland 220 verschiedene Pestizid-
ersetzt – die Abhängigkeit vom chemischen Pflanzenschutz                                                                                                      wirkstoffe verkauft. Etwa die Hälfte davon hatte bis 2019 be-
wird nicht reduziert.                                                                                                                                         reits die Zulassung verloren. Trotzdem befanden sich 2019
                                                                                                                                                              wieder 251 Wirkstoffe auf dem Markt. Das bestärkt zivil-
                                                                                                                                                              gesellschaftliche Organisationen in der Annahme, dass die
Der Toxic Load Indicator ist Ausdruck der                                                                                                                     Reduzierung der Abhängigkeit vom chemischen Pflanzen-
Giftigkeit eines Pestizids für Menschen und                                                                                                                   schutz - so wie es von der europäischen Pestizidgesetzge-
Tiere und seines Verbleibs in der Umwelt                                                                                                                      bung gefordert wird - bislang nicht erfolgt.
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                         PESTIZIDATLAS 2022 / NEUMEISTER

   RISIKODETEKTOR
   Mit Hilfe des Toxic Load Indicators lassen sich Pestizide bewerten und vergleichen

          Giftigkeit für Menschen und Säugetiere                                                                       Giftigkeit für die Umwelt                                                                                 Umweltverhalten
                                                                                                                                                                                                                                               Halbwertzeit auf Pflanzen
                                                                                  annehmbare Tagesdosis

                                                                                                                                                                                                                                                                           Versickerungspotenzial
                                                                                   Anwenderexposition/

                                                                                                                          Wasserflöhe, Fisch
        Akut (oral, dermal,

                                                                                                                                                                                                                     Bioakkumulation
                              Karzinogenität

                                                              Reproduktion

                                                                                       Annehmbare

                                                                                                                                                                  Honigbienen
                                                Mutagenität

                                                                                                                                                                                                                                                                                                          Flüchtigkeit
                                                                                                                                                                                                Persistenz
           respirativ)

                                                                                                                                                  Nützlinge

                                                                                                                                                                                     Algen
                                                                                                            Vögel

                                                                                                                                                                                                                                                                                                    PESTIZIDATLAS 2022                                     17
ZULASSUNGSVERFAHREN

     GRÜNES LICHT FÜR RISIKEN
     Bevor Pestizide auf den Markt kommen,                                         Ebene der Mitgliedsstaaten statt. In Deutschland ist in die-
     durchlaufen sie einen Genehmigungsprozess,                                    sem Kontext die wichtigste Behörde das Bundesamt für Ver-
     in dem ihre Wirkungen getestet werden.                                        braucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) – im Ein-
                                                                                   vernehmen mit dem Umweltbundesamt (UBA) und unter
     Die indirekten Folgen auf Nahrungs­
                                                                                   Einbindung weiterer Fachbehörden wie dem Bundesinsti-
     ketten und Biodiversität sowie der schwer                                     tut für Risikobewertung (BfR) und dem Julius Kühn-Institut
     kalkulierbare Effekt von Pestizidmischungen                                   für Kulturpflanzen (JKI).
     finden kaum Beachtung.                                                            So prüft das Julius Kühn-Institut, ob ein Pestizid ausrei-
                                                                                   chende Wirkung gegenüber dem Schadorganismus ent-
                                                                                   wickelt. Auch mögliche Schäden an anderen Pflanzen und

     I
        n der Europäischen Union funktioniert das Zulassungs-                      die Beeinträchtigung von Nützlingen wie zum Beispiel dem
        verfahren von Pestiziden zweistufig: Im ersten Schritt                     Marienkäfer werden berücksichtigt. Das BfR prüft die Aus-
        werden Wirkstoffe EU-weit genehmigt. Im zweiten                            wirkungen auf die menschliche Gesundheit und legt Grenz-
     Schritt werden die in der Praxis eingesetzten Produkte, die                   werte fest, wie stark Menschen dem jeweiligen Pestizid ohne
     den Wirkstoff schließlich enthalten, durch die einzelnen                      gesundheitliche Folgen ausgesetzt sein können. Eine zen-
     Mitgliedsstaaten zugelassen. Federführend auf Europäi-                        trale Rolle spielt das Umweltbundesamt, ohne dessen Zu-
     scher Ebene ist die Europäische Behörde für Lebensmittel-                     stimmung kein Pestizidprodukt in Deutschland zugelassen
     sicherheit (EFSA). Sie beauftragt ein Mitgliedsland, das von                  werden kann. Das Amt bewertet auf Basis der eingereichten
     dem Hersteller erstellte Wirkstoff-Dossier zu prüfen. Die                     Studien die zu erwartenden Auswirkungen auf die Umwelt,
     beauftragte Zulassungsbehörde des Mitgliedslands be-                          Gewässer, Boden, Luft und die dort lebenden Organismen.
     wertet die Studien der Herstellerfirmen und andere Infor-                     Kommt es zum Ergebnis, dass keine „unannehmbaren“ Aus-
     mationen – und interpretiert sie mit Blick auf das Risiko für                 wirkungen auf die Umwelt zu erwarten sind, stimmt das
     Mensch und Umwelt. Wird ein Wirkstoff zugelassen, gilt                        UBA einer Zulassung zu. Das bedeutet: Nachteilige Auswir-
     die Genehmigung meist für zehn Jahre. Vor einer Verlänge-                     kungen auf die Umwelt oder Nützlingsorganismen werden
     rung müssen neue Daten in die Entscheidung einbezogen
     werden.
         Die EU-weite Genehmigung eines Wirkstoffes bedeutet                               Die Erkenntnisse aus Zulassungstests mit nur wenigen
     noch keine automatische Zulassung von Pestizidprodukten,                              Arten sind mit Unsicherheiten behaftet. Eingerechnete
     die diesen Wirkstoff enthalten. Die wiederum findet auf der                     Sicherheitsfaktoren sollen diese Unsicherheiten kompensieren

                                                                                                                                                       PESTIZIDATLAS 2022 / EUKOM
         NATUR LÄSST SICH SCHWER NACHBAUEN
         Standard-Zulassungsprüfungen betrachten nur einen Ausschnitt möglicher Pestizideffekte auf die Umwelt

         4 wird geprüft
         x wird nicht geprüft                                                                               Vereinfachte Test-Umwelt

                                                                                                          4 Wirkung einzelner Pestizide
                                                                                                          4 Auswirkungen auf wenige Arten

                                                                                                                  x Sicherheitsfaktor

                                                                                                            Komplexe echte Umwelt

                                                                                                          x Wirkungen von Pestizid-Gemischen
                                                                                                          x Wirkungen auf Nahrungsnetze & Ökosysteme

18   PESTIZIDATLAS 2022
ALS RISIKO ERKANNT – UND DOCH NICHT GEBANNT
  Anzahl der weiterhin verwendeten Pestizide im Jahr 2021, die laut EU-Regularien ersetzt werden sollten (Substitutionskandidaten),
  nach Mitgliedsland; Anzahl biologischer Schädlingsbekämpfungsmittel (Biopestizide) im Jahr 2020 auf dem Weg zur Marktreife in der EU

        bis 19                                                                   Dänemark         Schweden
                                       Irland                                                                                   Estland
        20 bis 29                                                                                                                             21
        30 bis 39                                                          14
                                                                                                       19
        40 bis 49                       34
        über 50                                                   Niederlande

   Pestizidwirkstoffe, die für                                        34                                      Polen
   die Gesundheit oder Umwelt
   besonders gefährlich sind, de-                                               Deutschland
   finiert die EU als Substitutions-                                                                          45
   kandidaten. Im Zulassungsver-
   fahren müssen diese Wirkstoffe                                                   39
   daraufhin überprüft werden,
   ob sie durch ungefährlichere                      Frankreich
   Alternativen ersetzt werden                                                                                        Ungarn
   können. Trotz der offiziellen
   Gefahrenprognose dürfen                              44
   Substitutionskandidaten, wenn
   auch verkürzt auf sieben Jahre,
                                                                                 Italien
                                                                                              Slowenien                 51
   wiederholt genehmigt werden

                               Spanien                                           48               32

                                 42

                                                                                                                                                       PESTIZIDATLAS 2022 / IBMA, PAI
      Biopestizide in der EU                                                        Biopestizide bestehen aus natürlichen Wirksubstanzen, die
                                                  104                               aus Tieren, Pflanzen, Mikroorganismen oder bestimmten
        bereits im Zulassungsverfahren                                              Viren entwickelt werden. Sie gelten in der Regel als weniger
        noch nicht im Zulassungsverfahren                                           problematisch. Die Nachfrage nach Biopestiziden wächst, aber
                                                                        102
                                                                                    ihr Anteil am Weltmarkt für Pestizide ist immer noch gering

                                                                                                Obwohl EU-Mitglieder gehalten sind, besonders
akzeptiert, wenn sie als vertretbar eingestuft werden – zum                                gefährliche Wirkstoffe möglichst schnell zu ersetzen,
Beispiel, wenn zu erwarten ist, dass sich Nützlingsbestände                                        werden sie noch in vielen Ländern eingesetzt.
nach einem Spritzgang erholen.                                                                    Als Alternativen könnten Biopestizide dienen.
    Obwohl in der EU strenge Kriterien für eine Pestizidzu-                                              Die werden aber zu langsam zugelassen
lassung existieren, kann die derzeitige Umweltrisikobewer-
tung offenbar nicht verhindern, dass zugelassene Pestizide
schädliche Auswirkungen auf die Umwelt haben. Die EFSA                        gesunken. Auch experimentell konnte der Zusammenhang
hat Richtlinien ausgearbeitet, wie Pestizidwirkstoffe im Hin-                 zwischen Herbizideinsatz, Insektenvorkommen und dem
blick auf Vögel, Säugetiere, Honigbienen, Wildbienen oder                     Überleben von Rebhuhnküken bereits in den 1980ern ge-
Regenwürmer bewertet werden sollen. Zivilgesellschaftli-                      zeigt werden.
chen Organisationen reicht das nicht. Sie fordern, dass auch                      Außerdem finden in den meisten landwirtschaftlichen
die Auswirkungen auf Amphibien, Fledermäuse, Reptilien                        Kulturen mehrere Pestizide pro Saison Anwendung. Äpfel
oder Wildkräuter Berücksichtigung finden.                                     werden am häufigsten pro Saison gespritzt. Bei einzelnen
    Fachleute kritisieren zudem die geringe Aufmerksam-                       Behandlungen können auch mehrere Pestizide gleichzeitig
keit, die indirekte Auswirkungen auf Nahrungsketten oder                      zum Einsatz kommen. Trotzdem wird in Zulassungsverfah-
die biologische Vielfalt auf der Anbaufläche erhalten. So                     ren bloß die Anwendung eines Wirkstoffs oder eines Pesti-
werden in Zulassungsverfahren Wechselwirkungen zwi-                           zidprodukts bewertet. Effekte dieser Mischungen auf die
schen Organismen nicht bewertet – wodurch indirekte                           Umwelt sind bislang weitestgehend unbekannt – Hinweise
Pestizideffekte außer Acht bleiben. So ist es möglich, dass                   mehren sich, dass sie stärker sein können als die jeweiligen
ein Herbizid wie Glyphosat keine akut toxische Wirkung                        Einzelwirkungen. Auch für die menschliche Gesundheit
auf Insekten und Vögel zeigt, jedoch dazu beiträgt, Kräu-                     könnte die Belastung mit Pestizidmischungen gefährlicher
ter auf Feldern zu reduzieren. Bestäubende und pflanzen-                      sein als bisher bekannt. Um Pestizidschäden rasch zu er-
fressende Insekten finden dadurch weniger Nahrung, was                        kennen, fordern zivilgesellschaftliche Organisationen und
sich wiederum auf die Nahrungsgrundlage vieler anderer                        Fachleute eine verbesserte, an der landwirtschaftlichen Pra-
Tiere auswirkt. So sind etwa die Bestände der Feldvögel in                    xis orientierte Überprüfung der Anwendungen über einen
der EU in den letzten vierzig Jahren um mehr als 30 Prozent                   längeren Zeitraum.

                                                                                                                                         PESTIZIDATLAS 2022                             19
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